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Fallbasiertes Schließen zur Komplexitätsreduktion

Fallbasiertes Schließen als Ansatz des Variantenmanagements im Maschinen- und Anlagenbau

©2006 Diplomarbeit 133 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Im Zuge der Globalisierung und dem Wandel vom Anbieter-zum Kundenmarkt gewinnt das Variantenmanagement immer mehr an Bedeutung. So fordern nationale Rahmenbedingungen, der internationale Wettbewerb und die Endabnehmer eine Individualisierung der Produkte, was zu einer wachsenden Produktvielfalt auf dem Absatzmarkt führt. Auch kann eine Umsatzsteigerung auf stagnierenden Märkten und eine Erhöhung der Kundenbindung durch externe Produktvarianten, also durch Marktanforderungen und Kundenwünsche hervorgerufene Versionen eines Produktes, erzielt werden.
Die externe Vielfalt bedingt interne Produktvarianten, -strukturen und -familien. Durch diese interne Komplexität entstehen intransparente Ablaufprozesse und unüberschaubare Gemeinkosten sowie erhöhter Entwicklungs- und Verwaltungsaufwand für Unternehmen.
Weiterhin werden zur Verkürzung der Produktentwicklungszeiten und der durch den Markt bedingt verkürzten Innovationszyklen zunehmend Gleichteile und Baugruppen (z. B. Plattformen in der Automobilindustrie) eingesetzt oder existierende Bauteile erneut oder wieder verwendet. Ein weiterer Aspekt ist die Qualitätssicherung, die durch geeignete Produktstrukturen vereinfacht wird.
Die so entstandene Komplexität der Produkte und Produktzusammensetzungen gilt es zu organisieren und die im Wertschöpfungsprozess entstehenden Aufwände zu minimieren, um somit durch Kostensenkung und Effizienzsteigerung die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu erhalten. Dies wird zum Teil durch geeignetes Varianten- und Komplexitätsmanagement erreicht. Allerdings existieren dafür derzeit nur Insellösungen, was durch Fehlen einer ganzheitlichen Betrachtung entlang des Produktlebenszyklus und Optimierung der Unternehmensbereiche verstärkt wird.
Zum Variantenmanagement und der daraus resultierenden Komplexitätsreduktion existieren bereits verschiedene Ansätze, jedoch gibt es noch Forschungsbedarf bezüglich der Praxistauglichkeit der bestehenden Ansätze sowie zu ganzheitlichen und wissensorientierten Ansätzen. Auch können Insellösungen in komplexen Koordinierungs- und Planungsstrukturen langfristig nicht bestehen bzw. sie erfassen die Daten und Probleme nicht umfassend.
Problemstellung:
Ziel dieser Arbeit soll deshalb die Darstellung der Methode „Fallbasiertes Schließen“ (Case based reasoning) als wissensorientierter Ansatz zum Variantenmanagement entlang der Wertschöpfungskette und somit zur Komplexitätsreduzierung, -beherrschung und -vermeidung […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Ivonne Schmidt
Fallbasiertes Schließen zur Komplexitätsreduktion
Fallbasiertes Schließen als Ansatz des Variantenmanagements im Maschinen- und
Anlagenbau
ISBN: 978-3-8366-0185-6
Druck Diplomica® GmbH, Hamburg, 2007
Zugl. Technische Universität Chemnitz, Chemnitz, Deutschland, Diplomarbeit, 2006
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© Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2007
Printed in Germany

I
Inhaltsverzeichnis
1
Ursachen der Variantenvielfalt ... 1
2
Variantenmanagement ... 3
2.1
Variantenreichtum... 3
2.2
Komplexität von Produkten ... 5
2.3
Komplexitätsreduzierung, -beherrschung und -vermeidung... 7
2.4
Produktstruktur und -management... 10
2.5 Varianten ... 12
2.6 Typung... 15
2.7
Gleichteile ... 16
2.8
Wiederholteile ... 17
2.9
Variantenmanagement im Maschinen- und Anlagenbau ... 17
3
Klassische Ansätze ... 20
3.1
Ansätze in der Konstruktion (Variantenbeherrschung)... 20
3.1.1
Modularisierung ... 20
3.1.2
Funktionsbauweisen ... 22
3.1.2.1
Funktionsbauweisen bezüglich der Anzahl Funktionen ... 23
3.1.2.1.1
Partial- / Totalbauweise ... 23
3.1.2.1.2
Mono- / Multifunktionalbauweise... 23
3.1.2.1.3
Integral- / Differentialbauweise ... 24
3.1.2.2
Funktionsbauweisen hinsichtlich der Anzahl Bauteile... 26
3.1.2.2.1
Monobaugruppenbauweise... 26
3.1.2.2.2
Baukastenbauweise... 26
3.1.2.2.3
Plattformbauweise ... 29
3.1.2.2.4
Modulbauweise... 32
3.1.2.2.5
Agile Systeme... 34
3.1.2.2.6
Paketbildung ... 34
3.1.2.2.7
Produkt- / Teilefamilie ... 35
3.1.3
Baureihenbauweise ... 36
3.1.4
Wiederholteilbauweise ... 38
3.1.5
Schnittstellenoptimierung... 39

II
3.2
Ansätze zur Variantenbeherrschung in der Produktion... 40
3.2.1
Fertigungssegmentierung ... 40
3.2.2
Stücklisten ... 41
3.2.3
Flexible Fertigungssysteme ... 43
3.2.4
Hybride Fertigungssysteme ... 44
3.3
Wissensbasierte Ansätze zur Variantenbeherrschung... 45
3.3.1
Expertensysteme ... 45
3.3.2
Fallbasiertes Schließen... 47
3.4
Variantenreduzierung und -vermeidung (Eliminierung)... 47
3.4.1
ABC-Analyse zur variantengerechten Konstruktion ... 47
3.4.2
Weitere Analyse- und Beurteilungsmethoden... 49
3.5
Zusammenfassung zu den klassischen Ansätzen ... 50
4
Auswirkung auf die Wertschöpfungskette und
Werkzeugunterstützung ... 52
4.1
Organisation der Wertschöpfungskette... 52
4.2
Werkzeugunterstützung am Beispiel SAP
®
... 52
4.3
Wertschöpfungsprozess Entwicklung / Konstruktion... 56
4.4
Wertschöpfungsprozess Produktion / Fertigung ... 60
4.5
Wertschöpfungsprozesse Marketing und Vertrieb ... 61
4.6
Wertschöpfungsprozess Beschaffung... 62
5
Fallbasiertes Schließen als Ansatz zur
Komplexitätsreduzierung... 64
5.1
Begriffsbestimmung und Einordnung in die Wissenschaft ... 64
5.1.1
Einordnung in die Wissenschaft... 64
5.1.2
Begriffe ... 65
5.2
Methodik "Fallbasiertes Schließen"... 67
5.2.1
Prozess Retrieve (Suche) ... 71
5.2.2
Prozess Reuse (Lösungsübertragung, Adaption) ... 73
5.2.3
Prozess Revise (Überprüfung, Verbesserung) ... 74
5.2.4
Prozess Retain (Lernen) ... 75
5.2.5
Speicherung der Fälle... 75

III
5.3
Anwendungsbereiche ... 77
5.4
Vor- und Nachteile des fallbasierten Schließens ... 79
5.4.1
Vorteile... 79
5.4.2
Nachteile... 80
5.5
Fallbasiertes Schließen im Rahmen des Variantenmanagements... 81
5.5.1
Fallbasiertes Schließen im Bereich Entwicklung /
Konstruktion... 82
5.5.1.1
Fallbasiertes Schließen und der Konstruktionsprozess ... 82
5.5.1.1.1
Allgemeiner Konstruktionsprozess... 82
5.5.1.1.2
Fallbasiertes Schließen im Vorgehenszyklus... 84
5.5.1.1.3
Fallbasiertes Schließen im Vorgehensplan... 91
5.5.1.2
Weitere Anwendungsmöglichkeiten in der Konstruktion .. 99
5.5.2
Fallbasiertes Schließen in der Produktion / Fertigung ... 105
5.5.3
Einsatz des fallbasierten Schließens in Marketing und
Vertrieb ... 108
5.5.4
Anwendung des fallbasierten Schließens bei der
Beschaffung... 112
6
Fazit... 114
Literaturverzeichnis... 117

IV
Abkürzungsverzeichnis
CAD
Computer Aided Design
CAM
Computer Aided Manufacturing
CBR
Case based reasoning, Fallbasiertes Schließen
CIM
Computer Integrated Manufacturing
CRM
Customer Relationship Management
DIN
Deutsche Industrienorm, festgelegt durch Deutsches
Institut für Normung e. V. (DIN)
EDM
Electronic Document Management
EDV
Elektronische Datenverarbeitung
engl.
englisch
ERP
Enterprise Resource Planning
FMEA
Failure Mode and Effects Analysis, deutsch: Fehler-
möglichkeiten- und Einflussanalyse
KI
Künstliche Intelligenz
KVP
Kontinuierlicher Verbesserungsprozess
PDM
Produktdatenmanagement bzw. Product Data Man-
agement, in engl. Literatur auch Engineering Data
Management (EDM)
PL
Produktlebenszyklus, engl. Product Lifecycle
PLM
Produktlebenszyklus-Management, engl. Product Life-
cycle Management
PMS
Problem-Management-System
PPS
Produktionsplanung und -steuerung
SCM
Supply Chain Management
SRM
Supplier Relationship Management
VDI
Verein Deutscher Ingenieure
VDMA
Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V.
VMEA
Variant Mode and Effects Analysis, deutsch: Varian-
tenmöglichkeiten- und Einflussanalyse

V
Tabellenverzeichnis
Tabelle 3­1: Vorteile der Individualisierung und Vorteile der
Standardisierung ... 51
Tabelle 6­1: Schwierigkeiten des Variantenangebots für
Kunden und Hersteller... 114

VI
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 2­1: Entstehung, Möglichkeiten und
Determinanten der Vielfalt ... 4
Abbildung 2­2: Klassifikation technischer Systeme nach ihrer
Komplexität... 6
Abbildung 2­3: Umgang mit der Produktkomplexität ... 7
Abbildung 2­4: Komplexitätsfalle und Auswirkungen der
Vielfalt... 8
Abbildung 2­5: Bausteinkonzept zum Variantenmanagement
nach Wildemann... 9
Abbildung 2­6: Produktstruktur und ihre Einflussgrößen... 11
Abbildung 2­7: Produktstruktur als Summe aus Funktions-
und Baustruktur ... 11
Abbildung 2­8: Variantenarten und Merkmalsausprägungen
nach Lingnau... 13
Abbildung 2­9: Regelkreis des Variantenmanagements ... 19
Abbildung 3­1: Stufen der Modularisierung nach Schuh ... 21
Abbildung 3­2: Ansätze der Individualisierung vom Serien-
zum Einzelprodukt... 22
Abbildung 3­3: Aneinanderreihung von Baukastenelementen
zu Baureihen ... 27
Abbildung 3­4: Bildung von Plattformen und Hutmodulen... 29
Abbildung 3­5: Ausprägungsformen von Plattformkonzepten ... 30
Abbildung 3­6: Verbindung von Kundenbedürfnissen und
Technologien... 31
Abbildung 3­7: Zusammenhang Produktfamilie ­ Typen ­
Varianten ... 35
Abbildung 3­8: Bestandteile eines Expertensystems ... 45
Abbildung 3­9: Sortimentsbereinigung durch ABC-Analyse... 48
Abbildung 3­10: Übersicht über Produktstrukturen und
Konstruktionsansätze ... 50
Abbildung 4­1: Aufbau der Wertkette, mit primären und
sekundären Aktivitäten ... 52
Abbildung 4­2: "Plattformstrategie" der SAP AG (anhand
Unternehmensgröße) ... 53
Abbildung 4­3: mySAP
TM
Business Suite und mySAP
TM
ERP ... 53

VII
Abbildung 4­4: Variantenhinterlegung im Konfigurator der
STRATON ITC AG ... 55
Abbildung 5­1: Prozessmodell des fallbasierten Schließens... 69
Abbildung 5­2: Aufgabenorientierte Sicht des fallbasierten
Schließens... 70
Abbildung 5­3: Transformations- und prozessorientierte
Adaption der Lösung ... 74
Abbildung 5­4: Aufbau des Wissenscontainers... 76
Abbildung 5­5: Typische Aufgabenklassen für fallbasierte
Systeme ... 77
Abbildung 5­6: Phasen des Produktlebenszyklus nach Schuh ... 81
Abbildung 5­7: Die acht Produktlebensstufen nach Scheer ... 81
Abbildung 5­8: Produktlebensphasen und Produkterstellung
nach Ehrlenspiel... 81
Abbildung 5­9: Idealer Verlauf eines PL aus Sicht der
Betriebswirtschaftslehre ... 81
Abbildung 5­10: Genereller Vorgehensplan zum Entwickeln
und Konstruieren ... 83
Abbildung 5­11: Zugriffskonzept der Datenverwaltung eines
PDM-Systems ... 100

Ursachen der Variantenvielfalt
1
1 URSACHEN DER VARIANTENVIELFALT
Im Zuge der Globalisierung und dem Wandel vom Anbieter- zum Kun-
denmarkt gewinnt das Variantenmanagement immer mehr an Bedeutung.
So fordern nationale Rahmenbedingungen, der internationale Wettbewerb
und die Endabnehmer eine Individualisierung der Produkte, was zu einer
wachsenden Produktvielfalt auf dem Absatzmarkt führt. Auch kann eine
Umsatzsteigerung auf stagnierenden Märkten und eine Erhöhung der
Kundenbindung durch externe Produktvarianten, also durch Marktanforde-
rungen und Kundenwünsche hervorgerufene Versionen eines Produktes,
erzielt werden. Die externe Vielfalt bedingt interne Produktvarianten,
-strukturen und -familien. Durch diese interne Komplexität entstehen
intransparente Ablaufprozesse und unüberschaubare Gemeinkosten so-
wie erhöhter Entwicklungs- und Verwaltungsaufwand für Unternehmen.
Weiterhin werden zur Verkürzung der Produktentwicklungszeiten und der
durch den Markt bedingt verkürzten Innovationszyklen zunehmend Gleich-
teile und Baugruppen (z. B. Plattformen in der Automobilindustrie) einge-
setzt oder existierende Bauteile erneut oder wieder verwendet.
Ein weiterer Aspekt ist die Qualitätssicherung, die durch geeignete Pro-
duktstrukturen vereinfacht wird.
Die so entstandene Komplexität der Produkte und Produktzusammenset-
zungen gilt es zu organisieren und die im Wertschöpfungsprozess entste-
henden Aufwände zu minimieren, um somit durch Kostensenkung und Ef-
fizienzsteigerung die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu erhal-
ten. Dies wird zum Teil durch geeignetes Varianten- und Komplexitätsma-
nagement erreicht. Allerdings existieren dafür derzeit nur Insellösungen,
was durch Fehlen einer ganzheitlichen Betrachtung entlang des Produkt-
lebenszyklus und Optimierung der Unternehmensbereiche verstärkt wird.
Zum Variantenmanagement und der daraus resultierenden Komplexitäts-
reduktion existieren bereits verschiedene Ansätze, jedoch gibt es noch
Forschungsbedarf bezüglich der Praxistauglichkeit der bestehenden An-
sätze sowie zu ganzheitlichen und wissensorientierten Ansätzen.

Ursachen der Variantenvielfalt
2
Auch können Insellösungen in komplexen Koordinierungs- und Planungs-
strukturen langfristig nicht bestehen bzw. sie erfassen die Daten und Prob-
leme nicht umfassend.
Ziel dieser Arbeit soll deshalb die Darstellung der Methode "Fallbasiertes
Schließen" (Case based reasoning) als wissensorientierter Ansatz zum
Variantenmanagement entlang der Wertschöpfungskette und somit zur
Komplexitätsreduzierung, -beherrschung und -vermeidung im Maschinen-
und Anlagenbau sein. Außerdem verursacht der Einsatz von Gleichteilen
und die wiederholte Verwendung von Produktkomponenten einen erhöh-
ten Abstimmungsbedarf entlang des Wertschöpfungsprozesses und in-
nerhalb verschiedener Unternehmensfunktionen, dem beispielsweise mit
der Methode des fallbasierten Schließens und Informations- und Kommu-
nikations-Technologie entgegengewirkt werden kann.
In dieser Arbeit sollen die Möglichkeiten zur Komplexitätsreduktion im Ma-
schinen- und Anlagenbau betrachtet werden. Dies bezieht sich auf die
Reduzierung der externen und internen Komplexität, wobei unter externer
Komplexität die kunden- und umweltbezogene und unter interner Komple-
xität die unternehmensbezogene, geschäftsprozessorientierte Komplexität
zu verstehen ist.
Zum besseren Verständnis dieser Arbeit werden in Kapitel 2 die wesentli-
chen Begriffe erklärt.
Die bestehenden Ansätze zum Komplexitäts- und Variantenmanagement
werden in Kapitel 3 und 4 dargestellt und voneinander abgegrenzt. Dies
umfasst auch die kritische Hinterfragung im Hinblick auf die Praxistaug-
lichkeit sowie die Darstellung der jeweiligen Vor- und Nachteile.
Ausgehend von den klassischen Ansätzen zur Komplexitätsreduzierung,
die mit Mängeln behaftet sind, wird in Kapitel 5 die Methode des fallbasier-
ten Schließens vorgestellt und in die Problemstellung als wissensorientier-
ter Ansatz entlang der Wertschöpfungskette integriert. Dabei erfolgt eben-
falls eine Betrachtung der Rahmenbedingungen sowie der Vor- und
Nachteile.
Kapitel 6 fasst die Erkenntnisse zusammen und schließt die Arbeit ab.

Variantenmanagement
3
2 VARIANTENMANAGEMENT
2.1 Variantenreichtum
Der Variantenreichtum hat viele Ursachen, unternehmensinterne und -ex-
terne. Die Hauptursache ist neben dem gesellschaftlichen Wandel die ak-
tuelle Entwicklung der Industrie, die von der Produkt- über Markt- zur Indi-
vidualorientierung führte und nun maßgeschneiderte Produkte verlangt.
Durch die zunehmende Marktsegmentierung, steigende Marktdynamik
und die technologische Entwicklung wirkt der Absatzmarkt auf das Unter-
nehmen ein und es muss sich den veränderten Bedingungen anpassen.
Dies betrifft sowohl Verbrauchsgüter und Dienstleistungen als auch Ma-
schinen und Anlagen. So fordern die Kunden zunehmend auf sie zuge-
schnittene Produkte und die Durchsetzung auf globalen Märkten erfordert
die Einhaltung deren Rahmenbedingungen. Auf diese Forderungen kann
ein Hersteller mit Produktvarianten reagieren. Da die Entwicklung neuer
Produkte sehr aufwendig und kostenintensiv für ein Unternehmen ist, bie-
tet sich die Variation bestehender Produkte an. Durch diese Anpassungen
können auch leichter neue Märkte erschlossen und nationale Vorgaben für
Produkte (sprachlich, kulturell, rechtlich, Normen und Standards) erfüllt
werden. Auch das Erschließen von Marktnischen kann mit Hilfe von Pro-
duktvarianten erfolgen. Durch Variation hinsichtlich der verwendeten Ma-
terialien können sogar Niedrigpreismärkte beliefert werden. Somit kann
der Umsatz auf stagnierenden Märkten stabilisiert oder gesteigert werden.
Die Produktvarianten verlangen geeignete Produktstrukturen und Unter-
nehmensprozesse, sodass sie einfacher, schneller und kostengünstiger zu
erstellen sind. Dies führt zu einer zunehmenden internen Vielfalt, denn die
Produktvielfalt erfordert die Anpassung der Konstruktions-, Herstellungs-,
Verwaltungs-, Vertriebs- und Beschaffungsprozesse.
Durch Modularisierung können Zulieferer von Produktkomponenten integ-
riert oder Netzwerke zur Forschung und Entwicklung gebildet werden, wo-
durch die Verantwortung und das Risiko verteilt werden. Auch können
durch die Parallelisierung der Produktentwicklung und -herstellung die
Entwicklungszeiten, -kosten und -risiken reduziert und das Produkt schnel-

Variantenmanagement
4
ler auf den Markt gebracht werden. Denn je schneller ein Produkt auf dem
Markt positioniert ist, um so aktueller ist es hinsichtlich der Technologien
und um so mehr wird es gewinnbringend nachgefragt.
Die externe Variantenvielfalt bezieht sich also auf das angebotene Produkt
und die interne auf die Unternehmensprozesse zur Realisierung. Grund-
sätzlich gilt dabei, die externe Vielfalt zu erhöhen und angemessen zu ge-
stalten und gleichzeitig die interne Vielfalt zu minimieren.
Eine Übersicht zu den Ursachen der Vielfalt verdeutlicht Abbildung 2­1.
Abbildung 2­1: Entstehung, Möglichkeiten und Determinanten der Vielfalt
1
Die beschriebenen und weitere Ursachen führen zum aktuellen Varianten-
reichtum.
2
Dem kann nicht nur mit Varianten- und Komplexitätsmanage-
ment entgegengewirkt werden, sondern bedarf auch geeigneter Wettbe-
werbsstrategien wie Produktdifferenzierung oder Marktsegmentierung.
3
1
Scheller, Sabine / Lemke, Arne, Variantenmanagement (09.01.2002), Studienarbeit an der TU
Dresden, http://www.tu-dresden.de/wwbwllog/Download/Fallstudienseminar/Variantenmanage-
ment.pdf, [25.04.2006], S. 1-16, S. 2.
2
Vgl. Pulm, Udo, Eine systemtheoretische Betrachtung der Produktentwicklung, (07.07.2004), Dis-
sertation an der TU München, http://mediatum.ub.tum.de/mediatum/servlets/MCRFileNodeServ-
let/mediaTUM_derivate_000000000001867/mediaTUM_derivate_000000000001867.pdf,
[16.07.2006], S. 1-262, S. 13-16, 127-128.; Müller, Marc, Modularisierung von Produkten,
Ent-
wicklungszeiten
und
-kosten reduzieren, München / Wien 2000, S. 5-12.; Scheller / Lemke, Vari-
antenmanagement, S. 1-5.; Lingnau, Volker, Variantenmanagement, Produktionsplanung im
Rahmen einer Produktdifferenzierungsstrategie, Berlin 1994, S. 79-81, 84-85.; Franke, Hans-
Joachim / Hesselbach, Jürgen / Huch, Burkhard / Firchau, Norman L. (Hrsg.), Variantenmana-
gement in der Einzel- und Kleinserienfertigung, München / Wien 2002, S. 3-5.; und viele andere.
3
Vgl. Lingnau, Variantenmanagement, S. 70-77.

Variantenmanagement
5
"Die wesentlichen Elemente eines Variantenmanagements sind die Vari-
antenstrategie und das operative Management"
4
, wobei die Variantenstra-
tegie die grundlegende Ausrichtung und Rahmenbedingungen festlegt und
das operative Management die Umsetzung der Strategie durchführt.
5
2.2 Komplexität von Produkten
"Die Komplexität eines technischen Systems ist ein objektiv feststellba-
res Maß für die Anzahl und Unterschiedlichkeit der Elemente und deren
Relationen."
6
Bezogen auf die Vielzahl und Vielfalt der Elemente und Rela-
tionen im Unternehmen wird dies als Innenkomplexität bezeichnet.
7
Ebenso setzt sich die Komplexität von Produkten aus der Beziehungs-
vielfalt (Konnektivität) und Elementevielfalt (Varietät) zusammen.
8
Sie ent-
steht somit durch eine hohe Anzahl Produkteigenschaften.
Produkteigenschaften gliedern sich nach DIN 2330 in drei Gruppen:
9
§
Beschaffenheit umfasst die Merkmale des Produktes selbst, z. B.
Form, Gestalt, Abmessungen, Werkstoff, Farbe.
§
Funktionsmerkmale stellen den erzielten Zweck dar, z. B. Dreh-
moment, Drehzahl.
§
Relationen sind die Merkmale in Bezug auf Zusammenhang mit an-
deren Systemen, z. B. Temperaturbeständigkeit, Schwingungen und
Verformungen aufgrund äußerer Belastungen, Herstellkosten.
Beschaffenheits- und Relationsmerkmale beschreiben den Zustand ei-
nes Objektes. Beschaffenheitsmerkmale werden unmittelbar festgelegt.
Funktion und Relationen sind dagegen von der Beschaffenheit abhängig
und werden mittelbar festgelegt, aber unmittelbar gefordert.
10
4
Rathnow, Peter J., Integriertes Variantenmanagement, Bestimmung, Realisierung und Sicherung
der optimalen Produktvielfalt, Göttingen 1993, S. 179.
5
Vgl. ebenda, S. 179-180.
6
Vgl. Ehrlenspiel, Klaus, Integrierte Produktentwicklung, Denkabläufe, Methodeneinsatz, Zusam-
menarbeit, 2. Aufl., München / Wien 2003, S. 666.
7
Vgl. Rathnow, Integriertes Variantenmanagement, S. 8-9.
8
Vgl. Franke et al., Variantenmanagement in der Einzel- und Kleinserienfertigung, S. 9.
9
Vgl. DIN 2330, zit. in: Ehrlenspiel, Integrierte Produktentwicklung, S. 24-25.
10
Vgl. Ehrlenspiel, Integrierte Produktentwicklung, S. 24-25.

Variantenmanagement
6
Merkmale sind die das Produkt kennzeichnenden Eigenschaften. Sie bil-
den zwei Gruppen: Funktions- und Nichtfunktionseigenschaften.
11
Nach Ehrlenspiel hängt die Komplexität von vier Objektmerkmalen ab:
12
§
Anzahl der Variablen als Anzahl der abhängigen Parameter,
§
Vernetztheit als Grad der Abhängigkeiten untereinander, wobei er in
positive und negative Abhängigkeiten unterscheidet,
§
Unklarheit i.S.d. Intransparenz von Eigenschaften des Systems,
§
Eigendynamik als Veränderung durch das System selbst.
Neben Objektmerkmalen, zu denen die Objektkomplexität zählt, definiert
er auch Zielmerkmale, die sich auf das Ziel und die Funktion des Objektes
beziehen, Mittelmerkmale mit Methoden und Wissen zur Zielerreichung
sowie verfügbare Bearbeitungszeit und Zeitpunkt als Zeitmerkmale.
13
Technische Anlagen
Kanten, Konturen (Grenzen zw. Flächen)
Maschinen
Aggregate
Baugruppen
Oberflächen (Wirkflächen)
Maschinenelemente (Bauelemente)
Teilkörper
Bauteile (Werkstücke)
Punkte (Punktfolgen, Splines)
Flugzeug, Schiff, verfahrenstech-
nische Anlage (z.B. 100.000 Teile)
Schnittkante
Werkzeugmachine, Kopier-
maschine (z.B. 1.000 Teile)
Automobil, Notstromaggregat
(z.B. 10.000 Teile)
Vorschubeinheit
(z.B. 100 Teile)
Lauffläche, Schneidfläche
Spanneinrichtung, Kugel-lager,
Chip (z.B. 10 Teile)
Senkung, Fase, Eindrehung
Innenring, Kugel, Schraube
(1 Teil)
Nadelspitze
Beispiele:
Abbildung 2­2: Klassifikation technischer Systeme nach ihrer Komplexität
14
11
Vgl. Ehrlenspiel, Integrierte Produktentwicklung, S. 374.
12
Vgl. ebenda, S. 49-50.
13
Vgl. ebenda, S. 51-52.
14
Ebenda, S. 32 (vereinfacht).

Variantenmanagement
7
Um die Komplexität von Produkten zu beherrschen, bedarf es eines Kom-
plexitätsmanagements. Es "umfasst die Gestaltung, Steuerung und Ent-
wicklung der Vielfalt des Leistungsspektrums [..] im Unternehmen"
15
und
schafft die Fähigkeit zur Maximierung des Kundennutzens bei Erhaltung
der Wirtschaftlichkeit des Herstellers.
16
Abbildung 2­3: Umgang mit der Produktkomplexität
17
Das Ziel des Komplexitätsmanagements besteht im Finden des Optimums
zwischen den Nutzeneffekten der Variantenvielfalt (z. B. ein höherer Preis)
und den Kosten der Komplexitätsbeherrschung für das Unternehmen.
18
Dies stellt die Abbildung 2­3 anschaulich dar.
2.3 Komplexitätsreduzierung, -beherrschung und -vermeidung
Die angebotene Produktvielfalt und somit entstehende unternehmensex-
terne und -interne Komplexität kann ein Unternehmen leicht in einen Teu-
felskreis oder in die Komplexitätsfalle, die Abbildung 2­4 darstellt, führen.
15
Schuh, Günther, Produktkomplexität managen, Strategien - Methoden - Tools, 2. Aufl., München
/ Wien 2005, S. 36.
16
Vgl. ebenda, S. 15-19, 36.
17
Schuh, Produktkomplexität managen, S. 20.
18
Vgl. Rathnow, Integriertes Variantenmanagement, S. 9.

Variantenmanagement
8
Abbildung 2­4: Komplexitätsfalle und Auswirkungen der Vielfalt
19
Damit Vielfalt dennoch als Wettbewerbsvorteil genutzt werden kann, gilt
es acht Pflichten des Komplexitätsmanagements zu beachten. Sie sollen
die Spannung zwischen Kundenwünschen und Skaleneffekten abbauen.
20
1. Komplexitätstreiber richtig ausbalancieren
2. Varianten gezielt quersubventionieren
3. Die optimale Variantenvielfalt finden
4. Preisqualität durch Konfigurationslogik sichern
5. Kundenbedürfnisse exakt treffen
6. Selbstkonkurrenzierung vermeiden
7. Kommunalitätsgrad durch Modularisierung
8. Vertrieb ergebnisorientiert steuern
Da Komplexität durch Kombination von Objekten (wie Merkmale, Perso-
nen, Vorgänge) entsteht, kann sich unnötige (unternehmensinterne) Kom-
plexität schon durch die Verwendung uneinheitlicher Begriffe bilden. Zur
Komplexitätsreduzierung gibt es generell einsetzbare Methoden wie:
21
§
Anzahl der Objekte reduzieren: Externe Varianten an Marktnachfrage
anpassen, Produktstruktur vereinfachen,
§
Stufen der Kombination reduzieren: Pakete mit Merkmalsbündelung,
§
Sachverhalte genau definieren: Auftragsdokumentation in allen Un-
ternehmensbereichen gleich strukturieren und gemeinsame Begriff-
lichkeiten verwenden, Varianten immer von Stammdaten ableiten.
19
Pulm, Eine systemtheoretische Betrachtung der Produktentwicklung, S. 132.
20
Vgl. Desoi, Jens (WZL / IPT Aachen), Produktionsmanagement I, Komplexitätsmanagement,
Vorlesungsscript (17.01.2005), http://www.wzl.rwth-aachen.de/de/080d8d8c949a1ac0c1256f19-
0035d886/pm_i_deu_v12.pdf, [08.05.2006], S. 1-19, S. 4-12.
21
Vgl. Franke et al., Variantenmanagement in der Einzel- und Kleinserienfertigung, S. 10-11.

Variantenmanagement
9
Zur Komplexitätsbewältigung existieren nach Ehrlenspiel noch zwei we-
sentliche Maßnahmen: die Artteilung als Einführung von Zwischenzustän-
den und die Mengenteilung als Parallelisierung der Arbeit.
22
Die wesentlichen Ansätze des Variantenmanagements nach Schuh sind:
23
§
Varianten reduzieren: kurzfristig wirksam, Aufräumaktionen,
§
Varianten vermeiden: mittel-/langfristig wirksam, Neuausrichtung,
§
Varianten beherrschen: langfristig wirksam, Nachhaltigkeit sichern.
Auch Wildemann sieht die Reduzierung, Vermeidung und Beherrschung
als zentrale Ansätze des Variantenmanagements, bezieht dies aber auf
die Komplexität und definiert das Bausteinkonzept (Abbildung 2­5).
24
Abbildung 2­5: Bausteinkonzept zum Variantenmanagement nach Wildemann
25
Komplexitätsbewältigung kann aber auch durch geeignete Methoden und
bewährte klassische Ansätze zur Beherrschung (Kapitel 3) erfolgen. Durch
Analysieren und systematische Bereinigung bzw. Vereinfachung der vor-
handenen Produkte und Komponenten kann eine Reduzierung und Ver-
meidung der Komplexität langfristig bestehen (Kapitel 3.4).
22
Vgl. Ehrlenspiel, Integrierte Produktentwicklung, S. 150.
23
Vgl. Wildemann, Horst, Komplexitätsmanagement, München 2000, zit. in: Förster, Michael, Vari-
antenmanagement nach Fusionen in Unternehmen des Anlagen- und Maschinenbaus
(28.04.2004), Dissertation an der TU München, http://mediatum.ub.tum.de/mediatum/serv-
lets/MCRFileNodeServlet/mediaTUM_derivate_000000000001823/mediaTUM_deri-
vate_000000000001823.pdf, [16.07.2006], S. 1-191(199), S. 50.
24
Vgl. Pulm, Eine systemtheoretische Betrachtung der Produktentwicklung, S. 135.
25
Wildemann, Horst, Variantenmanagement, Leitfaden zur Komplexitätsreduzierung, -beherr-
schung und -vermeidung in Produkt und Prozess, 12. Aufl., München 2004, S. 52.

Variantenmanagement
10
2.4 Produktstruktur und -management
Basierend auf der Definition nach DIN 199 ist ein Produkt aus Verwen-
dungssicht ein durch Produktion entstandenes Sachgut, das für den Ge-
brauch und den Verkauf am Absatzmarkt bestimmt ist. Dabei verhält sich
der Begriff synonym zu Erzeugnis. Es kann materiell und immateriell sein.
Produzierte Gegenstände, die nicht für den Absatzmarkt vorgesehen sind,
werden als Vorprodukte oder Komponenten bezeichnet.
26
Einzelteile sind
nicht zerstörungsfrei zerlegbar. Gruppen sind Gegenstände, die Einzeltei-
le oder andere Gruppen umfassen. Teile brauchen aus Anwendersicht
nicht weiter zerlegt werden und können Gruppen und Produkte sein.
27
Die Produkt- bzw. Erzeugnisstruktur dient der Abbildung der Komplexi-
tät eines Produktes durch die strukturierte Darstellung seiner Komponen-
ten. Die Komponenten (Baugruppen und Einzelteile) werden mit ihren Be-
ziehungen ebenenweise erfasst und bilden die Strukturstufen.
28
Die Anzahl
Strukturstufen bildet die Strukturtiefe und die Anzahl Stücklistenpositionen
die Strukturbreite des Produktes. Die Produktstruktur beschreibt somit den
konstruktionsbedingten Aufbau eines ganzen Produktes.
29
Die Strukturtiefe
bestimmt die Produktkomplexität, so gelten sieben Ebenen als optimal.
30
Die Produktstruktur dient neben der strukturellen Gliederung der Bauteile
zur Steigerung der Mehrfachverwendung von Komponenten, Vereinfa-
chung der Produktionsdaten und Optimierung der Disposition. Sie nimmt
bei der Gesamtoptimierung der Vielfalt sogar eine Schlüsselrolle ein.
31
"Die Produktstruktur ist der Schlüssel zur Planung."
32
Diese Aussage
festigt Müller durch die folgende Abbildung, in welcher der Einfluss auf
und durch die Produktstruktur dargestellt sind.
33
26
Vgl. Lingnau, Variantenmanagement, S. 19-20.
27
Vgl. ebenda, S. 19.; DIN 199 und DIN 2330, zit. in: Franke et al., Variantenmanagement in der
Einzel- und Kleinserienfertigung, S. 63.
28
Vgl. Schuh, Produktkomplexität managen, S. 119.
29
Vgl. Lingnau, Variantenmanagement, S. 41.
30
Vgl. Schuh, Produktkomplexität managen, S. 141.
31
Vgl. ebenda, S. 119-120.
32
Müller, Modularisierung von Produkten, S. 28.
33
Vgl. ebenda.

Variantenmanagement
11
Markt
Projektstruktur
Module
Variantenbildung
Schnittstellen
Baukasten
Technik
Funktionalität
Normung
Funktionen
Produktstruktur
Abbildung 2­6: Produktstruktur und ihre Einflussgrößen
34
Die Produktstruktur setzt sich in der Konstruktion aus Funktions- und Bau-
struktur zusammen, wobei die Funktionsstruktur die Abbildung der Funkti-
onen und die Baustruktur den modularen Aufbau des Produktes zeigt.
Bei ausgeprägter modularer Bauweise besteht eine 1:1-Beziehung zwi-
schen Funktions- und Baustruktur (Abbildung 2­7). Durch das Zusammen-
fassen von Bauteilen ohne Einschränkung der Gesamtfunktion entsteht
durch die funktionale Abhängigkeit der Komponenten eine 1:n-Beziehung
und die Produktstruktur ist damit nicht mehr modular.
35
Gesamtfunktion
Teilfunktion
Unter-
funktion
Unter-
funktion
Teilfunktion
Unter-
funktion
Unter-
funktion
Produkt
Modul
Kompo-
nente
Kompo-
nente
Modul
Kompo-
nente
Kompo-
nente
Funktionsstruktur
Transformation
Baustruktur
Produktstruktur
Abbildung 2­7: Produktstruktur als Summe aus Funktions- und Baustruktur
36
"Die Produktstruktur bedingt die Organisationsstruktur", also die Ferti-
gungstiefe beeinflusst den Herstellprozess und Automatisierungsgrad.
37
34
Müller, Modularisierung von Produkten, S. 28.
35
Vgl. Schmidt, Beitrag zum Variantenmanagement und zur Prozessoptimierung im Wagenkasten-
bau von Schienenfahrzeugen, S. 60.
36
Göpfert, Jan, Modulare Produktentwicklung, Zur gemeinsamen Gestaltung von Technik und Or-
ganisation, Wiesbaden 1998, zit. in: Schmidt, Holger, Beitrag zum Variantenmanagement und
zur Prozessoptimierung im Wagenkastenbau von Schienenfahrzeugen (22.07.2002), Disserta-
tion an der TU Berlin, http://edocs.tu-berlin.de/diss/2002/schmidt_holger.pdf, [25.04.2006], S. 1-
159(165), S. 60.
37
Vgl. Ehrlenspiel, Integrierte Produktentwicklung, S. 42.

Variantenmanagement
12
2.5 Varianten
Basierend auf der Definition nach DIN 199 sind Varianten Gegenstände,
die sich in Form oder Funktion ähneln und meist einen hohen Anteil iden-
tischer Teile aufweisen.
38
Dies ermöglicht auch immaterielle Varianten.
39
Durch Änderung bestehender Merkmale werden neue Varianten gebildet,
was sie von Typen, die durch Erweiterung entstehen, abgrenzt.
40
Neue Va-
rianten können zeitgleich zu bestehenden Varianten hergestellt werden.
41
Varianten teilen sich in Produkt- und Prozessvarianten auf, wobei Pro-
zessvarianten mit Ressourcenbeanspruchung verbunden sind.
42
Varianten können auf allen Ebenen der Produktzusammensetzung vor-
kommen, bei ein- und mehrteiligen. Bei Produkten, die sich nur in einzel-
nen Teilen unterscheiden, existieren einfache Varianten, komplexe Varian-
tenstrukturen dagegen bei Varianten in Varianten (Variantenstrukturen).
43
Lingnau definiert folgende Einteilung anhand ihrer Merkmale:
44
§
technisch
§
Geometrievarianten
§
Formvarianten (unterschiedliche Gestalt)
§
Maßvarianten (Variation in der Abmessung)
§
Materialvarianten (verschiedene Materialien für gleiche Kompo-
nenten), Spezialfall sind Oberflächenvarianten (unterschiedliche
Oberfläche, also Farbe und Beschaffenheit)
§
Technologievarianten (unterschiedliche Bearbeitungsarten und
-abläufe bei der Herstellung)
§
strukturell
38
Vgl. Lingnau, Variantenmanagement, S. 23-24.; Franke et al., Variantenmanagement in der Ein-
zel- und Kleinserienfertigung, S. 11.
39
Vgl. Lingnau, Variantenmanagement, S. 24.; Franke et al., Variantenmanagement in der Einzel-
und Kleinserienfertigung, S. 53.; Rathnow, Integriertes Variantenmanagement, S. 8.
40
Vgl. Lingnau, Variantenmanagement, S. 24.; Franke et al., Variantenmanagement in der Einzel-
und Kleinserienfertigung, S. 53.
41
Vgl. Wikipedia, Variante, 15.02.2006, http://de.wikipedia.org/wiki/Variante, [21.07.2006].
42
Vgl. Franke et al., Variantenmanagement in der Einzel- und Kleinserienfertigung, S. 12.
43
Vgl. Lingnau, Variantenmanagement, S. 24-25.
44
Vgl. ebenda, S. 26.

Variantenmanagement
13
Mehrteilige Varianten können aus unterschiedlichen Komponenten zu-
sammengesetzt sein (Strukturvarianten). Dabei kann zwischen alternati-
ven Produktkomponenten (Mussvarianten) und zusätzlichen Komponen-
ten (Kannvarianten) gewählt werden. Kannvarianten existieren aber nur
bei Vorhandensein von Standardformen und sind somit additiv.
45
Abbildung 2­8 verdeutlicht die Einteilung mit Strukturen und Merkmalen.
einfache Variantenstruktur
Mussvariante
Kannvariante
strukturelle V.
technische V.
einteiliges Produkt
komplexe Variantenstruktur
Geometrie
mehrteiliges Produkt
Material
Form
Technologie
Maß
unechte Mussv.
echte Mussv.
Abbildung 2­8: Variantenarten und Merkmalsausprägungen nach Lingnau
46
Varianten können hinsichtlich ihrer Ausprägungsfestlegung in hersteller-
spezifische und kundenspezifische Varianten eingeteilt werden.
47
Franke präzisiert dies in interner und externer Vielfalt. Dabei bezeichnet er
als externe Vielfalt die "für den Kunden nutzbare Vielfalt von Produktvari-
anten"
48
, die für den Kunden zur Nutzenstiftung erkennbar sein muss. Sie
sollte aber die vom Markt geforderte Vielfalt nicht übersteigen.
49
Die interne Vielfalt umfasst die Anhäufung an Produktteilen, Produkten
und Prozessen im Rahmen der Auftragsabwicklung. Sie erzeugt steigende
Komplexität und fehlende Transparenz in Unternehmensprozessen und
erhöht somit die internen Kosten und Aufwendungen.
50
45
Vgl. Lingnau, Variantenmanagement, S. 26-27.
46
Ebenda, S. 28 (vereinfacht).; Die Kategorien nach Franke et al. sind ähnlich.
47
Vgl. ebenda, S. 25.
48
Vgl. Bartuschat, Martin, Ein Beitrag zur Beherrschung der Variantenvielfalt in der Serienfertigung,
Essen 1995, zit. in: Franke et al., Variantenmanagement in der Einzel- und Kleinserienfertigung,
S. 13.
49
Vgl. ebenda, S. 13.
50
Vgl. ebenda, S. 13.

Variantenmanagement
14
Ehrlenspiel unterscheidet die Variantenvielfalt in
§
Produkt- oder Erzeugnisvarianten, also die für den Kunden sicht-
bare Vielfalt, wie z. B. Leistung, Ausstattung, Material, Design, und
§
Baugruppen- und Teilevarianten, die unternehmensintern durch
die Fertigungs- und Montagetechniken entstehen.
51
"Variantenmanagement umfasst alle Steuerungsvorgänge zur Optimie-
rung der Variantenvielfalt und zur Beherrschung der Auswirkungen varian-
tenreicher Produktspektren."
52
Daraus ergeben sich wesentliche Ziele des Variantenmanagements:
53
§
Minimierung der internen Vielfalt,
§
Bereitstellen der erforderlichen Varianz am Markt,
§
unnötige Varianten erkennen und reduzieren,
§
Durchlaufzeiten und indirekte Kosten verringern,
§
standardisierte Vormaterialien und Rohteile verwenden,
§
gleiche Werkzeuge für unterschiedliche Varianten nutzen und
§
"funktionale Varianz durch Konfiguration statt durch Konstruktion".
Anzumerken ist hierbei die empirische Untersuchung von Lingnau von
1994, in der die Hälfte der befragten variantenreichen Fertigungsunterneh-
men angab, dass die Variantenvielfalt trotz fehlender Unterschiede in den
Teilegruppen zu wesentlichen Durchlaufzeitverlängerungen führt. Dies ist
bei 64 % der Befragten auf wechselnde Kapazitätsengpässe und bei 52 %
auf beschränkte Möglichkeiten zu Losteilung und Überlappung zurückzu-
führen. Demnach ist die Zunahme der Variantenzahl nicht der entschei-
dende Grund für eine Verlängerung der Durchlaufzeiten.
54
51
Vgl. Ehrlenspiel, Integrierte Produktentwicklung, S. 637.
52
Vgl. Menge, Marc, Ein Beitrag zur Beherrschung der Variantenvielfalt in der auftragsbezogenen
Einzel- und Kleinserienfertigung komplexer Produkte, Braunschweig 2001, zit. in: Franke et al.,
Variantenmanagement in der Einzel- und Kleinserienfertigung, S. 12.
53
Vgl. Ehrlenspiel, Integrierte Produktentwicklung, S. 636.; Franke et al., Variantenmanagement in
der Einzel- und Kleinserienfertigung, S. 13, 16.
54
Vgl. Lingnau, Variantenmanagement, S. 215.

Variantenmanagement
15
2.6 Typung
Die "Standardisierung der angebotenen Eigenschaftenkombination"
55
wird
als Typung bezeichnet. Dies bezieht sich auf die Produktebene. Auf der
Bauteilebene wird das Überführen in Gleichheit als Normung bezeichnet.
56
Normung und Typung reduzieren die Vielfalt und tragen durch wiederholte
Verwendung zur Kostensenkung bei. Weitere Vorteile sind Vereinfachun-
gen im Vertrieb, Reduzierung der Anzahl Werkzeuge bei der Fertigung
und bessere Wartbarkeit der Produkte. Dagegen erhöhen sie den Verwal-
tungsaufwand der Varianten, die Materialkosten bei umfangreicheren Tei-
len und den Abstimmungsbedarf zwischen Unternehmensbereichen.
57
Eine Klasse hinsichtlich der Eigenschaften (Funktion oder Konstruktions-
art) vergleichbarer Produkte ist ein Produkttyp.
58
Er ist durch seine Bauart
definiert und kann zu einer Produktfamilie zählen (Abbildung 3­7, S. 35).
59
Durch Erweiterung der Eigenschaften, Funktionen oder Arbeitsprinzipien
entstehen neue Produkttypen. Dies kann
§
vertriebsorientiert anhand von Absatzkriterien wie Produktpro-
gramm, Kundenwünsche,
§
konstruktions- und arbeitsplanungsorientiert hinsichtlich der Ver-
einfachung der internen Prozesse oder
§
fertigungsorientiert zur Optimierung der Fertigungsabläufe
erfolgen. Dazu werden relevante Ähnlichkeitsmerkmale bzgl. Beschaffung,
Herstellung, Material, Geometrie, Bedarfsverlauf identifiziert.
60
Hinsichtlich der Typenanzahl gibt es zwei Möglichkeiten: wenige Typen
mit vielen heterogenen Varianten und viele Typen mit wenigen Varianten
55
Rathnow, Integriertes Variantenmanagement, S. 109.
56
Vgl. Rathnow, Integriertes Variantenmanagement, S. 111.; Franke et al., Variantenmanagement
in der Einzel- und Kleinserienfertigung, S. 56.
57
Vgl. Basedow, Christian, Variantenmanagement, Studienarbeit an der TH Karlsruhe, Hamburg
2003, S. 22.
58
Vgl. Lingnau, Variantenmanagement, S. 20-22.; Förster, Variantenmanagement nach Fusionen
in Unternehmen des Anlagen- und Maschinenbaus, S. 14.
59
Vgl. Förster, Variantenmanagement nach Fusionen in Unternehmen des Anlagen- und Maschi-
nenbaus, S. 14.
60
Vgl. Lingnau, Variantenmanagement, S. 20-22.

Variantenmanagement
16
aber hoher Gleichteilzahl. Der Anteil der Gleichteile steigt mit der Anzahl
Typen und strebt gegen 100 %, wenn jede Variante als Typ definiert ist.
61
2.7 Gleichteile
Gleichteile sind (entgegen den Varianten) identische und variantenunab-
hängige Komponenten eines Erzeugnisses
62
und können in mehreren Mo-
dellversionen, Varianten und Gruppen verbaut
63
werden. Sie werden bei
den Funktionsbauweisen Norm- und Gleichteile, Baukasten- und Platt-
formbauweise, bei Differentialbauweise sowie bei Stücklisten verwendet.
Gleichteile werden oft im Automobilbau und speziell im Konzernverbund
(wie z. B. im Volkswagen Konzern) eingesetzt. Durch die Verwendung von
Gleichteilen können Entwicklungs- und Produktionskosten sowie Entwick-
lungszeiten gesenkt werden. Auch bewirkt sie Kosteneinsparungen durch
die somit erhöhten Losgrößen bei Produktion und Fremdbezug.
64
Weitere
Vorteile sind Vereinfachungen im Vertrieb und bessere Wartbarkeit der
Produkte. Demgegenüber erhöhen sie den Verwaltungsaufwand der Vari-
anten, die Materialkosten bei umfangreicheren Teilen und den Abstim-
mungsbedarf zwischen Unternehmensbereichen.
65
Gegenüber den Gleichteilen gibt es ähnliche Teile. Sie sind verschieden,
aber vergleichbar, und ähneln sich hinsichtlich folgender Merkmale:
66
§
Geometrie, Gestalt und Form des Teils,
§
Oberflächenbeschaffenheit und deren Qualität,
§
Verwendeter Werkstoff,
§
Fertigungsverfahren bei der Herstellung oder
§
Betriebsmittel der Fertigung.
Gleichteile können als Bausteine in die Baukastenbauweise einfließen.
67
61
Vgl. Lingnau, Variantenmanagement, S. 22-23.
62
Vgl. ebenda, S. 23-24.
63
Vgl. Wikipedia, Gleichteil, 11.06.2006, http://de.wikipedia.org/wiki/Gleichteil, [21.07.2006].; Wiki-
pedia,
Plattform,
19.07.2006,
http://de.wikipedia.org/wiki/Plattform_%28Automobil%29,
[21.07.2006].
64
Vgl. ebenda.
65
Vgl. Basedow, Variantenmanagement, S. 22.
66
Vgl. Wikipedia, Einzelteil, 14.04.2006, http://de.wikipedia.org/wiki/Einzelteil, [21.07.2006].

Variantenmanagement
17
2.8 Wiederholteile
Wiederholteile sind standardisierte Produktkomponenten, die mehrmalig
verwendet werden. So werden sie in der Baukasten-, Baureihen- und
Wiederholteilbauweise sowie bei der Differentialbauweise eingesetzt.
Bei der Verwendung von Wiederholteilen werden in der Konstruktion meist
EDV-Systeme (EDM, PDM) mit Wiederholteilkatalogen oder -suchsys-
temen eingesetzt, die das effektivere Finden eines vorhandenen Teils an-
hand der gewünschten Merkmale unterstützen.
68
2.9 Variantenmanagement im Maschinen- und Anlagenbau
Unternehmen lassen sich anhand ihrer Produkte und Produktprogramme
(einfache / komplexe Produkte, Konsum- / Investitionsgüter, Einzel-/ ano-
nyme Kunden) und ihrer Produktionsart (Einzel- und Serienfertigung, Ferti-
gungstiefe) einteilen. Sie können auch in Hersteller von Aggregaten, Elek-
trogeräten, Maschinen und Anlagen, Produktionsgeräten, Kraftfahrzeugen
sowie Zulieferer für Komponenten und Einzelteilen klassifiziert werden.
69
Der Maschinenbau (inkl. Anlagenbau) ist neben der Elektrotechnik-, Au-
tomobil- und Nahrungsmittelindustrie eine der zentralen Wirtschaftsbran-
chen des produzierenden Gewerbes in Deutschland. Im Jahr 2005 war der
Maschinenbau mit ca. 862.000 Beschäftigten in Deutschland der größte
industrielle Arbeitgeber. Er lag zwar mit einem Umsatz von ca. 151 Mrd.
Euro hinter der Automobil- und Elektrotechnikindustrie, konnte damit aber
einen höheren Anstieg als diese (+6 % gegenüber dem Vorjahr) verzeich-
nen. Die Produktion im deutschen Maschinenbau wuchs in 2005 um 4,4 %
gegenüber dem Vorjahr, bei der EU nur um 2,4 %, aber bei den USA und
Japan um 5 %. Die Auslandsnachfrage ist um 9 % gestiegen, wodurch der
Auftragseingang im deutschen Maschinenbau um 6 % anstieg. Innerhalb
67
Vgl. Franke et al., Variantenmanagement in der Einzel- und Kleinserienfertigung, S. 74.
68
Vgl. ebenda, S. 78-79.
69
Vgl. Förster, Variantenmanagement nach Fusionen in Unternehmen des Anlagen- und Maschi-
nenbaus, S. 9-10.

Variantenmanagement
18
der Branche Maschinenbau zeigten die Fachzweige Verfahrenstechnische
Maschinen und Apparate (59 %), Bergbaumaschinen (39 %), Hütten- und
Walzwerkeinrichtungen (26 %), Wäschereimaschinen (19 %) und Turbinen
(17 %) die stärkste reale Veränderung gegenüber 2004.
70
Der Maschinenbau produziert Betriebsmittel für Industrie- und Dienst-
leistungsunternehmen. Die Produkte sind somit sehr heterogen und rei-
chen von der Serienfertigung bis zur spezialisierten Sonderanfertigung.
71
Als eine Disziplin des Maschinenbaus ist der Anlagenbau auf die Herstel-
lung großtechnischer Anlagen mittels Verfahrenstechnik spezialisiert.
72
So ist z. B. der Schienenfahrzeugbau eine manufakturartige Kleinserien-
fertigung mit Losgrößen bis zu 20 Fahrzeugen pro Auftrag. Er ist durch
hohe Komplexität der Produkte, geringen Automatisierungsgrad und tech-
nisches Niveau, hohe Arbeitsteilung, komplexe Montageabläufe und Ver-
netztheit gekennzeichnet. Im Großanlagen- und Flugzeugbau oder bei
Losgrößen ab 50 Stück pro Auftrag kann eine getaktete Fließfertigung
stattfinden. Die Montage nimmt dabei über 70 % der Fertigungszeit ein.
73
Die Stärke des Maschinen- und Anlagenbaus liegt in der Technologiefüh-
rerschaft, Innovationskraft und Flexibilität.
74
Typisch für den Maschinen-
und Anlagenbau sind die Konzentration auf A-Kunden und A-Produkte,
geringe Fertigungstiefe und starke Lieferantenbindung beim Outsourcing.
75
Weiterhin sind neben der Einzel- und Kleinserienfertigung das ausgepräg-
te Projektgeschäft, die Kundenbindung und Kundenauftragsabhängigkeit
charakteristisch. Bei Auftragsfertigung und kundenspezifischen Produkten
70
Vgl. VDMA Volkswirtschaft und Statistik, Maschinenbau in Zahl und Bild 2006 (20.02.2006),
http://www.vdma.org/wps/wcm/resources/file/eb4b880915fcb86/Maschinen-
bau_in_Zahl_und_Bild_2006.pdf, [30.06.2006], S. 1-34(36), S. 8-15.
71
Vgl. Schröder, Jens, Benchmarking von Entwicklungsbereichen im Maschinenbau (16.11.2003),
Dissertation
an
der
RWTH
Aachen,
http://sylvester.bth.rwth-aachen.de/dissertatio-
nen/2003/241/03_241.pdf, [30.07.2006], S. 1-194(247), S. 20.
72
Vgl. Wikipedia, Anlagenbau, 12.07.2006, http://de.wikipedia.org/wiki/Anlagenbau, [21.07.2006].
73
Vgl. Schmidt, Beitrag zum Variantenmanagement und zur Prozessoptimierung im Wagenkasten-
bau von Schienenfahrzeugen, S. 40-42.
74
Vgl. Trovarit AG, ERP-Systeme im Maschinen- und Anlagenbau, Marktüberblick, Projekte und
Anwenderzufriedenheit (07.10.2004), http://www.psipenta.de/uploads/mit_download/white_pa-
per_vdma.pdf, [15.08.2006], S. 1-32(34), S. 4.
75
Vgl. Ehrlenspiel, Integrierte Produktentwicklung, S. 221-222.

Variantenmanagement
19
herrscht eine höhere Komplexität im Unternehmen als bei Herstellern ein-
facher Produkte oder mit Serienfertigung. Durch die hohe Kundenorientie-
rung ist die Vielfalt in den Produkten und somit in der Herstellung höher.
76
Ergebnisse einer Studie zeigen die Problematik der Variantenvielfalt:
77
§
Anstieg der Teilenummern um 400 % in 10 Jahren,
§
50 % der Varianten sind überflüssig,
§
50 % der Investitionen sind komplexitätsbedingt,
§
nur 80 % der Tätigkeiten sind mittelbar wertschöpfend und
§
bei Verdopplung der Variantenzahl steigen die Kosten um 20-30 %.
Dies verdeutlicht die Notwendigkeit eines effizienten Variantenmanage-
ments. Abbildung 2­9 zeigt den Regelkreis des Variantenmanagements.
Abbildung 2­9: Regelkreis des Variantenmanagements
78
Variantenmanagement dient somit zur Organisation der notwendigen Res-
sourcen und Aufwende, also der Investitionen, und trägt mit den richtigen
Methoden zur Verbesserung und Kostenreduktion bei.
79
Derartige in der
Praxis bewährte Methoden werden im nächsten Kapitel kurz vorgestellt.
76
Vgl. Förster, Variantenmanagement nach Fusionen in Unternehmen des Anlagen- und Maschi-
nenbaus, S. 11, 15.; Trovarit AG, ERP-Systeme im Maschinen- und Anlagenbau, S. 4.
77
Vgl. Eversheim, Walter / Schuh, Günther / Caesar, Christoph, Variantenvielfalt in der Serienpro-
duktion, VDI-Z 130 (1988), S. 45-49, zit. in: Ehrlenspiel, Integrierte Produktentwicklung, S. 636.
78
Vgl. Desoi, Produktionsmanagement I, S. 13.
79
Vgl. Franke et al., Variantenmanagement in der Einzel- und Kleinserienfertigung, S. 80.

Klassische Ansätze
20
3 KLASSISCHE ANSÄTZE
Dieses Kapitel beschreibt die bestehenden Ansätze zur Variantenbeherr-
schung, -reduzierung und -vermeidung bzw. -eliminierung.
3.1 Ansätze in der Konstruktion (Variantenbeherrschung)
Die Ansätze in der Konstruktion dienen durch Produktstrukturkonzepte zur
Beherrschung der Variantenvielfalt und zeigen Möglichkeiten der varian-
tengerechten Produktgestaltung.
Da die Modularisierung ein zentraler Aspekt des Variantenmanagements
1
ist und einige Ansätze darauf basieren, wird zuerst sie vorgestellt.
3.1.1 Modularisierung
Die Modularisierung beschreibt das Aufgliedern eines komplexen Pro-
duktes in möglichst unabhängige Subsysteme (Module) und bezieht sich
auf die Produktstruktur und somit die Reduzierung der produktinneren
Komplexität. Module können dadurch parallel bearbeitet werden.
2
Die Modularisierung ist die gebräuchlichste Form der Strukturierung. Bau-
gruppen und Bauteile werden funktionsorientiert zu Modulen zusammen-
gefasst. Die Beziehungen zwischen den Systemelementen werden als
Baustruktur oder Strukturstückliste abgebildet.
3
Eine Produktstruktur ist
modular, wenn ihre Elemente funktional und physisch eigenständig sind,
wobei Teilfunktionen in den Modulen zusammengefasst werden können.
4
Die Modularisierung ist eine produktbezogene Standardisierung innerhalb
einer Produktfamilie, familienübergreifend ist das Plattformkonzept.
5
Es gibt vier Stufen der Modularisierung (Abbildung 3­1). Sie zeigen die
mögliche Variantenvielfalt anhand des Individualisierungsgrades, wobei
1
Vgl. Pulm, Eine systemtheoretische Betrachtung der Produktentwicklung, S. 132.
2
Vgl. Schmidt, Beitrag zum Variantenmanagement und zur Prozessoptimierung im Wagenkasten-
bau von Schienenfahrzeugen, S. 59, 61.
3
Vgl. Ehrlenspiel, Integrierte Produktentwicklung, S. 365.
4
Vgl. Schmidt, Beitrag zum Variantenmanagement und zur Prozessoptimierung im Wagenkasten-
bau von Schienenfahrzeugen, S. 59.
5
Vgl. Schuh, Produktkomplexität managen, S. 132.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783956361944
ISBN (Paperback)
9783836601856
Dateigröße
1.6 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Technische Universität Chemnitz – Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, Wirtschaftsinformatik
Erscheinungsdatum
2007 (Februar)
Note
2,0
Schlagworte
fallbasiertes schließen konstruktionsprozess maschinenbau wertschöpfung
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Titel: Fallbasiertes Schließen zur Komplexitätsreduktion
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