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Eine Prognose der Branchenstruktur des chinesischen Außenhandels vor dem Hintergrund der Erfahrungen der schnell wachsenden asiatischen Volkswirtschaften

©2007 Diplomarbeit 92 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die Volksrepublik China hat in den letzten Jahrzehnten durch grundlegende Reformen die Transformation von einer Zentralverwaltungswirtschaft zur Marktwirtschaft stets vorangetrieben und unumkehrbar gemacht. Mit Wachstumsraten von durchschnittlich nahezu 10% hat sich die Volkswirtschaft erstaunlich positiv entwickelt. China öffnet sich kontinuierlich den internationalen Märkten und sein Außenhandel wächst mit einem rasanten Tempo. Im Zuge der Öffnungs- und Reformpolitik hat China bisher erfolgreich umfangreiche Auslandsinvestitionen sowie Technologien und Managementwissen ins Land geholt. Dank der Kombination aus einer massiven Investition in die Infrastruktur und einem fast unerschöpflichen Angebot an billigen Arbeitskräften hat China sich zu einem außerordentlich wettbewerbsfähigen Produktionsstandort internationaler Unternehmen entwickelt. Aktuell ist China die drittgrößte Exportnation nach Deutschland und den USA.
Unübersehbar leistet die Exportwirtschaft einen bedeutenden Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt. Auf der anderen Seite steht diese Exportdynamik mit einem Nachfrageschub nach Rohstoffen und Energie sowie Vorleistungen und damit verbunden mit einem Importsog in unmittelbarem Zusammenhang. Ungeachtet der enormen Fortschritte sind weitere strukturelle Anpassungen mit höherem Schwierigkeitsgrad notwendig. Bisher basiert das anhaltende Wirtschaftswachstum hauptsächlich auf dem massiven Inputwachstum und weniger aufgrund steigender Produktivität. Anhaltende makroökonomische Ungleichgewichte und Ineffizienzen deuten darauf hin, dass die Aufrechterhaltung dieses Wachstumsmuster langfristig nicht gesichert ist.
Bei einer näheren Betrachtung des chinesischen Wirtschaftswunders ist unschwer festzustellen, dass das chinesische Wachstumsmodell keinesfalls eine bahnbrechende Neuerfindung in der Industrialisierungsgeschichte darstellt. Vielmehr existieren bereits ähnliche Entwicklungsmuster exportorientierter Industrialisierung gerade in den Nachbarländern Chinas, welche von Mitte der 1960er Jahre an diesen Weg beschritten haben.

Die vorliegende Arbeit stellt zunächst die elementaren Außenhandelstheorien in Bezug auf deren Erklärungsgehalt über die Beziehung zwischen internationalem Handel und Wirtschaftswachstum anhand der Erfahrungen der schnell wachsenden asiatischen Volkswirtschaften (SWAV´s) und Chinas dar. Es folgt eine problemorientierte Analyse des offenen Wachstumsmodells der SWAV´s sowie Chinas. Darin enthalten […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Ya Neugebauer-Tao
Eine Prognose der Branchenstruktur des chinesischen Außenhandels vor dem
Hintergrund der Erfahrungen der schnell wachsenden asiatischen Volkswirtschaften
ISBN: 978-3-8366-0385-0
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2007
Zugl. Technische Universität Berlin, Berlin, Deutschland, Diplomarbeit, 2007
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2007
Printed in Germany

i
INHALTSVERZEICHNIS
Tabellenverzeichnis ... iii
Abbildungsverzeichnis ... iii
1. Einleitung ... 1
1.1 Aufgabenstellung und Vorgehensweise ... 1
1.2 Abgrenzung des Untersuchungsgebietes ... 4
2. Theoretische Grundlagen des internationalen Handels ... 5
2.1 Kurzübersicht über die Außenhandelstheorien ... 5
2.1.1 Das Ricardo-Modell ... 5
2.1.2 Das Heckscher-Ohlin-Modell ... 6
2.1.3 Die neue Handelstheorie ... 9
2.2 Die Rolle der Industrie- und Außenhandelspolitik ... 11
3. China´s Wachstumsmotor: Der Außenhandel ... 14
3.1 Von den Nachbarn lernen: Das ostasiatische Wirtschaftswunder ... 15
3.1.1 Länderspezifische Merkmale und Entwicklungskonzepte der schnell
wachsenden asiatischen Volkswirtschaften ... 17
3.1.2 Die Erfolgsgeschichte Japans ... 22
3.1.3 Die exportorientierte Industrialisierung Südkoreas ... 24
3.2 Erfolg der Reform- und Öffnungspolitik Chinas ... 26
3.3 Kontroversen über die chinesische Außenhandelspolitik ... 28
3.3.1 Exportorientierte Industrialisierung ... 28
3.3.2 Export- und Importbasierte Wachstumsstrategie ... 30
3.3.3 Die Rolle des Staates ... 32
3.4 Vergleichende Kurzanalyse des chinesischen Modells mit anderen
asiatischen Volkswirtschaften ... 34
4. Die Branchenstrukturen des chinesischen Außenhandels ... 36
4.1 Erklärungsansatz zu Strukturwandel und Wachstum: Die Drei-Sektoren-
Hypothese ... 37
4.2 Analyse der Strukturentwicklung des chinesischen Außenhandels ... 40

ii
4.2.1 Ergebnisse der nationalen Industrialisierungsbemühungen als
Ausgangsbasis der Exportorientierung ... 40
4.2.2 Sektorale Beschäftigungs- und Einkommensentwicklung im
Außenhandel ... ........................................... 41
4.2.3 Besonderheiten vor dem Hintergrund des globalisierten und
hochtechnologischen Zeitalters ... 43
4.3 Analyse der Entwicklung der ausgewählten Branchen ... 43
4.3.1 Steigender Import der landwirtschaftlichen Güter sowie wachsende
Einfuhr von Rohstoffen und Energieträgern ... 45
4.3.2 Komparative Kostenvorteile in arbeitsintensiven Fertigungs-
branchen ... 50
4.3.3 Kapital- und technologieintensive Produktion für den Export: Der
Einfluss der ausländischen Direktinvestitionen ... 52
5. Prognose zur Entwicklung der Branchenstruktur des chinesischen
Außenhandels ... 55
5.1 Methodische Ansätze und Vorgehensweise ... 55
5.2 Generelle Annahmen für beide Szenarien ... 57
5.3 Szenario 1: Szenario der graduellen Entwicklungsstrategie ohne exogene
Schocks ... 61
5.3.1 Weitere Annahmen ... .................................................................... 61
5.3.2 Ergebnis Szenario 1: Künftige Situation der Branchenstruktur des
chinesischen Außenhandels ... 63
5.4 Szenario 2: Szenario des radikalen Wandels der chinesischen
Währungspolitik ... ................................................ 67
5.4.1 Weitere Annahmen ... 67
5.4.2 Ergebnis Szenario 2: Künftige Situation der Branchenstruktur des
chinesischen Außenhandels ... 68
6. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen ... 71
Anhang ... 75
Literaturverzeichnis ... 77

iii
TABELLENVERZEICHNIS
Tabelle 1:
Tabelle 1: Exportentwicklung der SWAV´s ... 16
Tabelle 2:
Tabelle 2: Chronik der Handelspolitik der SWAV´s ... 18
Tabelle 3:
Änderung der Exportstrukturen der SWAV´s ... 19
Tabelle 4:
Struktur der Exporterzeugnisse nach Technologiekategorien 1985
und 1998 in % der Exportproduktion der SWAV´s ... 21
Tabelle 5:
Die 10 bedeutendsten Export- und Importgüter Südkoreas
(2001) ... 26
Tabelle
6:
Reale
Wachstumsrate von BIP, Investitionen, Export und
ausländischen Direktinvestitionen Chinas ... 28
Tabelle 7:
Import und Export von ICT-Produkten Chinas ...
32
Tabelle 8:
Struktur der chinesischen Wirtschaft ... 38
Tabelle 9:
Beschäftigungs- und Einkommensentwicklung in der außen-
handelsrelevanten Privatwirtschaft Chinas nach Branchen ...
42
Tabelle 10:
Im- und Export ausgewählter Produktgruppen Chinas ... 44
Tabelle 11:
Im- und Export der landwirtschaftlichen Güter Chinas
2001-2005 ... 45
Tabelle 12:
Energieträgerimport und dessen Re-Export Chinas
2001-2004 ... 48
Tabelle 13:
Exportentwicklung der Textil- und Bekleidungsindustrie in
China ... 51
Tabelle 14:
Im- und Exportentwicklung der ausgewählten Produktgruppen
Maschinen in China ... 53
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abbildung 1: Comparative Labor Productivity Performance. China versus other
Asian Economies ... 8
Abbildung 2: Anteil des Exports am BIP Chinas in % 1970 ­ 2002 ... 29
Abbildung 3: Außenhandelswachstum Chinas und der Welt 1970-2002 ... 31

1
1. Einleitung
1.1 Aufgabenstellung und Vorgehensweise
Die Volksrepublik China hat in den letzten Jahrzehnten durch grundlegende Reformen
die Transformation von einer Zentralverwaltungswirtschaft zur Marktwirtschaft stets
vorangetrieben und unumkehrbar gemacht. Mit Wachstumsraten von durchschnittlich
nahezu 10% hat sich die Volkswirtschaft erstaunlich positiv entwickelt. China öffnet
sich kontinuierlich den internationalen Märkten und sein Außenhandel wächst mit
einem rasanten Tempo. Im Zuge der Öffnungs- und Reformpolitik hat China bisher
erfolgreich umfangreiche Auslandsinvestitionen sowie Technologien und Management-
wissen ins Land geholt. Dank der Kombination aus einer massiven Investition in die
Infrastruktur und einem fast unerschöpflichen Angebot an billigen Arbeitskräften hat
China sich zu einem außerordentlich wettbewerbsfähigen Produktionsstandort
internationaler Unternehmen entwickelt. Aktuell ist China die drittgrößte Exportnation
nach Deutschland und den USA (WTO 2006, S. 17). Unübersehbar leistet die Export-
wirtschaft einen bedeutenden Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt. Auf der anderen Seite
steht diese Exportdynamik mit einem Nachfrageschub nach Rohstoffen und Energie
sowie Vorleistungen und damit verbunden mit einem Importsog in unmittelbarem
Zusammenhang. Ungeachtet der enormen Fortschritte sind weitere strukturelle An-
passungen mit höherem Schwierigkeitsgrad notwendig. Bisher basiert das anhaltende
Wirtschaftswachstum hauptsächlich auf dem massiven Inputwachstum und weniger
aufgrund steigender Produktivität. Anhaltende makroökonomische Ungleichgewichte
und Ineffizienzen deuten darauf hin, dass die Aufrechterhaltung dieses Wachstums-
muster langfristig nicht gesichert ist.
Bei einer näheren Betrachtung des chinesischen Wirtschaftswunders ist unschwer
festzustellen, dass das chinesische Wachstumsmodell keinesfalls eine bahnbrechende
Neuerfindung in der Industrialisierungsgeschichte darstellt. Vielmehr existieren bereits
ähnliche Entwicklungsmuster exportorientierter Industrialisierung gerade in den
Nachbarländern Chinas, welche von Mitte der 1960er Jahre an diesen Weg beschritten
haben. Die Weltbank hat in ihrem 1993 veröffentlichten Policy Research Report unter
dem Titel ,,The East Asian Miracle: Economic Grwoth and Public Policy" acht

2
asiatische Volkswirtschaften
1
untersucht. In dem Zeitraum von 1965 bis 1990 wiesen
diese Länder ein rasantes Wirtschaftswachstum aus, welches in keiner anderen Region
der Welt zu beobachten war. Neben den hohen Wachstumsraten verzeichneten die
schnell wachsenden asiatischen Volkswirtschaften (SWAV´s) einen außerordentlich
hohen Offenheitsgrad für den internationalen Handel als andere Entwicklungsländer
(Krugman/Obstfeld 2004, S. 353). Die Ländergruppe mit der Bezeichnung ,,kleine
Tigerstaaten", hierzu zählen Südkorea, Singapur, Hongkong und Taiwan
2
, sowie die 2.
Gruppe, bestehend aus Indonesien, Malaysia und Thailand, haben die traditionelle
Ansicht über den Aufbau von Industriebasis mittels importsubstituierender
Industrialisierung verworfen. In ihren Aufholprozessen exportierten diese Länder
Industrieprodukte in die fortgeschrittenen Länder und erzielten dabei ein bemerkens-
wertes Wirtschaftswachstum. Die meisten SWAV´s haben die schwere Finanzkrise in
der Region, die 1997 einsetzte, überstanden und präsentieren weiterhin robuste
Wachstumsraten und flexible Anpassungsfähigkeiten (World Bank 2006). Festzustellen
ist aus diesem Kontext, dass die Öffnung der Volkswirtschaft nach außen und die
Integration in den globalen Arbeitsteilungsprozess das chinesische Wachstum ebenfalls
beflügelt haben.
Der Aufgabenstellung dieser Arbeit liegt nicht in der Darstellung und Analyse des
gesamtwirtschaftlichen Wachstums. Dieses würde den Rahmen der Arbeit sprengen und
muss somit ausgegliedert werden. Vielmehr liegt der Fokus der Untersuchung im
Außenhandelssektor Chinas, insbesondere in der Strukturanalyse der ausgewählten
Branchen, die im chinesischen Öffnungsprozess eine wichtige Rolle gespielt haben. Die
vorliegende Arbeit setzt sich ferner mit der Frage auseinander, welcher Zukunfts-
situation sich die zu untersuchende Branchenstruktur des chinesischen Außenhandels
gegenüber sieht. Im Mittelpunkt des Prognoseteils steht nicht, welche Strukturpolitik
zur Erreichung bestimmter Zielsetzungen die chinesische Regierung betreiben sollte,
sondern eine deskriptive perspektivische Ableitung aus den empirischen Indizien und
den gegenwärtigen Ausgangsbedingungen. In diesem Sinne ist zu unterscheiden
zwischen Analysen, die sich mit Fragen der Entwicklungsplanung und speziell der
Entwicklungsprogrammierung beschäftigen, und denjenigen, die prognostische Ziel-
setzungen verfolgen. Prognosen müssen makroökonomische Aspekte und politische
1 Die acht Länder werden als high-performing Asian economies (HPAEs, hier: SWAV) bezeichnet und beziehen sich
auf Japan, Hong Kong, Indonesien, Malaysia, Südkorea, Singapur, Taiwan und Thailand.
2 Auf politischen Status von Hong Kong und Taiwan wird hier nicht weiter eingegangen.

3
Rahmenbedingungen mit einbeziehen. Dies trifft insbesondere auf China zu, wo
politische und wirtschaftliche Verwaltung unlösbar miteinander verbunden sind. Der
chinesische Außenhandel ist ein volkswirtschaftlicher Bereich, der sich ständig im
Spannungsfeld zwischen staatlicher Regulierung und Wettbewerb befindet. Die
Erörterung dieses Themengebiets gehört zu einer anderen Aufgabenstellung und wird
innerhalb dieser Arbeit insoweit nur im Rahmen der außenhandelsrelevanten
Entscheidungsfindungen berücksichtigt. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es nicht,
modelltheoretische Ausarbeitung zu vertiefen oder wirtschaftspolitische Handlungs-
empfehlungen auszusprechen bzw. Maßstäbe festzulegen. Vielmehr wird im einzelnen
versucht, den bisherigen Strukturwandel der außenhandelsrelevanten Branchen Chinas
empirisch systematisch zu erfassen, dessen Ursachen zu analysieren und eine kurze
Prognose bezüglich der zukünftigen Branchenstrukturentwicklung zu geben.
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in sechs Teile. Kapitel 2 stellt zunächst die
elementaren Außenhandelstheorien in Bezug auf deren Erklärungsgehalt über die
Beziehung zwischen internationalem Handel und Wirtschaftswachstum anhand der
Erfahrungen der SWAV´s und Chinas dar. Es folgt im Kapitel 3 eine problemorientierte
Analyse des offenen Wachstumsmodells der SWAV´s sowie Chinas. Darin enthalten ist
ferner eine kurze Zusammenfassung der wissenschaftlichen Forschungsergebnisse auf
diesem Gebiet und eine kurze vergleichende Analyse zwischen China und den
SWAV´s. Ausgehend von der Beschreibung der empirischen Erfahrungen der SWAV´s
und Chinas befasst sich Kapitel 4 mit der Entwicklung der Branchenstruktur des
chinesischen Außenhandels unter Zuhilfenahme theoretischer Fundierungen. Aufbauend
auf diese Ergebnisse werden im Rahmen einer Szenariobildung im Kapitel 5
Überlegungen angestellt, wie die Branchenstruktur des chinesischen Außenhandels in
der ferneren Zukunft aussehen könnte. Daran anschließend werden die
Analyseergebnisse im Kapitel 6 zusammenfassend bewertet. Da sich Teile dieser Arbeit
mit empirischen Ausführungen auseinandersetzen, sei darauf hingewiesen, dass
empirisches Arbeiten, insbesondere bei der Erfassung, Auswertung und Interpretation
von Daten, z.T. mit erheblichen statistischen Problemen verbunden ist. Der
Schwierigkeitsgrad in der vorliegenden Untersuchung erhöht sich zudem in besonderem
Maße, da das chinesische statistische Erfassungssystem noch nicht vollständig

4
entwickelt ist und einer ständigen Kritik ausgesetzt ist
3
. Die jüngste Datenrevision mit
einer erheblichen Ergebnisänderung insbesondere hinsichtlich der Wirtschaftsstruktur
zeigt die anstehenden Probleme deutlich.
1.2 Abgrenzung des Untersuchungsgebietes
Aus den chinesischen Zahlungsbilanzen geht hervor, dass die seit Jahren anhaltenden
Leistungsbilanzüberschüsse Chinas überwiegend auf die positive Handelsbilanz
zurückzuführen sind. Der Dienstleistungshandel spielt im chinesischen Außenhandel
eine untergeordnete Rolle. Aus diesem Grund ist eine Beschränkung der
Untersuchungsobjekte auf den Güterhandel als angebracht anzusehen. Die Branchen-
aufteilung in dieser Arbeit orientiert sich an der Produktklassifizierung nach SITC
(Standard International Trade Classification), welche als Anhang dieser Arbeit beigefügt
wurde. Als Branchen stehen Nahrungsmittel, Rohstoffe und Energieträger, Textil- und
Bekleidungsindustrie sowie Maschinen, darunter speziell elektronische Datenver-
arbeitungs- und Büromaschinen sowie Telekommunikationsgeräte ohne Einbeziehung
der Automobilbranche, im Mittelpunkt der Betrachtung. Die Auswahl ist darin
begründet, dass die Exportdynamik Chinas sich auf die letztgenannten zwei Branchen
stützt, während mit dem schnellen Wachstum zunehmende Versorgungsengpässe bei
landwirtschaftlichen Produkten sowie Energie und Rohstoffen sichtbar geworden sind.
Zum Erfahrungsgewinn bietet sich eine besondere Betrachtung Japans und Südkoreas
aufgrund deren Wirtschaftsgrößen und Relevanz für China an.
Eine Begrenzung im Zeithorizont der langfristigen Prognose ist notwendig. Prognosen,
die über einen Zeitraum von 30 bis 40 Jahren hinausgehen, laufen Gefahr, tiefgreifende
Veränderungen der Wirtschaft und Gesellschaft aufgrund fehlender theoretischen
Fundierung nicht miterfassen zu können. Eine Aufstellung von solchen Prognosen ist
nicht mehr guten Gewissens mit dem bestehenden Instrumentarium der Wirtschafts-
wissenschaften sinnvoll (Frerichs/Kübler 1980, S.5). In dieser Arbeit bezieht sich der
Prognosezeitraum auf 20 Jahre. Dieser Zeithorizont sollte auch angesichts des
3 Besondere Probleme ergeben sich in Bezug auf die Außenhandelsstatistik. Insbesondere führen methodische
Unterschiede zu beachtlichen Diskrepanzen. Teilweise gehen diese Differenzen auf die unterschiedliche Erfassung
des Hongkong-Handels zurück. In dieser Arbeit werden die Daten des chinesischen Außenhandels, sofern ersichtlich
und möglich, grundsätzlich ohne Hongkongteil übernommen. Zur Problematik der chinesischen Statistik siehe
Schüller 2002 und Fischer 2002.

5
derzeitigen Entwicklungsstadiums von China im Vergleich zu anderen SWAV´s
realistischere Ergebnisse liefern.
2. Theoretische Grundlagen des internationalen Handels
2.1 Kurzübersicht über die Außenhandelstheorien
Beim Erklärungsversuch über die phänomenale Aufstiegsentwicklung der hier zu
untersuchenden asiatischen Volkswirtschaften sind verschiedene Theorieansätze zu
finden. Eine Gemeinsamkeit der rasanten Aufholprozesse dieser Länder besteht
offensichtlich darin, dass sie mehr oder minder eine exportorientierte Industriali-
sierungspolitik verfolgt haben bzw. weiterhin verfolgen.
Dass der Handel Nutzen für alle beteiligten Länder bringt, darüber herrscht Einigkeit in
der Fachwelt. Mit der Frage, warum Nationen miteinander Handel treiben, hat sich
bereits die klassische Ökonomie beschäftigt. Für Adam Smith waren die absoluten
Kostenunterschiede die Voraussetzung für den Außenhandel. David Ricardo begründete
die Produktions- und Handelsstruktur der Handel treibenden Länder auf die kompara-
tiven Vorteile. Die komparativen Vorteile ermöglichen den Ländern, Wohlfahrts-
gewinne und Wirtschaftswachstum durch Außenhandel zu erzielen. Die neu entwickelte
Handelstheorie geht davon aus, dass internationale Faktorbewegungen im Globali-
sierungsprozess kein Substitut für den freien Warenhandel darstellen, sondern
zusätzliche weltwirtschaftliche Effizienzgewinne ermöglichen. Nachfolgend dargestellte
Theorieansätze geben Aufschluss darüber, welche positiven Effekte der Außenhandel
und die Globalisierung
4
für China und die anderen asiatischen Länder impliziert.
2.1.1 Das Ricardo-Modell
In dem Einfaktormodell von David Ricardo basiert der Außenhandel ausschließlich auf
die unterschiedliche Arbeitsproduktivität in verschiedenen Sektoren in den beteiligten
4 Eine einheitliche Definition von Globalisierung existiert nicht. Hier werden die ökonomischen Kennzeichen der
Globalisierung nach OECD übernommen: verstärkte Entwicklung internationaler strategischer Allianzen; hohes
Gewicht der Auslandsproduktion durch Direktinvestitionen; internationale Ausrichtung nicht nur der Produktion,
sondern auch anderer Unternehmensfunktionen, wie z.B. Finanzierung, FuE, Marketing, Beschaffung; breite
geographische Streuung der Auslandsaktivitäten; Koordination der gesamten Auslandsaktivitäten (Rohleder 2004, S.
51 f.).

6
Ländern. Unter der Annahme der konstanten Skalenerträge und des vollständigen
Wettbewerbs besagt das Ricardo-Modell, dass ein Land auch dann vom Außenhandel
profitiert, wenn seine Produktivität in sämtlichen Sektoren geringer ist als diejenige
seiner Handelspartner. Denn der Wettbewerbsvorteil einer Branche hängt nicht nur von
ihrer Produktivität im Vergleich zu dieser Branche im Ausland ab, sondern ebenfalls
vom einheimischen Lohnsatz im Verhältnis zum ausländischen Lohnsatz. Dies würde
dazu führen, dass jedes Land von dem jeweiligen Produkt, in dem es die größten
komparativen Vorteile besitzt, mehr und effizienter produzieren könnte, als wenn es
mehrere Produkte herstellen würde. Länder exportieren diejenigen Güter, die mit ihrer
Arbeit relativ effizient hergestellt werden können, und importieren diejenigen, bei deren
Herstellung sie keinen komparativen Vorteil besitzen. Dabei verzeichnen alle beteiligten
Länder Außenhandelsgewinne und es kommt zu einer allgemeinen Wohlstands-
steigerung (Krugmann/Obstfeld 2004, S. 37-68).
Die exportorientierte Industrialisierung von China und anderen schnell wachsenden
asiatischen Volkswirtschaften liefert zum Teil einen empirischen Beleg für das Ricardo-
Modell. Der Welthandel mit Textilien und Bekleidungsartikeln hat beispielsweise
Südkorea und China die Möglichkeit eröffnet, in ihrer jeweiligen Entwicklungsphase
die komparativen Kostenvorteile auf diesem Sektor zu nutzen trotz signifikanten
Produktivitätsnachteilen im Vergleich zu den fortgeschrittenen Ländern. Dass durch den
Export von diesen Gütern ein positiver Beschäftigungs- und Kapitalansammlungseffekt
im Transformationsprozess dieser Länder entstanden ist, lässt sich nicht übersehen.
Trotz seinen vielen einschränkenden Modellannahmen trägt das Ricardo-Modell dazu
bei, die nationalen Spezialisierungstendenzen in der globalen Arbeitsteilung leichter zu
verstehen.
2.1.2 Das Heckscher-Ohlin-Modell
Von Ricardos Theorie ausgehend, versuchten Heckscher und Ohlin zu ergründen,
warum Kostenunterschiede zwischen den Ländern bestehen. Als Ursache für den
Außenhandel spielen die unterschiedlichen Faktorausstattungen bzw. die unterschied-
lichen Faktorproportionen die entscheidende Rolle im Heckscher-Ohlin-Modell,
welches auch als Faktorproportionentheorie bezeichnet wird. Demzufolge hat ein relativ
reichlich vorhandener Faktor einen geringeren Preis als ein relativ knapper Faktor. Ein
Land besitzt bei der Herstellung eines Gutes einen komparativen Kostenvorteil, wenn es

7
bei der Produktion relativ reichlich vorhandene Faktoren einsetzt. Nach dieser Theorie
exportieren Länder die Güter, bei deren Herstellung ihre reichlichen Faktoren intensiv
genutzt werden. In der traditionellen Handelstheorie besteht im Rahmen des Heckscher-
Ohlin-Modells die Annahme, dass der Außenhandel zum internationalen Ausgleich der
Güter- und Faktorpreise führt. Nach dieser Annahme sind freier Handel und freie
Faktormobilität vollständige Substitute, da der Handel auch ohne Faktorbewegungen zu
einem internationalen Faktorpreisausgleich führen soll. In der Realität treffen jedoch die
Prognosen des vollständigen Faktorpreisausgleichs nicht zu, da starke Unterschiede in
der Ressourcenausstattung und der Technologie sowie Handelsbarrieren bestehen
(Krugman/Obstfeld 2004, S. 105-129; Dunford/Smith 2000, S. 171).
Die Offenheit Chinas und anderer SWAV´s für den internationalen Handel ist ein
markantes Merkmal für ihre Wachstumserfolge. Dabei spielt die Faktorausstattung
gemäß der Faktorproportionentheorie eine wesentliche Rolle. Der hohe Offenheitsgrad
5
der Länder liefert ein Indiz dafür, dass der internationale Handel das gesamt-
wirtschaftliche Wachstum begleitet, unabhängig von der Ursache-Wirkungsrichtung der
kontroversen Erklärungsansätze.
China ist reichlich ausgestattet mit einem hohen Anteil von Arbeitskräften in Bereichen
der einfachen Arbeit, wohingegen relativ wenig Kapital vorhanden ist. Gemäß dem
Faktorproportionentheorem ist es für ein Land wie China vorteilhaft, sich auf die
Fertigung und den Export lohnintensiver Produkte geringen Technologiegehalts z.B. in
arbeitsintensiven leichtindustriellen Branchen zu spezialisieren. Infolge dessen trägt der
komparative Vorteil in arbeitsintensiven Industriezweigen dazu bei, die nationale
Kapitalakkumulation durch Außenhandelsgewinne zu fördern und den Industriali-
sierungsprozess zu beschleunigen. Durch die Zunahme des internationalen Handels
kommt es dazu, dass die Produktivität und der Preis des relativ intensiv genutzten
Faktors, die in den exportorientierten Branchen eingesetzte Arbeit, steigen. Dies ist in
China und anderen SWAV´s zu beobachten. Ferner bewirken Produktivitätsfortschritte
dank der Einführung neuer Technologien und Fertigungsverfahren nicht nur eine
Steigerung des Wohlstands, sondern auch eine enorme Beschleunigung des wirtschaft-
lichen Strukturwandels innerhalb einer sich verändernden internationalen Arbeits-
teilung.
5 Als Indikator für die Offenheit einer Volkswirtschaft gilt die Summe aus Exporten und Importen im Verhältnis zum
Bruttoinlandsprodukt (Schrooten/Grziska 2004).

8
Porter stellt einen starken Produktivitätszuwachs innerhalb der chinesischen
Volkswirtschaft bei gleichzeitig niedrigerem BIP-Pro-Erwerbstätigem fest (siehe
Abb.1). Das hohe Erwerbspersonenpotenzial, verbunden mit hoher Arbeitslosigkeit im
Zuge der Landwirtschaftsreform und der Privatisierung bzw. Rationalisierung der
Staatsunternehmen, bietet China zwar ein fast unerschöpfliches Arbeitskräftereservoir
für die wettbewerbsfähigen Exportbranchen. Jedoch ist eine nachhaltige internationale
Wettbewerbsfähigkeit nicht allein in den niedrigen Lohnkosten zu begründen. Im
internationalen Vergleich unter Hinzuziehung von weiteren mikro- und makro-
ökonomischen Rahmenbedingungen verzeichnet China einen enormen Nachholbedarf
(Porter 2004). Komparative Vorteile in der traditionellen Außenhandelstheorie beziehen
sich eben nicht ausschließlich auf das Faktorreichtum an Arbeit. Wertschöpfungs-
intensive Branchen sind in der Regel gleichzeitig kapital-, technologie- und
wissensintensiv. Die Branchenstruktur des chinesischen Außenhandels wird sich
langfristig einem Wandel unterwerfen müssen mit zunehmendem Kapitalakkumu-
lationsgrad und verstärktem Wettbewerbsdruck durch andere aufholende Länder, auch
wenn der Prozess sich nicht so schnell vollzieht, wie sich die chinesischen Wirtschafts-
lenker vorgestellt haben.
Abbildung 1: Comparative Labor Productivity Performance. China versus other
Asian Economies
Quelle: Porter 2004, S. 5.

9
2.1.3 Die neue Handelstheorie
Die neue Außenhandelstheorie entstand in den achtziger Jahren des vergangenen
Jahrhunderts. Entgegen der traditionellen Außenhandelstheorie geht die neue Theorie
von unvollkommenem Wettbewerb und steigenden Skalenerträgen aus und räumt der
technologischen Entwicklung einen großen Einfluss ein. Demnach muss Außenhandel
nicht unbedingt auf komparative Vorteile zurückgehen, sondern er kann auch aufgrund
von Größenvorteilen und zunehmenden Skalenerträgen zustande kommen. Skalen-
erträge eröffnen Ländern die Möglichkeit, sich zu spezialisieren und auch mit
denjenigen Ländern zu handeln, die die gleichen Ressourcen und Technologien besitzen
(Krugman/Obstfeld 2004, S. 171-215).
Neuere Ansätze der Außenhandelstheorie rücken die räumliche Komponente des
Handels in den Mittelpunkt. Sie beziehen aber auch andere Merkmale der Produktion
und der internationalen Arbeitsteilung in ihre Modelle mit ein. Die daraus
entstandenen Ansätze finden u.a. die Bezeichnung ,,New Economic Geography".
Bekannter Vertreter dieser Entwicklungs- und Außenhandelstheorie ist Paul R.
Krugman. Bei der Neubewertung der Entstehung industrieller Zentren versucht
Krugman zu erklären, dass durch internationalen Handel nicht automatisch nur
Wohlfahrtsgewinne entstehen. Vielmehr kommt es eher zu einer wachsenden
Ungleichheit und zu einer Gewinnakkumulation in den bereits existierenden
Wohlfahrtsinseln. Für Krugman führen steigende Skalenerträge zu einer Speziali-
sierung von Ländern oder Regionen, auch wenn keine Unterschiede in der
Ressourcen- oder Technologieausstattung bestehen. Skalenerträge entstehen ,,intern"
durch die Größe eines Unternehmens oder ,,extern" durch die Größe einer Branche
oder Industrieagglomeration (Krugman/Obstfeld 2004, S. 214). In letzterem Fall
können positive Externalitäten zu weiteren Kostensenkungen und Effizienzgewinnen
beitragen. Zu den positiven Externalitäten zählen die Faktoren wie ,,Labour Market
Pooling" (Arbeitskräftepool), ,,Spillover-Effekte" (technologische Ausstrahlungs-
effekte) sowie intermediäre Inputs (Osmanovic 2000, S. 245 f.). Die ,,New Economic
Geography" basiert auf der Grundannahme, dass Handelsliberalisierung verbunden
mit einer Reduzierung der Transportkosten das räumliche Verteilungsmuster von
Industrie- und Dienstleistungsstandorten verändert. Im Zuge der Handels-
liberalisierung gewinnt der Auslandsmarkt immer mehr an Bedeutung. Durch
Dezentralisierungstendenz der nationalen Agglomeration erhalten die um sie

10
liegenden Regionen eine neue Entwicklungschance, da dort für Industriebetriebe
aufgrund hoher Preise in den bereits existierenden Zentren für Boden, Arbeit und
Verkehr die Produktion kostengünstiger ist. Durch Standortsverlagerung können sie so
Wettbewerbsvorteile auf dem Auslandsmarkt erlangen (Osmanovic 2000, S. 248). Ein
weiteres Muster der Ballungszentrenbildung geht von reduzierten Transportkosten aus
und erwartet eine Zunahme der räumlichen Konzentration aufgrund steigender
Skalenerträge und der oben beschriebenen Externalitäten. Bei leicht sinkenden
Transportkosten nehmen Regionen Handel miteinander auf. Fallen die Transport-
kosten weiter, so bildet sich ein Zentrum und eine Peripherie. Sobald die Transport-
kosten gegen Null streben, kommt es zu Ausgleichstendenzen des Wohlstandsniveaus
zwischen den Regionen (Krugman/Venables 1995, S. 7 f.).
Außenhandel und Auslandsproduktion zeigen nach dieser neuen Handelstheorie einen
Trend zur Regionalisierung. Eine Konzentration auf die sogenannte Triade - EU,
Nordamerika, Japan - ist seit längerer Zeit zu beobachten, wobei auch die Verflechtung
mit den jeweils angrenzenden, weniger hoch entwickelten Ländern besonders intensiv
ist: Nordamerika mit Lateinamerika, Westeuropa mit den mittel- und osteuropäischen
Ländern und Nordafrika, Japan mit Ost-Südost-Asien.
Die Verfolgung einer exportorientierten Entwicklungsstrategie von China und anderen
SWAV´s stellt den eigentlichen gemeinsamen Nenner der wirtschaftlichen Zusammen-
arbeit in der Region dar. Die Verflechtung unter den asiatischen Volkswirtschaften
intensiviert sich seit der Jahrhundertwende in einer wachsenden Dynamik grenzüber-
schreitender Handelstransaktionen, in der Verlagerung von Produktionsstandorten und
den intra-industriellen Investitionsströmen. Durch die zunehmende Liberalisierung und
Deregulierung der Märkte in Asien schreitet die wirtschaftliche Integration weiter
voran. Von diesen Verschiebungen der Produktionsstätten und Warenströmen profitiert
China in besonderem Maße. Bis Mitte der 1990er Jahre exportierte China überwiegend
Textil- und Spielwaren sowie qualitativ wenig anspruchsvolle elektrotechnische
Erzeugnisse. In den letzten zehn Jahren profitierte die chinesische Exportindustrie von
den hohen Investitionen der multinationalen Unternehmen aus den Nachbarländern, die
zur Ausweitung der Exportkapazität führten. Mehr als zwei Drittel der ausländischen
Direktinvestitionen in China kommen aus Japan, Südkorea, Taiwan und Hongkong.
Andererseits schaffen sich die fortgeschrittenen Länder wie Japan und Korea Vorteile in
dem intensivierten globalen Wettbewerb durch die Arbeitsteilung mit Ländern wie

11
China und Vietnam. Die interdependente Entwicklungstendenz zeigt auf, dass der
Verflechtungsgrad in dieser Region sich in absehbarer Zeit noch erhöhen wird.
2.2 Die Rolle der Industrie- und Außenhandelspolitik
Vor der grundsätzlichen Herausforderung, wie ein Land zum allgemeinen Wohlstand
kommt, versuchen Nationen den bestmöglichen Weg für sich zu finden und verfolgen
dabei variationsreiche Wirtschaftspolitik. Die Diskussion der ökonomischen Fachwelt
über die wirtschaftspolitische Aktivität und die Modellbildung der daraus abzuleitenden
Wachstumsstrategien hat jedoch gezeigt, dass eine allgemein gültige Aussage nicht zu
treffen ist.
Es ist aus den wirtschaftsgeschichtlichen Forschungsergebnissen dennoch zu erkennen,
dass die hier zu untersuchenden Staaten im Zuge der Aufholprozesse ihre Wirtschafts-
politik einer grundlegenden Überprüfung und Revision unterzogen haben. Länder wie
China und andere SWAV´s haben in ihrer Entwicklungsgeschichte jüngerer Zeit die
eigenständige bzw. importsubstituierende Industrialisierung aufgegeben und eine offene
Handelspolitik betrieben. Die exportorientierte Industriepolitik brachte diesen Ländern
unverkennbaren Erfolg, gleichzeitig aber auch neue Spannungsfelder bei der Ver-
folgung der Wachstumsstrategien. Im internationalen Handel setzen die Staaten nicht
selten verschiedene Instrumente der Außenhandelspolitik ein. Mit den gängigen
Maßnahmen wie die Besteuerung oder Subventionierung bestimmter Außenhandels-
transaktionen, gesetzliche Importbeschränkungen und zahlreiche weitere Maßnahmen
versucht ein Land, seine nationale Industrie vor ausländischen Konkurrenten zu
schützen oder seine Exportbranchen zu fördern.
Aus Sicht der traditionellen Außenhandelstheorie schaden die staatlichen Interventionen
bis auf wenige Ausnahmen sowohl dem Ausland als auch der eigenen Wohlfahrt. Der
neuen Handelstheorie zufolge bieten sich aber vielfältige Möglichkeiten für
wohlfahrtsteigernde Protektionsmaßnahmen an. Die damit verbundene Theorie der
strategischen Handelspolitik unter Einsatz spieltheoretischer Analysemethoden hat
zahlreiche wirtschaftspolitische Empfehlungen mit der Rentenumlenkung als Ziel
geliefert. Die von Brander und Spencer entwickelten grundlegenden Modelle sind zwar
scharfer Kritik ausgesetzt, finden aber vielerorts in der Handelspolitik praktische
Umsetzung. Zu den sektorspezifischen Maßnahmen aus diesen Modellansätzen zählen

12
insbesondere die Subventionen in vielfältiger Form wie Exportsubventionen,
sektorspezifische, kostenreduzierende Subventionen sowie sektorspezifisch wirkende
Abschreibungsmodalitäten für Forschungs- und Entwicklungsausgaben. Ferner kann der
Staat weitere steuerpolitische Instrumente aber auch wettbewerbspolitische Maßnahmen
wie Forschungs- und Rationalisierungskartelle und die Förderung wettbewerbsfähiger
nationaler Unternehmenseinheiten einsetzen. Als ordnungspolitisches Dogma gilt:
generell für alle Wirtschaftszweige wirkende Maßnahmen sind sektorspezifischen
Instrumenten vorzuziehen (Spencer/Brander 1983; Brander/Spencer 1985, S. 83-100).
Die Ausgestaltung einer optimalen Handels- und Industriepolitik ist von den jeweiligen
Marktbedingungen abhängig. Unterschiedliches Wettbewerbsverhalten von Unter-
nehmen oder die intersektorale Verknüpfung von Märkten haben starke Auswirkungen
auf die Effekte inländischer Politik. Um eine optimale Handelspolitik konzipieren zu
können, muss der Staat zahlreiche Parameter und Kriterien genau kennen, von denen die
Funktionsweise der betroffenen Märkte abhängt. Das Problem liegt bei der Frage, wie
der Staat handelsstrategische Sektoren identifizieren kann. Die Identifizierung handels-
strategischer Sektoren konkretisiert sich in der Frage, welche Kriterien sollen
Subventionsförderungen eines Sektors berechtigen. Der Staat muss eindeutige Vor-
stellungen über die gewünschte zukünftige Sektorstruktur haben. Es stellt sich nur die
Frage, woher er diese Kenntnisse bekommt (Grossman 1986, S. 48).
Die Branchenentwicklung der chinesischen Exportindustrie hat gezeigt, dass sich die
Export- und Wettbewerbsfähigkeit Chinas mit den komparativen Kostenvorteilen und
der Faktorausstattung bzw. anderen Theorieansätzen nicht vollständig erklären lässt.
Die importbeschränkenden und exportfördernden Praktiken Chinas, ob konzeptionell
durchdacht oder ideologisch gesteuert, spielen stets eine wichtige Rolle. Eine Analyse
der chinesischen Zahlungsbilanzen zeigt auf, dass für China nicht allein die effizientere
Ressourcennutzung durch internationalen Leistungstausch im Vordergrund steht. Einen
empirischen Beleg zur Verdeutlichung der staatlichen Eingriffe und deren Effekte liefert
beispielsweise die sogenannte ,,fiskalische Abwertung" der chinesischen Währung
während und nach der Asienkrise Ende der 1990er Jahre. Unter den radikal veränderten
Umfeldbedingungen bediente sich die chinesische Regierung damals statt einer
offiziellen Abwertung des RMB des Instrumentes der Steuererleichterungen für die

13
Exportgüter. Die Mehrwertsteuer-Rückerstattungssätze
6
an die chinesischen Exporteure
sind seit 1998 mehrfach erhöht worden (Taube 1999, S. 15). Die Branchen wie
Textilien und Textilmaschinen mit bis zu 17%-Erstattungssatz, dies entspricht einer
100%-Mehrwertsteuerrückerstattung, Elektrogeräte sowie verschiedene leicht-
industrielle Güter haben von dieser Maßnahme signifikant profitiert (Statistisches Amt
der Provinz Gansu 2004). Der Güterhandel zwischen China und dem Rest der Welt
stieg nach kurzer Stagnierung im Jahr 1998 wieder an. Im gleichen Zug wächst aber
auch die Belastung für den Staatshaushalt aufgrund der Exportsubventionierung dieser
Art.
Die chinesischen Exportsubventionen in Form von Mehrwertsteuer-Rückerstattungen
für die Exporteure stellen in zweierlei Hinsicht Schaden für das eigene Land dar. Zum
einen bewirkt diese Maßnahme Einnahmeausfälle bzw. eine Umverteilung der Kosten
von den Unternehmen zum Staat. Die chinesischen Steuerzahler müssen schließlich
diese Kosten tragen (Taube 1999, S. 16 f.). Zum anderen verschlechtern die Export-
subventionen der traditionellen Außenhandelstheorie zufolge die Terms of Trade
7
des
eigenen Landes und erzeugen Verzerrungen in der Produktions- und Konsumanreize
(Krugmann/Obstfeld 2004, S. 157-161, S. 266). Die mittlerweile gewonnenen
Erkenntnisse über die Ineffizienzen und die negativen Wohlfahrtseffekte dieser
Industrie- und Außenhandelspolitik haben die chinesische Regierung dazu veranlasst,
ihren bisherigen Kurs zu überdenken und zu überarbeiten. Seit dem 15. September 2006
ist eine modifizierte Regelung über die Steuerrückerstattung mit teilweise starker
Senkung oder vollständiger Abschaffung der Mehrwertsteuererstattung für die
Exportgüter in Kraft getreten. Damit will die Regierung nicht nur eine fiskalische und
währungspolitische Wirkung erzielen, sondern auch eine Optimierung der Branchen-
struktur. Insoweit setzt der Staat einen Signal für noch mehr marktgerechte Preisbildung
und fördert damit die Fähigkeit zur Effizienzsteigerung innerhalb der chinesischen
Unternehmen. Dieser Schritt ist längst notwendig und überfällig, denn langfristig
können nur die Unternehmen überleben, die sich der Herausforderung des Struktur-
wandels aktiv stellen und sich rechtzeitig an die veränderten Umfeldbedingungen
anpassen.
6 Das aktuelle System der Mehrwertsteuer-Rückerstattung für Exportgüter wurde 1985 in China eingeführt. Der
geltende Mehrwertsteuersatz beträgt 17%.
7 Die Definition und Wohlfahrtswirkungen von Terms of Trade in der Außenhandelstheorie von Krugman und
Obstfeld wird hier übernommen. Demnach erhöht ein Anstieg der Terms of Trade bzw. deren Rückgang reduziert die
Wohlfahrt einer Volkswirtschaft (Krugman/Obstfeld 2004, S. 143).

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Keine der hier vorgestellten Theorien kann eine Vollständigkeit der Erklärung und eine
Allgemeingültigkeit für sich beanspruchen. Sie liefern aber eine fundierte Grundlage
zur umfassenderen Analyse und zum besseren Verständnis über das Phänomen Chinas
und der schnell wachsenden asiatischen Volkswirtschaften.
3. China´s Wachstumsmotor: Der Außenhandel
Seit Beginn der ökonomischen Reform im Jahre 1978 hat das bevölkerungsreichste
Land der Erde China sein Entwicklungskonzept grundlegend verändert. Vor dieser
historischen Wende ist die Volkswirtschaft von allokativen Verzerrungen,
ökonomischen Ungleichgewichten, ernsten Versorgungsschwierigkeiten und niedriger
Arbeitsproduktivität in den meisten Wirtschaftssektoren gekennzeichnet. Die politische
Entschlossenheit zu Wachstum und Modernisierung der Wirtschaft findet ihren
Niederschlag u.a. darin, dass die Staatslenker den revolutionären Klassenkampf
aufgaben und als ein neuer Parameter der Politik die marktwirtschaftliche Neu-
orientierung postulierten
8
. Die fast drei Reform-Jahrzehnte seit 1978 sind von hohen
Wachstumsraten und immer schnellerem Integrationstempo in die Weltwirtschaft, aber
auch von ständigen Rückschlägen und Kursrevisionen begleitet.
Von einer weltweiten Wahrnehmung ausgehend, dass Produkte ,,Made in China" immer
mehr die Warenregale füllen, lässt sich intuitiv vermuten, dass die Exportwirtschaft
Chinas in dem ökonomischen Aufholprozess eine wichtige Rolle spielt. Viele
Ökonomen und wissenschaftliche Einrichtungen haben sich intensiv mit dem chinesi-
schen Wachstums- und Entwicklungsprozess unter Einbeziehung der Erfahrungen der
SWAV´s befasst und diesen analytisch begleitet. Die Erkenntnisse aus der wissen-
schaftlichen Diskussion über die Erfolgsfaktoren und Reproduzierbarkeit des asia-
tischen Wunder-Modells ist zwar nicht Gegenstand dieser Arbeit, geben jedoch
Aufschluss darüber, dass die gemeinsamen Erfahrungen der SWAV´s sehr lehrreich für
China und andere Entwicklungsländer sein können. Die von der chinesischen Regierung
praktizierte ,,graduelle Reformpolitik" hat viele Phasen der ähnlichen Transformations-
schritte durchlaufen. Als Spät-Starter hat China den natürlichen Vorteil, aus den
8 Als historischer Durchbruch im politisch-ideologischen System ist die Ausrufung einer ,,Sozialistischen
Marktwirtschaft" im Oktober 1992 durch die kommunistische Partei Chinas anzusehen. Damit war der Weg frei für
eine marktorientierte Umgestaltung des Wirtschaftssystems ohne politischen Systemwechsel.

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Erfahrungen der anderen zu lernen, die Erfolgskonzepte genauer zu erforschen und an
die eigenen Gegebenheiten anzupassen, und möglichst die Fehler anderer nicht zu
wiederholen. Die offene Handelspolitik der SWAV´s und die damit verbundenen
Folgen auf die nationale Branchen- und Strukturentwicklung begründet eine gesonderte
Betrachtung der historischen Entwicklung dieser Länder. Eine daraus entstehende
vergleichende Analyse und deren Implikationen würden allgemeine Indikatoren auf-
zeigen und eine prognostische Darstellung der chinesischen Branchenstruktur des
Außenhandels erleichtern.
3.1. Von den Nachbarn lernen: Das ostasiatische Wirtschaftswunder
Wie die meisten Entwicklungsländer starteten Japan und andere SWAV´s ihre
Industrialisierung von einem niedrigen Ausgangsniveau nach dem Zweiten Weltkrieg
(Japan war vor dem 2. Weltkrieg bereits ein Industrieland, musste nach dem Krieg seine
Wirtschaft wieder aufbauen). Die Erklärungsansätze zur Ergründung des asiatischen
Wirtschaftswunders sind höchst kontrovers und ergaben sich u.a. auch unter sozio-
kulturellen, philosophischen und geopolitischem Betrachtungswinkel. Aus ökono-
mischer Perspektive lassen sich nach Lin et al. die Standpunkte in drei Haupthypothesen
zusammenfassen. Erstens vertreten u.a. Ökonomen der Weltbank 1993 die Ansicht, dass
die freie Marktwirtschaft der Erfolgschlüssel für das hohe Wachstum sei. Dadurch ist
eine weniger verzerrte Preisbildung und eine effizientere Ressourcenallokation möglich
gewesen. Kritiker dieser Hypothese halten Tatsachen vor, dass gerade in diesen Ländern
die staatlichen Markteingriffe eine unvernachlässigbare Rolle gespielt haben. Die zweite
Erklärung, vertreten von Amsden und Wade, geht von der gegensätzlichen Position aus,
dass der Erfolg auf die staatlichen Interventionen, insbesondere auf die massive
Unterstützung der Schlüsselbranchen zurückzuführen sei. Jedoch existieren auch hier
zahlreiche andere Länderbeispiele, wo Markteingriffe des Staates die Wirtschaft zum
Erliegen brachten, um die These in Frage zu stellen. Krueger sieht die Erfolgsgrundlage
in der offenen Außenhandelspolitik der Länder. Die exportorientierte Strategie erfordert
aktive Teilnahme der heimischen Industriebranchen am internationalen Wettbewerb.
Dadurch müssen die Unternehmen ständig ihre Wettbewerbsfähigkeit ausbauen und die
Effizienz erhöhen. Diese Hypothese muss sich auch der Kritik stellen insbesondere
hinsichtlich der grundsätzlichen Frage: Ist das offene Handelsmuster die Ursache des
Wirtschaftswachstums oder dessen Folgen (Lin et al. 1999, S. 3)? Es ist trotz
unterschiedlichen Kausalitätserklärungen nahliegend an den evidenten Tatsachen fest-

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2007
ISBN (eBook)
9783956362514
ISBN (Paperback)
9783836603850
Dateigröße
696 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Technische Universität Berlin – Wirtschaft und Management, Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftsrecht
Erscheinungsdatum
2007 (Juni)
Note
1,3
Schlagworte
außenhandelstheorie komparative vorteile exportstruktur chinas drei-sektoren-hypothese wachstumsmotor
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Titel: Eine Prognose der Branchenstruktur des chinesischen Außenhandels vor dem Hintergrund der Erfahrungen der schnell wachsenden asiatischen Volkswirtschaften
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