Modernität des Landtagswahlkampfes 2001 in Baden-Württemberg
Analyse der Kommunikationsstrukturen und -strategien von CDU und SPD im Landtagswahlkampf von Baden-Württemberg 2001 am Beispiel Radiowahlwerbespots fokussiert auf die Erst- und Jungwähler
					
	
		©2006
		Magisterarbeit
		
			
				127 Seiten
			
		
	
				
				
					
						
					
				
				
				
				
			Zusammenfassung
			
				Inhaltsangabe:Einleitung:	
Unter Wahlkampf wird in dieser Arbeit eine kampagnenartige, wettbewerbsorientierte Art der Politikvermittlung durch die Parteien verstanden, die versucht, Aufmerksamkeit bei der Wählerschaft zu erzeugen, um sie für Botschaften aufnahmefähig zu machen, mit denen ihre Stimmabgabe beeinflusst werden soll.
Parteien beginnen demnach zu einem bestimmten Zeitpunkt damit, den Wettbewerb um die Realitätswahrnehmung des Bürgers mit zusätzlichen kommunikativen Anstrengungen zu verstärken, die zusammengenommen als Wahlkampagne bezeichnet werden können. In der Regel liegt dieser Punkt etwa 15  18 Monate vor einer Wahl. Der Verlauf der kampagnenartigen Politikvermittlung kann anhand der Lasswell-Formel (Who says what, in which channel to whom with what effect) dargestellt werden. An ihr können deren einzelne strategische Elemente verdeutlicht werden, auf die in dieser Arbeit der Fokus gelegt werden soll.
Fokus Nr.1: (Who) Liegt auf dem Landtagswahlkampf der Parteien CDU und SPD in Baden-Württemberg aus dem Jahre 2001. Da die Organisation und Strategie der SPD-Kampagne und ihrer Spitzenkandidatin Ute Vogt innerhalb der wissenschaftlichen Literatur unter besonderem Verdacht stand, ein Wahlkampf amerikanischen Typs gewesen zu sein und moderne Kommunikationsstrategien auf Länderebene benutzt zu haben.
Fokus Nr.2: (to whom) Trotz ihres sinkenden Anteils an der Gesamtbevölkerung, sollen die Erst- und Jungwähler, die sich vor allem aus der gesellschaftlichen Gruppe der Jugendlichen rekrutieren im Vordergrund stehen. Diese Gruppe rückt deshalb in den Fokus dieser Untersuchung, da die Parteiidentifikation, die wie eine Art Markentreue die Entscheidung eines Wählers bei jedem Urnengang erneut auf diejenige Partei festlegt, mit der er sich identifiziert, bei Jugendliche nur gering ausgeprägt ist und sie für die Parteien deshalb zu einer wichtigen Zielgruppe ihrer Kommunikationsanstrengungen macht.
Fokus Nr.3: (in which channel) Der dritte Fokus richtet sich auf die Radiowahlwerbespots der Christ- und Sozialdemokraten. Zwar konzentrieren sich moderne Wahlkämpfe in Deutschland insbesondere auf das Fernsehen, da es mit seinen bewegten Bildern persönliche Aufeinandertreffen des Spitzenpolitikers mit dem Wähler ersetzt. Da in Ba-Wü jedoch das Dritte Programm der einzige Sender (SWR) ist, der flächendeckend sendet und allgemein eine hohe Akzeptanz und Reichweite besitzt, ist es hinsichtlich der Erst- und Jungwähler in Ba-Wü am effektivsten, […]
	Unter Wahlkampf wird in dieser Arbeit eine kampagnenartige, wettbewerbsorientierte Art der Politikvermittlung durch die Parteien verstanden, die versucht, Aufmerksamkeit bei der Wählerschaft zu erzeugen, um sie für Botschaften aufnahmefähig zu machen, mit denen ihre Stimmabgabe beeinflusst werden soll.
Parteien beginnen demnach zu einem bestimmten Zeitpunkt damit, den Wettbewerb um die Realitätswahrnehmung des Bürgers mit zusätzlichen kommunikativen Anstrengungen zu verstärken, die zusammengenommen als Wahlkampagne bezeichnet werden können. In der Regel liegt dieser Punkt etwa 15  18 Monate vor einer Wahl. Der Verlauf der kampagnenartigen Politikvermittlung kann anhand der Lasswell-Formel (Who says what, in which channel to whom with what effect) dargestellt werden. An ihr können deren einzelne strategische Elemente verdeutlicht werden, auf die in dieser Arbeit der Fokus gelegt werden soll.
Fokus Nr.1: (Who) Liegt auf dem Landtagswahlkampf der Parteien CDU und SPD in Baden-Württemberg aus dem Jahre 2001. Da die Organisation und Strategie der SPD-Kampagne und ihrer Spitzenkandidatin Ute Vogt innerhalb der wissenschaftlichen Literatur unter besonderem Verdacht stand, ein Wahlkampf amerikanischen Typs gewesen zu sein und moderne Kommunikationsstrategien auf Länderebene benutzt zu haben.
Fokus Nr.2: (to whom) Trotz ihres sinkenden Anteils an der Gesamtbevölkerung, sollen die Erst- und Jungwähler, die sich vor allem aus der gesellschaftlichen Gruppe der Jugendlichen rekrutieren im Vordergrund stehen. Diese Gruppe rückt deshalb in den Fokus dieser Untersuchung, da die Parteiidentifikation, die wie eine Art Markentreue die Entscheidung eines Wählers bei jedem Urnengang erneut auf diejenige Partei festlegt, mit der er sich identifiziert, bei Jugendliche nur gering ausgeprägt ist und sie für die Parteien deshalb zu einer wichtigen Zielgruppe ihrer Kommunikationsanstrengungen macht.
Fokus Nr.3: (in which channel) Der dritte Fokus richtet sich auf die Radiowahlwerbespots der Christ- und Sozialdemokraten. Zwar konzentrieren sich moderne Wahlkämpfe in Deutschland insbesondere auf das Fernsehen, da es mit seinen bewegten Bildern persönliche Aufeinandertreffen des Spitzenpolitikers mit dem Wähler ersetzt. Da in Ba-Wü jedoch das Dritte Programm der einzige Sender (SWR) ist, der flächendeckend sendet und allgemein eine hohe Akzeptanz und Reichweite besitzt, ist es hinsichtlich der Erst- und Jungwähler in Ba-Wü am effektivsten, […]
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Matthias Mißler 
Modernität des Landtagswahlkampfes 2001 in Baden-Württemberg 
Analyse der Kommunikationsstrukturen und -strategien von CDU und SPD im 
Landtagswahlkampf von Baden-Württemberg 2001 am Beispiel Radiowahlwerbespots 
fokussiert auf die Erst- und Jungwähler 
ISBN: 978-3-8366-0373-7 
Druck Diplomica® GmbH, Hamburg, 2007 
Zugl. Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Tübingen, Deutschland, Magisterarbeit, 2006 
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Printed in Germany
2 
"Hiermit bestätige ich, daß ich die vorliegende Arbeit selbständig verfasst und keine anderen als die angege-
benen Quellen und Hilfsmittel verwendet habe." 
Tübingen, 23.08.2006.
3 
X  ABBILDUNGS- UND TABELLENVERZEICHNIS ... 5 
1 
EINLEITUNG... 6 
2 
MODERNER WAHLKAMPF ... 14 
2.1 
Ü
BERLEGUNGEN ZUM 
B
EGRIFF 
,,M
ODERNITÄT
"... 14 
2.2 
A
MERIKANISIERUNG ODER 
M
ODERNISIERUNG VON 
W
AHLKÄMPFEN
?... 15 
2.2.1 
Öffentlichkeit  Mediendominierte Kommunikationsstruktur für Kampagnen ... 15 
2.2.2 
Modernisierung  Veränderung der Kommunikationsstruktur ... 17 
2.2.3 
Modernität  Professionalität der Kampagnen... 20 
2.3 
D
IE 
R
ADIOWAHLWERBEKAMPAGNE IN MODERNEN 
W
AHLKÄMPFEN
... 21 
2.3.1 
Aufgabe und Ziel der Wahlkampagne im Allgemeinen ... 21 
2.3.2 
Aufgabe und Ziel der Radiowahlwerbekampagne im Besonderen... 22 
2.3.2.1  Targeting  Konzentration auf die Wechselwähler... 26 
2.3.2.2  Opposition Research  Beobachtung von Stärken und Schwächen... 31 
3 
ANALYSE DER KOMMUNIKATIONSSTRUKTUR FÜR 
RADIOWAHLWERBEKAMPAGNEN IN BADEN-WÜRTTEMBERG 
HINSICHTLICH DER ERST- UND JUNGWÄHLER... 32 
3.1 
A
USGANGSSITUATION
:
L
ANDTAGSWAHLKAMPF IN 
B
ADEN
-W
ÜRTTEMBERG 
2001 ... 32 
3.1.1 
Landtagswahlen  im Schatten der Öffentlichkeit... 32 
3.1.2 
Parteiensystem und Politische Kultur ... 34 
3.1.3 
Stimmungslage und Bewertung der Parteien sowie der Kandidaten ... 36 
3.2 
E
RST
-
 UND 
J
UNGWÄHLER UND DER 
L
ANDTAGSWAHLKAMPF
... 39 
3.2.1 
Einstellung der Erst- und Jungwähler zur Politik und den Parteien ... 39 
3.2.2 
Wahlbeteiligung der Erst- und Jungwähler bei Landtagswahlen seit 1975 ... 43 
3.2.3 
Erst- und Jungwähler beeinflussbar durch die Wahlkampagnen der Parteien? . 45 
3.2.4 
Wie treffen die Erst- und Jungwähler ihre Wahlentscheidung... 48 
3.2.5 
Radiowahlwerbespots und die Erst- und Jungwähler im Landtagswahlkampf ... 52 
4 
MODERNE KOMMUNIKATIONSSTRATEGIEN DER 
RADIOWAHLWERBESPRACHE ... 54 
4.1 
R
ADIOWAHLWERBESPOTS 
P
ERSUASION DURCH 
S
PRACHE
... 54 
4.1.1 
Radiowahlwerbesprache ist symbolische Sprache... 56 
4.1.2 
Radiowahlwerbesprache besetzt Begriffe ... 58 
4.1.3 
Radiowahlwerbesprache betreibt Agenda-Setting durch ,,Begriffe-Besetzen" ... 62 
4.2 
M
OBILISIERUNG ERZEUGEN DURCH EINE POSITIVE 
W
AHRNEHMUNGSATMOSPHÄRE
... 66 
4.3 
B
EDEUTUNG SCHAFFEN DURCH  APPELLIERENDE 
M
EINUNGSSPRACHE
... 69 
4.4 
B
ETROFFENHEIT ERZEUGEN DURCH 
I
DENTIFIKATION MIT 
W
ORTSYMBOLEN
... 70 
4.5 
K
OMPETENZ HERAUSSTREICHEN DURCH 
P
OLARISIERUNG MIT 
B
EGRIFFEN
... 72 
4.6 
G
LAUBWÜRDIGKEIT DURCH DEMONSTRATIVE 
E
INHEIT UND 
P
ERSONALISIERUNG
... 73 
4.7 
T
RANSPARENZ ERZEUGEN DURCH 
R
EDUZIERUNG AUF 
S
CHLAGWÖRTER
... 75 
4.8 
W
IEDERHOLUNG
/P
ENETRANZ DURCH 
S
LOGANS
... 76 
5 
ANALYSE DER RADIOWAHLWERBESPOTS VON CDU UND SPD AUS DEM 
LANDTAGSWAHLKAMPF IN BADEN-WÜRTTEMBERG 2001 ... 79 
5.1 
A
NALYSE DES 
R
ADIOWAHLWERBESPOTS DER 
CDU ... 79 
5.1.1 
Deskription des Radiowahlwerbespots der CDU... 79 
5.1.2 
Analyse des Radiowahlwerbespots der CDU... 81 
5.2 
A
NALYSE DES 
R
ADIOWAHLWERBESPOT DER 
SPD... 84 
4 
5.2.1 
Deskription des Radiowahlwerbespots der SPD... 84 
5.2.2 
Analyse des Radiowahlwerbespot der SPD... 85 
6 
FAZIT UND AUSBLICK... 88 
7 
LITERATURVERZEICHNIS ... 95 
8 
ANHANG... 114 
8.1 
T
RANSKRIPTION DES 
R
ADIOWAHLWERBESPOTS DER 
CDU
2001 ... 114 
8.1.1 
Wortlaut des Radiowahlwerbespots der CDU 2001 ... 114 
8.1.2 
Visualisierung des Radiowahlwerbespots der CDU 2001 ... 114 
8.2 
T
RANSKRIPTION DES 
R
ADIOWAHLWERBESPOTS DER 
SPD
2001 ... 116 
8.2.1 
Wortlaut des Radiowahlwerbespots der SPD 2001 ... 116 
8.2.2 
Visualisierung des Radiowahlwerbespots der SPD 2001 ... 117 
8.3 
T
RANSKRIPTION DER 
R
ADIOWAHLWERBESPOTS DER 
CDU
2006... 121 
8.3.1 
Wortlaut der Radiowahlwerbespots der CDU 2006 ... 121 
8.3.1.1  Fußball-Spot... 121 
8.3.1.2  Kinder-Spot Lang... 122 
8.3.1.3  Kinder-Spot Kurz... 122 
8.3.1.4  Ute Vogt-Personenspot ... 123 
8.4 
T
RANSKRIPTION DER 
R
ADIOWAHLWERBESPOTS DER 
SPD
2006... 123 
8.4.1 
Wortlaut der Radiowahlwerbespots der SPD 2006 ... 123 
8.4.1.1  Märchen-Hauptspot... 123 
8.4.1.2  Atomausstieg-Themenspot... 124 
8.4.1.3  Ausbildung-Themenspot ... 124 
8.4.1.4  Kinderbetreuung-Themenspot... 124 
8.4.1.5  Unterrichtsausfall-Themenspot ... 125 
8.4.1.6  Oettinger-Personenspot ... 125 
5 
X  Abbildungs- und Tabellenverzeichnis 
Abbildung 1: Politikvermittlungsprozess im Wahlkampf... 9 
Abbildung 2: Strukturelle Trends in Mediendemokratien ... 19 
Abbildung 3: Wählertypen ... 27 
Abbildung 4: Problemlösungskompetenzen in einzelnen Politikbereichen ... 38 
Abbildung 5: Die wichtigsten Probleme in Baden-Württemberg ... 38 
Abbildung 6: Mitgliederentwicklung der Jusos und der JU von 1975-1999 ... 42 
Abbildung 7: Wahlbeteiligung der Erst- und Jungwähler bei Landtagswahlen seit 1975 ... 44 
Tabelle 1: Eigenschaften der Wechselwähler und Erst- und Jungwähler im Vergleich... 46 
Tabelle 2: Erreichbarkeit der Erst- und Jungwähler durch die Wahlkampagnen... 47 
Tabelle 3: Unbestimmtheit der Begriffe in der politischen Sprache ... 58 
Tabelle 4: Zeichentheoretische Aspekte eines politischen Begriffes ... 60 
Tabelle 5: Linguistisch unterscheidbare Operationen des Begriffe-Besetzens ... 61 
Tabelle 6: Ziele der Radiowahlwerbung ... 66 
6 
1
Einleitung 
Wahlen  sind  das  ,,zentrale  Legitimierungsinstrument",  in  dem  sich  ,,politische  Präferenzen, 
Forderungen und Erfahrungen des Wählers artikulieren" (Bethschneider 1987: 18). Am Wahl-
tag entscheidet der Bürger mit seiner Stimme über die Verteilung der Macht. Die Wahl ist das 
zivilisierte Verfahren, mit dem der ständige Wettstreit der Parteien um die Ausgestaltung des 
Staates und der Kampf nach politischer Macht kanalisiert und entschieden wird. Der Wähler 
drückt am Wahltag durch die Stimmabgabe seine Zustimmung für die Politik einer Partei aus. 
Mit  dieser  Definition  von  Wahl,  als  Kampf  der  Parteien  um  Wählerstimmen  zur  Legitimie-
rung der politischen Macht, ist ihr der Wahlkampf quasi immanent. Der Wettbewerb der Par-
teien  um  Wählerstimmen  und  damit  um  Macht  ist  das  zentrale  Merkmal  des  Wahlkampfes 
(Radunski 1980: 11). In ihm stellen die Parteien ihre Lösungen für aktuelle politische Proble-
me und ihr Personal den Wählern vor. Der Wahlkampf ist der Wahl vorgelagert und damit ein 
wesentlicher Beitrag zur Meinungs- und Willensbildung der Wähler und stellt so ein zentrales 
Element  des  massendemokratischen  Parteienwettbewerbs  dar  (Wiesendahl  1998:  442).  Ihm 
kommt  eine  konstitutive  Funktion  zu,  wonach  er  idealerweise  den  ,,Bürger  über  politische 
Themen und entsprechende Lösungsansätze der Parteien informiert, (...) Identifikationsmög-
lichkeiten  mit  Partei  und  Kandidat  bietet  und  die  Wähler  für  die  Stimmabgabe  mobilisiert" 
(Schicha 2002: 30). 
Der Wahlkampf soll hier als kampagnenartige, wettbewerbsorientierte Art der Politikvermitt-
lung  durch  die  Parteien  verstanden  werden,  die  versucht,  Aufmerksamkeit  bei  der  Wähler-
schaft zu erzeugen, um sie für Botschaften aufnahmefähig zu machen, mit denen ihre Stimm-
abgabe  beeinflusst  werden  soll.  Diese  Definition  geht  auf  die  Unterscheidung  von  Politik  in 
Herstellung und Darstellung zurück, die durch Ulrich Sarcinelli eingeführt wurde (vgl. Sarci-
nelli  1987).  Politikherstellung  umfasst  dabei  den  gesamten  Bereich  der  politischen  Sachent-
scheidungen  und  führt  in  der  Regel  zu  materiellen  Ergebnissen  in  Form  von  Gesetzen,  Vor-
schriften und so weiter. Die Politikdarstellung, die gleichbedeutend mit dem Begriff der Poli-
tikvermittlung zu verstehen ist, bezieht sich dagegen auf die öffentliche kommunikative Dar-
stellung  dieser  Ergebnisse  und  ihres  Entstehungsprozesses.  Diese  Unterscheidung  trägt  dem 
Umstand  Rechnung,  dass  die  Entscheidungen  über  Sachfragen  zwar  schon  aus  legitimatori-
schen Gründen kontinuierlich an den Wähler vermittelt werden müssen, der Prozess der Poli-
7 
tikvermittlung  aber  losgelöst  von  diesen  Entscheidungen,  aus  analytischer  Sicht,  als  eigen-
ständiger Politikbereich zu sehen ist (Sarcinelli 1994: 41). Es geht bei der Politikvermittlung 
,,nicht um die Durchsetzung politischer Gestaltungsabsichten in Entscheidungsarenen mittels 
formal institutionalisierter Prozeduren" (Schmitt-Beck/Pfetsch 1994: 107). Politikvermittlung 
soll vielmehr als Prozess verstanden werden, in dem politische Realität in politische Vorstel-
lungen  transformiert  wird.  Sie  ist  damit  zwangsläufig  auch  ein  Prozess  der  Komplexitätsre-
duktion (Bethschneider 1987: 10). Diesbezüglich ist sie als Untertyp der Politischen Kommu-
nikation
1
  zu  verstehen,  bei  dem der Betrachtungsschwerpunkt auf den Aktivitäten der politi-
schen Akteure, den Parteien liegt (Sarcinelli 1987: 20ff.; Bentele 1998: 134). Es geht in dem 
Politikvermittlungsprozess  also  um  Inszenierungen  und  Realitätsdeutungen"  von  Seiten  der 
Parteien (Schmitt-Beck/Pfetsch 1994: 107).
2
Der Wahlkampf kann demnach eindeutig dem Bereich der Politikvermittlung zugeordnet wer-
den, da sich die Inhalte der Politikvermittlung dabei auf der ganzen Bandbreite zwischen na-
hezu  vollständiger  Übereinstimmung  mit  den  tatsächlichen  Entscheidungen  und  einem  kom-
munikativen Surrogat, der so genannten ,,symbolischen Politk" (vgl. Edelman 1976; Sarcinelli 
1987),  ohne  signifikanten  Bezug  auf  die  materielle  Politik  bewegen.  Da  dem  Wahlkampf  in 
der  Regel  aber  keine  aktuell  zu  regelnde,  konkrete  Sachfrage  zu  Grunde  liegt,  sondern  viel-
mehr generalisierte, auf die Zukunft gerichtete Grundlinien der Politik im Mittelpunkt stehen 
und  in  ihm die Parteien versuchen Realität zu inszenieren und zu deuten, liegt er tendenziös 
dem Zweiten, also dem kommunikativen Pol näher.  
1
Nach dem Verständnis dieser Arbeit wird unter politischer Kommunikation, ,,alle Kommunikationsfor-
men  politischer  Akteure  sowie  die  auf  Politik  bezogene  Kommunikation  von  Akteuren,  die  nicht  dem 
politischen System zugerechnet werden können" verstanden (Bentele 1998: 130).
2
  Der  Möglichkeit,  der  analytischen  Trennung  von  Politikherstellung  und  -vermittlung,  wird  an  anderer  Stelle 
widersprochen,  mit der Begründung, dass Themen, die sich nicht vermitteln ließen, gar nicht erst in den politi-
schen  Entscheidungsprozess  gelangen  würden  (Blumler/Kavanagh  1999:  214).  Auch  Radunski  bindet  mit  der 
folgenden  Aussage  politisches  Handeln  unmittelbar an das Planen und Entwerfen von Kommunikation: ,,Politi-
sche Strategien ohne Kommunikationsstrategien sind in der modernen Demokratie undenkbar. Wer eine Politik 
entwirft, muss auch ihre Kommunikation mit einbeziehen" (Radunski 1980: 7). Bei diesem Ansatz wird der Beg-
riff der ,,Politikvermittlung" mit dem der ,,Politischen Kommunikation" gleichgesetzt und als ,,zentraler Mecha-
nismus bei der Formulierung, Aggregation, Herstellung und Durchsetzung kollektiv bindender Entscheidungen" 
(Jarren/Donges 2002: 42) verstanden, der dadurch von der Herstellung von Politik nicht zu trennen sei. 
8 
Da  die  Parteien  auch  in  vermeintlich  wahlfreien  Zeiten  den  kommunikativen  Kontakt  zum 
Wähler pflegen und im Kampf um die Macht immer mehr unter Stress geraten (Schmitt-Beck 
2002a:  111),  müssen  die  Parteien  ihre  Lösungsvorschläge  ständig  öffentlich  darstellen,  be-
gründen und rechtfertigen, um Legitimation zu erhalten (Sarcinelli 1994: 31; 2000: 26). In der 
politikwissenschaftlichen  Literatur  wird  dieses  Phänomen  als  ,,permanent  campaigning"  be-
zeichnet  (vgl.  Norris  1997b).  Durch  die,  neben  den Bundestagswahlen,  in Deutschland statt-
findenden  Landtags-  und Kommunalwahlen sowie die Europawahlen, wird der Eindruck des 
,,permanent campaigning" durch den föderalen Aufbau noch verstärkt, da praktisch jedes Jahr 
mindestens eine Wahl stattfindet. Es kann also von einer ständig erhöhten Wettbewerbssitua-
tion der Parteien ausgegangen werden, über den jeweiligen Wahlkampf hinaus. 
Der  Wahlkampf  weist  deshalb  außer  dem  Kriterium  Wettbewerb  um  Wählerstimmen  noch 
andere Merkmale auf, die eine genauere Abgrenzung zum ständigen kommunikativen Partei-
enwettbewerb erlauben. Mehrere Aspekte können hier für eine weitere Verengung herangezo-
gen  werden:  Zum  einen bezieht sich der Wahlkampf auf einen bestimmten Zeitabschnitt vor 
einer  Wahl  (Chronologie)  (Hirsch-Weber/Schütz  1957:  9;  Palmer  1993:  62),  zum  anderen 
hebt er sich organisatorisch und inhaltlich vom normalen Parteienwettbewerb ab (Intensivität) 
(Timm 1999: 9). Die Parteien beginnen demnach zu einem bestimmten Zeitpunkt damit, den 
Wettbewerb  um  die  Realitätswahrnehmung  des  Bürgers  mit  zusätzlichen  kommunikativen 
Anstrengungen  zu  verstärken,  die  zusammengenommen  als  Wahlkampagne  bezeichnet  wer-
den. In der Regel liegt dieser Punkt etwa 15-18 Monate vor einer Wahl. Ab diesem Moment 
kann von dem Wahlkampf gesprochen werden.  
Der  Verlauf  der  kampagnenartigen  Politikvermittlung  während  des  Wahlkampfes  kann  gut 
anhand  der  Lasswell-Formel  (Who  says  what,  in  which  channel  to  whom  with  what  effect) 
dargestellt  werden,  wobei  die  mit  einem  dunkelgrauen  Kasten  hinterlegten  Abschnitte  die 
Teilbereiche der Kommunikationsstruktur darstellen, auf die in dieser Arbeit der Fokus gelegt 
werden soll: 
9 
Abbildung 1: Politikvermittlungsprozess im Wahlkampf 
(Quelle: eigene Darstellung nach Lasswell 1948: 40)  
Fokus  Nr.1:  (Who)  Hinsichtlich  der  verwendeten  Kommunikationsstrategien  der  Parteien 
steht der Landtagswahlkampf der beiden Volksparteien CDU und SPD in Baden-Württemberg 
aus  dem  Jahre  2001  im  Mittelpunkt  der  Betrachtung.  Im  Allgemeinen:  Landtagswahlkampf, 
da sie häufig Frühsignale für Entwicklungen aussenden, die später so möglicherweise auch in 
den  Bundestagswahlkämpfen  beobachtet  werden  können.  Landtagswahlen  gelten  gemeinhin 
als  Testwahlen  bzw.  Experimentierfelder  für  neue  politische  Strategien  und  Kommunikati-
onskonzepte  (Schmid/Griese  2001:  7).  Im  Besonderen:  der  Landtagswahlkampf  in  Baden-
Württemberg 2001, weil in ihm die CDU, in einem ihr ureigensten Stammland, mächtig unter 
Druck  geraten  war.  Dahinter  stand  eine  Organisation  und  Strategie  der  SPD  und  ihrer  Spit-
zenkandidatin Ute Vogt, die vielfach als ,,Wahlkampf amerikanischen Typs" bezeichnet wur-
de (Gerster 2001: 31). Dadurch ging die Debatte über die These von der ,,Amerikanisierung" 
deutscher  Wahlkämpfe,  welche  seit  dem  erfolgreichen  Bundestagswahlkampf  der  SPD  1998 
geführt  wurde,  in  eine  neue  Runde  (ebd.).  Der  baden-württembergische  Landtagswahlkampf 
2001  verspricht  deshalb  ein  ideales  Anschauungsobjekt  für  moderne  Kommunikationsstrate-
gien auf Länderebene zu sein. 
Fokus  Nr.2:  (to  whom)  Trotz  ihres  sinkenden  Anteils  an  der  Gesamtbevölkerung,  sollen  die 
Erst- und Jungwähler, die sich vor allem aus der gesellschaftlichen Gruppe der Jugendlichen 
rekrutieren im Vordergrund stehen. Diese werden gemeinhin unter Sozialwissenschaftlern als 
,,Seismographen der Gesellschaft" verstanden (Albert/ Linssen/Hurrelmann 2003: 3). Jugend-
Who 
says what 
in which chan-
nel 
to whom 
with what 
effect 
Kommunikationsstruktur 
10 
liche  müssen  zwar  in  viele  Jugendtypen,  -kulturen  bzw.  -szenen  unterschieden  werden  (vgl. 
Vogelsang  1994).  Für  sie  alle  bedeutet  diese  Lebensphase  aber  eine  Phase  der  emotionalen 
Labilität  im  Übergang  zwischen  Kindheit  und  Erwachsensein.  Bei  Jugendlichen  hat  man  es 
deshalb  mit  instabilen  und  ,,variablen  Einstellungsstrukturen  und  Verhaltensmustern  zu  tun" 
(Bonfadelli 1998: 369). Man kann davon ausgehen, dass bei den meisten Jugendlichen in die-
ser Lebensphase eine Parteiidentifikation noch nicht sehr ausgeprägt ist. Dadurch fehlt ihnen 
sozusagen  der  politische  Kompass,  sich  in  der  politischen  Welt  zurecht  zu  finden.  Diese 
Gruppe rückt deshalb in den Fokus dieser Untersuchung, da die niedrige Parteiidentifikation, 
die wie eine Art ,,Markentreue" die Entscheidung eines Wählers bei jedem Urnengang erneut 
auf diejenige Partei festlegt, mit der er sich identifiziert (Schmitt-Beck 2003: 201), Jugendli-
che  für  die  Parteien  zu  einer  wichtigen  Zielgruppe  ihrer  Kommunikationsanstrengungen 
macht.  Es  kann  davon  ausgegangen  werden,  dass  ihre  Informationsaufnahme  und  -
verarbeitung von politischen Informationen wenig konditioniert ist, was sie für die Botschaf-
ten der Parteien grundsätzlich sehr empfänglich macht. 
Fokus Nr.3: (in which channel) Der dritte Fokus richtet sich auf die Radiowahlwerbespots der 
Christ-  und  Sozialdemokraten.  Zwar  konzentrieren  sich  moderne  Wahlkämpfe  in  Deutsch-
land  insbesondere  auf  das  Fernsehen,  da  es  mit  seinen  bewegten  Bildern  persönliche  Auf-
einandertreffen des Spitzenpolitikers mit dem Wähler ersetzt (Johnston/Kaid 2001: 14). Des 
Weiteren können durch sie aus anderen Zusammenhängen bekannte Emotionen hervorgeru-
fen  werden  (Jung/von  Matt  2002:  70).  Diese  wirken  auf  den  Rezipienten  aktivierend,  was 
zu  einer  effizienten  Verarbeitung  der  Werbebotschaft  führt  (Kroeber-Riel/Esch  2004:  99). 
Im  Gegensatz  zu  Wahlkämpfen  in  den  USA  oder  dem  Bundestagswahlkampf  1998  spielt 
das Fernsehen bei einem Landtagswahlkampf wie dem in Baden-Württemberg, gerade hin-
sichtlich der Erst- und Jungwähler, jedoch keine allzu große Rolle (Gerster 2001: 35). Das 
Dritte  Programm  ist  hier  der  einzige  Sender  (SWR)  der  flächendeckend  sendet  und  allge-
mein eine hohe Akzeptanz und Reichweite besitzt. Die Fernsehlandschaft ist nur notdürftig 
fragmentiert. In Baden-Württemberg haben wir es mit einer im Aufbau befindlichen regio-
nalen  privaten  Fernsehlandschaft  zu  tun,  die  in Sachen Reichweite und Akzeptanz noch in 
den  Kinderschuhen  steckt  (www.lfk.de).  Deshalb  ist  es  auf  Länderebene  hinsichtlich  der 
Erst-  und  Jungwähler  am  effektivsten,  wenn  die  Parteien  versuchen,  diese  Wählergruppe 
über  Radiospots  zu  erreichen.  Zum  einen,  da  das  Radio  dem  Fernsehen  im  Bundesschnitt 
bei dieser Zielgruppe mit 97 Prozent Haushaltsabdeckung quasi ebenbürtig ist und hinsicht-
11 
lich  der  Akzeptanz  (gerade  bei  den  regionalen  Sendern)  ihm  sogar  überlegen  ist  (Ger-
hards/Klingler 2003: 117). 
Zielsetzung dieser Arbeit ist es deshalb in ihrem ersten Teil die Frage zu beantworten, welche 
Voraussetzungen  durch  die  Kommunikationsstruktur  vorliegen  müssen,  damit  die  Parteien 
dazu  veranlasst  werden,  einen  modernen  Wahlkampf  zu  führen?  Der  zweite  Teil  der  Arbeit 
wird sich dann damit beschäftigen, Analysekriterien zu erarbeiten, anhand derer ein moderner 
Wahlkampf  identifiziert  werden  kann,  wobei  sich  die  Arbeit, wie in der Fokussierung schon 
thematisiert wurde, dabei auf die inhaltliche Analyse der Radiowahlwerbespots von CDU und 
SPD,  konkret  auf  deren  Kommunikationsstrategien  bzw.  Sprachstrategien  hinsichtlich  ihrer 
Zielrichtung  auf  die  Erst-  und  Jungwähler  im  Landtagswahlkampf  2001  in  Baden-
Württemberg konzentrieren wird.  
Dies  ist  von  wissenschaftlicher  und  praktischer  Bedeutung,  da  die  Frage,  inwieweit  sich  ein 
moderner Wahlkampf auf Landesebene über Radiowahlwerbespots, gerichtet an die Erst- und 
Jungwähler, führen lässt, wissenschaftlich bislang weder beantwortet noch überhaupt gestellt 
worden ist. Wahlkämpfe wurden bisher vorwiegend auf Bundesebene und mit besonderer Fo-
kussierung  auf  das  Medium  Fernsehen  untersucht.  Des  Weiteren  wurden  die  Auswirkungen 
der  Modernisierung  von  Wahlkämpfen  auf  die  Parteienorganisation  (Farell  2002;  Less-
Marshment 2001), auf die Finanzierung der Wahlkämpfe (Sickinger 2004), auf die politische 
Kultur 
oder 
auch 
auf 
den 
Parteienwettbewerb 
(Dörner 
2001; 
Holtz-
Bacha/Lessinger/Hettesheimer  1998;  Plasser  2000),  sehr  gut  erforscht.  Dabei  griff  man  seit 
den  80er  Jahren  wissenschaftlich  verstärkt  auf  die  ,,Amerikanisierungsthese"  zurück,  wobei 
Landtagswahlkämpfe  dabei  höchstens  am  Rande  berücksichtigt  wurden.  Ausgehend  von  der 
Kernaussage  der  Angleichung  bundesdeutscher  Wahlkämpfe  an  die  amerikanische  Form  des 
,,Campaigning" über den zunächst geäußerten Vorwurf eines zu ,,amorphen Begriffs" (Donges 
2000: 27) wurde die ,,Amerikanisierungsthese" zunehmend ausdifferenziert, konkretisiert und 
ergänzt. Damit stellt sie heute einen der schlüssigsten theoretischen Rahmen für die Erklärung 
moderner Formen von Wahlkämpfen dar.  
Die Arbeit wird sich deshalb im Kapitel 2 mit dem Konzept der ,,Amerikanisierung des Wahl-
kampfes"  beschäftigen.  Dabei  wird  in  der  hier  verfassten  Untersuchung  jedoch  zuvor  klar 
zwischen  dem  Entwicklungsprozess  und  den  heute  gültigen  Gesetzmäßigkeiten  des 
12 
Wahlkampfes  unterschieden.  In  der  deutschen  Wahlkampfforschung  werden  beide  Aspekte 
unter dem Begriff der ,,Amerikanisierung" abgehandelt und häufig auch nicht klar voneinan-
der  abgegrenzt.  Für  die  hier  verfasste  Untersuchung  ist  eine  entsprechende  Unterscheidung 
insofern  relevant,  da  sie  bei  ihrer  Analyse  die  Fragen  des  Entwicklungsprozesses  außen  vor 
lässt und sich explizit auf die heutige Form eines modernen Wahlkampfes bezieht.  
Im Kapitel 3 soll dann überprüft werden, ob bei einer Fokussierung des Untersuchungsgegens-
tandes auf die Erst- und Jungwähler und des Mediums der Radiowahlwerbespots die erarbei-
teten  Bedingungen  eines  modernen  Wahlkampfes  ebenfalls  gegeben  sind.  Im  Kapitel  4  wer-
den dann anhand der Anforderungen, die sich aus der Kommunikationsstruktur, die in Kapitel 
3  beschrieben  wird,  ergeben,  Ziele  abgeleitet,  welche  durch  die  Strategien  innerhalb  der  Ra-
diowahlwerbespots verfolgt werden müssen. Da es sich dabei vor allem um Sprachstrategien 
handelt, die in dieser Arbeit behandelt werden sollen, wird am Anfang des Kapitels näher auf 
die  Radiowahlwerbesprache  in  ihrer  Aufgabe  und  Funktion  eingegangen.  Auch  die  anderen 
Gestaltungselemente der Spots, wie Musik und Geräusche, werden dabei, wenn auch weniger 
gewichtet, aber dennoch bei der Erstellung der Analysekriterien beachtet. Kapitel 5 behandelt 
dann die eigentliche Analyse anhand der zuvor erstellten Kriterien. 
Die Themenstellung dieser Arbeit erfordert die Nutzung qualitativer Methodenelemente. Dazu 
gehören im Wesentlichen das Studium der Sekundärliteratur sowie die Inhaltsanalyse der ein-
zelnen Radiowahlwerbespots (jeweils 1 Spot pro Partei), die im Vorfeld der Wahl von 2001 in 
Baden-Württemberg ausgestrahlt wurden und dem Landesmedienarchiv entliehen wurden. Für 
die  Literaturstudien  konnte  zu  dem  Thema  auf  die  kommunikationswissenschaftlichen  Stu-
dien  Rüdiger  Schmitt-Becks  (Schmitt-Beck  2000,  2002a/b),  die  Shell-Jugendstudie  (Shell 
2004)  sowie  auf  Veröffentlichungen  von  praxisorientierten  Wahlkampfberatern  über  Wahl-
kampf-  und  Kommunikationsstrategien  zurückgegriffen  werden  (Althaus 2002a/b, 2003; Ra-
dunski 1980, 1996; Berg 2002). Bei der Erarbeitung der Analysekriterien konnte verstärkt auf 
die  Arbeiten  über  politische  Werbung von Kießling und Zolleis verwiesen werden (Kießling 
2004;  Kießling/Zolleis  2005).  Da  diese  Arbeiten  eher  allgemeinen  Input  aus  der  Werbefor-
schung  in  die  Kriterien  mit  einbrachten,  wobei  sie  dabei  hin  und  wieder  auf  das  Medium 
Fernsehen  Bezug  nahmen,  musste,  um  dem  sprachlichen  Schwerpunkt  dieser  Arbeit  gerecht 
zu  werden,  zusätzlich  auf  die  Studien  Josef  Kleins  über  die  politolinguistische  Strategie  des 
,,Begriffe-Besetzens" zurückgegriffen werden (Klein 1989, 1996, 1998). Da m. E. keiner der 
13 
genannten  Autoren  politik-  und  kommunikationswissenschaftliche  Erkenntnisse  der  Wahl-
kampfforschung  mit  Erkenntnissen  aus  der  Werbeforschung  und  der  Politolinguistik  bisher 
verbunden hat und sie dann noch zielgruppengerecht, medienspezifisch und auf ein konkretes 
Umfeld eines deutschen Bundeslandes wie Baden-Württemberg angewandt hat, soll versucht 
werden, diese Lücke, durch die vorliegende Arbeit zu schließen. 
14 
2
Moderner Wahlkampf 
2.1
Überlegungen zum Begriff ,,Modernität" 
Um von einem modernen Wahlkampf in dieser Arbeit reden zu können, ist es zunächst wich-
tig, sich mit dem Begriff der ,,Modernität" genauer auseinander zu setzen. Beim ersten Nach-
schlagen  stößt  man  dabei  unweigerlich  auf  den  der  ,,Modernität"  verwandten  Begriff  der 
,,Moderne", dem sie häufig untergeordnet wird. Eine konsensfähige Bestimmung des Begrif-
fes Moderne gibt es nicht, weshalb sich auch der Begriff ,,Modernität" nur schwer definieren 
lässt.  Er  kann  dabei  als  eine  Art  Eigenname,  nicht als  eine  analytische  Kategorie  verstanden 
werden. Vor allem ist Moderne aber gegen ein verbreitetes Vorurteil, im strengen Sinne, kein 
rein historischer Begriff (Brecht 2001: 1407). Jede Eingrenzung des Begriffsinhalts fällt des-
halb dezisionistisch aus. Moderne ist demnach zunächst ein Schlagwort, das es gilt mit Inhal-
ten zu füllen und das in beliebigen Kontexten verwendet werden kann. 
In der vorliegenden Arbeit soll ,,Modernität" die Grenze zwischen dem als modern Bezeichne-
tem  und  dem  Vormodernen  ziehen.  Die  Analyse  muss  sich  außerdem  darauf  beschränken, 
Aussagen  über den Status quo des modernen Wahlkampfes zu treffen. Inwieweit sich die zu 
untersuchenden  Kommunikationsstrategien  in  den  Radiowahlwerbespots  von  CDU  und  SPD 
von  den  früheren  Kommunikationsstrategien  auf  Landesebene  unterscheiden,  kann  an  dieser 
Stelle spekulativ angenommen werden. Eine derartige Langzeitstudie wäre jedoch wichtig, um 
verbindliche Antworten geben zu können. So lange jedoch diese Studien nicht im ausreichen-
den Maße vorliegen (vgl. Geisler/Tenscher 2002), muss auf Ersatzindikatoren zurückgegriffen 
werden,  die  dabei  helfen,  den  Grad  der  Radiowahlwerbespots  anhand  einzelner  inhaltlichen 
formeller Merkmale zu beschreiben.  
Um sich diesen Indikatoren zu nähern, wird auf die Forschungsergebnisse der Wahlkampffor-
schung zurückgegriffen werden, die sich seit den 80er Jahren verstärkt um die These der Ame-
rikanisierung  bzw.  Modernisierung  von  Wahlkämpfen  kümmern.  Natürlich  darf  dabei  nicht 
ignoriert werden, dass der Begriff der Modernisierung mit dem der Modernität in einem Span-
nungsverhältnis  steht.  Modernisierung  bedient  sich,  um  Veränderungen  auf  historische 
Prozesse  zurückzuführen,  eines  skalierten  Zeitindex  und  gegenstandsbezogener  Parameter 
(vgl. Plasser: 2003). ,,Nichts kann so modern sein, als dass es nicht von einem noch Moderne-
15 
ren  überholt  werden  könnte"  (vgl.  Brecht  2001).  Eine  Modernitäts-Konstruktion,  wie  sie  in 
dieser Arbeit konstruiert werden soll, lässt solche Beziehungen dagegen nicht zu. In ihr sind 
die, als modern bezeichneten Indikatoren eines modernen Wahlkampfes als absolut zu verste-
hen. 
2.2
Amerikanisierung oder Modernisierung von Wahlkämpfen? 
2.2.1
Öffentlichkeit  Mediendominierte Kommunikationsstruktur für Kampagnen 
Die  durch  die  Parteien  über  Kampagnen  gesteuerten  Inszenierungen  und  Realitätsdeutungen 
beziehen sich auf die Realität des Raumes der Öffentlichkeit
3
. Dieser ist vergleichbar mit ei-
nem Markt der politischen Deutungsangebote. Er versammelt eine Vielzahl von Vorstellungen 
und  Sichtweisen  über  die  Realität,  die  sich  letztlich  zu  einer  vorherrschenden  bzw.  öffentli-
chen Meinung verdichten und somit zur Realität für den einzelnen werden. Die Öffentlichkeit 
stellt somit ein Referenzsystem für die Realitätswahrnehmung und die Urteilsbildung des ein-
zelnen  dar.  Wobei  der  Wähler  bei  der Steuerung dieses offenen Marktes an Realitätsdeutun-
gen  eher  die  Rolle  des  Konsumenten  einnimmt,  als  die  eines  gleichberechtigten  Akteurs 
(Bethschneider 1987: 11). Ein Problem des öffentlichen Marktes an Deutungsangeboten stellt 
seine in unserer heutigen Zeit gewachsene Komplexität dar, also das Überangebot an zu ver-
arbeitender  Information  sowie  die  Kompliziertheit  der  Entscheidungen,  die  in  ihm  getroffen 
werden.  Die  Massenmedien  haben  auf  diesem  Markt  die  Funktion  des  Vermittlers  zwischen 
den Parteien und dem Wähler übernommen und sich durch diese Funktion quasi ein Informa-
tionsmonopol erarbeitet. Daher kommt es, dass das, was wir über die Welt, in der wir leben, 
wissen,  wir  durch  die  Massenmedien  wissen  (Luhmann  1996:  9).  Somit  beruhen  auch  die 
Vorstellungen  und  Meinungen  der  Wähler  auf  den  Darstellungen  der  Massenmedien.  Die 
Massenmedien  unterstützen  die  Parteien  bei  der  Komplexitätsreduktion  durch  Selektion  der 
wichtigsten Ereignisse, Themen und Probleme, um so das Informations- und Deutungsangebot 
auf ein konsumierbares Maß zu reduzieren. Sie bestimmen so aber auch die Problemprioritä-
ten im Raum der Öffentlichkeit mit (Luhmann 1970: 10). Sie besitzen damit die Möglichkeit 
3
 ,,Die ,Öffentlichkeit` [bzw. der öffentliche Raum oder der Raum der Öffentlichkeit] ist als Relaisstation, 
als Netzwerk aller Systeme aufzufassen, [also auch des Wählers (Publikum) und des Mediensystems] 
in  dem  sich  soziale,  psychologische,  politische  und  allgemeine  kulturelle  Wahrnehmungsweisen  ver-
binden" (vgl. Krempl 1996; vgl. Jakubowski 1998) 
16 
nicht nur Realität zu vermitteln, sondern zugleich eine eigene Realität aus den Aspekten, der 
von ihnen aufgegriffenen Realität, zu schaffen. Den Massenmedien kommt somit eine Thema-
tisierungs-  und  Strukturierungsfunktion  im  öffentlichen  Raum  zu  (Mathes  1989:  457).  Den 
Parteien  ist  es  in  einer  modernen  ausdifferenzierten  Gesellschaft  also  fast  nur  über  die  Mas-
senmedien  möglich,  Realitätsdeutungen  im  Raum  der  Öffentlichkeit  durchzusetzen.  Welche 
Deutungen  sich  dabei  durchsetzen  und  somit  zunächst  durch  die  Massenmedien  zur  ,,veröf-
fentlichten Meinung" werden, um später vielleicht ,,öffentliche Meinung" zu werden (Noelle-
Neumann 1998: 357), hängt also auch von der Aufmerksamkeit ab, die der Politikvermittlung 
der Parteien durch die Medien zuteil wird. Viele Autoren gehen deshalb sogar schon von einer 
Abhängigkeit  der  Politik  von  den  Medien  aus.  Dies  wird  auch  gerne  mit  dem  Begriff  der 
,,Mediatisierung der Politik" (Kepplinger 1998: 145ff.) beschrieben und besagt, dass die Mas-
senmedien die Inhalte der Politik bestimmen (Jäckel 1999: 48) und dass sich zunehmend die 
Politik  an  der  Logik  der  Massenmedien  orientiere.  Sie  stellen  die  Massenmedien  als  eigen-
ständigen Akteur in den Vordergrund, der heute sogar auf die parteiinternen Abläufe, wie die 
Spitzenkandidatenwahl,  Einfluss  nehmen  würde.  Diese  würde  sich  immer mehr, neben der 
politischen  Kompetenz  des  Kandidaten  auch  an  dessen  Medienkompetenz  orientieren.  An-
dere Autoren allerdings unterstellen wiederum der Politik einen großen Einfluss auf die Me-
dien und bemängeln deren Instrumentalisierung durch die Politik (Schatz 1982: 6ff.). Die Rea-
lität,  die  in  den  Massenmedien  dargestellt  wird,  wäre  somit  schon  durch  die  Parteien  vorbe-
stimmt.  Die  Massenmedien  wären  demnach  ,,abhängig  von  der  sich  unentwegt  erneuernden 
Zufuhr neuer Informationen. In der Welt der Politik haben sie stets eine sich immer erneuern-
de Quelle, treffen aber auf eine Realität, die durch die mediale Informationsstruktur als solche 
zunehmend immer schon vorab inszeniert wird" (Mayer/Ontrup 1998: 529). Beide Positionen 
stellen  zwei  extreme  Pole  dar,  die  in  der  politischen  Kommunikationswissenschaft  vertreten 
werden. Es ist wohl eher davon auszugehen, dass Medien und Politik in einem symbiotischen  
gegenseitigen  Wechselverhältnis  zueinander  stehen  (Sarcinelli  1987:  213f.),  denn  einerseits 
brauchen  die  Medien  die  Politik  und  andererseits  ist  die  Politik  auf  die  Medien  angewiesen, 
um ihre Interessen in der Öffentlichkeit vertreten zu können.  
Ulrich Sarcinelli bezeichnet diese Entwicklung als Wandel von der Parteien- hin zur Medien-
demokratie  (vgl.  Sarcinelli  1998).  Unter  Mediendemokratie  versteht  er  eine  demokratische 
Ordnung,  ,,in  der  die  Individualisierung  der  Wählerschaft  weit  fortgeschritten  ist,  die  politi-
sche  Willensbildung  immer  weniger  als  Zwei-Stufen-Prozess  über  Parteien  und  politische 
17 
Meinungsführer vermittelt ist, sondern über deregulierte elektronische Massenmedien erfolgt, 
sowie  die  durch  Wettbewerb  erzeugte  Medienlogik  zu  einer  Abhängigkeit  von  Politik  und 
Medien  geführt  hat"  (Bürklin/Klein  1998:  183,  zitiert  nach  Geisler/Sarcinelli  2002:  48).  Da-
mit  gewinnen  die  Kampagnen,  die  über  die  Massenmedien  geführt  werden  immer  mehr  an 
Bedeutung.  Auch  die  Annahmen  der  Kommunikationswissenschaft  weisen  den  Massenme-
dien eine große Bedeutung zu, hinsichtlich ihrer Wirkung auf die Rezipienten, hier die Wäh-
ler.  Als  wichtigster  Ansatz,  der  die  Bedeutung  der  Massenmedien  für  den  Wahlkampf  der 
Parteien  belegt  ist  diesbezüglich  der  Agenda-Setting-Ansatz  zu  nennen,  auf  den  später  noch 
genauer eingegangen werden soll. 
Festzustellen  ist  aber  demnach,  dass  der  Raum  der  Öffentlichkeit  als    die  Kommunikations-
struktur verstanden werden muss, an der sich die Kampagnen der Parteien während des Wahl-
kampfes ausrichten müssen, um erfolgreich zu sein. Will man also Analysekriterien für einen 
modernen Wahlkampf erstellen, so muss man sich zunächst die Veränderung der Kommuni-
kationsstruktur vergegenwärtigen. 
2.2.2
Modernisierung  Veränderung der Kommunikationsstruktur 
Aufgrund der zielgerichteten Ausrichtung der Wahlkampagnen auf die Akteure im Kommuni-
kationsraum der Öffentlichkeit (Wählerschaft und Medien), sind diese abhängig von den Ver-
änderungsprozessen  innerhalb  der  gesellschaftlichen  Subsysteme,  denen  diese  Akteure  ange-
hören  (Gesellschaftssystem  und  Mediensystem).  Wahlkämpfe  können  demnach,  laut  Ra-
dunski, weder verstanden noch konzipiert werden, wenn man nicht bewusst die Amerikanisie-
rung der politischen Kommunikation bejaht (Radunski 1996: 33). Im Kern soll damit ausge-
drückt werden, dass der Wahlkampf heute auch in Deutschland bestimmten Gesetzmäßigkei-
ten  folgt,  die  früher  nur  aus  den  USA  bekannt  waren.  Die  Veränderungen  des Wahlkampfes 
und  der  in  ihm  geführten  Kampagnen  sind  aber  nicht  plötzlich  über  die  Bundesrepublik 
Deutschland  hereingebrochen.  Die  Amerikanisierung  begleitet  die  westeuropäischen  Wahl-
kämpfe  in  einem  universellen  Prozess  schon seit den 70er Jahren, wobei allerdings ,,der Be-
deutungsgehalt dieses Konzeptes höchst unterschiedlich definiert wird" (Plasser 2000: 49). 
18 
Der  Ausdruck  der  Amerikanisierung  hat  insofern  seine  Berechtigung,  als  er  sich  auf  Grund-
merkmale des Wahlkampfes beruft, die zuerst in den USA aufgetreten sind. Diffusionstheore-
tiker  sehen  darin  einen  gerichteten (einseitigen) Konvergenzprozess. Damit ist gemeint, dass 
sich zentrale Parameter der Handlungslogik politischer Kommunikationsakteure in Westeuro-
pa  der  kommunikativen  Prozesslogik  in  den  USA  annähern  (ebd.:  50).  Dies  geschieht  unab-
hängig  von  institutionellen  Restriktionen  des  politischen  Wettbewerbs.  Die  ,,ausländischen 
Kommunikationsexperten übernehmen die zentralen Axiome und strategischen Parameter der 
amerikanischen Experten" (Plasser 2003: 36). Damit wären die USA die eindeutige Quelle der 
Innovationen. In Form einer Imitation würden demnach die dort vorherrschenden Kommuni-
kationspraktiken übernommen. Da diese Imitation meist nur die Planungen und Strategien der 
Wahlkampfführung  betrifft,  hat  sie,  nach  dieser  Auffassung,  nur  geringe  Auswirkungen  auf 
Institutionen des politischen Systems (Donges 2000: 35; Pfetsch 2001: 28ff.).  
Kritiker des Begriffes Amerikanisierung, wie die Modernisierungstheoretiker, weisen deshalb 
den starken Bezug zur USA als irreführend zurück. Sie argumentieren, dass es in Deutschland 
schon  aufgrund  des  anderen  politischen  Systems  nicht  zu  einer  völligen  Angleichung  der 
Wahlkampagnen kommen könne (Plasser 2003: 97ff.). Außerdem lenke die Bezeichnung den 
Blick  fälschlicherweise  auf  die  USA  als  Vorbild,  obwohl  der  Prozess  der  Amerikanisierung 
im Kern nichts original Amerikanisches an sich habe. Er bezeichne lediglich den Ursprungsort 
der  modernen  Wahlkampagnen,  nicht  aber  deren  Ursprungsgrund.  Die  USA  seien  nur  ein 
Vorreiter  in  einem  umfassenden  Prozess  des  Strukturwandels,  der  die  Politik  sowie  die  Me-
dien- und Gesellschaftssysteme moderner Gesellschaften erfasst hat. Im Sinne des modernisie-
rungstheoretischen  Ansatzes  ist  die  Amerikanisierung  der  Wahlkämpfe  Konsequenz  dieses 
Strukturwandels  und  die  ,,damit  verbundene  Labilisierung,  Individualisierung,  Fragmentie-
rung  und  Technologisierung  traditioneller  politischer  Öffentlichkeit  führt  bei  den  Akteuren 
der politischen Kommunikation zu einer verstärkten Spezialisierung und Professionalisierung, 
die eben in der fortgeschrittensten medienzentrierten Demokratie, wie den USA, deutlich aus-
geprägter  ist  als  in  Westeuropa"  (Plasser  2000:  51).  Hinsichtlich  der  Annahme  dieses  unge-
richteten  Kommunikationsprozesses  durch  die  Modernisierungstheoretiker,  würden  die  cha-
rakteristischen  Komponenten  der  westeuropäischen  politischen  Kommunikation  weitgehend 
erhalten  bleiben  (ebd.).  Daraus  resultiert  die  weitere  Annahme, dass sich die hiesigen Wahl-
kämpfe wahrscheinlich ohne die entsprechenden Anregungen aus den USA genauso verändert 
hätten, ,,weil sie sich notwendig aus den Veränderungen im Elektorat und durch die Kommer-
19 
zialisierung der Mediensysteme ergeben" (Holtz-Bacha 2000: 47). Dieser angenommene Ver-
änderungsprozess der Kommunikationsstruktur wird in der Abbildung 2 veranschaulicht: 
Abbildung 2: Strukturelle Trends in Mediendemokratien 
Blumler und Kavanagh kategorisieren die Veränderungen, die oben schon kurz angesprochen 
wurden, in die dritte Phase ihres Modells der ,,Three Ages of Political Communikations" ein 
(vgl.  Blumler/Kavanagh 1999). Kurz zusammengefasst verstehen sie unter der dritten Phase, 
einen immer noch laufenden Prozess einer strukturellen gesellschaftlichen Veränderung, näm-
lich der Individualisierung bzw. Fragmentierung der Gesellschaft und der Diversifizierung der 
Medien (ebd.: 213f.). Die Diversifizierung der Medien hat zur Folge, dass die Politikvermitt-
lung der Parteien während des Wahlkampfes in einem Kommunikationsraum der Öffentlich-
keit  stattzufinden  hat,  der  sich  durch  eine  multimediale  Kanalvielfalt  auszeichnet  (Plasser 
2003:  241)  und  damit  zu  einem  vollkommen  reizüberfluteten  Informations-  und  Meinungs-
markt  mutiert  (Szyska  1996:  188).  Auf  diesem  heiß  umkämpften,  gesättigten  Informations- 
und  Meinungsmarkt  kommt  es  folglich  unter  den  Massenmedien  zu  einer  erhöhten  Konkur-
renzsituation, weshalb sie die Attraktivität ihres jeweiligen Medienangebotes zu steigern ver-
suchen.  Daraus  folgt  eine  zunehmende  Entertainisierung  des  Programmangebotes,  also  eine 
Zunahme  unterhaltender  Programmangebote  einerseits  sowie  einer  Vermischung  von  Unter-
Strukturentwicklungen in der Gesellschaft 
Sozioökonomischer 
Wandel 
Technologischer 
Wandel
Fragmentierung 
Individualisierung 
Kommerzialisierung
Diversifizierung 
Pluralisierung/ 
Konvergenz 
Informationsüberflutung
Professionelle und damit 
moderne Wahlkampag-
nen  
(Eigene Darstellung nach Filtzmaier/Plasser 2001) 
Amerikanisierung - 
Modernisierung 
20 
haltung und Information zum Infotainment andererseits, welche auch vor der politischen Be-
richterstattung nicht halt macht (Geisler/Tenscher 2002: 59). Die Wähler nehmen diese Ange-
botsvielfalt  des  Medienmarktes  selektiv,  entsprechend  ihrer  spezifischen-individuellen  Inte-
ressen wahr (vgl. Hasenbrink 1994). Das schließt auch die politischen Informations- und Per-
suasionsangebote mit ein.  
Aufgrund  der  beschriebenen  Prozesse  tendiert  die  herrschende  Meinung  in  ihrer  Bewertung 
der Auswirkungen hinsichtlich der Wahlkämpfe eher zum Ansatz der Modernisierung, um auf 
generelle  Prozesse  zu  verweisen,  die  nicht  einer  eindeutigen  Ursache  zugeordnet  sind  und 
über das enge Feld der Politikvermittlung im Wahlkampf hinausgehend, die Gesellschaft ins-
gesamt  betreffen.  Damit  erweist  sich  der  Begriff  der  Modernisierung  auf  der  einen  Seite  als 
anschlussfähig an Veränderungen, die in der Literatur als Prozess von der Parteiendemokratie 
hin zur Mediendemokratie bezeichnet werden (vgl. Sarcinelli 1998) und er drückt auf der an-
deren  Seite  auch  Zweifel  und  Kritik  an  der  Generalisierbarkeit  der  amerikanischen  Variante 
dieser Mediendemokratie aus. Dadurch kann man bei der Verwendung des Begriffes Moder-
nisierung  anstatt  des,  in  der  Publizistik  häufig  negativ  konnotierten  Begriffes  Amerikanisie-
rung auch nicht von einer reinen Begriffskosmetik sprechen.  
Auch  in  dieser  Arbeit  soll,  zwecks  Überprüfung  der  Modernität  des  baden-württembergischen 
Landtagswahlkampfes  aus  dem  Jahre  2001,  auf  den  modernisierungstheoretischen  Ansatz  zu-
rückgegriffen  werden  und  die  Modernisierung  von  Wahlkämpfen  als  Folge  eines  Anpassungs-
prozesses der Parteien- bzw. Wahlkampfkommunikation an eine sich ständig veränderte Kom-
munikationsstruktur verstanden werden. Swanson hat diesbezüglich treffend festgestellt: ,,simi-
lar forces driving change across countries need not lead to precisely similar outcomes, and the 
future will be characterized by locally appropriate adoptions and national differences" (Swanson 
1999: 206). 
2.2.3
Modernität  Professionalität der Kampagnen 
Aufgrund der beschriebenen Veränderungen sehen sich die Parteien gezwungen, ihre Kampag-
nen auf die veränderten Begebenheiten anzupassen. Deshalb kommt es hier auf Seiten der Par-
teien  zu  einer  Professionalisierung.  Die  Professionalisierung  gilt  in  der  Literatur  deshalb  aner-
kannter  Maßen  als  Hauptmerkmal  der  Modernisierung  von  Wahlkämpfen.  Holtz-Bacha  geht 
sogar  so  weit  Modernisierung  (bei  ihr  heißt  es  ,,Amerikanisierung")  mit  einem  ,,allgemeinen 
21 
Trend  zur  Professionalisierung  [...]:  an  dessen  Spitze  die  USA  stehen"  gleichzusetzen (Holtz-
Bacha  1996:  12).  In  Anlehnung  an den Modernisierungsansatz soll ,,Professionalisierung" hier 
allerdings eher als Motor dafür angesehen werden, dass die Parteien ihre Kampagnen im Wahl-
kampf einer modernen veränderten Kommunikationsstruktur anzupassen versuchen.  
Um  ihre  Kampagnen  der  veränderten  Kommunikationsstruktur  anzupassen,  übertragen  die 
Parteien  bestimmte  Aufgaben  an  dafür  ausgebildete,  externe  ,,Kommunikationsstrategen"    und 
lösen  dazu  erhebliche  Teile  der  Kampagnenplanung  aus  ihren  Organisationsstrukturen  heraus 
(Schulz 1997: 186). Professionalisierung kann also auch als ein Trend zur Externalisierung der 
Kampagnenplanung beschrieben werden. Wobei mit Externalisierung ,,zunächst eine Kommer-
zialisierung  [gemeint  ist,  durch  die]:  Tätigkeiten,  die  vormals  freiwillig  erbracht  wurden,  [...] 
durch bezahlte Dienstleistungen" mit Hilfe professioneller Dienstleister ersetzt werden (Donges 
2000: 30). 
Mit  den,  meist  aus  der  Wirtschaft  stammenden,  externen  Kommunikationsstrategen,  ver-
schiebt  sich  das  strategische  Selbstverständnis  der  Parteien  in  modernen  Wahlkämpfen  von 
der  Produktorientierung  hin  zur  Marketingorientierung,  also  zu  einem  Denken  vom  Markte 
her, dass die Bedürfnisse der Wähler ins Zentrum der Wahlkampfführung rückt (Bruhn 2002: 
13). Deshalb werden die Parteien stärker zu den Instrumenten der Marktforschung greifen, die 
eine  effizientere  Strategieplanung  und  eine  schnellere  Reaktion  auf  die  Stimmungslagen  der 
Wählerschaft  zulassen.  Die  Parteien  werden  also  ihre  verschiedenen  Kommunikationsstrate-
gien, aus denen ihre Kampagnen bestehen, der Heterogenität und der Dynamik vor allem des 
modernen ,,Wählermarktes" anzupassen versuchen (Geisler/Tenscher 2002: 58).  
2.3
Die Radiowahlwerbekampagne in modernen Wahlkämpfen 
2.3.1
Aufgabe und Ziel der Wahlkampagne im Allgemeinen 
Der Wahlkampf wurde bereits in der Einleitung als eine kampagnenartige, wettbewerbsorien-
tierte Art der Politikvermittlung durch die Parteien definiert, deren Funktion es ist, die Bürger 
über politische Themen und entsprechende Lösungsansätze der Parteien zu informieren, Iden-
tifikationsmöglichkeiten  mit  der  jeweiligen  Partei  und  dem  Kandidaten  zu  bieten  und  die 
22 
Wähler  für  die  Stimmabgabe  zu  mobilisieren.  Dabei  bildet  die  Wahlkampagne  den  eigentli-
chen ,,kommunikativen Feldzug" (Althaus 2002a: 12). Sie umfasst alle, von den Parteien or-
ganisierten  und  geplanten  Kommunikationsaktivitäten,  die  das  Ziel  haben,  ,,eine  psychologi-
sche Verbindung zwischen Kandidaten und Wähler zu schaffen und den Wähler zu einer Ent-
scheidung und Handlung zu motivieren (Althaus 2002b: 115). An erster Stelle soll sie diesbe-
züglich  die  Aufmerksamkeit  der  Wähler  erregen,  ,,eine  einheitliche  Botschaft  in  Wort  und 
Bild in kurzer Zeit auf den Markt bringen, Kandidaten und Parteien klar von der Konkurrenz 
zu  unterscheiden  und  als  wichtigstes  Ziel  die  Wiederholung  ihrer  Kontakte  mit  den  von  ihr 
bevorzugten Wählergruppen anstreben" (ebd.).  
Die Wirksamkeit von Wahlkampagnen wird mal hoch mal niedrig bewertet. Häufig wird ih-
nen abgesprochen, Wähler, sozusagen in letzter Minute, überzeugen zu können oder sie dazu 
zu  bewegen  zur  Wahl  zu  gehen,  wenn  sie  nicht  wollen.  Hier  soll  allerdings  mit  Rüdiger 
Schmitt-Beck angenommen werden, dass die Wahlkampagne bis zur letzten Sekunde vor der 
Stimmabgabe  von  Bedeutung  ist.  Aufgrund  seiner  Studien  kann  es  als  empirisch  erwiesen 
angesehen  werden,  dass  ein  immer  größer  werdender  Teil  der  modernen,  individualisierten 
und  fragmentierten  Wählerschaft  ihre  Wahlentscheidung  bis  zum  letzten  Zeitpunkt  vor  dem 
Wahltag aufschiebt und somit durch die Wahlkampagnen von den Parteien erreicht und beein-
flusst werden können (Schmitt-Beck 2002b: 42).  
Der Kampagnenbegriff wird ,,sowohl in der Fachliteratur als auch in nichtwissenschaftlichen 
Zusammenhängen [...] ganz unterschiedlich gebraucht" (Plank 2002: 65). Einmal wird in der 
Literatur der ganze Wahlkampf mit dem Begriff der Kampagne bezeichnet, ein andermal nur 
einzelne Teile daraus und wieder ein weiteres Mal werden alle kommunikativen Strategien der 
Parteien  als  Kampagnen  charakterisiert.  In  dieser  Arbeit  bezieht  sich  der  Kampagnenbegriff 
auf  die  Kommunikationsstrategien  in  der  Radiowahlwerbekampagne,  welche  gegenüber  der 
Wahlkampagne (Leitkampagne) der Parteien eine untergeordnete Teilkampagne darstellt und 
in diese eingeordnet werden muss, um am Ende ein optimales Ergebnis zu erhalten (ebd.). 
2.3.2
Aufgabe und Ziel der Radiowahlwerbekampagne im Besonderen 
Die  Parteien  vermitteln  ihre  Politik  während  des  Wahlkampfes  also  über  verschiedene  Teil-
kampagnen an die Wähler, die unter der Richtungsvorgabe einer groß angelegten umfassenden 
23 
Wahlkampagne unterschiedliche Teilziele verfolgen (Plank 2002: 66). Die Hauptkampagnen, 
die diesbezüglich nicht unerwähnt bleiben sollen, sind die ,,Kampagne in den Massenmedien", 
die ,,Werbekampagne" und die ,,Mobilisierungskampagne" (Radunski 1980: 43ff.) 
Die  Radiowahlwerbekampagne  ist  wiederum  eine  Teilkampagne  der  Werbekampagne.  Sie 
wird 
von 
den 
Parteien 
selbst 
finanziert, 
indem 
sie 
selbst 
Werbezeit 
oder  
-platz  bei  den  Radiosendern  oder  entsprechenden  Vertriebsgesellschaften  einkaufen,  um  auf 
diesem Weg ihre eigenen Kommunikationsziele verfolgen zu können und sich dabei nicht auf 
Journalisten, als Kommunikatoren verlassen zu müssen. Die Radiowahlwerbung ist also eine 
Form der Politikvermittlung, die im Sinne der Parteien einen geplanten Einfluss auf das Ver-
halten  der  Wähler  nehmen  soll.  Vorwiegend  ist  ihr  Ziel  dabei  die  Information,  Motivation, 
Überzeugung und die Manipulation eines definierten Kreises von Umworbenen zugunsten der 
Wahlchancen  einer  Partei,  ihres  Kandidaten  und  ihres  Images  (vgl.  Schrader  2000).  Diesbe-
züglich  soll  sie  das  politische  Angebot  der  jeweiligen  Partei,  also  ihr  Programm  und  ihren 
Spitzenkandidaten  bekannt  machen  und  mit  einem  möglichst  positiven  Vorstellungsbild 
(Image) im Kopf potentieller Wähler verknüpfen. Aufgrund der weiter oben schon angespro-
chenen Komplexitätszunahme der Politik haben sich die politischen Angebote der Parteien im 
Laufe der Zeit inhaltlich angeglichen und sind in der Wahrnehmung der Wähler austauschbar 
geworden.  Es  kann  von  einer  ,,psychischen  Produktgleichheit"  gesprochen  werden  (vgl. 
Schneider 2004).  
Wenn es also das wahlentscheidende ,,USP" (= unique selling proposition) nicht geben sollte, 
muss  die  Radiowahlwerbekampagne  also  dazu  beitragen,  die  Partei,  ihr  politisches  Angebot 
und  ihren  Spitzenkandidaten  für die Wähler merklich von der Konkurrenz abzugrenzen, und 
es  mit  einem  ideellen  Mehrwert,  einem  besonderen  Image  bzw.  anstatt  des  USP  mit  einem 
,,USE" (= unique selling emotion) zu versehen (Strauss 2002: 220). Wenn die Radiowahlwer-
bekampagne erfolgreich ist, erreicht sie für das politische Produkt eine besondere Bedeutung 
in  der  Wahrnehmung der Wähler, wodurch das Angebot der jeweiligen Partei einen Wettbe-
werbsvorteil gegenüber den anderen Parteien erhält. Darüber hinaus soll die Radiowahlwerbe-
kampagne nicht nur dabei behilflich sein das politische Angebot einer Partei erfolgreich in der 
Wahrnehmung der Wähler zu positionieren, sondern auch die Aktualität des Angebotes hoch 
zu  halten  (Dittmann  1994:  6ff.).  Damit  ist  gemeint,  dass  in  ihr  das  politische  Angebot  einer 
Partei  so  thematisiert  werden  soll, dass es als aktuelle ,,Alternative" von den Wählern wahr-
24 
genommen wird. Dazu soll sie Stichworte als Entscheidungshilfe bereitstellen, damit sich der 
Wähler  das  eine  oder  andere  Thema  herausgreift  und  sich  ihm  intensiver  widmen  kann 
(Szyszka  1996:  194).  Als  übergeordnetes  Ziel  soll  die  Radiowahlwerbekampagne  imagebil-
dend  sein  und  dem  Wähler  ein  Wegweiser  und  Orientierungspunkt  im  Wahlkampf  bieten 
(Stauss 2002: 216).  
Um diese Aufgaben und Ziele zu erfüllen steht zuvor die Erarbeitung einer Strategie durch die 
Parteien an, die auf einer genauen Analyse der Ausgangssituation basiert, um die Kommuni-
kationsmaßnahmen bzw. -operationen auszuwählen, die es unter den jeweils gegebenen Vor-
aussetzungen möglich machen, die Ziele zu erreichen (Brunner 2002: 21). 
Strategie heißt diesbezüglich nichts anderes als Disziplin (Althaus 2002b: 118). Eine Strategie 
erfordert  die  Fähigkeit,  die  eigenen  Kräfte  richtig  einzuteilen  und  einzuplanen,  um ein Opti-
mum an Durchsetzungsfähigkeit für das bestmögliche Ergebnis zu erzielen (Plank 2002: 66). 
Unter  Kommunikationsstrategie,  wird  hier  ein  ,,Handlungsprogramm  [verstanden]:  das  die 
Erreichung geplanter Ziele ermöglichen soll" (Karp/Zolleis 2004: 258) oder um es mit Rasch-
ke zu sagen: ,,Ziel-Mittel-Umweltkalküle" (Raschke 2002: 210), die auf einer genauen Wäh-
lermarktanalyse  basieren.  Sie  stellen  damit  einen  Handlungsplan  dar,  der  mit  Blick  auf  das 
Ziel der Stimmenmaximierung aus einer verfügbaren Menge von Mitteln/Handlungen diejeni-
gen auswählt und ausführt, deren Erfolg hinsichtlich des modernen Wählermarktes am wahr-
scheinlichsten  ist  (Sauer  1998:  241f.).  Ein  festgesetzter  Plan  als  zentrales  Steuerungs-  und 
Kontrollinstrument  (Brunner  2002:  21)  ist  der  Strategie  dabei  immanent,  da  jede  Kampagne 
,,eine Achterbahnfahrt im Kampf um öffentliche Meinung [durchlebt und] kritische Situatio-
nen  und  Krisen  [...]:  euphorische  Momente,  dröhnenden  Leerlauf  und  konturlosen  Aktionis-
mus"  durchmacht  (Althaus  2002a:  14).  Das  oder  die  strategische(n)  Ziel(e)  der  Radiowahl-
werbekampagne muss bei gleichzeitiger operativer Flexibilität konsequent verfolgt werden. 
Schwierig  ist  dabei  die Verständigung auf eine allumfassende Botschaft. Ohne die Botschaft 
als Grundausrichtung kommt keine Kampagne aus, denn die Botschaft ist die zentrale Aussa-
ge,  durch  ,,sie  werden  Politikerimages  und  ihre  Themen  fassbar,  wird  Akzeptanz  und  Über-
zeugung beim Wähler geschaffen (Radunski 2003: 191) und sie muss den Menschen bzw. den 
Wählern ,,auf Anhieb verständlich, klar, kurz, packend, relevant, kontrastreich und glaubwür-
dig sein" (Althaus 2002: 15). Die Botschaft muss ein Problem ansprechen, das mit praktischen 
Lösungswegen  und  Maßnahmen  verknüpft  werden  kann,  sie  darf  weder  die  eigenen  Wähler 
25 
noch fremde Wählergruppen abschrecken und ,,sie darf kein Klischee sein, kein  künstlicher, 
abgegriffener  Allgemeinplatz"  (ebd.).  Ohne  die  Botschaft  als  Überzeugungsmittel  würde  es 
den Politikern und den Parteien im hektischen Wahlkampfgeschehen an der Chance zur dau-
erhaften Identifikation fehlen, weshalb auch moderner Wahlkampf zunächst nach einem ,,stay 
your  message"  und bei erfolgreicher Kommunikation nach einen ,,you are the message" ver-
langt (Radunski 2003: 191f.).  
Zur  Vermittlung,  der,  auf  die  Strategie  abgestimmten,  Botschaft,  können  die  Parteien  in  den 
Radiowahlwerbespots rein auf akustische Gestaltungselemente zurückgreifen. Zu den Gestal-
tungselementen,  die  den  Machern  von  Radiowahlwerbespots  zur  Verfügung  stehen,  zählen 
demnach  die  Sprache, die Musik und die Geräusche. Bei der späteren Analyse sollen im be-
grenzten  Maße  auch  die  Gestaltungselemente  ,,Musik" und  die  ,,Geräusche"  mit  berücksich-
tigt  werden.  Ihnen  soll  in  der  Arbeit  über  ihre  Funktion  als  ,,emotional  manipulierender  Sti-
mulus"  eine  eigenständig  botschaftsbezogene  Funktion  zugestanden  werden,  wie  z.B.  die 
Zielgruppenansprache sicherzustellen, die Aufmerksamkeit auf den Spot zu lenken, die Lern- 
und Gedächtnisleistung zu fördern, Emotionen zu vermitteln, Vorstellungen von Ereignissen, 
Orten  oder  Zeiten  auszulösen,  die  Akzeptanz  des  Spots  zu  erhöhen,  eine  positive  Wahrneh-
mungsatmosphäre zu schaffen, die Partei repräsentieren, zur Abstimmung der Kommunikati-
on in unterschiedlichen Werbemitteln beizutragen, die Kontinuität der Werbung im Zeitablauf 
sicherzustellen (Dittmann 1994: 20).
Das  zentrale  Gestaltungselement  der  Radiowahlwerbespots,  um  die  Botschaft  zu  vermitteln, 
ist  allerdings  die  Sprache,  genauer  gesagt  die  gesprochene  Sprache.  Sie  wird  in  den  Radio-
wahlwerbespots gezielt eingesetzt, um die Wähler von den Ideen, Positionen und Images der 
Parteien und ihrer Spitzenkandidaten zu überzeugen. Ist in dieser Arbeit also von Kommuni-
kationsstrategien die Rede, über die die Botschaft der jeweiligen Partei vermittelt werden soll, 
so handelt es sich hier vornehmlich um Sprachstrategien, die in den Radiowahlwerbespots zur 
Anwendung kommen. Diese kulminieren dabei ganz besonders in wesentlichen Einheiten der 
Spots, nämlich dem Slogan und einzelnen sound-bites sowie Schlagwörtern
4
.  
Eine passende Botschaft für eine Kampagne zu erfinden, bedarf intensiver Beschäftigung mit 
den aktuellen Stimmungen, Meinungen, Wahlabsichten und Themen, die in der Bevölkerung 
4
 Werden näher erklärt in Kapitel 4.7 
26 
vorhanden  sind.  Dabei  spielt  die  Demoskopie  eine  zentrale  Rolle,  da  die  Parteien  mit  ihrer 
Hilfe  die  Einstellungen  zur  eigenen  Partei,  zu  Personen,  Botschaften  und  Slogans  ermitteln 
(Plank 2002: 69f.). Darüber hinaus müssen sich die Kampagnenplaner auch über ihre eigenen 
Stärken  und  Schwächen  und  die  der  Gegner  bewusst  werden,  um  deutliche  Kontraste  bei 
Themen  und  Persönlichkeiten  setzen  zu  können  (Althaus  2002a:  16).  Dazu  bedarf  es  einer 
gründlichen Analyse der Bedingungen, die sich aus der Kommunikationsstruktur ergeben, auf 
deren Veränderungen in den letzten Jahrzehnten weiter oben schon hingewiesen wurde. Auf-
grund der ebenfalls schon beschriebenen Professionalisierung der Parteien in der Kampagnen-
planung greifen die Parteien diesbezüglich auf folgende Methoden zurück. 
2.3.2.1
Targeting  Konzentration auf die Wechselwähler   
Eine Analyse der Kommunikationsstruktur basiert vor allem auf den beiden Methoden ,,targe-
ting" und ,,oposition research". Nach einer solchen Analyse können Kriterien für die Kommu-
nikationsstrategie und die Botschaft aufgestellt werden. Das targeting, als wichtiger Bestand-
teil  bei  der  Analyse  der  Kommunikationsstruktur  beschäftigt  sich  mit  dem  Erfassen  der  ge-
wünschten  und  notwendigen  Zielgruppen,  die  sowohl  geographisch, als auch demographisch 
verortet  werden  (Althaus  2003:  151ff.).  Je  enger  die  Zielgruppe  gefasst  werden  kann,  desto 
genauer  können  dann  die  Kommunikationsstrategien  in  den  Radiowahlwerbespots  auf  deren 
Informationsbedürfnisse abgestimmt werden (Althaus 2002a: 19ff.).  
Der Vorteil des targeting liegt in erster Linie darin, dass die ohnehin knapp bemessenen Res-
sourcen  an  finanzieller  und  personeller  Ausstattung  auch  möglichst  gewinnbringend  einge-
setzt  werden  können.  Vorbei  sind  die  Zeiten,  ,,als  die  Kommunikationsstrategen  aufs  Publi-
kum grob mit dem Schrotgewehr hielten, Motto: ,Es wird schon die Richtigen treffen`" (ebd.). 
Das ,,targeting ist ein Verfahren Wähler auszuschließen, an denen man sich nicht ,profitabel' 
abarbeiten kann, so dass es genug Ressourcen gibt, um wichtigere Wählergruppen mit genü-
gend  hoher  Intensität  zu  erreichen  und  zu  gewinnen.  Targeting  ist  der  ultimative  Hebel  im 
Direktkontakt mit dem Wähler, es ermöglicht maximale Konzentration unserer Mittel auf ein 
minimales  Universum"  (Reese  zitiert  in  Althaus  2003:  153).  Übersetzt  heißt  das:  Nicht  in 
jedem Garten Äpfel pflücken gehen, sondern nur in den Gärten, in denen die dicksten Äpfel 
hängen, sowie die Mittel für die strategische Zielumsetzung nicht aufwenden, die nicht leist-
bar  oder  unnötig  sind  (Althaus  2002b:  127).  Um  das  Targeting  professionell  zu  gestalten, 
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Originalausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2006
- ISBN (Paperback)
- 9783836603737
- ISBN (eBook)
- 9783956362453
- Dateigröße
- 830 KB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Eberhard-Karls-Universität Tübingen – Sozial- und Verhaltenswissenschaften 08, Politikwissenschaft
- Note
- 1,3
- Schlagworte
- politisches marketing politische kommunikation wahlkampf jungwähler baden-württemberg
- Produktsicherheit
- Diplom.de
 
					