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Kritische Analyse der niederschwelligen Angebote für opioidkonsumierende Frauen in Wien

Besteht Bedarf nach einer Neuorientierung und anderen Konzepten?

©2007 Diplomarbeit 142 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Problemstellung:
Seit Christa Merfert-Diete und Roswitha Soltau 1984 das erste Buch zum Thema „Frauen und Sucht“ im deutschsprachigen Raum veröffentlicht haben, hat sich einiges getan. Es sind zahlreiche Publikationen zum Thema „frauenspezifische Suchtarbeit“ erschienen; in den meisten wird für geschlechtsspezifische Angebote plädiert und deren Wichtigkeit unterstrichen.
In Fachkreisen tauchte in den letzten Jahren aber auch immer wieder Kritik an frauenspezifischen Angeboten auf. So wurden zum Beispiel Thesen aufgestellt, wonach Klientinnen durch derartige Projekte oft in ihrer Opferrolle wieder bestärkt werden, wenn sie aus dem Blickwinkel gesehen werden, dass sie aufgrund ihres Drogenkonsums spezieller Angebote bedürfen.
Die vorliegende Arbeit bezieht sich hauptsächlich auf die niederschwelligen Angebote in Wien für Frauen, die regelmäßig Opioide intravenös konsumieren. Frauenspezifische Angebote sind jedoch auch in höherschwelligen Einrichtungen, wie Therapiestationen, zu finden; wenn auch in Österreich eher selten.
Ein Ziel dieser Untersuchung war zu klären, welche niederschwelligen Einrichtungen es derzeit für drogenkonsumierende Frauen in Wien gibt, wie bekannt diese sind und in welchem Ausmaß sie genutzt werden.
Weiters sollte erforscht werden, unter welchen Rahmenbedingungen die potentiellen Nutzerinnen derartiger Projekte leben und welche Gründe sie dazu bewegen, an frauenspezifischen Angeboten teilzunehmen oder ihnen fern zu bleiben.
Ein zusätzliches Ziel der Forschung war herauszufinden, in welchen Bereichen frauenspezifische Angebote fehlen oder ob bestehende Projekte verändert werden sollten. Letztendlich sollten auch Zukunftsperspektiven und künftige Entwicklungen der frauenspezifischen Suchtarbeit in Wien aufgespürt werden.
Grundgedanke der Forschung war, sowohl die Seite der Expertinnen als auch die Meinung der Klientinnen in die Untersuchung einzubeziehen.
Mit der Befragung sollte Klientinnen auch eine Stimme in der Öffentlichkeit verliehen werden, da drogenkonsumierende Frauen meist nicht nach ihren Einstellungen und Sichtweisen gefragt werden. Obwohl Drogenkonsumentinnen nach den feministischen Arbeitsprinzipien als ernstzunehmende Bürgerinnen gesehen werden sollten, haben sie real gesehen selten ein Mitbestimmungsrecht. Sie sollten jedoch die Expertinnen dafür sein, wie frauenspezifische Suchtarbeit auszusehen hat.
Aufgrund des Gedankens, jene Frauen, die sich an der Erhebung beteiligen, möglichst […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis:

Vorwort

1. Einleitung
1.1. Problemstellung und Ziele
1.2. Forschungsansatz
1.3. Aufbau der Arbeit

2. Forschungskonzeption und Methoden
2.1. Qualitativer Forschungsteil
2.1.1. Hypothesen qualitative Forschung
2.1.2. Interview - Leitfaden
2.1.3. Pre-Test
2.1.4. Die Interviewpartnerinnen
2.1.5. Teilnehmende Institutionen
2.1.6. Interviewdurchführung
2.1.7. Transkription
2.1.8. Auswertung und Interpretation
2.2. Quantitativer Forschungsteil
2.2.1. Hypothesen quantitative Forschung
2.2.2. Der Fragebogen
2.2.3. Auswahl der Stichprobe
2.2.4. Fragebogenerhebung
2.2.5. Auswertung und Interpretation
2.2.6. Kritik am Fragebogen

3. Vom genussvollen Konsum zum süchtigen Verhalten
3.1. Konsum
3.2. Missbrauch
3.3. Abhängigkeit
3.4. Sucht

4. Psychoaktive Substanzen
4.1. Suchtmittelgesetz
4.2. Substitutionstherapie
4.3. Drogen
4.3.1. Opioide
4.3.2. Kokain
4.3.3. Cannabis
4.3.4. Benzodiazepine
4.3.5. Amphetamine
4.3.6. Alkohol
4.3.7. Nikotin

5. Arbeitsprinzipien
5.1. Niederschwellig/ Niedrigschwellig
5.2. Akzeptanzorientiert
5.3. Frauenspezifisch/ Frauengerecht
5.4. Feministisch
5.5. Gender Mainstreaming

6. Frauen und Drogenkonsum
6.1. Frauenspezifische Wege in den Drogenkonsum
6.2. Besondere Problemlagen
6.2.1. Gewalt
6.2.2. Prostitution
6.2.3. Obdachlosigkeit
6.2.4. Gesundheit
6.2.5. Schwangerschaft und Kinder
6.2.6. Therapie
6.2.7. Jugendliche
6.2.8. Migrantinnen
6.3. Drogenkonsumierende Frauen in Wien

7. Frauengerechte Arbeit mit Drogenkonsumentinnen
7.1. Prinzipien
7.2. Aufgaben und Ziele
7.3. Kritik an frauenspezifischen Angeboten

8. Niederschwellige frauengerechte Suchtarbeit in Wien
8.1. Bestehende Angebote und Konzepte
8.1.1. Verein Wiener Sozialprojekte
8.1.1.1. streetwork
8.1.1.2. ganslwirt
8.1.2. Verein Dialog
8.1.2.1. Beratungsstelle Hegelgasse
8.1.2.2. dialog: 10
8.1.3. Caritas – FrauenWohnZentrum/ FrauenWohnZimmer
8.2. Bekanntheitsgrad der frauenspezifischen Projekte
8.3. Bestehende Arbeitskreise und Netzwerkarbeit
8.4. Fehlende Institutionen und Angebote

9. Resümee
9.1. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse
9.1.1. Qualitative Forschung
9.1.2. Quantitative Forschung
9.1.3. Beantwortung der Forschungsfrage
9.2. Zukünftige Entwicklungen und mögliche Konzepte

Abstract (Deutsch)

Abstract (Englisch)

Anhang

A) Fragebogen

B) Interview-Leitfaden

C) Transkriptionen (Ausschnitte)

Literaturverzeichnis

Curriculum Vitae

Erklärung

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Altersverteilung (n=56)

Abbildung 2: Substitutionsbehandlung

Abbildung 3: Substanzenkonsum (n=56)

Abbildung 4: Frauencafés 2005-2007- Teilnehmerinnenanzahl

Abbildung 5: Bereiche, in denen Angebote für drogenkonsumierende Frauen fehlen (n=56)

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Übersicht Interviewpartnerinnen

Tabelle 2: Bekanntheitsgrad frauenspezifische Angebote (n=56)

Tabelle 3: Gründe ein frauenspezifisches Angebot zu nutzen (n=22)

Tabelle 4: Kreuztabelle – Zusammenhang „Kinder“ und „Angebot für Mütter“

Vorwort

Das Interesse an frauenspezifischer Arbeit wurde während der Tätigkeit als Urlaubsvertretung im 2. Wiener Frauenhaus im Sommer 2005 geweckt. Im anschließenden theoriebegleitenden Praktikum, das ich bei streetwork des Vereins Wiener Sozialprojekte im dritten Jahr der Fachhochschule absolvierte, galt meine besondere Aufmerksamkeit der frauenspezifischen Suchtarbeit. Seit Abschluss des Praktikums arbeite ich als freie Dienstnehmerin bei streetwork. Dadurch konnte ich weitere Erfahrungen in der Arbeit mit drogenkonsumierenden Mädchen und Frauen sammeln. Im Laufe der Zeit begann ich mich in das Thema einzulesen, wodurch sich der Titel der vorliegenden Diplomarbeit rasch entwickelte.

Aufgrund meines Jobs interessierten mich besonders die niederschwelligen Angebote für Frauen in Wien, die regelmäßig Opioide intravenös konsumieren. Die Arbeit im Verein Wiener Sozialprojekte ermöglichte mir nicht nur einen teils leichteren Zugang zu Unterlagen und Interviewpartnerinnen, sondern auch eine unkomplizierte Fragebogenerhebung unter Klientinnen. Mein Dank gebührt daher den MitarbeiterInnen von streetwork, die immer wieder wertvolle gedankliche Inputs zu meiner Diplomarbeit lieferten, Diskussionen über das Thema nicht scheuten und mich andererseits in den Tagen der Erhebung unterstützten. Ferner möchte ich mich bei allen Mädchen und Frauen bedanken, die sich die Zeit genommen haben, meinen Fragebogen sorgfältig auszufüllen und mir ihre Daten anvertrauten.

Danken möchte ich auch meiner Mutter, die mich während meines gesamten Studiums unterstützte und sich die Zeit nahm, die vorliegende Abschlussarbeit Korrektur zu lesen.

Im Rahmen dieser Dankesworte sind auch Mag.a Judith Haberhauer-Stidl und DSA Mag.a Dr. Elisabeth Raab-Steiner anzuführen, die meine zahlreichen Fragen bezüglich der Forschung beantworteten und eine wichtige Hilfe im Laufe der Arbeit darstellten.

Abschließend möchte ich mich bei meiner Diplomarbeitsbetreuerin DSA Eveline Dostal bedanken, die mir während des Verfassens geduldig und motivierend zur Seite stand.

1. Einleitung

In der Fachliteratur gibt es seit den achtziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts viele Hinweise bezüglich der Notwendigkeit frauenspezifischer Angebote für drogenkonsumierende Frauen. Es hat jedoch lange gedauert bis sich in der Praxis durchgesetzt hatte, wie wichtig geschlechtsspezifische Arbeit mit DrogenkonsumentInnen[1] ist, da Frauen und Männer aufgrund ihrer Sozialisation unterschiedliche Zugänge zu Substanzenkonsum haben.

Nachdem bestehende niederschwellige Institutionen der Wiener Drogenhilfe in den neunziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts frauenspezifische Angebote implementiert hatten, waren deren Inhalte und Weiterentwicklung auch immer wieder Thema in einrichtungsspezifischen Klausuren, Teamsitzungen, Arbeitskreisen oder ähnlichen Diskussionsgruppen. Doch in den seltensten Fällen wurde tatsächlich empirische Forschung betrieben und/ oder die Ergebnisse veröffentlicht.

Eigenständige Studien zur Zweckmäßigkeit frauenspezifischer Angebote in Wien sind nicht vorhanden. Auch Hodinka[2] hat in ihrer Diplomarbeit lediglich den Bestand und Bedarf nach frauenspezifischer Suchtarbeit in Wien untersucht, jedoch nicht, welche Angebote den Bedürfnissen der Klientinnen entsprechen.

Um diese Forschungslücke zu füllen, sollte im Rahmen der Untersuchung nicht nur eine Analyse der derzeit vorhandenen Einrichtungen in der frauenspezifischen Suchtarbeit erstellt werden, sondern auch erforscht werden, ob eine Neuorientierung beziehungsweise andere Konzepte für diesen Bereich erforderlich sind.

In den letzten Jahren wurde in der Sozialarbeit - teils auch in der Sozialpädagogik - diskutiert, ob in diesem Bereich Tätige in der Beratung mit Kunden und Kundinnen, Patienten und Patientinnen, Nutzern und Nutzerinnen oder Klienten und Klientinnen zu tun haben. Jeder dieser Begriffe ist legitim; in der vorliegenden Arbeit wird jedoch nur die geläufige Bezeichnung Klient/ Klientin in Anlehnung an Rogers[3], der diesen Begriff in die Beratung eingeführt hat, verwendet. In diesem Sinne werden KlientInnen als selbstbestimmt gesehen. Die Beratenden sollen den Selbstheilungsprozess erleichtern, ihn aber nicht bestimmen.

Wird das gängige Erklärungsmodell, das Drogenabhängigkeit als ein von der Norm abweichendes und zu therapierendes Verhalten sieht, durch das Modell der Autonomie und Selbstbestimmung ersetzt, werden DrogenkonsumentInnen nicht mehr als willenlose Opfer ihrer Abhängigkeit, sondern als selbstbestimmte Subjekte gesehen. Herwig-Lempp[4] beschreibt neue Ansätze für die akzeptierende Drogenarbeit, in denen vorausgesetzt wird, dass sich auch Menschen mit einem stark abweichenden Konsumverhalten dabei sinnvoll verhalten und als unabhängige, zurechnungsfähige und selbstbestimmte Personen gesehen werden müssen. In diesem Sinne wird in der vorliegenden Arbeit nicht von drogenabhängigen, sondern von drogenkonsumierenden Personen oder DrogenkonsumentInnen gesprochen.

1.1. Problemstellung und Ziele

Seit Christa Merfert-Diete und Roswitha Soltau 1984 das erste Buch[5] zum Thema „Frauen und Sucht“ im deutschsprachigen Raum veröffentlicht haben, hat sich einiges getan. Es sind zahlreiche Publikationen zum Thema „frauenspezifische Suchtarbeit“ erschienen; in den meisten wird für geschlechtsspezifische Angebote plädiert und deren Wichtigkeit unterstrichen.

In Fachkreisen tauchte in den letzten Jahren aber auch immer wieder Kritik an frauenspezifischen Angeboten auf. So wurden zum Beispiel Thesen aufgestellt, wonach Klientinnen durch derartige Projekte oft in ihrer Opferrolle wieder bestärkt werden, wenn sie aus dem Blickwinkel gesehen werden, dass sie aufgrund ihres Drogenkonsums spezieller Angebote bedürfen.

Die vorliegende Arbeit bezieht sich hauptsächlich auf die niederschwelligen Angebote in Wien für Frauen, die regelmäßig Opioide intravenös konsumieren. Frauenspezifische Angebote sind jedoch auch in höherschwelligen Einrichtungen, wie Therapiestationen, zu finden; wenn auch in Österreich eher selten.

Ein Ziel dieser Untersuchung war zu klären, welche niederschwelligen Einrichtungen es derzeit für drogenkonsumierende Frauen in Wien gibt, wie bekannt diese sind und in welchem Ausmaß sie genutzt werden.

Weiters sollte erforscht werden, unter welchen Rahmenbedingungen die potentiellen Nutzerinnen derartiger Projekte leben und welche Gründe sie dazu bewegen, an frauenspezifischen Angeboten teilzunehmen oder ihnen fern zu bleiben.

Ein zusätzliches Ziel der Forschung war herauszufinden, in welchen Bereichen frauenspezifische Angebote fehlen oder ob bestehende Projekte verändert werden sollten. Letztendlich sollten auch Zukunftsperspektiven und künftige Entwicklungen der frauenspezifischen Suchtarbeit in Wien aufgespürt werden.

1.2. Forschungsansatz

Grundgedanke der Forschung war, sowohl die Seite der Expertinnen als auch die Meinung der Klientinnen in die Untersuchung einzubeziehen.

Mit der Befragung sollte Klientinnen auch eine Stimme in der Öffentlichkeit verliehen werden, da drogenkonsumierende Frauen meist nicht nach ihren Einstellungen und Sichtweisen gefragt werden. Obwohl Drogenkonsumentinnen nach den feministischen Arbeitsprinzipien als ernstzunehmende Bürgerinnen gesehen werden sollten, haben sie real gesehen selten ein Mitbestimmungsrecht. Sie sollten jedoch die Expertinnen dafür sein, wie frauenspezifische Suchtarbeit auszusehen hat.

Aufgrund des Gedankens, jene Frauen, die sich an der Erhebung beteiligen, möglichst umfassend in den Forschungsprozess einzubeziehen, wurden die befragten Klientinnen vorab über Ziele und Inhalt der Forschung informiert, um sich ein Bild über ihre Rolle im Forschungsprozess machen zu können. Beteiligte Frauen, die interessiert waren, wurden nach der Auswertung der Fragebögen auch über die Ergebnisse informiert.

1.3. Aufbau der Arbeit

Diplomarbeiten sind häufig in einen Theorie- und Empirieteil gegliedert. In der vorliegenden Arbeit wurde keine derartige Trennung vollzogen, da einzelne Kapiteln und Themen sowohl aus Sicht der Expertinnen als auch aus der der Klientinnen beleuchtet wurden. Zusätzlich wurden Aspekte aus der Literatur hinzugefügt. Eine Trennung von Theorie und Auswertung der empirischen Ergebnisse hätte zu unzähligen Querverweisen und damit zu einer erschwerten Lesbarkeit geführt.

Bevor auf Themen wie opioidkonsumierende Frauen und frauenspezifische Suchtarbeit eingegangen wird, beschäftigt sich Kapitel 2 mit Hintergründen zur Forschungskonzeption und den für diese Arbeit gewählten Methoden der empirischen Sozialforschung.

Um ein einheitliches Verständnis bezüglich der in dieser Diplomarbeit verwendeten Begriffe zu schaffen, werden in den Kapiteln 3 bis 5 gängige Definitionen und Begriffserklärungen dargestellt. Es soll geklärt werden, was unter Bezeichnungen wie „Sucht“ und „Abhängigkeit“ verstanden wird, und ein Überblick über die für die Zielgruppe dieser Arbeit wichtigen psychoaktiven Substanzen gegeben werden. Weiters wird auf Arbeitsprinzipien in der Drogenhilfe eingegangen.

Kapitel 6 befasst sich mit frauenspezifischen Aspekten des Drogenkonsums und Problemkreisen, die opioidkonsumierende Frauen betreffen. Es wird im Speziellen auf opioidkonsumierende Frauen in Wien eingegangen und zur besseren Darstellung ihrer Lebenssituation der erste Teil der Fragebogenerhebung ausgewertet.

Allgemeine Prinzipien, Aufgaben und Ziele frauengerechter Suchtarbeit werden in Kapitel 7 näher erläutert. Kapitel 8 bezieht sich in der Folge auf niederschwellige frauengerechte Arbeitsansätze und Angebote in den Wiener Institutionen. Es wird auf den Bekanntheitsgrad der vorhandenen Angebote in der Szene und die Motivation der opioidkonsumierenden Frauen, an derartigen Projekten teilzunehmen, eingegangen. Ferner wird geklärt inwieweit Netzwerkarbeit stattfindet und in welchen Bereichen frauenspezifische Angebote und Institutionen in Wien fehlen.

Den Abschluss der Arbeit stellt ein Resümee, in dem die Forschungsfrage beantwortet wird, die wichtigsten Ergebnisse noch einmal zusammengefasst und mögliche zukünftige Konzepte, Projekte und Entwicklungen dargestellt werden.

2. Forschungskonzeption und Methoden

Um eine möglichst breit gefächerte Betrachtung der bereits in Wien bestehenden niederschwelligen frauenspezifischen Angebote, deren Konzepte und künftige Entwicklungen erstellen zu können, standen verschiedene empirische Methoden, wie teilnehmende Beobachtung und Interviews, zur Diskussion. Letztendlich entstand eine Methodenkombination aus qualitativer und quantitativer Sozialforschung, auch „cross examination“ oder Triangulation genannt.[6]

Da einerseits konkrete Fragen zu den einzelnen Institutionen und bestimmte Themenbereiche geklärt werden sollten, andererseits aber auch die Expertinnen ausführlich zu Wort kommen sollten, wurden im Bereich der qualitativen Forschung fokussierte leitfadengestützte Expertinneninterviews gewählt. Befragte erhielten so die Möglichkeit auch eigene Themen in das Interview einbringen zu können.[7]

Ursprünglich waren zusätzlich qualitative Interviews mit Klientinnen geplant. Es sollte jedoch die Meinung einer möglichst großen Anzahl von Klientinnen eingeholt werden, um aussagekräftige Schlussfolgerungen ziehen zu können und um vielen Frauen die Möglichkeit zu geben an der Forschung teilzunehmen. Die zeitaufwendige Transkription der Interviews und deren Auswertung hätten bei einer höheren Anzahl an befragten Frauen jedoch den Rahmen der Untersuchung gesprengt, weshalb für den Bereich der Klientinnen eine quantitative Fragebogenerhebung gewählt wurde.

2.1. Qualitativer Forschungsteil

Die Expertinneninterviews stellten teilweise eine explorative Forschung dar, auf die anschließend die quantitative Erhebung aufgebaut wurde.[8] Es bestanden bereits vor den Interviews Themenblöcke für die Fragebogenerhebung, diese wurden jedoch nach einer groben Analyse der transkribierten Expertinnenbefragung überarbeitet und ergänzt.

In den Expertinneninterviews sollten Konzepte zu derzeitigen Angeboten, aktuelle Probleme und Diskussionen in der niederschwelligen frauenspezifischen Suchtarbeit und unterschiedliche Sichtweisen der in dem Bereich Tätigen erhoben werden. Zum anderen sollten die Interviews auch zur Überprüfung von Hypothesen dienen.

2.1.1. Hypothesen qualitative Forschung

- Es gibt keine niederschwellige Einrichtung nur für drogenkonsumierende Frauen in Wien
- Expertinnen sind der Meinung, dass es zu wenige niederschwellige Angebote für drogenkonsumierende Frauen in Wien gibt und ein Bedarf nach weiteren derartigen Projekten besteht
- Die frauenspezifischen Angebote werden aus Sicht der Einrichtungen von Klientinnen nicht ausreichend genutzt
- Aus Sicht der Expertinnen sind die frauenspezifischen Angebote in der Szene bekannt
- Es gibt Ideen und Konzepte für frauenspezifische Angebote, jedoch fehlen Ressourcen oder generell Möglichkeiten der Finanzierung zur Umsetzung dieser
- Drogenkonsumierende Jugendliche nehmen zahlenmäßig in den Institutionen zu, es gibt jedoch keine geeigneten Angebote in Wien
- Derzeit gibt es in Wien kaum Vernetzungsarbeit zwischen den einzelnen frauenspezifischen Angeboten

2.1.2. Interview - Leitfaden

Auf die Hypothesen in Kapitel 2.1.1 basierend wurde ein zwanzig Fragen umfassender Leitfaden, der alle für die Forschung relevanten Themen, erstellt.

Um ins Gespräch zu kommen und den Einstieg in die Interviewsituation zu erleichtern, beziehen sich die ersten Fragen des Leitfadens auf Angaben zur eigenen Person, wie Beruf, Art der derzeitigen Anstellung und Erfahrungen mit frauenspezifischer Suchtarbeit.

Alle Fragen wurden offen gestaltet, so dass die Interviewpartnerinnen einen möglichst großen Antwort- und Aussagespielraum hatten. Provozierende Fragen wurden vermieden, um nicht den Eindruck von Vorurteilen oder bereits eingefahrenen Denkmustern zu erwecken.[9]

Die Verwendung eines Leitfadens dient unter anderem dem Zweck, dass im Interview möglichst alle relevanten Themen angesprochen werden, ermöglicht aber dennoch Erzählungen und das Gespräch über andere Aspekte.[10] Daher sollte der Leitfaden eher als Stütze während der Interviews dienen und nicht dazu, jede der zwanzig Fragen bei allen Interviews beantwortet zu bekommen.

2.1.3. Pre-Test

Nachdem der Leitfaden für die qualitative Expertinnenbefragung fertig gestellt war, wurde ein Pre-Test mit einer Arbeitskollegin von streetwork durchgeführt.

Einerseits konnte so festgestellt werden, wie lange die Befragung dauert, andererseits hätte der Leitfaden vor der eigentlichen Forschung gegebenenfalls noch einmal überarbeitet werden können (falls zum Beispiel Fragen schwer verständlich gewesen wären). Da das Feedback der Interviewpartnerin sehr gut war, wurde der Leitfaden nicht abgeändert.

Das einstündige Gespräch enthielt einige für diese Arbeit sehr interessante Themen, weshalb der Pre-Test als sechstes Interview in die qualitative Forschung aufgenommen wurde.

2.1.4. Die Interviewpartnerinnen

Aufgrund der Planung nicht mehr als fünf Interviews durchzuführen, wurde die Wahl der Expertinnen eher von rationellen Gründen bestimmt. Es sollten auf jeden Fall je eine Mitarbeiterin von streetwork des Vereins Wiener Sozialprojekte, von dialog: 10 und von der Beratungsstelle Hegelgasse des Vereins Dialog befragt werden.

Da der Frage nachgegangen werden sollte, warum die sozialmedizinische Drogenberatungsstelle ganslwirt keine frauenspezifischen Angebote mehr durchführt, wurde auch mit einer Mitarbeiterin dieser Einrichtung ein Gespräch geplant. Bezüglich des fünften Interviews wurde die Wahl zwischen Margit Jelenko, der Gründerin des „Frauencafés“ von streetwork, einer Sozialarbeiterin von Contact und einer Mitarbeiterin des FrauenWohnZentrums getroffen.

Aufgrund der Annahme, dass auch langjährige Mitarbeiterinnen des Vereins Wiener Sozialprojekte detaillierte Auskunft über das „Frauencafé“ geben könnten und der Tatsache, dass der Spitalsverbindungsdienst Contact zwar niederschwellige Suchtarbeit in Wien leistet, jedoch kein frauenspezifisches Angebot hat, fiel die Wahl auf das FrauenWohnZentrum. Weiters sollte bewusst der niederschwellige Wohnbereich genauer betrachtet werden, da die Vermutung bestand, dass in Wien zu wenige Unterbringungsmöglichkeiten für drogenkonsumierende Frauen vorhanden sind.

Zum Teil wurden die einzelnen Interviewpartnerinnen jedoch auch von den Einrichtungen selbst mitbestimmt, zum Beispiel in der Form, wer in den jeweiligen Institutionen als Expertin für frauenspezifische Arbeit gehandhabt wird.

Alle befragten Expertinnen sind ausgebildete Sozialarbeiterinnen, bereits mehrere Jahre in der Suchtkrankenhilfe tätig und haben Erfahrung mit frauenspezifischer Arbeit.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Übersicht Interviewpartnerinnen

2.1.5. Teilnehmende Institutionen

Im Folgenden werden die Einrichtungen, in denen die Interviewpartnerinnen tätig sind, kurz vorgestellt. Auf eventuelle frauenspezifische Angebote wird in Kapitel 8.1 eingegangen.

Verein Wiener Sozialprojekte - streetwork

streetwork richtet sich an Personen, die in der offenen Wiener Drogenstraßenszene verkehren und Probleme sozialer, psychischer oder physischer Natur haben. In einer Beratungsstelle am Karlsplatz und einer mobilen Anlaufstelle - dem Bus am Westbahnhof - werden niedrigschwellig Informationen, Beratung und Betreuung geboten. Alle Angebote sind anonym, kostenlos und freiwillig.[11]

Neben dem laufenden Spritzentausch gibt es zusätzlich ein themenspezifisches (gelegentlich ist dieses geschlechtsspezifisch aufgebaut) und ein frauenspezifisches Angebot („Zur Sache“ und „Frauencafé“). Ferner bietet streetwork zweimal in der Woche einen offenen Betrieb, in dem sich KlientInnen ohne Beratungswunsch in der Einrichtung aufhalten können. Das aus vierzehn SozialarbeiterInnen bestehende Team betreibt auch aufsuchende Sozialarbeit und Szene–Monitoring.

Finanziert wird streetwork von der Sucht- und Drogenkoordination Wien und dem Bundesministerium für Gesundheit und Frauen.[12]

Verein Wiener Sozialprojekte – ganslwirt

Die sozialmedizinische Drogenberatungsstelle ganslwirt besteht aus einem Tageszentrum, einem Ambulatorium, einer Notschlafstelle und einem Journaldienst, in dem DrogenkonsumentInnen rund um die Uhr Spritzen tauschen können und Hilfe erhalten. Wie bei streetwork sind alle Angebote niedrigschwellig und anonym gestaltet. Neben psychosozialer Betreuung und Beratung können KlientInnen im ganslwirt auch ärztliche Behandlung und Versorgung erhalten.[13]

Der ganslwirt wird wie streetwork von der Sucht- und Drogenkoordination Wien und dem Bundesministerium für Gesundheit und Frauen finanziert. Das Team der Drogenberatungsstelle besteht aus fünfzehn SozialarbeiterInnen und ungefähr zwölf ÄrztInnen. Zwei Mal im Monat haben KlientInnen die Möglichkeit an dem themenspezifischen Angebot „Wissen vom Wirten“ teilzunehmen. Vierteljährlich erscheint die „Gawi-News“, eine Informationszeitschrift mit aktuellen Themen, Ankündigungen und vielem mehr.[14]

Der ganslwirt wird voraussichtlich 2009 in eine größere Anlaufstelle umziehen, die derzeit erbaut wird.[15]

Caritas der Erzdiözese Wien - FrauenWohnZentrum

Das FrauenWohnZentrum besteht aus dem FrauenWohnZimmer und dem FrauenWohnen.

Der Bereich des FrauenWohnens umfasst sowohl das niedrigschwellige vorübergehende Wohnen in Einzelzimmern, als auch Einzelwohnungen, in denen Frauen unter Begleitung bis zu zwei Jahre bleiben können. Neben diesen zweiunddreißig Wohnplätzen stehen auch vier Notbetten zur Verfügung.

Das FrauenWohnZimmer ist ein Tageszentrum, das dreimal in der Woche geöffnet ist. Frauen können dort ihre Wäsche waschen, sich duschen, eine warme Mahlzeit zu sich nehmen oder sich Beratung zu verschiedenen Themen holen.[16]

Beide Bereiche richten sich an volljährige obdachlose Frauen, die an einer psychischen Erkrankung leiden, Drogen konsumieren oder aus anderen Gründen in geläufigen Obdachloseneinrichtungen nicht aufgenommen werden können. Haustiere sind im FrauenWohnZentrum erlaubt, auch der Konsum von Substanzen in den Zimmern ist kein Ausschlussgrund.

Das Team des FrauenWohnZentrums besteht aus zwölf Mitarbeiterinnen, die teils Sozialarbeiterinnen sind und teils aus anderen Professionen stammen.[17]

Das FrauenWohnZentrum wird größtenteils vom Fonds Soziales Wien finanziert und durch das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen gefördert.[18]

Verein Dialog– Beratungsstelle Hegelgasse

Ein fünfzehnköpfiges Team an SozialarbeiterInnen, Artzinnen und anderen Professionellen beschäftigt sich in dieser Zweigstelle des Vereins Dialog mit drogenkonsumierenden Personen und deren Angehörigen.

Grundsätzlich erfolgt sowohl die medizinische als auch die psychosoziale Beratung und Betreuung nach vorheriger Terminvereinbarung, was die Beratungsstelle zu einer höherschwelligen Einrichtung macht.

Das Team der Hegelgasse betreibt jedoch mit ihren regelmäßigen Besuchen von Frauen und Männern im Polizeianhaltezentrum (PAZ) und der „Frauensache“, einem frauenspezifischen Angebot, auch niederschwellige Suchtarbeit. Ferner betreibt die Beratungsstelle das männerspezifisches Gruppenangebot „4men“.

Neben Substitutionstherapie, Paar- und Familiengesprächen, Psychotherapie und psychosozialer Beratung und Betreuung führen die MitarbeiterInnen auch schulische und betriebliche Gesundheitsförderung sowie Suchtprävention durch.[19]

Verein Dialog – dialog: 10

Der Dialog 10 hat einerseits einen Betreuungsschwerpunkt für Jugendliche und andererseits einen Regionalauftrag für drogenkonsumierende Personen aus dem Süden Wiens (10., 11., 12. und 23. Bezirk).[20]

Generell ist das Angebot des Dialogs 10 dem der anderen Standorte des Vereins sehr ähnlich. Sechzehn MitarbeiterInnen aus den verschiedensten Professionen führen unter anderem psychosoziale Beratung und Betreuung, Angehörigenarbeit und suchtmedizinische Behandlungen durch.[21]

Einmal wöchentlich findet das „Girls Only“ – ein Angebot für junge Frauen bis einundzwanzig - und alle zwei Wochen „Kochen für Burschen“ statt.[22]

2.1.6. Interviewdurchführung

Die Kontaktaufnahme zu den Institutionen erfolgte mit Ausnahme von streetwork (persönliche Anfrage bei einer Arbeitskollegin) und dialog: Hegelgasse (E-Mail an die Einrichtungsleitung) telefonisch. Die Einrichtungen bestimmten in der Folge im Team, wer das Interview führen sollte.

Die Gespräche fanden an unterschiedlichen Örtlichkeiten statt; teils in den Büroräumlichkeiten der Interviewten und teils in öffentlichen Cafés. Die Auswahl der Termine und des Ortes wurde größtenteils von den Interviewpartnerinnen getroffen.

Alle Interviews wurden mit einem MP3-Player aufgezeichnet. Die Expertinnen wurden vorab über die Aufnahme und die Anonymisierung in der Arbeit aufklärt und ihr Einverständnis diesbezüglich eingeholt.

Die Interviews dauerten meist rund eine Stunde und verliefen ohne Zwischenfälle. Nur ein Interview wurde bereits nach fünfzig und eines erst nach siebzig Minuten beendet.

Nach jedem Gespräch wurde ein Interviewprotokoll erstellt, das neben den Rahmenbedingungen zum Gespräch auch erste Thesen enthielt.

2.1.7. Transkription

Im Hinblick auf die Auswertung der Interviews, für die die Form der Themenanalyse gewählt wurde, erfolgte die Transkription zwar relativ genau und vollständig, zur besseren Lesbarkeit wurden die Gespräche jedoch auch bereinigt. Art und Weise wie etwas gesagt wurde, Wiederholungen, Lachen, Räuspern oder Pausen wurden beim Transkribieren nicht beachtet.

Die Aussagen der Interviewten wurden nur teilweise bereinigt. Satzstellungen und verwendete Sprache wurden möglichst beibehalten. Um das Abtippen und die anschließende Auswertung zu erleichtern, wurde jedoch gesprochene Sprache meist in geschriebene Sprache geändert. Bei einigen Interviewpartnerinnen war diese Bereinigung kaum von Nöten, bei anderen wurden zum Beispiel Ausdrücke wie „ich hab, denk, glaub, mach“ durch „ich habe, denke, glaube, mache“ ersetzt.

Mit den Zeichen „[…]“ wurden Auslassungen gekennzeichnet. Diese wurden verwendet um Teile der Gespräche, die keine Bedeutung für die Forschungsfragen hatten, nicht abtippen zu müssen. Die Klammern sagen jedoch nichts über die Dauer der ausgelassenen Teile aus. Meist handelte es sich nur im wenige Sätze.

Fettgedrucktes spiegelt die Aussagen und Fragen der Autorin in den Transkriptionen wieder. Nachträgliche Anmerkungen zu Gesagtem; zum Beispiel bei von Interviewten verwendeten Abkürzungen wie PAZ, wurden in runden Klammern hinzugefügt, zum Beispiel (Anm.: Polizeianhaltezentrum).

2.1.8. Auswertung und Interpretation

Als Auswertungsform für die leitfadengestützten Interviews wurde die Form der Inhalts- beziehungsweise Themenanalyse gewählt, da nur die manifesten Aussagen der Expertinnen für die vorliegende Arbeit von Bedeutung waren.

Um einen Überblick über das transkribierte Material zu bekommen, wurde eingangs eine Globalauswertung durchgeführt. Dabei wurden am Textrand der Transkriptionen Stichworte notiert und eine grobe Gliederung vorgenommen.[23] Anschließend wurden zur inhaltlichen Strukturierung Kategorien und (teilweise) Unterkategorien gebildet, die in der Folge zur Auswertung und Interpretation verwendet wurden.[24]

2.2. Quantitativer Forschungsteil

Wie bereits erwähnt, wurde die Methode der Fragebogenerhebung gewählt um Daten zur Lebenssituation und Einstellungen der Klientinnen einzuholen. Durch die Fragebogenforschung war ein größerer Stichprobenumfang möglich, wodurch die Aussagekräftigkeit der empirischen Arbeit erhöht wurde.

MitarbeiterInnen von streetwork bestärkten zusätzlich die Vermutung, dass eine anonyme Befragung die Bereitschaft der Frauen erhöhen würde, ehrliche Angaben und Ansichten abzugeben. Weiters bestand die Annahme, durch eine Fragebogenerhebung konkretere und leichter auswertbare Daten zu erhalten.

2.2.1. Hypothesen quantitative Forschung

- Das Alter der Klientinnen ist bunt gemischt, jedoch eine Häufung an sehr jungen Frauen (zwischen achtzehn und fünfundzwanzig Jahren)
- Frauen sind seltener obdachlos, wohnen jedoch oft in der Wohnung ihres Partners und sind daher von versteckter Obdachlosigkeit betroffen
- Rund ein Drittel der Klientinnen hat mindestens ein Kind
- Rund die Hälfte dieser Kinder sind wiederum fremduntergebracht
- Die Mehrheit der Klientinnen ist substituiert
- Mindestens drei Viertel der Klientinnen weisen ein polytoxikomanes Konsummuster auf
- Während das „Frauencafé“ in der offenen Drogenszene eher bekannt ist, spielen Angebote wie die „Frauensache“, das „Mädchencafé“ und das „FrauenWohnZentrum“ kaum eine Rolle
- Die Mehrheit der Klientinnen (auch die Mütter selbst) befürwortet ein „Müttercafe“ in Wien
- Die Mehrheit der Klientinnen hat das Gefühl, dass es zu wenige Angebote für drogenkonsumierende Frauen in Wien gibt
- Die Mehrheit der Frauen befürwortet ein „Männercafé“

2.2.2. Der Fragebogen

Aufgrund der Merkmale der Zielgruppe (wenig Zeit, teils durch Substanzenkonsum beeinträchtigt, oft keine Erfahrung mit Fragebögen etc.) sollte der Fragebogen so kurz und leicht verständlich wie möglich gestaltet sein. Es wurden gebundene Antwortformate gewählt, da diese im Gegensatz zu offenen Antwortmöglichkeiten als leichter auswertbar und objektiver gelten.[25]

Von den insgesamt elf Fragen (siehe Anhang A) beziehen sich die ersten fünf Fragen einerseits auf Alter, Wohnverhältnisse und Konsummuster, andererseits wird geklärt, wie viele der Frauen Kinder haben, ob diese bei ihnen leben und wie hoch der Anteil der substituierten Klientinnen ist. Item sechs und sieben beschäftigen sich mit dem Bekanntheitsgrad der frauenspezifischen Angebote und den Motiven der Frauen, an derartigen Projekten teilzunehmen. Mit den Fragen acht bis elf sollen Lücken im derzeitigen Hilfesystem und Anliegen der Klientinnen bezüglich eventueller zukünftiger Angebote festgestellt werden. Für die Fragen acht, neun und elf wurden Ratingskalen mit jeweils vier-stufigen, bipolaren Antwortkategorien gewählt. Bei diesen Items wurde absichtlich auf Mittelkategorien verzichtet, um eine Tendenz zur neutralen Antwortkategorie – damit sich Befragte zum Beispiel nicht auf eine Entscheidung festlegen müssen – zu vermeiden.[26]

Bevor der Fragebogen vervielfältigt wurde, überprüften SozialarbeiterInnen von streetwork diesen in Hinblick auf die KlientInnen von streetwork auf Verständlichkeit und Sachdienlichkeit. Nach einer erneuten Überarbeitung des Fragebogens wurden in der Anlaufstelle von streetwork am Karlsplatz willkürlich drei Klientinnen ausgewählt und gebeten, den Fragebogen auszufüllen. Anschließend wurde ein Feedback von ihnen eingeholt. Nach diesen drei Pre-Tests wurde eine Frage aus dem Fragebogen genommen und eine andere umformuliert.

2.2.3. Auswahl der Stichprobe

Für die Erhebung sollte eine Stichprobe von fünfzig Frauen, die intravenös Opioide konsumieren und niederschwellige Angebote in Wien nutzen, erfasst werden. Durch die Expertinneninterviews war klar geworden, dass die Mädchen und Frauen, die an niederschwelligen Angeboten des Vereins Dialog teilnehmen und intravenös konsumieren, höchst wahrscheinlich auch den Spritzentausch von streetwork oder ganslwirt nutzen.[27] Da der Frauenanteil im ganslwirt im Vergleich zu streetwork relativ gering ist[28] und sich die Beratungsstelle am Karlsplatz auch räumlich besser für eine Befragung eignet, wurde die Anlaufstelle von streetwork des Vereins Wiener Sozialprojekte am Karlsplatz als Ort der Befragung gewählt.

Um eine Repräsentativität zu gewährleisten, ist aus statistischer Sicht die Wahl einer Zufallsstichprobe, die möglichst heterogen zusammengesetzt ist, wünschenswert. Eine derartige Stichprobe ist jedoch nur dann sinnvoll, wenn ein Großteil der ausgewählten Personen den Fragebogen auch tatsächlich ausfüllt.[29] Im Fall der Erhebung für diese Arbeit hätte es zum Beispiel nur wenig Sinn gemacht zu versuchen, dass auch stark beeinträchtige Frauen den Fragebogen ausfüllen. Da grundsätzlich bei jeder Stichprobe im Nachhinein eine fiktive Population – die so genannte Inferenzpopulation - konstruiert werden kann, für die die Stichprobe dann repräsentativ ist, wurde eine Ad-hoc-Stichprobe gewählt. Bei dieser Auswahl werden Personen erforscht, die gerade zur Verfügung stehen oder leicht zugänglich sind und nicht nach Zufallsprinzipien, sondern in irgendeiner Form willkürlich oder bewusst aus der Population gezogen werden.[30]

2.2.4. Fragebogenerhebung

Es wurden vier Tage Ende Jänner und Anfang Februar als Befragungszeitpunkt bestimmt und für diese das Einverständnis des Einrichtungsleiters von streetwork sowie der an diesen Tagen diensthabenden SozialarbeiterInnen eingeholt. Es wurden absichtlich verschiedene Wochentage gewählt, da am Wochenende andere KlientInnen in die Anlaufstelle kommen; zum Beispiel, weil sie von Montag bis Freitag arbeiten und nur am Wochenende Zeit haben um Spritzen tauschen zu gehen.

Während dieser Dienste, die je von 10:00 bis 18:30 dauerten, wurden grundsätzlich alle in die Anlaufstelle kommenden Frauen gefragt, ob sie Zeit und Lust hätten, einen Fragebogen auszufüllen. Nur bei wenigen Frauen, die sichtlich stark beeinträchtigt waren, wurde davon abgelassen, sie auf die Erhebung anzusprechen.

Rund drei Viertel der - auf die Befragung aufmerksam gemachten - Klientinnen stimmte zu, den Fragebogen auszufüllen und wurde in der Folge in einen ruhigen Raum mit Tischen und Sesseln gebracht, in dem jeden Dienstag auch das „Frauencafé“ stattfindet.

Um die Objektivität bei der Durchführung zu gewährleisten, erhielt jede Frau die gleiche Einführung und Hilfestellung.[31] Obwohl sich auch am Fragebogen selbst eine kurze Einführung zur Erhebung befand, wurde vorab jeder Klientin unter anderem das Thema der Diplomarbeit und der Zweck der Fragebogenerhebung erklärt. Weiters wurden die vier erwähnten frauenspezifischen Angebote (Frauencafé, Frauensache, Girls Only und FrauenWohnZentrum) bündig vorgestellt, um sicher zu stellen, dass jede Frau auch das Richtige darunter verstand. Zusätzlich wurden die Befragten gebeten, zu versuchen jedes Item zu beantworten und erst am Ende Fragen zu stellen.

Nur wenige Befragte gaben den ausgefüllten Fragebogen ohne Kommentar oder Nachfragen zurück. Die meisten Anmerkungen erfolgten bezüglich der Frage, ob es in Wien ein Müttercafé geben sollte. Viele Frauen beantworteten diese Frage erst, nachdem sie gefragt hatten, wo so ein Müttercafé stattfinden würde und wie es gestaltet sein könnte. In diesem Zusammenhang äußerten mehrere Mütter Ängste, dass Mitarbeiterinnen eines solchen Angebotes mit dem Jugendamt zusammenarbeiten könnten.

Insgesamt konnten im Befragungszeitraum von vier Tagen dreiundfünfzig ausgefüllte Fragebogen verzeichnet werden. Letztendlich umfasste der Stichprobenumfang mit den Pre-Tests sechsundfünfzig Frauen (n=56).

2.2.5. Auswertung und Interpretation

Die Auswertung der Fragebögen erfolgte mit deskriptivstatistischen Mitteln der Programme SPSS („Statistical Product and Service Solutions“) und Microsoft Excel für Windows. Aufgrund des niedrigen Skalenniveaus der meisten Variablen, beschränkte sich die Auswertung auf Häufigkeitsverteilungen, Mittelwerte, Prozentangaben und Verhältniszahlen.

2.2.6. Kritik am Fragebogen

Bei der Erstellung der Frage nach vorhandenen Kindern wurde die Möglichkeit, dass eine Frau zum Zeitpunkt der Befragung schwanger sein könnte, nicht in Betracht gezogen. Als sich während der Befragung herausstellte, dass diese Antwortmöglichkeit vergessen wurde, beantworteten die wenigen schwangeren Klientinnen die Frage mit „Ja“ und fügten in Klammern „schwanger“ hinzu. Bei der Auswertung wurde jedoch der Variable „Kinder“ mit „schwanger“ ein dritter Wert hinzugefügt.

Frage sieben war eigentlich so geplant, dass Klientinnen die Zahlen eins bis sechs den Gründen derartig zuordnen, dass mit „1“ der für sie wichtigste und mit „6“ der unwichtigste Grund bezeichnet wird. Dies wurde von den meisten Klientinnen falsch verstanden; vielleicht auch deshalb, da es für sie mehrere sehr wichtige oder mehrere weniger wichtige Antworten gab. Hier wäre es definitiv besser gewesen jede Antwortmöglichkeit als ein eigenes Item darzustellen und dieses mit einer Ratingskala zu versehen. Der Fragebogen wäre dadurch länger geworden, was entgegen der Meinung der ExpertInnen gewesen wäre, dass der Fragebogen nur wenige Seiten umfassen sollte.

Der Fragebogen enthielt kein Item zur Überprüfung der Gründe, warum Klientinnen, die das „Frauencafé“ kennen, dieses nicht besuchen. Der Hauptgrund dafür war, dass der Fragebogen in „Frauencafé-Kennerinnen“ und „-Nichtkennerinnen“ geteilt werden hätte müssen. Dazu hätte eine Filterfrage eingebaut werden müssen, ab der der Fragebogen entweder nur noch an die „Kennerinnen“ gerichtet gewesen wäre oder jeweils ein Item für die „Kennerinnen“ und eines für die „Nichtkennerinnen“ enthalten hätte. Durch eine derartige Aufteilung wäre der Fragebogen komplizierter und länger geworden, weshalb darauf verzichtet wurde. In der Folge wurden Frauen, die nach Beantwortung des Fragebogens noch etwas wissen oder anmerken wollten, und die angegeben hatten das „Frauencafé“ zu kennen, es jedoch noch nicht besucht zu haben, nach Gründen für das Fernbleiben angesprochen. Auf einem Collegeblock wurden die Antworten festgehalten. Dies stellt zwar keine legitime Erhebungsmethode dar, dennoch wurden die rund fünfundzwanzig Antworten kategorisiert und in Kapitel 8.2 „Bekanntheitsgrad der frauenspezifischen Projekte“ ausgewertet.

Mit der Vorstellung den Fragebogen kurz und leicht verständlich zu gestalten, geriet auch die Beschäftigung mit Antwortformaten, deren Skalenniveau hoch ist, etwas in den Hintergrund. Zusätzlich bestand keine Erfahrung mit der Konstruktion von Fragebögen, weshalb ein Großteil der Fragen Nominal- und Ordinalskalenniveau besitzt, die bei der Auswertung und Interpretation weniger Möglichkeiten bieten.

3. Vom genussvollen Konsum zum süchtigen Verhalten

Im alltäglichen Sprachgebrauch, aber auch in der Wissenschaft und Literatur, werden teilweise Begriffe wie „Missbrauch“, „Abhängigkeit“ und „Sucht“ fälschlicherweise synonym verwendet.

3.1. Konsum

Nicht immer, wenn Personen psychoaktive Substanzen konsumieren, steht dies in unmittelbaren Zusammenhang mit einer Abhängigkeit, kann aber dennoch die Gesundheit des Jugendlichen oder Erwachsenen gefährden. Daher wird von normalem, riskantem, schädlichem oder abhängigem Konsum gesprochen.

Beim genussvollen Konsum besteht der Wunsch, aber kein Druck, eine gewisse Substanz weiterhin zu gebrauchen; steht sie nicht zur Verfügung, werden auch keine Anstrengungen unternommen sich die Droge zu besorgen.[32]

3.2. Missbrauch

Missbrauch ist noch keine Abhängigkeit, sondern der ungesunde, abnorme Konsum von psychoaktiven Substanzen, deren Wirkung zu einem bestimmten Zweck benutzt wird. Wiederholter Missbrauch kann jedoch zu Abhängigkeit führen.[33]

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Missbrauch als Anwendung von Pharmaka oder Genussmitteln ohne medizinische Indikation beziehungsweise in einer übermäßigen Dosierung.[34]

3.3. Abhängigkeit

Laut Definition der Weltgesundheitsorganisation ist

„[…] Drogenabhängigkeit ein Zustand seelischer oder seelischer und körperlicher Abhängigkeit von einer legalen oder illegalen Droge mit zentralnervöser Wirkung, der durch die periodische oder ständig wiederholte Einnahme dieser Substanz charakterisiert ist und dessen Merkmale je nach Art der eingenommenen Drogen variieren.“ [35]

Die WHO unterscheidet zwischen psychischer und körperlicher Drogenabhängigkeit. Weiters wird zwischen stoffgebundener und stoffungebundener Abhängigkeit differenziert.

Zur Entwicklung von Abhängigkeit finden sich sowohl psychologische, biologische als auch soziologische Theorien, wobei davon ausgegangen wird, dass die drei Faktoren „Psychoaktive Substanz“, „Soziales Umfeld und Gesellschaft“ und „Person“ bei der Entstehung zusammenwirken.[36] Grundsätzlich kann jede Person eine Abhängigkeit entwickeln, weshalb sich kein pauschaler Ursachenkatalog mit Gründen für Drogenkonsum oder die Ausbildung einer Abhängigkeit erstellen lässt. Jede Leidenschaft, die in einer übermäßigen Form ausgeübt wird, kann abhängig machen.

Zu den Ursachen für stoffgebundene und stoffungebundene Abhängigkeiten zählen unter anderem gescheiterte Konfliktlösungsversuche, Traumata und Unzufriedenheit mit der aktuellen Lebenssituation.[37] Auf gängige frauenspezifische Gründe für Drogenkonsum und Abhängigkeit wird in Kapitel 6.1 näher eingegangen.

Entscheidend für die Entwicklung einer Abhängigkeit ist nicht die konsumierte Substanz oder das Verhalten selbst, sondern die individuell verschiedene körperliche, emotionale und seelische Wirkung. In der Arbeit mit DrogenkonsumentInnen ist es in der Folge meist wichtig zu analysieren, welche Funktion der Konsum von Substanzen für die jeweilige Person zu haben scheint.

Um festzulegen, ob eine Substanzabhängigkeit besteht, gibt es verschiedene Diagnosekriterien. In der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10) werden diesbezüglich im Kapitel 5 (F) zum Beispiel Kontrollverlust, Entzugserscheinungen oder eine notwendige Dosissteigerung zum gleichen Wirkungserhalt (Toleranzentwicklung) genannt.[38]

3.4. Sucht

Da sich viele drogenkonsumierende Personen in gewisser Weise auf der Suche befinden, wird oft angenommen, das Wort „Sucht“ kommt von dem Verb „suchen“.

Der Begriff „Sucht“ leitet sich jedoch vom germanischen Wort „siech“ ab, das in seinem Ursprung auf Siechtum und Krankheit hinwies und wahrscheinlich erst im neunzehnten Jahrhundert zu einem moralisch besetzten Ausdruck wurde.[39]

Laut dem klinischen Wörterbuch Pschyrembel ist Sucht die umgangssprachliche Bezeichnung für Abhängigkeit; nach den international gültigen diagnostischen Kriterien der Weltgesundheitsorganisation gibt es den Begriff „Sucht“ nicht mehr.[40]

Bezeichnungen wie „Suchtprävention“, „Suchtkrankenhilfe“ oder „Suchtarbeit“ sind jedoch weiterhin gebräuchlich und werden daher auch - unter anderem aus Mangel an anderen adäquaten Bezeichnungen - in dieser Arbeit verwendet.

4. Psychoaktive Substanzen

Zu den psychoaktiven Substanzen zählen alle Stoffe (in festem, flüssigen oder gasförmigen Zustand), deren Wirkstoffe mittelbar oder unmittelbar auf das Zentralnervensystem einwirken und dessen Funktionen beeinflussen. Psychoaktive Substanzen verändern somit aufgrund ihrer chemischen Natur bestimmte Strukturen oder Funktionen im (menschlichen) Organismus, zu denen insbesondere das Verhalten, das Bewusstsein, die Wahrnehmung und die Stimmungslage gehören.

Für die Definition spielt es keine Rolle, dass psychoaktive Substanzen sowohl legale (Kaffee, Nikotin, Alkohol, Schlaf- und Schmerztabletten etc.) als auch illegale Stoffe (Cannabis, Kokain, Heroin etc.) umfassen.[41] Illegale oder illegalisierte Substanzen sind all jene Drogen, die unter das Suchtmittelgesetz fallen.

4.1. Suchtmittelgesetz

Im Suchtmittelgesetz (SMG) ist geregelt, welche Substanzen in Österreich als Suchtmittel gelten und wie der Umgang (Erwerb, Besitz, Erzeugung, Ein- und Ausfuhr usw.) mit diesen auszusehen hat. Derartige Bestimmungen sind sowohl im Suchtmittelgesetz als auch in den dazu ergangenen Durchführungsverordnungen (Suchtgiftverordnung, Psychotropenverordnung) zu finden.

Im Suchtmittelgesetz wird zwischen Suchtgiften, psychotropen Substanzen und Vorläuferstoffen unterschieden.

Suchtgifte sind die in der Suchgiftverordnung aufgelisteten Stoffe, die aufgrund ihrer psychoaktiven Wirkung den strengsten Kontrollmaßnahmen unterliegen. Dazu zählen zum Beispiel Cannabisprodukte, Rohopium und Opioide, Kokain, Amphetamin, gewisse Beruhigungsmittel sowie diverse Halluzinogene.[42]

Psychotrope Substanzen sind in der Psychotropenverordnung aufgelistet und unterliegen bestimmten Beschränkungen hinsichtlich ihrer Verwendung. Zu dieser Gruppe gehören im Besonderen Stoffe, die vorwiegend in der Medizin Anwendung finden, wie Benzodiazepine.[43]

Vorläuferstoffe sind Substanzen, die in der Chemie und Medikamentenerzeugung, aber auch für die Herstellung von Suchtgiften und psychotropen Substanzen benötigt werden. Da sie auch zur illegalen Suchtmittelerzeugung verwendet werden könnten, gelten für sie Überwachungs- und Kontrollvorschriften.[44]

Im Suchtmittelgesetz wird nicht nur definiert, welche Substanzen als Suchtmitteln gelten und wie deren Erzeugung, Erwerb, Besitz, Verschreibung sowie Abgabe auszusehen hat, sondern auch auf strafrechtliche Bestimmungen bei Verstößen gegen diese Bestimmungen eingegangen.

Weiters finden sich Bestimmungen zu gesundheitsbezogenen Maßnahmen bei Suchtmittelmissbrauch (§11ff.), die im alltäglichen Sprachgebrauch als „Weisungen“ oder „Weisungsbetreuung“ bezeichnet werden, sowie zu Einrichtungen mit Betreuungsangeboten für Personen, die Suchtmittel konsumieren (§15).

4.2. Substitutionstherapie

Substitution ist die ärztliche Verschreibung von Ersatzmedikamenten und keine Behandlung des Opioidkonsums an sich. Dies bedeutet, dass substituierte Personen zwar weiterhin abhängig bleiben, Beschaffungskriminalität, Beschaffungsprostitution und Überdosierungen nehmen jedoch ab.

Vorraussetzung für eine Aufnahme in das Substitutionsprogramm ist eine bereits länger andauernde starke Opioidabhängigkeit und Krankenversicherung. Bei einer kürzer als zwei Jahre bestehenden Abhängigkeit und bei Personen unter zwanzig Jahren muss die Indikation einer Substitutionsbehandlung besonders geprüft werden. Bei Personen unter zwanzig Jahren sollte eine Zweitbegutachtung durch einen Facharzt für Psychiatrie eingeholt werden, bei Personen unter achtzehn Jahren ist dies ein Muss.[45]

Alle Substitutionsmittel sind für den oralen Konsum bestimmt. In den letzten Jahren wurden jedoch oft retardierte Morphine als Substitutionsmittel verschrieben, die von KlientInnen auch missbräuchlich verwendet werden, indem sie diese auflösen und intravenös konsumieren. Durch die relativ lockere Mitgaberegelung florierte zusätzlich der Schwarzmarkt mit Substitutionsmitteln. Um derartige Entwicklungen einzudämmen, trat mit 1. März 2007 eine novellierte Suchtgiftverordnung und eine neue „Weiterbildungsverordnung orale Substitution“ in Kraft.

Methadon und Buprenorphin stellen nun aufgrund ihres geringen Schwarzmarktwertes bei Neueinstellungen[46] die Substitutionsmittel der ersten Wahl dar. „ Nur bei Unverträglichkeit dieser Arzneimittel dürfen andere Substitutionsmittel verschrieben werden “.[47]

Zu den wesentlichsten Veränderungen zählen ferner Aus- und Weiterbildungsauflagen für substituierende ÄrztInnen und AmtsärztInnen sowie eine strenge Ab- und Mitgaberegelung von Substitutionsmitteln. Diese müssen nun grundsätzlich unter Sicht in der Apotheke eingenommen werden (außer bei Buprenorphinen); nur in wenigen begründeten Ausnahmefällen (die Einnahme in der Apotheke ist aufgrund der Arbeitszeit nicht möglich, Urlaub etc.) erfolgt die Mitgabe einer Wochendosis. Zusätzlich wird vor Aufnahme in das Substitutionsprogramm ein schriftlicher Behandlungsvertrag zwischen Arzt/ Ärztin und PatientIn abgeschlossen, bei dessen Nichteinhaltung (Beikonsum, Weitergabe von Substitutionsmitteln etc.) die Substitution beendet wird.[48]

4.3. Drogen

Der Begriff „Droge“ war ursprünglich eine Bezeichnung für getrocknete Arzneipflanzen, die direkt oder in Form von Extrakten als Heilmittel verwendet werden.[49] Während in der Wissenschaft mit dem Begriff „Drogen“ immer noch alle psychoaktiven Substanzen bezeichnet werden, sind heutzutage im alltäglichen Gebrauch mit Drogen meist illegale Stoffe gemeint. Neben der Unterscheidung zwischen legalen und illegalen Substanzen ist auch die Unterteilung in weiche und harte Drogen gebräuchlich. Zu weichen Drogen gehören unter anderem Cannabis und Ecstasy, Heroin und Kokain werden zu den harten Drogen gezählt.

Wenn in der vorliegenden Arbeit von Drogen oder psychoaktiven Substanzen die Rede ist, stellen die Bezeichnungen einen Überbegriff für die in diesem Kapitel dargestellten Stoffe dar. Es wird hier nicht auf alle in der Wissenschaft bekannten Substanzen eingegangen, da dies den Rahmen der Arbeit überschreiten würde. Vielmehr soll dieses Kapitel eine Einführung in die für die Zielgruppe der Diplomarbeit relevanten Stoffe geben, wobei Opioide stets die Leitdroge darstellen und die anderen erwähnten Substanzen oft zusätzlich konsumiert werden.

Unter Polytoxikomanie wird die Abhängigkeit von mehreren Substanzen beziehungsweise ein Mischkonsum verstanden. Ob es sich dabei um eine Kombination aus legalen Drogen, legalen und illegalen oder nur illegalen Substanzen handelt, spielt für die Definition keine Rolle.[50]

Der Begriff „Polytoxikomanie“ wird auch für Konsummuster verwendet, die Überschneidungen zwischen Konsum, Missbrauch und/ oder Abhängigkeit von psychoaktiven Substanzen mit anderen aufweisen. In der Folge kann eine Person von mehreren Substanzen abhängig sein, oder die eine missbräuchlich konsumieren und von der anderen abhängig sein.[51]

4.3.1. Opioide

Unter Opioiden werden alle halb- und vollsynthetischen, aber auch körpereigene Substanzen auf Morphinbasis verstanden, die eine zentralwirksame Wirkung haben. Derartige Substanzen binden sich an Opioidrezeptoren im Gehirn, Rückenmark sowie der glatten Muskulatur und entfalten dort ihre Aktivität.[52] Zu den klassischen Wirkungen zählen die Herabsetzung der Schmerzempfindung, stecknadelkopfgroße Pupillen, Dämpfung der Darmmobilität, des Atemzentrums und des Hustenzentrums, ein Gefühl des allgemeinen Wohlbefindens (Euphorie), Beseitigung von Angstgefühlen und gelegentlich auch Übelkeit.[53]

Bei fortgesetztem regelmäßigem Konsum von Opioiden entsteht oft rasch eine körperliche und psychische Abhängigkeit. Eine körperliche Abhängigkeit zeichnet sich durch Entzugssymptome aus, zu denen unter anderem Durchfall, Kältegefühl, Schmerzzustände, Muskelverspannungen und Schweißausbrüche zählen. Die Auswirkungen auf Psyche und Sozialverhalten sind sehr unterschiedlich und werden stark von der seelischen Struktur der KonsumentInnen geprägt.

Bei Überdosierungen tritt der Tod durch eine Atemlähmung und Kreislaufschock ein.[54]

Da die Zielgruppe dieser Arbeit opioidkonsumierende Frauen sind, wird auf die zur Gruppe der Opioide zählenden Stoffe genauer eingegangen; im Besonderen auf jene, die in der Wiener Drogenszene eine größere Rolle spielen.

Natürliche Opioide/ Opiate

Im Alltag, aber auch in der Literatur wird oft fälschlicherweise von Opiatabhängigkeit gesprochen, wenn ausgedrückt werden will, dass Personen Heroin und/ oder Substanzen wie retardierte Morphine konsumieren.

Zu der Gruppe der Opiate gehören jedoch nur alle natürlichen, aus Rohopium isolierbaren Substanzen. Opium wird aus dem Fruchtkapselsaft des asiatischen Schlafmohns (Papaver somniferum) gewonnen, der hauptsächlich in Mexiko, Kolumbien, Indien und der Türkei angebaut wird.

[...]


[1] Auch wenn eine geschlechtssensible Schreibweise die Lesbarkeit erschwert, wurde im Sinne von Gender Mainstreaming ein geschlechtergerechter Sprachgebrauch für die Arbeit gewählt.

[2] Hodinka L. 2004

[3] vgl. Rogers C. R. 1994

[4] Herwig-Lempp J. 1994

[5] Merfert-Diete Ch., Soltau R. (Hg.) 1984

[6] vgl. Diekmann A. 2006, 18.

[7] vgl. Flick U. 2002, 118ff.

[8] vgl. Diekmann A. 2006, 30f.

[9] vgl. Froschauer U., Lueger M. 1992, 35 und 46f.

[10] vgl. Diekmann A. 2006, 446.

[11] vgl. Verein Wiener Sozialprojekte. URL: http://www.vws.or.at/streetwork/general-info/uber-uns.html, 20.3.2007

[12] vgl. Verein Wiener Sozialprojekte (Hrsg.) 2006, 2.

[13] vgl. Verein Wiener Sozialprojekte. URL: http://www.vws.or.at/ganslwirt/general-info/uber-uns.html, 20.3.2007

[14] vgl. Interview III, Anhang C, Z.1-3, 8-10 und 49-50.

[15] vgl. Interview III, Anhang C, Z.52-54.

[16] vgl. Caritas Wohnungslosenhilfe 2006a

[17] vgl. Interview IV, Anhang C, Z.7-11.

[18] vgl. Caritas Wohnungslosenhilfe 2006a

[19] vgl. Verein Dialog, URL: http://www.dialog-on.at/article_85.html, 2.4.2007

[20] vgl. Interview VI, Anhang C, Z.1-4.

[21] vgl. Verein Dialog, URL: http://www.dialog-on.at/article_225.html, 2.4.2007

[22] vgl. Interview VI, Anhang C, Z.9-11.

[23] Flick U. 2002, 283f.

[24] Mayring P. 2003, 89.

[25] vgl. Bühner M. 2004, 29.

[26] vgl. Bühner M. 2004 , 52.

[27] vgl. Interview V, Anhang C, Z.4-5 und Interview VI, Anhang C., Z.7-8.

[28] vgl. Interview III, Anhang C, Z.11-12.

[29] vgl. Atteslander P. 2006, 257 und 260.

[30] vgl. Bortz J., Döring N. 2002, 404 und 684.

[31] vgl. Bühner M. 2004, 28.

[32] vgl. Singerhoff L. 2002, 45.

[33] vgl. Bundesministerium für Gesundheit und Frauen (Hrsg.) 2004, 17.

[34] vgl. Pschyrembel 1998, 1029.

[35] Schmidt G., Algeier-Föll R. 2003, 1.

[36] vgl. Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Abteilung V/12 (Hrsg.) 2005, 16ff.

[37] vgl. Singerhoff L. 2002, 26.

[38] vgl. Dilling H., Mombour W. 2005, 92f.

[39] vgl. Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Abteilung V/12 (Hrsg.) 2005, 12. und Singerhoff, L. 2002, 27.

[40] Pschyrembel 1998, 1526.

[41] vgl. Vogt I. 2004, 10.

[42] vgl. Verordnung der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales über den Verkehr und die Gebarung mit Suchtgiften (Suchtgiftverordnung - SV)

[43] vgl. Verordnung der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales über den Verkehr und die Gebarung mit psychotropen Stoffen (Psychotropenverordnung - PV)

[44] vgl. Bundesgesetz über Suchtgifte, psychotrope Stoffe und Vorläuferstoffe (Suchtmittelgesetz – SMG), §4.

[45] vgl. Verordnung der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales über den Verkehr und die Gebarung mit Suchtgiften (Suchtgiftverordnung - SV), § 23a.

[46] Personen, die bereits vor dem 1. März 2007 mit retardierten Morphinen substituiert waren, sind von dieser Regelung nicht betroffen.

[47] vgl. Verordnung der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales über den Verkehr und die Gebarung mit Suchtgiften (Suchtgiftverordnung - SV), § 23c.

[48] vgl. Ärzte Woche Online, URL: http://www.aerztewoche.at/viewArticleDetails.do?articleId=5760, 2.5.2007

[49] vgl. Pschyrembel 1998, 367.

[50] vgl. Schmidt G., Algeier-Föll R. 2003, 102.

[51] vgl. Vogt I. 2004 , 91f. und Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Abteilung V/12 (Hrsg.) 2005, 164.

[52] vgl. Pschyrembel 1998, 1158.

[53] vgl. Schmidbauer W., Vom Scheidt J. 2003, 288ff.

[54] vgl. Schmidbauer W., Vom Scheidt J. 2003, 288ff.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2007
ISBN (eBook)
9783836610575
DOI
10.3239/9783836610575
Dateigröße
773 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
FH Campus Wien – Sozialarbeit, Sozialarbeit (im städtischen Raum)
Erscheinungsdatum
2008 (März)
Note
1,0
Schlagworte
drogenkonsum suchtarbeit opioid wien
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