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Identifikationsmanagement von Fußballfans

Ausländische Spieler in der Fußball-Bundesliga und ihre Akzeptanz

©2006 Doktorarbeit / Dissertation 210 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Am 15. Dezember 1995 fällte der Europäische Gerichtshof in Luxemburg ein Urteil in einer Sache, die unter normalen Umständen kein großes Aufsehen erregt: Ein belgischer Arbeitnehmer verklagte seinen Arbeitgeber, da dieser es ihm seiner Ansicht nach entgegen der Vorschriften des Vertrages über die Europäische Union unmöglich machte, innerhalb der EU von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen und einen Arbeitsplatz in Frankreich anzunehmen. Dass dieser Fall dennoch Berühmtheit erlangte, lag am Beruf des Klägers sowie der Funktion des Beklagten. Jean-Marc Bosman war Fußballprofi in Diensten des belgischen Erstligisten Racing Club de Liège (RCL). Das Urteil hat in der Folge die Organisation des professionell beriebenen Sports in Europa grundlegend verändert, da fortan Transfersummen nach Ablauf eines Vertrages und Klauseln, die die Anzahl ausländischer Spieler begrenzen, nichtig waren.
Ein Urteil von der Tragweite der Rechtsache Bosman löst kontroverse Diskussionen über mögliche Konsequenzen aus. Im erwähnten Fall wurden bereits vor der Urteilsfindung Szenarien durchgespielt, wie die Organisation des Sports, insbesondere des Fußballs, in Zukunft aussehen werde. Auffallend ist dabei, dass vor allem von Seiten der Sportfachverbände, aber auch von vielen nationalen Politikern, das Urteil meist negativ bewertet wurde. Für das Bundesinstitut für Sportwissenschaften erstellte Wuttke (1996) im Jahr nach dem Urteil eine Sammlung an Presseberichten, die die Reaktionen auf den Richterspruch skizzieren. So sprach beispielsweise der Staatsrechtler R. Scholz, der im Auftrag des Deutschen Fußballbundes (DFB) ein Rechtsgutachten bezüglich des Bosman-Urteils erstellt hatte vom „Ausverkauf des Fußballsports.“ Er bewertete das Bosman-Urteil als Verstoß gegen das Europäische Gemeinschaftsrecht, da es dem in der EU angewandten Subsidiaritätsprinzip, nach dem möglichst viele Sachverhalte auf unteren (=nationalen) Ebenen geregelt werden sollen, widerspreche. Wie der ehemalige Präsident des Bundesligisten Borussia Dortmund, G. Niebaum, ging Scholz davon aus, dass man Fußballprofis keinen Arbeitnehmerstatus zubilligen könne, da deren Gehaltsgefüge den Schutz durch das Arbeitnehmerrecht nicht rechtfertige.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) kam in diesem Punkt zu einer anderen Auffassung. Scholz forderte darüber hinaus, nötigenfalls den EU-Vertrag dahingehend zu verändern, dem professionell betriebenen Sport eine Sonderrolle zuzubilligen. […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Volker Schütz
Identifikationsmanagement von Fußballfans
Ausländische Spieler in der Fußball-Bundesliga und ihre Akzeptanz
ISBN: 978-3-8366-0355-3
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2007
Zugl. Deutsche Sporthochschule Köln, Köln, Deutschland, Dissertation / Doktorarbeit,
2006
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte,
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2007
Printed in Germany

2
Inhalt
Seite
Inhalt... 2
Verzeichnis der Tabellen............................................................ 5
Verzeichnis der Abbildungen... 9
Verzeichnis der Abkürzungen... 11
Teil I
1
Einleitung... 12
2
Der Fall Bosman: Voraussetzungen und Folgen eines Urteils... 18
3
Das Bosman-Urteil als Folge der Verrechtlichung des Sports... 22
3.1
Kommerzialisierung als Ursache für den wachsenden Einfluss
der Rechtsprechung auf den Sport... 27
3.2
Sportler als Arbeitnehmer... 30
4
Konsequenzen des Bosman-Urteils für den Sport in Europa... 34
4.1
Konsequenzen des Bosman-Urteils aus juristischer Sicht...
34
4.2
Konsequenzen des Bosman-Urteils aus sportlicher Sicht...
38
4.3
Konsequenzen des Bosman-Urteils aus ökonomischer Sicht..
41
Teil II
5
Das Phänomen der Identifikation von Fans mit einem Verein
45
6
Die Theorie der sozialen Identität des Menschen... 50
6.1
Interpersonales Verhalten vs. Intergruppenverhalten... 51
6.2
Das Phänomen der Intergruppendiskriminierung... 52
6.3
Der Zusammenhang zwischen Intergruppendiskriminierung
und sozialer Identität... 54
7
Die Entwicklung sozialer Identität durch die Identifikation mit
einer Organisation: Vereine als soziale Gruppen... 58
7.1
Das Modell der Organisationsidentifikation... 59
7.2 Spezifische
Verhaltensweisen
als Konsequenz der Identifikation
mit einem Verein... 61

3
7.3
Die Funktion des intrinsischen Images eines Vereins beim
Aufbau von Fan-Identifikation... 64
7.3.1 Die Rolle des Selbstkonzepts für ein attraktives intrin-
sisches Image des Vereins... 66
7.3.2 Antizipation der Motivstruktur eines Fußballfans...
69
7.3.3 Der Zusammenhang zwischen Selbstkonzept und
Attraktivität eines Vereins... 78
7.4 Das
Motiv
Erfolg... 80
7.5 Das
Motiv
Regionale Herkunft... 82
7.6 Das
Motiv
Soziale Herkunft und Entfremdung... 83
7.7
Die Funktion des extrinsischen Images eines Vereins beim
Aufbau von Fan-Identifikation... 85
Teil III:
8
Die empirische Untersuchung... 94
8.1
Methodik der Untersuchung... 94
8.2
Die Entwicklung des Fragebogens... 96
8.2.1 Die Team-Identification-Scale und deren deutsche
Adaption... 96
8.2.2 Die untersuchungsspezifische Erweiterung des Frage-
bogens... 98
9
Darstellung und Interpretation der Ergebnisse... 108
9.1 Die
Untersuchungsgruppe... 108
9.2. Motivstruktur der Probanden: Untersuchungsgegenstand
Intrinsisches Image... 110
9.2.1 Motiv Erfolg... 111
9.2.2 Motiv Regionale Identifikation... 126
9.2.3 Motiv Soziale Identifikation und Entfremdung durch
die Spieler... 143
9.2.3.1 Identifikationspotenzial und Vorbildcharakter
der
Spieler... 143

4
9.2.3.2
Vereinstreue der Spieler... 152
9.2.4 Motiv Soziale Identifikation und Entfremdung durch
den Verein... 161
9.2.4.1
Die Höhe der Spielergehälter... 161
9.2.4.2
Die Höhe der Ablösesummen...
167
9.3 Untersuchungsgegenstand
Extrinsisches Image... 170
9.3.1 Die Auswirkungen des ablösefreien Wechsels auf das
extrinsische Image der Fans... 177
9.3.2 Die Auswirkungen der Nationalität der Spieler auf das
extrinsische Image der Fans... 183
10
Fazit und Ausblick... 186
11
Epilog ­ Im Jahr 10 nach Bosman... 189
Anhang... 192
Der
Fragebogen... 192
Literatur... 200

5
Verzeichnis der Tabellen
Tab. 1
Zuschauerzahlen der Vereine bei Heimspielen der 1. Fußballbundesliga in der
Saison 2000/2001 (Quelle: Kicker-Sonderheft Saison 2001/2002)...
S. 73
Tab. 2
Anteil der Internetnutzer in den Altersgruppen (Quelle: Batinic, 2001) sowie
Altersverteilung der an der Untersuchung teilnehmenden Probanden... S. 108
Tab. 3
Anteil der Fans gestaffelt nach Verein und Identifikationsgruppe, für die ein Sieg
der eigenen Mannschaft eine sehr große Bedeutung hat...
S. 112
Tab. 4
Durchschnittliche Leistungsbewertungen durch die Fans von Spielern von
Borussia Dortmund in der Saison 2001/2002 nach Häufigkeitsauszählung und
Mittelwertberechnung... S.
114
Tab. 5
Durchschnittliche Leistungsbewertungen von Spielern des FC Schalke 04
durch die eigenen Fans in der Saison 2001/2002 nach Häufigkeitsauszählung
und Mittelwertberechnung... S.
118
Tab. 6
Verteilung der Leistungsbewertungen durch Fans von Spielern des FC Schalke
04 (Saison 2001/2002) nach Häufigkeitsauszählung... S.
118
Tab. 7
Durchschnittliche Leistungsbewertungen von Spielern des 1. FC Köln durch die
eigenen Fans in der Saison 2001/2002 nach Häufigkeitsauszählung und
Mittelwertberechnung... S.
121
Tab. 8
Durchschnittliche Leistungsbewertungen von Spielern des SC Freiburg durch
die eigenen Fans in der Saison 2001/2002 nach Häufigkeitsauszählung und
Mittelwertberechnung... S.
124
Tab. 9
Größe der Kader und Anteil der ausländischen Spieler der Vereine der 1.
Fußballbundesliga in der Saison 2001/2002 (Quelle: Kicker Sonderheft Saison
2001/2002)... S.
126
Tab. 10
Durchschnittliche Sympathiebewertungen der Vereine der 1. Fußballbundesliga
in der Saison 2001/2002 durch Fans von Borussia Dortmund (Skala von 1-5
nach Häufigkeitsauszählung und Mittelwertberechnung)... S.
128
Tab. 11
Bewertung von Spielern von Borussia Dortmund durch Fans bezüglich der
Frage, ob sie die Region repräsentieren (Saison 2001/2002) nach
Häufigkeitsauszählung und Mittelwertberechnung... S.
131

6
Tab. 12
Bewertung von Spielern von Borussia Dortmund durch Fans bezüglich ihrer
Treue zum Verein in der Saison 2001/2002 nach Häufigkeitsauszählung und
Mittelwertberechnung... S.
132
Tab. 13
Sympathiebewertungen der Vereine der 1. Fußballbundesliga in der Saison
2001/2002 durch Fans des FC Schalke 04 nach Häufigkeitsauszählung und
Mittelwertberechnung... S.
134
Tab. 14
Bewertung von Spielern des FC Schalke 04 durch Fans bezüglich der Frage, ob
sie die Region repräsentieren (Saison 2001/2002) nach Häufigkeitsauszählung
und Mittelwertberechnung... S.
135
Tab. 15
Sympathiebewertungen der Vereine der 1. Fußballbundesliga in der Saison
2001/2002 durch Fans des 1. FC Köln nach Häufigkeitsauszählung und
Mittelwertberechnung (in Klammern die Werte für die unterschiedlichen
Identifikationsgrade)... S.
137
Tab. 16
Bewertung von Spielern des 1. FC Köln durch Fans bezüglich der Frage, ob sie
die Region repräsentieren (Saison 2001/2002) nach Häufigkeitsauszählung und
Mittelwertberechnung... S.
138
Tab. 17
Sympathiebewertungen der Vereine der 1. Fußballbundesliga in der Saison
2001/2002 durch Fans des SC Freiburg nach Häufigkeitsauszählung und
Mittelwertberechnung... S.
139
Tab. 18
Bewertung von Spielern des SC Freiburg durch Fans bezüglich der Frage, ob
sie die Region repräsentieren (Saison 2001/2002) nach Häufigkeitsauszählung
und Mittelwertberechnung... S.
141
Tab. 19
Bewertung von Spielern von Borussia Dortmund durch Fans bezüglich
Identifikation und Vorbildcharakter nach Häufigkeitsauszählungen (Saison
2001/ 2002)... S.
143
Tab. 20
Bewertung von Spielern des 1. FC Köln durch Fans bezüglich Identifikation und
Vorbildcharakter nach Häufigkeitsauszählungen (Saison 2001/ 2002)... S. 145
Tab. 21
Bewertung von Spielern des FC Schalke 04 durch Fans bezüglich Identifikation
und Vorbildcharakter nach Häufigkeitsauszählungen (Saison 2001/
2002)... S.148
Tab. 22
Bewertung von Spielern von Borussia Dortmund durch Fans bezüglich
Identifikation und Vorbildcharakter nach Häufigkeitsauszählungen (Saison
2001/ 2002)... S.149

7
Tab. 23
Bewertung von Spielern von Borussia Dortmund durch Fans in der Saison
2001/2002 bezüglich ihrer Treue zum Verein nach
Häufigkeitsauszählung... S.
153
Tab. 24
Bewertung von Spielern des 1. FC Köln durch Fans in der Saison 2001/2002
bezüglich ihrer Treue zum Verein nach
Häufigkeitsauszählung... S.
155
Tab. 25
Bewertung von Spielern des FC Schalke 04 durch Fans in der Saison
2001/2002 bezüglich ihrer Treue zum Verein nach
Häufigkeitsauszählung... S.
157
Tab. 26
Bewertung von Spielern des SC Freiburg durch Fans in der Saison 2001/2002
bezüglich ihrer Treue zum Verein nach
Häufigkeitsauszählung... S.
159
Tab. 27
Auswertung der Frage Welcher Verein hat Ihres Wissens in der Saison
2001/2002 die höchsten Spielergehälter bezahlt? Häufigkeit der Nennungen
,,Borussia Dortmund" und ,,FC Bayern München" durch die Fans der
untersuchten vier Vereine... S.
162
Tab. 28
Auswertung der Frage ,,Welcher Verein hat Ihres Wissens in der Saison
2001/2002 die niedrigsten Spielergehälter bezahlt?" Häufigkeit der Nennungen
,,FC St. Pauli", ,,FC Energie Cottbus" und ,,SC Freiburg" durch die Fans der
untersuchten Vereine... S.
163
Tab. 29
Auswertung der Frage ,,Welcher Verein hat Ihres Wissens in der Saison
2001/2002 die niedrigsten Transfersummen bezahlt?"; Häufigkeit der
Nennungen ,,FC St. Pauli", ,,FC Energie Cottbus" und ,,SC Freiburg" durch die
Fans der untersuchten Vereine... S.163
Tab. 30
Geschätzte Höhe der vom 1. FC Köln in der Saison 2001/2002 bezahlten
Ablösesummen durch Fans nach Häufigkeitsauszählungen... S.
168
Tab. 31
Fragebogenitems zur Erhebung des extrinsischen Images...
S. 171
Tab. 32
Häufigkeitsauszählung der Antworten zur Eruierung des extrinsischen. Images
für alle vier untersuchten Fangruppen nach Additionsverfahren...
S. 172
Tab.
33
Vergleich der Häufigkeitsauszählungen bezüglich der Items 3,4 und 9
(extrinsisches Image) für die Fans des 1. FC Köln... S.
173

8
Tab. 34
Häufigkeit der Nennungen der negativen Tendenz für das extrinsische Image
des jeweiligen Vereins aller vier untersuchten Fangruppen bezogen auf die
Items 1 und 7... S.
177
Tab. 35
Häufigkeit der Nennungen der negativen Tendenz für das extrinsische Image
des jeweiligen Vereins aller vier untersuchten Fangruppen bezogen auf die
Items 6 und 11... S.
179
Tab. 36
Häufigkeit der Nennungen der negativen Tendenz für das extrinsische Image
des jeweiligen Vereins aller vier untersuchten Fangruppen bezogen auf die
Items 4 und 9... S.
181
Tab. 37
Häufigkeit der Nennungen der negativen Tendenz für das extrinsische Image
des jeweiligen Vereins aller vier untersuchten Fangruppen bezogen auf die
Items 4 und 9... S.
182
Tab. 38
Häufigkeit der Nennungen der negativen Tendenz für das extrinsische Image
des jeweiligen Vereins aller vier untersuchten Fangruppen bezogen auf die
Items 5 und 12... S.
184
Tab. 39
Häufigkeit der Nennungen der negativen Tendenz für das extrinsische Image
des jeweiligen Vereins aller vier untersuchten Fangruppen bezogen auf die
Items 2 und 8... S.
185
* Alle Tabellen befinden sich im Text

9
Verzeichnis der Abbildungen
Abb. 1
Die drei Bausteine der Attraktivität eines Fußballvereins...
S. 68
Abb. 2
Konzept der Fan-Identifikation nach Sutton, Mc Donald & Milne (1997). Durch
Management beeinflussbare Faktoren zur Bildung von Fan-Identifikation und
deren Nutzen für den Verein ... S.
70
Abb. 3
Motive von Fußballfans...
S. 77
Abb. 4
Altersverteilung der an der Untersuchung beteiligten Probanden...
S. 108
Abb.
5
Verteilung der unterschiedlichen Identifikationsniveaus innerhalb der
untersuchten Fangruppen der ausgewählten Vereine (in Prozent)...
S. 110
Abb. 6
Häufigkeitsverteilung der Antworten auf die Frage ,,Wie wichtig ist es für Sie,
dass Ihr Verein gewinnt?"...
S. 111
Abb. 7
Veränderung der Erwartungen der Fans von Borussia Dortmund im Laufe der
Saison 2001/2002... S.
113
Abb. 8
Streuung der Leistungsbewertungen der Spieler M. Amoroso und T. Rosicky
durch Fans von Borussia Dortmund (Saison 2001/2002)...
S. 115
Abb. 9
Antworten der befragten Fans von Borussia Dortmund auf die Frage, Welchen
Spieler von anderen Vereinen würden Sie für die nächste Saison verpflichten?
(nach Häufigkeitsauszählung)... S.
116
Abb. 10
Veränderung der Erwartungen der Fans des FC Schalke 04 im Laufe der
Saison 2001/2002... S.
117
Abb. 11
Antworten der befragten Fans des FC Schalke 04 auf die Frage Welchen
Spieler von anderen Vereinen würden Sie für die nächste Saison verpflichten?
(nach Häufigkeitsauszählung)... S.
119
Abb. 12
Veränderung der Erwartungen der Fans des 1. FC Köln im Laufe der Saison
2001/2002... S.
121
Abb. 13
Antworten der befragten Fans des 1. FC Köln auf die Frage Welchen Spieler
von anderen Vereinen würden Sie für die nächste Saison verpflichten? (nach
Häufigkeitsauszählung)... S.
123
Abb. 14
Veränderung der Erwartungen der Fans des SC Freiburg im Laufe der Saison
2001/2002... S.
124

10
Abb. 15
Antworten der befragten Fans des SC Freiburg auf die Frage Welchen Spieler
von anderen Vereinen würden Sie für die nächste Saison verpflichten? (nach
Häufigkeitsauszählung)... S.
123
Abb. 16
Häufigkeitsauszählung der Frage nach dem Verein mit den meisten/ wenigsten
Ausländern an die Fans von Borussia Dortmund... S.
127
Abb. 17
Häufigkeitsauszählung der Frage nach dem Verein mit den meisten/ wenigsten
Ausländern an die Fans des FC Schalke 04..... S.
133
Abb. 18
Häufigkeitsauszählung der Frage nach dem Verein mit den meisten/ wenigsten
Ausländern an die Fans des 1. FC Köln... S.
136
Abb. 19
Häufigkeitsauszählung der Frage nach dem Verein mit den meisten/ wenigsten
Ausländern an die Fans des SC Freiburg. ... S.
139
* Alle Abbildungen befinden sich im Text

11
Verzeichnis der Abkürzungen
Art.
Artikel
BAG Bundesarbeitsgericht
BFR
Belgischer Franc (ehemalige belgische Währung)
BGB Bundesgesetzbuch
BIRG
Basking in Reflected Glory
BiSp
Bundesinstitut für Sportwissenschaften
CEI
Construed
External
Image
CORF
Cutting Off Reflected Failure
DEB Deutscher
Eishockeybund
DEL Deutsche
Eishockeyliga
DFB Deutscher
Fußballbund
ebd. ebenda
EGKS
Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl
EGV
Vertrag über die Europäische Gemeinschaft
EU
Europäische
Union
EuGH Europäischer
Gerichtshof
FA
The
Football
Association (Britischer Fußballverband)
FFF
Fédération Française de Football (Franz. Fußballverband)
FIFA Fédération
International de Football Association
(Internationaler Fußballverband)
FPI
Freiburger
Persönlichkeitsinventar
GG
Grundgesetz
K.U. Kansas
University
LSt
Lizenzspielerstatut
NHL
National Hockey League (nordamerikanische Eishockeyliga)
OID Organisationsidentifikation
o.S. ohne
Seitenangabe
POI
Perceived
Organisational
Identity
RCL
Racing Club de Liège
SpO Spielerordnung
SpuRt
Zeitschrift für Sport und Recht
TIS
Team
Identification
Scale
UCI
Union Cycliste Internationale (Internationaler
Radsportverband)
UEFA
Union Européene de Football Association (Europäische
Fußballunion)
URBSFA
Union Royale Belge des Sociétés de Football Association
(Belgischer Fußballverband)
USD
Union Sportive de Dunkerque

12
1. Einleitung
Am 15. Dezember 1995 fällte der Europäische Gerichtshof in Luxemburg ein Urteil
in einer Sache, die unter normalen Umständen kein großes Aufsehen erregt: Ein
belgischer Arbeitnehmer verklagte seinen Arbeitgeber, da dieser es ihm seiner
Ansicht nach entgegen der Vorschriften des Vertrages über die Europäische
Union unmöglich machte, innerhalb der EU von seinem Recht auf Freizügigkeit
Gebrauch zu machen und einen Arbeitsplatz in Frankreich anzunehmen. Dass
dieser Fall dennoch Berühmtheit erlangte, lag am Beruf des Klägers sowie der
Funktion des Beklagten. Jean-Marc Bosman war Fußballprofi in Diensten des
belgischen Erstligisten Racing Club de Liège (RCL). Das Urteil hat in der Folge die
Organisation des professionell beriebenen Sports in Europa grundlegend
verändert, da fortan Transfersummen nach Ablauf eines Vertrages und Klauseln,
die die Anzahl ausländischer Spieler begrenzen, nichtig waren.
Ein Urteil von der Tragweite der Rechtsache Bosman löst kontroverse
Diskussionen über mögliche Konsequenzen aus. Im erwähnten Fall wurden
bereits vor der Urteilsfindung Szenarien durchgespielt, wie die Organisation des
Sports, insbesondere des Fußballs, in Zukunft aussehen werde. Auffallend ist
dabei, dass vor allem von Seiten der Sportfachverbände, aber auch von vielen
nationalen Politikern, das Urteil meist negativ bewertet wurde. Für das
Bundesinstitut für Sportwissenschaften erstellte Wuttke (1996) im Jahr nach dem
Urteil eine Sammlung an Presseberichten, die die Reaktionen auf den
Richterspruch skizzieren. So sprach beispielsweise der Staatsrechtler R. Scholz,
der im Auftrag des Deutschen Fußballbundes (DFB) ein Rechtsgutachten
bezüglich des Bosman-Urteils erstellt hatte vom ,,Ausverkauf des Fußballsports."
Er bewertete das Bosman-Urteil als Verstoß gegen das Europäische
Gemeinschaftsrecht, da es dem in der EU angewandten Subsidiaritätsprinzip,
nach dem möglichst viele Sachverhalte auf unteren (=nationalen) Ebenen geregelt
werden sollen, widerspreche. Wie der ehemalige Präsident des Bundesligisten
Borussia Dortmund, G. Niebaum, ging Scholz davon aus, dass man Fußballprofis
keinen Arbeitnehmerstatus zubilligen könne, da deren Gehaltsgefüge den Schutz
durch das Arbeitnehmerrecht nicht rechtfertige. Der Europäische Gerichtshof
(EuGH) kam in diesem Punkt zu einer anderen Auffassung. Scholz forderte
darüber hinaus, nötigenfalls den EU-Vertrag dahingehend zu verändern, dem
professionell betriebenen Sport eine Sonderrolle zuzubilligen. In diesem Punkt
scheint er aber dem Sport eine zu große Bedeutung zuzusprechen, denn warum
sollte der Sport als einziger Bereich des Wirtschaftslebens eine Ausnahme sein?
An dieser Stelle ist der Einwand von Abgeordneten des EP gerechtfertigt, beim
EU-Vertrag handele es sich nicht um "irgendeinen Wisch", den man bei Bedarf
revidieren könne, sondern er stelle eine Art Grundgesetz für Europa dar. G. Eilers,
Justitiar des DFB, ging soweit, seine eigene Berufsgruppe zu schelten: "Die

13
Juristen finden immer mehr einen Weg in den Sport und hauen alles um." Als
grundsätzlich sportwidrig bezeichneten der damalige DFB-Präsident E. Braun und
der Liga-Direktor W. Straub das Luxemburger Urteil. Der Generalsekretär der
UEFA, G. Aigner, prophezeite, der Fußball werde sein Flair verlieren und der
damalige Berliner Sportsenator J. Kiemann machte das Urteil für die wachsende
Europa-Verdrossenheit der Bürger verantwortlich.
Detaillierte Kritik galt sowohl der Abschaffung der Ausländerklauseln als auch dem
Wegfall der Ablösesummen. Letzteres erregte die Gemüter, weil vielen Vereinen
der Ruin prophezeit wurde, wenn diese Einnahmequelle in der Folge nicht mehr
existiere. Der damalige Ligaausschussvorsitzende und Präsident des VfB
Stuttgart, G. Mayer-Vorfelder, bezeichnete kurz nach Bekantwerden des Urteils
dessen Folgen als eine Katastrophe, weil viele Vereine zum Konkursrichter
müssten, da sie die Spieler nicht mehr als Aktiva in ihren Bilanzen aufführen
dürften. Ähnlich verteidigte E. Braun das abzuschaffende Transfersystem, da es
sich von der untersten Liga bis in die Spitze hinauf bewährt habe. UEFA-Präsident
L. Johansson ging noch weiter. Er prophezeite einen Tag nach der
Urteilsverkündung, dass dieses Urteil Chaos schaffen werde. Es sei eine Attacke
auf den Fußball, denn es vernichte ein System, dass jahrelang gut war. Neben
den bereits zitierten Verbandsfunktionären war es u.a. der Spielerberater W.
Farian, der der Bundesliga nach dem Urteil den Tod voraussagte. Der Fußball
gehe kaputt, behauptete er und verteidigte das bisherige System, da es doch
geklappt habe und die Bundesliga boomte. Seine Behauptung jedoch, dass alle
Beteiligten zufrieden waren, traf zumindest auf J. M. Bosman nicht zu. An der
teilweise martialischen Wortwahl kann man ablesen, mit welch großer
Emotionalität die Diskussion geführt wurde. Dass der ehemalige französische
Staatspräsident Charles de Gaulle das System in Frankreich bereits in den
Sechzigerjahren abschaffte, weil er der Ansicht war, dass französische Spieler
keine Sklaven seien, sei dabei schon deshalb nur am Rande erwähnt, weil der
Vergleich von Fußballprofis mit Sklaven nicht zulässig ist. Dass aber ein Großteil
der Spieler in Bosman einen Vorreiter sahen und somit das alte Transfersystem
nicht alle Beteiligten zufrieden stellte, wird dadurch deutlich, dass der belgische
Fußballprofi nur in der Lage war, seinen Jahre dauernden Prozess zu führen, weil
er von der europäischen Spielergewerkschaft Fifpro finanziell unterstützt wurde.
Ähnlich emotional fiel auch die Kritik am zweiten Punkt des Urteils, dem Wegfall
der Ausländerklauseln, aus. Nach Meinung von Verbandsfunktionären handele es
sich beim Fußballsport um eine nationale Angelegenheit. Mit einer zu großen Zahl
an ausländischen Spielern in den europäischen Klubmannschaften würde mit dem
nationalen Charakter den Fans ein wichtiger identifikationsstiftender Faktor
verloren gehen. Neben weniger ernst zu nehmenden Kommentaren wie vom
ehemaligen Bundestrainer Berti Vogts, wonach Mannschaften verstärkt Ausländer
einsetzen, weil sich Majovic offenbar besser anhöre als Mayer, argumentierte

14
beispielsweise die UEFA in der Verhandlung vor dem EuGH, dass im Europacup
die Klubmannschaften repräsentative Vertreter ihres Landes seien und es so nicht
möglich sei, die Ausländerklausel fallen zu lassen. Ebenso verstand es die UEFA
als ihre Aufgabe, die nationalen Fußballtraditionen ihrer Mitgliedsverbände zu
verteidigen. Ähnlicher Ansicht war E. Braun, wonach jede Meisterschaft ihren
nationalen Charakter brauche, der seiner Meinung nach offenbar nur durch die
Anzahl der spielenden einheimischen Fußballer zu gewährleisten ist. W.
Niersbach, damaliger Pressesprecher des DFB, behauptete, dass es nicht im
Sinne des Fußballs sein könne, wenn beispielsweise der VfB Stuttgart mit 11
Ausländern antrete.
Aber nicht nur von Seiten der Verbandsfunktionäre wurde Kritik am Wegfall der
Ausländerklausel laut, sondern auch in Pressekommentaren waren ähnliche
Befürchtungen zu lesen. Die Kölnische Rundschau fragte beispielsweise in einer
Bestandsaufnahme ein Jahr nach dem Bosman-Urteil, dass die Frage offen
bleibe, ob sich die Zuschauer auf Dauer mit weitgehend von Ausländern
gebildeten Mannschaften identifizieren. Die gleiche Zeitung empfand es ein Jahr
zuvor noch als ,,Horrorszenario," wenn der deutsche Meister künftig in der
Champions-League mit zwei Italienern, drei Briten, zwei Griechen, zwei
Franzosen, einem Kosovo-Albaner und einem Deutschen spiele. Auch der Kölner
Express nannte es ein Horrorszenario, wenn demnächst ein Deutscher Meister
ohne einen einzigen deutschen Spieler spiele. Das oben angeführte Gutachten
von R. Scholz fand auch in Bezug auf das Verbot von Ausländerklauseln keine
akzeptable Lösung für den Profifußball. Sport sei demnach ein Bereich der
nationalen Identifikation. Das Urteil vermittle aber den Eindruck, dass der EuGH
im Bereich des Profisports keine nationale Regelung mehr haben will. Auch für
Scholz scheint die Vorstellung von Mannschaften, die mit einer relativ großen Zahl
an ausländischen Spielern besetzt sind nicht akzeptabel. Er merkte dazu an:
"Wenn man es auf die Spitze treibt, kann sich der AC Mailand in der Fußball-
Bundesliga anmelden und um die deutsche Meisterschaft spielen".
Neben ablehnenden Haltungen waren aber auch positive Äußerungen zu
vernehmen. So sah der damalige Präsident des Bundesligisten MSV Duisburg, W.
Fischdick, den Wegfall der Ausländerklauseln grundsätzlich als positiv. Mit ihm
haben sich die meisten Clubpräsidenten und -manager schnell mit den neuen
Regelungen arrangiert. Der Präsident des Deutschen Instituts für
Wirtschaftsforschung, Wagner, hielt die neugewonnene Freizügigkeit für ein
verbrieftes Menschenrecht. R. Rauball, Rechtsanwalt und Präsident von Borussia
Dortmund, war der Ansicht, wenn ein Verein mit neun Ausländern auflaufe, dann
seien es diejenigen Spieler, die die Fans sehen wollen, da ansonsten
Vereinsführung und Trainer etwas falsch gemacht hätten. Er schätzte die Toleranz
des Publikums hoch ein. Einige ausländische Spieler würden sogar bis zur

15
Heldenverehrung geachtet. Wenn sich jemand mit einem Verein identifiziere, dann
sei es gleich, welcher Nationalität dieser Spieler ist.
An den oben beschriebenen Bewertungen des Bosman-Urteils bezüglich seiner
Wirkungen durch den Wegfall der Sperrklauseln für ausländische Spieler wird
deutlich, dass die Argumentation immer wieder auf den Begriff der Identifikation
hinaus läuft. Der angebliche Identitätsverlust der Fans ist eines der zentralen
Argumente der Bosman-Gegner (Tokarski & Steinbach 2001, S. 99). Während die
Spieler und ihre Vereine das Identifikationsobjekt darstellen, sind diejenigen, die
den Fußball begleiten, betrachten und konsumieren das Subjekt der Identifikation,
also die Zuschauer und Fans, die jedes Wochenende ins Stadion gehen oder die
Spiele in den Medien verfolgen. Betrachtet man die oben angeführten Reaktionen
sowie die Berichterstattung in der Presse in den Jahren nach dem Bosman-Urteil,
so fällt eines deutlich auf. Während die Kritik am Verbot der Transferregelungen
immer wieder mit Tatsachen und Zahlen versucht wird zu belegen, werden im
Falle der Ausländerklauseln lediglich Behauptungen aufgestellt, die bislang noch
nicht bewiesen bzw. widerlegt wurden. Es wird offensichtlich vorausgesetzt, dass
die Behauptung stimme, eine hohe Zahl an ausländischen Spieler beeinträchtige
die Identifikation der Fans. Ein anderer Grund könnte sein, dass die hohen
Zuschauerzahlen sowie die guten Einschaltquoten bezüglich der
Fernsehberichterstattung bislang noch keinen Anlass gaben, die Identifikation der
Fans zu untersuchen, da sie zumindest wirtschaftlich keine negativen Spuren
hinterlassen hat. Die Untersuchung der vorliegenden Arbeit zielt daher darauf ab,
diese Lücke zu schließen.
Die Arbeit ist in drei Teile unterteilt. Im ersten Teil werden nach einer detaillierten
Beschreibung des Falles, der zum Bosman-Urteil führte, die Gründe erläutert, wie
der Sport Gegenstand der europäischen Rechtsprechung werden konnte. Es ist
als Teil einer Entwicklung zu verstehen, die der Sport in den letzten Jahrzehnten
durchgemacht hat. Durch zunehmende Professionalisierung und
Kommerzialisierung hat der Sport Eingang in klassische juristische Tätigkeitsfelder
wie Arbeits- und Wirtschaftsrecht gefunden und somit befassen sich die Gerichte
in ebenso zunehmendem Maße mit ihm. Hier wird auch die Frage beantwortet,
inwiefern Sportler vor dem nationalen und europäischen Recht als Arbeitnehmer
gelten, da dies für das Verständnis des Bosman-Urteils von Bedeutung ist.
Das letzte Kapitel des ersten Teils der Arbeit befasst sich mit den Konsequenzen
des Bosman-Urteils für den Sport in Europa. Hier wird deutlich, dass es sich um
ein mehrdimensionales Problem handelt, da die Auswirkungen verschiedene
Bereiche betreffen. Zum einen hat das Urteil juristische Konsequenzen, da die
Organisation des Profifußballs, aber auch des gesamten professionellen Sports in
Europa verändert werden musste. Das gilt sowohl für nationale als auch für pan-
europäische Verbandsstatuten und ­satzungen. Die Konsequenzen sind ebenso
ökonomischer Natur, da Transfersummen nach Ablauf eines Spielervertrages

16
fortan wegfallen und den Vereinen nicht mehr zur Verfügung stehen. Zudem
können die Spieler nun mit dem Druckmittel des ablösefreien Wechsels höhere
Verträge aushandeln, was zu höheren Personalkosten führt. Auf der anderen
Seite stiegen die Ablösesummen bei einem Wechsel aus einem laufenden Vertrag
immens, was auch nicht ohne wirtschaftliche Folgen geblieben ist. Nicht zuletzt
aber hat das Urteil Auswirkungen auf den Sport direkt, da die Anzahl
ausländischer Spieler in der Folge stark anstieg und bis heute auf hohem Niveau
in fast allen europäischen Ligen ist. Die Konkurrenzsituation ist somit größer
geworden.
Der zweite Teil der Arbeit befasst sich mit der theoretischen Grundlage der sich
anschließenden Untersuchung. Hier wird neben der Definition des Begriffes
Identifikation die Frage beantwortet, was die soziale Identität des Menschen
beinhaltet und in welchem Zusammenhang sie mit der Unterstützung eines
Fußballvereins durch Fans steht. Grundlage der theoretischen Überlegungen ist
die Theorie der sozialen Identität des englischen Psychologen H. Tajfel. Sie legt
dar, dass der Mensch seine soziale Identität durch die Mitgliedschaft in sozialen
Gruppen festlegt. Entscheidend für das Zugehörigkeitsgefühl in einer sozialen
Gruppe ist deren Erfolg im so genannten Intergruppenvergleich oder anders
formuliert deren Beitrag zu einem positiven Selbstkonzept des Individuums.
Die Theorie der sozialen Identität wird im Hinblick auf das Thema der Arbeit durch
die Theorie der Organisations-Identifikation der amerikanischen Psychologinnen J.
Dutton, J. Dukerich und C. Harquail ergänzt; denn erst so kann die Frage
beantwortet werden, was Fußballvereine zu einer für die soziale Identität des
Individuums relevanten sozialen Gruppe macht. Der Theorie der Organisations-
Identifikation folgend, wird die Identifikation mit einer Organisation durch zwei
individuelle Images bestimmt, die der Fan von seinem Verein hat. Dabei geht es
vor allem darum, was die Person an dem betreffenden Verein als zentral,
überdauernd und einzigartig empfindet und wie der Verein das Image der Person
bei Außenstehenden beeinflusst. Als Ergebnis werden Motive von Fußballfans für
den Stadionbesuch antizipiert und die Frage beantwortet, was einen Fußballverein
für Fans attraktiv macht.
In diesem Kapitel wird zudem die für die Untersuchung wichtige
Orientierungshypothese aufgestellt, die im Kern mit den Behauptungen der Kritiker
des Bosman-Urteils übereinstimmt (siehe oben). Sie geht davon aus, dass das
Luxemburger Urteil negative Auswirkungen auf die Identifikation von Fußballfans
mit ihren Vereinen hatte. Damit soll keine Richtung vorgegeben werden, sondern
es geht um die Verifizierung oder Falsifizierung dieser Hypothese. Davon
ausgehend werden im Folgenden gemäß der theoretischen Überlegungen
Hypothesen aufgestellt, die die Grundlage für den zur Anwendung kommenden
Fragebogen bilden.

17
Auf der Grundlage der theoretischen Überlegungen wird im dritten Teil der
Fragebogen entwickelt, der in der Untersuchung zur Anwendung kam. Dieser
wurde von insgesamt 609 Fans der Vereine Borussia Dortmund (Deutscher
Meister 2002), FC Schalke 04 (5. Platz), 1. FC Köln und SC Freiburg (beide
Vereine stiegen aus der Bundesliga ab) per Internet gegen Ende der Saison
2001/2002 beantwortet. Die Vereine wurden nach verschiedenen Kriterien
ausgesucht, die im entsprechenden Kapitel näher beschrieben werden.

18
2. Der Fall Bosman: Voraussetzungen und Folgen eines Urteils
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 15. Dezember 1995 ist besser
unter dem Namen "Bosman-Urteil" bekannt, weil es sich auf den Fall des
ehemaligen belgischen Fußballprofis J. M. Bosman bezieht. Die Ereignisse um
Bosman und der Urteilsspruch der Luxemburger Richter schufen einen
Präzedenzfall, der die Organisation des gesamten europäischen Profisports, völlig
veränderte und dessen Konsequenzen in vollem Umfang bis zum heutigen Tage
noch nicht ausreichend erfasst wurden. Im Folgenden sollen die Ereignisse und
Voraussetzungen, die Bosman dazu bewegten vor den EuGH zu ziehen,
dargelegt und erörtert werden.
J. M. Bosman war in der Zeit zwischen 1988 und 1990 Spieler beim belgischen
Erstligaverein Racing Club de Liège. Sein Vertrag war befristet bis zum 30. Juni
1990 und sicherte ihm ein durchschnittliches Monatsgehalt von 120.000 BFR (ca.
6000). Da Bosman nie zu den herausragenden Spielern im belgischen Fußball
gezählt hat, war er innerhalb der zwei Jahre seiner Verpflichtung beim RCL die
meiste Zeit nur Ersatzspieler. Es ist anzunehmen, dass der Verein aufgrund
dieser Tatsache auf eine Vertragsverlängerung mit Bosman verzichten wollte.
Dies war aber laut den zum Zeitpunkt der Ereignisse gültigen Regelungen des
belgischen Fußballverbandes (URBSFA) nicht so einfach möglich; demnach
musste nämlich ein Verein bis zum 26. April eines Kalenderjahres dem
betreffenden Spieler einen neuen Vertrag anbieten, insofern dessen alter Vertrag
zum 30. Juni
1
des selben Jahres auslief. Am 21. April 1990 unterbreitete der RCL
Bosman einen Vertrag zu aus seiner Sicht indiskutablen Konditionen: Sein
Monatsgehalt sollte von 120.000 BFR (ca. 6000) auf 30.000 BFR (ca. 750)
gekürzt werden. Bei diesem Betrag handelte es sich um den von der URBSFA
vorgesehenen Mindestlohn für Fußballprofis. Es drängt sich also der Verdacht auf,
dass es sich bei dieser Offerte des Vereins lediglich um ein Alibiangebot handelte,
da er durch die Verbandssatzung dazu verpflichtet war, dem Spieler einen neuen
Vertrag zu unterbreiten. Daraufhin wollte Bosman den Verein verlassen. Wie in
einem solchen Fall üblich, wurde der Spieler auf die Transferliste gesetzt und war
somit frei für einen sogenannten ,,Zwangstransfer", d.h. für einen Transfer, ,,der
ohne Zustimmung des Vereins, dem der Spieler angehört, vorgenommen werden
kann" (EuGH, Rechtssache C-415/93, S. 1-5). Auch diese Regelung war in der
Satzung des belgischen Fußballverbandes verankert. Ebenfalls vorgesehen war
aber, dass der alte Verein vom neuen Verein eine so genannte
,,Ausbildungsentschädigung" erhielt, die nach einem bestimmten Schlüssel
errechnet wurde. Bosmans Ablösesumme wurde auf 11.743.000 BFR (ca.
300.000) festgesetzt, eine Summe, die angesichts der Tatsache, dass Bosman
1 Da die Saison in den meisten Ländern Europas im Frühsommer endet, sind die Verträge, die
zum Ende einer Saison auslaufen, in der Regel bis zum 30. Juni eines Jahres befristet.

19
nicht sehr häufig eingesetzt wurde, für damalige Verhältnisse relativ hoch war.
Wahrscheinlich war das der Grund, weshalb an einem Transfer von Seiten
anderer Vereine kein Interesse bekundet wurde.
Auf der Suche nach einem neuen Arbeitgeber nahm J. M. Bosman von sich aus
Verhandlungen mit dem französischen Zweitligaverein US Dunkerque (USD) auf.
Beide Seiten einigten sich auf einen Vertrag, der Bosman ein Monatsgehalt von
100.000 BFR (ca. 2500) sowie einen einmalig zu zahlenden Betrag von 900.000
BFR (ca. 22.500) zusicherte. Die beiden Vereine schlossen darüber hinaus am
27. Juli 1990 einen weiteren Vertrag, der die Wechselmodalitäten regeln sollte.
Man einigte sich auf einen so genannten zeitweiligen Transfer, d.h. der Spieler
wurde für die Dauer von einem Jahr vom RCL an den USD ,,ausgeliehen". Dafür
sollte der französische Verein 1.200.000 BFR (ca. 30.000) an den RCL zahlen.
Des Weiteren erhielt die USD durch diesen Vertrag nach dessen Ablauf die Option
auf einen endgültigen Transfer Bosmans.
Bedingung für das Inkrafttreten des Vertrages, und somit für die Beschäftigung
Bosmans, war allerdings, dass die URBSFA dem französischen Fußballverband
(FFF) den in einem solchen Fall notwendigen Freigabeschein bis zum 2. August
1990, dem Tag des ersten Saisonspiels in der zweiten französischen Liga in der
Spielzeit 1990/91, zustellen würde. Das wurde allerdings vom RCL verhindert, da
ihm plötzlich Zweifel an der Zahlungsfähigkeit der USD aufkamen. Das war
möglich, weil grenzüberschreitende Wechsel stets der Zustimmung des
,,abgebenden" nationalen Verbandes, in diesem Fall des belgischen
Fußballverbandes, bedurften (Eilers 1996, S. 40 f.). Die USD hatte in einer Art
"Goodwill-Aktion" bereits vor Ablauf des Transfers einen Scheck über die
Ablösesumme an den RCL geschickt, um zu demonstrieren, dass man es mit der
Verpflichtung von Bosman Ernst meint. Da es sich aber nur um einen
symbolischen Scheck handelte, war er zunächst nicht unterschrieben. Die
Verantwortlichen des RCL zogen daraus den Fehlschluss, dass die USD
zahlungsunfähig sei. Beide Verträge, der zwischen J. M. Bosman und der US
Dunkerque sowie jener zwischen den beiden Vereinen, wurden von Seiten des
französischen Vereins daraufhin gelöst. Darüber hinaus wurde Bosman auf Antrag
des Racing Club de Liège am 31. Juli 1990 gesperrt und war somit während der
gesamten Saison 1990/91 unverschuldet nicht in der Lage, seinem Beruf als
Fußballspieler nachzugehen. Die Möglichkeit einen Spieler zu sperren, wenn ein
Spieler das Angebot vom abgebenden Verein ablehnte und auch nicht über einen
Transfer den Verein wechseln konnte, ist eine Besonderheit des belgischen
Fußballverbandes und beispielsweise von den Statuten des DFB nicht
vorgesehen (Arens 1996, S. 39).
Faktisch kam die Sperre somit einem zeitweiligen Berufsverbot gleich. Dagegen
reichte Bosman am 8. August 1990 Klage gegen den RCL beim Tribunal de
première instance in Lüttich ein, über die im Hauptsacheverfahren entschieden

20
werden sollte. Gleichzeitig mit der Klage wollte er im Zuge eines Eilverfahrens
eine einstweilige Anordnung erwirken, die den RCL und die URBSFA
verpflichteten, ihm für entgangene Gehälter einen Vorschuss von monatlich
100.000 BFR ( 2500) zu leisten, bis er einen neuen Arbeitsplatz gefunden habe.
Zweitens wollte er auf dem gleichen Wege erwirken, dass es sowohl dem Verband
als auch dem Verein untersagt würde, ,,seine Einstellung - insbesondere durch
Verlangen einer Geldsumme - zu behindern" (EuGH 1995, Randnr. 34).
Außerdem sollte der Europäische Gerichtshof die Transferregeln der URBSFA
und somit auch der UEFA auf die Vereinbarkeit mit Artikel 48 des Vertrages über
die Europäische Union prüfen, der die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb
der EU garantiert. Diesem Anliegen wurde am 9. November 1990 in allen Punkten
stattgegeben, mit der Einschränkung, dass sich die Summe, die der belgische
Fußballverband und der RCL an Bosman als Vorschuss zu zahlen habe, am
vorgesehenen Mindestlohn von 30.000 BFR (ca. 750) orientieren solle. Diese
einstweilige Anordnung wurde vom Berufungsgericht, dem Cour d'appel Lüttich
am 28. Mai 1991 bestätigt. Besondere Beachtung verdient in diesem
Zusammenhang die Auffassung des Gerichts, dass es Grund zu der Annahme
gebe, es habe hinsichtlich der Beschäftigung Bosmans bei einem anderen
europäischen Verein zwischen diesen eine Art Gentleman-Agreement bestanden.
Er sei "trotz des durch den Beschluss über die einstweilige Anordnung gewährten
,,Freiraums" einem Boykott seitens aller europäischen Vereine, die ihn hätten
verpflichten können, ausgesetzt" (EuGH, 1995, Randnr. 37) gewesen.
Am 3. Juni 1991 trat die URBSFA dem RCL im Hauptsacheverfahren vor dem
Tribunal de première instance Lüttich als Streithelferin bei. Am 20. August
desselben Jahres beantragte Bosman durch seine Anwälte die Einbeziehung der
UEFA in das Verfahren. Somit erhob er unmittelbar Klage gegen den
europäischen Fußballverband (Wuttke 1996, ohne Seitenangabe). Erweitert wurde
diese durch die am 9. April 1992 eingereichten Anträge gegen die UEFA und die
URBSFA, die Ausländerklauseln der Fußballverbände auf den Fall Bosman für
nicht anwendbar zu erklären. Des Weiteren verlangte er, dass das Gericht ihm die
Summe von 11.368.350 BFR (ca. 284.000) Schadensersatz sowie eine Summe
von 11.743.000 BFR (ca. 293.500) für den seit dem Scheitern des Transfers zur
US Dunkerque entstandenen Verdienstausfall zusprechen möge. Entscheidender
aber war der Antrag, dem EuGH die Frage nach der Vereinbarkeit der
Ausländerklauseln und der Rechtmäßigkeit von Ablösesummen mit dem EU-
Vertrag zur Vorabentscheidung vorzulegen. Am 11. Juni 1992 erklärte sich das
Tribunal de premiere instance für zuständig und ersuchte den Europäischen
Gerichtshof um Auslegung der Artikel 48, 85 und 86 des EG-Vertrages
2
. Obwohl
2 Die Artikel regeln die Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art. 48 nun 39) bzw. verbieten Absprachen
zwischen Unternehmen (Art. 85 nun 81) und das Ausnutzen einer Monopolstellung (Art. 86 nun
82). Zum Zeitpunkt der Verhandlung galt die Nummerierung des Vertrages von Maastricht.

21
die URBSFA und die UEFA gegen diese Entscheidung vor dem Cour d'appel (der
zweiten gerichtlichen Instanz in Belgien) Berufung einlegten, wurde die
erstinstanzliche Entscheidung von diesem bestätigt. Der Cour d'appel legte darauf
hin dem EuGH folgende Fragen zur Auslegung in Bezug auf die Artikel 48, 85 und
86 des EGV vor:
"Ist es verboten, dass ein Fußballverein bei der Verpflichtung eines seiner Spieler,
dessen Vertrag endet, durch einen anderen Verein die Zahlung eines Geldbetrages
verlangen und entgegennehmen kann?
Ist es verboten, dass die nationalen und die internationalen Sportvereinigungen oder
Sportverbände in ihren Regelungen Bestimmungen vorsehen können, die den
Zugang ausländischer Spieler, die der Europäischen Gemeinschaft angehören, zu
den von ihnen veranstalteten Wettbewerben beschränken?" (Wuttke 1996, o.S.).
Der EuGH urteilte daraufhin am 15. Dezember 1995 wie folgt:
1)
Artikel 48 EWG-Vertrag steht der Anwendung von durch Sportverbänden
aufgestellten Regeln entgegen, nach denen ein Berufsfußballspieler, der
Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, bei Ablauf des Vertrages, der ihn an einen
Verein bindet, nur dann von einem Verein eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt
werden kann, wenn dieser dem bisherigen Verein eine Transfer-, Ausbildungs-, oder
Förderungsentschädigung gezahlt hat.
2)
Artikel 48 EWG-Vertrag steht der Anwendung von durch Sportverbänden
aufgestellten Regeln entgegen, nach denen die Fußballvereine bei den Spielen der
von diesen Verbänden veranstalteten Wettkämpfe nur eine begrenzte Anzahl von
Berufsspielern, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind, aufstellen können.
3)
Die unmittelbare Wirkung von Artikel 48 EWG-Vertrag kann nicht zur Stützung
von Ansprüchen im Zusammenhang mit einer Transfer-, Ausbildungs- oder
Förderungsentschädigung herangezogen werden, die zum Zeitpunkt des
vorliegenden Urteils bereits gezahlt worden ist oder die zur Erfüllung einer vor diesem
Zeitpunkt entstandenen Verpflichtung noch geschuldet wird; dies gilt nicht für
Rechtssuchende, die vor diesem
Zeitpunkt nach dem anwendbaren nationalen Recht
Klage erhoben oder einen gleichwertigen Rechtsbehelf eingelegt haben
(EuGH 1996,
Randnr. 147).
Dieser Eingriff der Rechtsprechung in die Organisation des Sports in Europa wirft
die Frage auf, wie eine solche Entwicklung möglich war. Die Voraussetzungen für
dieses Urteil sind vor allem auf zwei Feldern zu finden. Es kann als Folge eines
veränderten Sportverständnisses sowie der zunehmenden Professionalisierung
und einer damit einhergehenden Verrechtlichung des Sports angesehen werden.
Zudem wurden durch die europäische Integration und die sie begleitenden
Verträge die rechtlichen Voraussetzungen für das Urteil geschaffen.
3. Das Bosman-Urteil als Folge der Verrechtlichung des Sports

22
Der Zusammenhang zwischen Sport und Recht ist nicht auf den ersten Blick
einsichtig, versteht man doch unter dem Begriff Sport zunächst eine
bewegungsintensive Freizeitaktivität mit hohem Gesundheitswert (Freizeitsport)
bzw. eine von Spitzenkönnern betriebene Tätigkeit mit dem Ziel der
Leistungsoptimierung und des Gewinnens (Leistungssport). Welche Definition von
Sport man auch heranzieht, eines haben sie alle gemeinsam, nämlich dass die
Aktivität und die Bewegung im Vordergrund stehen. Auf dieser Grundlage
erscheint es weit hergeholt, dass er Gegenstand der Rechtsprechung sein soll.
Trotzdem befassen sich immer mehr Gerichte mit Fällen, die im Zusammenhang
mit dem Sport stehen. Somit handelt es sich beim ,,Sport" um einen Begriff der
Rechtsordnung (Ketteler 1997, S. 74). Der Einfluss der Rechtsprechung wird erst
deutlich, wenn man sich vor Augen führt, welche Bereiche des öffentlichen Lebens
der Sport in seinen unterschiedlichen Ausprägungen berührt. Beispielsweise
benötigt man zur Ausübung von Sport Flächen und Raum. So unterliegt der Bau
von Sportstätten neben der an sich schon juristisch beeinflussten Normierung von
Anlagen und Geräten, einer Reihe von Umweltschutzgesetzen (Streinz 1998, S.
14). Das Gleiche gilt für Sportarten, die in der freien Natur ausgeübt werden (z.B.
Wassersport). In ausgewiesenen Natur- und Landschaftsschutzgebieten ist das
Sporttreiben strengen gesetzlichen Regelungen unterworfen, deren
Zuwiderhandlung meist mit empfindlichen Strafen entgegen getreten wird. Ein
anderes Beispiel, das den Einfluss des Rechts auf den Sport verdeutlicht, sind
solche Sportarten, in denen Tiere zum Einsatz kommen (v.a. Pferde und Hunde).
Hier sind es besonders tierseuchenrechtliche, tierzüchterische und genealogische
Vorschriften sowie Bestimmungen, die den Handel mit Tieren regeln, welche dem
Sport einen eng gefassten Rahmen auferlegen (Europäische Kommission 1994).
Weiterhin berührt der Sport verschiedene Sektoren des öffentlichen Lebens, wie
Schule und Erziehung, Presse, Rundfunk und Fernsehen, gewerbliche Wetten,
Infrastruktur etc. Alle diese Bereiche sind gesetzlich geregelt, sodass die
diesbezüglichen Verordnungen auch für den Sport relevant sind. Im Falle des
professionell betriebenen Sports greifen die Gesetze, die dem Wirtschaftsrecht
zugeordnet werden können. Für die vorliegende Arbeit von besonderer Wichtigkeit
sind arbeitsrechtliche Bestimmungen, da auch Sportler wie J. M. Bosman als
Arbeitnehmer anzusehen sind.
Die Frage ist nun, an welcher Stelle das Europäische Recht den Sport berührt,
denn er fand in den der EU zu Grunde liegenden Verträgen zunächst keine
Erwähnung. Weder im EGKS-Vertrag vom 18. April 1951 noch in den Römischen
Verträgen über die Gründung einer Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und
einer Europäischen Atomgemeinschaft ist der Sport Gegenstand von vertraglichen
Regelungen. Das ist dadurch zu erklären, dass die Vertragswerke originär
wirtschaftliche Absichten verfolgten. Der Sport war zu diesem Zeitpunkt noch kein
nennenswerter wirtschaftlicher Faktor, da dessen Professionalisierung in den

23
1950er Jahren noch nicht weit fortgeschritten war. Viele Berufe im Sportsektor
existierten noch nicht. Auch die Sportartikelindustrie war vergleichsweise klein.
Unverständlich erscheint in diesem Zusammenhang, dass der Sport auch im
Vertrag von Maastricht, der am 1. November 1993 in Kraft trat, nicht explizit
erwähnt wurde. Die Professionalisierung sowohl im Bereich des Profisports als
auch im Freizeitsport mit der immer größer werdenden Zahl sportbezogener
Berufe und Dienstleistungsangebote hatte zu diesem Zeitpunkt bereits Ausmaße
angenommen, die eigentlich eine Miteinbeziehung dieses Bereichs notwendig
gemacht hätten. Gleichfalls wurde durch diese Vernachlässigung der
gesellschaftlichen Rolle des Sports in keiner Weise Rechnung getragen. Das ist
vor allem deswegen verwunderlich, weil von Seiten der Europäischen Union seine
wichtige Rolle beim Aufbau einer europäischen Identität immer wieder betont wird.
Er wird als eine Art Einigungskatalysator mit hohem sozialen, wirtschaftlichen
politischen und kulturellen Stellenwert angesehen (Akademie des rheinland-
pfälzischen Sports 1992, S. 21). Erwähnt wurde er erst in der Neufassung der EU-
Verträge, dem Amsterdamer Vertrag, hier aber auch nur in Form einer Erklärung
3
der Regierungskonferenz vom 2. Oktober 1997, die diesen Vertrag ausgearbeitet
hat:
Die Konferenz unterstreicht die gesellschaftliche Bedeutung des Sports,
insbesondere die Rolle, die dem Sport bei der Identitätsfindung und der Begegnung
der Menschen zukommt. Die Konferenz appelliert daher an die Gremien der
Europäischen Union, bei wichtigen, den Sport betreffenden Fragen die Sportverbände
anzuhören. In diesem Zusammenhang sollten die Besonderheiten des Amateursports
besonders berücksichtigt werden (Bundeszentrale für politische Bildung 1999, S.
325).
Dieser recht allgemeine Text verdeutlicht allerdings das gesamte Ausmaß der
Auswirkungen des europäischen Einigungsprozesses für den Bereich des Sports
nur unzureichend. Es wird lediglich anerkannt, dass der Sport eine große
gesellschaftliche Bedeutung hat, die bei der europäischen Integration nutzbar
gemacht werden kann (Tokarski, Steinbach, Petry & Jesse 2004, S. 69). Daraus
entstehen aber dennoch weitreichende Verpflichtungen für die EU gegenüber dem
Sport.
Von viel größerer Tragweite für die Organisation des Sports in Europa sind aber
jene allgemeinen Gesetze, die ihn immer dann betreffen, wenn er mit der Politik
der Europäischen Union und so mit den Regelungen der Verträge in Verbindung
gebracht werden kann.
Sport ist nicht eindimensional im Sinne des "Aktivsports"
zu betrachten. Vielmehr ranken sich um ihn eine ganze Reihe von Feldern, die
seine Organisation, seine Vermarktung, seine Funktion als Wirtschaftsfaktor und
Arbeitgeber sowie die Forschung und Wissenschaft betreffen. Diese Bereiche
3Der Vertrag von Amsterdam enthält insgesamt 51 Erklärungen, die von der Regierungskonferenz
angenommen sowie 8 weitere, die von ihr zur Kenntnis genommen wurden. Diese Erklärungen
enthalten Klarstellungen und Empfehlungen zu den Regelungen des Vertragswerks.

24
fallen in den meisten Fällen unter die Bestimmungen des EG-Vertrages (EGV).
Mit den Verträgen wurden Regelungen bezüglich der Kompetenzen der EU in
bestimmten politischen Feldern und Sachverhalten in Kraft gesetzt. Die wohl
tiefgreifendsten Veränderungen im Sport werden durch die wirtschaftlichen
Neuregelungen im Sinne des gemeinsamen europäischen Marktes sowie die
garantierten Grundrechte hervorgerufen (Tokarski et al. 2004, S. 81). Hier sind
besonders die den Sport betreffenden Binnenmarktaspekte von Bedeutung. Eine
von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebene Studie über den Einfluss
der Tätigkeiten der Europäischen Union auf den Sport von 1994 beschreibt
folgende Berührungspunkte der EU-Politik mit dem Sport:
- Personenfreizügigkeit und freier Dienstleistungs- und Warenverkehr,
- die Wettbewerbsregeln,
- die Steuervorschriften,
- der Sport der Behinderten,
- EU-Finanzierungsquellen für den Sport,
- Tiere im Sport,
- die Umweltpolitik (Europäische Kommission, 1994).
Die Bedeutung der Freizügigkeit und des freien Dienstleistungs- und
Kapitalverkehrs wird dadurch deutlich, dass dieser Bereich im Amsterdamer
Vertrag als eine der ,,Grundlagen der Europäischen Union" (ebd, S. 16)
bezeichnet wird. Sie wird demnach als eine Notwendigkeit für die Vollendung des
Binnenmarktes betrachtet. Artikel 39 regelt beispielsweise die Freizügigkeit der
Arbeitnehmer. Demnach hat jeder Arbeitnehmer das Recht, ein
Beschäftigungsangebot in einem anderen Mitgliedsstaat der EU und seinen
Wohnsitz in diesem Land anzunehmen:
"Art 39
(ex-Artikel 48)
(1) Innerhalb der Gemeinschaft ist die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gewährleistet.
(2) Sie umfasst die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden
unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedsstaaten in Bezug auf
Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen. [...]" (Bundeszentrale
für politische Bildung 1999, S. 72).
Im Sport findet dieser Artikel auf alle Beschäftigungsverhältnisse Anwendung.
Dabei ist es unerheblich, ob es sich um einen Skilehrer, einen
Sportartikelverkäufer oder einen Profisportler (z.B. Fußballspieler) handelt. Auf der
Grundlage dieses Artikels hat der Europäische Gerichtshof im Fall Bosman am
15.12.1995 die Beschränkungen für ausländische Profisportler sowie
Ablösesummen nach Ablauf eines Vertrages für illegal erklärt.
Gleiche Rechte garantiert Artikel 43 EGV Personen, die in einem anderen
Mitgliedstaat einer selbstständigen Tätigkeit nachgehen:

25
Artikel 43
(ex-Artikel 52)
Die Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen im
Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaates sind nach Maßgabe der folgenden
Bestimmungen verboten. [...] (ebd., S. 73).
Darüber hinaus gewährleistet Artikel 49 den freien Dienstleistungsverkehr, womit
gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche und freiberufliche Tätigkeiten gemeint
sind. Vor allem Letztere betreffen unmittelbar sportbezogene Berufe:
Artikel 49
(ex-Artikel 59)
Die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft
für Angehörige der Mitgliedsstaaten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als
demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, sind nach Maßgabe der
folgenden Bestimmungen verboten
(Bundeszentrale für politische Bildung 1999, S.
74).
Bei näherer Betrachtung der oben genannten Artikel des Amsterdamer Vertrages
wird deutlich, dass diese in erster Linie den Profisport bzw. immer dann den Sport
betreffen, wenn durch ihn einer Erwerbstätigkeit nachgegangen wird. Im ersten
sportbezogenen Verfahren, das am 12.12.1974 verhandelt wurde, der
Rechtssache 36/74 Walrave & Koch/ A.U.C.I.
4
, beantwortete der EuGH die
Grundsatzfrage, inwieweit der Sport vom EG-Vertrag erfasst wird:
Angesichts der Ziele der Gemeinschaft unterfallen sportliche Betätigungen nur
insoweit dem Gemeinschaftsrecht, als sie einen Teil des Wirtschaftslebens im Sinne
von Artikel 2 des Vertrages ausmachen. Lässt sich eine solche Betätigung als
entgeltliche Arbeits- oder Dienstleistung kennzeichnen, so gelten für sie je nach Lage
des Einzelfalles, die besonderen Vorschriften der Artikel 48 bis 51 oder 59 bis 66 des
Vertrages (Streinz 1998, S. 25).
Dass das im Falle des Profifußballs zutrifft, wird angesichts der teilweise hohen
Gehälter von Fußballspielern der ersten Ligen in Europa niemand bezweifeln.
Zieht man dann noch den Zeitaufwand der Profis für das tägliche Training und für
die Durchführung von Meisterschaftsspielen für ihren Verein in Betracht, dann ist
klar, dass die Spieler mit dem Fußball einer Erwerbstätigkeit nachgehen, mit der
sie ihren Lebensunterhalt verdienen. Der EuGH hat im Falle Bosman deswegen
jeden Einwand zurückgewiesen, der Berufsfußball falle aufgrund der
charakteristischen Eigenschaften des Profisports nicht in den Anwendungsbereich
des Art. 39. Arbeitnehmer ist nach Auffassung des Gerichtshofes ,,jeder, der für
einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als
4Im Fall Walrave & Koch stand die Frage zur Verhandlung, ob bei Weltmeisterschaften im
Steherrennen der Schrittmacher dieselbe Staatsangehörigkeit haben muss wie der Radsportler.
Die Klage wurde abgewiesen, da nicht nachgewiesen werden konnte, dass die Kläger den Sport
berufsmäßig ausübten (EuGH, Rs. 36/74, Slg. 1974).

26
Gegenleistung eine Vergütung erhält" (Fischer, H.G. 1996, S. 34). Entscheidender
Punkt, der einen bei einem Verein beschäftigten Berufsfußballer als Arbeitnehmer
im Sinne von Art. 39 EGV ansieht, ist in diesem Zusammenhang die Tatsache,
dass die vom Sportler erbrachte Leistung entlohnt wird. Das erfüllt nach
Auffassung des EuGH das zur Anwendung des EG-Vertrags notwendige Kriterium
einer Teilnahme am Wirtschaftsleben (ebd., S. 34). Die von Sportverbänden
bezüglich Berufssportler aufgestellten Regeln sind daher nicht mehr trennscharf
rein sportlicher Natur, sondern betreffen auch wirtschaftliche Aspekte. Bei der
Anwendung von Art. 39 ist es zudem unerheblich, ob die Arbeitsbedingungen für
Berufsfußballer öffentlich-rechtlich (d.h. per Gesetz) oder wie in Europa üblich
privatrechtlich (durch Verbandstatuten) geregelt sind. Die durch diesen Artikel
garantierte Freizügigkeit erfasst sowohl staatliche Vorschriften als auch
Regelungen, die von Privatpersonen zum Zwecke der Regelung des
Arbeitslebens aufgestellt wurden (Fischer 1996, S. 35). Aus diesen Gründen ist
Art. 39 EGV auf die für den Berufsfußball geltenden Regeln anwendbar.
Ein Problemfeld tut sich also immer dann auf, wenn Verbandsregelungen,
sozusagen das von den Verbänden selbst geschaffene Sportrecht, vom
staatlichen oder überstaatlichen Recht aufgehoben werden bzw. mit ihm in
Konflikt geraten. Das Bosman-Urteil ist das folgenreichste und bekannteste
Beispiel für den Eingriff staatlicher gesetzgebender Organe in das Sportrecht, da
sich die Organisation des professionell betriebenen Sports in der Folge
grundlegend ändern musste. Versuche von Sportverbänden und
Sportfunktionären, Ausnahmeregelungen zu erreichen oder zumindest, wie es in
der deutschen Fußballbundesliga geplant war, durch eine freiwillige Begrenzung
der Zahl der ausländischen Spieler die sich spätestens seit Beginn der 70er Jahre
abzeichnende
Entwicklung im Profisport umzukehren, scheiterten allesamt. Eine
Selbstbeschränkung der Vereine, wie sie von G. Mayer-Vorfelder (heute Präsident
des DFB), gefordert wurde, war nicht zu verwirklichen, da viele Vereine eine
,,Solidaritätsaktion" ablehnten (Wuttke 1996, o.S.). So ließ beispielsweise der 1.
FC Köln in der betreffenden Saison 1995/96 die EU-Ausländer Polster
(Österreich), Goldbæk und Andersen (Dänemark) nach dem Urteil zusammen mit
dem Rumänen Munteanu und dem Nigerianer Oliseh spielen. Dieses Beispiel
verdeutlicht, dass es im Konkurrenzkampf der Fußballbundesliga, wo die Vereine
neben sportlichen auch wirtschaftliche Interessen verfolgen, eine
Selbstbeschränkung, bei der die Vereine bewusst eine Schwächung ihrer eigenen
Position in Kauf nehmen, utopisch ist.
Die genannten Fälle zeigen, wie der Sport immer mehr Gegenstand der
Rechtsprechung geworden ist. Auffallend ist dabei, dass der Einfluss der
staatlichen Rechtsprechung auf den Sport immer dann besonders groß ist, wenn
wirtschaftliche Aspekte im Spiel sind. Somit kann man die Hypothese aufstellen,
dass die zunehmende Professionalisierung und Ökonomisierung die größer

27
werdende Verrechtlichung des Sports begünstigt haben. Das Bosman-Urteil ist als
eine Konsequenz von Veränderungen innerhalb des Sports anzusehen und nicht,
wie häufig behauptet wird, als eine Veränderung der Rechtsprechung. So spricht
der Generalsekretär der UEFA, G. Aigner, von einem ,,neuen Tätigkeitsfeld für
Juristen" (Wuttke 1996, o.S.) und stellt fest, dass diese immer mehr einen Weg in
den Fußball fänden und ,,alles umhauen" (ebd.). Das folgende Kapitel erörtert
Ursachen für die Ökonomisierung des Sports und erläutert, inwieweit der Sport
durch diesen Prozess zum ,,Tätigkeitsfeld für Juristen" wurde.
3.1 Kommerzialisierung als Ursache für den wachsenden Einfluss der
Rechtsprechung auf den Sport
Der in den letzten Jahren immer rasanter werdende Wandel vom Sport als
Freizeitaktivität zum Wirtschaftsfaktor hat immer mehr Rechtsfragen aufgeworfen,
mit denen sich Gerichte beschäftigen müssen. Der Sport war lange Zeit geprägt
durch geringen Faktoreinsatz. Es genügte den ,,Feierabendsportlern" (im positiven
Sinne), mit wenigen Ressourcen ihren Sport in der Freizeit zu betreiben. Geringe
Beiträge reichten in der Regel aus, um die Organisation des meist in Vereinen
durch ehrenamtliche Mitarbeiter betriebenen Sports sicherzustellen (Büch 1996,
S. 23). Amateurgedanke, Idealismus und Werberestriktionen grenzten den Sport
bewusst als Gegenwelt von ,,Beruf, Markt und Gelderwerb" ab (Heinemann 1996,
S. 245). Kennzeichnend für das Sportverständnis bis in die 1970er Jahre hinein
war in erster Linie der Leistungs- und Wettkampfgedanke, was als klassisches
Sportverständnis bezeichnet wird (Kurz 1986, 51f.). Als Prinzipien galten die
Überbietung, der Vergleich, die Normierung und Standardisierung von
Bewegungen, Räumen und Geräten zum Zwecke der Wettkampfgestaltung (ebd.,
S. 51). Es ist offensichtlich, dass ein solches Sportverständnis nur einen geringen
Teil der Bevölkerung ansprach (Rittner 1984, S. 45) und somit auch der durch den
Sport bedingte Konsum entsprechend klein war. Hinzu kommt, dass die Palette
der Sportangebote und der dazu notwendigen Sportstätten, -ausrüstungen etc.
sich auf die normierten Sportarten beschränkte. Alternative Sportformen, die das
heutige Bild des Freizeitsports prägen, waren unbedeutend (Mewes 1995, S. 12).
Der Sport hat sich aber immer parallel zur jeweilig vorherrschenden
Gesellschaftsform entwickelt. ,,Jede Zeit prägt ihren Sport, und das Wesen eines
jeden Volkes spiegelt sich in seinem Sport wider; er entspricht den Bedürfnissen
der jeweiligen Gesellschaftsordnung" (Deutscher Sportbund 1990, S. 2). So hat
sich in den letzten Jahrzehnten der Sport einhergehend mit einem sozialen
Wandel und einer grundlegenden Wandlung des Sportverständnisses weiter
entwickelt (Dietrich, Heinemann & Schubert 1990, S. 13). Wettkampf und Leistung
sind mittlerweile nur eine Seite, neben der sich andere Fassetten herausgebildet
haben, die weite Teile der Bevölkerung ansprechen. Sport hat sich zu einem

28
Massenphänomen, das durch die traditionellen Formen von Sportangeboten nicht
mehr ausreichend bewältigt werden kann (Wopp 1995, S. 38 ff.), gewandelt.
Das Angebot an Sportgelegenheiten (Heinemann 1996, S 29 ff)
5
, als eine
sportbezogene Produktgruppe hat sich stark vergrößert. Mit dem sozialen Wandel
sind neue Bewegungsformen zu den tradierten hinzugekommen bzw. sind an
deren Stelle getreten. Sie können als Ausdruck von neuen Lebensstilen in der
fortgeschrittenen Industriegesellschaft betrachtet werden (Rittner 1998, S. 28). So
haben sich beispielsweise Alternativen in Form von Trendsportarten
herausgebildet, die eine Erweiterung der Organisationsformen des Sports
hervorgerufen haben. Das ist notwendig, um die Interessen der Sporttreibenden
angemessen durchzusetzen und die steigende Zahl von Sportlern zu koordinieren.
Neue Sportangebote verlangen den Aus-, Um- oder Neubau von Sportstätten
(Dietrich & Heinemann 1989, S. 183 ff.). Mit den Anlagen verändert sich auch die
Infrastruktur, um dem breiteren Sportangebot Rechnung zu tragen. Eine weitere
Produktgruppe im Sport sind die Sportausrüstungen. Hierzu zählen Sportgeräte, -
kleidung, -zubehör und -ernährung. Neue Sportarten und Sportformen sowie die
immer größer werdende Zahl von Sportlern haben auch diesen Markt anwachsen
lassen. Im Jahr 1998 belief ich die ökonomische Bedeutung des Sports in
Deutschland auf 27 Mrd., was einem Anteil von 1,4 % des
Bruttoinlandsproduktes entspricht (Frick 2005, S. 11). Das breitere Sportangebot
mit immer mehr Sportkonsumenten bewirkt eine steigende Nachfrage nach
Dienstleistungen im Sportsektor. Eine Konsequenz daraus ist die vermehrte
Ausbildung und Prüfung von Übungsleitern und die Entstehung von immer mehr
sportbezogenen Berufen. Darunter fallen Diplomsportlehrer, Trainer, Übungsleiter,
Animateure, Ernährungs- und Gesundheitsberater und Betreuer. Im Jahr 1998
arbeiteten in den Sportvereinen und ­verbänden in der Bundesrepublik
Deutschland schätzungsweise 347.000 Erwerbstätige in sportbezogenen Berufen
sowie weitere 73.000 in erwerbswirtschaftlichen Sporteinrichtungen (ebd., S. 15).
Dazu kommen noch Beschäftigte im öffentlichen Dienst, einschließlich
Sportlehrer, sowie Erwerbstätige im Bereich der Produktion von Sportartikeln. An
diesen Zahlen wird deutlich, welche wirtschaftliche Bedeutung dem Sport
zukommt.
Des Weiteren gibt es Tätigkeiten, die nicht Teil des aktiven Sporttreibens sind,
sondern ,,erst in seinen Gefolge angeboten, bzw. nachgefragt werden"
(Heinemann 1996, S. 31), so genannte Anschlussprodukte. Dazu zählt der
passive Sportkonsum als Zuschauer, entweder direkt vor Ort, v.a. aber über das
Medium Fernsehen, der speziell in den letzten zehn Jahren sprunghaft gestiegen
ist. Mittlerweile werden nicht nur wichtige Sportveranstaltungen wie die
5 Der Autor unterscheidet vier sportbezogene Produktgruppen, die zusammen das "Wirtschaftsgut
Sport" bilden: 1. Sportgelegenheiten, 2. Sportausrüstungen, 3. Dienstleistungen und 4.
Anschlussprodukte.

29
Olympischen Spiele oder die Fußballweltmeisterschaften übertragen. Neben den
Spielen der 1. Fußballbundesliga gibt es bereits Live-Übertragungen von
Zweitliga- und Regionalligabegegnungen. Der Erwerb der Übertragungsrechte ist
mittlerweile ein Milliardengeschäft (Tokarski & Steinbach 2001, S. 104 f.).
Technische Neuerungen wie das Satellitenfernsehen machen es zudem möglich,
auch Sportveranstaltungen aus anderen Ländern wie die Fußballspiele der
englischen Premier League, der italienischen Serie A oder Basketball- und
Eishockeyspiele der nordamerikanischen Profiligen NBA bzw. NHL zu empfangen.
Im Bereich der Information über das Sportgeschehen spielen auch Printmedien
und Radio eine große Rolle. So gibt es in Deutschland neben Wochen- und
Monatszeitschriften wie Kicker, Sport-Bild und Sports, auch Spezialzeitschriften
für fast alle Sportarten. Die Fußballbundesligaradioreportage auf den Sendern der
ARD verfolgen jeden Samstag rund 12 Mio. Zuhörer (Birkenstock & Schäfer,
1999). Ein weiteres Anschlussprodukt sind Lotterien und Wetten, die auf
Vorhersagen von Wettkampfergebnissen basieren (Heinemann 1996, S. 31).
Sport Toto Wetten werden in Deutschland und fast allen Ländern der
Europäischen Union staatlich kontrolliert. Die Einnahmen aus diesen Wetten
fließen größtenteils in den Sport zurück. Sie kommen den Verbänden und der
Sporthilfe zu Gute.
Unter Anschlussprodukten versteht man weiterhin Werbung und Sportsponsoring,
mit denen Firmen und Konzerne die Popularität des Sports als Mittel der
Absatzförderung ihrer eigenen Produkte nutzen. Als Konsequenz haben sich
spezialisierte Unternehmen, wie Werbe- und PR-Agenturen gegründet, die das
Sponsoring professionell betreiben. Allein in der Dekade zwischen 1985 und 1995
stieg der Betrag, der dem Sport insgesamt durch Sponsoring zur Verfügung stand
von ca. 150 Mio. auf 900 Mio. Der Bereich des Sportsponsorings ist eine der
auffälligsten und am meisten diskutierten Entwicklungen des Sports in den letzten
Jahrzehnten. Amateuridealistische Leitideen verboten lange Zeit die
Professionalisierung des Sports und dessen Vermarktung. Die Amateurideale
hielten sich aber bis in die 1980er Jahre. Aus heutiger Sicht grotesk erscheint das
Beispiel des österreichischen Skiläufers Karl Schranz, der bei den Olympischen
Winterspielen 1972 im japanischen Sapporo erst gar nicht startberechtigt war, weil
er für eine Kaffeemarke Werbung gemacht hatte (ebd., S 250). Grund für derartig
restriktive Werbe- und Professionalisierungsrichtlinien war ursprünglich, den Sport
nicht für jede soziale Schicht zugänglich zu machen. Ein Beispiel dafür ist die
Entwicklung des Rugbysports im England des 19. Jahrhunderts. Rugby galt als
Sport der Oberschicht, deren Mitglieder sich aufgrund ihres Wohlstandes nicht
genötigt sahen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Anders sah es bei den
unteren sozialen Schichten aus. Spieler in Topmannschaften, die aus unteren
sozialen Schichten kamen, waren darauf angewiesen, für die Ausübung des
Sports Geld zu nehmen, da sie unter professionellen Bedingungen trainierten und

30
ihnen somit keine Zeit blieb, durch eine Arbeit ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
Der britische Rugbyverband, die Rugby Union (RU - gegründet 1871), verbot
aber, gegen Bezahlung zu spielen, wodurch untere soziale Schichten quasi
ausgeschlossen wurden. Konsequenz daraus war, dass im Jahre 1886 die Rugby
League (Brockhaus 1979, S. 388) gegründet wurde, die professionell ausgerichtet
war. Um die Spaltung von der RU zu konsolidieren, wurden zusätzlich die Regeln
verändert, sodass es heute zwei Varianten des Rugbysports gibt.
Ein weiterer Grund, weshalb die Professionalisierung des Sports lange Zeit
verhindert wurde, war die Befürchtung, mit der Finanzierung des Sports durch
Geldgeber von außen könne auch der Einfluss der Verbände und Funktionäre auf
die Gestaltung des Sports verloren gehen (Heinemann 1996, S. 245). Tatsächlich
nehmen Sponsoren Einfluss auf die Organisation des Sports. Auf der anderen
Seite gewährleistet das Sponsoring beispielsweise die Fortsetzung der
Olympischen Spiele, nachdem in den 1970er und 1980er Jahren kaum noch
Städte bereit waren, das mit der Ausrichtung verbundene finanzielle und
wirtschaftliche Risiko zu tragen (Höfer 1996, S. 5)
6
.
Professionalisierung im Sport umfasst ebenso die Entwicklung von
Amateursportlern zu ,,spezialisierten, sportberuflich ausgebildeten Athleten" (Büch
1996, S. 28), die Sport als Beruf ausüben. Da dieser Punkt für die vorliegende
Arbeit die wichtigste Ausprägung der Kommerzialisierung im Sport ist, wird dieses
Thema im Folgenden gesondert behandelt.
3.2 Sportler als Arbeitnehmer
Um nachvollziehen zu können, wie es zum Bosman-Urteil kam, steht eine Frage
im Mittelpunkt des Interesses: Wann gelten Sportler als Arbeitnehmer? Sie ist
deswegen von zentraler Bedeutung, weil sich J. M. Bosman bei seiner Klage vor
dem EuGH auf Art. 39 (damals Art. 48) des EG-Vertrages berief, der die
Freizügigkeit von Arbeitnehmern innerhalb der EU regelt (siehe oben). Da es sich
um ein Urteil handelt, das auf EU-Recht basiert, erscheint es angebracht, den
Arbeitnehmerbegriff zunächst im Lichte des Gemeinschaftsrechts zu definieren.
In der Begründung des Bosman-Urteils macht der Gerichtshof deutlich, dass es
sich bei der Freizügigkeit der Arbeitnehmer um eine grundlegende Freiheit im
System des Gemeinschaftsrechtes handelt und ein fundamentaler Grundsatz der
Europäischen Union ist (EuGH 1995, Randnr. 93). Entsprechend dem hohen
Stellenwert der Freizügigkeit ist es folglich die Aufgabe des Gerichtshofes,
Diskriminierungen von Arbeitnehmern aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit zu
unterbinden und Ausnahmefälle auf ein absolut nötiges Mindestmaß zu reduzieren
(Fischer, H. G. 1996, S. 34). In früheren Urteilen hat der EuGH eine Definition des
6 Los Angeles war der einzige Bewerber für die Sommerspiele 1984. Für die Spiele 1988
bewarben sich mit Seoul (Südkorea) und Nagoya (Japan) nur zwei Städte um die Ausrichtung.

31
Arbeitnehmerbegriffs vorgenommen, die für weitere Urteile als wegweisend
angesehen werden kann. Entscheidendes Kriterium ist dabei die Teilnahme am
Wirtschaftsleben im Sinne von Art. 2 des EG-Vertrages.
Artikel 2
(ex-Artikel 2)
Aufgabe der Gemeinschaft ist es, durch die Errichtung eines gemeinsamen Marktes
und einer Wirtschafts- und Währungsunion [...] in der ganzen Gemeinschaft eine
harmonische, ausgewogene und nachhaltige Entwicklung des Wirtschaftslebens, ein
hohes Beschäftigungsniveau und ein hohes Maß an sozialem Schutz [...] den
wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt und die Solidarität zwischen den
Mitgliedsstaaten zu fördern (Bundeszentrale für politische Bildung 1999, S. 56).
Sofern die Tätigkeit, die die betreffende Person ausübt, wirtschaftlicher Natur ist,
fällt sie unter den Anwendungsbereich des Art. 39 EGV. Wichtig ist dabei, dass
die Tätigkeit gegen Entgelt, unabhängig von dem Gebiet, auf dem sie erbracht
wird, erfolgt (Fischer, H.G. 1996, S. 34). Ähnlich definiert Schimke (1996, S. 13 f.)
den Status eines Arbeitnehmers. Arbeitnehmer ist demnach jeder, der einer
unselbstständigen, fremdbestimmten Erwerbstätigkeit nachgeht. Fremdbestimmt
heißt in diesem Zusammenhang, dass Tätigkeit und Arbeitszeit nicht frei bestimmt
werden können.
Daraus folgt eindeutig, dass auch Sportler, die gegen Bezahlung ihren Sport
ausüben, Arbeitnehmer im Sinne von Art. 39 EGV sind. Die Stellungnahme des
EuGH zu diesem Problem wurde bereits weiter oben in Bezug auf die
Rechtssache Walrave und Koch/ A.U.C.I. (1974) beschrieben. In einer weiteren
Rechtssache, dem Fall Donà/ Mantero
7
vom 14.7.1976 wurde ebenso festgestellt,
dass mit der ausgeübten Tätigkeit im bezahlten Fußball eine Teilnahme am
Wirtschaftsleben erfolgt (Europäische Kommission 1994, S. 20). Daraus folgt,
dass alle Regeln, die von Sportverbänden bezüglich des Profisports aufgestellt
werden, nie rein sportlicher Natur sind, sondern immer auch wirtschaftliche
Konsequenzen haben (Fischer, H.G 1996, S. 34). Der Gerichtshof hat
diesbezüglich festgestellt, dass der rein sportliche Charakter -und damit
verbunden die Nicht-Zuständigkeit des Gemeinschaftsrechtes- nur bei bestimmten
Begegnungen zu Tage tritt. Unter diese Ausnahmeregelung fallen nach
Auffassung des Gerichts die Spiele der Nationalmannschaften (Europäische
Kommission 1994, S. 20).
Eine ähnliche Rechtsüberzeugung ist in Bezug auf das deutsche Arbeitsrecht, das
dem Artikel 12 des Grundgesetzes (GG)
8
unterliegt, angewandte Praxis (Arens
1994, S. 179 f.). So hat das Bundessozialgericht die Auffassung vertreten, die
7 In diesem Fall ging es um die Bestimmungen des italienischen Fußballverbandes, die besagten,
dass nur Spieler, die in die Spielerlisten des Verbandes eingetragen sind, am Spielbetrieb
teilnehmen können. Faktisch konnten damals aber nur italienische Staatsangehörige
Verbandsmitglieder werden.
8 Dieser Artikel sichert die Berufsfreiheit und das Verbot der Zwangsarbeit.

32
Tätigkeit eines Fußballers weise ,,Arbeitnehmereigenschaften" (ebd., S. 180) auf.
Beispiel für die gleichlautende Rechtsprechung sind die Urteile des
Landesarbeitsgerichtes von Rheinland-Pfalz vom 3.4.1989 und des
Landesarbeitsgerichtes Hamm vom 30.8.1989, die Spielern der damaligen
Amateuroberliga, die sich gegen Entgelt verpflichteten, am Training und an
Spielen der jeweiligen Vereine teilzunehmen, Arbeitnehmerstatus zubilligen (ebd.,
S. 180). Interessant ist, dass sogar der DFB die Spieler im Lizenzspielerstatut als
Arbeitnehmer ansieht, indem er die Erteilung einer Lizenz von der Vorlage eines
gültigen Arbeitsvertrages zwischen Spieler und Verein abhängig macht (Deutscher
Fußballbund 1999, S. 15). Außerdem besagt §10 des Lizenzspielerstatuts des
DFB, dass Lizenzspieler "Arbeitnehmer besonderer Art" eines Vereins sind
(Württembergischer Fußballverband 1994, S. 34). Gegenläufige Auslegungen des
Arbeitsrechts weisen darauf hin, dass die unterschiedlose Unterstellung von
Mannschaftssportlern unter das Schutzsystem des Arbeitsrechts langfristig zu
dessen Aufweichung führe, da ein Akzeptanzverlust drohe (Fischer, U. 1997, S.
185). Es wird argumentiert, dass die Einordnung von Fußballprofis als
Arbeitnehmer den wirtschaftlichen und sozialen Realitäten nicht entspreche. U.
Fischer (1997, S. 183) weist auch darauf hin, dass Spitzensportler des
Mannschaftssports gegenüber ihren Arbeitgebern, den Vereinen, das Verhältnis
der wirtschaftlichen Abhängigkeit umkehren. In anderen Worten sind sie von ihren
Vereinen nicht abhängig, da sie zum einen so viel Geld verdienen, dass sie
langfristig abgesichert sind und ohne Probleme einen neuen Arbeitgeber finden
würden. Zum anderen ist der Verein aber auf seine Spieler angewiesen, da von
deren Leistung die wirtschaftliche Situation des Clubs beeinflusst wird. De facto
befindet sich der Arbeitgeber also in einer wirtschaftlichen Abhängigkeit (ebd., S.
183). Die wirtschaftliche Unabhängigkeit des Spielers würde zusätzlich durch die
Einnahmen untermauert, die er aus anderen Einnahmequellen wie Werbung
bezieht. Weiterhin widerspreche es dem klassischen Arbeitsverhältnis, dass
neben der Arbeitsleistung im Mannschaftssport auch der Erfolg geschuldet werde.
U. Fischer (ebd.) stellt als Fazit fest, dass eine ausgewogene Vertragsgestaltung
zwischen Spieler und Verein nicht möglich sei, solange zu Gunsten des
Spitzensportlers Schutzmechanismen aus dem Arbeitsrecht wirken. Ein ähnliches
Denkmodell schlug der ehemalige Präsident von Borussia Dortmund, G. Niebaum,
vor, das vorsah, Fußballspieler nicht länger als Arbeitnehmer anzusehen, sondern
den Realitäten der neunziger Jahre entsprechend, als selbstständigen
Gewerbetreibenden (Wuttke 1997, o.S.). Als solcher falle er nicht unter die
Gesetzgebung des EG-Vertrages. Die Wirksamkeit dieses Szenarios ist aber bei
näherer Betrachtung mehr als fragwürdig, da der EGV in Art. 43 auch
selbstständigen Unternehmern Freizügigkeit garantiert. Der EuGH würde deshalb
aller Voraussicht nach auch unter den genannten Umständen ein gleichlautendes
Urteil fällen.

33
Der oben beschriebenen Argumentation müssen mehrere Punkte
entgegengehalten werden. Sie würde eventuell Sinn machen, wenn es sich bei
Fußballprofis ausschließlich um Spitzenverdiener handeln würde, die
Millionenbeträge verdienen. Der Verdienst ist aber abhängig vom jeweiligen
Verein und von der Ligazugehörigkeit der Spieler. Dazu kommt noch, dass in den
verschiedenen Ländern Europas unterschiedliche Gehälterniveaus vorzufinden
sind. Profifußball beschränkt sich nicht nur auf die jeweilige erste Liga eines
Landes, sondern auch tiefere Spielklassen werden dem professionell betriebenen
Sport zugerechnet, so zum Beispiel die zweiten Ligen in fast allen Ländern
Europas. In England zählt sogar die dritte Liga noch zum Profibetrieb. In diesen
Klassen fallen die Gehälter nicht so aus, dass man von einer Umkehrung des
wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnisses sprechen kann. Gerade der Fall
Bosman kann als Beleg dafür herangezogen werden. Mit einem monatlichen
Bruttoeinkommen von ca. 3000 war Bosman durchaus wirtschaftlich abhängig
von seinem Verein. Da er als durchschnittlicher Spieler auch nicht ohne weiteres
einen neuen Verein finden konnte, kann von Umkehrung wirtschaftlicher
Abhängigkeit in seinem Fall keine Rede sein. Einnahmen aus Werbung oder
Sponsoring sind bei Spielern seines Niveaus ebenfalls nicht zu erwarten. Vielmehr
wurde durch das ,,Vertragsangebot" des RCL (siehe oben) die wirtschaftliche
Abhängigkeit des Spielers vom Verein deutlich. Ebenso deutlich muss das
Argument zurückgewiesen werden, dass in klassischen Arbeitsverhältnissen bis in
die Spitzenpositionen hinein lediglich die Arbeitsleistung nicht aber der Erfolg
geschuldet wird. Auch in Berufen außerhalb des Sports ist gerade in
Spitzenpositionen der Erfolg des Arbeitnehmers immer mehr die Voraussetzung
für eine Weiterbeschäftigung. Insofern kann dieser Umstand nicht als
Unterscheidungsmerkmal zwischen einer abhängigen Tätigkeit in der ,,regulären"
Arbeitswelt und einem Engagement als Fußballprofi herangezogen werden.
Als Fazit ist festzuhalten, dass der EuGH den Status eines Mannschaftssportlers
als Arbeitnehmer anerkennt. Somit gelten für diese alle relevanten Gesetze
bezüglich abhängiger Erwerbstätigkeit. Dies ist die Voraussetzung für das Urteil
vom 15. Dezember 1995. Mit der Anerkennung von Sport als abhängiger
Erwerbstätigkeit und von Sportlern als Arbeitnehmern werden demnach Art. 12
GG und Art. 39 EGV wirksam. Ausländerklauseln und Transferbestimmungen
stellen somit eine Diskriminierung dar, die der EuGH gemäß seiner Aufgabe
abgeschafft hat. Voraussetzung für diesen Urteilsspruch war ein Prozess der
Verrechtlichung des Sports, der als Folge der fortschreitenden
Professionalisierung anzusehen ist.
4. Konsequenzen des Bosman-Urteils für den Sport in Europa

34
Dass man im Falle des Bosman-Urteils von einer grundlegenden Entscheidung
des Gerichtshofes sprechen kann, wird deutlich, wenn man sich die Tragweite der
juristischen, ökonomischen und sportlichen Konsequenzen vor Augen führt, die es
mit sich brachte. So sind die Auswirkungen zunächst originär juristischer Natur, da
das Urteil die Satzungen der nationalen Fußballverbände und der UEFA in Bezug
auf Transferentschädigungen und Ausländerbegrenzungen für illegal erklärte. Die
angesprochenen Satzungen mussten demnach geändert werden (Tokarski &
Steinbach 2001, S. 102). Die ökonomische Dimension des Urteils wird dadurch
deutlich, dass es zum einen wirtschaftliche Gründe waren, die J. M. Bosman zur
Klage vor dem EuGH bewegten, zum anderen durch die Tatsache, dass der
Gerichtshof sein Urteil auf der Grundlage von Artikeln des EU-Vertrages fällte, die
wirtschaftliche Belange regeln. Die wichtigsten Folgen, die von dem Luxemburger
Urteil hervorgerufen werden, sind sportlicher Natur. Es liegt auf der Hand, dass
nach der Aufhebung der Begrenzungen für ausländische Spieler ihr Anteil in den
Mannschaften der europäischen Profiligen gestiegen ist. Kritiker befürchten auch
Auswirkungen auf die Leistungen der Nationalmannschaften. In diesem Kapitel
sollen nun die genannten drei Bereiche näher erläutert werden, in denen das
Urteil Veränderungen hervorgerufen hat.
4.1 Konsequenzen des Bosman-Urteils aus juristischer Sicht
Der europäische Gerichtshof gestand bei seinem Urteil im Fall Bosman den
Beklagten keinerlei Übergangszeit zu (Parensen 1998, S. 121). Da zudem gegen
Urteile des EuGH nicht die Möglichkeit der Revision besteht, verlangten die
gegebenen Umstände nach sofortiger Umsetzung des Richterspruchs (Tokarski et
al. 2004, S. 88). Das wurde von der UEFA und den nationalen Verbänden
zunächst als kompliziert angesehen, da mit Ausnahme einiger nordeuropäischer
Länder, deren Ligabetrieb mit dem Kalenderjahr endet, zum Zeitpunkt des Urteils,
dem 15.12.1995, die Saison gerade erst zur Hälfte gespielt war. Von
Wettbewerbsverzerrung war die Rede, wenn die Spielzeit nicht nach den alten
Regeln zu Ende gespielt werden könne (Wuttke 1996, o.S.). Aus diesem Grund
versuchte man, das Urteil zunächst zu umgehen, indem man von Seiten des DFB
die Vereine für eine freiwillige Selbstbeschränkung gewinnen wollte. So
unterzeichneten die Präsidenten der 36 deutschen Profivereine auf einem
Krisengipfel einen ,,Solidarpakt", obwohl es kein Rechtsmittel gab, um die
getroffene Vereinbarung bei ,,Zuwiderhandlungen" durchzusetzen. Das stellte
sicher, dass weiterhin nur drei Ausländer pro Spiel eingesetzt werden durften. Ein
solches ,,Gentleman-Agreement" war streng genommen illegal, da von Seiten
eines Kartells Absprachen getroffen wurden, geltendes Recht zu unterlaufen. So
kündigte kurz darauf der damalige Wettbewerbskommissar der Europäischen
Kommission, K. van Miert, massiven Widerstand gegen den ,,Solidarpakt" an

35
(Wuttke 1996, o.S.). Gleichlautend warf der EU-Generalanwalt O. Lenz dem DFB
,,glatten Rechtsbruch vor" (Wuttke 1996, o.S.). Auch das Bundeskartellamt
schaltete sich ein und erklärte, dass eine derartige Absprache unter
Wirtschaftsunternehmen gegen das Kartellrecht verstoße. Somit wurde der Druck
der Vereine auf eine einheitliche Regelung immer größer, da diese nach
Rechtssicherheit verlangten.
Fragwürdig erscheinen auch Vorschläge, den damaligen Bundeskanzler Helmut
Kohl zu gewinnen, den EU-Vertrag dahingehend zu verändern, für professionelle
Sportler eine Ausnahme im Hinblick auf Artikel 39 zu machen (KICKER v.
16.1.1997). Vorgeschlagen wurde auch ein "Lex Profisport", das dem Sport
innerhalb des EGV einen Sonderstatus zubillige. Eine solche Ausnahme war aber
von der Politik schon deshalb nicht zu erwarten, da andere Berufsgruppen in der
Folge wohl ähnliche Forderungen gestellt hätten, die langfristig zur Aushöhlung
des EG-Vertrages geführt hätten. Bis heute haben die Verbände die Hoffnung
nicht aufgegeben, das Bosman-Urteil zu revidieren. So unternahmen FIFA-
Präsident J. Blatter und UEFA-Präsident L. Johansson noch im November 1999
Versuche, die zuständige EU-Komissarin V. Redding für eine Begrenzung der
Zahl der ausländischen Spieler auf insgesamt fünf pro Mannschaft zu gewinnen.
Diesen Plänen wurde aber durch die Kommission eine Absage erteilt.
Sehr schwer tat sich auch die UEFA mit der Umsetzung des Urteils. Sie stand vor
dem Problem, dass sich außer den Verbänden der Mitgliedsstaaten der EU noch
30 weitere Nationen unter ihrem Dach befanden. Eine auf die EU-Verbände
limitierte Regeländerung hätte zu einer inakzeptablen Ungleichbehandlung geführt
(Parensen 1998, S. 121). Da sich der europäische Verband aber auch nicht
entschließen wollte, die Auswirkungen des Urteils auf alle Verbände auszuweiten,
ging man zunächst dazu über, die 3+2 Regelung
9
und das Transfersystem zu
erhalten (Tokarski 1998, S. 121). So wollte die UEFA eine Ausnahmeregelung für
den Fußball erwirken. Da schnell klar wurde, dass die EU-Kommission das
ablehnte, wurden diese Bestrebungen durch das Exekutivkomitee der UEFA am
19.2.1996 gestoppt. Trotz aller Widerstände gegen das Bosman-Urteil mussten
die Verbände ihr eigenes Regelwerk verändern. So fasste der DFB den § 22 SpO
neu, sodass nun Spieler europäischer Staatsangehörigkeit unbegrenzt einsetzbar
waren: ,,In Lizenzspielermannschaften dürfen grundsätzlich nur Lizenzspieler
europäischer Staatsangehörigkeit (§ 20 Nr. 8 LSt.)
10
spielen." (DFB 1999, S. 43).
Des Weiteren dürfen drei Nichteuropäer eingesetzt werden.
9Die 3+2 Regelung besagte, dass 3 Ausländer pro Mannschaft eingesetzt werden durften sowie
zwei weitere, die mindestens 5 Jahre (davon 3 Jahre in Jugendmannschaften) in einem Verein des
jeweiligen Landes gespielt hatten. Diese Regel fand bis zum Bosman-Urteil in der UEFA
Anwendung.
10Der § 20 Nr. 8 LSt. definiert Spieler als Europäer, wenn sie Staatsangehöriger eines
Mitgliedsstaates der UEFA sind (also auch türkische und israelische Spieler).

36
Eine solche Zäsur hat man zunächst im Falle des Transfersystems nicht
vorgenommen. Da das Bosman-Urteil sich nur auf internationale Transfers bezog,
wurde das bis dahin bestehende System auch nur in Bezug auf Transfers von
einem Mitgliedsstaat der UEFA in einen anderen geändert. Für innerdeutsche
Vereinswechsel behielt man das alte System in der Saison 1996/97 weitgehend
bei. Die Folge dieser Regelung war eine ,,Inländerdiskriminierung", da Spieler
nach Ablauf ihres Vertrages bei einem Verein der Fußballbundesligen im
Gegensatz zu Spielern aus dem Ausland nicht ablösefrei für einen Wechsel zur
Verfügung standen.
Wiederum bedurfte es eines Urteils, des so genannten Kienass-Urteils des
Bundesarbeitsgerichtes (BAG) vom 20.11.1996, das Transferentschädigungen auf
nationaler Ebene für nicht zulässig erklärte (SpuRt 3/1997, S. 94). Auf Grundlage
von Art. 12 GG, der die Berufsfreiheit garantiert (Bundeszentrale für politische
Bildung 1996, S. 16), urteilte das BAG zugunsten des Eishockeyspielers Kienass
und gegen den Verein Düsseldorfer EG, der einen Vereinswechsel aufgrund einer
Darlehensvereinbarung mit dem Spieler von der Zahlung einer
Transferentschädigung abhängig gemacht hatte
11
:
"Die Regelung in Art. 59 der Spielordnung des Deutschen Eishockey Bundes (DEB),
wonach beim Vereinswechsel eines Ligenspielers der abgebende Verein vom
aufnehmenden Verein eine Entschädigung für Aus- und Weiterbildungskosten zu
beanspruchen hat (Transferentschädigung), ist wegen Verstoß gegen die guten Sitten
(§138 BGB, Art. 12, Abs. 1 GG) nichtig, soweit danach eine Entschädigung auch
dann verlangt werden kann, wenn das Arbeitsverhältnis bei dem abgebenden Verein
bereits beendet war" (SpuRt 3/ 1997, S. 94 ff.).
Bei Vereinswechseln auf nationaler Ebene konnten fortan ebenso wenig
Ablösesummen verlangt werden, wenn der Vertrag eines Spielers mit seinem
bisherigen Verein abgelaufen war (Arens 1997, S. 127). Die durch die Regelungen
der UEFA und des DFB verursachte ,,Inländerdiskriminierung" bestand nach dem
Kienass-Urteil nicht mehr. Weder das Bosman-Urteil noch das Kienass-Urteil
hatten allerdings Gültigkeit im Falle von nichteuropäischen Spielern (Pfister 1998,
S. 161). Für sie galt und gilt noch heute eine Begrenzung in den Mannschaften
der europäischen Ligen. Außerdem können für sie auch weiterhin Ablösesummen
nach Ablauf des Vertrags verlangt werden
12
. Der Bundestag des DFB beschloss
im Jahr 2004 deren Reduzierung von 4 auf 5 Spieler pro Mannschaft. Es ist
allerdings anzuzweifeln, ob diese Maßnahme zu einer Reduzierung der Zahl
nichteuropäischer Spieler führen wird, da der EuGH im Jahr 2003 auch
11Für die genauen Umstände, die zur Klage und zum Urteil des BAG geführt haben vgl. Kapitel
Rechtsprechung in SpuRt. 3/97 S.94-98.
12Eine von der FIFA initiierte Regelung, die auch Nicht-EU-Angehörigen bei Wechseln innerhalb
der Verbände der UEFA ablösefreie Wechsel gestatten sollte, wurde auf Druck der Vereine
verschoben.

37
diesbezüglich ein Urteil gefällt hat (das so genannte ,,Kolpak-Urteil"
13
), das die
Regelungen des Bosman-Urteils auch auf Arbeitnehmer solcher Staaten
ausweitet, die ein Assoziierungsabkommen mit der EU besitzen. Das ist allein für
die 77 afrikanischen, karibischen und ozeanischen Länder der Fall, die über das
,,Coutounou-Abkommen" mit der EU eine solche Vereinbarung geschlossen
haben. Nichteuropäische Spieler fallen demnach unter die Bestimmungen des
nationalen Arbeitsrechtes. So müssen sie in Großbritannien im Besitz einer
gültigen Arbeitserlaubnis sein. Der Immigration Act von 1971 und 1988 legt fest,
dass ein außereuropäischer Arbeitnehmer nur dann eine Arbeitserlaubnis im
Vereinigten Königreich erhält, wenn er besonders qualifiziert ist und auf dem
heimischen Arbeitsmarkt kein adäquater Ersatz gefunden werden kann. Im Falle
des Profifußballs legte das britische Arbeitsministerium daher im Jahr 1997 fest,
dass eine Arbeitserlaubnis für außereuropäische Spieler nur dann erteilt wird,
wenn der Spieler internationales Niveau erreicht und der Verein nachweislich
vergeblich versucht hat, einen Spieler gleicher Qualität auf dem heimischen
Arbeitsmarkt zu finden (Whitehead 1998a, S. 4). Die Transferbestimmungen, die
die UEFA nach dem Bosman Urteil festlegte, führten dazu, dass bei jedem
Vereinswechsel von Spieler zu Spieler eine Fallunterscheidung gemacht werden
muss. Galt für den Transfermarkt bis zum Zeitpunkt des Urteils weltweit eine
weitgehend einheitliche Regelung, so stellt er sich heute sehr inhomogen dar. Die
Ablöseproblematik hat sich durch die von den Verbänden vorgenommenen
Änderungen lediglich auf Nicht-EU-Ausländer verlagert.
Ähnlich zurückhaltend wie der DFB reagierte der englische Fußballverband, The
Football Association (FA), auf das Bosman-Urteil. Zunächst setzte sie nur die von
der UEFA aufgestellten Regeln bezüglich internationaler Transfers und der
Ausländerklausel um. Letzteres geschah entgegen der eigentlichen Absicht der
FA während der laufenden Saison 1995/96 auf Druck des Vereins Manchester
City, der andernfalls mit einer Klage vor dem EuGH drohte. Um dieser Drohung
Nachdruck zu verleihen, setzte der Verein gegen die zu diesem Zeitpunkt
geltenden Verbandsregeln bereits zu den Weihnachtsspieltagen, also nur knapp
zwei Wochen nach dem Bosman-Urteil, fünf ausländische Spieler ein. Ähnlich wie
im Falle der deutschen Bundesliga wurden die Transferregeln in England dadurch
ebenfalls uneinheitlich. Erst zu Beginn der Saison 1998/99 wurden
Transfersummen abgeschafft, sofern der Vertrag des betreffenden Spielers
abgelaufen war.
Die Fälle des DFB, der FA sowie der UEFA haben gezeigt, dass die Verbände
bezüglich der juristischen Umsetzung des Bosman-Urteils sehr zögerlich
13
Das Kolpak-Urteil ist benannt nach dem slowakischen Handballtorwart Kolpak, der vor dem
EuGH gegen die Diskriminierung aufgrund seiner Staatsangehörigkeit geklagt hatte. Er berief sich
dabei auf das zwischen der Slowakei (damals noch nicht Mitglied der EU) und der EU getroffene
Assoziierungsabkommen.

38
gehandelt haben. Anstatt sich initiativ mit der Situation nach dem Luxemburger
Urteil auseinanderzusetzen, haben die Verbände zunächst versucht, das Problem
auf die lange Bank zu schieben. Erst die Androhung von Rechtsmitteln erwirkte
die Umsetzung des geltenden Rechts. Es drängt sich an dieser Stelle die Frage
auf, warum sich die Verantwortlichen des Fußballs so schwer mit der Umsetzung
des Urteils taten. Zwei von den Gegnern des Urteils immer wieder ins Feld
geführte Argumente sind zum einen die Befürchtung, die Vereine, und hier vor
allem die finanzschwachen, würden durch den Wegfall der Transfersummen
Einbußen hinnehmen, die sie auf Dauer nicht verkraften können. Zudem bewirke
die durch das Urteil hervorgerufene steigende Zahl von Ausländern in den Ligen
eine Verdrängung inländischer Nachwuchsspieler sowie eine Schwächung der
Nationalmannschaften. Den Fragen nach den sportlichen und ökonomischen
Konsequenzen soll daher in den beiden folgenden Kapiteln nachgegangen
werden.
4.2 Konsequenzen des Bosman-Urteils aus sportlicher Sicht
Die Vereine haben im Gegensatz zu den Verbänden sehr schnell auf die neue
Situation reagiert. Die Verpflichtung ausländischer Spieler stieg nach dem
Bosman-Urteil stark an. In den Jahren zwischen 1992 und 1996, also vor dem
Urteil, war zwar ebenfalls ein Anstieg zu verzeichnen, doch war der Zuwachs von
jeweils einem Prozent pro Saison vergleichsweise gering. Der Anteil
ausländischer Spieler in der ersten und zweiten Bundesliga pendelte sich bei 18%
im Jahre 1996
14
ein. Bereits in der Folgesaison 1996/97 war ein Anstieg um
weitere 7% auf 25% zu verzeichnen. Betrachtet man nur die 1. Bundesliga, so fiel
der Sprung von 19% (1995/96) auf 28% mit 11% innerhalb eines Jahres noch
größer aus. Auch in den folgenden Jahren stieg der Anteil ausländischer Spieler in
den 36 deutschen Profivereinen weiterhin stark an.
Zu Beginn der Saison 2005/06 spielten insgesamt 205 Ausländer (von 465) in den
Mannschaften der 1. Bundesliga, was einem Anteil von 44% entspricht
15
. In der
Gesamtsumme der Einsätze und auch in der durchschnittlichen Einsatzzeit haben
die Profis aus dem Ausland ihre deutschen Kollegen mittlerweile überholt (Storb
1998, S. 96). Dass dieser starke Anstieg direkt auf das Bosman-Urteil
zurückzuführen ist, wird dadurch deutlich, dass der Zuwachs bei den
Nichteuropäern, die ja nicht vom Luxemburger Urteil berührt werden, geringer
ausgefallen ist. Während zwischen 1996/97 und 1999/2000 die Zahl der
europäischen Ausländer von bereits 157 auf 260 stieg, waren zunächst nur 33
Nichteuropäer in den beiden deutschen Profiligen tätig, deren Anteil sich dann auf
71 erhöhte (Quelle: DFB, Stand 23.9.1999).
14Die Saison wurde noch nach den alten Regeln zu Ende gespielt.
15
Quelle: Kicker Sonderheft Bundesliga 05/06

39
Die genannten Zahlen belegen, dass sich das Gefüge der beiden Bundesligen
nach dem Bosman-Urteil verändert hat. Mit der häufigeren Verpflichtung von
Ausländern in den europäischen Profiligen verringert sich zwangsläufig der Anteil
einheimischer Spieler. Kritiker des Bosman-Urteils befürchten eine Schwächung
der Nationalmannschaften, weil der Weg von einheimischen Spielern in die
Profimannschaften schwieriger wird. So befürchtet Whitehead (1998b, S. 5), dass
Länder wie England, Spanien und Italien in Zukunft hervorragende Clubleistungen
erleben werden, die dann alle vier Jahre bei Welt- und Europameisterschaften von
Aussetzern der Nationalmannschaften getrübt werden. Dem ist entgegenzuhalten,
dass für solche Spieler andererseits in anderen europäischen Ligen Plätze frei
werden. Außerdem bestimmt heute mehr als vorher die Leistung des jeweiligen
Spielers, ob er bei einem Verein spielt oder nicht. Akteure, die entsprechende
Leistungen erbringen, werden auch weiterhin Spielpraxis erhalten.
Die durch die ausländischen Spieler entstandene Konkurrenzsituation kann auch
das Niveau einer Nationalmannschaft steigern. Ein Beispiel dafür ist die deutsche
Handballnationalmannschaft. Die Handballbundesliga gilt momentan als die
stärkste Liga der Welt, nicht zuletzt weil viele Spieler aus dem Ausland in
deutschen Vereinen spielen. Die deutschen Spieler, die in der Handballbundesliga
eingesetzt werden, erhalten nun Spielpraxis auf einem deutlich höheren Niveau
als vor dem Bosman-Urteil. Außerdem steht ihnen der Weg in andere Ligen
Europas (z.B. Spanien) offen. Diese Tatsache kann der Grund dafür sein, dass
sich die deutsche Handballnationalmannschaft in den letzten Jahren deutlich
verbessert hat. Nachdem sie im Jahr 1989 in die C-Klasse abstieg, also
international nur noch drittklassig spielte, hat sie bei der letzten A-
Weltmeisterschaft 2003 Platz 2 belegt und wurde im Jahr darauf Europameister
und gewann die Silbermedaille bei den Olympischen Spielen in Athen.
Ein Negativbeispiel könnte hingegen die deutsche Eishockeynationalmannschaft
sein. Die Leistungen bei den alljährlich stattfindenden Weltmeisterschaften sind in
den letzten Jahren kontinuierlich schlechter geworden. Mehrere Umstände
könnten dafür verantwortlich sein. Nach dem Bosman-Urteil erlebte auch das
professionelle Eishockey in Deutschland eine Öffnung für Spieler aus dem
europäischen Ausland. Das Problem im Eishockey ist, dass im Gegensatz zum
Handball und Fußball andere Nationen leistungsmäßig stärker sind. Man denke
dabei an die Konkurrenz aus Schweden, Finnland, Tschechien und Russland.
Diese Länder können aus einem viel größeren Potenzial schöpfen, da der Sport
dort einen größeren Stellenwert hat und so die Zahl der aktiven Eishockeyspieler
größer ist. Des Weiteren ist anzunehmen, dass eine intensivere Jugendarbeit in
diesen Ländern mehr Talente hervorbringt. Für die im europäischen Vergleich
finanzstarke Deutsche Eishockeyliga (DEL), bedeutet der beschriebene Umstand,
dass nach dem Bosman-Urteil der Anteil ausländischer Spieler so sprunghaft wie
in keiner Sportart sonst angestiegen ist. In der Saison 1999/2000 spielten zu

40
Beginn insgesamt 345 lizenzierte Eishockeyspieler. Davon hatten lediglich 129
Spieler einen deutschen Pass und waren somit für die Nationalmannschaft des
DEB selektierbar. 216 Spieler kamen demnach aus dem Ausland (vor allem aus
Kanada, den USA, Schweden, Russland und Tschechien), was einem Anteil von
62,6% entspricht (Eishockey-News Sonderheft 1999/2000, 1999). Umgekehrt
bedingen die Leistungsunterschiede auch, dass deutsche Spieler in den ebenfalls
finanzstarken Ligen Skandinaviens oder der nordamerikanischen NHL nur
vereinzelt eingesetzt werden. Deutschen Eishockeyspielern fehlt also die
Spielpraxis auf hohem Niveau, was sich auf die Leistungen der
Nationalmannschaft ausgewirkt hat. Durch die Finanzstärke der DEL und das
vergleichsweise geringere Potenzial im deutschen Eishockey hat das Bosman-
Urteil wahrscheinlich nicht wünschenswerte Effekte auf die deutsche
Eishockeynationalmannschaft gehabt.
Ein umgekehrtes Phänomen mit ähnlich negativen Auswirkungen kann in solchen
Ländern beobachtet werden, dessen Vereine und Verbände vergleichsweise
finanzschwach sind. Dies sei am Beispiel von Polen erläutert. Nach dem Bosman-
Urteil verließen immer mehr polnische Spieler ihre Heimatvereine und spielten
fortan in den Ligen Westeuropas, da die Verdienstmöglichkeiten dort das
polnische Gehaltsniveau übertreffen. In der ersten und zweiten Bundesliga
spielten in der Saison 1999/2000 25 Spieler mit polnischem Pass. Das hat zwar
auch die oben beschriebenen positiven Effekte auf die Leistung der polnischen
Nationalmannschaft gehabt, die sich souverän für die WM 2002 qualifizierte.
Allerdings ziehen es sehr viele polnische Spieler, die in ihrer Heimat in der zweiten
und dritten Liga spielen könnten, vor, für unterklassige deutsche Amateurklubs
aufzulaufen. Dafür nehmen sie sogar mehrere hundert Kilometer Autofahrt am
Wochenende in Kauf. Der Zweitligaklub Kuznia Jawor beispielsweise war in Polen
bekannt für seine gute Nachwuchsarbeit und Aspirant auf den Aufstieg in die
höchste Spielklasse. Nach Öffnung der Grenzen für Fußballprofis wanderten aber
mit einem Schlag 12 der Spieler zu Amateurvereinen nach Deutschland ab.
Bedingt durch diese Schwächung stieg der Verein mittlerweile in die vierte
polnische Liga ab
16
(DER SPIEGEL Nr. 39 v. 27.9.1999, S. 247). Ähnliches gilt für
die polnischen Spitzenclubs, die in europäischen Wettbewerben zumeist keine
Rolle mehr spielen.
Die genannten Beispiele lassen momentan nur vermuten, welche Bandbreite
sportlicher Konsequenzen das Bosman-Urteil verursacht hat. Andere
Auswirkungen als die genannten (z.B. auf den Einsatz von jungen Spielern)
kommen zu den aufgeführten noch hinzu. Eine eingehende wissenschaftliche
Auseinandersetzung mit diesem Themenkomplex steht noch aus und kann im
Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht geleistet werden. Die oben beschriebenen
Fälle machen aber deutlich, dass es keine universelle Antwort auf die Frage nach
16Titel des Artikels: Rybak, A.: Schatten unter den Augen.

41
den Auswirkungen des Luxemburger Urteils auf den sportlichen Bereich gibt.
Vielmehr muss sowohl in Bezug auf die Sportart als auch im Hinblick auf die
Umstände in den jeweiligen Ländern eine Fallunterscheidung gemacht werden.
Weiterhin wird deutlich, dass es nie das Bosman-Urteil allein ist, sondern eine
Reihe von Gründen für eventuelle sportliche Konsequenzen verantwortlich ist.
4.3 Konsequenzen des Bosman-Urteils aus ökonomischer Sicht
In der Diskussion um die ökonomischen Auswirkungen des Bosman-Urteils wird
von den Gegnern vor allem der Bereich der Transferentschädigungen zur Sprache
gebracht. Sie sehen die wirtschaftliche Kraft vor allem kleinerer Vereine durch
deren Wegfall nachhaltig gefährdet, da solche Clubs bislang einen Großteil ihres
Etats durch den Verkauf von Spielern finanziert haben. Büch (1998, S. 286 f.) hält
daher Transferentschädigungen und Ablösesummen für einen Schutz für Vereine
und Spieler. Das vor dem Urteil bestehende System sei ein Instrument zur
Erhaltung der sportlichen Ausgeglichenheit einer Liga (Parlasca 1993, S. 186).
Transferentschädigungen behindern demnach die Freizügigkeit der Spieler nicht,
sondern sichern sie ,,ohne besondere Belastung der öffentlichen Hände und der
Spieler" (Büch 1998, S. 290). Dieser Argumentation ist vor allem
entgegenzuhalten, dass es ablösefreie Vereinswechsel nur dann gibt, wenn der
Vertrag des betreffenden Spielers bereits abgelaufen ist. Das "Herauskaufen" aus
einem laufenden Vertrag wird weiterhin von der Zahlung einer Transfersumme
abhängig gemacht. Tatsächlich hat das Bosman-Urteil eine rückläufige Zahl
ablösepflichtiger Wechsel bewirkt. Das bedeutet aber nicht, dass die Umsätze
gefallen sind. Betrachtet man die Zahlen innerhalb der englischen Premier
League, so kann von einem Aussterben des Transfermarktes keine Rede sein.
Eher ist das Gegenteil eingetreten. Die weiterhin ablösepflichtigen Wechsel haben
nach dem Urteil noch nicht da gewesene Dimensionen angenommen. Das ist
deswegen möglich, weil derartige Transfers auch vor dem Bosman-Urteil keinen
limitierenden Regeln unterlagen. Galt für Wechsel nach Ablauf eines Vertrages ein
Schlüssel zur Berechnung der genauen Transfersumme, so war und ist die
Ablösesumme bei Vereinswechseln während eines laufenden Vertrages
Verhandlungssache zwischen den beiden Vereinen und dem Spieler
(Wertenbruch 1995, S. 371). Das Extrembeispiel liefert die italienische Serie A.
Von den 16 teuersten europäischen Transfers des Jahres 1999 gingen alleine 12
mit einem Volumen von insgesamt 260 Mio. in die erste italienische Liga.
Auch der bis zu diesem Zeitpunkt mit 47 Mio. teuerste Transfer aller Zeiten,
nämlich der des Spielers Christian Vieri von Lazio Rom zu Inter Mailand wurde
innerhalb der Serie A abgewickelt. Der mittlerweile teuerste Transfer vollzog sich
zu Beginn der Saison 2001/2002 als Real Madrid den Franzosen Zinedine Zidane
für ca. 80 Mio. von Juventus Turin verpflichtete. Um einen Spitzenspieler aus

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783956362422
ISBN (Paperback)
9783836603553
Dateigröße
1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Deutsche Sporthochschule Köln – Institut für Europäische Sportentwicklung und Freizeitforschung
Erscheinungsdatum
2007 (Mai)
Note
1,0
Schlagworte
sport fußball europäischer gerichtshof bosman-urteil europäische union
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Titel: Identifikationsmanagement von Fußballfans
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