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Zukunfts(t)räume? Wege zur barrierefreien Mobilität

Anwendung eines dynamischen WebGIS am Beispiel Berlin/Treptow-Köpenick

©2007 Diplomarbeit 100 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Seit mehr als drei Jahrzehnten engagieren sich behinderte Menschen und ihre Interessensvertreter, um die Diskrepanz zwischen dem Selbstverständnis sowie den Bedürfnissen behinderter Menschen und dem gesellschaftlichen Umgang mit Behinderung aufzuzeigen. Bis Anfang der 1980er Jahre dominierte die Auffassung, Behinderung sei -äquivalent zu Krankheit und Gesundheit - als Antagonismus der Normalität zu begreifen. Das eingangs angeführte Gedicht soll in diesem Zusammenhang jedoch verdeutlichen, dass sowohl Behinderung, als auch Normalität eine Frage der Perspektive und der Definition sind. Problematisch ist, dass sich das Normalitätskonzept über einen langen Zeitraum in der sozialen und physischen Umwelt manifestieren konnte. Nach dem aktuellen Verständnis von Behinderung werden daher die Begriffe „Beeinträchtigung“ und „Behinderung“ unterschieden, wobei Menschen mit seelischen, körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen erst durch gesellschaftliche Umstände zu „behinderten Menschen“ werden.
Eine der größten gesellschaftlich produzierten Barrieren stellt für funktional eingeschränkte Menschen die bauliche und verkehrliche Struktur dar, da diese ihre Mobilität bzw. ihren individuellen „Möglichkeitsraum“ einschränkt. Mobilität ist jedoch eine wichtige Voraussetzung für die Teilnahme am wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben und wird als eine der konstitutiven Faktoren unserer Gesellschaft rezipiert. Die Flexibilisierung von Arbeitszeiten und –bedingungen sowie sozialer Lebensverhältnisse, die gut ausgebaute Verkehrsinfrastruktur, ein wachsendes Freizeitbudget sowie die Verteilung der Grunddaseinsfunktionen auf räumlich getrennte Bereiche haben zu einer enormen Steigerung der gewünschten oder erzwungenen räumlichen Mobilität geführt. Es ist beispielsweise kaum mehr vorstellbar, die täglichen Wege mit den Transportmitteln von 1900 erledigen zu müssen. Dafür ist es notwendig, dass sich jeder Mensch weitestgehend unabhängig und ohne besondere Erschwernis in der gebauten Umwelt fortbewegen und orientieren kann.
Diese Forderung spiegelt sich in einem Ansatz wider, der in den letzten Jahren verstärkt auch in Europa verfolgt wird und u.a. darauf zielt, die Zugänglichkeit (engl. accessibility) der Städte zu verbessern. Dieser Ansatz löst die Sonderbereiche „Stadtplanung für behinderte Menschen“ bzw. das „alten- und behindertengerechte Bauen“ ab, die – wenn überhaupt – meist erst verspätet in der Planung berücksichtigt […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Verzeichnis der Code-Beispiele

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Einführung in das Thema
1.2. Zielsetzung der Arbeit
1.3. Aufbau der Arbeit

2. Barrieren im Raum – Grenzen der Mobilität
2.1. Behinderung
2.1.1. Zur Problematik des Behinderungsbegriffs
2.1.2. Zahl behinderter Menschen
2.2. Mobilität
2.2.1. Begriffsdefinition
2.2.2. Mobilitätsbehinderte Menschen
2.2.3. Mobilitätsbarrieren
2.3. Barrierefreiheit, Zugänglichkeit und Universelles Design
2.4. Synthese: Barrierefreie Mobilität

3. Wege zur Barrierefreien Mobilität
3.1. Gesetze und Normen
3.1.1. Bürgerrecht: Diskriminierungsverbot und Gleichstellungsgebot
3.1.2. Baurecht und relevante DIN-Normen
3.1.3. Internationale Entwicklung
3.2. Sozialpolitische Maßnahmen und Initiativen
3.2.1. Konzepte für Berlin
3.2.2. Ansätze auf der Ebene der EU
3.2.3. Internationale Entwicklung
3.3. Erfassung und Darstellung von Mobilitätsbarrieren
3.3.1. Ziel der Erfassung von Mobilitätsbarrieren
3.3.2. Wachsende Bedeutung des WWW
3.3.3. Bestehende Ansätze im Internet
3.4. Zwischenfazit

4. Konzeption und Realisierung DES WebGIS
4.1. Ziel der Anwendung
4.2. Zielgruppe
4.3. Auswahl des Mapservers/der Webtechnologie
4.3.1. ArcIMS
4.3.2. Google Maps
4.3.3. UMN Mapserver
4.3.4. Schlussfolgerungen und Auswahl
4.4. Aufbau und Funktionsweise des WebGIS
4.4.1. Definition WebGIS
4.4.2. Cient
4.4.3. Webserver/Apache
4.4.4. Mapserver/UMN MapServer
4.4.5. Data Server/MySQL
4.4.6. Architektur
4.5. Umsetzung mit PHP/Mapscript
4.5.1. Datengrundlage
4.5.2. Konfiguration des Mapfiles
4.5.3. Aufbau und Design der Webseite

5. Zusammenfassung und Bewertung
5.1. Umsetzung der barrierefreien Mobilität
5.2. Bewertung der Umsetzung des WebGIS

Literatur- und Quellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Das „gap-Modell“

Abb. 2: Schwerbehinderte Menschen 2003 nach Altersklasse und Geschlecht

Abb. 3: Anteil behinderter Menschen 2003 an den jeweiligen Altersklassen in Deutschland

Abb. 4: Dimensionen der Mobilität

Abb. 5: Ideal versus Vielfalt

Abb. 6: Ausschnitt aus dem Münchener Linienplan

Abb. 7: you-too Datenbank

Abb. 8: Heidelberger Stadtführer

Abb. 9: Interaktiver Stadtplan von Solothurn

Abb. 10: Mapserver der S-Bahn Berlin GmbH

Abb. 11: Beispielanwendung ArcIMS mit HTML- Viewer

Abb. 12: Beipielanwendung mit Google Maps

Abb. 13: Beispielanwendung mit p.mapper

Abb. 14: Grundlegende WebGIS-Komponenten

Abb. 15: MapServer über CGI und MapScript

Abb. 16: Architektur des realisierten WebGIS

Abb. 17: Objektstruktur des Mapfiles

Abb. 18: Karte im Maßstab 1:100.000 ..77 Abb. 19: Karte im Maßstab 1:10.000

Abb. 20: Seitenaufbau

Abb. 21: Oberfläche des WebGIS

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Sichtweisen von Behinderung

Tab. 2: Arten der Mobilitätsbehinderung

Tab. 3: Verwendete Software

Tab. 4: Verwendete Sprachen

Verzeichnis der Code-Beispiele

Code-Beispiel 1: Aufruf des MapServers über URL

Code-Beispiel 2: MapServer über CGI

Code-Beispiel 3: MapServer über PHP/MapScript

Code-Beispiel 4: Grundgerüst des Mapfiles

Code-Beispiel 5: Definition eines Layers

Code-Beispiel 6: Erstellung eines einfachen Symbols

Code-Beispiel 7: Seitenaufbau mit PHP

Code-Beispiel 8: Styleswitcher

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

1.1. Einführung in das Thema

Seit mehr als drei Jahrzehnten engagieren sich behinderte Menschen und ihre Interessensvertreter, um die Diskrepanz zwischen dem Selbstverständnis sowie den Bedürfnissen behinderter Menschen und dem gesellschaftlichen Umgang mit Behinderung aufzuzeigen. Bis Anfang der 1980er Jahre dominierte die Auffassung, Behinderung sei -äquivalent zu Krankheit und Gesundheit - als Antagonismus der Normalität zu begreifen. Das eingangs angeführte Gedicht soll in diesem Zusammenhang jedoch verdeutlichen, dass sowohl Behinderung, als auch Normalität eine Frage der Perspektive und der Definition sind. Problematisch ist, dass sich das Normalitätskonzept über einen langen Zeitraum in der sozialen und physischen Umwelt manifestieren konnte. Nach dem aktuellen Verständnis von Behinderung werden daher die Begriffe „Beeinträchtigung“ und „Behinderung“ unterschieden, wobei Menschen mit seelischen, körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen erst durch gesellschaftliche Umstände zu „behinderten Menschen“ werden.

Eine der größten gesellschaftlich produzierten Barrieren stellt für funktional eingeschränkte Menschen die bauliche und verkehrliche Struktur dar, da diese ihre Mobilität bzw. ihren individuellen „Möglichkeitsraum“ (Dienel et al. 2001:25) einschränkt. Mobilität ist jedoch eine wichtige Voraussetzung für die Teilnahme am wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben und wird als eine der konstitutiven Faktoren unserer Gesellschaft rezipiert. (vgl. Arndt 2005:2, Dienel et al. 2001:25) Die Flexibilisierung von Arbeitszeiten und –bedingungen sowie sozialer Lebensverhältnisse, die gut ausgebaute Verkehrsinfrastruktur, ein wachsendes Freizeitbudget sowie die Verteilung der Grunddaseinsfunktionen auf räumlich getrennte Bereiche haben zu einer enormen Steigerung der gewünschten oder erzwungenen räumlichen Mobilität geführt. Es ist beispielsweise kaum mehr vorstellbar, die täglichen Wege mit den Transportmitteln von 1900 erledigen zu müssen. (vgl. Bamberg 2001:118) Dafür ist es notwendig, dass sich jeder Mensch weitestgehend unabhängig und ohne besondere Erschwernis in der gebauten Umwelt fortbewegen und orientieren kann.

Diese Forderung spiegelt sich in einem Ansatz wider, der in den letzten Jahren verstärkt auch in Europa verfolgt wird und u.a. darauf zielt, die Zugänglichkeit (engl. accessibility) der Städte zu verbessern. Dieser Ansatz löst die Sonderbereiche „Stadtplanung für behinderte Menschen“ bzw. das „alten- und behindertengerechte Bauen“ ab, die – wenn überhaupt – meist erst verspätet in der Planung berücksichtigt wurden. (vgl. Neumann/ Zeimetz 2000:4) Um zum einen der Diskriminierung auf der sprachlichen Ebene zu begegnen und zum anderen die universelle Zielsetzung zum Ausdruck zu bringen wurde der Begriff der „Barrierefreiheit“ gewählt. Mit der Prämisse, die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen an der Gesellschaft zu ermöglichen und gleichzeitig die allgemeine Lebensqualität zu erhöhen stellt das Konzept einen wichtigen Baustein der nachhaltigen Zukunftsplanung dar. Dabei erweist sich der Aspekt der barrierefreien Mobilität aufgrund der zunehmenden Mobilitätsanforderungen und –bedürfnisse sowie des steigenden Anteils älterer Menschen und damit der Zahl funktional eingeschränkter Personen als Schlüsselaufgabe.

1.2. Zielsetzung der Arbeit

Das Ziel der Arbeit besteht darin, die Instrumente, die zur Durchsetzung der barrierefreien Mobilität geschaffen wurden, aufzuzeigen sowie hinsichtlich ihrer Wirksamkeit abzugrenzen und zu hinterfragen. Dazu zählen in erster Linie die gesetzlichen und politischen Steuerungsinstrumente der lokalen, nationalen, europäischen und internationalen Ebene, die eng miteinander verflochten sind. Als lokales Beispiel wurde die Stadt Berlin gewählt, welche den Prognosen zufolge und äquivalent zum Bundesdurchschnitt mit einem steigenden Anteil älterer Menschen rechnen muss. Bereits jetzt zeichnet sich die Stadt durch einen überdurchschnittlichen Anteil behinderter Menschen[1] aus und stellt daher einen geeigneten räumlichen Schwerpunkt der Arbeit dar. Neben den langfristig wirksamen Maßnahmen spielen Instrumente wie Zugänglichkeitspläne, städtebauliche Wettbewerbe (z.B. der „Nordische Zugänglichkeitspreis“) oder spezielle Fördermöglichkeiten eine wichtige Rolle. Beispielhaft soll an dieser Stelle lediglich die empirische Erhebung von Mobilitätsbarrieren betrachtet werden, um das Potenzial des geplanten WebGIS abschätzen und die Umsetzung einordnen zu können. Zu diesem Zweck wird ein besonderes Augenmerk auf das Ziel und die Vorteile der webbasierten Informationsbereitstellung für mobilitätsbehinderte Menschen gelegt.

Darauf aufbauend verfolgt der praktische Teil der Arbeit das Ziel, ein webbasiertes Geographisches Informationssystem (WebGIS) umzusetzen, das die Zugänglichkeit von Einrichtungen im Bezirk Treptow- Köpenick auf Basis der Datenbank MOBIDAT des Albatros e.V. dynamisch und interaktiv visualisiert. Diese Informationen sind bereits im WWW verfügbar, liegen jedoch bisher nur mit indirektem Raumbezug vor, so dass Ortunkundige zur Orientierung auf zusätzliche Hilfsmittel (z.B. Stadtplan, Fahrplan) angewiesen sind. An dieser Stelle bietet sich mit der Umsetzung eines WebGIS eine viel versprechende Methode, um mobilitätsbehinderten Menschen die räumliche Orientierung zu erleichtern und Einschätzungen, die die Erreichbarkeit oder Umgebung des gewünschten Ziels betreffen (nächstes behindertengerechtes Café, Einkaufszentrum etc.), zu ermöglichen. Im Gegensatz zu einer (analogen oder digitalen, statischen) Karte bietet das WebGIS den Vorteil, dass der Anwender die kartographische Darstellung und den Informationsgehalt verändern und somit an seine Bedürfnisse anpassen kann.

Die Datenbank MOBIDAT beinhaltet Einrichtungen des gesamten Stadtgebietes von Berlin, weshalb der Bezirk Treptow- Köpenick im Rahmen dieser Arbeit lediglich als Beispielgebiet dient. Da seitens der Behindertenbeauftragten des Bezirks ein großes Interesse an der Umsetzung besteht, wurden notwendige Daten kostenlos zur Verfügung gestellt. Prinzipiell soll das WebGIS jedoch sowohl räumlich, inhaltlich als auch in seiner Funktionalität zukünftig problemlos erweiterbar sein. Zudem muss sich die Visualisierung an Veränderungen des Datensatzes dynamisch anpassen können. Bei der Konzeption des WebGIS werden die Kriterien barrierefreier Webseitengestaltung berücksichtigt, um den größtmöglichen potentiellen Anwenderkreis zu erreichen und der Zielsetzung der Arbeit Rechnung zu tragen.

Mit der Konzeption und Realisierung des WebGIS soll die vorliegende Arbeit einen Beitrag leisten, das im Rahmen des Projektes MOBIDAT realisierte Internetportal für Berlin zu ergänzen und damit den Alltag mobilitätsbehinderter Menschen sowie die Identifikation bestehender Probleme zu erleichtern.

1.3. Aufbau der Arbeit

Die Arbeit gliedert sich in einen theoretischen (Kapitel 2 und 3) und einen praktischen Teil (Kapitel 4) und schließt mit einer zusammenfassenden Darstellung und Bewertung der aufgezeigten Thematik und der Umsetzung des WebGIS (Kapitel 5).

Das 2. Kapitel beinhaltet den theoretischen Bezugsrahmen der Arbeit. Das gewandelte Verständnis von Behinderung wird unter Bezug auf den wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Kontext nachvollzogen und damit der Ansatzpunkt für das Konzept der Barrierefreiheit herausgestellt. Die Diskussion verfügbarer statistischer Daten über behinderte bzw. mobilitätsbehinderte Menschen zeigt die Schwierigkeit auf, diesen Personenkreis abzugrenzen und belegt den Handlungsbedarf. Nach der Skizzierung der Barrieren, die im Zusammenhang mit der räumlichen Mobilität und in Abhängigkeit von der Art der Beeinträchtigung identifiziert werden können, folgt die Vorstellung des Konzeptes der Barrierefreiheit. Die Synthese definiert auf der Basis der vorangegangenen Abschnitte die Anforderungen an eine barrierefreie Mobilität, beurteilt deren Zielsetzung und Umsetzbarkeit und leitet auf diese Weise auf das nachfolgende Kapitel über.

Im 3. Kapitel werden die wichtigsten politischen und gesetzlichen Instrumente auf der lokalen, nationalen und internationalen Ebene beschrieben, die bis zum aktuellen Zeitpunkt geschaffen wurden und den Rahmen für die Durchsetzung der barrierefreien Mobilität liefern. Die Darstellung verdeutlicht die Notwendigkeit von Instrumenten mit kurzfristiger Zielwirkung und greift die lokale Erhebung von Mobilitätsbarrieren beispielhaft auf. Sie wird zudem hinsichtlich ihrer Bedeutung für mobilitätsbehinderte Menschen in den Kontext des Potentials, das das World Wide Web (WWW) bietet, eingeordnet.

Das 4. Kapitel beschreibt die Konzeption und Realisierung des WebGIS anhand des Beispielgebietes Treptow- Köpenick. Die Formulierung des Ziels der Anwendung und die Identifikation der Zielgruppe bestimmen die Anforderungen an Inhalt und Funktion des Systems und bilden somit die Basis für die Auswahl der Webtechnologie. Daran anschließend werden die für das WebGIS gewählte Software dargestellt und die Komponenten in ihrer Funktionsweise erläutert. Die Beschreibung der Umsetzung des WebGIS mit dem UMN MapServer ist gegliedert in die Abschnitte Datengrundlage, erforderliche Konfigurationen für das Kartenfeld und die Vorstellung des grundlegenden Designs der Webseite.

Kapitel 5 fasst die wichtigsten Aussagen der Arbeit zusammen und bewertet die Umsetzung des WebGIS unter Berücksichtigung der Zielstellung.

2. Barrieren im Raum – Grenzen der Mobilität

Zum Verständnis der Thematik und Problematik werden innerhalb dieses Kapitels die grundlegenden Begriffe geklärt und das Konzept der Barrierefreiheit sowie die Ziele der barrierefreien Mobilität eingeführt. Im Mittelpunkt des Interesses stehen mobilitätsbehinderte Menschen, jedoch zielt Kapitel 2.1. zunächst darauf ab, den Stellenwert, den die Gesellschaft im Umgang mit Behinderung im Allgemeinen einnimmt, aufzuzeigen. Kapitel 2.2. stellt dar, inwiefern die bauliche Umwelt bestimmte Bevölkerungsteile benachteiligt und in ihrer Mobilität beeinträchtigt. An diesem Punkt setzt das Konzept der Barrierefreiheit an, das in Kapitel 2.3. vorgestellt wird. Schließlich verknüpft das Kapitel 2.4. die gewonnenen Erkenntnisse und thematisiert grundlegende Aspekte zur Umsetzung der barrierefreien Mobilität. Um die Relevanz des Themas zu verdeutlichen wird versucht, die Zahl unmittelbar betroffener Personen abzugrenzen.

2.1. Behinderung

Der folgende Abschnitt zielt darauf ab, die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Behinderungsbegriff und der Bestimmung der Zahl behinderter Menschen aufzuzeigen. Den Ausgangspunkt für eine Behinderung stellt immer eine körperliche, seelische oder geistige Beeinträchtigung dar, auf die im Folgenden daher nicht näher eingegangen wird. Vielmehr interessiert die Frage, in welchem Zusammenhang bei einer Beeinträchtigung von einer Behinderung die Rede ist. Zu diesem Zweck werden unter Punkt 2.1.1. die medizinische und sozialwissenschaftliche Sichtweise herangezogen und neuere Ansätze dargelegt. Da sich vor dem Hintergrund letzterer die Zahl behinderter Menschen schwer bestimmen ließe, werden unter Punkt 2.1.2. die verfügbaren statistischen Daten als Anhaltspunkt verwendet und diskutiert.

2.1.1. Zur Problematik des Behinderungsbegriffs

Die Begriffe „Behinderte, Behinderung, behindert“ wurden in Deutschland erstmals in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts im Rahmen der Heilpädagogik und Fürsorgeverwaltung gebraucht und ersetzten abwertende Bezeichnungen wie „Idioten“, „Trottel“, „Krüppel“ oder „Invalide“ (vgl. Münch 1997:238, Neumann 2005:368). Bis zum heutigen Zeitpunkt jedoch existiert keine einheitliche Definition des Begriffs „Behinderung“. Das Verständnis von Behinderung ist abhängig vom jeweiligen (medizinischen, pädagogischen, sozialrechtlichen, sozialwissenschaftlichen oder sozialpolitischen) Kontext und damit Ausdruck unterschiedlicher Sichtweisen und Zielsetzungen. Sie beeinflussen in rechtlicher, ökonomischer, sozialer und gesellschaftlicher Hinsicht maßgeblich die Lebenssituation der betroffenen Personen (vgl. Münch 1997:236f., Europäische Kommission 2002:3), weshalb ein kurzer Abriss der Diskussion an dieser Stelle wichtig erscheint.

Seit dem Beginn der „systematischen Behindertenfürsorge“ (Neumann 2005:368) im 19. Jahrhundert standen hinsichtlich der Behindertenproblematik vor allem medizinische und pädagogische Fragen im Mittelpunkt des wissenschaftlichen Interesses. Die Einführung von Hilfs- oder Sonderschulen und des Rehabilitationswesens diente dem vorrangigen Ziel der Erwerbsfähigkeit[2] behinderter Menschen. Daher ist der Behinderungsbegriff bis weit ins 20. Jahrhundert hinein sehr stark medizinisch geprägt. Behinderungen werden als individuelles Problem, als persönliches Schicksal gesehen, sie gelten als objektivierbare Tatbestände, die gegebenenfalls medizinisch behoben werden können (vgl. Münch 1997:237, Neumann 2005:368, Cloerkes 2001:9). Man spricht in diesem Zusammenhang vom medizinischen Modell von Behinderung. Es beruht auf einer personen- und defizitorientierten Sichtweise, da die funktionale Einschränkung (wie Seh-, Hör- oder Gehbeeinträchtigung) im Vordergrund steht. Beispielhaft sind die medizinisch-sozialrechtlichen Definitionen, die im Bundessozialhilfegesetz (BSHG) und Schwerbehindertengesetz (SchwbG) enthalten waren und erst mit der Novellierung des Rehabilitationsrechts und der Einführung des SGB IX (Neuntes Buch/Sozialgesetzbuch) im Jahr 2001 ersetzt wurden (vgl. Tab. 1 nach Seite 9).

Die Kritik am Behinderungsbegriff des medizinischen Modells setzt in Deutschland Anfang der 1980er Jahre ein. Angestoßen wird sie zum einen durch die seit den 1970er Jahren aktive Bürgerrechtsbewegung behinderter Menschen, die sich gegen die fortwährende Benachteiligung und Diskriminierung richtet. Zum anderen setzt ein Perspektivenwechsel durch internationale Entwicklungen ein, wie z.B. der Erlass des Antidiskriminierungsgesetzes in den USA 1974, die UN-Deklaration „Rechte der Behinderten“ 1975, der Warnock-Report 1978 (GB) und die Ernennung des Jahres 1981 zum „Internationalen Jahr der Behinderten“ (vgl. Heiden 1996:28ff.). Das Verständnis von Behinderung differenziert sich zudem durch die Begründung der Disability Studies Anfang der 1980er Jahre aus (vgl. Neumann 2005:369).

Hauptkritikpunkt am medizinischen Modell ist die Vernachlässigung des gesellschaftlichen und sozialen Umfelds. Die Reduktion von Behinderung auf eine personale Eigenschaft führt zu dem Schluss, dass das „Defizit“ allein durch Therapie oder Rehabilitation behoben werden kann und hat zum Ziel, Menschen mit Beeinträchtigungen an die Normen und Erwartungen der Mehrheitsgesellschaft anzupassen.

Vor dem Hindergrund eines umfangreichen Ausbaus des Rehabilitationssystems in den westlichen Industrieländern während der 1970er und 1980er Jahre veröffentlichte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die „Classification of Impairments, Disabilities and Handicaps“ (ICIDH) im Jahr 1980. (vgl. Waldschmidt 2005:15) Diese bietet einen dreistufigen Erklärungsansatz und unterscheidet erstmals zwischen Schädigung (impairment) sowie den personalen (disability, dt. Funktionsbeeinträchtigung) und sozialen Folgen (handicap, dt. soziale Beeinträchtigung bzw. Behinderung) der Schädigung. Demzufolge besitzt eine Person ein Handicap, wenn sie aufgrund einer körperlichen Beeinträchtigung bestimmte Fähigkeiten oder Fertigkeiten nicht aufweisen kann, die zur Erfüllung von Erwartungshaltungen in sozialer Interaktion oder von gesellschaftlichen Normen notwendig wären. (vgl. Schuntermann 1996:8)

Auf der internationalen Ebene fand die Klassifikation große Beachtung, wurde jedoch auch vielfach kritisiert. Einer der wesentlichsten Kritikpunkte bezog sich auf die Erkenntnis, dass Behinderung vor allem ein soziales Phänomen darstellt, als Ursache für Behinderung oder Benachteiligung jedoch nach wie vor die individuelle Schädigung gesehen wurde. Damit bleibt die Definition der WHO von 1980 in Teilen defizit- und personenzentriert. (vgl. Cloerkes 2001:5, Doose 2003:o.S.) Sie stellt jedoch den Ausgangspunkt für das von Vertretern der Disability Studies formulierte soziale Modell dar, welches dem medizinischen Modell gegenübergestellt wird. (vgl. Waldschmidt 2005:16)

Dem sozialen Modell zufolge liegt die Ursache für Behinderung nicht in der individuellen, funktionalen Beeinträchtigung, sondern stellt das Ergebnis des Prozesses sozialer Zuschreibung (mikrosoziale Ebene) sowie gesellschaftsbedingter, struktureller Benachteiligung (makrosoziale Ebene) dar. Der entscheidende Ansatzpunkt wäre demzufolge nicht die individuelle Anpassung an die (Norm-) Gesellschaft (durch Rehabilitation), sondern die gesellschaftliche Verantwortung zur Schaffung gleicher Rahmenbedingungen für alle. (vgl. Waldtschmidt 2005:18) „Wenn man beispielsweise Behinderung als physische Begrenzung des Individuums erforscht, wird die Problemlösungsstrategie darauf gerichtet sein, das körperliche Funktionieren der Person zu verändern. Die Annahme ist, dass die Person das Problem hat, folglich muss sich die Person ändern. […] Wenn wir schließlich Behinderung als Begrenzung der Gesellschaftsstruktur erforschen, dann wird sich unsere Aufmerksamkeit darauf richten, Barrieren gegen die gesellschaftliche Partizipation von behinderten Menschen zu identifizieren und diese abzubauen.“ (Priestley 2003:7, zit. in Waldschmidt 2005:18f.)

Das soziale Modell von Behinderung kann in den 1990er Jahren einen entscheidenden Einfluss auf die Wissenschaft und Forschung sowie auf die internationale Behindertenpolitik verzeichnen. (vgl. Neumann 2005:369) Auch die WHO veröffentlichte 2001 eine überarbeitete Fassung der ICIDH.[3]

Die aktuelle „International Classification of Functioning, Disability and Health“ (ICF) verbindet die individualtheoretische (medizinische) und sozialstrukturelle Sichtweise und liefert damit ein sehr differenziertes Verständnis von Behinderung. Im Gegensatz zur ICIDH revidiert sie das Verständnis einer kausalen Beziehung zwischen Schädigung und Behinderung. Anstelle dessen berücksichtigt sie die prozesshafte Wechselwirkung zwischen der Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit einer Person und den Kontextfaktoren wie persönliche Einstellung, Eigenschaften der physischen oder der sozialen Umwelt. (vgl. Welti 2002:5) „So können beispielsweise positive personenbezogene Faktoren wie eine hohe Motivation des behinderten Arbeitnehmers oder Umweltfaktoren, wie eine wirkungsvolle Antidiskriminierungsgesetzgebung und das Angebot von unterstützter Beschäftigung, die Beeinträchtigung einer Person zur Teilhabe am Arbeitsleben beeinflussen und damit zwar nicht ihre Schädigung, aber insgesamt ihre Behinderung reduzieren.“ (Doose 2003:o.S.)

Diese Begriffsbestimmung folgt neueren Ansätzen, die die „Körpervergessenheit“ (Waldschmidt 2005:21) des sozialen Modells kritisieren. Das soziale Modell eignete sich im Zuge der Emanzipation behinderter Menschen dazu, die medizinische Sichtweise infrage zu stellen, reduziert jedoch Behinderung ausschließlich auf die gesellschaftliche Ebene und verliert damit die Menschen mit Beeinträchtigung aus dem Blick. (vgl. Waldschmidt 2005:21, Neumann 2005:370) Waldschmidt (2005:22) gibt zu bedenken, dass „…sich behinderte Menschen durchaus, zum Beispiel in Autobiographien, mit dem Körper beschäftigten und dieser auch politisch, zum Beispiel im Kampf um Selbstbestimmung, eine Rolle spiele.“

Tab. 1: Sichtweisen von Behinderung

Quelle: Cloerkes 2001: 10, Münch 1997: 237f., Neumann 2005: 370, Welti 2002:o.S., erweitert d. d. Verf.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Daher liegt dieser Arbeit ein Behinderungsbegriff zugrunde, der unter Behinderung die Differenz (engl. gap) zwischen den individuellen Fähigkeiten und den Anforderungen der Umwelt versteht. „Diese Inkongruenz – vielfach als Lücke oder Kluft bezeichnet – kann dadurch verringert oder beseitigt werden, indem man die individuellen Fähigkeiten mit Hilfe von Training oder speziellen Hilfen optimiert oder aber die funktionellen Anforderungen der Umwelt senkt.“ (Aslaksen 2000:57, vgl. Abb. 1)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Das „gap-Modell“

Quelle: Aslaksen 2000:58

Im Mittelpunkt der aufgezeigten Sichtweisen und der Diskussion um den Behinderungsbegriff, die bis heute nicht abgeschlossen ist, steht die Teilhabe an der Gesellschaft. Daher lautet der Definitionsentwurf des Forums behinderter Juristinnen und Juristen, auf den sich diese Arbeit stützt: „Eine Behinderung liegt vor, wenn Menschen in der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft infolge einer Einschränkung der körperlichen Funktion, geistigen Fähigkeiten oder seelischen Gesundheit beeinträchtigt sind oder werden.“ (Frehe/Neumann 2003:16) Für die gesellschaftliche Partizipation stellt die selbstbestimmte und unabhängige Mobilität eine wesentliche Voraussetzung dar und ist daher Gegenstand dieser Arbeit.

2.1.2. Zahl behinderter Menschen

Es ist schwierig, den Anteil in Deutschland lebender behinderter Menschen genau zu beziffern, da zum einen das Statistische Bundesamt lediglich die Zahl schwerbehinderter Menschen veröffentlicht, zum anderen unabhängig vom Grad der Behinderung nur jene Personen statistisch erfasst werden, die beim zuständigen Versorgungsamt einen Antrag auf Anerkennung ihrer Behinderung stellen. Um den Bevölkerungsanteil von Menschen mit Beeinträchtigungen abschätzen zu können ist daher der Bezug auf verschiedene Untersuchungen notwendig. Trotz der definitorischen und methodischen Unterschiede hinsichtlich der Erfassung behinderter Menschen ermöglichen sie eine Annäherung an die Zahl von Menschen mit Behinderungen.

Das Statistische Bundesamt erfasst aufgrund gesetzlicher Vorgaben[4] seit 1985 alle zwei Jahre die in Deutschland lebenden schwerbehinderten Menschen mit gültigem Ausweis. Personen sind im Sinne des §2 SGB IX schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung (GdB)[5] von mindestens 50 vorliegt. Nachgewiesen werden neben der Zahl der Betroffenen demographische Merkmale wie Alter, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, Wohnort sowie die Art, Ursache und der Grad der Behinderung. Dem letzten Bericht von 2005 zufolge lebten am 31.12.2003 6,6 Millionen amtlich anerkannte schwerbehinderte Menschen in Deutschland. (vgl. Statistisches Bundesamt 2005:5) Aus Abbildung 2 ist ersichtlich, dass zwar geringfügige geschlechtsspezifische Unterschiede existieren, die Differenzen in der Verteilung nach Altersklassen aber überwiegen. Mit zunehmender Altersklasse steigt die Zahl der Behinderungen exponentiell an. Die Altersgruppe 65 Jahre und älter und umfasst schließlich knapp über 50% aller schwerbehinderten Menschen.

Abb. 2: Schwerbehinderte Menschen 2003 nach Altersklasse und Geschlecht

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Statistisches Bundesamt 2005:5

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Hinsichtlich der Art von Behinderung sind für die vorliegende Arbeit die körperlichen Beeinträchtigungen von besonderem Interesse. Sie stellen mit 67,4% die häufigste Form schwerer Behinderung dar.[6] Dabei sind bei der größten Zahl von Personen die inneren Organe bzw. Organsysteme betroffen (26,3%). In 15,7% aller Fälle liegt der Verlust, Teilverlust oder eine Funktionseinschränkung der Gliedmaßen vor, während 13,7% der schwerbehinderten Menschen mit einer Einschränkung der Wirbelsäule oder des Rumpfes leben. Weitere 5,2% aller schweren Beeinträchtigungen entfallen auf Blindheit oder Sehbehinderung sowie 4,1% auf Taubheit, Schwerhörigkeit, Sprach-, Sprech- oder Gleichgewichtsstörungen. (vgl. Statistisches Bundesamt 2005:10f.)

Als häufigste Ursache für eine Schwerbehinderung wird Krankheit angeführt (83,5%). Knapp 5% der Behinderungen sind angeboren. Der im zeitlichen Vergleich auffallende Rückgang anerkannter Kriegs-, Wehrdienst- und Zivildienstbeschädigungen (1,8% im Jahr 2003 gegenüber 4,8% 1991) erklärt sich durch die spezifische Altersstruktur (hauptsächlich 65 Jahre und älter). (vgl. Statistisches Bundesamt 2005:14ff. und 29f.)

Weiterreichende Informationen liefert der Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes vom Mai 2003, bei dem neben der alljährlich stattfindenden Befragung von 1% aller Privathaushalte zur Erhebung der wirtschaftlichen und sozialen Lage der Bevölkerung auch Daten zur Behinderung und Gesundheit gesammelt wurden.[7] 85% der Befragten machten Angaben zur Behinderung. Mittels der Schwerbehindertenstatistik von 2001 erfolgte eine Hochrechnung der Ergebnisse von den schwerbehinderten Menschen, während hinsichtlich der Daten über die leichter Behinderten die Antwortausfälle lediglich geschätzt werden konnten. (vgl. Pfaff et al. 2004:1181)

Dem Mikrozensus zufolge lebten in Deutschland 2003 8,4 Millionen anerkannte behinderte Menschen. Neben den schwerbehinderten Personen (6,7 Millionen) existieren weitere 1,7 Millionen Menschen, die leichtere Behinderungen besitzen. Im Durchschnitt ist jeder 10. Einwohner behindert und jeder 13. (8%) von schweren Beeinträchtigungen betroffen. Im Gegensatz zu 1999 stieg die Zahl behinderter Menschen um 3% bzw. 273 000 Personen. (vgl. Pfaff et al. 2004:1182)

Insgesamt sind fast drei Viertel aller behinderten Menschen 55 Jahre alt und älter. Die Behindertenquote[8] verdeutlicht, dass mit 33% die Wahrscheinlichkeit einer Behinderung ab einem Alter von 80 Jahren am höchsten ist. (vgl. Abb. 3) Es fällt auf, dass die Zahl der leichten Behinderungen nach einem Maximum in der Altersklasse der 55-60-jährigen wieder abnimmt, was vermutlich darauf zurückzuführen ist, dass bei einem Teil der Betroffenen mit steigendem Lebensjahr der Schweregrad zunimmt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Anteil behinderter Menschen 2003 an den jeweiligen Altersklassen in Deutschland

Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage des Mikrozensus 2003 (Datenquelle: Pfaff et al. 2004:1182)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Für das Land Berlin zählt der von der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz herausgegebene „ Behindertenbericht 2006 “ über 540 000 behinderte und schwerbehinderte Menschen. (vgl. SenGesSozV 2006:4) Im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung Berlins entspricht das einem Anteil von 16% anerkannter behinderter Menschen. Damit würde Berlin weit über dem vom Mikrozensus 2003 ermittelten Bundesdurchschnitt von 10% liegen. Barowitz (2005:278f.) weist jedoch auf bedeutende Überbestände im Datenmaterial hin, die aus einer ungenügenden Aktualisierung insbesondere in Fällen verstorbener oder verzogener behinderter Menschen resultieren. Dem Mikrozensus 2003 zufolge lebten rund 442 500 Menschen mit Beeinträchtigungen in Berlin, von denen 370 100 Personen schwer und 72 400 Personen leichter behindert waren. Mit 13% ist der Anteil amtlich anerkannter behinderter Menschen in Berlin damit noch immer größer als im Durchschnitt in Deutschland. Da die Zahl von Personen im Rentenalter (65 Jahre und älter), die am häufigsten von einer Behinderung betroffen sind, in Berlin etwas geringer ist als in Deutschland insgesamt (vgl. SenGesSozV 2005:13), sind vermutlich von der Stadtgröße beeinflusste Faktoren wie ärztliche Versorgung, Beschäftigungssituation, Haushaltsstruktur etc. für diesen Umstand ausschlaggebend.

Problematisch ist, dass sich alle bisherigen Aussagen auf Menschen mit einer amtlich anerkannten Behinderung beschränken. Es gibt aber verschiedene Gründe, warum betroffene Personen keinen Antrag stellen und somit auch nicht in der Statistik erscheinen. Beispielsweise stimmen die Zahlen von behinderten Kindern in Kindergrippen, Kindergärten und Sonderschulen, von Hilfe- oder Pflegebedürftigen und Empfängern von Erwerbsunfähigkeitsrenten nicht mit der amtlichen Statistik anerkannter behinderter Menschen überein. (vgl. Heiden 1996:22, Winkler 2004:55)

Der Bericht der Europäischen Kommission „Beschäftigung behinderter Menschen in Europa 2002“ beziffert den Anteil von Menschen mit Behinderungen oder einem lang anhaltenden Gesundheitsproblem in Deutschland weitaus höher. Im Rahmen der Untersuchung wurden behinderte Menschen im Alter von 16-64 Jahren in 25 europäischen Ländern über ihre Beschäftigungssituation befragt. Die Ermittlung des Grades der Einschränkung basiert aufgrund des Schwerpunkts der Studie auf der Kombination von drei Variablen: Einschränkung der Arbeitsfähigkeit bezüglich (1) der Art und (2) des Umfangs der Arbeit sowie (3) Mobilität von und zur Arbeit. (vgl. Eurostat 2003:7) Die verwendete Definition von Behinderung[9] entspricht aber weitestgehend dem gesetzlichen Behinderungsbegriff Deutschlands, weshalb ein Vergleich mit den Ergebnissen des Mikrozensus interessant ist, da nicht allein die amtlich anerkannten Behinderungen gezählt wurden.

Hinsichtlich der geschlechts- und altersspezifischen Verteilung von Behinderungen liefert die Arbeitskräfteerhebung das gleiche Bild wie der Mikrozensus. Im Gegensatz zu diesem gaben jedoch allein 11,2% der Befragten im erwerbsfähigen Alter (16-64 Jahre) an, mit einem lang andauernden Gesundheitsproblem oder einer Behinderung zu leben. Da dem Mikrozensus zufolge dieser Anteil lediglich 7,7% beträgt und rund 50% der leichten und schwereren Behinderungen erst ab einem Alter von 65 Jahren oder mehr auftreten, müsste demzufolge die Gesamtanzahl behinderter Menschen in Deutschland wesentlich höher geschätzt werden.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Anzahl tatsächlicher Behinderungen in Deutschland nur geschätzt werden kann, da zum einen die Anerkennung des Behindertenstatus von der Aktivität des Einzelnen und dem möglichen Nutzen abhängig ist, zum anderen nur die Fälle schwerer Beeinträchtigung statistisch erfasst werden. Mit Sicherheit lässt sich jedoch sagen, dass mindestens 10% der Bevölkerung Deutschlands und 13% der Einwohner Berlins eine dauerhafte, da amtlich anerkannte Behinderung besitzen. Für diesen Bevölkerungsteil wird die Verwirklichung einer barrierefreien Umwelt als zwingend erforderlich angesehen. (vgl. Kap. 2.3.)

2.2. Mobilität

Moderne Gesellschaften sind gekennzeichnet durch ein hohes Maß sozialer und räumlicher Mobilität. Insbesondere die Alltagsmobilität bzw. Zirkulation, die im Mittelpunkt dieser Arbeit steht, gewinnt zunehmend an Bedeutung. (vgl. Brunotte 2002:391) Allerdings verfügen nicht alle Menschen über das gleiche Mobilitätspotential, da dieses u.a. durch die soziale und ökonomische Position, die körperliche und geistige Konstitution sowie die Beschaffenheit des (physischen oder virtuellen) Raumes determiniert wird. Besonders Menschen mit dauerhaften Beeinträchtigungen verfügen oftmals über eine eingeschränkte Beweglichkeit, jedoch ist mit hoher Wahrscheinlichkeit jeder einmal in seinem Leben davon betroffen, wie der Punkt 2.2.2. veranschaulicht. Welche Probleme in Zusammenhang mit der Raumüberwindung auftreten können skizziert der Abschnitt 2.2.3. Im Folgenden soll jedoch zunächst der Begriff der Mobilität abgegrenzt werden.

2.2.1. Begriffsdefinition

Der aus dem lateinischen entlehnte Begriff der „Mobilität“ (von mobilitas) wird neben seiner originären Bedeutung, der Beweglichkeit, ebenso im Sinne von Bewegung gebraucht. In der Geographie und den Sozialwissenschaften im Allgemeinen sind die soziale und die räumliche Mobilität von Bedeutung. Unter Mobilität versteht man in diesem Kontext den Positionswechsel von Individuen oder Gruppen innerhalb eines sozial bzw. räumlich definierten Systems. (vgl. Brunotte 2002: 390f.) Diese lassen sich weiter differenzieren nach vertikaler und horizontaler sozialer Mobilität (z.B. beruflicher Auf- oder Abstieg, Berufswechsel) sowie nach kurz- und langfristiger räumlicher Mobilität (z.B. Alltags- und Wohnmobilität). (vgl. Abb. 4)

Der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit liegt auf der räumlichen Dimension von Mobilität, wobei berücksichtigt werden muss, dass zwischen räumlicher und sozialer Mobilität häufig enge Wechselbeziehungen bestehen. So lässt sich beispielsweise feststellen, dass der gesellschaftliche Wandel in der Wahrnehmung behinderter Menschen und infolgedessen die rechtliche Verankerung ihrer Gleichberechtigung (vgl. Kap. 3.1.) in einem engen Zusammenhang stehen mit dem politischen und städtebaulichen Ziel der Barrierefreiheit (vgl. Kap. 3.2.), welches die räumliche Mobilität beeinträchtigter Menschen erhöhen oder zumindest erleichtern soll.

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Abb. 4: Dimensionen der Mobilität

Quelle: Hunecke 2006:19

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Der Begriff der räumlichen Mobilität umschreibt einen langfristigen Positionswechsel, wenn ein dauerhafter Wohnungswechsel (Wohnmobilität) oder die Verlagerung von Funktionsstandorten z.B. in dem Industrie- oder Dienstleistungssektor vorliegt. (vgl. Hunecke 2006:18, Leser 2005:567,736) In diesem Zusammenhang spricht man auch von Wanderungen, die an dieser Stelle jedoch weniger relevant sind. Die kurzfristige Mobilität umschreibt alle Tätigkeiten, die den gleichen Anfangs- wie Endpunkt besitzen und wird daher von Blöbaum (2001) und Brunotte (2005) als Zirkulation oder zirkuläre Mobilität bezeichnet. Aufgrund der Häufigkeit, mit der die Aktivitäten wiederholt werden, spricht man auch von Alltagsmobilität. Dazu zählen u.a. Pendelfahrten zur Arbeit oder Ausbildung, das Einkaufen, die Freizeitgestaltung sowie der Verkehr als Bewegung zwischen Standorten.[10] (vgl. Hunecke 2006:18, Brunotte 2002:390, Blöbaum 2001:8) Der physischen Mobilität wird in jüngerer Zeit zudem die virtuelle Mobilität gegenübergestellt, die sich in der verstärkten Nutzung der neuen Medien wie Internet und E-Mail, aber auch der klassischen wie Telefon, Fernsehen, Zeitungen etc. äußert. (vgl. Hunecke 2006:18) In Bezug auf die anderen Mobilitätsformen kann sie verstärkend (Zunahme der räumlichen Verflechtungen), erleichternd (virtuelle Stadtpläne, Datenbank-Suche) oder sogar substituierend (Online-Shopping, Chatten) wirken.

Grundsätzlich umfasst der Begriff Mobilität sowohl die realisierten Bewegungen als auch - in seiner ursprünglichen Bedeutung - das Bewegungspotential, also die Möglichkeit oder Bereitschaft zur Bewegung. (vgl. Hunecke 2006:18, Leser 2005:567) In der vorliegenden Arbeit werden jedoch in Anlehnung an Blöbaum (2001:11) die potentielle und realisierte Mobilität mit den Begriffen Mobilität und (quantifizierbares) Mobilitätsverhalten unterschieden, so dass der Begriff Mobilität ausschließlich im Sinne eines (körperlichen und räumlichen) Potentials Verwendung findet.

Die folgenden zwei Kapitel gehen nun näher auf die Frage ein, welche Beschränkungen der Mobilität auf der individuellen und raumstrukturellen Ebene existieren, denn „Mobilität basiert wie jede Kompetenz auf dem Zusammenspiel der individuellen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Ressourcen eines Menschen und den Möglichkeiten sowie Anforderungen seiner Umgebung.“ (Kasper 2004:166)

2.2.2. Mobilitätsbehinderte Menschen

Wie in Kapitel 2.1.1. näher ausgeführt ist eine körperliche Beeinträchtigung nicht zwangsläufig mit einer Behinderung und infolgedessen auch nicht zwangsläufig mit einer Mobilitätsbehinderung verbunden. Ein Rollstuhlfahrer beispielsweise, der über ein behindertengerecht ausgestattetes Auto verfügt, kann sich durchaus als sehr mobil empfinden. Dagegen kann der Verlust eines Beines bei einer älteren Person zu einer starken Mobilitätsbeschränkung führen, während wiederum ein anderer Betroffener mit guter körperlicher Konstitution trotzdem Hindernisse wie Treppen oder Bordsteinkanten mühelos überwindet. Es existieren zudem viele Alltagssituationen, in denen sich auch Menschen ohne dauerhafte Schädigung „behindert“ fühlen, die aber weder nach der gesetzlichen Definition noch im allgemeinen Sprachgebrauch als behinderte Menschen gelten. Daher wurde der Begriff der „Mobilitätsbehinderung“ eingeführt, der alle Personen umfasst, die aufgrund einer langfristigen körperlichen, einer geistigen, altersbedingten oder zeitweiligen Beeinträchtigung Schwierigkeiten bei der Bewegung und Orientierung im Raum besitzen. (vgl. Tab. 2)

„Als mobilitätsbehindert im engeren Sinne gelten Personen, die wegen dauernder Behinderung oder vorübergehender Erkrankung Einschränkungen in ihrer Mobilität hinnehmen müssen. Zu den Mobilitätsbehinderten gehören vorwiegend Körperbehinderte […], Wahrnehmungsbehinderte […] aber auch Analphabeten, Personen mit Orientierungsschwierigkeiten oder mit geistiger Behinderung sowie Personen mit psychischer Behinderung…“ (Bundesministerium für Verkehr (BMV) 1992:16, zit. bei Neumann 1997:15) Im weiteren Sinne gehören zu den mobilitätsbehinderten Personen auch ältere Menschen, Kinder sowie Personen mit Kinderwagen, Gepäck oder ähnlichem. (vgl. BMV 1992:16, zit. bei Neumann1997:16)

Tab. 2: Arten der Mobilitätsbehinderung

Quelle: Eigene Darstellung nach Arndt 2005:4

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Die von Arndt (2005) vorgenommene weitere Unterscheidung in mobilitätsbehinderte und mobilitätseingeschränkte Menschen wird in dieser Arbeit nicht übernommen. Da Mobilität eine wichtige Voraussetzung zur gesellschaftlichen Teilhabe darstellt und diese beeinflusst (vgl. Arndt et al. 2004:415), und dieser Aspekt innerhalb des sozialen Modells von Behinderung zur Abgrenzung der Behinderung von einer dauerhaften Beeinträchtigung dient, erscheint es durchaus legitim, die vom Bundesministerium für Verkehr[11] vorgenommene umfassendere Definition von Mobilitätsbehinderung zu übernehmen. Im Folgenden werden daher die Begriffe mobilitätsbehindert, mobilitätsbeschränkt und mobilitätseingeschränkt synonym verwandt.[12]

Der Anteil von Personen in der Bevölkerung, die in ihrer Mobilität auf irgendeine Art eingeschränkt sind, ist noch schwerer zu bestimmen als die Anzahl behinderter Menschen. Es handelt sich um eine sehr inhomogene Gruppe, deren Größe auch aufgrund des Anteils von Menschen mit nur vorübergehenden Einschränkungen gesundheitlicher oder anderer Art stark variieren kann. Zudem sagen die Zahlen der Behindertenstatistik nichts darüber aus, inwiefern die erfassten Personen in ihrer Beweglichkeit beeinträchtigt sind.

In der Regel werden daher hinsichtlich des Anteils ständig oder vorübergehend mobilitätsbehinderter Menschen lediglich Schätzungen abgegeben. Arndt (2005:10f) geht auf der Basis vorliegender Studien von 20 bis 30% aus. Der Nahverkehrsplan von Berlin beziffert den Anteil auf 25%. (vgl. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung 2001:28) Äquivalent zur Altersverteilung behinderter Menschen steigt auch die Zahl der Menschen mit Mobilitätsbehinderungen mit zunehmendem Alter. Laut Brettschneider/Messner (1988:99) sind 87% 51 Jahre und älter, wobei etwa zwei Drittel der Betroffenen über 65 Jahre alt sind.[13]

In Anbetracht der steigenden Lebenserwartung, des zunehmenden Anteils älterer Menschen und der wachsenden Bedeutung von Mobilität in unserer Gesellschaft gewinnt die Forderung nach barrierefreier Mobilität demzufolge zunehmend an Relevanz. Der folgende Abschnitt umreißt die anzugehenden Probleme.

2.2.3. Mobilitätsbarrieren

„Im allgemeinen Sprachgebrauch ist ‚Barriere’ meist das Synonym für ein Hindernis, das ein Individuum, eine Gruppe oder Organisation, aber auch eine ganze Gesellschaft am Erreichen eines bestimmten Ziels hindert.“ (Leidner 2003:35) Mobilitätsbarrieren umfassen daher alle physischen und nicht-physischen Hindernisse, die eine eigenständige, freie Bewegung im Raum behindern. (vgl. Arndt 2005:5, Arndt et al. 2004:415) In der Wechselwirkung von persönlichen Fähigkeiten und den Anforderungen der Umwelt nehmen die betroffenen Personen in Abhängigkeit von ihrer Beeinträchtigung (vgl. Kap. 2.2.2.) unterschiedliche Barrieren wahr. Während gehbehinderte Menschen beispielsweise in erster Linie auf bauliche Hürden treffen, mangelt es sehbehinderten Personen oftmals an Informations- und Orientierungshilfen. (vgl. Leidner 2003:35)

Zu den physischen Barrieren zählen u.a. Treppen und Stufen im Straßenraum und in öffentlichen Gebäuden, Bordsteinkanten, Steigungen oder Schwellen, unebene Gehwege und Hindernisse auf diesen (geparkte Autos, Werbetafeln, Poller, Baustellen), der Einstieg in öffentliche Verkehrsmittel und der Zugang zu S- oder U-Bahnhöfen. Aufgrund des zusätzlich benötigten Bewegungsraums von Gehbehinderten stellen auch enge Türen oder die Erreichbarkeit von Aufzügen oder Toiletten oft ein Problem dar. (vgl. Arndt 2005:5, Brettschneider/Messner 1988:101f.)

Als nicht-physische Barrieren gelten z.B. fehlende, unvollständige oder schlecht sichtbare Leit- und Informationssysteme (taktile und akustische Informationen an Ampeln, Haltestellen, in Gebäuden, „Aufmerksamkeitsfelder“ bei möglicher Straßenüberquerung oder an Treppen, fehlende oder unverständliche Piktogramme), fehlende Kontraste, schlechte Lichtverhältnisse oder die mangelnde Bedienbarkeit von Automaten.[14] (vgl. Arndt 2005:5, Leidner 2003:39)

Barrieren sind im Wesentlichen gesellschaftlich produzierte Hindernisse, oder wie es Imrie (2001:232) ausdrückt, das Ergebnis des Zusammenspiels sozio-kultureller Werte und politischer Praxis. Da behinderte Menschen lange Zeit nicht als integrativer Bestandteil der Gesellschaft wahrgenommen wurden (vgl. Kap. 2.1.1.), blieben ihre Anforderungen an die räumliche Umwelt in der Planungspraxis unberücksichtigt. „…what generally has been presented through the context of architecture, art, and other mediums is less a body in a neutered state but one infused with (male) gender, class, and the embodiment of health and normality.” (Imrie 1999:26) Im Kontext seiner Diskussion um Le Corbusier’s Entwurf idealtypischer menschlicher Proportionen (Modulor) kritisiert Imrie (1999:26), dass der modernen Architektur ein Körperideal zugrunde liegt, welches die menschliche Vielfalt verneint bzw. vernachlässigt.[15] Demzufolge benachteiligt die gebaute Umwelt alle Menschen, die diesem Ideal nicht entsprechen oder in irgendeiner Weise körperlich oder geistig beeinträchtigt sind.[16]

[...]


[1] Die Bezeichnungen „Menschen mit Beeinträchtigungen“ und „behinderte Menschen“ werden im Rahmen dieser Arbeit aus pragmatischen Gründen größtenteils synonym verwandt, ohne die der Arbeit zugrunde liegende Definition, dass Menschen mit Beeinträchtigungen erst durch die Umwelt zu behinderten Menschen werden, infrage zu stellen.

[2] Der Ausdruck „Minderung der Erwerbsfähigkeit“ zur Einstufung der Schwere einer Beeinträchtigung wurde erst 1986 durch „Grad der Behinderung“ im deutschen Schwerbehindertengesetz ersetzt.

[3] Die im Zusammenhang mit der ICIDH aufgetretenen theoretischen und praktischen Probleme sind ausführlicher diskutiert bei Schuntermann (1996).

[4] Nach der Gesetzesänderung von 2001 in §131 SGB IX festgeschrieben.

[5] Das Ausmaß der Beeinträchtigung wird auf der Grundlage eines ärztlichen Gutachtens als „Grad der Behinderung“ (GdB) nach Zehnergraden von 20 bis 100 abgestuft vom Versorgungsamt bescheinigt und ermöglicht vor allem die Inanspruchnahme persönlicher Hilfe, von Leistungen nach dem Sozialrecht und des Schutzes durch das Schwerbehindertenrecht. Der GdB ist nicht Ausdruck des Ausmaßes der Schädigung, sondern ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. (vgl. Statistisches Bundesamt 2005:4)

[6] Die anderen 32,6% entfallen auf zerebrale Störungen (8,6%), geistige oder seelische Behinderungen (8,8%) sowie sonstige und ungenügend bezeichnete Behinderungen (15,1%).

[7] Neben dem festen Grund- und Ergänzungsprogramm werden in vierjährigem Turnus zusätzliche Informationen z.B. zur Wohnsituation, zu Pendlerbewegungen oder zur Krankenversicherung erhoben. Im Gegensatz zu den Standardfragen, die zum überwiegenden Teil mit Auskunftspflicht belegt sind, können die Angaben zur Behinderung und Gesundheit freiwillig gemacht werden. (vgl. Pfaff et al. 2004:1181)

[8] Anteil behinderter Menschen an der Bevölkerung der jeweiligen Altersklasse.

[9] „Behinderte sind diejenigen Personen, die angaben, ein lang andauerndes Gesundheitsproblem bzw. eine Behinderung zu haben, das bzw. die seit mindestens sechs Monaten vorliegt bzw. voraussichtlich mindestens sechs Monate lang vorliegen wird.“ (Eurostat 2003:7)

[10] Schulz (2003:69) unterscheidet noch differenzierter in Alltags- und Freizeitmobilität, d.h. zwischen „erzwungener“ und „freiwilliger“ Mobilität. Demzufolge unterliegen die Alltagswege der Notwendigkeit von Arbeit und Versorgung, während die Freizeitwege aus einem Bedürfnis heraus entstehen, aber nicht zwingend notwendig sind.

[11] Mittlerweile Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS).

[12] Arndt differenziert dagegen zwischen einer Mobilitätsrestriktion aufgrund einer dauerhaften körperlichen, geistigen oder seelischen Einschränkung (mobilitätsbehindert) - dazu zählen z.B. Geh-, Seh- und Hörbehinderte, aber auch kleine und große Menschen sowie Übergewichtige - und aufgrund von Beschränkungen, „…die von ‚außen’ kommen (wie Menschen mit Gepäck) oder üblicherweise nicht als unbedingt gesundheitliche Beeinträchtigungen gesehen werden (wie bspw. Altsein oder Schwangerschaft).“ (mobilitätseingeschränkt oder mobilitätsbeschränkt) (2005:4)

[13] Die Autoren beziehen sich in ihrem Artikel auf einen Datensatz über 18-jähriger, die aufgrund gesundheitlicher Probleme in ihrer Mobilität eingeschränkt sind und fassen damit den zuvor definierten Begriff der Mobilitätsbehinderung enger als die vorliegende Arbeit.

[14] Für eine ausführlichere Darstellung von Mobilitätsbarrieren in Berlin sei auf die Untersuchungen von Arndt (2005), Schulz (2005), Adelhof/Pethe (2001) sowie Peters/Birkholz (1993) verwiesen.

[15] Die gesellschaftliche und städtebauliche Benachteiligung behinderter Menschen in anderen Epochen soll hier keinesfalls ausgeschlossen werden. Vgl. z.B. Gleeson (1999)

[16] Auch der Begriff der “Normalität” wurde bisher selten hinterfragt. Vgl. dazu Waldschmidt (2005:24-27).

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2007
ISBN (eBook)
9783836610537
DOI
10.3239/9783836610537
Dateigröße
3.6 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin – Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät, Geographisches Institut
Erscheinungsdatum
2008 (März)
Note
2,0
Schlagworte
barrierefreiheit mobilität behinderung mapserver webgis
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Titel: Zukunfts(t)räume? Wege zur barrierefreien Mobilität
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