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Werden Chinas Massenmedien demokratisiert?

Öffnungs- und Schließungsprozesse in der medienpolitischen Regulierung der Volksrepublik China

©2007 Diplomarbeit 112 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Abstrakt formuliert unterscheidet sich das Mediensystem der Volksrepublik China (VR China) grundlegend von allen anderen Mediensystem auf der Welt. Diese Singularität kann als ein Resultat des spezifischen, historischen Systemwandels des Landes aufgefasst werden. Dabei entwickelten sich die Medien maßgeblich nach der Gründung der VR China im Jahre 1949 zu dem, was wir heute unter den modernen chinesischen Massenmedien verstehen. Die aktuellen Ereignisse in China gehören zurzeit wohl zu den international am intensivsten diskutierten Themen überhaupt. Das rasante Wirtschaftswachstum und die enorm schnellen, nachhaltigen Veränderungen im Land dominieren dabei die meisten Debatten. Doch auch viele akute Probleme werden kontrovers diskutiert: Nichtregierungsorganisationen kritisieren die Missachtung von Menschenrechten im Land; angrenzende Staaten müssen mit Zwangsbesiedelungen und offenen Gewaltmaßnahmen rechnen; die Freiheit der Presse gilt anscheinend nur, so lange keine Regierungsinteressen tangiert werden; soziale Gerechtigkeit, gerade im ökonomischen Kontext, ist faktisch nicht gegeben.
Von einer freiheitlich demokratischen Ordnung ist die Sozialistische Volksrepublik China im Jahre 2007 scheinbar weit entfernt. Euphorische Beobachter prognostizieren China einen ungebremsten Aufstieg zur neuen Welt-Super-Macht, pessimistische Stimmen warnen dagegen vor überzogenen Prognosen und verweisen auf die oben beschriebenen Missstände. Ungelöst würden sie das Land in naher Zukunft in ernste Schwierigkeiten bringen. Diese beiden extremen Sichtweisen zur Kenntnis nehmend, kann fernab aller Übertreibungen ganz nüchtern festgestellt werden, dass die VR China weltpolitisch bereits heute eine große Bedeutung besitzt und die Veränderungen im Land daher auch in Zukunft von enormer Wichtigkeit für alle Staaten dieser Erde sein werden. Fortschritt und gravierende Probleme, beides existiert im Land. Doch in welchem Verhältnis stehen diese Größen zueinander?
Und welche neuen Veränderungen zeichnen sich schon heute ab? Die nähere wissenschaftliche Betrachtung der Entwicklungen im Mediensystem der VR China lohnt sich also. Eine fortschreitende Öffnung des Mediensystems könnte eine zunehmende Demokratisierung des gesamten Landes begünstigen. Freiheit von Presse und Medien, sowie Bürger, die ihre Meinung uneingeschränkt äußern können, wären beides: Konstituierendes und Resultierendes einer demokratischen Regierungsform. Bereits in der Gegenwart […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Fabian Kockartz
Werden Chinas Massenmedien demokratisiert?
Öffnungs- und Schließungsprozesse in der medienpolitischen Regulierung der
Volksrepublik China
ISBN: 978-3-8366-0376-8
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2007
Zugl. Universität Siegen, Siegen, Deutschland, Diplomarbeit, 2007
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2007
Printed in Germany

Autorenprofil
Fabian Kockartz Diplom-Medienwirt
Persönliche Angaben:
Geburtsort: Köln
Geburtstag: 7. Juni 1981
Familienstand: ledig
Sprachkenntnisse:
Deutsch (Muttersprache)
Englisch (fließend)
Außeruniversitäres
T
IERHEIM
S
IEGEN E
.V., Siegen
Engagement:
- Ausführen von Hunden
März 2005 - April 2007
- Mithilfe bei der Tierbetreuung
Berufserfahrung:
Mai 2007 - Juli 2007
I
NTERNATIONALES
B
ÜRO DES
BMBF, Bonn
Aushilfskraft in der Öffentlichkeitsarbeit
- Inhaltliche Betreuung einer wissenschaftlichen Online-Plattform
Studium:
Okt. 2001 - April 2007
U
NIVERSITÄT
S
IEGEN
, Siegen
Studium der Medien-Planung, -Entwicklung und -Beratung
Diplom-Medienwirt (Gesamtnote: 2,1)
Diplomarbeit: ,,Werden Chinas Massenmedien demokratisiert?
Öffnungs- und Schließungsprozesse in der medienpolitischen
Regulierung der Volksrepublik China" (Note: 2,0)
Studienschwerpunkte: Medienwirtschaft und Medienpolitik
Praktika:
Juli 2001 - Sep. 2001
R
EGIO
I
NFORMATION
G
MB
H
&
C
O
.
KG, Köln
Online-Redaktion
- Pflege von Themen-Channels
- Schreiben von Artikeln im Event-Bereich
September 2002
Z
ENTRALARCHIV FÜR
E
MPIRISCHE
S
OZIALFORSCHUNG
, Köln
Öffentlichkeitsarbeit
- Erstellung von Institutspräsentationen
Sep. 2004 - Feb. 2005
E
LECTRONIC
A
RTS
G
MB
H, Köln
Product Marketing
- Eigenständige Durchführung von Promoter-Schulungen
- Selbstständige Organisation und Durchführung von Events
- Einschätzung und Beantwortung von Sponsoring- und
Kooperationsanfragen
Studienbegleitende
E
LECTRONIC
A
RTS
G
MB
H, Köln
Tätigkeiten:
PR-Assistent in der Abteilung Public Relations
März 2005 - März 2006
- Medienresonanzanalyse
- Zusammenarbeit mit Journalisten
- Erstellung von elektronischen Firmen-Newslettern
- Erstellung von Multimedia-Präsentationen
Auslandserfahrung:
Feb. 2004 - Juni 2004
U
NIVERSITY OF
W
ESTERN
S
YDNEY
, Sydney, Australien
Media Studies, 228 von 300 Punkten
Leibnizstraße 3
53859 Niederkassel
Tel.: 0176 / 246 707 92
E-Mail: f.kockartz@web.de

Verzeichnisse
1
Inhaltsverzeichnis
I. Tabellenverzeichnis... 4
II. Abkürzungsverzeichnis... 5
1 Einleitung... 7
1.1 Problemstellung und Zielsetzung... 7
1.2 Aufbau und Anmerkungen... 9
2 Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes und Definition zentraler
Begriffe... 10
2.1 Politikwissenschaftliche Dimension... 10
2.1.1 Demokratie... 10
2.1.2 Menschenrechte... 11
2.1.3 Regime... 12
2.1.4 Regulierung... 12
2.1.5 Öffentlichkeit... 13
2.1.6 Öffentliche Meinung... 14
2.2 Medienwissenschaftliche Dimension... 15
2.2.1 Der Begriff der Massenmedien... 15
2.2.2 Das Medien-Set... 17
3 Öffnungs- und Schließungsprozesse als Resultate eines historischen
Systemwandels... 18
3.1 1949 ­ 1976: Die VR China unter Mao Zedong... 18
3.1.1 Strukturen des Mediensystems ­ Zentrale Akteure und zentrale
Interessen... 18
3.1.1.1 Die Kommunistische Partei Chinas... 18
3.1.1.2 Staat, Ministerien und Ämter... 20
3.1.1.3 Staatsunternehmen, Kollektivunternehmen und
privatwirtschaftliche Akteure... 21
3.1.2 Die staatliche Regulierung der Massenmedien... 22
3.1.2.1 Zeitung... 22
3.1.2.2 Hörfunk... 24
3.1.2.3 Fernsehen... 27

Verzeichnisse
2
3.2 1976 ­ 1992: Von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft. Die VR China
unter Deng Xiaoping... 30
3.2.1 Strukturen des Mediensystems ­ Zentrale Akteure und zentrale
Interessen... 30
3.2.1.1 Die Kommunistische Partei Chinas... 30
3.2.1.2 Staat, Ministerien und Ämter... 32
3.2.1.3 Staatsunternehmen, Kollektivunternehmen und
privatwirtschaftliche Akteure... 33
3.2.1.4 Das sozialistische Grundprinzip und die Massenmedien... 34
3.2.1.5 Der Weg zur World Trade Organization... 36
3.2.2 Die staatliche Regulierung der Massenmedien... 37
3.2.2.1 Zeitung... 37
3.2.2.2 Hörfunk... 40
3.2.2.3 Fernsehen... 42
3.2.2.4 Internet... 45
3.3 1992 ­ 2007: Das moderne China unserer Zeit. Die Herrschaft der
Technokraten... 46
3.3.1 Strukturen des Mediensystems ­ Zentrale Akteure und zentrale
Interessen... 47
3.3.1.1 Die Kommunistische Partei Chinas... 48
3.3.1.2 Staat, Ministerien und Ämter... 50
3.3.1.3 Staatsunternehmen, Kollektivunternehmen und
privatwirtschaftliche Akteure... 54
3.3.1.4 Nachrichtenagenturen... 55
3.3.1.4.1 Die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua... 55
3.3.1.4.2 China News Service... 57
3.3.1.5 Non-Governmental Organizations... 58
3.3.1.6 Der Beitritt zur World Trade Organization...59
3.3.1.7 Die Sonderverwaltungszone Hongkong...61
3.3.1.8 Die Ausbildung von journalistischem Nachwuchs...63
3.3.2 Die staatliche Regulierung der Massenmedien... 65
3.3.2.1 Zeitung... 65
3.3.2.2 Hörfunk... 68

Verzeichnisse
3
3.3.2.3 Fernsehen... 70
3.3.2.4 Internet... 73
4 Die aktuelle medienpolitische Regulierung anhand ausgewählter
Beispiele... 79
4.1 Tibet: Der Eisenbahnbau nach Lhasa... 79
4.1.1 Chinesische Presseberichterstattung... 79
4.1.2 Nicht-Chinesische Presseberichterstattung... 81
4.2 Die Olympischen Spiele 2008 in Peking... 83
4.2.1 Chinesische Presseberichterstattung... 83
4.2.2 Nicht-Chinesische Presseberichterstattung... 85
5 Schlusswort... 87
5.1 Rückblick und Ergebnisse... 87
5.2 Zukünftige Tendenzen... 92
III. Literaturverzeichnis... 93
IV. Stichwortverzeichnis... 108

Verzeichnisse
4
I. Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Regulierung des Internets... 78
Tabelle 2: Öffnungs- und Schließungsprozesse... 88

Verzeichnisse
5
II. Abkürzungsverzeichnis
A
APW
Amt für Postwesen
ARW
Amt für Rundfunkwesen
B
BOCOG
Olympisches Organisationskomitee (Englische Bezeichnung:
Beijing Organizing Committee for the Olympic Games)
BPV
Behörde für Presse- und Verlagswesen
BT
Beijing Television
C
CAnet
China Academic Network
CBS
Columbia Broadcasting System
CCTV
China Central Television
CNC
China Netcom Corporation
CNNIC
China Internet Network Information Center
CNR
China National Radio
CNS
China News Service
CPJ
Committee to Protect Journalists
CRI
China Radio International
CUC
Communication University of China
I
IWF
Internationaler Währungsfonds
K
KMT
Kuomintang
KPCh
Kommunistische Partei Chinas
M
MEI
Ministerium für Elektroindustrie
MHFF
Ministeriums für Hörfunk, Film und Fernsehen

Verzeichnisse
6
MII
Ministerium für Informationsindustrie
MPF
Ministerium für Post- und Fernmeldewesen
MSS
Ministerium für öffentliche und Staatssicherheit
N
NCFC
National Computer and Network Facility of China
NGO
Non-Governmental Organization
NSF
National Science Foundation
NVK
Nationaler Volkskongress
O
OBC
Olympic Broadcasting Committee
R
RMB
Renminbi
S
s.g.Z.
sozialistische geistige Zivilisation
SAIP
Staatliches Amt für Internet-Propaganda
SANV
Staatliches Amt für Nachrichten und Verlagswesen
SAP
Staatliches Amt für das Publikationswesen
SARFT
Staatliche Hauptverwaltung für Hörfunk, Film und Fernsehen
(Englische Bezeichnung: State Administration of Radio, Film and
Television)
SVZ
Sonderverwaltungszone
SWZ
Sonderwirtschaftszone
T
TkS
Telekommunikationssektor
Z
ZK
Zentralkomitee

Einleitung
7
1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
Abstrakt formuliert unterscheidet sich das Mediensystem der Volksrepublik
China (VR China) grundlegend von allen anderen Mediensystem auf der Welt.
Diese Singularität kann als ein Resultat des spezifischen, historischen
Systemwandels des Landes aufgefasst werden. Dabei entwickelten sich die
Medien maßgeblich nach der Gründung der VR China im Jahre 1949 zu dem,
was wir heute unter den modernen chinesischen Massenmedien verstehen.
Die aktuellen Ereignisse in China gehören zurzeit wohl zu den international am
intensivsten diskutierten Themen überhaupt. Das rasante Wirtschaftswachstum
und die enorm schnellen, nachhaltigen Veränderungen im Land dominieren
dabei die meisten Debatten. Doch auch viele akute Probleme werden kontro-
vers diskutiert: Nichtregierungsorganisationen kritisieren die Missachtung von
Menschenrechten im Land; angrenzende Staaten müssen mit Zwangsbesiede-
lungen und offenen Gewaltmaßnahmen rechnen; die Freiheit der Presse gilt
anscheinend nur, so lange keine Regierungsinteressen tangiert werden; soziale
Gerechtigkeit, gerade im ökonomischen Kontext, ist faktisch nicht gegeben.
Von einer freiheitlich demokratischen Ordnung ist die Sozialistische Volks-
republik China im Jahre 2007 scheinbar weit entfernt.
Euphorische Beobachter prognostizieren China einen ungebremsten Aufstieg
zur neuen Welt-Super-Macht, pessimistische Stimmen warnen dagegen vor
überzogenen Prognosen und verweisen auf die oben beschriebenen Miss-
stände. Ungelöst würden sie das Land in naher Zukunft in ernste Schwierig-
keiten bringen. Diese beiden extremen Sichtweisen zur Kenntnis nehmend,
kann fernab aller Übertreibungen ganz nüchtern festgestellt werden, dass die
VR China weltpolitisch bereits heute eine große Bedeutung besitzt und die
Veränderungen im Land daher auch in Zukunft von enormer Wichtigkeit für alle
Staaten dieser Erde sein werden. Fortschritt und gravierende Probleme, beides
existiert im Land. Doch in welchem Verhältnis stehen diese Größen zueinan-
der? Und welche neuen Veränderungen zeichnen sich schon heute ab?

Einleitung
8
Die nähere wissenschaftliche Betrachtung der Entwicklungen im Mediensystem
der VR China lohnt sich also. Eine fortschreitende Öffnung des Mediensystems
könnte eine zunehmende Demokratisierung des gesamten Landes
begünstigen. Freiheit von Presse und Medien, sowie Bürger, die ihre Meinung
uneingeschränkt äußern können, wären beides: Konstituierendes und
Resultierendes einer demokratischen Regierungsform. Bereits in der
Gegenwart hat China globale Leit- und Vorbildfunktionen zu erfüllen. Diese
werden in naher Zukunft wohl ungleich an Bedeutung gewinnen. Im Kontext
von Wachstum und Fortschritt entwickeln die weiter oben genannten Misstände
daher eine reale Brisanz: Sie nähren die Befürchtungen, dass eine zunehmend
mächtiger werdende Nation ohne demokratische Werte und eine freiheitliche
Grundordnung nicht ernsthaft und nachhaltig zum Wohle der meisten
Menschen handeln könne.
Aus dem Spannungsfeld von Massenmedien, politischem System und
Öffentlichkeit ergibt sich also die Frage, welche Tendenz die Regulierung der
Massenmedien in China im historischen Verlauf aufweist. Wurden Chinas
Medien seit Gründung der Volksrepublik immer demokratischer, oder ist gar
das Gegenteil der Fall? Welche Entwicklungen lassen sich diesbezüglich in
jüngster Zeit wahrnehmen und welche Prognosen für die Zukunft daraus
ableiten?
Das Ziel der Diplomarbeit ist demzufolge die umfassende Darstellung der
historischen Entwicklungen in der staatlichen Regulierung des Mediensystems
der VR China und die Herausarbeitung von etwaigen Regelmäßigkeiten und
Tendenzen, die diese Öffnungs- und Schließungsprozesse aufweisen. Aus
diesen Erkenntnissen sollen abschließend realistische Folgerungen für die
nahe Zukunft entwickelt werden. Das betrachtete Medien-Set setzt sich dabei
zusammen aus: Tageszeitung, Hörfunk, Fernsehen und Internet. Die Leitfrage
lautet: Sind Chinas Massenmedien in den letzten Jahrzehnten demokratisiert
worden?

Einleitung
9
1.2 Aufbau und Anmerkungen
Um dieses Ziel zu erreichen, gliedert sich die Arbeit in fünf Kapitel. Nach einer
kurzen Einleitung folgt die genaue Eingrenzung des Untersuchungsgegen-
standes und die Definition zentraler Begriffe. Diese Grundlage dient im
späteren Verlauf der Ausarbeitung als Argumentationsinstrumentarium und
Bezugspunkt für den eigenen Standpunkt des Verfassers. Das sich daran
anschließende Kapitel Öffnungs- und Schließungsprozesse als Resultate eines
historischen Systemwandels bildet den Schwerpunkt der Diplomarbeit: Unter
Einbeziehung der wichtigsten Akteure und ihrer Interessen erfolgt in drei
historischen Abschnitten eine detaillierte Darstellung der Entwicklung des
medienpolitischen Systems der VR China seit 1949. Die aktuelle medien-
politische Regulierung anhand ausgewählter Beispiele verknüpft die theore-
tischen Erkenntnisse der vorangegangenen Kapitel mit konkreten Ereignissen
der jüngsten Zeit. Das Schlusswort komplettiert die Arbeit schließlich mit einer
Zusammenfassung und einem Ausblick.
Um den Untersuchungsgegenstand gleichzeitig zugänglich und aufschlussreich
präsentieren zu können, wurde der Struktur des dritten Kapitels eine
vereinfachte historische Einteilung zugrunde gelegt. Die Abgrenzung dieser drei
Abschnitte lehnt sich dabei an die Ausführungen Heilmanns (2004) an. Da
inländische Daten meist nicht unabhängig von offiziellen chinesischen Stellen
verfügbar sind, werden diese ,,gefilterten" Informationen an einigen Stellen als
Argumentationsgrundlage benutzt. Hier sei ausdrücklich darauf hingewiesen,
dass die Verlässlichkeit dieses Materials nicht eindeutig sichergestellt werden
kann.
1
Diese Daten sind lediglich als Trends anzusehen und insofern als
aussagekräftig zu bewerten.
Anführungszeichen kennzeichnen, je nach Kontext, wörtliche Zitate oder
Sinnübertragungen. Die Begriffe China, Volksrepublik und VR China werden in
dieser Arbeit synonym verwendet.
1 Die bekannten Gründe, wie nicht nachvollziehbare Erhebungsmethoden oder wechselnde
Grundwerte lassen sich z.B. bei Schucher (2002: 41) und Abels (2004: 828) nachlesen.

Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes und Definition zentraler
Begriffe
10
2 Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes
und Definition zentraler Begriffe
2.1 Politikwissenschaftliche Dimension
2.1.1 Demokratie
Demokratie bezeichnet die Volksherrschaft bzw. die Herrschaft der Mehrheit.
Demokratische Herrschaft stützt sich also auf die Prinzipien der
Volkssouveränität und der Gleichheit aller (vgl. Schultze 2002: 121). Des
Weiteren identifiziert Schultze drei Kernelemente moderner Demokratien: (1)
Schutz (Gewaltenteilung, Rechtsstaatlichkeit und Verfassungsstaatlichkeit,
Parlamentarisierung von Herrschaft), (2) Partizipation (u.a. Parteiendemokratie)
und (3) Inklusion (soziale Grundrechte, Wohlfahrtsstaat) (ebd.: 122).
Neben einer Vielzahl von Demokratieformen existieren zahlreiche theoretische
Modelle. Da eine genaue Vorstellung dieser Varianten hier nicht zielführend
wäre, wird an dieser Stelle darauf verzichtet. Wichtig zu erwähnen ist jedoch,
dass sich die Demokratie per definitionem von allen autoritären Staatsform
abgrenzt.
Naßmacher (2002: 147) identifiziert darüber hinaus Freiheit und Wettbewerb
als zwei wesentliche Merkmale, die politische Systeme voneinander abgrenzen.
Demokratie ist für sie daher:
,,...eine politische Ordnung, die ein (dynamisches) Gleichgewicht zwischen
den Prinzipien größtmöglicher Freiheit und Gleichheit verwirklicht. Der
Wettbewerb zwischen [...] politischen Gruppierungen [...] grenzt westliche
Demokratien eindeutig von solchen politischen Systemen ab, deren
Staatsideologie Wettbewerb nicht zulässt."
Macht steht in Demokratien also intendiert zur Disposition. Keinesfalls wird sie
als Besitz angesehen, dessen Wahrung zu politischem Protektionismus
zwingen würde. Dieses, nach Naßmacher, singuläre Charakteristikum
westlicher Demokratien ist letztlich auch ein Bestimmungsfaktor dafür, welcher
Grad an Freiheit prinzipiell innerhalb einer Gesellschaft erreicht werden kann.

Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes und Definition zentraler
Begriffe
11
2.1.2 Menschenrechte
Was genau unter Menschenrechten verstanden wird, ist eindeutig und mit dem
Anspruch auf internationale Gültigkeit in den Dokumenten der United Nations
(UN) niedergelegt. Menschenrechte sind demnach definiert als all jene Rechte
und Freiheiten, die jedem Menschen innewohnen und zwar:
,,...ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe,
Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Anschauung,
nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem
Stand" (Artikel 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte).
Die angestrebte, globale Akzeptanz dieser Rechte und ihre konsequente
Anwendung ist zum jetzigen Zeitpunkt de facto nicht gegeben. Grund hierfür
sind in erster Linie ungelöste Wertedifferenzen (vgl. Rieger 2002: 524f.).
Besonders deutlich treten diese Kontroversen beim Versuch der
Harmonisierung von westlichen und asiatischen Werten zu Tage. Nicht selten
lehnen asiatische Staaten das westliche Menschenrechtsverständnis ab. Mit
dem Verweis auf eigene, meist familienbezogene, kommunitäre und solida-
rische Traditionen, erheben sie den Vorwurf, es handele sich dabei um eine
neue Form der Kolonialisierung (ebd.: 526).
Der Staat ist beides: Garant und Bedroher der Menschenrechte (vgl. Brugger
1999: 87). Prinzipiell haben Letztere daher die Funktion Schutz- und
Anspruchsrechte gegenüber dem Staat zu sein (vgl. Hamm 2001: 229). Hieraus
lässt sich folgern, dass die beobachtbare Verwirklichung von Menschenrechten
Rückschlüsse auf den Grad der Demokratisierung eines Staates zulässt. So
erkennt man autoritäre, nicht-demokratische Systeme also besonders daran,
dass sie die Einhaltung der Menschenrechte anderen Zielen unterordnen.
Alemann (2001: 224) sieht in funktionierenden Grund- und Menschenrechten
gar die Grundvoraussetzung von öffentlicher Politik.
In unmittelbarem Zusammenhang mit der Wahrung der Menschenrechte steht
die Arbeit der Non-Governmental Organizations (NGOs). Diese werden in
Kapitel 3.3.1.5 näher vorgestellt.

Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes und Definition zentraler
Begriffe
12
2.1.3 Regime
Ursprünglich als völlig neutral geltend, erhielt der Begriff des Regimes im Laufe
der Jahre eine negative Konnotation (vgl. Zürn 2002: 798). Er wird heute im
Allgemeinen gleichbedeutend mit Regierungsform gebraucht und bezieht sich:
,,...auf die formalen und faktischen Bedingungen des Zugangs zur und der
Ausübung von Regierungsmacht sowie auf die Art und Weise des
Umgangs mit der Opposition" (Thibaut 2002: 799).
Konkret beschreibt dies Militärregime bzw. autoritäre Regime. Nach Nohlen und
Waldmann (1987: 65) können autoritäre Systeme darüber hinaus auch als
Produkt des Fortbestehens, der Auflösung bzw. der Ablösung traditioneller
Herrschaft aufgefasst werden. Meist aus hohen militärischen bzw.
regierungsinternen Positionen kommend, stützen sich autoritäre Machthaber
vor allem auf die bürokratisch-administrative Elite in der staatlichen Verwaltung
und den Wirtschaftsbetrieben (vgl. Naßmacher 2002: 165). Die konkrete
Umsetzung von Einschränkungen und Regulierungen geschieht also größten
Teils auf diesen organisatorischen Wegen.
2.1.4 Regulierung
Regulierung wird hier als Überbegriff für staatliche Eingriffe verstanden. Sie
umfasst damit insbesondere drei Formen der Einflussnahme: Zensur,
Propaganda und Desinformation. Zensur bezieht sich auf die Kontrolle
menschlicher Aussagen. Sie beschreibt eine staatliche Maßnahme, die die
Kommunikationsfreiheit von Bürgern beschränkt (vgl. Frank 2002: 742).
Während Propaganda als Informationspolitik zur Herrschaftssicherung
verstanden wird, bezeichnet Desinformation im Unterschied dazu eine
intendierte Verbreitung von Fehlinformationen, die wiederum nicht ohne
weiteres als solche erkannt werden können. Die Identifizierbarkeit grenzt
folglich Propaganda und Desinformation primär voneinander ab. Alle diese
Formen der Regulierung korrelieren unmittelbar negativ mit den zwei
essentiellen Freiheiten einer demokratischen Staatsordnung: Der Presse- und
der Meinungsfreiheit.

Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes und Definition zentraler
Begriffe
13
2.1.5 Öffentlichkeit
Der relativ junge Begriff der Öffentlichkeit etablierte sich erst im Laufe des 18.
Jahrhunderts im aktiven politischen Sprachgebrauch (vgl. Hölscher 1979: 9).
Nach Kleinsteuber (2002: 589) bezieht sich der Ausdruck Öffentlichkeit dabei
auf den Anspruch des Bürgertums, das politische Agieren der Herrschenden
öffentlich, d.h. weder privat noch geheim, diskutieren und kommentieren zu
können. Das Wort kann also als Beschreibung eines speziellen Raums der
politischen Meinungsäußerungen verstanden werden; als eine nicht substituier-
bare, kommunikative Struktur zwischen Regierenden und Regierten in
modernen Gesellschaften.
Grundlegend für eine demokratische Gesellschaft ist daher die Möglichkeit zur
freien Meinungsäußerung. Jenes Ideal, welches Jürgen Habermas einst als
herrschaftsfreien Diskurs bezeichnete, wäre ohne diese Voraussetzung
undenkbar. Der Raum, indem dieser Diskurs stattfinden kann, ist nach
Habermas (1969: 11) jedoch nur so lange als öffentlich zu bezeichnen, wie er
für alle zugänglich ist. Jedwede Form der machtpolitischen Regulierung dieser
Zugänglichkeit schadet also einer freien Öffentlichkeit. Der Staat selbst hat für
Habermas die Aufgabe, für das Wohl der ihm Angehörigen zu sorgen. Aufgrund
dieser Aufgabe ist er seinem Verständnis nach die öffentliche Gewalt (ebd.).
Gerhards (2002: 268) identifiziert dieses Verständnis als ein normatives,
basisdemokratisch orientiertes Idealmodell und verweist somit indirekt auf den
Ansatz von Habermas, der von einer idealisierten bürgerlichen Öffentlichkeit
ausgeht. Öffentlichkeit bezeichnet nach Gerhards (ebd.) demnach:
,,...einen kommunikativen Bereich, in dem alle Bürger mit Argumenten
öffentliche Belange diskutieren, an deren Ende eine vernünftige öffentliche
Meinung steht, die die Grundlage politischer Entscheidungen bildet."
Negt und Kluge (1972: 18) sehen in der Öffentlichkeit auch einen ,,allgemeinen
gesellschaftlichen Erfahrungshorizont", der all das enthält, was scheinbar oder
tatsächlich für die Mitglieder einer Gesellschaft relevant ist.

Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes und Definition zentraler
Begriffe
14
2.1.6 Öffentliche Meinung
Der Gebrauch des Terminus öffentliche Meinung lässt sich, ausgehend von der
Antike, über die Vordenker der europäischen Aufklärung, bis hin zu
tagesaktuellen Diskussionen, relativ eindeutig nachzeichnen (vgl. Noelle-
Neumann 2002: 81). Nach Ansicht Sartoris (1992: 106) ist in einem
grundlegenden Verständnis eine Meinung allein schon dadurch als öffentlich zu
bezeichnen, dass sie in der Öffentlichkeit geäußert wird. Diese stellt dann
allerdings kein Produkt von Individualkommunikation dar, sondern das Ergebnis
einer intendierten, professionellen und institutionalisierten Interessenvermittlung
(vgl. Naßmacher 2002: 43). Entscheidend ist dabei das Verständnis, dass
Regierungen von Meinungen beeinflusst werden. Die öffentliche Meinung bildet
sich im Raum der Öffentlichkeit und korreliert mit dem Führungsanspruch der
Regierenden. In demokratischen Gesellschaften existiert daher das Bemühen,
Informationen vollkommen frei zu verbreiten und eine möglichst große
Deckungsgleichheit zwischen den Meinungen der Bürger und der öffentlichen
Meinung herzustellen. In nicht-demokratischen Gesellschaften dagegen
existiert dieser Anspruch nicht. Die öffentliche Meinung untersteht hier der
direkten oder indirekten Kontrolle der Machthaber (vgl. ebd. 43f.).
An vielen Stellen der Fachliteratur wird darüber diskutiert, ob es legitim sei, von
der öffentlichen Meinung im Singular zu sprechen. Einige Autoren legen die
Benutzung des Plurals nahe, da es ihrer Ansicht nach eine einzelne öffentliche
Meinung nicht gibt (vgl. Gerhards 2002: 269; Noelle-Neumann 2002: 92). Um
die Aussagekraft und Trennschärfe des Begriffs zu bewahren, insistiert Noelle-
Neumann (ebd.) allerdings darauf den Singular zu verwenden:
,,Es gehört zum demokratischen Prozess, dass Meinungen miteinander
ringen [...] Aber von öffentlicher Meinung kann man erst sprechen, wenn
sich ein Lager so durchgesetzt hat, dass man in der Öffentlichkeit nicht
mehr dagegen sprechen kann ohne Gefahr zu laufen, sich zu isolieren und
an den Medienpranger gestellt zu werden."
Diese Meinungskonstellation bezeichnet Noelle-Neumann als Meinungsklima.

Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes und Definition zentraler
Begriffe
15
2.2 Medienwissenschaftliche Dimension
2.2.1 Der Begriff der Massenmedien
Noelle-Neumanns Definition macht den engen Zusammenhang zwischen
Politik, öffentlicher Meinung und Medien deutlich. Dies wirft die Frage nach den
medienwissenschaftlichen Aspekten des vorliegenden Themas auf: Was
versteht man unter den Massenmedien und welche Bedeutung haben sie für
Demokratie und Öffentlichkeit?
Um den ersten Teil dieser Frage zu beantworten, kann man mit Maletzke
festhalten, das Massenkommunikation jene Kommunikation beschreibt, die
Aussagen:
,,...(a) öffentlich (b) durch technische Verbreitungsmittel (c) indirekt und (d)
einseitig (e) an ein dispersives Publikum vermittelt..." (Maletzke 1976: 4).
Die Massenmedien sind folglich die Mittler, die technischen Geräte, die diese
Übertragung ermöglichen. Diese Möglichkeit zur Vergrößerung des Adressaten-
kreises aktueller Mitteilungen identifiziert Merten als wichtigsten Anlass für die
Einführung der Massenmedien (1994: 150). Ihnen kommen dabei verschiedene
Funktionen zu. Rekurrierend auf Gellner (1990: 3ff.) identifizieren Schreyer und
Schwarzmeier (2005: 143) neben der Unterhaltungsfunktion der Massenmedien
vier politische Funktionen: (1) Sozialisation, (2) Information und Bildung, (3)
Meinungsbildung und (4) Kritik und Kontrolle. Hieraus werden die besondere
Bedeutung und der hohe Stellenwert der Massenmedien für die Aufrecht-
erhaltung einer spezifischen staatlichen Struktur deutlich.
Des Weiteren vermitteln sie zwischen Politischem/Staatlichem und Gesell-
schaftlichem und haben somit einen großen Einfluss auf die öffentliche
Meinung. Marcinkowski (1996: 203f.) schreibt den Massenmedien in diesem
Kontext eine Sonderrolle zu. Einerseits gelte die Medienberichterstattung
immer häufiger als legitimer Bedürfnisindikator der Bevölkerung und damit auch
als Beleg der politisch relevanten öffentlichen Meinung. Andererseits geschähe
Politikvermittlung fast nur noch ausschließlich medial, bzw. massenmedial.

Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes und Definition zentraler
Begriffe
16
Marcinkowskis Betrachtung dieses Zusammenhangs hat bis heute nicht an
Bedeutung verloren. Aktuelle Diskussionen um den Einfluss der Medien auf die
politische Willensbildung und die Wirkung von medial vermittelten Inhalten,
kreisen um eine, im Sinn identische, Terminologie.
Die, bereits weiter oben erwähnte, unterhaltende Qualität der Massenmedien
spielt in einem weiteren Kontext eine entscheidende Rolle. In ihr spiegelt sich
die Einflussnahme von primär ökonomisch agierenden Akteuren wider.
2
Diese
sehen in erster Linie in der Unterhaltung ein Mittel zur Erwirtschaftung von
pekuniären Gewinnen. Neben dem Staat und den Rezipienten sind die
privatwirtschaftlichen Unternehmen somit ein weiterer, konstitutiver Faktor
eines modernen Mediensystems. Die, diesem System
3
aus verschiedenen
Akteuren folglich immanenten, interkausalen Handlungsstrukturen sorgen für
eine hohe Dynamik des Selbigen.
Aus alledem ergibt sich die große Bedeutung der Massenmedien für moderne
Gesellschaften und ihre Verknüpfung mit dem Öffentlichkeitsbegriff. Sie formen
Öffentlichkeit. Genauer gesagt: Medienöffentlichkeit (vgl. hierzu auch Schreyer;
Schwarzmeier 2005: 142). Otfried Jarren betont in diesem Zusammenhang:
,,Das Mediensystem wird zur zentralen Infrastruktur der modernen
Gesellschaft. [...] Ohne publizistische Medien gibt es keine Kommunikation
zwischen gesellschaftlichen Organisationen wie zwischen Organisationen
und dem allgemeinen Publikum" (1998: 74f.).
Die Grundkategorien der Politikwissenschaft und der Medien- und
Kommunikationswissenschaft sind nach Ansicht Marcinkowskis (2001: 222)
voneinander abhängig, miteinander verknüpft und verwoben. Räsonierende
Öffentlichkeit und Politik stehen seiner Meinung nach in einem wechselseitig
konstitutiven Verhältnis zueinander.
2 Entsprechend der gesetzlichen Regulierungen des jeweiligen Landes, ist das Mediensystem
somit natürlich auch ein Markt der (freien) Wirtschaft.
3 Der Begriff des Systems wird hier in einem allgemeinen Verständnis als logische Einheit
benutzt. Es steht kein spezielles Konzept dahinter, welches sich einer bestimmten medien-
oder kommunikationswissenschaftlichen Schule zuordnen ließe.

Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes und Definition zentraler
Begriffe
17
2.2.2 Das Medien-Set
In Anbetracht des formalen Rahmens der vorliegenden Arbeit ist eine
Eingrenzung der untersuchten Medien unumgänglich. Dem Titel entsprechend
bezieht sich die daraus resultierende Selektion auf ein spezifisches Set von
chinesischen Massenmedien. Um das angestrebte Ziel zu erreichen, eine
Auswahl zu kreieren, die möglichst repräsentativ für das chinesische
Mediensystem ist, werden im Folgenden die Medien Zeitung
4
, Hörfunk
5
,
Fernsehen und Internet im Kontext ihres historischen Wandels dargestellt.
Entscheidend für diese Auswahl wahren dabei die drei Kriterien
Tagesaktualität, Verbreitungsart und Relevanz für die Alltagskommunikation.
Diese Einteilung schließt automatisch alle nicht täglich erscheinenden
Periodika, Individualmedien, sowie Medien ohne reale Relevanz für das breite
öffentliche Interesse aus der näheren Betrachtung aus.
An dieser Stelle sei ausdrücklich darauf hingewiesen, das diese Auswahl, dem
vorliegenden Beobachtungsgegenstand entsprechend, eindeutig als subjektiv
anzusehen ist. Eine andere Herangehensweise könnte sicherlich auch eine
völlig andere Eingrenzung der chinesischen Massenmedien zum Ergebnis
haben. Als Resultierendes der oben angeführten Auswahlkriterien, stellt das
hier untersuchte Medien-Set aus Sicht des Verfassers der vorliegenden Arbeit
in Bezug auf die Zielerreichung allerdings die optimale Selektion dar.
Auf eine Wiedergabe der, innerhalb der Medienwissenschaften teilweise sehr
kontrovers und enthusiastisch geführten Diskussion um die genaue Zuordnung
der vier selektierten Medien
6
, wird aus Platzgründen und lediglich einge-
schränkter Relevanz an dieser Stelle explizit verzichtet.
4 Im Folgenden wird die Geschichte der chinesischen Zeitung im Allgemeinen skizziert
werden, der Schwerpunkt der Untersuchungen liegt dabei allerdings stets auf den Tages-
zeitungen.
5 Hörfunk (Drahtfunk und Radioübertragung) und Fernsehen werden hier als Unterbegriffe des
Rundfunks verstanden. Da manche Quellen eine andere Zuordnung benutzen, ist an einigen
Stellen dieser Arbeit eine kontextgebundene Interpretation der Begriffe notwendig.
6 Dies trifft insbesondere auf das Medium Internet zu. Aufgrund seiner spezifischen Qualitäten
(Interaktivität, Non-Linearität etc.) variiert die genaue Zuordnung zwischen Individualmedium,
Massenmedium und modernem Massenmedium (vgl. z.B. Plake u.a. 2001: 89ff.).

Öffnungs- und Schließungsprozesse als Resultate eines historischen
Systemwandels
18
3 Öffnungs- und Schließungsprozesse als Resultate
eines historischen Systemwandels
3.1 1949 ­ 1976: Die VR China unter Mao Zedong
3.1.1 Strukturen des Mediensystems ­ Zentrale Akteure und
zentrale Interessen
3.1.1.1
Die Kommunistische Partei Chinas
Mit Gründung der VR China am 1. Oktober 1949 begann auch die Herrschaft
der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh). Zuvor kontrollierte die Kuomintang
(KMT) unter Sun Yatsen und später Chiang Kaishek die Geschehnisse im
Land. Aus dem Verhältnis der beiden Parteien zueinander ergibt sich nach
Kampen (2003: 381) eine historische Einteilung der frühen
7
Entwicklungen der
KPCh in insgesamt fünf Phasen: (1) In die Jahre 1921 bis 1924 fällt die
Gründungsphase der Partei. Als offizieller Gründungstag gilt heute der 1. Juli
1921. Chen Duxiu, der Herausgeber der Zeitschrift Xin Qingnian (La Jeunesse)
bekleidete als erster das Amt des Parteiführers. Die proletarische Revolution
war das Ziel der ersten Stunde. (2) Zwischen 1924 und 1927 ergab sich
aufgrund von äußeren Machtverhältnissen und politischem Kalkül eine
Zusammenarbeit von KPCh und KMT, die Phase der ersten Einheitsfront. (3)
Während der Zeit des ersten Bürgerkrieges, wurden die Kommunisten 1927
massiv durch die KMT verfolgt. Die bisherige Ordnung innerhalb der Partei
zerfiel. Um sich aus einer massiven militärischen Bedrängnis durch die
Streitkräfte der KMT zu befreien, begaben sich die Kommunisten 1934 auf den
langen Marsch. (4) 1943 wurde Mao Zedong neuer Vorsitzender des
Politbüros. Zwei Jahre später ebenfalls Vorsitzender des Zentralkomitees (ZK)
der KPCh (zweite Einheitsfront). (5) Als Ergebnis von militärischen Auseinan-
dersetzungen gelang es den Kommunisten während der Phase des zweiten
Bürgerkrieges den größten Teil des Landes unter ihre Kontrolle zu bringen. Die
eroberten Gebiete wurden erfolgreich verteidigt, die bestehende Macht
konsolidiert und schließlich die VR China gegründet.
7 ,,Früh" bezeichnet an dieser Stelle die Zeit vor dem Jahr 1949.

Öffnungs- und Schließungsprozesse als Resultate eines historischen
Systemwandels
19
Unverzüglich nach der Gründung der Partei wurde mit der Errichtung eines von
ihr gelenkten Medienapparates begonnen (vgl. Klaschka 2003b: 585). Die
Parteiführung war sich der großen Bedeutung, die den Massenmedien in Bezug
auf die Ausweitung ihres Einflusses im Land zukam, vollkommen im Klaren. In
den Gebieten, die unter der Verwaltung der KPCh standen, arbeitete man
daher zügig am Aufbau eines zusammenhängenden Nachrichtennetzes (ebd.).
Obwohl Verfassung und Statut der KPCh auf die Leitprinzipien von (Volks-)
Demokratie und Freiheit verwiesen (vgl. Chinesische Verfassung (1954); Statut
der Kommunistischen Partei Chinas vom 28. August 1973), ist unumstritten,
dass de facto in der Zeit zwischen 1949 und 1976 eine der brutalsten
Gewaltherrschaften der Geschichte aufrecht erhalten wurde. Mao Zedong war
der Diktator dieses, vom russischen Marxismus-Leninismus inspirierten
Kommunismus. Er führte eine Partei, die es als ihr oberstes Ziel ansah:
,,...die Diktatur der Bourgeoisie durch die Diktatur des Proletariats zu
ersetzen und den Kapitalismus durch den Sozialismus zu besiegen..." (vgl.
Statut der Kommunistischen Partei Chinas vom 28. August 1973).
Ein streng reguliertes und konsequent kontrolliertes Mediensystem war folglich
ein wichtiger Baustein zur Verwirklichung dieses Zieles. Da diese Steuerung
den Umfang und die Vielschichtigkeit der veröffentlichten Informationen und
Nachrichten stark einschränkte, wurde innerhalb der Partei ein zweites,
autonomes Informationssystem geschaffen. Es beinhaltete ungefilterte
ausländische Nachrichten, weniger euphemistisches Material und kritische
Berichte zum Inlandsgeschehen (vgl. Klaschka 2003b: 587).
Diese ausschließlich für den internen Gebrauch geschaffenen Publikationen
werden als neibu bezeichnet. Sie dienten und dienen hochrangigen KP-
Angehörigen bis heute, als Entscheidungsgrundlage und sind der Öffentlichkeit
entweder gar nicht oder nur unter starken Einschränkungen zugänglich (ebd.).
8
8 Von den neibu unterscheidet man die gongkai, die öffentlichen Regulationen, Vorgänge und
Publikationen (vgl. OECD 2003: 19).

Öffnungs- und Schließungsprozesse als Resultate eines historischen
Systemwandels
20
3.1.1.2
Staat, Ministerien und Ämter
Bereits im Gründungsjahr existierten in der Volksrepublik China über 21
verschiedene Ministerien. Im Laufe der folgenden Jahrzehnte veränderte sich
diese Zahl fortwährend. Ein deutlicher Abbau in diesem Bereich war besonders
während der Zeit der Kulturrevolution
9
zu beobachten. Damals gab es zeit-
weise nur 16 Ministerien im Land (vgl. Bartke 1975: 455).
Nach dieser Phase setzte ein Wachstum ein. Bis Januar 1975 hatte sich die
Anzahl der Ministerien schließlich wieder auf 26 erhöht. Grund hierfür war vor
allem die zunehmende technische Entwicklung im Land. Diese machte die
Einrichtung neuer Ressorts notwendig. Das Ministerium für Post- und
Fernmeldewesen (MPF), welches zum damaligen Zeitpunkt für die Medien im
Land zuständig war, wies dabei eine beträchtliche Stabilität auf. Es existierte,
als eines von nur sechs Ministerien, durchgehend von 1949 bis 1975 (ebd.).
Auch die Amtszeit des zuständigen Ministers Chu Hsüeh-fan
10
ist in der
historischen Betrachtung als beachtenswert lange zu bezeichnen. Bis zum
Ausbruch der Kulturrevolution im Jahr 1967, hatte das MPF 18 Jahre lang
konstant unter seiner Führung gestanden (ebd.: 456).
11
Im August 1973 trat
dann schließlich Chung Fu-hsiang die Nachfolge von Chu Hsüeh-fan als Leiter
des MPF an (ebd.: 460).
9 Die Kulturrevolution, auch als Große Proletarische Kulturrevolution bezeichnet, fand von
1966 bis 1976 statt. Diese politische Bewegung ging von Mao Zedong aus und diente primär
der Beseitigung von (politischen) Gegnern und anderen selbst wahrgenommenen Gefahren
des ,,Großen Vorsitzenden" (vgl. Schoenhals 2003: 410ff.). Während dieser Zeit stagnierte
die Entwicklung im gesamten chinesischen Mediensystem.
10 Nachdem sich Hsüeh-fan als Postarbeiter in der Arbeiterbewegung hochgedient hatte, fand
er Anfang der 1930er Jahre als Vorsitzender des Shanghaier Postarbeiterverbandes Eingang
in den Gesetzgebungsrat der Nationalregierung. Diesem gehörte er bis zur Übernahme
seines Ministerpostens im Jahr 1949 an (vgl. Bartke 1975: 458).
11 Zum Vergleich: Allein von 1949 bis 1975 gab es in der VR China insgesamt 120
verschiedene Minister. Auch sei angemerkt, dass Chu Hsüeh-fan einer von wenigen Nicht-
Kommunisten war, die eine leitende Funktion innerhalb der Regierungspolitik innehatten
(ebd.).

Öffnungs- und Schließungsprozesse als Resultate eines historischen
Systemwandels
21
3.1.1.3
Staatsunternehmen, Kollektivunternehmen und
privatwirtschaftliche Akteure
Mao orientierte sich am planwirtschaftlichen System der Sowjetunion und
überführte die privatwirtschaftliche Produktion nahezu vollständig in staatliche
und kollektive Produktionen. Während seiner diktatorischen Gewaltherrschaft
existierte lediglich noch eine minimale Anzahl von Einzelhändlern und
Kleinhandwerkern im Land (vgl. Fischer 2003: 477). Selbstständige gehörten
zur untersten Schicht der Gesellschaft und einzelwirtschaftenden Personen
gingen dieser Form der Beschäftigung meist nur deshalb nach, weil ihnen keine
andere Möglichkeit zur Wahrung ihrer Existenz blieb (vgl. Heberer 2003: 590).
Kommunismus und Kapitalismus standen sich offiziell diametral und
unvereinbar gegenüber.
Maos oberstes Ziel war die Umwandlung von Chinas armer und völlig veralteter
Agrarwirtschaft. Sie sollte in einer prosperierenden Industriegesellschaft
aufgehen. Insbesondere das Wachstum in der Schwerindustrie wurde hierzu
maximiert (vgl. Ash 2006: 208). Zusätzlich zur Verstaatlichung privater
Handelsunternehmen wurde der Außenhandel mit den westlichen Industrie-
ländern eingestellt (vgl. Cheng 2005: 19). Dieser Kurs der Isolation resultierte
bald schon in einer technologischen Rückständigkeit gegenüber Ländern wie
den USA, Japan oder Westeuropa (vgl. Ash 2006: 209).
Ab Ende der 1950er Jahre waren Kontroversen um die Wirtschaftspolitik und
den Nutzen der zentralisierten Planung zu beobachten. Diese bewirkten zwar
eine stärkere Dezentralisierung der Wirtschaftsverwaltung und somit auch eine
gewisse Modernisierung, allerdings mündeten sie keinesfalls in einer
Wiedereinführung von Märkten und Wettbewerb (vgl. Fischer 2003: 477).
Dementsprechend gab es neben dem staatlichen Propagandaapparat
selbstredend auch keine Medienmärkte. Tatsächliche Veränderungen und
umfassende Öffnungen in diesem Bereich wurden erst Jahre später initiiert.
Diese jahrzehntelangen Umwandlungsprozesse dauern bis heute an.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2007
ISBN (eBook)
9783836603768
ISBN (Paperback)
9783836653763
DOI
10.3239/9783836603768
Dateigröße
796 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Siegen – Sprach-, Literatur- und Medienwissenschaften, Studiengang Medienplanung, -entwicklung und -beratung
Erscheinungsdatum
2007 (Juni)
Note
2,0
Schlagworte
massenmedien staatliche regulierung sozialistisches grundprinzip technokraten chinesische presseberichterstattung
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Titel: Werden Chinas Massenmedien demokratisiert?
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