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Abschätzung der Wärmeströme bei der Reibung von metallischen Werkstoffen auf Eis

©2007 Diplomarbeit 113 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Am Institut für Werkstofftechnik der Technischen Universität Ilmenau werden derzeit Untersuchungen zur Optimierung der Reibung von Werkstoffen gegen Eis durchgeführt. Als Optimierung wird hierbei die Verringerung der Reibung betrachtet, welche vor allem für Schneidwerkzeuge in der Lebensmittelindustrie, Eisbrecher oder Kufen für Wintersportgeräte von großer Bedeutung ist. Eine Optimierung im Sinne der Erhöhung der Reibung, zum Beispiel für Winterreifen wird hier nicht betrachtet. Zu diesem Zweck wurde in Zusammenarbeit mit der Firma TETRA ein Tieftemperatur-Tribometer nach dem Stift-Scheibe-Prinzip gebaut. Die wesentlichen Merkmale sind der Durchmesser der feststehenden Eisscheibe von 1,2 m und das rotierende Messsystem, welches sowohl Messungen auf einer Kreisbahn als auch auf einer Spiralbahn ermöglicht. Mit dem Tieftemperatur-Tribometer können materialabhängige und materialunabhängige Einflussfaktoren auf das tribologische Verhalten verschiedener Werkstoffe auf Eis untersucht werden.
In dieser Diplomarbeit stehen die Abhängigkeiten der Reibungszahl von äußeren Einflussgrößen, wie Normalkraft, Eistemperatur und Gleitgeschwindigkeit im Vordergrund. Dabei sollen erstmals umfangreiche Messungen auf einer Spiralbahn und damit Bewegung auf einer unbenutzten Eisoberfläche weitere Einblicke in den Reibungsvorgang geben. Während des Reibungsprozess entsteht infolge des Schmelzens von Eis ein Wasserfilm an den Kontaktstellen zwischen Probe und Eis, welcher zu einen Schmierfilm führt der die Reibungszahl verändert. Da die Dicke des Wasserfilms noch nicht direkt gemessen werden kann, wurde ein Temperatur-Messsystem eingebaut. Damit sollen Abschätzungen der Wärmeströme in dem tribologischen System Probe / Eis möglich sein.
Des Weiteren soll begonnen, werden ein geeignetes FEM-Modell aufzubauen und mit den Experimenten zu vergleichen. Vordergründig geht es dabei um die Simulation der realen thermodynamischen Verhältnisse.



Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
VERZEICHNIS VON ABKÜRZUNGEN UND FORMELZEICHENVI
0.EINLEITUNG1
1.GRUNDLAGEN2
1.1STRUKTURMECHANISCHE UND THERMODYNAMISCHE EIGENSCHAFTEN VON EIS2
1.1.1PHYSIK VON EIS2
1.1.2SCHMELZEN VON EIS6
1.1.2.1DRUCKSCHMELZEN7
1.1.2.2GRENZFLÄCHENSCHMELZEN8
1.1.2.3OBERFLÄCHENSCHMELZEN9
1.1.2.4REIBSCHMELZEN10
1.1.2.5QUASI FLÜSSIGER FILM11
1.2TRIBOLOGISCHE SYSTEME MIT EIS12
1.2.1TRIBOLOGIE ALLGEMEIN12
1.2.1.1REIBUNG13
1.2.1.2VERSCHLEIß15
1.2.1.3SCHMIERUNG15
1.2.2REIBUNG […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


René Kallmeyer
Abschätzung der Wärmeströme bei der Reibung von metallischen Werkstoffen auf Eis
ISBN: 978-3-8366-0504-5
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2007
Zugl. Technische Universität Ilmenau, Ilmenau, Deutschland, Diplomarbeit, 2007
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2007
Printed in Germany

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Technische Universität Ilmenau
Fakultät für Maschinenbau
II
Danksagung
Die vorliegende Diplomarbeit wurde während meines 11. Semesters am Fachgebiet
Metallische Werkstoffe und Verbundwerkstoffe an der Technischen Universität
Ilmenau durchgeführt. Herrn Prof. Dr.-Ing. habil. H. Kern danke ich für die
Ermöglichung dieser Diplomarbeit.
Mein besonderer Dank gilt Herrn Dr.-Ing. Frank Albracht, Herrn Dr.-Ing. Volker Winkler
und Frau Dipl.-Ing. (FH) Susen Reichel für die wissenschaftliche Betreuung meiner
Arbeit, ihre ständige Diskussionsbereitschaft und die freundliche Unterstützung bei der
Bearbeitung des Themas.
Bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Fachgebietes möchte ich mich für die
freundliche Aufnahme bedanken. Dank auch an den Meister der mechanischen
Werkstatt Herrn Frank Oßmann.
Weiterhin möchte ich mich bei Dipl.-Ing. Marc Schalles bedanken für seine
Hilfestellung im FEM-Bereich.
Besonderer Dank gilt meinen Eltern Christine und Karl-Heinz, meiner Schwester Anja
sowie meiner Freundin Gesine, die mich während dieser Arbeit immer unterstützten
und motivierten.

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III
INHALTSVERZEICHNIS
VERZEICHNIS VON ABKÜRZUNGEN UND FORMELZEICHEN ...VI
0
EINLEITUNG... 1
1
GRUNDLAGEN... 2
1.1 STRUKTURMECHANISCHE UND THERMODYNAMISCHE EIGENSCHAFTEN VON EIS . 2
1.1.1 PHYSIK VON EIS ... 2
1.1.2 SCHMELZEN VON EIS... 6
1.1.2.1 DRUCKSCHMELZEN... 7
1.1.2.2 GRENZFLÄCHENSCHMELZEN... 8
1.1.2.3 OBERFLÄCHENSCHMELZEN ... 9
1.1.2.4 REIBSCHMELZEN ... 10
1.1.2.5 QUASI FLÜSSIGER FILM... 11
1.2 TRIBOLOGISCHE SYSTEME MIT EIS... 12
1.2.1 TRIBOLOGIE ALLGEMEIN ... 12
1.2.1.1 REIBUNG ... 13
1.2.1.2 VERSCHLEIß ... 15
1.2.1.3 SCHMIERUNG ... 15
1.2.2 REIBUNG AUF EIS ... 16
1.3 WÄRMEÜBERTRAGUNG UND TEMPERATURMESSUNG... 18
1.3.1 WÄRMEAUSBREITUNG... 18
1.3.1.1 WÄRMELEITUNG ... 19
1.3.1.2 WÄRMEKONVEKTION ... 20
1.3.1.3 WÄRMESTRAHLUNG... 21
1.3.1.4 WÄRMEÜBERTRAGUNG IM REIBSPALT... 21
1.3.2 TEMPERATURMESSUNG... 25
1.3.2.1 THERMOELEMENT ... 25
1.3.2.2 WIDERSTANDSTHERMOMETER... 26
1.3.2.3 INFRAROTSENSOREN ... 27

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IV
2
UNTERSUCHUNGEN ZUR REIBUNG AUF EIS ... 29
2.1 TRIBOMETER UND MESSSYSTEM ... 29
2.2 HERSTELLUNG UND PRÄPARATION DES EISES ... 31
2.3 AUSWAHL UND MODIFIZIERUNG DES PROBEKÖRPERS ... 33
2.4 VERSUCHSPLAN ... 34
2.4.1 BEMERKUNGEN ZUR REIBUNGSZAHL... 36
2.4.2 BEMERKUNGEN ZUR TEMPERATURMESSUNG... 37
3
ERGEBNISSE UND DISKUSSION... 40
3.1 REIBUNGSZAHL IN ABHÄNGIGKEIT DER NORMALKRAFT, ...
GLEITGESCHWINDIGKEIT UND EISTEMPERATUR... 40
3.1.1 ALLGEMEINES REIBUNGSVERHALTEN... 40
3.1.2 BELASTUNGS- ODER GLEITGESCHWINDIGKEITSABHÄNGIGE ...
REIBUNGSZAHL... 41
3.1.3 REPRODUZIERBARKEIT DER ERGEBNISSE... 44
3.1.4 ABHÄNGIGKEIT DER REIBUNGSZAHL VON DER EISTEMPERATUR... 45
3.1.5 REIBUNGSZAHL IN DEN KRITISCHEN BEREICHEN ... 47
3.2 TEMPERATURMESSUNG IM REIBSPALT... 49
3.2.1 GESCHWINDIGKEITSABHÄNGIGKEIT DER TEMPERATUR ... 49
3.2.2 BELASTUNGSABHÄNGIGKEIT DER TEMPERATUR... 51
3.2.3 TEMPERATURVERHALTEN BEI UNTERSCHIEDLICHEN ...
EISTEMPERATUREN ... 53
3.2.4 TEMPERATURVERHALTEN UND REIBUNGSZAHL ... 57
3.2.5 STATISCHE TEMPERATURMESSUNG ... 58
3.3 FAZIT DER UNTERSUCHUNGEN ZUR REIBUNG AUF EIS ... 60
4
MODELLBILDUNG MITTELS FEM ... 64
4.1 GRUNDLAGEN ... 64
4.2 THEORETISCHES FEM-MODELL ... 65
4.3 AUFBAU DES FEM-MODELLS... 67
4.4 ERGEBNISSE DER SIMULATION... 69

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V
5
ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK ... 71
6
LITERATURVERZEICHNIS ... 74
7
INTERNETVERZEICHNIS ... 80
8
ABBILDUNGSVERZEICHNIS ... 81
9
TABELLENVERZEICHNIS ... 83
10 ANHANG... 84

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VI
Verzeichnis von Abkürzungen und Formelzeichen
Abkürzungen
gradT
Temperaturgradient
PMMA
Polymethylmethacrylat
TCC
Thermal Contact Conductance
Formelzeichen
I ... XII
chronologische Laufnummer des Eises
I
c
Eis mit hexagonaler Kristallstruktur
I
h
Eis mit kubischer Kristallstruktur
A
Fläche
[m²] [mm²]
A
i
Fläche des Strahlers
[m²]
A
K
Kontaktfläche
[mm²]
a(0)
Konstante = 0,84
[nm]
c
spezifische Wärmekapazität
[J/kg · K]
E
Elastizitätsmodul
[N/m²] [N/mm²]
E
AB
Thermospannung
[mV]
e
x
, e
y
, e
z
Elementkoordinatensystem
F
ij
Formfaktor zwischen Strahler- und Empfängerfläche
F
N
Normalkraft
[N]
F
R
Reibungskraft
[N]
f
Reibungszahl
G
Schermodul
[N/m²]
H
Enthalpie
[J]
h
Schmelzwärme
[kJ/kg]
h
c
thermische Kontaktkonduktivität
[W/m² · K]
k
Materialfaktor
L
Dicke des quasi flüssigen Filmes
[nm] []
l
d
Wachstumsamplitude
[]

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VII
P
Reibleistung
[W]
P
M
Reibleistungsanteil durch Materialveränderung
[W]
P
Q
Reibleistungsanteil durch Wärme
[W]
P
V
Reibleistungsanteil durch Materialverlust
[W]
p
Druck
[bar]
Q&
Wärmestrom
[W]
Q&
K
Wärmestrom durch Wärmekonvektion
[W]
Q&
L
Wärmestrom durch Wärmeleitung
[W]
Q&
S
Wärmestrom durch Wärmestrahlung
[W]
R
a
Mittenrauwert
[µm]
T
Temperatur
[K] [°C]
T
0
Starttemperatur
[K] [°C]
T
A
Starttemperatur
[K] [°C]
T
F
Fluidtemperatur
[K] [°C]
T
i
Temperatur des Strahlers
[K]
T
j
Temperatur des Empfängers
[K]
T
m
Schmelztemperatur
[K] [°C]
T
qll
Temperatur des quasi flüssigen Filmes
[K] [°C]
T
ref
Referenztemperatur
[K] [°C]
T
S
Temperatur an der Messstelle
[K] [°C]
T
U
Endtemperatur
[K] [°C]
T
W
Wandtemperatur
[K] [°C]
T
Temperaturdifferenz
[K]
t
Zeit
[s]
v
G
Gleitgeschwindigkeit
[m/s]
v
S
Vorschubgeschwindigkeit
[mm/s]
x, y, z
kartesische Koordinate
Wärmeausdehnungskoeffizient
[1/K]
K
konvektiver Wärmeübergangskoeffizient
[W/m² · K]
i
Emissionsgrad der Strahlerfläche
Kompressionsmodul
[N/m²]
Wärmeleitfähigkeit
[W/m · K]

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VIII
Querkontraktionszahl
Dichte
[kg/m³] [g/cm³]
qll
Dichte des quasi flüssigen Filmes
[kg/m³] [g/cm³]
W
Dichte von Wasser
[kg/m³] [g/cm³]
Stefan-Boltzmann-Konstante = 5,67 · 10
-8
[W/m² · K
4
]

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1
0
Einleitung
Am Institut für Werkstofftechnik der Technischen Universität Ilmenau werden derzeit
Untersuchungen zur Optimierung der Reibung von Werkstoffen gegen Eis durch-
geführt. Als Optimierung wird hierbei die Verringerung der Reibung betrachtet, welche
vor allem für Schneidwerkzeuge in der Lebensmittelindustrie, Eisbrecher oder Kufen
für Wintersportgeräte von großer Bedeutung ist. Eine Optimierung im Sinne der
Erhöhung der Reibung, zum Beispiel für Winterreifen wird hier nicht betrachtet.
Zu diesem Zweck wurde in Zusammenarbeit mit der Firma TETRA ein Tieftemperatur-
Tribometer nach dem Stift-Scheibe-Prinzip gebaut. Die wesentlichen Merkmale sind
der Durchmesser der feststehenden Eisscheibe von 1,2 m und das rotierende
Messsystem, welches sowohl Messungen auf einer Kreisbahn als auch auf einer
Spiralbahn ermöglicht. Mit dem Tieftemperatur-Tribometer können materialabhängige
und materialunabhängige Einflussfaktoren auf das tribologische Verhalten verschie-
dener Werkstoffe auf Eis untersucht werden.
In dieser Diplomarbeit stehen die Abhängigkeiten der Reibungszahl von äußeren
Einflussgrößen, wie Normalkraft, Eistemperatur und Gleitgeschwindigkeit im Vorder-
grund. Dabei sollen erstmals umfangreiche Messungen auf einer Spiralbahn und damit
Bewegung auf einer unbenutzten Eisoberfläche weitere Einblicke in den Reibungs-
vorgang geben. Während des Reibungsprozess entsteht infolge des Schmelzens von
Eis ein Wasserfilm an den Kontaktstellen zwischen Probe und Eis, welcher zu einem
Schmierfilm führt der die Reibungszahl verändert. Da die Dicke des Wasserfilms noch
nicht direkt gemessen werden kann, wurde ein Temperatur-Messsystem eingebaut.
Damit sollen Abschätzungen der Wärmeströme in dem tribologischen System Probe /
Eis möglich sein.
Des Weiteren soll begonnen, werden ein geeignetes FEM-Modell aufzubauen und mit
den Experimenten zu vergleichen. Vordergründig geht es dabei um die Simulation der
realen thermodynamischen Verhältnisse.

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2
1
Grundlagen
Die in den folgenden Abschnitten dargestellten Grundlagen sollen einen Einblick in
den Stand der Wissenschaft der einzelnen Themen geben. Um die Eistribologie zu
verstehen, sind zu Beginn die Eigenschaften des Eises zu betrachten. Das betrifft zum
einen die mechanischen Eigenschaften als auch das Schmelzen von Eis und das
Phänomen eines Wasserfilmes zwischen Probe und Eis. Zum Verständnis des
Reibungsvorganges sollen die Abschnitte zur Tribologie und Reibung auf Eis
beitragen. Da in dieser Diplomarbeit die Wärmeströme mit zu betrachten sind, werden
in den letzten Abschnitten die Möglichkeit der Wärmeübertragung und die Messung
der entstehenden Wärmeströme beschrieben.
1.1
Strukturmechanische und thermodynamische Eigenschaften von Eis
Das mechanische Verhalten von Eis ist sehr komplex, da es von verschiedenen
Einflussfaktoren abhängig ist. Deshalb ist es wichtig, die Faktoren, die Größe ihres
Einflusses und den Bereich ihrer Wirkung genau zu kennen. Weiterhin ist es für die
Reibung auf Eis relevant wann und wodurch es zur Bildung eines Wasserfilmes
kommt. Nur durch Kenntnis dieser Fakten ist es möglich, den Reibungsprozess auf Eis
zu verstehen.
1.1.1 Physik von Eis
Eis ist einer der drei Aggregatzustände von Wasser und ein kristalliner Festkörper. Im
Eis sind jedem Sauerstoffatom zwei Wasserstoffatome zugeordnet. Beim Wechsel des
Aggregatzustandes von flüssig zu fest entsteht im Eis eine hohe Fernordnung durch
Ausbildung eines Kristallgitters. Der kristalline Zustand gilt als thermodynamisch
stabiler Zustand, bei dem sich die Anordnungen dreidimensional periodisch
wiederholen.
Natürliches Eis kristallisiert in einem hexagonalen Kristallsystem, das bedeutet, es sind
sechs Wasserstoffatome jeweils über Wasserstoffbrücken zu einem Ring verbunden.
Dabei ist jedes Atom wiederum Teil von zwei benachbarten Ringen. Die hexagonale

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3
Kristallstruktur spiegelt sich auch in der Bezeichnung Eis I
h
wieder und ist in Abbildung
1 zu sehen. Die dabei aufeinander gestapelten Ringebenen bilden die so genannten
Basal- oder Basisflächen. Die Eisstruktur I
h
ist die einzige stabile Modifikation von Eis
bei Atmosphärendruck. Zum Stand Januar 2004 sind 13 kristalline Modifikationen von
Eis bekannt. Sie werden chronologisch von Eis I bis Eis XII nummeriert. Die 13.
kristalline Modifikation ist das metastabile kubische Eis I
c
, welches innerhalb des Eis I
Phasengebietes existiert, jedoch nur unterhalb von -120 °C. Neben dem kristallinen
Eis sind noch fünf amorphe Formen ohne Kristallstruktur bekannt [A, 1].
Abbildung 1: hexagonale Kristallstruktur von Eis [A]
Die Bildung der Eisstrukturen wird durch Kristallisationskeime, das heißt Verunrei-
nigungen wie Staubpartikel erleichtert, an denen sich die kristallisierenden Wasser-
moleküle anlagern können. Der Übergang von festem zu flüssigem Aggregatzustand
und umgekehrt findet bei der Schmelztemperatur T
m
= 0 °C statt. Wasser mit seinen
Aggregatzuständen weist eine Reihe von Anomalien auf. Einige von diesen, die für Eis
von Bedeutung sind, sind im folgendem aufgeführt [A, 2]:
·
Eis besitzt eine geringere Dichte als Wasser, was als Dichteanomalie bezeichnet
wird. Der Grund dafür ist, dass die Wasseratome in der hexagonalen
Kristallstruktur einen größeren Abstand voneinander haben als im flüssigen,
ungeordneten Zustand.

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4
·
Wasser kann mehr als andere Stoffe stark unterkühlt werden, ohne dass es
erstarrt. Diese Unterkühlung des Wassers kann ohne künstliche Bedingungen bis
zu -23 °C erfolgen.
·
Durch Erhöhung des Druckes wird der Schmelzpunkt der festen Phase herab
gesetzt, anstatt ihn heraufzusetzen.
In [3] wird eine eindeutige Abhängigkeit der Eishärte von der Eistemperatur T bei
konstanter Belastungszeit nachgewiesen. Bei den Untersuchungen nimmt die Eishärte
mit steigender Temperatur ab. Vor allem im Bereich des Schmelzpunktes fällt die
Härte stark ab. Somit ist in diesem Bereich mit einem Anstieg der Eindringtiefe und
damit der Kontaktfläche zu rechnen.
Da bei diesen Experimenten, aufgrund der Rotation des Sensorarmes, mit einer
kurzzeitigen Belastung der Eisoberfläche zu rechnen ist, aber auch statische
Messungen durchgeführt werden, ist der Einfluss der Belastungszeit auf die Eishärte
zu betrachten. Hierbei wird ein Abfall der Härte bei steigender Belastungszeit
registriert [4].
In einer am Institut parallel laufenden Diplomarbeit werden die mechanischen
Eigenschaften von Eis bei schlagartiger Beanspruchung behandelt. Da die Herstellung
des Eises im Tribometer etwas von den natürlichen Erstarrungsbedingungen abweicht,
sind für die durchgeführten Schlagbiegeversuche Eisproben aus dem Tribometer
entnommen worden. In oben genannter Arbeit werden die Eisproben aus dem
Tribometer auf ihre Schlagzähigkeit und ihren Elastizitäts-Modul hin untersucht [18].
Wird Eis mit einer konstanten Kraft auf Zug oder Druck über einen längeren Zeitraum
belastet, tritt so genanntes Kriechen auf. Bei einer Verformung des Eises mit einer
konstanten Verformungsgeschwindigkeit kommt es nur bei einer niedrigen Verfor-
mungsgeschwindigkeit zu einem ähnlichen Verhalten wie beim Kriechen. Dieses
Verhalten folgt aus der Duktilität des Eises. Durch dieses visko-elastische Verhalten ist
das Eis so dehnbar, dass es selbst unter hohen Belastungen nicht bricht. Mit
steigender Verformungsgeschwindigkeit nimmt die Duktilität jedoch ab, so dass es zu
keiner Dehnung des Eises kommt und es sofort bricht [11, 12]. Diese Sprödigkeit von
Eis nimmt nicht nur mit steigender Verformungsgeschwindigkeit zu sondern auch mit
sinkender Eistemperatur. Die Sprödigkeit und die daraus resultierenden Brucheigen-

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5
schaften von Eis, sind aufgrund seiner anisotropen Materialeigenschaften und visko-
elastischen Fließverhaltens sehr komplex [13].
Die mechanischen Eigenschaften von Eis sind hauptsächlich von der Verformungs-
geschwindigkeit, der Eistemperatur und der Modifikation des Eises abhängig. So hängt
es von der Verformungsgeschwindigkeit und der Eistemperatur ab, welche Deforma-
tionsmechanismen bei Eis zutreffen. Bei hoher Verformungsgeschwindigkeit tritt
Sprödbruch auf, bei geringer Verformungsgeschwindigkeit hingegen duktile Ver-
formung. Bei geringen Verformungsgeschwindigkeiten führt dies zur Bildung von
Mikrorissen an den Korngrenzen. Mit steigender Geschwindigkeit nimmt die plastische
Verformung ab, die Risse werden größer und sind in größerer Anzahl vorhanden. Bei
hohen Verformungsgeschwindigkeiten gibt es kaum noch eine plastische Deformation,
und der erste Riss hat einen verformungslosen Bruch der Probe zur Folge [2, 14].
Die Temperatur ist ein Maß für die kinetische Energie der Atome, je höher sie ist,
desto größer ist die Bewegungsenergie der Teilchen. Mit sinkender Eistemperatur
verringert sich die kinetische Energie der Atome und die Teilchen rücken näher
aneinander. Aufgrund des geringeren Abstandes steigen die Anziehungskräfte
zwischen den Teilchen. Die Teilchen können immer schlechter verschoben werden
und das Eis wird spröder beziehungsweise steifer. Dies hat bei einer Belastung einen
Sprödbruch ohne jegliche Verformung zur Folge.
Einige Materialkennwerte von Eis der Modifikation I
h
bei -20 °C sind in Tabelle 1
aufgeführt [2].
Tabelle 1: Material-Kennwerte von Eis I
h
bei -20 °C [2]
Dichte [kg/m³]
919,7
Elastizitäts-Modul E [N/m²]
93,3*10
8
Querkontraktionszahl
0,325
Schmelzwärme h [kJ/kg]
333,5
spezifische Wärmekapazität c [J/kg*K] 1962
Wärmeleitfähigkeit [ W/m*K]
2,4
Kompressionsmodul [N/m²]
89*10
8
Wärmeausdehnungskoeffizient [1/K] 5,3*10
-5
Scher-Modul G [N/m²]
35,2*10
8
Bei den Experimenten am Tieftemperatur-Tribometer ist von polykristallinem Eis mit
einer hexagonalen Kristallstruktur auszugehen. Inwieweit durch die gewählten Gleit-
geschwindigkeiten von bis zu 2 m/s, bei den Experimenten von einer hohen Verfor-
mungsgeschwindigkeit auszugehen ist, wurde noch nicht geklärt.

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6
1.1.2 Schmelzen von Eis
Das Schmelzen von Eis, beziehungsweise die Eisoberfläche in der Nähe des
Schmelzpunktes spielen bei vielen Dingen im Alltag eine Rolle: bei der Bewegung der
Gletscher, in der Meteorologie, bei Eisbrechern und im Allgemeinen dort, wo Reibung
von Eis auf anderen Materialien stattfindet.
Das thermische Verhalten von Eis ist deshalb von Bedeutung, weil an den
Kontaktstellen ein Wasserfilm gebildet werden kann. Das Schmelzen, bei der
Schmelztemperatur T
m
, führt zu einer Phasenumwandlung beziehungsweise zur
Änderung des Aggregatzustandes. Bei diesem Übergang tritt eine sprunghafte
Änderung der freien Enthalpie H auf, das heißt ein Phasenübergang erster Ordnung.
Es gilt, dass die Enthalpie H eine Funktion des herrschenden Druckes p und der
Temperatur T ist. Am Schmelzpunkt wird die Schmelzwärme h von dem Medium
entweder abgegeben oder aufgenommen. Beim Übergang von flüssig zu fest wird die
Schmelzwärme h an die Umgebung abgegeben. Für den Übergang von fest zu flüssig
muss dem Medium die Schmelzwärme h zugeführt werden. Abbildung 2 zeigt den
Phasenübergang fest-flüssig im Enthalpie-Temperatur-Diagramm mit der für den
Übergang notwendigen Schmelzwärme h. Während des Phasenüberganges besitzt
die Schmelze immer genau die Temperatur T
m
, bis der gesamte Festkörper
geschmolzen ist. Erst im Anschluss folgt ein weiterer Anstieg der Temperatur vom
Medium.
Abbildung 2: Schematischer Phasenübergang fest-flüssig von Wasser

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7
Eis besitzt, wie in Abschnitt 1.1 beschrieben, eine kristalline Fernordnung. Als
Vorraussetzung zum Phasenübergang fest-flüssig gilt der Verlust dieser langreich-
weitigen Ordnungen der Atompositionen [1, 8].
Neben dem Phasenübergang von Eis kommt es bereits unterhalb der Schmelz-
temperatur zur Bildung eines Wasserfilms, welcher den Reibungsvorgang grundlegend
bestimmt. Um diesen besser zu verstehen, müssen die vier Arten des Schmelzens
erklärt und betrachtet werden:
·
Druckschmelzen
·
Grenzflächenschmelzen
·
Oberflächenschmelzen
·
Reibschmelzen
Allen vier Schmelzvorgängen ist gemein, dass die Eisoberfläche ein bevorzugter Ort
für das Einsetzen des Schmelzvorganges ist. Grund dafür ist, dass dort die Zahl der
Bindungen aufgrund fehlender Nachbaratome geringer ist. In der englischsprachigen
Literatur wird der entstehende dünne Wasserfilm als quasiliquid layer bezeichnet. In
den folgenden Abschnitten wird dieser Wasserfilm als quasi flüssiger Film bezeichnet.
1.1.2.1
Druckschmelzen
Ein Probekörper mit der jeweils eingestellten Normalkraft F
N
belastet die Eisoberfläche
mit erhöhtem Druck. Es ist zu klären, ob diese Druckerhöhung und damit herabsetzen
des Schmelzpunktes reicht, um einen quasi flüssigen Film zu erzeugen. Für das
Druckschmelzen ist die vorliegende Flächenpressung zu betrachten. Die Schmelz-
temperatur bei 10 MPa beträgt -0,74 °C, bei 20 MPa -1,52 °C, bei 50 MPa -8,8 °C [2,
5]. Bei makroskopischer Betrachtungsweise treten diese Drücke bei den
durchzuführenden Experimenten nicht auf, weswegen das Druckschmelzen hier
vernachlässigbar ist. Da jedoch die wahre Kontaktfläche sehr viel kleiner ist als die
geometrische, könnte es beim Kontakt der Mikrospitzen von Eis und Probe zum örtlich
begrenzten Aufschmelzen von Eis kommen. Auch in [17] wird das Druckschmelzen als
Ursache für die Bildung des quasi flüssigen Filmes ausgeschlossen.

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8
1.1.2.2
Grenzflächenschmelzen
Durch Grenzflächenschmelzen entsteht eine neue Oberfläche zwischen Eis und
Feststoff. Der Effekt des Grenzflächenschmelzens ist in Abbildung 3 zu sehen.
Abbildung 3: Prinzip des Grenzflächenschmelzens
In [7] wird der Vorgang beschrieben. Der dabei auftretende Film hat eine höhere
Dichte als normales Wasser. Die Dicke des quasi flüssigen Filmes wird mit L und die
Dichte mit
qll
bezeichnet. Beides sind Funktionen der Eistemperatur T. Der Film bildet
sich ab der Temperatur T
0
= T
m
­ 17 K, mit T
m
der Schmelztemperatur und einer
Genauigkeit von ±3 K. Das heißt bei einer Temperatur von -17 °C entsteht der quasi
flüssige Film, dessen Dicke bis zum Erreichen der Schmelztemperatur ansteigt. Dabei
wird als Anstieg des Filmes eine logarithmische Kurve angenommen. Zur Berechnung
von L wird die nachfolgende Gleichung 1.1 verwendet.
( )
( )
T
T
T
T
a
T
L
m
m
-
-
=
0
ln
0
(1.1)
mit a(0) 0,84 nm, T
m
- Schmelztemperatur und T
0
- Temperatur der Filmbildung. Die
Dichte des quasi flüssigen Filmes liegt zu Beginn des Grenzflächenschmelzens bei
qll
= 1,2 g/cm³, das heißt über der des Eises und Wassers, mit
W
= 1 g/cm³, und nähert
sich mit steigender Filmdicke asymptotisch der Dichte von Wasser an [7, C]. Die
gemessene Dicke des quasi flüssigen Filmes steigt laut [7] bis zu 6 nm an. Die in [7]
beschriebenen Experimente zum Grenzflächenschmelzen werden bei statischen
Bedingungen, das heißt ohne Relativbewegung eines Mediums durchgeführt.

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1.1.2.3
Oberflächenschmelzen
In [1] wird mittels Röntgenstreuung unter Totalreflexion das Oberflächenschmelzen an
einkristallinem Eis untersucht. Als relevanter Parameter gilt dabei die langreichweitige
Positionsordnung der Atome. Das bedeutet, durch das Oberflächenschmelzen ändert
sich die Kristallinität an der Oberfläche, wodurch ein ungeordneter quasi flüssiger Film
entsteht, bereits unterhalb der Schmelztemperatur. Der Effekt des Oberflächen-
schmelzens ist in Abbildung 4 dargestellt.
Abbildung 4: Prinzip des Oberflächenschmelzens
Der dabei gebildete quasi flüssige Film der Dicke L mit seiner ungeordneten
Atomstruktur hat jedoch keinen wirklichen Flüssigkeitscharakter, da er noch im Kontakt
zum angrenzenden Kristall ist. Die Untersuchungen zeigen, dass das Oberflächen-
schmelzen auf beiden, Basal- und Prismenoberfläche stattfindet, jedoch bei unter-
schiedlichen Temperaturen. Auf der Basaloberfläche führt dies zum Auftreten des
Films ab zirka -13,5 °C, auf der Prismenoberfläche ab zirka -12,4 °C. Der Wert von L
kann durch die logarithmische Gleichung 1.2 angenähert werden.
( )
-
=
T
T
T
l
T
L
m
d
0
ln
(1.2)
mit l
d
- Wachstumsamplitude, T
0
- Starttemperatur für das Oberflächenschmelzen auf
der jeweiligen Oberfläche, T
m
- Schmelztemperatur.

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Auf der Basaloberfläche steigt der Film logarithmisch bis zu einer Dicke von 20 nm mit
steigender Temperatur an. Die Dickenänderung bei größeren Filmdicken verläuft dann
potenzförmig. Die Dicke des quasi flüssigen Filmes steigt bis zu einem Wert von 40
nm an. Zusätzlich dazu kommt es sowohl zu einem Anstieg der kristallinen Rauheit als
auch zu einem Anstieg der Welligkeit des Eises mit zunehmender Temperatur. Auf der
Prismenoberfläche steigt die Dicke des quasi flüssigen Filmes nur logarithmisch bis zu
einem Wert von 16 nm an. Hierbei kommt es zu keiner Erhöhung der Welligkeit
beziehungsweise der kristallinen Rauheit.
1.1.2.4
Reibschmelzen
Eine weitere Möglichkeit, wie die Bildung eines quasi flüssigen Filmes stattfinden
könnte, ist das Schmelzen des Eises aufgrund von Reibungswärme. Ein Großteil der
Reibleistung wird in Wärme umgewandelt und kann somit den Aufbau eines Filmes
ermöglichen. Im Gegensatz zu den vorherigen Schmelzmöglichkeiten ist hierbei
jedoch eine Relativbewegung zwischen Eis und dem Reibpartner notwendig. Beim
Reibschmelzen spielt vor allem die Wärmeleitfähigkeit der Probe eine bedeutende
Rolle. So kann bei sehr tiefen Eistemperaturen ein Werkstoff mit geringer
Wärmeleitfähigkeit dazu führen, dass die Reibungswärme länger in der Kontaktzone
verbleibt und mehr Eis zum Schmelzen bringt. Wiederum kann bei hohen
Temperaturen und bereits dickem quasi flüssigen Film ein gut wärmeleitendes Material
die Abfuhr der Reibungswärme begünstigen und einen weiteren Anstieg der Filmdicke
verhindern. Reibschmelzen ist jedoch nur möglich, wenn die generierte Wärme so
groß ist, dass sie zum Schmelzen des Eises ausreicht. Wie groß die Reibleistung ist,
kann aufgrund der wechselnden und schwer zu bestimmenden Einflussfaktoren nicht
genau bestimmt werden, siehe Abschnitt 1.2.1.1. Somit ist die Dicke des quasi
flüssigen Filmes durch Reibschmelzen nicht genau vorhersagbar.

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1.1.2.5
Quasi flüssiger Film
Allen vier Schmelztypen ist gleich, dass es noch keine Klärung gibt, inwieweit der
quasi flüssige Film schon als flüssig oder noch als restkristallin angesehen werden
kann. Der beim Schmelzen entstehende Film kann jedoch nur zu einer Verringerung
der Reibung führen, wenn die Rauheit der beteiligten Körper kleiner als der quasi
flüssige Film ist. Ist jedoch die Dicke des als Schmierfilm anzusehenden Filmes zu
gering, liegt weiterhin Festkörperreibung vor. Die Dichte des quasi flüssigen Filmes mit
qll
= 1,2 g/cm³ ist, wie beschrieben, höher als die von Wasser [7]. Dies lässt vermuten,
dass genauso die Viskosität des Filmes höher als die des Wassers ist und sich mit
Abnahme der Dichte des Films der Viskosität des Wassers asymptotisch annähert.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass sich ein quasi flüssiger Film unterhalb von -17
°C nur durch Reibschmelzen bilden kann. In diesem Bereich unterhalb von -17 °C wird
von reiner Festkörperreibung ausgegangen. Erst ab zirka -17 °C setzt das
Grenzflächenschmelzen ein [7]. Dadurch kommt es zu einem Anstieg der Filmdicke
und zu einem Übergang zu Mischreibung. In [7] wird das Grenzflächenschmelzen bei
Stillstand der Körper untersucht. Inwieweit bei diesen durchzuführenden Experimenten
aufgrund der Bewegung der Probe von Grenzflächenschmelzen auszugehen ist, kann
nicht gesagt werden. Trotz der somit geringen Kontaktzeit zwischen Eis und Probe
wird von Grenzflächenschmelzen in beschriebener Form ausgegangen. Durch die
Annäherung an die Schmelztemperatur T
m
folgt ab zirka -12,4 °C das Einsetzen des
Oberflächenschmelzens [1]. Durch den damit verbundenen weiteren Anstieg der
Filmdicke wird mit steigender Temperatur von Flüssigkeitsreibung ausgegangen. In
dem Temperaturbereich von -17 °C bis T
m
führt dies nach [1, 7] somit zu einem
nahezu logarithmischen Anwachsen der Filmdicke bis zu 40 nm [1]. In der Nähe des
Schmelzpunktes kommt es zu einer Änderung des Filmanstieges von logarithmisch zu
einem potenzförmigen Anstieg. In diesem quasi flüssigen Film erhöhen sich
sprungartig die Dichte und die Viskosität im Vergleich zum Eis. Diese
Materialkennwerte nähern sich mit steigender Eistemperatur asymptotisch den Werten
von Wasser an. Die Möglichkeit des Druckschmelzens wird in dieser Arbeit
ausgeschlossen. Die Tatsache, dass alle technischen Oberflächen schon in gewisser
Weise benetzt sind, wird nicht weiter betrachtet.

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1.2
Tribologische Systeme mit Eis
Das tribologische Verhalten, insbesondere vom Werkstoff Eis steht in den folgenden
Abschnitten zur Betrachtung. Einige Forschungsvorhaben haben sich schon damit
befasst, so dass hiermit ein Stand der Kenntnisse darüber vermittelt werden soll.
1.2.1 Tribologie allgemein
Die Tribologie ist die Wissenschaft der Reibung, des Verschleißes und der
Schmierung. Man kann dabei zwischen der Makro-, Mikro- und Nanotribologie
unterscheiden. Jedes tribologische System kann man auf vier Systemelemente
zurückführen, welche in Abbildung 5 zu sehen sind,
Abbildung 5: Aufbau eines tribologischen Systems mit seinen vier Elementen
mit 1 - Grundkörper, 2 - Gegenkörper, 3 - Umgebungsmedium und 4 - Zwischenstoff.
In einem tribologischen System wie oben gezeigt, gibt es verschiedenste Beanspru-
chungen infolge der Geschwindigkeit, der Temperatur und der Bewegungsart. Die
Folge dieser Beanspruchungen sind Reibung und Verschleiß und somit Energie- und
Materialdissipation im tribologischen System [15, 16].

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1.2.1.1
Reibung
Die Reibung umfasst alle Prozesse, die zu einem Energieverlust im tribologischen
System führen. Für die Reibung wird die Reibungszahl f eingeführt, die mit Gleichung
1.3 berechnet werden kann.
N
R
F
F
f
=
(1.3)
F
R
= f (R
a
,A
K
,v
G
)
mit F
N
­ Normalkraft, F
R
­ Reibkraft, R
a
­ Mittenrauwert, A
K
­ Kontaktfläche und v
G
­
Gleitgeschwindigkeit. Die Reibungszahl kann als eine Funktion verschiedener
Faktoren angesehen werden. Die drei Haupteinflussfaktoren der Reibungszahl sind die
Rauheit, die Kontaktfläche und die Härte. Die Reibung ist anhand ihrer Bewegungs-
kinematik in drei Reibungsarten einteilbar, die Gleitreibung, die Bohrreibung und die
Rollreibung. Anhand des Kontaktes der Reibpartner unterscheidet man die
Reibungszustände Haftreibung, Festkörperreibung, Flüssigkeitsreibung und Misch-
reibung [16]. Einen Verlauf der Reibkraft in Abhängigkeit der Geschwindigkeit im Falle
von Flüssigkeitsreibung liefert die Stribeck-Kurve, siehe Abbildung 6, mit den vier
Reibungszuständen.
Abbildung 6: Stribeck-Kurve und Reibungszustände
·
Haftreibung
·
Festkörperreibung I
·
Mischreibung II
·
Flüssigkeitsreibung III

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Bei Haftreibung findet keine Relativbewegung statt. Bei einer Kraft, die größer ist als
die Haftreibungskraft, beginnt die Relativbewegung. Es besteht ein unmittelbarer
Kontakt zwischen den Körpern, es herrscht Festkörperreibung. Ab der Bildung eines
genügend dicken Schmierfilmes liegt Mischreibung vor, wodurch sich nur noch einige
Rauheitshügel von Grund- und Gegenkörper berühren. In diesem Bereich spricht man
von einer Überlagerung von Festkörper- und Flüssigkeitsreibung. Flüssigkeitsreibung
liegt vor, wenn der Schmierfilm die Reibpartner komplett voneinander trennt. Sie wird
auch als hydrodynamische Reibung bezeichnet. Mit steigendem Schmierfilm müssen
immer mehr Schichten des Schmierfilmes aufeinander abgleiten, wodurch die
Reibkraft im Bereich der Flüssigkeitsreibung wieder ansteigt [15].
Die für einen Reibprozess erforderliche Reibleistung P lässt sich durch folgende
Gleichung 1.4 berechnen:
G
N
v
F
f
P
=
(1.4)
Die Reibleistung kann je nachdem, ob ein Schmierstoff vorliegt, stark variieren. Die
Umsetzung dieser Reibleistung in andere Energieformen kann durch Gleichung 1.5
beschrieben werden:
M
V
Q
G
N
P
P
P
v
F
f
P
+
+
=
=
(1.5)
%
19
...
9
%
1
%
90
...
80
M
V
Q
P
P
P
mit P
Q
- Wärme, P
V
- Materialverlust und P
M
- Materialveränderung. Dies zeigt, dass
die Energiedissipation durch Reibung den größten Anteil einnimmt [15].
Die Reibungszahl ist dabei abhängig von der Einlaufzeit, dass bedeutet welche
Bereiche der Stribeck-Kurve sich einstellen. Einen Hinweis darauf, dass die
Reibungszahl abhängig von der Einlaufzeit ist, liefert das Vorhandensein von Stick-
Slip-Effekten, das heißt eine Erhöhung der Reibungszahl vor allem zu Beginn eines
Reibungsprozesses infolge von mechanischen Verklammerungen oder zu dünnen
Schmierfilmen. Diese Reibungsschwankungen, zurückzuführen auf adhäsive Wechsel-
wirkungskräfte, können auch während der Gleitbewegungen mit geringer Gleitge-
schwindigkeit auftreten. Diese treten mit höherer Gleitgeschwindigkeit seltener auf.

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1.2.1.2
Verschleiß
Ein weiterer Bereich der Tribologie ist der Verschleiß, als Materialverlust einer
Stoffoberfläche durch die aufgebrachte Belastung. Der Verschleiß wird vorwiegend
durch vier Hauptmechanismen bestimmt [B, 15]:
·
Abrasion - infolge von harten Teilchen im Schmierstoff kommt es zu
Zerspannungen und Ritzung im Mikrobereich
·
Adhäsion - bei Festkörperreibung haften die Berührungsflächen aneinander
beim Gleiten werden Teilchen abgeschert
·
Nanoverschleiß - Entstehen und Wachsen von Mikrorissen in den oberflächen-
nahen Werkstoffschichten
·
korrosiver Verschleiß - tribologisch aktivierte chemische Reaktionen führen zur
Bildung von Zwischenschichten und deren Zerstörung
Das zeigt, dass der Verschleiß Stoff- und Formänderungen der Reibpartner hervorruft.
Der Verschleiß ist umso größer, je größer die Reibungszahl f ist. Deswegen ist der
Verschleiß tendenziell bei der Flüssigkeitsreibung am geringsten. Er ist gering bei
vorhandener elastischer Verformung, er wächst infolge plastischer Verformung und
wird maximal bei Bruchvorgängen oder Materialermüdung.
1.2.1.3
Schmierung
Der Bereich der Schmierung umfasst alle Maßnahmen zur Verringerung der Reibung
durch den Einsatz eines geeigneten Schmierverfahren. Durch den vorhandenen
Schmierstoff kann es zur Veränderung des vorliegenden Reibungszustandes kommen
und somit zur Änderung der Reibungszahl. Infolge der Schmierung treten möglicher-
weise Saugeffekte im Reibspalt durch Kapillarkräfte auf, und es müssen die
Verdrängungskräfte überwunden werden. Die Kapillarkräfte sind abhängig von der
Oberflächentopologie im Reibspalt und der Benetzbarkeit der Reibpartner [15].

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Reibung, Schmierung und Verschleiß führen während des tribologischen Prozesses zu
ständigen Oberflächenveränderungen und zur Veränderung der Rauheit. Die Rauheit
ist die mikrogoemetrische Gestaltabweichung von der idealen makroskopischen
Geometrie. Die Unterschiede der Makro-, Mikro- und Nanotribologie liegen in der
unterschiedlichen Wichtung der oben genannten Parameter für Reibung, Schmierung
und Verschleiß. In der Nanotribologie werden bei der Reibung die Atom- oder
Ionengitter zu Schwingungen angeregt. Im Mikrobereich spielen Oberflächeneigen-
schaften, wie Rauheit und Eigenschaften des Schmierfilms eine große Rolle. Stick-
Slip-Effekte, plastische Verformungen und Verschleiß haben im Makrobereich eine
besondere Bedeutung.
1.2.2 Reibung auf Eis
Um die Reibung in dem tribologischen System Probe / Eis zu optimieren, ist es wichtig,
den Vorgang der Reibung zu verstehen. Wenn sich zwei Oberflächen aufeinander
bewegen, wird die Reibleistung in andere Energieformen umgewandelt. Dies führt
während des Reibprozesses zu einem nicht stationären Wärmeaustausch, das heißt
die Temperatur ist nicht konstant. Durch das Gleiten einer Probe auf Eis kann ein
quasi flüssiger Film an der Grenzfläche zum Eis entstehen. Deshalb wird die Dicke des
quasi flüssigen Filmes als der ausschlaggebende Faktor der kinetischen Reibung
eines Körpers auf Eis angesehen. Die Unterscheidung, welche Art von Reibung
vorliegt, wird vorwiegend durch die vorherrschenden Einflussfaktoren bestimmt. Zur
Beschreibung des Gesamtsystems Probe / Eis beim Gleiten sind eine Vielzahl von
Faktoren zu beachten. Die Einflussfaktoren dieses Systems können materialabhängig
oder -unabhängig sein und sind in Tabelle 2 aufgeführt.
Tabelle 2: Einflussfaktoren des Gesamtsystems Probe/Eis
materialunabhängige Faktoren materialabhängige Faktoren
Flächendruckverteilung
Härte
Eistemperatur
Rauheit
Gleitgeschwindigkeit
Benetzbarkeit
Lufttemperatur
Dichte
Wasserfilmdicke
Wärmeleitfähigkeit
Wasserfilmviskosität
Temperatur
Wärmestrahlung
Wärmekapazität
Normalkraft
Fremdschicht

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2007
ISBN (eBook)
9783956362736
ISBN (Paperback)
9783836605045
Dateigröße
2.4 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Technische Universität Ilmenau – Maschinenbau, Werkstofftechnik
Erscheinungsdatum
2007 (August)
Note
1,6
Schlagworte
tieftemperatur wärmeströme werkstoffe werkstofftechnik
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