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Antikonzeptive und phytoöstrogene Wirkweisen bestimmter Gewürze, Heil- und Zierpflanzen sowie pflanzlicher Lebensmittel

©2006 Diplomarbeit 246 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
In der Geschichte der Menschheit hat es nie an Versuchen gefehlt, auf die Anzahl der Kinder und den Zeitpunkt ihrer Geburt Einfluss zu nehmen. Dies ist bis in die Anfänge historischer Überlieferungen zurückzuverfolgen. Manche Hinweise findet man heute noch in der traditionellen Volksmedizin verschiedener Regionen der Erde. Empfängnisverhütung im eigentlichen Sinn bedeutet Familienplanung als vorsorgliche und verantwortliche Handlungsweise in individueller sowie in sozialkultureller Hinsicht.
Einerseits wären Kontrazeptiva (Verhütungsmittel) auf pflanzlicher Basis für die Frau in ihrer Entscheidung zur Geburtenregelung eine überaus begrüßenswerte Alternativmöglichkeit gegenüber synthetischen Präparaten.
Demgegenüber würden Kontrazeptiva neben weiteren fruchtbarkeitskontrollierenden Maßnahmen einen wichtigen Beitrag leisten, um dass nach wie vor zu hohe Bevölkerungswachstum in unterschiedlichen Regionen zu bremsen. Somit steht die Wissenschaft vor der Herausforderung und der notwendigen Aufgabe, neue, akzeptable, d.h. effektive und preiswerte sowie leicht verfügbare Methoden zur Kontrazeption (Empfängnisverhütung), möglichst ohne Nebenwirkungen, für die Frau ebenso für den Mann zu entwickeln.
Neben der Tatsache, dass die derzeit verfügbaren steroidalen Verhütungsmittel teilweise schwerwiegende Nebenwirkungen zeigen, ergibt sich außerdem, dass diese in den Entwicklungsländern aus sozialen und ökonomischen Gründen oft gar nicht genutzt werden. Weiterhin werden die meisten dieser Kontrazeptiva in jenen Ländern vorrangig von der Bevölkerung in den Städten genutzt, während die ländliche Bevölkerung, meist aus Vertrauens- oder Bildungsmangel, zögert, diese zu gebrauchen.
Dies alles erklärt das große Interesse an anderen Verhütungsmethoden und die Aktualität des Themas „Grüne Empfängnisverhütung“ sowie die Vielzahl an Untersuchungen und Forschungsprojekten in dieser Richtung. Die Entwicklung eines geeigneten, sicheren, oral wirksamen fruchtbarkeitsregulierenden Mittels pflanzlichen Ursprungs ist keine neue Idee. Seit Jahrhunderten nutzte und nutzt heute immer noch praktisch jeder Kulturkreis weltweit spezifische Pflanzen in der einen oder anderen Form, um die Geburtenrate zu kontrollieren und somit das Bevölkerungswachstum einzugrenzen.
In den letzen Jahrzehnten wurde immer intensiver nach neuen Möglichkeiten gesucht, um einerseits dem Problem der Überbevölkerung zu begegnen und andererseits ein „grüne Alternative“ zur […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Angelika Zinner
Antikonzeptive und phytoöstrogene Wirkweisen bestimmter Gewürze, Heil- und
Zierpflanzen sowie pflanzlicher Lebensmittel
ISBN: 978-3-8366-0217-4
Druck Diplomica® GmbH, Hamburg, 2007
Zugl. Friedrich-Schiller-Universität Jena, Jena, Deutschland, Diplomarbeit, 2006
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© Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2007
Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Fremdwörterverzeichnis
1
Einleitung und Zielstellung ... 1
2
Kontrazeption und ihre Methoden... 5
2.1
Angriffspunkte der Kontrazeption bei beiden Geschlechtern... 5
2.2
Kontrazeptionsmöglickeiten für die Frau und für den Mann ... 6
2.3
Wirkprinzipien kontrazeptiver und abortiver Pflanzen ... 8
3
,,Grüne Empfängnisverhütung"... 10
3.1
Kontrazeption auf pflanzlicher Basis für die Frau... 10
3.1.1
Historischer Abriss ... 10
3.1.1.1
Das Wissen der antiken Medizin ... 10
3.1.1.2
Das ,,geheime" Wissen der Frau... 12
3.1.1.3
Pflanzliche Zäpfchen und Kräutertränke ... 14
3.1.2
Verhütungsstrategien bei verschiedenen Naturvölkern ... 16
3.1.2.1
Nordamerika ... 18
3.1.2.2
Südamerika ... 18
3.1.2.3
Indien ... 21
3.1.2.4
Pazifikinseln... 22
3.1.3
Forschungsergebnisse ... 24
3.2
Abortive Pflanzen ... 31
3.2.1
Historischer Abriss und Umstrittenheit ... 31
3.2.1.1
In den frühen Hochkulturen... 31
3.2.1.2
Griechenland... 32
3.2.1.3
Rom... 32
3.2.1.4
Im Mittelalter ... 33
3.2.1.5
In der Frühen Neuzeit ... 34
3.2.2
Erforschte Wirkungsmechanismen ... 37
3.2.2.1
Schleimdrogen ... 38

3.2.2.2
Bitterstoff-Drogen... 39
3.2.2.3
Alkaloid-Drogen ... 39
3.2.2.4
Harz- oder Balsam-Drogen... 40
3.2.2.5
Saponin-Drogen ... 41
3.2.2.6
Ätherisch-Öl-Drogen ... 42
3.2.2.7
Cumarin-Drogen ... 46
3.2.2.8
Anthranoid-Drogen... 47
3.2.2.9
Scharfstoff-Drogen ... 48
3.2.2.10
Gerbstoff-Drogen... 48
3.3
Kontrazeption auf pflanzlicher Basis für den Mann... 49
3.3.1
Historischer Abriss ... 49
3.3.2
Forschungsergebnisse ... 52
3.4
Spermizide und/ oder koagulierende Pflanzen ... 56
4
Nutzpflanzen mit kontrazeptiver und/ oder abortiver Wirkung ... 59
5
Auswahl einzelner kontrazeptiver und/ oder abortiver Pflanzen ... 90
5.1
Kontrazeptive Pflanzen für die Frau... 90
5.2
Kontrazeptive Pflanzen für den Mann ... 96
5.3
Kontrazeptive Pflanzen für beide Geschlechter... 107
5.4
Abortive Pflanzen ... 132
6
Diskussion ... 145
7
Zusammenfassung ... 151
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Anhang
Abkürzungsverzeichnis Anhang
Literaturverzeichnis Anhang
Danksagung
Selbständigkeitserklärung

Abkürzungsverzeichnis
ADP
Adenosindiphosphat
ATP
Adenosintriphosphat
ATPase Adenosintriphosphatase
(ATP-Synthase)
AIDS
acquired immune(o) deficiency syndrome
(erworbenes Immundefektsyndrom)
HIV
human
immunodeficiency
virus
(Retro-Virus, das die HIV-Erkrankung u AIDS verursacht)
Alk.
Alkaloide
äth.
ätherisch
bzw.
beziehungsweise
ca.
circa
CD
cluster
of
differentation
CD4
CD4-T-Lymphozyten
(Helferzellen)
CD8
CD8-T-Lymphozyten
(Suppressorzellen)
DNA
deoxyribonucleic
acid
(Desoxyribonukleinsäure
=
DNS)
RNA
ribonucleic
acid
(Ribonukleinsäure
=
RNS)
d.h.
das
heißt
engl.
englisch
et al.
et alii (lat. und andere)
FC
Furanocumarine
FSH
Follikelstimulierendes
Hormon,
Follitropin
GOT Glutamat-Oxalacetat-Transaminase
(Aspartataminotransferase)
GPT
Glutamat-Pyruvat-Transaminase
(Alaninaminotransferase)
griech.
griechisch
IFN
Interferone (Proteine gebildet von Zellen des
Immunsystems)
Jh.
Jahrhundert
lat.
lateinisch
LDH
Laktatdehydrogenase

LH
Luteinisierendes
Hormon,
Lutropin
MHC
major histocompatibility complex
(Haupthistokompatibilitätskomplex)
C
Kohlenstoff
H
Wasserstoff
HCl
Salzsäure
(Chlorwasserstoff)
N
Stickstoff
NO
Stickstoffmonoxid
O
Sauerstoff
RU-486 Abtreibungspille
mit
Wirkstoff
Mifepriston
(Anti-Gestagen
[Mifegyne®])
PA
Pyrrolizidin-Alkaloide
PG
Prostaglandine
PMS
Prämenstruelles
Syndrom
sog.
sogenannte/r/s/n
TNF
Tumor-Nekrose-Faktor
u.a.
unter
anderem/n
(und
andere/s)
usw.
und
so
weiter
v.u.Z.
vor
unserer
Zeitrechnung
n.u.Z
nach
unserer
Zeitrechnung
v.a.
vor
allem
WHO
World
Health
Organization
(Weltgesundheitsorganisation)
z.B.
zum
Beispiel

Fremdwörterverzeichnis
abortiv
abtreibend
Abortivum/ -a
Abtreibungsmittel bzw. frucht/-abtreibendes Mittel
Amenorrhö
ausbleibende Menstruation
Anaphrodisiaka/ Antaphrodisiaka Mittel zur Herabsetzung des Geschlechtstriebes
Androgene
männliche Geschlechtshormone (Testosteron,
Androsteron, Androstendion und
Dehydroepiandrosteron)
Anthelminthika
Wurmmittel bzw. wurmabtötendes Mittel
antifertil Unfruchtbarkeit
hervorrufend
infertil unfruchtbar
Infertilität
Unfruchtbarkeit
Antiimplantation/ Antinidation
Verhinderung der Einnistung der befruchteten
Eizelle
Antikonzeption
Empfängnisverhütung/ Schwangerschaftsverhütg.
antikonzeptiv
empfängnisverhütend
Antiovulation
Verhinderung des Eisprungs/ Ovulationshemmung
Aphrodisiaka
Mittel zur Stärkung des Geschlechtstriebes/ der
Potenz
Azoospermie
Samenzellen-Mangel durch eingeschränkte
Spermienproduktion
Dekokt
Abkochung
Dysmenorrhö
schmerzhafte
Menstruation
emmenagog
menstruationsfördernd/
-einleitend
Emmenagogum/ -a
menstruationsförderndes/ -auslösendes Mittel
Epididymis
Nebenhoden
Expektorans
auswurfförderndes Mittel
Fertilisation/ Fertilisierung
Befruchtung
Fertilität Fruchtbarkeit
Galaktagogum/ -a
Milchbildungs-förderndes/ -treibendes Mittel
Gestagene
weibl. Geschlechtshormone/ Gelbkörperhormone
(Progesteron, Pregnandiol und Pregnelon)

Hypophyse
Hirnanhangsdrüse
Implantation
Nidation
bzw.
Einnistung
Karminativum/ -a
verdauungsförderndes Mittel
koagulierend gerinnend,
ausflockend
Kontrazeption
Empfängnisverhütung/
Schwangerschaftsverhütg.
kontrazeptiv
empfängnisverhütend
Kontrazeptivum/
-a
Verhütungsmittel
Konzeption
Befruchtung/
Empfängnis
Laxanzien
(Laxativa)
Abführmittel
Mazerat
Kaltauszug
Nidation
Implantation
bzw.
Einnistung
Oligomenorrhö
schwache Menstruation
Östrogene weibliche
Geschlechtshormone/
Follikelhormone
(Östradiol, Östron und Östriol)
Ovulation
Eisprung
oxytozisch
uterusstimulierend
bzw.
wehenanregend
Plazenta
Mutterkuchen
postkoital
nach
dem
Geschlechtsverkehr
Progesteron
weibliches
Geschlechtshormon/
Gelbkörperhormon
proteolytisch
eiweißspaltend
Sekretolytikum/
-a
auswurfförderndes
Mittel
Spermatogenese
Spermien-/ Samenzellbildung bzw. -reifung
spermatogen
spermienbildend
Spermien
Samen/-zellen
spermizid
samenabtötend
bzw.
spermienabtötend
Spermizide
samenabtötende
Stoffe
Sterilisation
irreversibler
Verschluss
des
Eileiters
Stomachikum/ -a
Magenmittel/ sekretionsförderndes Mittel
Testis
Hoden
Vasektomie
irreversibler Verschluss des Samenleiters

1
Einleitung und Zielstellung
In der Geschichte der Menschheit hat es nie an Versuchen gefehlt, auf die Anzahl der
Kinder und den Zeitpunkt ihrer Geburt Einfluss zu nehmen. Dies ist bis in die Anfänge
historischer Überlieferungen zurückzuverfolgen. Unterschiedliche Methoden, die
Fruchtbarkeit zu regulieren, sind unter anderem schon in vielen historischen Schriften,
wie der Bibel und den ägyptischen Papyrus-Rollen, zu entnehmen. Manche Hinweise
findet man heute noch in der traditionellen Volksmedizin verschiedener Regionen der
Erde.
Empfängnisverhütung im eigentlichen Sinn bedeutet Familienplanung als vorsorgliche
und verantwortliche Handlungsweise in individueller sowie in sozialkultureller
Hinsicht. Es ist einerseits aus spezifisch menschlicher Verantwortung nur allzu
vernünftig, wenn Kinder nicht in eine Welt hinein geboren werden, die für sie nicht
oder noch nicht bereit ist. Andererseits passen hauptsächlich in den Industrieländern
Nachwuchs und Erfolg im Beruf nicht zusammen. So ist die steigende Erwerbstätigkeit
von Frauen beispielsweise auch in Deutschland mitverantwortlich für die sinkende
Kinderzahl. Dabei werden die Eigenverantwortlichkeit sowie die bewusste und
persönliche Entscheidung zur Kinderlosigkeit als alleinige Entscheidung der Frau
verstanden, nicht aber als gesellschaftlich strukturiertes sowie politisches Problem
erkannt. Lange Ausbildungszeiten allgemein sowie das veraltete Ungleichgewicht des
Marktwertes beider Geschlechter bilden Barrieren bezüglich des Kinderwunsches.
Obwohl Frauen in ihrer Bildung den Männern in keiner Hinsicht nachstehen, verdienen
sie immer noch weniger Geld und haben schlechtere berufliche Ein- und
Aufstiegschancen. Allerdings soll dieses sensible Thema und die damit
zusammenhängenden Probleme nicht Gegenstand dieser Arbeit sein. Darüber hinaus
wären Kontrazeptiva (Verhütungsmittel) auf pflanzlicher Basis für die Frau in ihrer
Entscheidung zur Geburtenregelung eine überaus begrüßenswerte Alternativmöglichkeit
gegenüber synthetischen Präparaten.
Demgegenüber steht die gesamte Menschheit durch das enorme Bevölkerungswachstum
in manchen Regionen, hauptsächlich der Entwicklungsländer, und den damit
zusammenhängenden Problemen, in erster Linie die Bedrohung des Lebensraums Erde,
an einem einzigartigen Wendepunkt ihrer Geschichte. Nach Jahrhunderten eines mehr
als exponentiellen Wachstums dürfte sich um das Jahr 2050 die Weltbevölkerung
(derzeit 6,5 Milliarden) bei etwa 9 Milliarden Menschen einpendeln. Tatsache ist
hierbei, dass sich das meiste Wachstum in den wirtschaftlich ärmsten Ländern
konzentriert (MUSSER, 2005). Kontrazeptiva würden neben weiteren
fruchtbarkeitskontrollierenden Maßnahmen einen wichtigen Beitrag leisten, um dass

2
nach wie vor zu hohe Bevölkerungswachstum in unterschiedlichen Regionen, wie z.B.
Zentralafrika, Südostasien, China oder Lateinamerika zu bremsen.
Somit steht die Wissenschaft vor der Herausforderung und der notwendigen Aufgabe,
neue, akzeptable, d.h. effektive und preiswerte sowie leicht verfügbare Methoden zur
Kontrazeption (Empfängnisverhütung), möglichst ohne Nebenwirkungen, für die Frau
ebenso für den Mann zu entwickeln. Erst zu Beginn des letzten Jahrhunderts begann die
intensive Beschäftigung mit der naturwissenschaftlich-medizinischen Erforschung und
Entwicklung der heute üblichen Kontrazeptionsverfahren. In den Jahren von 1950 bis
1970 wurden rasante Fortschritte auf dem Gebiet der Fertilitätskontrolle gemacht und
eine Reihe an Studien und Artikeln wurden veröffentlicht. Anfang der 60er Jahre führte
dies zur Erfindung der Eisprung-verhindernden ,,Pille". Obwohl diese synthetischen
steroidalen und nichtsteroidalen, oralen Kontrazeptiva heute weit verbreitet angewandt
werden, hat das bekannt werden einer Reihe unerwünschter Nebenwirkungen und
Risiken die Benutzerinnen kritischer werden lassen und die Ärzte sorgfältiger und
aufmerksamer bei der Beratung und Verschreibung. Neben der Tatsache, dass die
derzeit verfügbaren steroidalen Verhütungsmittel teilweise schwerwiegende
Nebenwirkungen zeigen, ergibt sich außerdem, dass diese in den Entwicklungsländern
aus sozialen und ökonomischen Gründen oft gar nicht genutzt werden. Annähernd ein
Drittel aller Frauen im gebärfähigen Alter haben bis heute keinen Zugang zu wirksamen
und bezahlbaren Verhütungsmitteln. Weiterhin werden die meisten dieser Kontrazeptiva
in jenen Ländern vorrangig von der Bevölkerung in den Städten genutzt, während die
ländliche Bevölkerung, meist aus Vertrauens- oder Bildungsmangel, zögert, diese zu
gebrauchen.
Dies erklärt das große Interesse an anderen Verhütungsmethoden und die Aktualität des
Themas ,,Grüne Empfängnisverhütung" sowie die Vielzahl an Untersuchungen und
Forschungsprojekten in dieser Richtung. Die Entwicklung eines geeigneten, sicheren,
oral wirksamen fruchtbarkeitsregulierenden Mittels pflanzlichen Ursprungs ist keine
neue Idee. Seit Jahrhunderten nutzte und nutzt heute immer noch praktisch jeder
Kulturkreis weltweit spezifische Pflanzen in der einen oder anderen Form, um die
Geburtenrate zu kontrollieren und somit das Bevölkerungswachstum einzugrenzen. In
den letzen Jahrzehnten wurde immer intensiver nach neuen Möglichkeiten gesucht, um
einerseits dem Problem der Überbevölkerung zu begegnen und andererseits ein ,,grüne
Alternative" zur Antikonzeption (Schwangerschaftsverhütung) zu schaffen. Diese
Bemühungen wurden und werden in zunehmendem Maße von der
Weltgesundheitsorganisation (WHO) finanziell unterstützt. Unter anderem bildete die
WHO Arbeitsgruppen, welche eine Vielzahl an Pflanzen hinsichtlich ihrer Beteiligung
an der Fruchtbarkeitsregulierung bewertete. Diese Arbeitsgruppen führten zusätzlich ein
Programm durch, um neuartige, aus Pflanzen gewonnene prototypische, kontrazeptive
Mittel zu analysieren und zu beurteilen. Der Hauptteil dieser Forschungsarbeit wurde
innerhalb eines Netzwerks aus sieben zusammenarbeitenden Zentren in fünf
verschiedenen Ländern (USA, China, Indien, Sri Lanka, Korea) geleistet.

3
Zusätzlich führen auch die Probleme einer immer stärker technisch orientierten Medizin
und der mehrheitlichen Anwendung synthetischer Chemotherapeutika, insbesondere die
zahlreichen dabei entstehenden Neben- und Folgewirkungen sowie die
Verunsicherungen durch Beipackzettel und Mediendiskussionen zu einem Trend in
Richtung Naturbelassener Therapie. Im Zeichen der ,,grünen Welle" ist heute eine
Rückbesinnung auf das medizinische Potential der Pflanzen zu spüren. Heilpflanzen
wurden bzw. werden weltweit schon seit Jahrhunderten als therapeutische Mittel
genutzt. Sogar die WHO empfiehlt die Rückkehr zu traditionellen Systemen der
Medizin. Es stellt sich nunmehr die Aufgabe, den Platz zu finden, den die Heilpflanze
in der heutigen Medizin einzunehmen hat. Der Vorteil der Phytotherapie
(Pflanzenheilkunde) liegt in der bemerkenswerten Mannigfaltigkeit der Pflanzenin-
haltsstoffe und ihrer differenzierten Wirkungen auf den Organismus. Die Arzneien aus
den unterschiedlichen traditionellen Medizinen außereuropäischer Länder, nicht zuletzt
aus denen der Dritten Welt, bestehen zu 90 % aus Pflanzen. Die hier verwendeten
Arzneimittel gelten nicht nur in ihren Entstehungsländern als effektiv, sondern können
durchaus zu einer Bereicherung der westlichen Welt führen. Hochzivilisierte Kulturen
haben bereits jeweils von verschiedenen Ureinwohnern und Naturvölkern den Nutzen
von Heilpflanzen zu schätzen gelernt (ZIMMERMANN, 1994).
In der Phytotherapie werden verschiedene Darreichungsformen der Pflanzenstoffe
angewandt. Die wichtigsten unterschiedlichen Varianten sind hierbei Nahrungsmittel,
wie frische Pflanzen als Gemüse, Salat oder Gewürz, Frischpflanzenauszüge und
Pflanzensäfte sowie saure vergorene und denaturierte Säfte. Außerdem hat die
Darreichung in Form getrockneter Pflanzer zusehends an Bedeutung gewonnen und
bietet sich besonders bei Teegemischen an. Haltbarkeit und Standardisierungsfähigkeit
sind auf diese Weise wesentlich günstiger als bei frischen Pflanzen und Frischsäften.
Tees eignen sich vorzugsweise als Getränke, werden jedoch auch als Spülungen und
Bäder angewendet.
Nicht nur im Bereich der Heilkunde spielt die Pflanze eine bedeutsame Rolle, auch die
Ernährung des Menschen wäre ohne Pflanzen nicht denkbar. Der Mensch hat mit
fortschreitender Zivilisation die Pflanzen immer intensiver genutzt. Die Vielfalt der
heutigen Kultur- und Nahrungspflanzen geht aus Wildformen hervor. Im
Zusammenhang mit Pflanzen in der Humanernährung stehen die sekundären
Pflanzenstoffe in Form von Farbstoffen sowie Scharf- und Bitterstoffen. Die für den
menschlichen Organismus postulierten mannigfaltigen Wirkungen decken dabei ein
breites Spektrum ab. Sie reichen von positiven Effekten auf den Verdauungstrakt, über
antioxidative und antikarzinogene bis hin zu kontrazeptiven (empfängnisverhütend)
sowie abortiven (abtreibend) Wirkungen einiger Pflanzen. Letztere sollen in späteren
Kapiteln angeführt und erläutert werden.
Das ursprünglich vorgesehene Ziel der vorliegenden Diplomarbeit war die Erfassung
der in der Literatur erscheinenden Hinweise auf die Nutzung einheimischer Pflanzen
verschiedener Regionen zur Schwangerschaftsverhütung und ihre Rolle als

4
Nahrungsbestandteil. Im Verlaufe der Literaturrecherche und der Beschäftigung mit
dem Thema musste allerdings festgestellt werden, dass die Anwendung solcher als
Kontrazeptiva (Verhütungsmittel) und Abortiva (Abtreibungsmittel) wirkenden
Pflanzen direkt über die Ernährung relativ selten erwähnt worden ist. Meist wurden und
werden diese Pflanzen als Heilkräuter in Form von Tees bzw. Aufgüssen, Dekokten
(Abkochungen), Auszügen bzw. Extrakten sowie Presssäften genutzt, ebenfalls in Form
von Pulvern und Pillen angewandt. Offenkundig aus dem Grund, da nur in diesen häufig
erwähnten unterschiedlichen Zubereitungsweisen die notwendige Konzentration der in
der Pflanze vorkommenden Wirkstoffe vorliegt, um schließlich die gewollte Wirkung
zu erreichen. Wichtig zu bemerken ist hierbei, dass eine Vielzahl der aufgeführten
Pflanzen unterschiedliche, teilweise stark toxische Effekte aufweisen und somit die
Einnahme, insbesondere hochkonzentrierte Zubereitungen und ohne fachkundigem
Wissen, lebensgefährlich war und ist.
Nachfolgend ergab es sich, dass sich diese Arbeit auch mit Forschungsergebnissen der
Vergangenheit und mit der Erarbeitung des aktuellen wissenschaftlichen Standes
hinsichtlich der Suche nach einem geeigneten kontrazeptiven Mittel pflanzlichen
Ursprungs sowohl für die Frau als auch für den Mann beschäftigt. Hier stellte sich indes
die Frage, inwieweit die Ergebnisse aus den meist tierexperimentellen Studien auf den
Menschen übertragbar sind. Es galt außerdem neben Herkunft und Verwendung der
Pflanzen, die jeweiligen Inhaltstoffe und ihre Wirkung im Einzelnen, ihre
toxikologischen Wirkungen sowie weitere Nebeneffekte zu betrachten. Berücksichtigt
wurde, dass das umstrittene Thema der Abtreibung in der Geschichte und auch heute
noch bei den Naturvölkern in ländlichen Gebieten oder ärmeren Ländern eine große
Bedeutung hatte bzw. hat. Allein die Vielfalt der verwendeten abortiven Pflanzen zeigt,
dass diese nicht gern erwähnte Möglichkeit zur Empfängnisverhütung doch oft
praktiziert wurde und noch wird. Zusätzlich gibt es auch eine Vielzahl an Pflanzen,
welche vaginal zur Kontrazeption eingesetzt werden können, da diese spermizid,
koagulierend oder immobilisierend wirken. Trotzdem soll in der vorliegenden Arbeit
das Hauptaugenmerk darauf gelegt werden, einen objektiven Überblick auf eine
mögliche zukünftige Rolle kontrazeptiv wirkender Pflanzen für die Entwicklung neuer
und effektiver Verhütungsmittel zu geben.

5
2
Kontrazeption und ihre Methoden
2.1 Angriffspunkte der Kontrazeption bei beiden Geschlechtern
Die Suche nach Mitteln und Möglichkeiten, die menschliche Fortpflanzung zu
beeinflussen, ist so alt wie die Menschheit selbst. In früheren Jahrhunderten waren diese
Bemühungen in erster Linie darauf ausgerichtet, den erwünschten Nachwuchs zu
bekommen. Dagegen geradezu Aufsehen erregend waren und sind seit jeher alle
Bestrebungen, Fruchtbarkeit und Kinderzahl einzuschränken, also gezielt
Familienplanung und Empfängnisregelung zu betreiben (WALTER & HOFFMANN,
1992).
Frauen werden mit einer genetisch festgelegten Anzahl von Keimzellen (ca. 400 000)
geboren, die während ihres Lebens ständig abnimmt. Die Reifeteilung der Eizellen
(Meiose) ist bereits vor der Geburt erfolgt. Somit besteht durch die unterschiedlichen
kontrazeptiven Maßnahmen keine Gefahr, dass eine genetische Schädigung der Eizelle
durch Reifeteilungen an andere Eizellen weitergegeben wird. Sollte es zu einer
Mutation kommen, so bleibt diese auf die entsprechende Eizelle beschränkt. Die
Kontrazeption bei der Frau konzentriert sich heute noch im Wesentlichen auf die
Verhinderung des Eisprungs (Ovulationshemmung). Bei erfolgter Ovulation kann
versucht werden, die Fertilisation, d.h. die Verschmelzung von Ei- und Samenzelle, zu
verhindern. Wenn eine Fertilisation (Befruchtung) erfolgt ist, kommt die Verhinderung
der Implantation (Nidation bzw. Einnistung) der befruchteten Eizelle in Betracht. Alle
Methoden die danach eingreifen, sind als Abortiva anzusehen (RABE &
RUNNEBAUM, 1982).
Die Spermatogenese (Spermienbildung) des Mannes hingegen läuft als kontinuierlicher
Prozess ab, in dessen Verlauf pro Tag ca. 30 Millionen Keimzellen bereitgestellt
werden. Das Problem einer systematischen Kontrazeption beim Mann besteht aus
diesem Grunde darin, dass genetische Störungen, die möglicherweise durch ein
Kontrazeptivum hervorgerufen werden, von einer einzigen Ursamenzelle an alle
Gameten weitergegeben werden, die sich aus ihr entwickeln. Daher ergab das Bemühen,
ein Kontrazeptionsmittel für den Mann zu entwickeln, bisher keine durchsetzbare
Methode. Vom wissenschaftlichen Standpunkt aus ist für den geringen Erfolg
entsprechender Bemühungen nicht nur die Gefahr der Mutationsweitergabe
verantwortlich, sondern auch die tonisch-kontinuierliche Spermatogenese des Mannes
im Gegensatz zur zyklischen ovariellen Aktivität der Frau, welche deutlich einfacher zu
beeinflussen ist. Beim Mann könnten Kontrazeptiva die Spermienbildung sowie die
Spermienreifung unterdrücken, um eine Azoospermie (Samenzellen-Mangel) zu
erreichen oder um die Funktion (Dichte bzw. Menge, Beweglichkeit und

6
Befruchtungsfähigkeit) der bereits gebildeten reifen Spermien zu hemmen. Eine weitere
Möglichkeit besteht in der eine Unterbrechung des Spermientransports (z.B.
Sterilisation bzw. Vasektomie), wodurch das Eindringen zeugungsfähiger Spermien in
die Scheide der Frau verhindert wird (RABE & RUNNEBAUM, 1982).
Heute steht für die Kontrazeption, hauptsächlich für die Frau, ein breites Angebot an
Methoden zur Verfügung, die zu einem großen Teil über eine hohe Sicherheit und gute
Akzeptanz verfügen. Allerdings ist das ideale Verhütungsmittel ohne jegliche physische
oder psychische Beeinflussung bisher noch nicht gefunden worden. Überdies nimmt
inzwischen die Verbreitung fertilitätsregulierender Methoden auch in vielen
Entwicklungsländern zu, da ethisch-moralische sowie religiöse Schranken zunehmend
abgebaut werden (RABE & RUNNEBAUM, 1982).
2.2 Kontrazeptionsmöglichkeiten für die Frau und für den Mann
Zur ,,Natürlichen Familienplanung" zählen die sog. ,,alternativen" Methoden der
Geburtenregelung. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass zur Empfängnisverhütung keine
äußeren Mittel benötigt werden, sondern während der fruchtbaren Tage des Zyklus
Enthaltsamkeit geübt wird. Die kalendermäßige Berechnung der Zeit um den Eisprung,
ebenso wie die Basaltemperaturmessung, Schleimstrukturmethode oder Kombinationen
dieser Möglichkeiten sind hier zu erwähnen. Gleichfalls zählt der Coitus interruptus,
trotz geringer Verlässlichkeit, zu den alternativen Kontrazeptionsmethoden. Dieses
Verfahren der Schwangerschaftsverhütung wird zu den ältesten in der Geschichte
beschriebenen Versuchen gezählt, die Fruchtbarkeit zu steuern. Es wird bereits in der
Bibel im Alten Testament erwähnt (WALTER & HOFFMANN, 1992).
Zu den kontrazeptiven Barrieremethoden gehören mechanische und chemische
Verhütungsmittel, um das Zusammentreffen männlicher Samen (Spermien) mit der
weiblichen Eizelle und damit die Befruchtung zu verhindern. Dazu gehören
beispielsweise Scheidenpessare, Gebärmutterhalskappen, Verhütungsschwämmchen
oder Frauenkondome und natürlich Präservative, die sog. Kondome, sowie Zäpfchen,
Cremes und Gele. Wobei Spermizide (samenabtötende Stoffe) eine wichtige Rolle
spielen. Z.B. ist von vielen natürlichen, chemischen Stoffen, wie Haushaltsessig und
sogar Zitronensaft, ist bekannt, dass sie Samenzellen unbeweglich machen und auch
abtöten. Die alleinige Anwendung von Spermiziden ist wegen der zu geringen
Sicherheit allerdings nicht empfehlenswert. In Betracht käme eine mechanisch-
chemische Kombinationsmethode. Die Geschichte, der in der Scheide chemisch
wirksamen Verhütungsmethoden, reicht weit zurück. Aus der Zeit der alten Ägypter
erhalten gebliebene Papyrusfunde berichten, dass den Frauen empfohlen wurde,
Einlagen aus bestimmten Kräutern und Moosen mit Honig und Öl getränkt, in die
Scheide vorzunehmen. In späteren Jahrhunderten finden sich immer wieder in der

7
Volksmedizin Beschreibungen für solche selbst herstellbaren Verhütungsmittel, die
meist organische Säuren enthielten (WALTER & HOFFMANN, 1992). (Siehe hierzu
auch Kapitel 3.1.1.3; ab S. 14)
Die ,,Arzt-gebundenen" Verhütungsmethoden sind an ärztliche Mitentscheidung und
rezeptpflichtige Verschreibung von Medikamenten gebunden oder machen
medizinische Eingriffe erforderlich. Dazu zählen die ,,Pille", Dreimonatsspritzen,
Implantate, hormonhaltige Scheidenringe und Gebärmutterspiralen. All diese
Kontrazeptionsmethoden arbeiten auf Basis synthetischer Hormone, die dem in den
Eierstöcken hergestellten Follikelhormon (Östrogen) und dem Gelbkörperhormon
(Progesteron) sehr ähnlich sind. Sie wirken auf die Steuerung und Rückkopplung
zwischen der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) und den Eierstöcken und beeinflussen
somit die Produktion sowie den Spiegel der weiblichen Geschlechtshormone. Weiterhin
besteht die Möglichkeit des irreversiblen Verschlusses des Eileiters (Sterilisation) oder
des Samenleiters (Vasektomie). Weltweit sind sie die am meisten genutzten Methoden
der Fruchtbarkeitsregulierung. Außerdem lässt sich durch eine rechtzeitige Einnahme
von synthetischen Eierstockshormonen (Östrogen und Gestagen) (die ,,Pille danach")
die Einnistung der befruchteten Eizelle in der Gebärmutterschleimhaut verhindern, da
die Eizelle etwa fünf bis sechs Tage benötigt, um durch den Eileiter in die Gebärmutter
zu wandern (WALTER & HOFFMANN, 1992).
Trotz großer Umstrittenheit, sind die Methoden des Schwangerschaftsabbruchs, nicht
außer Acht zu lassen. Von medizinischer Bedeutung ist hierbei die Hormongruppe der
Prostaglandine. Sie bewirken das rhythmische Zusammenziehen der
Gebärmuttermuskulatur und sind in relativ großen Mengen notwendig, um eine
Ablösung der eingebetteten Eizelle mit nachfolgender Abstoßung und einer
menstruationsähnlichen Blutung herbeizuführen. Dies entspricht einem Abbruch der
frühen Schwangerschaft. Auch durch Anti-Gelbkörperhormone (Anti-Progesterone)
lässt sich diese frühe Phase der Schwangerschaft künstlich unterbrechen. Der junge
Embryo ist in den ersten Wochen wesentlich von der Existenz des sog. Gelbkörpers
abhängig. Bis zum Ausreifen der Plazenta (Mutterkuchen) sorgt der Gelbkörper für die
Bildung von Gelbkörperhormonen, damit Gebärmutter und Embryo ungestört wachsen
können. Die kombinierte Anwendung der sog. Abtreibungspille RU-486 (Wirkstoff
Mifepriston = Anti-Gestagen [Mifegyne®]) und Prostaglandinen ist eine gängige
Methode des medikamentösen Schwangerschaftsabbruchs beispielsweise in Frankreich
und weiteren europäischen Ländern. Hinter dem konstruiertem Begriff ,,Menstruelle
Regelung" verbirgt sich die Auslösung einer bis um zwei Wochen verzögerten
Menstruationsblutung. Dabei wird mittels einer Spritze und eines dünnen
Plastikröhrchens das Innere der Gebärmutter (Schleimhaut mit möglicherweise
eingenisteter Eizelle bzw. Embryo) leer gesaugt. Der Schwangerschaftsabbruch
während der ersten drei Monate wird entweder durch eine Ausschabung der
Gebärmutter oder durch Absaugverfahren beendet. Für Schwangerschaftsabbrüche vom
vierten Monat an werden verschiedene chirurgische Methoden wie der Kleine

8
Kaiserschnitt, vor allem aber medikamentöse Verfahren, z.B. mittels Prostaglandinen
benutzt, um die Wehen auszulösen (WALTER & HOFFMANN, 1992).
Zu den noch im Stadium der Erforschung befindlichen Kontrazeptionsmöglichkeiten
gehört in erster Linie die ,,Pille" für den Mann. Inzwischen ist eine Reihe an Stoffen
auch pflanzlichen Ursprungs entdeckt worden, welche die ständig stattfindende
Neubildung von Samenzellen beim Mann unterdrücken, was später ausführlich erläutert
werden soll. Dennoch ist es, wie bereits erwähnt, schwierig, eine geeignete
Verhütungspille für den Mann zu entwickeln. Im Gegensatz zum regelmäßig und
gleichförmig ablaufenden Vorgang der monatlichen Reifung einer einzigen Eizelle bei
der Frau findet im Hoden des Mannes von der Pubertät an eine ständige Neubildung
von vielen Millionen Samenzellen (Spermien) statt. Für die Ausreifung der
befruchtungsfähigen Samenzellen werden etwa drei Monate benötigt. Ein Medikament
zur Drosselung der Samenreifung kann somit erst nach einem Vierteljahr zur
angestrebten Verhütungswirkung, also zum vollständigen Fehlen von
befruchtungsaktiven Samenzellen führen. Zusätzlich wird weltweit an einer
immunologischen Empfängnisverhütung geforscht. Hierbei werden der Frau bestimmte
Hormone der Plazenta geimpft, da diese bewirken, dass während der Schwangerschaft
keine Eireifung und kein Eisprung stattfinden. Eine weitere noch
erforschungsbedürftige kontrazeptive Methode soll verhindern, dass die Spermien die
Eizell-Hülle durchdringen. Durch Impfung der Frau könnte eine Art Immunisierung der
Eizelle gegen die Spermien erreicht werden (WALTER & HOFFMANN, 1992).
2.3 Wirkprinzipien kontrazeptiver und abortiver Pflanzen
Die aus Pflanzen gewonnenen fruchtbarkeitsregulierenden Substanzen können über
verschiedene Wege zur Unfruchtbarkeit der Frau führen. Sie wirken entweder auf den
Hypothalamus, die Eierstöcke und Eileiter oder in der Gebärmutter. Diese Effekte
werden einerseits durch das Vorkommen an Phytoöstrogenen, andererseits durch
zytotoxische Verbindungen verursacht. Substanzen, die Phytoöstrogene enthalten,
werden oral verabreicht und jene, die zytotoxische Verbindungen enthalten, werden
hingegen üblicherweise vaginal angewandt (FARNSWORTH et al, 1975). Damit
können die Pflanzen der weiblichen Fertilitätsregulierung in drei Gruppen eingeteilt
werden:
1. Pflanzen, die den Eisprung hemmen (Antiovulation),
2. Pflanzen, welche die Einnistung der befruchteten Eizelle verhindern
(Antiimplantation bzw. Antinidation) und
3. Pflanzen, die Aborte hervorrufen (abortiv wirkende Pflanzen).

9
Kontrazeptive Pflanzen für den Mann wirken über die Hemmung oder Unterbrechung
der Spermatogenese fruchtbarkeitsregulierend. Sie beeinflussen somit die Quantität und/
oder Qualität der Samenzellen oder haben einen allgemein negativen Effekt auf die
Morphologie und Funktionsfähigkeit der Reproduktionsorgane. Weitere aus Pflanzen
gewonnene Substanzen wirken spermizid, koagulierend (gerinnend bzw. ausflockend)
oder immobilisierend auf die Spermien. Somit können die Pflanzen zur männlichen
Fertilitätsregulierung in zwei Gruppen eingeteilt werden:
1. Pflanzen, die allgemein kontrazeptiv wirken (antispermatogen oder
antiandrogen) und
2. Pflanzen, die spermizid oder koagulierend wirken.
Zu berücksichtigen ist hierbei, dass die Einteilung der Pflanzen nach
Wirkungsmechanismen nicht immer direkt und eindeutig festzulegen ist. Allein die
Vielfalt der unterschiedlich wirkenden Inhaltsstoffe und die daraus folgenden
verschiedenen Wirkungsweisen erklären die Tatsache, dass einige Pflanzen auf beide
Geschlechter kontrazeptiv wirken. Außerdem werden einerseits als abortiv beschriebene
Pflanzen andererseits ebenso als kontrazeptiv wirkend eingestuft.

10
3
,,Grüne Empfängnisverhütung"
3.1 Kontrazeption auf pflanzlicher Basis für die Frau
3.1.1 Historischer Abriss
3.1.1.1 Das Wissen der antiken Medizin
In der antiken medizinischen Literatur wird das empirisch gewonnene Wissen über
empfängnisverhütende Mittel fast ausschließlich in Form von Rezepten vermittelt. Es ist
nicht nur ganz allgemein von ,,Sterilitätstränken" die Rede, selbst deren
Zusammensetzung wird angegeben. In einem beschriebenen Rezept wird beispielsweise
die Anwendung von Crocus sativus (Gartensafran) erwähnt. Gleichwohl nehmen Texte,
die sich speziell mit dem weiblichen Körper, seinen Leiden und Bedürfnissen befassen,
in vielen medizinischen Papyri, wie im berühmten Papyros Ebers (1550 v.u.Z.), einen
breiten Raum ein. Unter den Rezepten finden sich einige, die kontrazeptive Substanzen
enthalten. Entsprechende Kapitel wurden sogar eigens durch eine Überschrift
hervorgehoben. Im bereits erwähnten Papyros Ebers, welches die umfangreichste
altägyptische medizinische Sammelhandschrift mit weit über 800 Rezepten ist, darunter
nicht wenige zur Empfängnisverhütung, geschieht das auf folgende Weise: ,,Anfang von
den Heilmitteln, die man für die Frauen zu machen pflegt. Veranlassen, dass eine Frau
aufhört, schwanger zu werden für die Dauer von einem Jahr, von zwei Jahren oder drei
Jahren" (WESTENDORF, 1992). Auch der Papyros Berlin enthält ein Rezept, das als
Verhütungsmittel zu identifizieren ist. Hier sind u.a. das Samenkorn von Triticum
dicoccum (Emmer) und weiterhin Apium graveolens (Sellerie) aufgeführt (JÜTTE,
2003).
Das Wissen, welches bereits die altägyptische Medizin von mehr oder weniger
wirksamen Verhütungsmitteln hatte, verbreitete sich spätestens seit dem 4. Jh. v.u.Z.
rasant, insbesondere durch die griechischen und römischen Ärzte. Insgesamt sind in der
antiken Fachliteratur, wie aus einer medizinhistorischen Studie hervorgeht, 413 Rezepte
überliefert, die schwangerschaftsverhütende bzw. fruchtabtreibende Wirkung haben
sollten und wohl zu einem nicht geringen Teil auch gehabt haben dürften. Am Anfang
steht der Korpus der Schriften, die üblicherweise HIPPOKRATES (etwa 460-370
v.u.Z.), dem wohl berühmtesten Arzt der Antike, zugeschrieben werden. Eine
französische Forscherin kommt bei ihrer Zählung auf 128 einschlägige Rezepte, von
denen sich aber der Großteil wohl auf Abortiva bezieht. Die meisten Rezepte finden
sich in den Schriften, die sich mit der Frauenheilkunde beschäftigen. Die häufige

11
Erwähnung empfängnisverhütender und abtreibender Mittel in den hippokratischen
Schriften deutet darauf hin, dass dieses Wissen in der Antike sehr gefragt war und wohl
auch in der Ärzteausbildung (Schule von Kos) eine Rolle spielte (JÜTTE, 2003).
Der griechische Mediziner DIOSKURIDES
VON
ANAZARBA (1. Jh. n.u.Z.) verfasste
das führende pharmakologische Standardwerk seiner Zeit. Dieses Arzneibuch wurde bis
in die Neuzeit hinein immer wieder konsultiert, zitiert, abgeschrieben und gedruckt.
Dort stößt man auf eine Reihe von Pflanzen, denen kontrazeptive oder abortive
Wirkungen zugeschrieben wurden, darunter z.B. Hedera helix (Efeu). SORANOS (2.
Jh. n.u.Z.) befasste sich ebenfalls mit der Problematik der empfängnisverhütenden und
fruchtabtreibenden Mittel und verfasste eine der bedeutendsten gynäkologischen
Schriften des Altertums, die vier Bücher über Frauenleiden (peri gynaikeion biblia
tetra). Dieses Werk war wohl hauptsächlich für Hebammen gedacht, wurde aber von
spätantiken Ärzten gleichfalls geschätzt und immer wieder zitiert. SORANOS gehört zu
den wenigen Ärzten, die streng zwischen kontrazeptiven und abortiven Mitteln
unterscheiden (JÜTTE, 2003).
In der Spätantike wurde offensichtlich diese Art von Information eher mit dem
Mäntelchen des gelehrten Schweigens bedeckt. Das zeigt sich u.a. daran, dass einige
Nachfolger und Übersetzer die entsprechenden Passagen ­ bewusst oder unbewusst ­
einfach wegließen. Das gilt auch für AETIUS
VON
AMIDA, der zu Beginn des 6.
Jahrhunderts ein sechsbändiges Sammelwerk verfasste, worin er das gesamte damals
vorhandene medizinische Wissen zusammenfasste. Er kannte offenbar die Bücher des
SORANOS sehr gut, änderte aber einige der dort erwähnten Verhütungsmittel etwas ab
oder fügte neue hinzu. Darunter auch solche, die von Männern angewandt werden
können, wie z.B. das Einsalben des Penis mit einer Mischung aus Galläpfeln und Essig.
Insgesamt findet man bei AETIUS 77 Rezepte, die eine Empfängnisverhütung oder
Abtreibung bewirken sollen (JÜTTE, 2003).
In der arabischen und hebräischen Fachliteratur des Mittelalters wird dieses Wissen um
empfängnisverhütende Mittel überliefert und um neue Einsichten bereichert. Durch
Übersetzungen ins Lateinische werden diese Erkenntnisse zum Allgemeingut eines
jeden gelehrten Arztes. Mit der Erfindung des Buchdruckes fiel schließlich jegliche
Wissensbarriere weg. Damit drohte die Gefahr, dass dieses Wissen in Hände von Laien
fiel, wie nicht wenige medizinische Schriftsteller und Ärzte zu Beginn der Neuzeit
befürchteten. So gab der um die Mitte des 16. Jahrhunderts wirkende Pariser Arzt
CORDÄUS, ein strenggläubiger Protestant, unumwunden zu, dass es ihm nicht aus
sprachlichen Gründen schwer falle, einige Stellen aus der hippokratischen Schrift ins
Lateinische zu übersetzen. Entsprechend gewunden sind seine Übersetzungen der
Stellen, an denen von Verhütungs- und Abtreibungsmitteln die Rede ist (JÜTTE, 2003).
Wenngleich es in der Antike fast ausschließlich Männer waren, die das Wissen über
Möglichkeiten der Schwangerschaftsverhütung schriftlich festhielten und weiter gaben,
so kann doch kein Zweifel daran bestehen, dass diese Informationen nur zum Teil
Spezialwissen von Ärzten oder Apothekern waren. Hebammen waren ja ebenfalls in

12
den Umlauf des Wissens mit eingebunden. Nicht vergessen werden darf schließlich das
praktische Wissen, das nicht unbedingt aufgezeichnet werden musste (JÜTTE, 2003).
3.1.1.2 Das ,,geheime" Wissen der Frau
Einer der am weitesten verbreiteten frauenheilkundlichen Texte des Mittelalters und der
Frühen Neuzeit trägt den Titel Secreta mulierum (Frauengeheimnisse). Die frühesten
lateinischen handschriftlichen Textzeugnisse stammen vom Ende des 13. Jahrhunderts.
Es gibt es eine Vielzahl von Übersetzungen und Bearbeitungen sowie mehrere
Druckfassungen, was die überragende Bedeutung deutlich macht. Das Werk wurde
lange Zeit dem mittelalterlichen Theologen, Naturforscher und Philosophen
ALBERTUS MAGNUS (um 1200-1280) zugeschrieben. Doch kommt der berühmte
Gelehrte als Verfasser nicht in Frage, wie die Forschung inzwischen herausgefunden
hat. Am wahrscheinlichsten ist wohl, dass der Text seinen Ursprung im klösterlichen
oder universitären Milieu hat. Der unbekannte Verfasser wird heute als ,,Pseudo-
Albertus Magnus" bezeichnet. Von ,,Geheimnissen" kann allerdings nicht die Rede
sein, der Text enthielt kaum etwas, was geheim bleiben sollte. Als ,,geheim" umschrieb
man aber etwas, über das man damals in der Öffentlichkeit nicht gerne sprach, und dazu
gehörte nicht zuletzt das Thema menschliche Fortpflanzung und die dazu bestimmten
Geschlechtsorgane. Vom ,,Pseudo- Albertus Magnus" wird zwar nicht geleugnet, dass
es künstliche Mittel zur Empfängnisverhütung gibt, doch wird dieses Wissen dem Leser
bewusst vorenthalten (JÜTTE, 2003).
Die Frauen verfügten über ein zwar vorwiegend mündlich überliefertes Wissen, dass
Außenstehenden vorenthalten wurde und über das man nicht viele Worte verlor.
Zahlreiche Quellen belegen, dass offen über Empfängnis, Schwangerschaft und Geburt
gesprochen wurde. Das galt insbesondere für die verheirateten Frauen, aber auch Ledige
hatten an diesem Informationsfluss durchaus Anteil. Das mündlich weitergegebene
Wissen basiert wiederum größtenteils auf Rezepten, die sich bereits in der seit der
Antike überlieferten medizinischen Fachliteratur finden. Dass die Frauen ein
beachtliches empirisches Wissen über Heilkräuter besaßen, darunter eine bedeutende
Vielzahl an Kontrazeptiva, stellen nicht nur die Kräuter- und Hebammenbücher unter
Beweis. Der amerikanische Pharmaziehistoriker RIDDLE bringt in diesem
Zusammenhang das Beispiel der Kochbuchliteratur. Die Rezepturen ließen einen
gewissen Spielraum. Sie setzten aber auch auf das berühmte Fingerspitzengefühl, von
dem in diesem Fall das Leben der Frau, die auf die empfängnisverhütende Wirkung
vertraute, abhing. Wie erfinderisch oder experimentierfreudig Frauen in ihrer Not
waren, deutet eine Stelle in einem erotischen Werk des ARETINO (1492-1556) an. Dort
werden einer Kurtisane folgende Worte in den Mund gelegt: ,,Ich experimentierte mit so
vielen Kräutern, dass man zwei Wiesen damit hätte füllen können." (RIDDLE, 1992).
Die neuere Geschlechtsforschung hat herausgefunden, dass man kaum von
,,Frauengeheimnissen" in dem Sinne des Wortes sprechen kann. Insbesondere eine

13
bestimmte Gruppe von Frauen, die Prostituierten, verfügte seit alters her über ein
empirisches Wissen in Fragen der Schwangerschaftsverhütung. In der Forschung wird
die These vertreten, dass das Wissen um empfängnisverhütende Mittel aus dem
Prostituiertenmilieu allmählich in breitere Volksschichten eindrang. Dirnen und
Kupplerinnen scheinen in der Tat gelegentlich eine wenig beachtete Vermittlerrolle im
Wissenstransfer übernommen zu haben. Ihr als unehrenhaft angesehener Beruf machte
die Kenntnis empfängnisverhütender Maßnahmen geradezu notwendig (JÜTTE, 2003).
Wiederum verwendeten Frauen pflanzliche Kontrazeptiva, die sie auch von Hebammen
bekamen. Die Verhütung wurde von dieser Berufsgruppe ausschließlich als
Angelegenheit der Frau angesehen. Die meisten Hebammen wussten über pflanzliche
Verhütungsmittel sehr gut Bescheid. Der oftmals von ihnen empfohlene
Kamillenextrakt kann durchaus abortive Wirkung haben. In den frühneuzeitlichen
Hebammenbüchern fehlt es auch nicht an einschlägigen Rezepten. Ferner wurde von
Hebammen weiterhin zur traditionellen Methode, dem möglichst langen Stillen, geraten
(JÜTTE, 2003).
Wie kamen nun Frauen, die keine Hebammen oder Prostituierte waren und daher nicht
über Spezialwissen verfügten, vor dem 19. Jahrhundert an Informationen über
empfängnisverhütende Mittel der unterschiedlichsten Art? Wenn Frauen ihr Wissen aus
Büchern bezogen, dann geschah dies häufig indirekt. Das galt auch für die
Kräuterbücher, die es seit der Erfindung des Buchdrucks in vielen bürgerlichen
Haushalten gab. Zu den bekanntesten Beispielen dieser Literaturgattung zählt das
Kräuterbuch des Tübinger Botanikers und Professors der Medizin LEONARD FUCHS
(1501-1566). In der lateinischen Ausgabe wird erwähnt, dass Brassica oleracea (Kohl)
antikonzeptive Wirkung haben kann, ähnliches gilt für Athyrium filix-femina (Wald-
Frauenfarn). In einem anderen populären Kräuterbuch des 16. Jahrhunderts findet sich
unter Juniperus sabina (Sadebaum) eine vergleichbare Andeutung, die auf seine
Verwendung als Abortivum hinweist (JÜTTE, 2003).
In der deutschen Übersetzung des berühmtesten Arzneibuchs der Antike, dessen
Verfasser DIOSKURIDES war, findet sich unter Heliotropium majus (Großes
Sonnenkraut) ein entsprechender Hinweis, dass dies die Frauen unfruchtbar macht und
die Frucht aus dem Mutterleib treibt. Wie die Studien von LEIBROCK-PLEHN zu den
deutschsprachigen Kräuterbüchern belegen, kann also keine Rede davon sein, dass das
seit der Mitte des 16. Jahrhunderts auch mittels Buchdruck überlieferte Wissen über
Abtreibungs- und Verhütungsmittel in der Frühen Neuzeit nur den Lateinkundigen
zugänglich war. Es gab genügend volkssprachliche Fachliteratur (Kräuter- und
Hebammenbücher), denen jedermann die gesuchten Informationen direkt oder auf dem
Wege mündlicher Überlieferung entnehmen konnte (JÜTTE, 2003).
Frühneuzeitliche Gesundheitsratgeber, die schon damals in der jeweiligen
Landessprache gedruckt wurden, enthielten ebenfalls eine Fülle an Rezepten zur
Schwangerschaftsverhütung, wie der amerikanische Historiker SCHNUCKER für
England nachgewiesen hat. Als Mittel werden dort sowohl Kräutertränke mit vermutlich

14
kontrazeptiver Wirkung als auch andere Mittel, wie beispielsweise Pessare oder
Scheidenspülungen, erwähnt. Angesichts dieses Informationsangebots, das durch
mündliche Überlieferung noch ergänzt wurde, wird in der Forschung die These
vertreten, dass die Frauen in der Frühen Neuzeit über ein größeres Wissen in diesen
Dingen verfügten als ihre Geschlechtsgenossinnen im 19. Jahrhundert (JÜTTE, 2003).
Zu einer Verdrängung der Kontrazeptiva und Abortiva aus der geburtshilflichen
Literatur kam es erst im Laufe des 18. Jahrhunderts. HEINSOHN und STEIGER
stellten die These auf, dass durch die ,,Vernichtung der weisen Frauen" die weltliche
und kirchliche Obrigkeit Einfluss auf die Geburtenkontrolle genommen habe. Zwar
enthält der Hexenhammer von 1483 ein Kapitel mit dem Titel ,,Das die Hexen-
Hebammen die Empfängnis im Mutterleibe auf verschiedene Weise verhindern", doch
bedurfte es zur Schwangerschaftsverhütung nicht unbedingt der Hexerei. Wie die
Pharmaziehistorikerin LEIBROCK-PLEHN nachgewiesen hat, hatte das Verschwinden
der Kontrazeptiva und Abortiva daneben andere Gründe. In diesem Zeitraum wurde der
gesamte traditionelle Arzneischatz, sowohl der Kräuter- als auch der Hebammenbücher,
infolge der medizinischen Aufklärung und der Fortschritte in den Naturwissenschaften
einer kritischen Bewertung unterzogen. Damit verschwand auch ein Teil des Wissens
um empfängnisverhütende Mittel (JÜTTE, 2003).
3.1.1.3 Pflanzliche Zäpfchen und Kräutertränke
Die bereits damals bekannten Mittel bezweckten, den männlichen Samen nicht in die
Gebärmutter einnisten zu lassen. Dazu gehörten u.a. Salben, die auf das männliche
Glied aufgetragen wurden und denen man spermienabtötende Wirkung zuschrieb. Der
griechische Arzt AETIOS
VON
AMIDA (6. Jh. n.u.Z.) erwähnt beispielsweise eine
solche Salbe, deren wichtigster Bestandteil Punica granatum (Granatapfel) war
(JÜTTE, 2003).
Am Ausführlichsten geht SORANOS auf die vaginalen Arzneizäpfchen ein. Er berichtet
u.a. von Wolle, die mit Wein durchtränkt ist, in dem zuvor Pinienrinde und Gerbstoff
des Färberbaumes aufgelöst worden sind. Das älteste bekannte Rezept dieser Art findet
sich im Papyros Ebers (um 1550 v.u.Z.). Es wird beschrieben, dass ein Teil der
Dornakazie, Koloquinthe sowie Datteln fein gerieben, in Honig und mit befeuchteten
Fasern vaginal eingeführt, ein Jahr, zwei oder drei Jahre verhütend wirken soll. Auch
hier handelt es sich offensichtlich um ein Pessar aus Baumwollfasern, das verschiedene
pflanzliche Wirkstoffe enthält. Dass diese Mittel höchstwahrscheinlich wirksam waren,
zeigen moderne pharmakologische Untersuchungen. So wurde nachgewiesen, dass sich
durch spezielle Aufbereitung aus der Akazie Milchsäureanhydrid gewinnen lässt, eine
Substanz, die auch heute noch als spermienabtötendes Mittel in empfängnisverhütenden
Cremes enthalten ist. Auch die im Papyros Ebers erwähnte Koloquinthe, eine
Flaschenkürbisart, ist wissenschaftlich erwiesen eine fruchtabtreibende Droge, die
allerdings in falscher Dosierung tödlich wirken kann (JÜTTE, 2003).

15
Angesichts der Vielzahl der überlieferten Rezepte für kontrazeptive Einlagen in die
Scheide fällt es schwer, die Spreu vom Weizen zu trennen, zumal häufig
Pflanzennamen nicht eindeutig zu identifizieren sind und die Kombination von
Wirkstoffen auch mit heutigem pharmakologischen Wissen nicht genau eingeschätzt
werden kann. Es lässt sich feststellen, dass das Scheidenpessar, die am weitesten
verbreitete Form der Empfängnisverhütung war (JÜTTE, 2003).
Neben dem Pessar kannte man damals die Möglichkeit, empfängnisverhütende
Substanzen mittels Dämpfen in die Vagina oder Gebärmutter einzubringen. Dazu
dienten die sog. Räucherungen. Weiterhin waren Sitzbäder, Klistiere und
Scheidenspülungen mit unterschiedlichsten Flüssigkeiten, die pflanzliche Wirkstoffe
enthielten, bereits bekannt. Allerdings kommt diese Form der Anwendung häufiger bei
Abtreibungsmitteln vor (JÜTTE, 2003).
Die meisten Verhütungsmittel auf pflanzlicher Basis wurden jedoch oral angewandt,
also als Trank verabreicht. Dazu versetzte man die betreffende Droge mit Wasser und
Wein. Gelegentlich werden auch Gemische aus Essig und Honig erwähnt. Zu den
bekanntesten pflanzlichen Verhütungsmitteln, die als Trank eingenommen wurden,
gehört die Zubereitung Weidenblätter. Der griechische Arzt DIUSKURIDES schreibt,
dass die Blätter mit Wasser eingenommen, die Empfängnis verhüten. Auch bei AETIOS
findet sich eine ähnliche Empfehlung. Er gab hingegen noch die zusätzliche Anweisung,
die Blätter zu kochen und den Sud dann mit Honig zu versüßen, damit der Trank nicht
so bitter schmecke. Pharmakologische Untersuchungen, die in den 1930er Jahren
angestellt wurden, belegen, dass das in der Weide enthaltene Östriol (ein Östrogen) den
Eisprung verhindert (JÜTTE, 2003).
Nicht immer lässt sich die Pflanze, der man zu jener Zeit empfängnisverhütende
Eigenschaften zuwies, heute genau identifizieren. Das gilt beispielsweise für Silphion,
die in mehreren antiken Quellen erwähnt wird. So empfiehlt SORANOS Frauen, die
nicht schwanger werden wollen, einmal im Monat eine kleine Gabe Silphion in der
Größe einer Kichererbse einzunehmen. Man vermutet, dass diese seltene Pflanze mit
Ferula assa-foetida (Stinkasant) verwandt sein könnte. Mit einem Alkoholextrakt dieser
Pflanze, die heute auch ein bekanntes homöopathisches Mittel ist, konnte in
Tierversuchen nachgewiesen werden, dass die Einnistung der befruchteten Eizelle bei
Rattenweibchen fast um die Hälfte reduziert wird. Wie bekannt Silphion als
Verhütungsmittel in der Antike war, belegen nicht zuletzt kyrenische Münzen, auf
denen eine Frau abgebildet ist, die mit der einen Hand auf eine Pflanze deutet, die
Ähnlichkeit mit der Beschreibung dieser Pflanze bei DIOSKURIDES hat. Die andere
Hand liegt demonstrativ auf ihrem Unterleib (JÜTTE, 2003).
Myrrhe, das Harz aus den Ästen des Myrrhenstrauchs, welches ätherisches Öl (Myrrhol)
enthält, wurde im Altertum sowohl als Arzneimittel als auch als Gewürz sehr geschätzt.
Dass das äth. Öl fruchtabtreibende Wirkung haben kann, ist nach dem heutigen Stand
der pharmakologischen Forschung nicht auszuschließen, wenngleich ein sicherer
Nachweis fehlt. Myrrhe ist jedenfalls bereits in der Antike und auch im Mittelalter

16
Bestandteil von Rezepten für Verhütungsmittel, die oral verabreicht werden. So schreibt
SORANOS einer in Wein gelösten Mischung aus Goldlacksamen, Myrte, Myrrhe und
weißem Pfeffer eine antikonzeptive Wirkung zu. Er fügt aber gleichzeitig warnend
hinzu, dass diese und vergleichbare Kräutertränke nicht nur die Empfängnis verhüten,
sondern auch abortiv wirken (JÜTTE, 2003).
Zu den Pflanzen, deren kontrazeptive Wirkung in der antiken Fachliteratur immer
wieder erwähnt wird, gehören ebenso die Farngewächse. DIOSKURIDES verweist in
diesem Zusammenhang auf das Asplenon, mit dem entweder Asplenium ceterach L.
[syn. Ceterach officinarum DC.] (Milz- bzw. Schriftfarn) oder Adiantum capillus-
veneris (Frauenhaar- bzw. Venushaarfarn) gemeint ist. Die kontrazeptive Wirkung von
Substanzen, die im Frauenhaarfarn enthalten sind, konnte experimentell nachgewiesen
werden. Andere Farnarten, die auch in der traditionellen chinesischen Medizin als
Mittel zur Empfängnisverhütung Verwendung finden, sind Pteris vittata (Leitern-
Saumfarn) bzw. Pteris cretica (Kretischer Saumfarn), die vermutlich mit der von
DIOSKURIDES griech. als Thelypteris bezeichneten Pflanze identisch sind. Von
Bedeutung für die Wirkung der hier aufgeführten Kräutertränke ist letztlich auch der
Zeitpunkt der Anwendung. Häufig wird in den antiken Quellen eine postkoitale (nach
dem Geschlechtsverkehr) Anwendung empfohlen. Sollten sie tatsächlich eine
entsprechende Wirkung gehabt haben, dann käme diese dem Effekt der sog. ,,Pille
danach" gleich (JÜTTE, 2003).
3.1.2 Verhütungsstrategien bei verschiedenen Naturvölkern
HIMES führte in seiner ,,Medizinischen Geschichte der Kontrazeption" zwei wichtige
Tatsachen an:
1. Der Wunsch, Empfängnis zu kontrollieren, ist ein allgemeines Phänomen in
allen sozialen Gruppen.
2. Nahezu jede Gesellschaft besitzt Wissen über eine Kontrolle, die angewandt
wird, auch wenn die Methoden nicht immer wirksam sind (HIMES, 1936).
Zu den verschiedenen Verhütungsmethoden, die von in unterschiedlichen Gebieten
lebenden Naturvölkern erwähnt wurden und werden, gehört der Gebrauch von oral
eingenommenen pflanzlichen Drogen wie Kräuter, Wurzeln und Rinden. Diese
stammen von bestimmten Pflanzen und werden oftmals mit strenger Verschwiegenheit,
großen Tabus und teilweise mit Magie umgeben. Die Ethnologen in der Zeit von 1900
bis 1940 waren ziemlich erstaunt über das freie sexuelle Leben der Jugend dieser
Gesellschaften und oftmals auch überkritisch in ihrer Einschätzung der einheimischen
Kräutermedizin. HIMES lehnte nicht als einziger die Möglichkeit effektiver,
verhütender Pflanzen schlichtweg ab, da die medizinische Wissenschaft seinerzeit, in

17
den 30er Jahren, noch kein orales Verhütungsmittel hervorgebracht hatte. Wie konnten
also ,,unzivilisierte" Völker über so etwas verfügen (HIMES, 1936)?
Die Anthropologin MAXWELL berichtete über ihre Arbeit im peruanischen Dschungel,
wo sie verschiedene Stämme besuchte und beobachtete: ,,Primitive Völker geben ihr
überliefertes medizinisches Wissen im allgemeinen einem Fremden gegenüber nur
widerstrebend preis, aber mit Vorsicht und angemessener Geduld ist es gewöhnlich
möglich, ein Gefühl von Freundschaft und Vertrauen zu schaffen. Wenn dies geschehen
ist, können sie gemeinhin dazu gebracht werden, zusammenzukommen und den
Gebrauch vieler Pflanzen, von denen sie abhängig sind, zu erklären. [...]" Indem sie sich
langsam und freundlich näherte und viel Zeit in den Dörfern verbrachte, gelang es
MAXWELL, Proben verhütender Pflanzen von den verschiedenen Stämmen zu
sammeln. Die Verhütungspflanzen waren allerseits gleich, beispielsweise ein Schilfgras,
von den Einheimischen Piripiri genannt. Dies wurde in heimlichen kleinen Gärten von
den Frauen selbst angebaut, die das Wissen über die kontrazeptive Wirkung der
Pflanzen ausnahmslos von ihren eigenen Müttern, weiblichen Verwandten oder
Freundinnen erhielten. Aus den Blättern wurde ein Tee bereitet und bei der ersten
Menstruation von den Mädchen getrunken. Eine Dosis dieses Tees soll sechs oder
sieben Jahre lang verhütend wirken. Die einheimischen Frauen sagen zur
Empfängnisverhütung ihrer jungen, geschlechtlich reifen Töchter: ,,Wenn sich die
Wirkung einstellt, sollte das Mädchen reif genug für die Mutterschaft sein."
(MAXWELL, 1970).
In einem weiteren unkonkreten Bericht über pflanzliche Verhütungsmittel auf den
pazifischen Torres-Strait-Inseln wurde angeführt: ,,Alte Frauen können den jungen
Frauen junge Blätter des Agerarger geben, eines großen Baumes, dessen Frucht
ungenießbar ist, des Sohe, eines großen Baumes mit genießbaren Früchten, oder der
Bok, einer großen Staude. Die jungen Blätter dieser Bäume werden gut gekaut, und der
Saft wird geschluckt, bis sie meinen, dass ihre Körper völlig mit dem Saft gesättigt sind.
Dieser Vorgang benötigt einige Zeit, aber wenn ihr System völlig durchdrungen ist,
wird angenommen, dass sie gegen Fruchtbarkeit gewappnet sind und unbegrenzt mit
Männern gehen können. Sowohl Männer als auch Frauen glauben an die Wirksamkeit
dieser Blätter..." (HADDON, 1908)
Das Wissen der Naturvölker über Antikonzeption ist im allgemeinen auf ein
geographisch kleines Gebiet begrenzt und die Informationen darüber oft schwierig
beizubringen. Eine kinderreiche Familie wird von den Vätern als ein Statussymbol
betrachtet, die Kontrazeptiva sind deshalb das Geheimnis des Medizinmannes oder der
Frauen. In Gegenden mit großer Säuglingssterblichkeit wie in der Arktis oder in Wüsten
wird Kontrazeption selten oder nicht praktiziert (DE MEO, 2001).
Zusammenfassend kann indes gesagt werden, dass gleich lautende Berichte über
pflanzliche Verhütungsmittel mit mehr oder weniger lang anhaltender Wirksamkeit in
unterschiedlichen Gebieten der Pazifikinseln, Australiens, Nordafrikas, Nord- und

18
Südamerikas etc. vorzufinden sind. In einigen Fällen wurden und werden die
Verhütungsmittel geheimnisvoll gehütet, meistens jedoch nicht.
3.1.2.1 Nordamerika
Auch die Heilmethoden und Heilmittel der Indianer Nordamerikas, d.h. ihre
Gesundheitsvor- bzw. -fürsorge waren der abendländischen Medizin hoch überlegen.
Große Aufmerksamkeit widmeten sie der Frauenheilkunde, Geburtshilfe und Kinder-
heilkunde, die dem tiefen Verständnis für ausgewogene Naturharmonie untergeordnet
sind. Die Empfängnisverhütung scheint bei allen nordamerikanischen Völkern weit
verbreitet gewesen zu sein, was verständlich wird, wenn man in Betracht zieht, dass sie
über viele Jahrhunderte hinweg sorgsam darauf achteten, dass der
Bevölkerungszuwachs in einem Rahmen blieb, der den Lebensraum nicht gefährdete.
Z.B. wurde von Symplocarpus fcetidus (Stinkkohl) ein Wurzelabsud zubereitet, der bei
geringer Dosis zu vorübergehender Sterilität und bei höherer Dosierung zu
Dauersterilität führen sollte. Die Geburtsfrauen der Indianer scheinen erstaunlich genau
über die Wirkung verschiedener Dosierungen von Lithospermum ruderale (Steinsame)
Bescheid gewusst zu haben, denn sie verwendeten sehr geringe Mengen eines
Wurzelabsuds in regelmäßigen Gaben, um Brechreize während der Schwangerschaft zu
beseitigen, mittlere Dosierungen von Abkochungen der Wurzeln und Stängel zur
Kontrazeption und starke Dosierungen für Abtreibungen, die aber äußerst selten
vorgenommen wurden. Die indianischen Frauen tranken zu diesem Zweck täglich einen
Lithospermum-Aufguss über einen Zeitraum von 6 Monaten, was zur Infertilität
(Unfruchtbarkeit) der Frau führen sollte. (Siehe hierzu auch Kapitel 5.1; ab S. 90)
Weiterhin benutzten nordamerikanische ebenso wie mittel- und südamerikanische
Indianer Dioscorea villosa (Yamswurz) [aztekische Bezeichnung: Chipahuacxihuitl =
die anmutige Pflanze] nicht nur zur Empfängnisverhütung, sondern in entsprechend
starker Dosierung auch zur Abtreibung. (Siehe hierzu auch Kapitel 5.1; ab S. 90)
STAMMEL führt zusätzlich eine Reihe weiterer Pflanzen und deren Anwendungen an,
wie z.B. die Wurzelabkochungen von Arisaema triphyllum, Asarum canadense,
Eriogonum jamesii, Teeaufgüsse der Wurzeln von Asclepias syriaca, Smilacina stellata
sowie Teeaufgüsse der gesamten Pflanze von Asclepias halli und Frasera speciosa.
Außerdem sind noch Rosmarinus officinalis sowie Caladium seguinum aufgezählt
(STAMMEL, 1986).
3.1.2.2 Südamerika
Ebenso ist bei der ländlichen Bevölkerung Paraguays, welche 85 % der gesamten
Bevölkerung ausmacht, die Anwendung von Heilpflanzen generell noch weit verbreitet.
Ein großer Teil der Paraguayaner greifen zur Behandlung verschiedener Krankheiten
sowie zur Fruchtbarkeitskontrolle weiterhin auf die Volksmedizin zurück (ARENAS &

19
AZORERO, 1977). Aus Paraguay gibt es mehrere Berichte über die allgemeine
Verwendung fruchtbarkeitsregulierender Pflanzen der einheimischen Bevölkerung
(MONTENEGRO, 1945; SANCHEZ LABRADOR, 1948; DOBRIZHOFFER, 1967).
Die verschiedenen Stämme besitzen teilweise ein breites Wissen über Heilpflanzen und
ihren therapeutischen Wert (ARENAS & AZORERO, 1977). Es wurden Bräuche und
Praktiken erwähnt, in denen die mit Zucker vermischten Früchte von Bromelia sp.
(,,Caraguata") ein köstliches Getränk ergeben, welches schwangere Frauen aber nicht
trinken sollten, da dadurch das Risiko besteht, einen Abort auszulösen
(DOBRIZHOFFER, 1967). Ferner wurde im Zusammenhang mit der
Fertilitätsregulierung von zwei unterschiedlichen Praktiken berichtet. Einerseits die
Verwendung von Pflanzen, die Unfruchtbarkeit verursachen und andererseits Pflanzen,
welche diese wieder aufheben (CADOGAN, 1947, 1949, 1959). Von ARENAS &
AZORERO ist u.a. Stylosanthes scabra mit sterilisierender Wirkung beschrieben. Aus
den Wurzeln, Zweigen und Blättern dieser Pflanze wird am Abend zuvor ein Mazerat
(Kaltauszug) bereitet und von der Frau am nächsten Morgen einmalig eingenommen.
Erläutert wird weiter, dass während der Behandlung gefastet werden sollte. Von diesem
Tag an soll der Menstruationszyklus der Frau ausbleiben. Um Unfruchtbarkeit
hervorzurufen, können ebenso ein Dekokt (Abkochung) von Xyris jupicai zusammen
mit Maytenus ilicifolia eingenommen oder der Saft eingeweichter Wurzeln von Xyris
savanensis ebenfalls mit Maytenus ilicifolia, zwei Wochen nach der Geburt eines
Kindes, getrunken werden. Weiterhin wird geschildert, die Pseudobulben von
Catasetum fimbriatum zusammen mit dem Rhizom von Typha latifolia in Wasser
gekocht werden können. Davon muss morgens etwas getrunken werden, während am
Abend zuvor nicht gegessen werden soll. Die Rhizome von Typha latifolia sowie die
Wurzeln von Phaseolus bracteatus sollen ebenfalls sterilisierend wirken. Kontrazeptive
Eigenschaften werden außerdem Stevia rebaudiana zugeschrieben. Anwendung findet
die Pflanze bei verschiedenen einheimischen Stämmen Paraguays (PLANAS & KUE,
1968). ARENAS & AZORERO führen eine Reihe weiterer Pflanzen auf, die als
Kontrazeptiva eingesetzt werden. Beispielsweise sollen vier bis fünf Spezies von
Talinum in einem halben Liter Wasser für ca. zwei Wochen (bis zur Fermentation)
eingeweicht und vor dem Frühstück getrunken werden. Von Melochia hermannioides
wird der Saft der eingeweichten Wurzeln drei Tage lang dreimal am Tag getrunken,
wobei während des ersten Tages der Behandlung gefastet werden sollte. Die
antikonzeptive Wirkung soll hierbei ungefähr drei Monate andauern.
Leider geht als Konsequenz der schnellen Akkulturation, der Angleichung einer Kultur
an eine andere, der Ureinwohner Paraguays und auch in anderen Ländern dieser Welt
das Wissen und die Traditionen über die Verwendung von Pflanzen zur
Fruchtbarkeitsregulierung verloren (ARENAS & AZORERO, 1977).
Trotz mehrerer Jahrzehnte des Kontakts mit Missionaren sowie abendländisch-
westlichen Medizinern und Paramedizinern haben die Kayapo-Indianer Brasiliens ein
komplexes und aktiv genutztes sowie traditionell fundiertes, medizinisches System
aufrechterhalten (ELISABETSKY & POSEY, 1986). Das Auftreten sog. Zivilisations-

20
Krankheiten, die den Indianern unbekannt waren, öffnete eine Tür für die westliche
Medizin. Heute haben sowohl traditionelle als auch westliche Systeme ihre eigenen
Nischen (ELISABETSKY & POSEY, 1989).
Die Kayapo-Indianer besitzen unter anderem ein breites Wissen über Pflanzen zur
Fruchtbarkeitskontrolle, ebenso zur Fruchtbarkeitssteigerung. Weiterhin sind ihnen
Pflanzen bekannt, die sexuelle Aktivität sowohl stimulierend als auch bremsend
beeinflussen. Letztere werden von den Indianern als Mittel beschrieben, welche den
Männern verabreicht werden, ,,wenn ein Mann der Frau nicht erlaubt zu schlafen".
Darüber hinaus besitzen die Indianer fundierte Kenntnisse über Pflanzen, die den
Menstruationszyklus kontrollieren, die während der Schwangerschaft, der Geburt oder
nach der Geburt eingesetzt werden können. Als verschiedene Verabreichungsmethoden
von fruchtbarkeitsbeeinflussenden Mitteln werden oftmals Tees oder Bäder genutzt.
Möglich ist daneben das Einnehmen roher Pflanzenteile oder sogar das Schlafen auf den
Blättern von z.B. Barjonia sp. Außerdem wird das Einpacken von Körperteilen mit
beispielsweise Bauhinia guianensis erwähnt oder das Einreiben bzw. Massieren von
Körperteilen, normalerweise der Bauchregion mit Hippeastrum equestre, Mandevilla cf.
scabra, Helicteres guazumaefolia, Zornia virgata. Weitere Verfahren können auch in
der Form von Körperbemalungen ausgeführt werden. Die ,,Farbe" besteht hierbei aus
der Mischung von Pflanzenaschen. Ebenfalls werden häufig die grünen (unreifen)
Früchte von z.B. Genipa americana-Varietäten gekaut (ELISABETSKY & POSEY,
1989). Wichtig ist, zu berücksichtigen, dass kontrazeptive Pflanzen der Kayapo-
Indianer im Amazonasgebiet Brasiliens oft nicht als einzelne Pflanze, sondern eher als
Pflanzensammlung therapeutische Eigenschaften besitzen (POSEY, 1987). Es wurde
von kontrazeptiven Pflanzen, die nur äußerlich verwendet werden (DREYFUS, 1963)
aber auch von oralem Gebrauch weiterer Pflanzen berichtet (BANNER, 1961).
Beispielsweise wurde die Verwendung von Wurzelknollen der Orchideen-Art
Rodriguezia secunda (TURNER, 1965) oder der Einsatz von Epistephium aff lucidum
(MARTIUS & EICHLER, 1896) in Form der Zerkleinerung und Zerreibung auf dem
Frauenkörper beschrieben (DUNSTERVILLE & GARAY, 1979). Beide Pflanzen
können aber auch oral angewendet werden. Von manchen kontrazeptiven Pflanzen wird
behauptet, dass sie nur einmal genommen werden müssen, um endgültige
Unfruchtbarkeit hervorzurufen. Wiederum können andere Pflanzen daraufhin
eingenommen werden, um die kontrazeptiven Wirkungen umzukehren. Die Kayapo-
Indianer besitzen großes Vertrauen in die Wirksamkeit ihrer Fertilitäts- und
kontrazeptiven Medizin. Äußerst bemerkenswert sind die Vielfalt der Pflanzen, welche
zur Fertilitätskontrolle von ihnen eingesetzt werden, sowie ihr detailliertes Wissen über
die Zubereitungsweise, Verabreichung und Dosierung. Interessanterweise ist
festzuhalten, dass 1979 bei einer Volkszählung festgestellt wurde, dass die Kayapo-
Frauen im Durchschnitt nur 2,3 Kinder bekommen hatten (POSEY, 1979). In diesem
Zeitraum befürchteten die Indianer, dass ihr Land von Ranchern eingenommen werden
würde. In der Mitte der 1980er führten Aussichten auf sichere Landesabgrenzung und
Schutz der Rechte der Einheimischen zu neuer Hoffnung. Entsprechend einer später

21
durchgeführten Volkszählung hatten die 20 bis 30jährigen Frauen 1989 im Durchschnitt
5,2 Kinder (ELISABETSKY & POSEY, 1989).
3.1.2.3 Indien
In Indien kam es in der Zeit nach der Unabhängigkeit zu einer Bevölkerungsexplosion,
bei der die Zahl der Menschen von 360 Millionen im Jahr 1951 bis zur heutigen Zeit auf
weit über 1000 Millionen stieg. Alle Bemühungen der Regierung und verschiedener
Organisationen zur Kontrolle dieses Bevölkerungszuwachses waren erfolglos.
Möglicherweise war die Ursache hierfür unter anderem die Angst vor Nebenwirkungen
der oralen steroidalen Kontrazeptiva (GOYAL et al., 1997). Eine Reihe verschiedener
Methoden zur Kontrolle der Bevölkerungszahl, z.B. die Vasektomie beim Mann und die
Laparoskopie bei der Frau, wird gegenwärtig auch in Indien genutzt. Da diese beiden
chirurgischen und irreversiblen Methoden der Fertilitätskontrolle speziell von der
ländlichen Bevölkerung nicht akzeptiert werden, ist dies ein weiterer Grund des
enormen Bevölkerungszuwachses. Außer diesen gibt es natürlich noch andere
Methoden zur Schwangerschaftsverhütung, allerdings ergeben sich viele Probleme in
der Durchführung des Familienplanungsprogramms in Indien. Durch diese und weitere
Umstände wird es Zeit ein neues orales Kontrazeptivum zu entwickeln, welches bei der
ländlichen Bevölkerung eine höhere Bedeutung und Akzeptanz erhält (BHARGAVA,
1986). In vergangener Zeit wurde besonderer Wert darauf gelegt, ein Kontrazeptivum
pflanzlichen Ursprungs zu entwickeln, das eher das Vertrauen der ländlichen
Bevölkerung, welche 75 % der Gesamtbevölkerung ausmacht, gewinnen kann. Indien
ist sehr reich an Heilpflanzen, sie sind dazu leicht verfügbar, außerdem herrscht ein
starkes Vertrauen in traditionelle Medikamente und natürliche Produkte. Im
Allgemeinen werden immer noch Kräuterzubereitungen in Form von rohen Pulvern,
Extrakten oder Dekokten verwendet (PRAKASH et al., 1987). Das medizinische
System der einheimischen Bevölkerung und die Verwendung einer Vielzahl an Pflanzen
zur Fruchtbarkeitskontrolle repräsentiert das Resultat vieler Jahre der Erfahrung, des
Experimentierens und der Beobachtungen (PRAKASH, 1984). Verschiedene Stämme in
bestimmten ländlichen Gebieten Indiens besitzen zum Teil ein sehr differenziertes
Wissen über Heilkräuter, insbesondere über kontrazeptiv und abortiv wirkende
Pflanzen. Ebenso verwenden sie bestimmte Pflanzen, um herbeigeführte temporäre
Sterilität wieder aufzuheben. Beobachtungen über mehrere Jahre zeigten, dass die
Bevölkerungszahl eines bestimmten Stammes, den Malayalis, in dem Gebiet von Tamil
Nadu in Südindien, keinen übermäßig starken Zuwachs erfuhr. Zudem wurde
festgestellt, dass neu verheiratete Paare ihr erstes Kind erst nach 2 bis 3 Jahren bekamen
und dass jede Familie meist aus 2 bis 4 Kindern bestand, wobei die Altersunterschiede
unter den Kindern gewöhnlich 2 bis 3 Jahre betrugen. Diese gute Familienplanung steht
im Zusammenhang mit ihren Kenntnissen über Kontrazeptiva und Abortiva (KUMARI
& NARASIMHAN, 2003). KUMARI und NARASIMHAN erläutern u.a. die
Anwendung von Lannea coromandelica. Dabei wird die Rinde dieser Pflanze mit der

22
Rinde von Cassia fistula, Spondias pinnata, Holoptelea integrifolia sowie den Blättern
von Dendrocalamus strictus gemahlen und mit Knoblauch sowie Pfeffer gekocht. Diese
Zubereitung wird nach der Menstruation drei Tage auf leerem Magen eingenommen
und soll Unfruchtbarkeit herbeiführen. Des Weiteren wurden zur Sterilität führende
Verabreichungsarten verschiedener Pflanzen angeführt. Beispielsweise können die
Rinde von Alangium salvifolium, der Stängel von Arisaema leschenaultii, die Knollen
von Asparagus racemosus, die Blätter von Colocasia esculenta oder die Früchte von
Tamilnadia uliginosa zerkleinert und mit Buttermilch oral eingenommen werden.
GOYAL schreibt zudem, dass sich die Verwendung von Butea monosperma und
Lawsonia inermis bei Hemmung der weiblichen Fruchtbarkeit als am stärksten bewies.
Ferner sollen die Samenzubereitungen von Ricinus communis sowie Butea monosperma
in Einzeldosierungen über Jahre sehr wirksame und starke Kontrazeptiva sein (GOYAL,
1997).
3.1.2.4 Pazifikinseln
Obwohl auf der Inselgruppe von Vanuata, die aus 80 Vulkaninseln besteht,
Krankenhäuser und ambulante Kliniken mit modernem Equipment ausgestattet sind, um
die medizinische Versorgung zu garantieren, entwickelt sich die traditionelle Medizin
trotzdem weiter, insbesondere auf den entfernteren kleineren Inseln. Die moderne
Medizin und die Volksmedizin konkurrieren indes nicht miteinander, sondern die
Einwohner der Inseln tendieren dazu, beide Systeme als Ergänzungen zueinander zu
nutzen. Die Allgemeinbevölkerung kennt die regionalen Pflanzen und medizinischen
Rezepte äußerst gut. Die Frauen verwenden spezielle Mittel während der
Schwangerschaft und Entbindung sowie zur Geburtenkontrolle. Von den ca. 1200
Pflanzenspezies in Vanuata werden 10 % für Zwecke verwendet, die im
Zusammenhang mit der menschlichen Reproduktion stehen. In der ,,idealen" Familie
leben 4 bis 6 Kinder, geboren in regelmäßigen Zeitabständen. Antikonzeptive Pflanzen
werden häufig dann angewendet, wenn keine Kinder mehr erwünscht sind und
demgemäß genutzt, um die endgültige Unfruchtbarkeit zu erzeugen.
Empfängnisverhütende Mittel, wie steroidale Kontrazeptiva, stehen in Vanuata zur
freien Verfügung. Allerdings werden sie wegen ihrer Nebenwirkungen selten genutzt.
Die Frauen sind im Umgang mit Heilpflanzen sehr geschickt. Infolgedessen
befürworten und bevorzugen sie natürlich die Anwendung traditioneller Pflanzen mit
kontrazeptiver Wirkung. Manche dieser Pflanzen müssen täglich genommen werden,
solange, wie die Frau eine Konzeption (Empfängnis) verhindern möchte. Ihre Wirkung,
so wird geglaubt, ist reversibel, d.h. sie endet sobald die Pflanzen nicht länger
genommen werden. Andere Pflanzen müssen in regelmäßigen Zeitspannen
eingenommen werden, um wirksam zu sein. Manche sollen temporäre Sterilität
verursachen mit der Möglichkeit, diese durch die Verwendung einer anderen Pflanze
wieder aufzuheben. Interessant hierbei ist, dass ein Rezept, welches die Sterilität
beenden soll, oftmals dieselben pflanzlichen Bestandteile beinhaltet wie das Rezept,

23
welches verwendet wurde, um die Sterilität hervorzurufen. Hingegen ist dabei die
Zubereitung meist unterschiedlich. Zur letzten und umfangreichsten Kategorie gehören
pflanzliche Mittel, die endgültige Unfruchtbarkeit induzieren. Sie werden in Vanuata
am meisten genutzt, hierbei einmalig eingenommen oder wiederholt für mehrere Tage
(BOURDY & WALTER, 1992). Die beiden Autoren benennen eine Vielzahl von
Pflanzen und Rezepten, welche entweder temporäre, reversible oder gegebenenfalls
endgültige Sterilität erzeugen sollen. Um eine vorübergehende Sterilität zu bewirken,
die durch ein anderes Rezept wieder aufgehoben werden kann, werden Blätter von
Acalypha grandis und Wedel von Lomagramma polyphylla sowie die geriebene Rinde
einer nicht identifizierten Spezies vermischt, erhitzt und gegessen. Um die Sterilität
angeblich wieder umzukehren, sollen dieselben Zutaten mit etwas Wasser zerdrückt und
der dabei gewonnene Saft getrunken werden. Eine andere Möglichkeit, um eine
temporäre Sterilität auszulösen, besteht darin, Wedel von Asplenium nidus morgens
nach der Menstruation zu essen. Um die induzierte Sterilität aufzuheben, so wird
behauptet, werden einige Blätter von Hemigraphis reptans mit etwas Wasser zerdrückt,
um einen wässrigen Extrakt zu erhalten. Ein Teil wird davon morgens getrunken, der
Rest am nächsten Tag. Asplenium nidus und Hemigraphis reptans stehen sozusagen im
direkten Zusammenhang durch ihre komplementäre Anwendung. Ebenso bedingt der
gewonnene Saft aus den Blattknospen von Hemigraphis colorata eine vorübergehende,
ebenfalls wieder umkehrbare Sterilität. In einem weiteren Rezept zur Induzierung einer
zeitlich begrenzten Sterilität wird die Verwendung der Blattknospen von Alstonia
vitiensis sowie der Blattknospen von Glochidion sp. erwähnt, aus denen ein Mazerat
zubereitet wird, das zwei Monate täglich getrunken werden soll. Zur Aufhebung der
Sterilität können die gesamte Pflanze ohne Wurzel von Apuluda mutica, die Blätter von
Cyclosorus truncatus sowie die Blätter, der Stängel und die Knolle von Dioscorea
bulbifera verwendet werden. Alle Zutaten werden zerkleinert und mit etwas Wasser
vermischt. Der gewonnene Saft wird vor der einsetzenden Menstruation getrunken. Das
gleiche Rezept einschließlich der erläuterten Umkehrung gilt für die Anwendung der
Blätter von Lomagramma polyphylla. Hier ist zu bemerken, dass die genannten Spezies
ebenso im komplementären Zusammenhang stehen sollen, wie dies schon bei A. nidus
und H. reptans beschrieben wurde. Zu den von BOURDY & WALTER erwähnten
Pflanzen, welche eine reversible Sterilität verursachen, gehören unter anderem
Casuarina equisetifolia, Phyllanthus ciccoides und Pterocarpus indicus. Wobei Stängel,
Blätter und ein aus der geriebenen Rinde gewonnener Saft diesen Effekt hervorrufen
sollen. Zudem wird ferner ein sterilitätsinduzierender Dekokt von Alstonia pacifica
genannt. Der reversible sterilisierende Effekt der zuletzt angegebenen Anwendungen
endet, sobald diese nicht länger durchgeführt werden. Des Weiteren sind von BOURDY
& WALTER Pflanzen und Rezepte zur Induzierung endgültiger Sterilität angegeben. So
werden Stängelstücke von Pyrrosia confluens mit einer Banane zubereitet und am
ersten Tag nach der Menstruation gegessen. Die geriebene Rinde von Pandanus
tectorius sowie von Pipturus argenteus wird mit Kokosfleisch vermischt und gegessen.
Darüber hinaus können Wedel von Pneumatopteris glandulifera oder Blätter von
Ventilago neo-caledonica gegessen werden, um eine endgültige Sterilität zu

24
verursachen. Weitere mögliche Pflanzen werden von BOURDY & WALTER
aufgezählt. Dabei sollen jeweils die zerdrückten Pflanzenteile mit Wasser versetzt und
der gewonnene Saft getrunken werden. Eine Handvoll Blätter von Elatostema
macrophyllum sowie von Hibiscus rosa-sinensis oder eine Handvoll der Blattknospen
von Flagellaria indica sowie von Scaevola sericea können genutzt werden (BOURDY
& WALTER, 1992).
Bei den sog. Naturvölkern sowie in der alten Schul- und neueren Volksmedizin
begegnet man einer großen Anzahl Pflanzen mit angeblich oder wahrscheinlicher
antikonzeptioneller Wirkung. Diese Materia medica wurde lange Zeit von manchen
Pharmakologen und Ärzten als Aberglaube abgetan oder zumindest einer
wissenschaftlichen Forschung als unwürdig betrachtet. In der Tat haben teilweise
mangelhaftes anatomisch-physiologisches Wissen und falsch gedeutete Wirkung im
großen Maß den Gebrauch entweder wenig effektiver oder stark toxischer Mittel ver-
anlasst. Andererseits beruht die Verwendung einiger der volkstümlichen Kontrazeptiva
und Abortiva ohne Zweifel auf praktischen Erfahrungen, die wohl meistens durch
Frauen gemacht wurden, welche die Pflanzen gegen verschiedene Krankheiten
einnahmen. Dieses gesammelte Wissen rationell ausgenutzt, könnte der heutigen
modernen Medizin bei der Entwicklung eines geeigneten und effektiven kontrazeptiven
Mittels pflanzlichen Ursprungs zugute kommen.
3.1.3 Forschungsergebnisse
In den letzten Jahrzehnten, besonders in den 1970er und 1980er Jahren, wurden
vermehrt Laboruntersuchungen hinsichtlich pflanzlicher Kontrazeptiva durchgeführt.
Ferner erschien eine Vielzahl an Literatur über die Effektivität von Pflanzenextrakten
als fruchtbarkeitsregulierende Mittel. Die Suche nach einem aus Heilpflanzen
gewonnenem, geeignetem oralen Verhütungsmittel, welches effektiv angewendet
werden kann, ist in der heutigen Zeit hauptsächlich durch das neu erwachte, sehr große
Interesse an der Phytotherapie unumgänglich, überaus aktuell und somit ein sehr
interessantes Forschungsziel.
An ein Kontrazeptivum werden insbesondere drei Forderungen gestellt. Es soll:
1. entweder die Reifung der Eizellen blockieren, sie befruchtungsunfähig machen,
die Befruchtung verhindern oder nach eingetroffener Konzeption (Empfängnis)
die weitere Entwicklung der befruchteten Eizelle in den ersten Stufen unter-
brechen,
2. Libido und Geschlechtstrieb voll erhalten und
3. nach dem Gebrauch der normale Zyklus wiederhergestellt werden.

25
Über die in den Kontrazeptiva der Naturvölker enthaltenen Wirkstoffe war zunächst
recht wenig bekannt. Eine systematische Untersuchung des umfangreichen pflanzlichen
Materials war durch viele Faktoren erschwert, wie mangelhafte botanische
Identifizierung, Abhängigkeit der Inhaltsstoffe vom Klima, Standort, Ernte und
Lagerung der Pflanzen-Drogen sowie der Verarbeitung der Extrakte etc.
Aus diesem Grund wurden in den letzten Jahrzehnten verstärkt biochemische Studien
empfängnisverhütender Pflanzen an verschiedenen Labortieren durchgeführt.
Gleichzeitig erschien eine Reihe an Abhandlungen zu diesem Thema. Z.B. wies PRICE
auf die empfängnisverhütenden, die Sekretion bestimmter Hormone hemmenden
Substanzen hin, die in einer großen Anzahl von Pflanzen vorkommen (PRICE, 1965).
MALHI & TRIVEDI berichteten von mehr als 60 verschiedenen Pflanzen, die in Indien
zur Beeinflussung der Fruchtbarkeit verwendet werden. Sie konstatierten, dass
Pflanzen, welche Infertilität hervorrufen, allgemein bioaktive Substanzen wie
Alkaloide, Tannine, Harze und Bitterstoffe sowie Phytosterole enthalten. Hinzu kommt,
dass ihre oftmals unbekannte funktionelle Wirkung als Kontrazeptivum an
unterschiedlichen Prozessen der Reproduktion Einfluss haben kann wie Ovulation,
Fertilisation, Implantation sowie Spermatogenese (MALHI & TRIVEDI, 1972). Schon
lange Zeit ist eine Vielzahl an Substanzen bekannt, die oral eingenommen oder als
Injektion, die weibliche Fertilität sowohl positiv als auch negativ beeinflussen.
BRADBURY & WHITE berichteten von 60 Pflanzen, die in Tierversuchen östrogene
Wirkung zeigten (BRADBURY & WHITE, 1954). DE LASZLO & HENSHAW
erwähnten etwa die gleiche Anzahl volkstümlicher Kontrazeptiva (DE LASZLO &
HENSHAW, 1954), von denen allerdings mindestens 25 Abortiva (fruchtabtreibende
Mittel) und Emmenagoga (menstruationsfördernde Mittel) sind. Ebenso stellt
BRONDEGAARD eine Liste von mehr als 60 Pflanzen auf, die zur
Empfängnisverhütung und ähnlichen Zwecken von Völkern auf der ganzen Welt
angewendet werden (BRONDEGAARD, 1973). FARNSWORTH et al. diskutierten das
Thema in einem Artikel, in dem sie mehr als 1600 Hinweise aus Labortests und
Feldstudien über empfängnisverhütende Pflanzen sammelten. Sie fassten die gesamte,
bis zu diesem Zeitpunkt erschienene Literatur über fruchtbarkeitsbeeinflussende
pflanzliche Substanzen zusammen. Es wurde vom Vorkommen von mindestens 225
verschiedenen kontrazeptiven Pflanzen und 551 abortiven Pflanzen berichtet. Etwa 20
% dieser Pflanzen waren Gegenstand von Laboruntersuchungen oder klinischen
Analysen. Von den getesteten Objekten wusste man von 49 Substanzen, dass sie von
sog. Naturvölkern für Verhütungszwecke verwendet wurden. Ca. 70 % dieser Pflanzen
lieferten verlässliche Hinweise darauf, dass sie die Fruchtbarkeit beeinflussen
(FARNSWORTH et al., 1975).
Ebenso wählte PRAKASH auf der Grundlage von Informationen aus Überlieferungen
der ländlichen Bevölkerung Indiens aus der ayurvedischen Literatur sowie der antiken
Materia Medica eine Anzahl Heilpflanzen aus unterschiedlichen Regionen des Landes
aus, um diese auf ihre antifertile Aktivität an weiblichen Albinoratten zu untersuchen.
Einige Pflanzen bewirkten signifikante Unfruchtbarkeit bei Ratten, wie Achyranthes

26
aspera, Crataeva nurvala, Daucus carota, Embelia ribes, Hibiscus rosa-sinensis,
Juniperus communis, Piper longum, Punica granatum, Pueraria tuberosa, Terminalia
arjuna (PRAKASH, 1984). Drei Jahre später veröffentlichten PRAKASH et al. die
Ergebnisse einer Forschungsarbeit, bei der mehr als hundert verschiedene
Pflanzenextrakte experimentell überprüft wurden, mit dem Ziel ein wirksames, sicheres
und preiswertes Kontrazeptivum zu entwickeln. Einige Pflanzen zeigten wiederum
signifikante antifertile Aktivität bei weiblichen Ratten. Erwähnenswert sind hier
Azadirachta indica, Cichorium intybus, wiederum Pueraria tuberosa, Saccharum
officinarum, und Verbena bonariensis. Von einigen stark wirksamen Pflanzen wurde
andererseits versucht, die biologischen Eigenschaften zu klären, wie z.B. ihr
hormonelles Profil, ihre östrogene, antiöstrogene, gestagene und antigestagene
Aktivität. Insbesondere wurde die kontrazeptive Wirksamkeit von Azadirachta indica
und Pueraria tuberosa im Zusammenhang mit ihrem hormonellen Status beschrieben
(PRAKASH et al., 1987).
Wie schon erwähnt, erschien in diesem Zeitraum eine beinahe unüberschaubare Fülle
derartiger Studien und Berichte, dabei gehörten zu den am häufigsten angeführten und
bezüglich ihrer antikonzeptiven Wirkungen teilweise sehr gut untersuchten Pflanzen
u.a. Acorus calamus, Dioscorea villosa, Lithospermum ruderale, Punica granatum,
Veratrum californicum, Achyranthes aspera, Aristolochia sp., Azadirachta indica,
Daucus carota, Hibiscus rosa-sinensis sowie Pueraria tuberosa. Diese Pflanzenspezies
werden im späteren Teil dieser Arbeit hinsichtlich ihrer Botanik, wirksamen
Bestandteile, traditionellen und heutigen Anwendung sowie dem aktuellen
Kenntnisstand, was die kontrazeptive Forschung betrifft, näher beschrieben. (Siehe
hierzu auch Kapitel 5.1; ab S. 90 bzw. 5.3; ab S. 107)
Neben den fast unzähligen Studien an bestimmten kontrazeptiven Pflanzen aus den
unterschiedlichsten Ländern bzw. Regionen wurden zusätzlich Untersuchungen an
traditionell angewandten Rezepten aus mehreren Pflanzen durchgeführt. So ist ,,Shanti
Bori" eine von der ländlichen Bevölkerung Bangladeshs traditionell verwendete
kontrazeptive ,,Pille", bestehend aus Acacia catechu, Acacia arabica und Tragia
involucerta. Als Ergebnis einer Forschungsarbeit wurde herausgefunden, dass dieses
Rezept die Fruchtbarkeit weiblicher Ratten um 90 % hemmt, d.h. sie besitzt 90 %ige
antifertile Aktivität. Eine chemische Analyse ergab, dass die ,,Pille" ein steroides
Glykosid, ein Triterpen und ein Alkaloid enthält. Angeführt wurde, dass noch weitere
traditionelle kontrazeptive ,,Pillen" von der ländlichen Bevölkerung Bangladeshs
verwendet werden, z.B. ,,Comilla Bori", und diese wahrscheinlich ähnlich effektiv
hinsichtlich ihrer kontrazeptiven Wirksamkeit sind (CHOWDHURY et al., 1984).
Eine weitere mehrfach getestete Pflanze ist Vicoa indica. Sie gehört zur Familie der
Asteraceae (Korbblütengewächse) und zeigt signifikante kontrazeptive Wirkung. Die
Pflanze wird in Indien verwendet, um Sterilität zu erreichen. Die regionale Bezeichnung
der Pflanze ist ,,Banjauri", was soviel bedeutet wie: ,,eine Substanz, welche eine Frau
steril macht". In der Anwendung wird die gesamte Pflanze gemahlen, in etwas Wasser

27
aufgelöst und an drei aufeinander folgenden Tage nach der Entbindung verabreicht. Es
wird behauptet, dass diese Behandlung die Konzeption für eine Zeit von 5 bis 7 Jahren
verhindern soll (GANDHI et al., 1985). Entsprechend einer weiteren beschriebenen
Anwendung werden die frisch gesammelten Pflanzen sonnengetrocknet. Die gesamte
Pflanze wird anschließend zusammen mit 7 Pfeffersamen pulverisiert, in Wasser
aufgelöst und von der Frau täglich vom 2. bis 5. Tag nach der Entbindung
eingenommen. Diese Behandlung, so wird behauptet, soll zu permanenter Sterilität
führen (RAO et al., 1996). In einer 1996 durchgeführten Studie wurde die kontrazeptive
Aktivität von Vicoa indica (Asteraceae) durch Fütterung des getrockneten Pulvers an
fruchtbaren weiblichen Affen überprüft, einmal nach der Entbindung und andererseits in
der frühen Phase des Menstruationszyklus. Die Tiere, denen das Pulver während der
ersten 14 Tage des Menstruationszyklus gefüttert wurde, wurden nicht schwanger. In
Anbetracht der Tatsache, dass das Pflanzenpulver nur wirksam bei einer Verabreichung
innerhalb des Menstruationszyklus ist, ist es möglich, dass die Pflanze einige
irreversiblen Veränderungen im Reproduktionstrakt, in den Eileitern oder der
Gebärmutter, induziert, das zur Unfruchtbarkeit führt. Es bleibt jedoch unklar, ob die
aktiven Verbindungen dieser Pflanze die Implantation beeinflussen oder die frühe
Embryonalentwicklung im Eileiter. Verschiedene Sesquiterpenlaktone wurden isoliert
und charakterisiert. Man fand heraus, dass diese teilweise kontrazeptive Aktivität
besitzen. Dies wurde einer antiöstrogenen Aktivität zugeschrieben (RAO et al., 1996).
In einer klinischen Toxizitätsstudie wurde Vicoa indica an Albinoratten sowie an
Albinokaninchen auf akute und subakute Toxizität untersucht. Nach der Behandlung
veränderten sich die unterschiedlichen biochemischen, hämatologischen und
histopathologischen Parameter nicht signifikant. Damit wurde gezeigt, dass Vicoa
indica relativ untoxisch ist. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Verwendung
dieser Pflanzendroge in klinischen Untersuchungen am Menschen sicher ist (GANDHI
et al., 1985).
Eine wichtige physiologische bzw. biochemische Bedeutung am Wirkungsprinzip der
antifertilen Aktivität von Pflanzen und deren mögliche zukünftige Verwendung als
effektives Kontrazeptivum natürlichen Ursprungs spielen die Phytosterole. Die
Verbreitung von hormonartig wirkenden Verbindungen in zahlreichen Pflanzen ist
allgemein bekannt. In großen Mengen sind Phytohormone in der Membran des
Endoplasmatischen Retikulums und in den Mitochondrien verteilt. Zu den häufig
auftretenden Phytosterolen gehören -Sitosterol, Stigmasterol, Campesterol, Ergosterol
und Spinasterol (SARANGTHEM & SINGH, 2002). Phytosterole können aus dem
unverseifbaren Anteil der fetten Öle oder dem Tall-Öl, der aufrahmenden Lipidfraktion
beim Holzaufschluss zur Cellulosegewinnung, isoliert werden. Allerdings werden sie
vom menschlichen Organismus nur in geringen Mengen resorbiert. Eine Reihe an
Phytosterolen unterdrückt durch Beeinträchtigung der Aktivität der A-Dehydrogenase
die Bildung von A-Dihydro-Testosteron aus Testosteron. Außerdem verdrängen einige
Phytosterole 5 -Dihydro-Testosteron oder weitere Hormone von ihren cytolsolischen

28
Rezeptoren. Dadurch wirken sie antiandrogen bzw. antiöstrogen oder antigestagen
(TEUSCHER, 1997).
Wenn man bedenkt, dass die Reproduktionsmechanismen der Pflanzen so
unterschiedlich von denen der Tiere sind, erscheint das Vorkommen an tierischen
Sexualhormonen in Pflanzen äußerst interessant. Das Vorkommen an Östron, einem
Östrogen, in Punica granatum (Granatapfel), dem uralten Symbol der Fruchtbarkeit,
wurde schon vor langer Zeit entdeckt (HEFTMAN et al., 1966). Das Östron wurde aus
dem Samen des Granatapfels isoliert. Es ist identisch mit dem natürlichen Hormon.
Punica-Samen sind die reichste, bisher entdeckte pflanzliche Quelle für Östron
(SHARMA et al., 1976). (Siehe hierzu auch Kapitel 5.1; ab S. 90)
Ein Experiment, bei welchem Steroide auf die Wurzeln von Heliotropium indicum
gesprüht wurden, zeigte, dass ein Östradiol-Spray das frühe Erblühen initiierte, während
ein Androgen-Spray das Blühen hemmte (MANNAN, 1979).
Weiterhin wurde Progesteron in Apfelsamen detektiert (GRAWIENOWSKI, 1968) und
Desoxy-Glukokortikoide in Reiskleie (BAHADUR et al., 1971). Durch die Entdeckung
der Wirkungsweise von Progesteron und der Glukokortikoide (Glukosteroide) ist
bekannt, dass diese durch die Stimulation der genetischen Transkription und Translation
oder durch Membraneffekte den Kohlenhydrat-, Fett- und Proteinstoffwechsel sowie
den Wasser- und Mineralhaushalt bei Tieren regulieren (WEISSMANN, 1971). Die
Anwendung von Östrogenen an Ecballium elaterium steigerte die Zahl der weiblichen
Blüten, während Androgene die Anzahl der männlichen Blüten erhöhte (KOPCEWICZ,
1971). Es gibt eine Reihe an Beweisen, dass die Morphogenese der Pflanzen ähnlich
dem Mechanismus der zellulären Biologie erfolgen kann (JENSEN et al., 1973).
Deshalb könnte die Möglichkeit der Steroidbiosynthese-Stimulierung in Heilpflanzen
zur Unterstützung dienen, um große Mengen dieser Hormone von kontrazeptiver
Wichtigkeit zu gewinnen (MANNAN & AHMAD, 1978).
Die Mehrheit der berichteten pflanzlichen östrogenen Wirkungen wird auf Isoflavone
oder verwandte Strukturen, z.B. Isoflavonderivate, zurückgeführt. Diese Verbindungen
sind wahrscheinlich wegen ihrer strukturellen Verwandtschaft zu Stilböstrol im
Allgemeinen schwach östrogen, wie z.B. Genistin, Genistein, Biochanin-A,
Formononetin, Cumestrol und Pflanzen-Stilbene (FRANSWORTH, 1966). Genistein
(5,7,4´-Trihydroxy-Isoflavon) und die nah verwandten freien Isoflavonoide Biochanin-
A und Formononetin besitzen nachweislich östrogene Wirkung und treten als Glykoside
in vielen Leguminosen auf, u.a. in Trifolium repens (Weißklee) und in Medicago sativa
(Saat-Luzerne) (BICKOFF, 1968; LIVINGSTON, 1978; TEUSCHER, 1997). Von
diesen Verbindungen wurde mehrfach durch Verabreichung, u.a. an Mäusen und
Schafen, bewiesen, dass sie östrogene Wirkungen ausüben (MOULE et al., 1963;
BRADEN et al., 1967). Stoffe mit Stilbenstruktur, die dem Diethyl-Stilböstrol (Cyren)
ähnlich sind, wurden beispielsweise in Trifolium subterraneum (Erdklee) nachgewiesen.
Vielfach stärker wirksam ist das Östrol aus den Knollen einer Leguminosenart aus
Nord-Thailand, Pueraria mirifica, die von dort aus in großen Mengen nach Bangkok

29
geliefert wird und als ,,Verjüngungsmittel" bekannt ist. Porphyrine, welche die
Ausschüttung gonadotroper Hormone durch die Hypophyse (Hirnanhangsdrüse)
anregen, finden sich besonders reichlich in den Blättern und Samen von Daucus carota
(Wild-Möhre). In einer Studie wurde nachgewiesen, dass die Samen östrogene
Eigenschaften besitzen. Der Samenextrakt, der während der Trächtigkeit oral an Mäuse
verabreicht wurde, hemmte effektiv die Implantation (SHARMA et al., 1976). (Siehe
hierzu auch Kapitel 5.3; ab S. 107)
Weiterhin ist eine antigonadotrope und antiovulatorische Wirkung verschiedener
Lithospermum-Arten bekannt, sowohl von der heimischen Art Lithospermum ruderale
(Steinsame) als auch von Lithospermum-Arten in Nord- und Südamerika. Lithospermum
officinale (Echte Steinsame) gehört zur Familie der Boraginaceae (Borretschgewächse).
Häufiger und bekannter ist Lithospermum arvense (Acker-Steinsame). Von
Lithospermum officinale werden die Samen verwendet, neuerdings auch Extrakte aus
den Blättern und der gesamten Pflanze. Es hat sich gezeigt, dass das wirksame Prinzip
hormoneller Art ist. Aus der Pflanze konnte Lithospermsäure (Phenolcarbonsäure)
isoliert werden, die sich als sehr effektiv erwies. Blatt- und Wurzelauszüge waren in
ihrer Wirkung gleich. Bemerkenswert ist, dass die Lithospermsäure auch in Lycopus-
Extrakten nachgewiesen wurde. Lycopus europaeus (Ufer-Wolfstrapp) und L.
virginicus (Virginischer Wolfstrapp) besitzen gleichfalls hormonelle Wirkungen,
ähnlich wie Lithospermum-Extrakte. Lithospermum ruderale (Steinsame) verursacht in
wässrigem Extrakt eine Hemmung der Ovulation, und übt starke hemmende Effekte auf
Hormone wie Oxytocin aus, welches die Kontraktionen der Gebärmutter steuert
(WEISS, 1990). (Siehe hierzu auch Kapitel 5.1; ab S. 90)
Mit ziemlicher Sicherheit ist die Verwendung pflanzlicher Kontrazeptiva durch Berichte
von Reisenden in afrikanischen Ländern bestätigt. In Asien, beispielsweise in Tibet, wo
die Hauptnahrung aus Gerste und Erbsen besteht, hat sich die Bevölkerungszahl
innerhalb der letzten 200 Jahre konstant gehalten. Man führt dies auf die teilweise
Unfruchtbarmachung durch eine exzessive Erbsendiät zurück. Auch aus Indien liegen
ähnliche statistische Ergebnisse vor. In Pisum sativum (Erbse) ließ sich ein
antikonzeptives Prinzip, das auf Phytosterolen basiert, nachweisen (WEISS, 1990).
Ebenso standen den Indianern Nordamerikas zahlreiche pflanzliche Verhütungsmittel
zur Verfügung. Erst im Laufe der Recherchen der indianischen Anwendungen
entdeckten Wissenschaftler die empfängnisverhütenden Eigenschaften mancher
pflanzlichen Substanzen. Nordamerikanische, ebenso wie mittel- und südamerikanische
Indianer benutzten die Yamswurz nicht nur zur Empfängnisverhütung oder in
entsprechend starker Dosierung zur Abtreibung, sondern auch als sexuelles
,,Verjüngungsmittel" für Männer, da sie großen Einfluss auf die Bildung des
männlichen Geschlechtshormons Testosteron hat. Der Grundstoff der heutigen oralen
Verhütungsmittel ist im Allgemeinen das Diosgenin aus Dioscorea villosa
(Amerikanische Yamswurz) (STAMMEL, 1986). TSUKAMOTO & UENO entdeckten
Diosgenin in der Wurzel einer Dioscorea-Art (1936) und es wurden Methoden für die

30
Überführung des Diosgenins in C
21
- und C
19
-Verbindungen entwickelt, die für die
Steroidhormonindustrie geeignet sind. So war es möglich, Diosgenin zu einem
Zwischenprodukt abzubauen, aus dem Progesteron hergestellt werden kann (MARKER,
1939). In den 1970er Jahren wurde Diosgenin aus verschiedenen Dioscorea-Spezies,
wie Dioscorea deltoidea, Dioscorea composita, insbesondere Dioscorea mexicana
(Mexikanische Yamswurz) extrahiert und sogar zu über zwei Dritteln als Rohstoffquelle
für die weltweite Steroidproduktion verwendet. Diosgenin ist die vielseitigste Vorstufe
für unterschiedliche steroide Medikamente, einschließlich Kontrazeptiva (KHAN et al.,
1994). (Siehe hierzu auch Kapitel 5.1; ab S. 90)
Es wurden außerdem Arten der Solanum-Gruppe angepflanzt, da ihr Steroidalkaloid
Solasodin große Ähnlichkeit mit Diosgenin aufweist und sich leicht in Progesteron
überführen lässt (BOLL; 1966). Die natürlich auftretenden Phytosterole wie Diosgenin,
Solasodin, Campesterol, Stigmasterol, -Sitosterol, Spinasterol und Hecogenin etc. sind
zur Zeit die vielversprechendsten Vorstufen für die Synthese oraler Kontrazeptiva.
Stigmasterol allein steuert 15 % des Rohstoffs der weltweiten Gesamtproduktion für
steroide Medikamente bei (SARANGTHEM & SINGH, 2002).
In Anbetracht der Tatsache, dass die Verwendung und somit der Bedarf an
kontrazeptiven Präparaten weltweit stetig ansteigt, ist es zukünftig erforderlich, die
Suche nach weiteren geeigneten Substanzen, die für sich oder als Ausgangsmaterial für
die Massenproduktion von Kontrazeptiva dienen, fortzusetzen und Heilpflanzen
hinsichtlich der Möglichkeit der Isolierung von Steroiden oder ihren Vorstufen für die
Herstellung kontrazeptiver Wirkstoffe zu untersuchen. MANNAN & AHMAD
beispielsweise analysierten mehrere Pflanzen Bangladeshs, die eine Quelle für Steroide
mit medizinischer bzw. kontrazeptiver Bedeutung wie Östrogene, Progesteron und
Testosteron darstellen und welche dort volkstümlich als Kontrazeptiva und Abortiva
verwendet werden. Alle aus den untersuchten Heilpflanzen gewonnenen unverseifbaren
Substanzen zeigten das Vorkommen an Steroiden bzw. Östrogenen. Die Wurzeln von
Xanthium stamanium zeigten den höchsten Steroidgehalt. Synedrela nodiflora, die
Wurzeln von Heliotropicum indicum, die Rinde von Belva chal und Phyllanthus neruri
hatten einen hohen Gehalt an Steroiden, besonders an östrogenen Steroiden wie
Östradiol. Unter diesen zeigte die Wurzel Heliotropicum indicum die höchste
Konzentration an Östradiol (MANNAN & AHMAD, 1978).

31
3.2 Abortive Pflanzen
3.2.1 Historischer Abriss und Umstrittenheit
Zu den brisantesten Themen in der Geschichte der Menschheit zählt ohne Zweifel die
Abtreibung. Für fast jede Zeit und für alle Völker lässt sich der künstliche
Schwangerschaftsabbruch belegen. Die Ursachen waren und sind vielfältiger Natur. Die
wichtigsten sind sicherlich Angst vor Schande, wirtschaftliche Armut, soziale
Missstände und medizinisch-therapeutische Gründe. Immer wieder haben sich
Theologen, Juristen und Mediziner sowie Philosophen mit der ethischen Bewertung des
ungeborenen Lebens und der Strafbarkeit des Schwangerschaftsabbruchs
auseinandergesetzt. In schier unübersehbarer Fülle präsentiert sich die Literatur zur
Abtreibungsproblematik.
3.2.1.1 In den frühen Hochkulturen
Wann und wo Menschen erstmals künstliche Mittel eingesetzt haben, um die
Leibesfrucht abzutreiben, entzieht sich der Kenntnis der Historiker. Doch ist auf Grund
ethnomedizinischer Studien über den Schwangerschaftsabbruch in sog. ,,primitiven",
d.h. in einfachen, Gesellschaften zu vermuten, dass bereits in den vorgeschichtlichen
Kulturen ein instinktives und empirisches Wissen um die abtreibende Wirkung
bestimmter pflanzlicher Drogen vorhanden gewesen sein muss. Erst mit dem Eintritt in
das Zeitalter des Schrifttums ist es jedoch möglich, vereinzelt medizinhistorische
Quellen zur Geschichte der Abtreibung zu entdecken. Hinweise auf die Verbreitung der
Abtreibung in den frühen Hochkulturen liefert z.B. der altägyptische Papyros Ebers, der
um das Jahr 1600 v.u.Z. entstanden ist. Neben den dort angegebenen Rezepten für aus
aromatischen Drogen bestehende Kräutertränke werden hier auch noch andere
Anwendungsformen von Abortiva wie Scheideneinspritzungen und Vaginalkugeln
explizit erwähnt. Rechtshistorische Hinweise zur Abtreibung in den frühen
Hochkulturen lassen sich in altorientalischen Gesetzen, z.B. denen des HAMMURABI
(17. Jh. v.u.Z.), finden, die spezifische Strafbestimmungen enthalten. Weder im Alten
Testament noch in den anderen zeitgenössischen jüdischen Quellen sind detaillierte
Hinweise auf Abtreibung durch Abortiva oder Drogen zu finden. Erst in späterer Zeit
wird gelegentlich auf einzelne ,,Techniken" Bezug genommen. Dennoch enthält das
Alte Testament spezielle Bestimmungen, so dass kein Zweifel daran bestehen kann,
dass im antiken Judentum die Abtreibung verboten war. Die rechtliche Beurteilung und
die sittliche Auffassung der Abtreibung waren in der Antike in den einzelnen
Kulturkreisen durchaus verschieden (JÜTTE, 1993).

32
3.2.1.2 Griechenland
Fruchtbarkeit wurde zwar von den Griechen hoch geschätzt, allerdings wurde eine
kinderreiche Familie sowohl in Sparta als auch in Athen nicht unbedingt als
gesellschafts- und bevölkerungspolitisches Ideal angesehen. Darauf deuten jedenfalls
einschlägige Stellen bei ARISTOTELES (ca. 384-322 v.u.Z.) und v.a. bei PLATO (ca.
429-347 v.u.Z.) hin. Eines der geeigneten Mittel, um ihre Idealvorstellung, nämlich ein
möglichst ausgeglichenes Bevölkerungswachstum zu erreichen, war für PLATO wie für
ARISTOTELES die möglichst früh vorzunehmende Abtreibung. Doch ist es ein
schwieriger Schritt, von diesen philosophischen Anschauungen auf die damalige
Rechtslage zu schließen. Die meisten Medizinhistoriker und Philologen vertreten die
Auffassung, dass die Athener den künstlichen Abort nicht bestraft haben. Nach neueren
Untersuchungen darf als sicher gelten, dass es beim Abtreibungsverbot im sog.
,,Hippokratischen Eid" nicht um ein generelles Verbot der Verabreichung von Abortiva
geht. Aber eine Abtreibung war bei den Athenern zumindest verpönt, auch wenn sie in
der Praxis häufig vorgekommen sein muss. Es gilt zu betonen, dass der künstliche Abort
im antiken Griechenland meist nicht von Ärzten, sondern von Hebammen durchgeführt
wurde. Damals war bereits eine Fülle mehr oder weniger wirksamer Abortiva bekannt.
Die verschiedenen Mittel, die HIPPOKRATES für einen Schwangerschaftsabbruch
empfiehlt, lassen sich in drei Gruppen einteilen:
1. innere Mittel wie drastische Abführmittel, starke Diuretika und Brechmittel,
2. Mittel mit direktem Einfluss auf den Uterus, etwa wie Pessare, getränkt mit
scharfen, beißenden Substanzen sowie
3. mechanische Einwirkungen gleichsam Drücken des Leibes, Stöße, Tragen
schwerer Lasten und Erschütterungen des Körpers durch Springen und Hüpfen
Um den gewünschten Erfolg zu haben, wurde normalerweise ein stufenweises
Vorgehen angeraten. Die zuerst genannten Mittel sollten den Fötus bzw. Embryo
schwächen, die zweiten den Uterus öffnen und die dritten die Verbindung zwischen
Uterus und Leibesfrucht trennen (JÜTTE, 1993).
3.2.1.3 Rom
Rom unterschied sich von Griechenland insofern, als sich dort bereits zu einem relativ
frühen Zeitpunkt erste Ansätze zu einer auf Bevölkerungsvermehrung ausgerichteten
Politik abzeichneten. Seit dem Ende des 2. Jhs. v.u.Z. wurde in der römischen Republik
befürchtet, dass die Zahl der ,,echten" Römer zurückgehe. Trotzdem weiß man aus
Forschungen zur römischen Rechtsgeschichte, dass die Abtreibung zur Zeit der
Republik nicht bestraft wurde. Erst 200 n.u.Z. wird eine Bestrafung der Abtreibung als
,,außergewöhnliches Verbrechen" vorgesehen. In der späteren Kaiserzeit konnte sogar
die Todesstrafe verhängt werden. Durch die christliche Lehre, die sich allmählich im
Römischen Weltreich auszubreiten begann und schließlich Staatsreligion wurde, trat in
der moralisch-rechtlichen Bewertung des Schwangerschaftsabbruchs eine entscheidende

33
Wende ein. DIOSKURIDES (1. Jh. n.u.Z.) zählte zu den hellenistischen Ärzten der
römischen Kaiserzeit, die keine Bedenken hatten, mehr oder weniger wirksame
Abtreibungsmittel zu benennen. Er verfasste die bis in die Frühe Neuzeit immer wieder
kopierten fünf Bücher über den Arzneischatz ,,peri hyles iatrikes". Es dürfte nicht
überraschen, dass die römischen Ärzte, die zum Teil griechischer Herkunft waren, über
ein so differenziertes und reichhaltiges Wissen verfügten, dass sie die relativ große
Nachfrage nach Mitteln und Methoden zur Abtreibung befriedigen konnten. Nach
neueren Forschungen (KELLER, 1988; RIDDLE, 1992) kannte man in römischer Zeit
bereits über zweihundert Abortiva, von denen ca. 90 % als ziemlich wirksam
einzuschätzen sind, auch nach heutiger Sicht. Die damals verwendeten Mittel fallen in
zwei große Gruppen. Die Einen sind die sog. Austreibungsmittel, die meist durch das
Herbeiführen von Uterusblutungen oder Gebärmutterkontraktionen wirken und die in
erster Linie auf eine Fehlgeburt abzielten. Dazu zählen z.B. solche starken
Abortivdrogen wie Helleborus sp. (Nieswurz). Eine zweite Gruppe bilden diejenigen
Mittel, die vorwiegend embryotoxisch wirken und eine Totgeburt verursachen sollten.
Diese Wirkung entfalten v.a. die Abortivdrogen, die ätherische Öle oder Bitterstoffe
enthalten. Wie bereits in der griechischen Medizin werden dabei der Frau, die abtreiben
möchte, zunächst bestimmte Vorbereitungsmaßnahmen von ärztlicher Seite empfohlen.
Dazu gehören beispielsweise neben Hungerkuren und physischem Stress auch
Aderlässe. Nachdem der Körper auf diese Weise allgemein geschwächt war, wurde eine
gezielte Schwächung der Schleimhäute in Angriff genommen, und zwar durch
Brechmittel und Spülungen und Bäder, die speziell die Vaginalschleimhaut reizen
sollten. Erst dann erfolgte in einem dritten Schritt die eigentliche Pharmakotherapie mit
Kräutertränken und Vaginalsuppositorien. Die dabei angewandten Drogen waren zum
Teil hochwirksamer und gefährlicher Art. Unter ihnen befanden sich aber auch welche,
die mild wirkten und kaum Nebenwirkung aufwiesen, die aber entweder selten oder nur
in Verbindung mit einer ergänzenden Behandlungsmethode den gewünschten Zweck
erfüllt haben dürften (JÜTTE, 1993).
3.2.1.4 Im Mittelalter
Die Abtreibung und deren moralisch-juristische Bewertung waren im Verlauf des
Mittelalters durch den Einfluss des Christentums einschneidenden Änderungen
unterworfen. Die frühen Christen fanden sich in einer Umwelt wieder, die der
Geburtenkontrolle und namentlich der Abtreibung gegenüber überwiegend gleichgültig
eingestellt war. Die Abtreibung wurde in einem Ausmaß ausgeübt, dass auch moderne
Autoren geneigt sind, von einer drastischen Bevölkerungsdezimierung infolge der
exzessiven Abtreibungspraxis zu sprechen (NOONAN, 1967). Die Wortführer des
frühen Christentums waren konsequente Gegner der Abtreibung, dabei konnte das
christlich motivierte Abtreibungsverbot an bereits in der jüdischen Tradition angelegte
Grundsätze anknüpfen. Dieses Verbot erkannte eine Abtreibung eines bereits
menschlich gestalteten Feten als Tötung bzw. Totschlag eines Menschen an, da

34
Beseelung und Belebung gleichgesetzt wurden. Außerdem waren
geburtenkontrollierende Maßnahmen, nicht nur Abtreibung, sondern auch
Empfängnisverhütung, v.a. wegen der ,,abscheulichen Fleischeslust" als schwerer
Verstoß gegen das Sakrament der Ehe verpönt. Die im frühen Mittelalter
aufgezeichneten Stammesrechte enthalten Sanktionierungen des
Schwangerschaftsabbruchs in Form von Abtreibungsbußen, welche als Gegenstand des
weltlichen Rechts allerdings kaum erwähnenswert sind. Das Abtreibungsverbot im
Mittelalter ist eher im geistlichen Recht zu suchen. Die frühmittelalterlichen Beicht-
und Bußbücher behandelten Abtreibung und Empfängnisverhütung durchweg als
bußwürdige Sünden. So hatte die Abtreibende vom vierzigsten Tag nach der
Empfängnis an wie die eines Totschlags Schuldige Buße zu tun. Auch in den
kirchenrechtlichen Vorschriften des Römisch-Kanonischen Rechts war, wer einem
Mann oder einer Frau etwas antat oder zu trinken gab, damit nicht gezeugt oder
empfangen werden könne, für einen Totschläger zu halten. Für das Kanonische
Abtreibungsverbot galt allerdings ein geschlechtsspezifisch differenziertes
Fristenmodell, dem entsprechend die Abtreibung eines männlichen Feten bereits vom
vierzigsten Tag an, die eines weiblichen erst vom achtzigsten an einen Totschlag
darstellte. Welche Bedeutung der Abtreibung und Empfängnisverhütung in der
gesellschaftlichen Wirklichkeit des Mittelalters zukam, ist schwer zu sagen. Ganz sicher
ist es zulässig, aus der Angabe von Rezepten in literarischen Quellen und der
vielfältigen Diskriminierung in weltlichen und kirchlichen Rechtstexten darauf zu
schließen, das beide Möglichkeiten der Geburtenkontrolle bekannt waren und auch
verbreitet praktiziert wurden (JÜTTE, 1993).
3.2.1.5 In der Frühen Neuzeit
Die Frühe Neuzeit, der Zeitraum zwischen 1500 und 1700, repräsentierte eine Phase des
Umbruchs. Die dogmatische Priorität der Kirche verlor an Kraft, die Einheit von
Glauben und Wissen wurde hinterfragt, das Individuum rückte in den Mittelpunkt des
Interesses und die Naturwissenschaften wandten sich der unbefangenen
Naturbeobachtung zu. Die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern, die
Entdeckung der Neuen Welt und die Abkehr vom geozentrischen Weltsystem
markierten die glanzvollsten Höhepunkte einer sich von Grund auf verändernden
Weltsicht. Im täglichen Leben sah sich der einzelne Bürger einer immer stärkeren
Reglementierung ausgesetzt. Die Obrigkeit erließ eine Vielzahl moralischer und
juristischer Vorschriften. Im Zuge einer Reform der Strafrechtspflege wurden auch die
Delikte Abtreibung und Kindsmord zu einer Angelegenheit der weltlichen Justiz. So
befasst sich Artikel 133 der Peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V. (,,Constitutio
Criminalis Carolina" 1532) mit der Bestrafung von Abtreibungsdelikten. Zwei Wege
der Abortprovokation werden genannt. Einerseits äußere Gewalt, z.B. Schläge,
andererseits orale Abtreibungsmittel, etwa in die Nahrung gemischte
Kräuterzubereitungen oder Tränke. Als Antwort auf die Pestepidemien erließ die

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783956362125
ISBN (Paperback)
9783836602174
Dateigröße
4.6 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena – Biologisch-Pharmazeutische Fakultät, Ernährungswissenschaften
Erscheinungsdatum
2007 (März)
Note
1,0
Schlagworte
kontrazeption abort phytotherapie naturvölker kontazeptiva
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Titel: Antikonzeptive und phytoöstrogene Wirkweisen bestimmter Gewürze, Heil- und Zierpflanzen sowie pflanzlicher Lebensmittel
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