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Post-Merger Integration

Erfolgsfaktoren aus Sicht von Mitarbeitern und Experten

©2006 Doktorarbeit / Dissertation 228 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Problemstellung:
„Zusammenkommen ist ein Beginn, Zusammenbleiben ein Fortschritt, Zusammenarbeiten ist ein Erfolg.“ (Henry I. Ford).
Überraschenderweise zeigt die Realität, dass der im Rahmen von Zusammenschlüssen entstehende Enthusiasmus in keinem Verhältnis zu den letztlich geleisteten Ergebnisbeiträgen steht. Dementsprechend konstatieren zahlreiche empirische Studien lediglich eine durchschnittliche, branchenübergreifende Erfolgsquote von Unternehmenszusammenschlüssen in der Größenordnung von etwa 40 Prozent. So belegte beispielsweise eine Studie von A.T. Kearney, dass 58 Prozent der Zusammenschlüsse den Unternehmenswert nicht steigern konnten. Das heißt, eine große Anzahl von Unternehmenszusammenschlüssen erreichen ihre Integrationsziele nicht, mehr als die Hälfte muss als gescheitert eingestuft werden.
Nach einer empirischen Untersuchung des Instituts für marktorientierte Unternehmensführung resultieren gerade einmal 30 Prozent der Fusionen und Übernahmen in einer Steigerung des Unternehemenserfolgs. Bei der Untersuchung handelt es sich um eine der größten im deutschsprachigen Raum, bei der insgesamt 232 Merger- und Akquisitions-Transaktionen aus den Jahren 1996 bis 1999 aus insgesamt sechs Branchen analysiert wurden. Eine internationale Studie von McKinsey ergab sogar, dass in 59 Prozent aller untersuchten Transaktionen Unternehmenswert vernichtet wurde. Nach einer Untersuchung der Beratung Mercer Management Consulting erreichen nahezu 60 Prozent der Zusammenschlüsse ihre Ziele nicht, wobei diese Zahl aufgrund von Lerneffekten leicht rückläufig ist, wie sich aus der Studie ergibt.
Der Widerspruch zwischen der hohen Misserfolgsrate bei gleichzeitig hoher Anzahl durchgeführter Zusammenschlusstransaktionen wird in der wissenschaftlichen Literatur als „Merger-Anomalie“ bezeichnet. Dies führt zu der Überlegung ob, bzw. unter welchen Bedingungen durch Unternehmenszusammenschlüsse tatsächlich eine Stärkung der Markt- und Wettbewerbsposition erzielt werden kann und wie langfristig eine Wertsteigerung für beide Partner des Zusammenschlusses möglich ist. Bisher haben nur allzu viele Unternehmen schmerzhaft erfahren müssen, dass das bloße Identifizieren von synergiebringenden Unternehmenspartnern und eine gemeinsame Unterschrift auf einem Zusammenschluss-Vertrag noch lange kein Garant dafür sind, die angestrebten Synergieeffekte auch wirklich zu realisieren und eine zusätzliche Wertschöpfung zu generieren.
Die vorliegenden Zahlen über […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Kerstin Barnikel
Post-Merger Integration
Erfolgsfaktoren aus Sicht von Mitarbeitern und Experten
ISBN: 978-3-8366-0178-8
Druck Diplomica® GmbH, Hamburg, 2007
Zugl. Ludwig-Maximilian-Universität München, München, Deutschland, Dissertation /
Doktorarbeit, 2006
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© Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2007
Printed in Germany

Danksagung
An dieser Stelle möchte ich die Gelegenheit nutzen mich bei allen zu bedanken, die
mich bei der Erstellung meiner Dissertation begleitet und unterstützt haben.
Zunächst gilt mein herzlicher Dank meinem Doktorvater PD Dr. Jürgen Kaschube
für die Betreuung meiner Dissertation, seine Bereitschaft sich trotz seines
übervollen Terminkalenders stets Zeit für die Diskussion meiner Arbeit zu nehmen,
sowie für seine konstruktiven Vorschläge und Empfehlungen. Herrn Prof. Dr. Dr.
h.c. Lutz von Rosenstiel möchte ich meinen herzlichen Dank für die Übernahme des
Korreferates aussprechen.
Darüber hinaus bedanke ich mich bei allen, die ich im Rahmen meiner empirischen
Untersuchung interviewt habe. Die Gespräche stellen eine entscheidende Grundlage
meiner Arbeit dar und geben wertvolle Einblicke in die Unternehmenspraxis im
Kontext von Post-Merger Integrationen. In diesem Zusammenhang gilt mein Dank
auch allen Freunden und Bekannten, die mir bei der Rekrutierung von
Interviewpartnern behilflich waren.
Allen Mitarbeitern des Lehrstuhls von Prof. Kirsch, insbesondere Dominik van
Aaken und David Seidl PhD, danke ich für ihre Hilfsbereitschaft.
Bei meinen Etern Anne-Mai und Uwe Lehmann möchte ich mich dafür bedanken,
dass sie mein Psychologie- und BWL-Studium unterstützt und damit letztendlich
die Voraussetzung für meine berufliche Entwicklung geschaffen haben. Meiner
Mutter, ebenso wie meiner Schwiegermutter Helga Barnikel danke ich ausserdem
für ihre immerzu aufmunternden Worte; meinem Schwiegervater Dr. Helfried
Barnikel möchte ich für seine zahlreichen wertvollen Ratschläge danken.
Unermessbarer Dank gebührt meinem Bruder Dr. Lars Lehmann, der mir nicht nur
in Bezug auf meine Dissertation, sondern auch sonst stets mit Rat und Tat zur Seite
gestanden ist. In ihm einen Bruder, engen Freund und Soulmate zugleich zu haben,
ist für mich von unschätzbarem Wert.
Nicht zuletzt bedanke ich mich aus tiefstem Herzen bei meinem Mann Markus
Barnikel, der mir mit sehr viel Geduld, nicht nur während meiner Promotion, zur
Seite gestanden ist. Ich danke Ihm für seine Liebe, sein uneingeschränktes
Verständnis, seine Wärme, seinen Humor und und seine unermüdliche Zuversicht,
die er mir stets entgegengebracht hat und die mir so manch schwierige Phase
erleichterten. Dank seiner Hilfe ist es uns gelungen, selbst in Phasen der
Arbeitsüberlastung immer den Blick für das Wesentiche zu bewahren und das
Gefühl für die letztendlich entscheidenden Dinge nicht zu verlieren. Ohne seine
Anteilnahme, beispiellose Unterstützung und seine zahllosen Ermunterungen hätte
ich meine Dissertation nicht abschliessen können.; ihm ist die vorliegende Arbeit
gewidmet.
Sydney,
im
Dezember
2006
Kerstin Barnikel

Inhaltsverzeichnis
I
Inhaltsverzeichnis
Einführung: Gegenstand und Argumentationsgang der Arbeit ... 2
Der Merger und Akquisitions Boom ... 2
Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit ... 5
Aufbau und Vorgehen der Arbeit ... 7
Erstes Kapitel: Theoretisches Rahmenkonzept ... 3
1.1 Unternehmenszusammenschlüsse und Post Merger Integration ... 13
1.1.1 Formen von Unternehmenszusammenschlüssen ... 17
1.1.2 Phasen von Unternehmenszusammenschlüssen... 18
1.1.3 Hintergründe, Motive und Ziele von
Unternehmenszusammenschlüssen ... 22
1.2 Integration als Veränderungsprozess... 24
1.2.1 Der Ablauf von Veränderungsprozessen... 26
1.2.2 Die Phasen eines Veränderungsprozesses ... 30
1.2.3 Organisationales Lernen und -Wissen im Veränderungsprozess ... 33
1.2.4 Organisationsentwicklung in der Post-Merger-Integration Phase ... 42
1.2.5 Widerstand gegenüber Post-Merger Integrationsprozessen... 45
1.2.6 Integrationsmanagement als Veränderungsmanagement ... 49
1.3 Die Mitarbeiter im Integrationsprozess ... 54
1.3.1 Der psychologische Vertrag als Basis der Beziehung zwischen
Mitarbeiter und Unternehmen... 55
1.3.2 Die Bedeutung des organisationalen Commitments der
Mitarbeiter ... 65
1.3.3 Das Vertrauen der Mitarbeiter ... 68
1.3.4 Die Information und Kommunikation im Integrationsprozess... 69
1.3.5 Die Bedeutung der Partizipation im Integrationsprozess... 73
1.3.6 Einfluss und Formen der Gerechtigkeit im Integrationsprozess... 76
1.3.7 Layoff Survivors und Layoff Victims ... 81
1.4 Ableitung der Forschungsfragen... 87
Zweites Kapitel: Empirische Untersuchung... 89
2.1 Untersuchungskonzept und Aufbau des Kapitels ... 91
2.1.1 Forschungsmethode ... 91

II
Inhaltsverzeichnis
2.1.2. Konzeption der Mitarbeiterbefragung ... 93
2.1.3 Konzeption der Experten-Befragung... 102
2.1.4 Vorgehen bei der Auswertung der Mitarbeiter- und
Experteninterviews... 110
2.2. Ergebnisse der Studie... 111
2.2.1 Ergebnisse der Fallanalyse... 112
2.2.2 Ergebnisse der Experteninterviews... 131
2.2.3 Abschliessende Betrachtung und Interpretation der Ergebnisse
der Studie... 161
Zusammenfassung... 185
Zusammenfassende Betrachtung der Arbeit ... 187
Implikationen für die Praxis ... 195
Begrenzung der Arbeit und Ausblick ... 199
Anhang ... 201
Literaturverzeichnis... 209

Abbildungsverzeichnis
III
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1-01:
Unternehmensübernahmen...3
Abb. 1-02:
Der Ablauf von Veränderungsprozessen nach Lewin...27
Abb. 1-03:
Mitarbeiterreaktionen bei Integrationsprozessen ...32
Abb. 1-04:
Formen von Widerständen ...45
Abb. 1-05:
Personale und organisationale Barrieren...47
Abb. 1-06:
Verbindungen zwischen Management und Wandel...50
Abb. 1-07:
Tiefe der Veränderungen bei PMI-Projekten...51
Abb. 1-08:
Promotorentypen im Veränderungsprozess ...52
Abb. 1-09:
Arten der Partizipation ...73
Abb. 1-10:
Vier Grundmuster der Mitarbeitereinbindung ...74
Abb. 2-01:
Einflussfaktoren auf den Erfolg von Integrationen nach
Unternehmenszusammenschlüssen ...187

Tabellenverzeichnis
IV
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1-01:
Die fünf Merger-Wellen... 4
Tabelle 1-02:
Phasen von Unternehmenszusammenschlüssen ... 21
Tabelle 1-03:
Ziele von Unternehmenszusammenschlüssen... 24
Tabelle 1-04:
Characteristics of first- and second-order change... 29
Tabelle 2-01:
Betriebszugehörigkeit und Alter der befragten Mitarbeiter... 112
Tabelle 2-02:
Gruppenzuteilung und Merkmale der befragten Experten... 133
Tabelle 2-03:
Art des Unternehmenszusammenschlusses... 136
Tabelle 2-04:
Mitarbeiterzahl vor der Integration... 136
Tabelle 2-05:
Anzahl der betroffenen Mitarbeiter ... 136
Tabelle 2-06:
Bewertung des Erfolgs der beschriebenen Integrationen... 138
Tabelle 2-07:
Kriterien, nach denen der Erfolg der Integrationen
beurteilt wurde ... 138
Tabelle 2-08:
Bereiche die am meisten Ressourcen gebunden haben ... 139
Tabelle 2-09:
Erfolgsfaktoren für die Integration nach Unternehmens-
zusammenschlüssen ... 144
Tabelle 2-10:
Kritische Faktoren im Integrationsprozess nach Unterneh-
menszusammenschlüssen... 146

Einführung:
Gegenstand und
Argumentationsgang der Arbeit

2
Einführung: Gegenstand und Argumentationsgang der Arbeit
Einführung:
Gegenstand und Argumentationsgang der Arbeit
Der Merger und Akquisitions Boom
,,Neben dem Markt für Produkte und Dienstleistungen hat sich ein Weltmarkt für
Unternehmen entwickelt." Rubens Ricupero, Generalsekretär der Welthandels- und
Entwicklungsorganisation der Vereinten Nationen (UNCTAD)
.
Das 21. Jahrhundert gilt als das Zeitalter rasanter technologischer Entwicklung und
weltweiter Vernetzung (vgl. Schettler, M.A, Schmidt, S.L. 1999). Die sich daraus
ergebenden komplexen Umweltbedingungen sind gekennzeichnet durch
Globalisierung und Deregulierung der Märkte, eine rasante Informations- und
Kommunikationstechnologie-Entwicklung, komplexere Wertschöpfungsketten,
hybride Unternehmensstrukturen und daraus resultierender Wettbewerbsdruck (vgl.
Jansen, S.A. 2000b, S. 4-8). Der Wandel in der Technik, Gesellschaft, Umwelt,
Wirtschaft und Politik hat zwar schon immer die strategische Unternehmensplanung
beeinflusst, neu ist aber die Geschwindigkeit und die Dynamik, mit der sich dieser
Wandel vollzieht. Durch den beschleunigten Strukturwandel, insbesondere durch die
mit der Globalisierung verbundenen internationale Wettbewerbsverschärfung sehen
sich Organisationen gezwungen, sehr viel häufiger und in immer kürzeren Abständen
auf Änderungen zu reagieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben. In einem derartigen
Wettbewerbsumfeld stellt Wachstum eine zentrale Voraussetzung für den
Unternehmenserfolg dar. Zugleich reicht für viele Unternehmen internes Wachstum im
Sinne des Ausbaus und der Aktivierung eigener Potentiale aber nicht mehr aus, um auf
dem Weltmarkt bestehen zu können (vgl. Haspeslagh, P.C. & Jemison, D.B. 1991a, S.
3; Gomez, P. & Weber, B. 1989, S. 15). Vielmehr lassen solche vorherrschenden
Markt- und Organisationsbedingungen für Unternehmen
1
,,[..] Zusammenschlüsse als eine probate Strategie erscheinen, um durch externes anor-
ganisches Wachstum in kurzer Zeit eine bessere Wettbewerbssituation und mehr
Marktmacht zu erreichen und bei einem ausreichenden strategischen Fit neue Syner-
giepotentiale zu verwirklichen" (Töpfer, A. 2000, S. 10).
Daher ist es nicht verwunderlich, dass Formen des externen Wachstums, insbesondere
Unternehmenszusammenschlüsse, seit der zweiten Hälfte der neunziger Jahre immer
stärker zunehmen (vgl. beispielsweise Bea, F.X. & Haas, J. 2001, S. 171ff. sowie
Gomez, P. & Weber, B. 1989, S. 15, die unter externem Wachstum den
Zusammenschluss von Unternehmen in Form von Kooperationen oder Fusionen und
Akquisitionen verstehen).
Die Idee, durch organisches Wachstum an die Spitze zu gelangen, wird dabei oft
zugunsten der Strategie eines externen Wachstums durch Merger oder Akquisitionen
verworfen. Außerdem sind potentielle Kandidaten bereits als Wettbewerber oder
1
Eine Definition des dieser Arbeit zugrundeliegenden Begriffsverständnisses von
Unternehmenszusammenschluss und Merger findet sich in Kapitel I, Abschnitt 1.1

Einführung: Gegenstand und Argumentationsgang der Arbeit
3
Kunden bekannt und es ist für viele Unternehmen sehr attraktiv, durch den Kauf von
Wettbewerbern Marktanteile zu gewinnen.
2
,,Ein funktionierendes Unternehmen zu kaufen und zu integrieren geht einfach schneller,
als alles selbst aufzubauen." (Hedtstück, M. 2004, S.30)
Daher verwundert es nicht, dass sowohl in Europa als auch weltweit keine Ende des
Zusammenschlusstrends in Sicht ist (vgl. Tetenbaum, T.J. 1999, S. 22f.).
Beispielweise schlossen sich 1998 die zwei US-amerikanischen ,,Öl-Riesen" Exxon
und Mobil zusammen. Im Jahr 1999 übernahm die in der Telekommunikations-
Branche tätige, britische Vodafone Gruppe das US Unternehmen Air Touch und ein
Jahr darauf schloss sich die Vodafone Gruppe wiederum mit Mannesmann zusammen
(vgl. dazu u.a. Picot, G. 2002, S. 5; Töpfer, A. 2000, S. 11). Im Jahr 2004 kam es auch
in der Pharmaindustrie zu einer Konsolidierung, als der französische Pharmakonzern
Sanofi-Synthélabo den deutsch-französischen Konkurrenten Aventis übernahm,
nachdem es sich gegen die Angebote des ebenso an einer Übernahme von Aventis
interessierten schweizer Pharmakonzerns Novartis durchsetzen konnte . Tatsächlich
kann also von einem weltweiten ,,Fusionsfieber" bzw. von regelrechter ,,Merger- bzw.
Dealmania" (vgl. u.a. Reed, S. et al. 1999, S. 18ff.) gesprochen werden, fast täglich
wird von neuen Übernahmen und Unternehmenszusammenschlüssen berichtet.
,,Im Jahr 2000 haben zwischen europäischen Unternehmen Fusionen und Übernahmen
um 60 Prozent zugelegt. Dabei wurden insgesamt 4.500 innereuropäische Transaktionen
im Wert von 655,7 Milliarden Dollar abgeschlossen. Insgesamt betrug die M&A-
Aktivität europäischer Unternehmen 1,7 Billionen Dollar im Vergleich zu 1,2 Billionen
Dollar im Jahr 1999."( Jansen, S.A. 2001, S. 37)
862
1 480
2 201
2 503
2 854 2 721 2 835
3 494
4 247
4 569
4 987
5 597
6 994
7 894
6 035
4 493 4 562
5 113
0
2000
4000
6000
8000
10000
1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004
Abb. 1-01:
Unternehmensübernahmen (Anzahl grenzüberschreitender Transaktionen weltweit).
(Quelle: UNCTAD 2005)
2
Hedstück beschreibt beispielsweise den Aufstieg der Firma Storsack durch Unternehmenszukäufe
zum Weltmarktführer für Grossverpackungen (vgl. Hedstück, M. 2004, S. 30f.)

4
Einführung: Gegenstand und Argumentationsgang der Arbeit
Die fünf Merger-Wellen
Betrachtet man Aufkommen und Häufigkeit von Unternehmenszusammenschlüssen
seit Beginn des 20. Jahrhunderts, so wird ein zyklischer Verlauf deutlich. Dieser
manifestiert sich in sogenannten ,,Merger-Wellen", von denen vier bereits abge-
schlossen sind. Wir befinden uns momentan in der fünften Merger-Welle (vgl.
Gaughan, P.A. 2002, S. 23-56; Eschen, A. 2001, S. 37ff.), welche im Jahr 2002 in
einem weltweiten Transaktionsvolumen von 3,49 Billionen USD resultierte und
fortwährend, wenn auch deutlich abgeschwächt, anhält. Die Tabelle 1-01 verdeutlicht
die strategischen Schwerpunkte der jeweiligen Merger-Wellen. Wie daraus ersichtlich
zeichnet sich die fünfte und aktuelle Merger-Welle durch die Prävalenz sogenannter
Megamerger aus. Das Phänomen derartiger Großfusionen weist eine dichotome
Beziehung zu den veränderten Wettbewerbsbedingungen auf. Einerseits stellen sie
eine Reaktion auf Umweltveränderungen dar, andererseits sind sie aufgrund ihres
immensen Transaktionsvolumens selbst Teil der neuen Realitäten, indem sie die
gesamte Unternehmenswelt transformieren. Exemplarisch anführen lassen sich in
diesem Kontext die 72 Mrd. USD Transaktion zwischen Daimler Benz und Chrysler
im Jahr 1998,
3
der 300 Mrd. USD Zusammenschluss zwischen Time Warner und
America Online im Jahr 2000, als auch die 25 Mrd. USD Transaktion zwischen
Hewlett-Packard und Compaq Computer im Jahr 2002.
Zeitraum
Strategische Zielsetzung
1897-1904
1. Welle
Vermeidung von Überkapazität und Preisverfall durch
horizontale Zusammenschlüsse: Aufbau von Trusts
1916-1929
2. Welle
Vertikale Integration - Streben nach marktbeherrschender
Position und Kontrolle des gesamten Produktionszyklus
1965-1969
3. Welle
Entstehung großer Konglomerate durch Aufnahme von
Targets in das Portfolio: vorrangig in den USA
1984-1990
4. Welle
,,Merger Mania" - Strategische M&A-Transaktionen:
Konzentration auf Kerngeschäft, Erschließung neuer
Synergien
seit 1993
5. Welle
Globale Mega-Deals: Fortschreitende digitale Globalisie-
rung, Schaffung des europäischen Binnenmarktes, zu-
nehmend wertorientierte Unternehmensführung
Tabelle 1-01: Die fünf Merger-Wellen (Quelle: nach Gaughan, P.A. 2002, S. 23ff.)
Wie der Zeitverlauf zeigt, scheint die Merger- und Akquisitions-Welle nicht
abzuebben und Integrationen werden demzufolge mehr und mehr integraler
3
Vgl. dazu Schettler, M.A., Schmidt, S.L. 1999, S. 312. Vgl. auch: J. Schrempp,
Vorstandsvorsitzender der Daimler Banz AG, nach Bekanntgabe des transatlantischen
Daimler/Chrysler Zusammenschlusses:" Dies ist ein historischer Zusammenschluss, der das Gesicht
der Industrie verändern wird." (J. Schrempp zitiert nach Fischer, J. & Wirtgen, J. 2000, S. 15)

Einführung: Gegenstand und Argumentationsgang der Arbeit
5
Bestandteil der Unternehmenswelt. Daher stellt sich die Frage, was die Erfolgsfaktoren
für eine geglückte Unternehmensintegration sind, damit die erhofften Vorteile und
Synergieeffekte tatsächlich realisiert werden können. Denn bei einer Vielzahl der
Unternehmenszusammenschlüsse werden die Integrationsziele nicht erreicht. Eben
diese Problematik und die daraus abzuleitende Frage nach den Erfolgsfaktoren werden
im folgenden Abschnitt näher beleuchtet.
Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit
"Zusammenkommen ist ein Beginn, Zusammenbleiben ein Fortschritt, Zusammenar-
beiten ist ein Erfolg." (Henry I. Ford)
Überraschenderweise zeigt die Realität, dass der im Rahmen von Zusammenschlüssen
entstehende Enthusiasmus in keinem Verhältnis zu den letztlich geleisteten Er-
gebnisbeiträgen steht. Dementsprechend konstatieren zahlreiche empirische Studien
lediglich eine durchschnittliche, branchenübergreifende Erfolgsquote von Unter-
nehmenszusammenschlüssen in der Größenordnung von etwa 40 Prozent (vgl. Picot,
G. 1999, S. K3.). So belegte beispielsweise eine Studie von A.T. Kearney, dass 58
Prozent der Zusammenschlüsse den Unternehmenswert nicht steigern konnten (vgl.
Habeck, M.-M. et al. 2002, S. 13). Das heißt, eine große Anzahl von
Unternehmenszusammenschlüssen erreichen ihre Integrationsziele nicht, mehr als die
Hälfte muss als gescheitert eingestuft werden (vgl. u.a. Cartwright, S., Cooper, C. L.
1993, S. 57f.; Porter, M. E. 1987, S. 43f.). Nach einer empirischen Untersuchung des
Instituts für marktorientierte Unternehmensführung resultieren gerade einmal 30
Prozent der Fusionen und Übernahmen in einer Steigerung des Unternehemenserfolgs.
Bei der Untersuchung handelt es sich um eine der größten im deutschsprachigen
Raum, bei der insgesamt 232 Merger- und Akquisitions-Transaktionen aus den Jahren
1996 bis 1999 aus insgesamt sechs Branchen analysiert wurden (Homburg, C.,
Bucerius, M. 2004, S. 34f.). Eine internationale Studie von McKinsey ergab sogar,
dass in 59 Prozent aller untersuchten Transaktionen Unternehmenswert vernichtet
wurde (vgl. Schäfer, A. 1998, S. 126). Nach einer Untersuchung der Beratung Mercer
Management Consulting erreichen nahezu 60 Prozent der Zusammenschlüsse ihre
Ziele nicht, wobei diese Zahl aufgrund von Lerneffekten leicht rückläufig ist, wie sich
aus der Studie ergibt (vgl. o.V., Mercer Consulting 1999).
Der Widerspruch zwischen der hohen Misserfolgsrate bei gleichzeitig hoher Anzahl
durchgeführter Zusammenschlusstransaktionen wird in der wissenschaftlichen Lite-
ratur als ,,Merger-Anomalie" bezeichnet (vgl. Agrawal, A. et al. 1992, S. 1605ff.
sowie Datta, D.K., Puia, G. 1995, S. 337ff.). Dies führt zu der Überlegung ob, bzw.
unter welchen Bedingungen durch Unternehmenszusammenschlüsse tatsächlich eine
Stärkung der Markt- und Wettbewerbsposition erzielt werden kann und wie langfristig
eine Wertsteigerung für beide Partner des Zusammenschlusses möglich ist. Bisher
haben nur allzu viele Unternehmen schmerzhaft erfahren müssen, dass das bloße
Identifizieren von synergiebringenden Unternehmenspartnern und eine gemeinsame
Unterschrift auf einem Zusammenschluss-Vertrag noch lange kein Garant dafür sind,
die angestrebten Synergieeffekte auch wirklich zu realisieren und eine zusätzliche
Wertschöpfung zu generieren (vgl. Cartwright, S. & Cooper, C. 1993, S. 57).

6
Einführung: Gegenstand und Argumentationsgang der Arbeit
Die vorliegenden Zahlen über hohe Misserfolgsquoten von
Unternehmenszusammenschlüssen führen daher unweigerlich zu der Frage nach den
Ursachen, die diesem Phänomen zugrundeliegen. Diesbezügliche Antworten der
wissenschaftlichen Literatur sind vielschichtig. Dabei werden primär eine
unzureichende Planung und Vorbereitung des Unternehmenskaufes, die
Implementierung einer inadäquaten Strategie zur Umsetzung der angestrebten Ziele,
als auch die mit einem Zusammenschluss einhergehenden Integrationsrisiken betont.
Als Gründe für die hohen Misserfolgsquoten gelten damit zum einen Fehler in der Pre-
Merger Phase wie etwa eine mangelnde Bewertung des zu kaufenden Unternehmens,
ein überhöhter Kaufpreis oder die Überschätzung von Synergie-Effekten. Diese Ri-
siken sollen minimiert werden durch ausführliche Due Diligence-Analysen, welche
zumeist in Unterstützung von Investmentbanken und Beratungen durchgeführt werden.
Außerdem steht das Top Management vor allem in der Merger Phase vor der Aufgabe
und Herausforderung, den Erfolg des Unternehmenszusammenschlusses mit einer
adäquaten Strategie sicherzustellen und ein gutes Integrationsteam
zusammenzustellen. Doch gerade das komplexe Thema der Integration wird vom Top
Management immer noch zu sehr vernachlässigt. Beim Zusammenführen zweier
Unternehmen gilt es, unterschiedlichste Aspekte zu berücksichtigen: Heterogene
Systeme, Verfahrensweisen, Denkweisen und Arbeitsabläufe treffen hier aufeinander
und müssen in Einklang gebracht werden. Die verantwortlichen Manager des
Integrationsteams müssen daher in der Lage sein, diese Herausforderung zu
bewältigen. Insbesondere die sogennanten Soft-facts wie z.B. Kommunikation,
Information, Vertrauen oder Partizipation werden dabei aber oft vernachlässigt, die
gerade in der Post-Merger-Integration Phase eine entscheidende Rolle für den Erfolg
von Unternehmenszusammenschlüssen spielen (vgl. Strohmer, M.F. 2001, S. 8).
Ein Außerachtlassen dieser Faktoren aufgrund eines unzureichenden
Integrationsmanagements sowie eine fehlende klare Vision scheinen zu einem Großteil
für die hohe Misserfolgsrate von Unternehmenszusammenschlüssen verantwortlich zu
sein (vgl. Vahs, D. 1997, S. 18).
,,Einhellig wird die These vertreten, dass ein Hauptgrund - neben den zu hohen Kauf-
preisen und Prozessineffizienzen in der Pre-closing Phase - in den Problemen in der
Phase der effektiven Zusammenführung zu finden ist. Nach den immer wieder lauten und
stimmungsvollen Polterabenden wird der Tanz der Giganten häufig zu einem dis-
harmonischen Schauspiel." (Jansen, S.A. 2000a, S. 334)
Je höher dabei die Komplexität gewachsener Strukturen und Kulturen der an dem
Zusammenschluss beteiligten Unternehmen ist, desto höher sind die Anforderungen
zum einen an das Top Management, das alle relevanten Faktoren in der
Integrationsstrategie berücksichtigen muss und zum anderen an die Führungskräfte,
die sich beim Management des Integrationsprozesses der Aufgabe gegenüber sehen,
sowohl Mitarbeiter als auch Systeme aufeinander abzustimmen und die Belegschaft
für die Integration zu gewinnen. Denn ohne eine zielgerichtete Integrationsstrategie
und ein engagiertes Integationsmanagement, das alle relevanten Faktoren
berücksichtigt, ist die Gefahr groß, dass die erhofften Erfolge ausbleiben.
Einen besonders relevanten Faktor stellen in diesem Zusammenhang die Mitarbeiter
dar, von deren Mitwirken es letztendlich abhängt ob eine wirkungsvolle Integration

Einführung: Gegenstand und Argumentationsgang der Arbeit
7
stattfinden kann. Deren Einstellung und Verhalten im Integrationsprozess nehmen
einen besonders großen Stellenwert ein, weshalb die jeweiligen Konsequenzen für die
Mitarbeiter der sich zusammenschliessenden Unternehmen in den Vordergrund treten.
Die Berücksichtigung und der Umgang mit den Humanressourcen sind damit
entscheidend bei der Umsetzung von Unternehmenszusammenschlüssen (vgl. u.a.
Tetenbaum, T.J. 1999, S. 25; Picot, G. 2002, S. 429). In der Integrationsphase sollen
letztendlich beide Unternehmen zu einer neuen gemeinsamen Identität verschmelzen.
Eine solche Reorganisation bedeutet für alle Organisationsmitglieder Veränderung
ihrer bisherigen Identität, ihres organisationalen Selbstverständnisses und der
betrieblichen Abläufe. Von den Organisationsmitgliedern wird sie daher generell als
emotionale Belastung empfunden (vgl. Huret, J. 1993, S. 15ff.).
,,Dealing with postmerger employee issues can be challenging, any kind of reorganisation
brings change and pain. [..] When banks merge, their executives generally turn immedi-
ately to integrating data systems and operations, analysing markets, and deciding which
products and services to promote. What they don't usually do is focus on the people who
will conduct the new bank's business. Over time, this oversight can doom other integra-
tion efforts." (Huret, J. 1993, S. 15)
Vor dem Hintergrund der dargestellten Problematik im Kontext von
Unternehmenszusammenschlüssen greift die vorliegende Arbeit das Thema der
besonders kritischen Phase der Integration heraus und beschäftigt sich mit der Frage
nach den Erfolgsfaktoren in der Post-Merger-Integration Phase. Ziel dieser Arbeit ist
es aus einer ganzheitlichen Betrachtungsweise, welche sowohl die Perspektive des
Managements als auch der Mitarbeiter berücksichtigt, die mit der Integration nach
Unternehmenszusammenschlüssen verbundenen Risiken und
Interventionsmöglichkeiten aufzuzeigen um damit einen Beitrag für den Erfolg von
Fusionen und Akquisitionen zu leisten. Es geht darum, ein Problembewusstsein zu
erzeugen und strategische Handlungsalternativen für die Planung und Durchführung
von Integrationsprozessen nach Unternehmenszusammenschlüssen zu liefern.
Im folgenden Abschnitt wir das Vorgehen beschrieben, mit dem in der vorliegenden
Arbeit der Frage nach den Erfolgsfaktoren in der Integrationsphase nachgegangen
wird, sowie der weitere Aufbau der Arbeit skizziert, um dem Leser einen kurzen
Überblick zu Struktur und Argumentation zu geben.
Aufbau und Vorgehen der Arbeit
Im Hinblick auf den skizzierten Erkenntnisstand, nach dem ein Großteil der
Unternehmenszusammenschlüsse die erhofften Erwartungen nicht erfüllt, verfolgt die
vorliegende Arbeit das Ziel auf Basis organisationspsychologischer und
organisationstheoretischer Grundlagen Empfehlungen für die erfolgreiche
Unterstützung von Integrationsprozessen nach Unternehmenszusammenschlüssen zu
gewinnen. Zielsetzung dieser Arbeit ist es also Antworten darauf zu finden, warum so
viele Unternehmenszusammenschlüsse nicht die gewünschten Erfolge erzielen und
welche integrationsspezifischen Faktoren und welche entsprechenden
Managementvorkehrungen im Rahmen derartiger Transaktionen von Bedeutung sind.
Die Betrachtungen konzentrieren sich auf Zusammenschlüsse, die eine

8
Einführung: Gegenstand und Argumentationsgang der Arbeit
Horizontalstrategie
4
verfolgen, wobei der Fokus auf der Situation der betroffenen
Mitarbeiter liegt, die sich während einer Integration zahlreichen Veränderungen im
Unternehmen gegenübersehen.
Zur Bearbeitung dieser Zielsetzung wird zunächst auf der Basis einer eingehenden
Literaturanalyse sowie einer sich daran anschliessenden empirischen Untersuchung ein
Konzept zur erfolgreichen Umsetzung von Integrationsprozessen nach
Unternehmenszusammenschlüssen unter Berücksichtigung der Situation der
betroffenen Mitarbeiter entwickelt. Es wird die Notwendigkeit einer strukturierten und
systematischen Planung und Umsetzung von Integrations-Prozessen thematisiert, da
Unternehmenszusammenschlüsse in der Praxis häufig ohne ein umfassendes
Integrationskonzept durchgeführt werden. Zugleich werden Ansatzpunkte für die
erfolgreiche Unterstützung und Entwicklung eines solchen Konzeptes gegeben.
Die vorliegende Arbeit stellt damit eine Verbindung zwischen theoretischen
Erkenntnissen der Organisationsforschung zur Integration von Unternehmen nach
einem Zusammenschluss und Erfahrungen aus der PMI-Praxis
5
dar. Daraus ergibt sich
ein ganzheitliches Integrationskonzept, welches zum einen Programmatik und
Echtzeitprobleme der Praxis mit Erkenntnissen aus der theoretischen Forschung
konfrontiert und daraus praktisch relevante Empfehlungen ableitet. Zum anderen
werden in der Praxis wahrgenommene Probleme vor dem Hintergrund theoretischer
Forschung reflektiert.
Um der angeführten Zielsetzung gerecht zu werden, wird im ersten Kapitel zunächst
eine strategische Einordnung und begriffliche Abgrenzung von
Unternehmenszusammenschlüssen sowie eine Darstellung der einzelnen
Fusionsphasen vorgenommen. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen Pre-
Mergerphase, Merger- oder Akquisitionsphase und Post Merger Integrationsphase.
Darauf aufbauend wird die Selektion und Systematisierung von theoretisch fundierten
Einflussfaktoren durchgeführt. Zu diesem Zweck werden entscheidungsrelevante
Faktoren skizziert, das heißt es werden sowohl unternehmens- als auch
personspezifische Faktoren betrachtet und deren Relevanz für den
Zusammenschlusserfolg anhand der empirischen Evidenz wissenschaftlicher Studien
überprüft. In diesem Zusammenhang wird die Bedeutung integrationsspezifischer
Aspekte und Managementaufgaben mit dem Schwerpunkt auf psychologische
Gestaltungsbedingungen wie beispielsweise die interne Kommunikation, Partizipation
und Gerechtigkeit illustriert. Im Rahmen dessen wird nicht der Anspruch eines
kohärenten, prozessualen Integrationskonzeptes mit umfangreichen
Handlungsdirektiven für das Management erhoben. Vielmehr wird intendiert, den
Leser gezielt für zentrale Problemfelder der Integrationsphase und die damit in
Verbindung stehenden Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge zu sensibilisieren, sowie
an entsprechender Stelle adäquate Integrationsmaßnahmen des Managements zu
4
Horizontale Unternehmenszusammenschlüsse beziehen sich auf Unternehmen der gleichen
Wertschöpfungsebene. Das heißt es handelt sich um Wettbewerber aus dem gleichen oder einem
vergleichbaren Geschäftsfeld. Vgl. dazu und zu weiteren Formen von
Unternehmenszusammenschlüssen auch Kap. 2, Abschnitt 1.1.1.
5
PMI steht für ,,Post Merger Integration" und bezeichnet die Integration nach einem
Unternehmenszusammenschluss. Vgl. dazu ausführlicher Kap. 2, Abschnitt 1.1.2.

Einführung: Gegenstand und Argumentationsgang der Arbeit
9
skizzieren. Abschließend werden die der empirischen Untersuchung
zugrundeliegenden Forschungsfragen aus den theoretischen Ausführungen abgeleitet.
Das zweite Kapitel thematisiert die von der Autorin durchgeführte qualitative
Untersuchung, die aus einer Einzelfallstudie mit Mitarbeiterinterviews, sowie einer
davon unabhängig durchgeführten Interview-Reihe mit Experten auf dem Gebiet der
Post Merger Integration, besteht. Als Grundlage für die empirische Untersuchung
diente der im ersten Kapitel dieser Arbeit dargestellte theoretische Bezugsrahmen. Die
im ersten Teil des zweiten Kapitels dargestellte Fallstudie über den Zusammenschluss
zweier Finanzinstitute bietet dem Leser ein aktuelles Beispiel für das PMI-
Management zweier fusionierter Finanzinstitute. Die Veranschaulichung der
Integrationsaktivitäten beruht auf den von der Verfasserin persönlich durchgeführten
qualitativen Mitarbeiterinterviews, welche durch die Analyse von Sekundärquellen
wie Zeitungsartikeln und Geschäftsberichten ergänzt werden.
Der zweite Teil des zweiten Kapitels widmet sich der Konzeption und Auswertung der
Experteninterviews. Im Anschluss daran werden die im letzten Teil des ersten Kapitels
abgeleiteten Forschungsfragen aufgrund der Befragungsergebnisse und Erkenntnisse
aus den Mitarbeiter- und Experteninterviews beantwortet. Hierbei werden wiederum
die wichtigsten Aspekte des theoretischen Bezugsrahmens berücksichtigt.
Abschließend erfolgt eine Zusammenfassung der zuvor gewonnenen Ergebnisse
sowohl aus dem theoretischen als auch aus dem praxisbezogenen Teil der
vorliegenden Arbeit. Hierbei wird auch auf die Begrenzung der von der Verfasserin
durchgeführten empirischen Untersuchung eingegangen und Anregungen für künftige
Forschungsprojekte gegeben. Dem folgt eine abschließende Betrachtung des
Integrationsmanagements als professionalisiertem Umgang mit kritischen Faktoren im
Kontext der Integration nach Unternehmenszusammenschlüssen. Die wichtigsten
Punkte der Arbeit werden an dieser Stelle nochmals zusammengefasst, sowie die aus
den im Laufe der Arbeit gewonnenen Einblicke und Erkenntnisse in einer
Schlussfolgerung dokumentiert, die Theoretikern wie auch Praktikern als Anregung
und Hilfswerkzeug bei der Beschäftigung mit und erfolgreichen Umsetzung von
Integrationen nach Unternehmenszusammenschlüssen dienen.

Erstes Kapitel:
Theoretisches Rahmenkonzept

Erstes Kapitel: Theoretisches Rahmenkonzept
13
Erstes Kapitel:
Theoretisches Rahmenkonzept
1.1 Unternehmenszusammenschlüsse und Post Merger Integration
Im Zuge der ,,Mergerwellen" und der damit verbundenen steigenden Popularität von
Unternehmenszusammenschlüssen haben sich auch die Begrifflichkeiten, die dieses
Phänomen beschreiben immer mehr ausgeweitet. In der angelsächsisch-
wissenschaftlichen Literatur war schon früh ein weites Begriffsverständnis der
Termini ,,Merger" und ,,Acquisition"
6
vorherrschend. Die Ausführung von Copeland
und Weston (1988) visualisiert den Sammelbegriffcharakter dieser Termini:
,,[...] the traditional subject of M&A's has been expanded to include takeovers and re-
lated issues of corporate restructuring, corporate control, and changes in the ownership
structure of firms." (Copeland, T., Weston, F.J. 1988, S. 676)
Aufgrund der Heterogenität des angelsächsischen, sehr weit gefassten
Begriffsverständnisses existiert für den deutschen Sprachgebrauch keine eindeutige
Übersetzung der Anglizismen Merger und Acquisition (vgl. Gerpott, T.J. 1993, S. 20).
Eine nicht eindeutige, aber doch zumindest in der wissenschaftlichen Literatur
prävalente Entsprechung für die Sammelbezeichnung Mergers and Acquisitions, die
auch im deutschen Sprachraum inzwischen sehr populär ist, findet sich für Merger in
den Begriffen Fusion, Verschmelzung oder Vereinigung. Acquisition steht für Erwerb,
Übernahme oder Akquisition. Beide stellen eine Sonderform von
Unternehmenszusammenschlüssen dar. Der Begriff Joint Venture beschreibt dagegen
eine Interessensgemeinschaft.
7
In der deutschsprachigen Literatur finden sich darüber hinaus die Bezeichnungen
Unternehmensverschmelzung, -übernahme, -beteiligung, Kooperation oder
strategische Allianz, wobei die Begriffe meist nicht weiter abgegrenzt werden. Um
Klarheit über die in der vorliegenden Arbeit verwendeten Begriffe zu schaffen, soll im
Folgenden kurz auf die wesentlichen Definitionen und Abgrenzungen eingegangen
werden.
Als ,,Unternehmenszusammenschluss" wird in der betriebswirtschaftlichen Literatur
allgemein die
6
Sowohl in der Literatur als auch in der Praxis hat sich hierfür die Abkürzung ,,M&A" durchgesetzt.
7
Ein Joint Venture ist prinzipiell mit einer strategischen Allianz gleichzusetzten. Dabei handelt es sich
um eine Unternehmenskooperation mit dem Ziel individuelle Stärken zu verbinden und jeweilige
Schwächen zu kompensieren, wobei sich die Zusammenarbeit lediglich auf einen Teilbereich des
Arbeitsspektrums zweier oder mehrerer Unternehmen bezieht. Häufig sind Beteiligungsverhältnisse
und Stimmrechte zwischen den beteiligten Unternehmen gleich verteilt (vgl. dazu Becker, S. 2001,
S. 19f.).

14
Erstes Kapitel: Theoretisches Rahmenkonzept
,,[..] Vereinigung von rechtlich und wirtschaftlich selbstständigen Unternehmen zur
Verfolgung einer gemeinsamen wirtschaftlichen Zielsetzung" (Gimpel-Iske, E. 1973, S.8)
bezeichnet. Im Rahmen dieser Arbeit wird diese abstrakte Definition weiter
spezifiziert, indem unter dem Terminus ,,Unternehmenszusammenschluss" in
Anlehnung an Pausenberger (1998) alle rechtlichen und wirtschaftlichen
Verbindungen subsumiert werden, bei denen mindestens ein Unternehmen seine
rechtliche oder wirtschaftliche Autonomie aufgibt bzw. einschränkt (vgl.
Pausenberger, E. 1998, S. 621; Neumann, A. 1994, S. 33). Damit schließt die
zugrundegelegte Definition bewusst einfache Beteiligungen und Kooperationen
8
aus,
da diese keine wirtschaftliche Dispositionsfreiheit und infolgedessen meist keine oder
lediglich eine begrenzte Einbindung in die Gesamtstrategie des Akquisiteurs
ermöglichen.
1.1.1.1 Begriffsabgrenzung: Fusion und Akquisition
Die oft synonym verwendeten Begriffe ,,Fusion" und ,,Akquisition" beschreiben
beide zwar jeweils Unternehmenszusammenschlüsse, weisen rein rechtlich aber große
Differenzen auf. Im Fall der Akquisition handelt es sich um den Zukauf von
Unternehmen oder Unternehmensteilen, wobei die rechtlichen Einheiten des
Zielunternehmens erhalten bleiben auch wenn es gleichzeitig zum Verlust der
wirtschaftlichen Selbständigkeit kommt (vgl. Schallenberg, D. 1994, S. 18).
Caytas und Mahari (1988) stellen einen Vergleich zwischen der Akquisition eines
Unternehmens mit dem Kapitänswechsel bei einem Schiff her. Das Schiff
,,wechselt nicht die Bauart, nur den Steuermann: die Kontrolle geht in andere Hände über,
und deshalb ändert sich der Kurs meist spürbar." (Caytas, I., Mahari, J.I. 1988, S. 23)
Gerpott versteht unter der Akquisition von Unternehmen
,,den Erwerb von Eigentumsrechten durch ein Unternehmen (Akquisitionssubjekt,
Erwerber) an einem anderen Unternehmen [..] (Akquisitionsobjekt, -ziel,
Zielunternehmen) mittels mehrheitlicher Übertragung der Gesellschaftskapitalanteile oder
des gesamten oder wesentlicher Teile des Vermögens des Akquisitionsobjektes an den
Erwerber mit der Folge, dass der Erwerber die Möglichkeit einer beherrschenden
Einflussnahme auf das Akquisitionsziel erhält, ohne dass ein vor der Transaktion
rechtlich selbständiges Akquisitionsobjekt seine Rechtspersönlichkeit verlieren muss."
(Gerpott, T.J 1993, S 22)
Bei einer ,,Fusion" verschmelzen die Unternehmen im Gegensatz zur Akquisition zu
einer wirtschaftllichen und rechtlichen Einheit, das heißt je nach Form der Fusion
8
Unter ,,Kooperationen" versteht man Unternehmenszusammenschlüsse, bei denen eine bestimmte
Bindung der Unternehmen auf Basis vertraglicher Regelungen entsteht. Diese begründen in der
Regel auch kapitalbezogene Verflechtungen.

Erstes Kapitel: Theoretisches Rahmenkonzept
15
verliert wenigstens eine der Gesellschaften ihre Rechtspersönlichkeit (vgl. Wöhe, G.,
1996, S. 444).
Da der Schwerpunkt dieser Arbeit auf dem Integrationsprozess liegt, der aus Sicht der
Verfasserin sowohl für Fusionen als auch für Akquisitionen hohe Relevanz besitzt,
wird hier generell der Terminus Unternehmenszusammenschluss verwendet.
9
Dieser
bezieht sich in Anlehnung an oben genannte Definition auf den allgemeinen Erwerb
sowie die Verschmelzung von Unternehmen oder einzelnen Teileinheiten eines
Unternehmens mit dem Ziel der Integration in bestehende Unternehmensstrukturen
oder auf den Aufbau einer neuen Struktur (vgl. u.a. Clever, H. 1993, S. 7ff.). Daher
werden alle Arten von Kooperationen wie beispielsweise Joint Ventures oder
Kapitalbeteiligungen, bei denen keine Integrationsabsicht besteht, von der Betrachtung
ausgenommen.
1.1.1.2 Begriffsbestimmung: Integration
Die mit dem Integrationsbegriff verbundenen Definitionen im Zusammenhang von
Unternehmenszusammenschlüssen sind ebenso vielfältig wie diejenigen zu den
Begriffen ,,Merger" und ,,Akquisition", wobei grundsätzlich zwischen der Betrachtung
von Integration als einem dynamischen Prozeß und der Beschreibung eines statischen
Zustandes unterschieden werden kann. Im Sinne eines dynamischen Prozesses bezieht
sich die Definition allgemein auf die Eingliederung einzelner Teile in ein größeres
Ganzes bzw. im Rahmen von Unternehmenszusammenschlüssen auf die
Zusammenführung von Unternehmen oder Unternehmensbestandteilen (vgl. Reineke,
R.-D. 1989, S. 10; Rockholz, C. 2002, S. 201f.).
Aus einer mehr statischen Sichtweise wird der Begriff Integration zur Beschreibung
eines Zustandes nach der Verschmelzung der Teileinheiten verwendet. In diesem Sinn
beschreibt Integration einen gewissen Grad von Einheit oder Vereinheitlichung. Ein
solcher Grad ist ein im Verlauf des Integrationsprozesses erreichter Zustand, der durch
Prüfung bestimmter typischer Kriterien ermittelt werden kann (vgl. Krämer, H. 1969,
S. 3f.). Eine eher statische Definition findet sich auch bei Chakrabarti (1990):
,,Integration is defined as the quality of the state of collaboration between the organiza-
tional units." (Chakrabarti, A.K. 1990, S. 263)
Die meisten Definitionen betonen jedoch den dynamischen Aspekt von Integrationen,
wobei die
,,Zusammenführung und Verschmelzung von Systemen, Strukturen, Ressourcen und
Kulturen zweier Unternehmen zur Erreichung einer wirtschaftlichen Zielsetzung"
(Scheiter, D. 1989, S. 7)
9
Sollte in der vorliegenden Arbeit aufgrund des Kontextes eine Unterscheidung zwischen Akquisition
oder Fusion sinnvoll sein, so wird an entsprechender Stelle explizit darauf hingewiesen.

16
Erstes Kapitel: Theoretisches Rahmenkonzept
im Vordergrund stehen:
,,[..] integration refers to the process through which changes in various systems in the ac-
quired subsidiary are undertaken." (Lindgren, U. 1982, S. 61)
Auch zu Knyphausen (1993) geht von einem dynamischen Charakter von
Integrationen aus und betont zugleich die Rolle des Fähigkeitentransfers auf Basis der
zugänglichen Ressourcen (vgl. auch Gerpott, T.J. 1993a, S. 115f.):
,,Fähigkeiten eines Unternehmens sind häufig nicht auf Blaupausen vorhanden, sondern
in den Tiefenstrukturen der organisatorischen Lebenswelt eingeschrieben; sie können nur
über ein zeitraubendes ,Leaning by Doing' angeeignet werden." (zu Knyphausen, D.
1993, S. 776)
Entsprechend beschreiben Haspeslagh und Jemison (1991) den Transfer von
Fähigkeiten als Kernelemente von Integrationen:
,,Integration is an interactive and gradual process in which individuals from two organiza-
tions learn to work together and cooperate in the transfer of strategic capabilities." [..]
,,The heart of integration, [..] is the transfer and application of strategic capabilities."
(Haspeslagh P.C. & Jemison D.B. 1991, S. 106f.)
Müller-Stewens bezeichnet die Integration als ,,Flaschenhals" im Akquisitionsprozess,
da hier Synergiepotentiale realisiert werden und die Integration somit über den Erfolg
von Unternehmenstransaktionen entscheidet (vgl. Müller-Stewens, G. (o.A.), S. 1f.).
Die vorliegende Arbeit schließt sich der Betrachtung von Integrationen als
dynamischem Prozess an, wobei sowohl eine komplette Verschmelzung im Sinne
einer Fusion, als auch eine nur in Teilbereichen stattfindende Verschmelzung bzw.
Anpassung und Abstimmung der Unternehmen Gegenstand der Betrachtung sein
können.
Integrationsmanagement
In Abgrenzung zum Integrationsbegriff wird in der vorliegenden Arbeit das
Integrationsmanagement um die Komponente der bewussten organisatorischen
Gestaltung von Integrationen erweitert. Diese zusätzliche Gestaltungs- und
Steuerungskomponente ermöglicht es dem Management durch zielorientiertes Planen,
Entscheiden und Umsetzen den Integrationsprozess erfolgreich zu koordinieren.
Dabei werden die jeweiligen Etappen eines Integrationsprozesses durch sogenannte
Integrationsgrade beschrieben, deren Erreichen mit der Durchführung bestimmter
Maßnahmen verbunden ist. Zur Beschreibung solcher Integrationsgrade kann die
Vorstellung einer Skala dienen, auf welcher alle Maßnahmen zur Intensivierung der
Integration vom Autarkiezustand bis zum Ideal der vollständigen Integration
aufgelistet sind. Eine Intensivierung der Integration entspricht demnach der Bewegung
auf dieser Skala in Richtung Vollintegration. Auf dieser Skala werden nun die
einzelnen Integrationsgrade durch die Erfüllung bestimmter Integrationsmaßnahmen
definiert (vgl. Butterwegge, C. 1993, S. 26f.).

Erstes Kapitel: Theoretisches Rahmenkonzept
17
Die Tiefe der Integration, d.h. der Integrationsgrad richtet sich zum einen nach dem
Bedarf an strategischen Interdependenzen sowie dem Bedarf nach organisatorischer
und kultureller Autonomie. Ist eine komplette Zusammenführung der fusionierenden
Unternehmen nicht sinnvoll, um bespielsweise spezifische Kernkompetenzen aufrecht
zu erhalten, empfiehlt sich eine Teilintegration, die sich auf bestimmte
Geschäftsbereiche oder Führungsdimensionen beschränkt. Dies kann zum Beispiel der
Fall sein, wenn zwei Technologiekonzerne beschließen ihre jeweils stark
spezialisierten Forschungseinrichtungen getrennt voneinander weiter zu betreiben, die
übrigen Geschäftsbereiche wie Produktion, Verwaltung, Vertrieb etc. jedoch
zusammenführen, wobei hier eine Standardisierung der Managementsysteme,
Führungskennzahlen etc. in der Regel sinnvoll ist.
Integrationsgestaltungsebenen
In der Literatur wird bezüglich der schwerpunktmäßig untersuchten Ebenen zwischen
der ,,internen" und der ,,externen" Integration differenziert. Diese verlaufen in der
Praxis zeitlich parallel und beeinflussen sich wechselseitig. Bei der internen
Integration stehen dabei strukturelle, strategische, personelle und kulturelle Aspekte
im Vordergrund, wohingegen die externe Integration den Fokus auf Kunden,
Lieferanten, Finanzdienstleister und sonstige externe Partner setzt (vgl. Gerpott, T.J.,
1993, S. 115; Homburg, C. 2000; Jansen, S.A., 2000b, S. 213). Dabei soll darauf
hingewiesen werden, dass die interne Intergation auch wesentlichen Einfluss auf die
Möglichkeiten der Gestaltung der in Außenperspektive wahrgenommenen Integration
haben mag, und in gewissem Maße vice versa. In der vorliegenden Arbeit wird die
externe Integration aber von der weiteren Betrachtung ausgenommen, um den
Aspekten der internen Integration in angemessener Weise gerecht werden zu können.
1.1.1 Formen von Unternehmenszusammenschlüssen
Je nachdem, in welcher Beziehung die sich zusammenschliessenden Unternehmen
bezüglich der jeweiligen Geschäftsfelder stehen, kann zwischen horizontalen,
vertikalen und diagonalen Zusammenschlüssen unterschieden werden. Bei einem
horizontalen Zusammenschluss, wie es beispielsweise bei der DaimlerChrysler Fusion
der Fall war, handelt es sich um Unternehmen der gleichen Wertschöpfungsebene, also
um einen Zusammenschluss zwischen Wettbewerbern im selben oder einem
verwandten Geschäftsfeld. Dabei geht es insbesondere um die Erweiterung der
Marktpräsenz und die Nutzung von Synergien. Der vertikale Zusammenschluss
bezeichnet die Verbindung von Unternehmen der gleichen Branche, aber vor- bzw.
nachgelagerter Wertschöpfungsebenen, das heißt Zulieferern oder Kunden. Dies dient
der Sicherung und Optimierung von Bezugsquellen bzw. einer stärkeren Marktnähe.
Um einen diagonalen Zusammenschluss
10
handelt es sich, wenn die Unternehmen
10
Ein Beispiel für diagonale Zusammenschlüsse sind die Mischkonzerne Siemens oder GE, die sich
durch Zukäufe von Unternehmen neue Branchen und Geschäftsbereiche sichern, die über das
ursprüngliche Kerngeschäft hinausgehen.

18
Erstes Kapitel: Theoretisches Rahmenkonzept
verschiedenen Branchen angehören. Dabei steht eine Diversikationsstrategie im Sinne
einer Risikostreuung durch die Erweiterung der Produktpalette im Vordergrund (vgl.
Ansoff, H.I., zitiert in Clever, H. 1993, S. 11f.).
Verläuft der Zusammenschluss im gegenseitigen Einverständnis der jeweiligen
Unternehmensvertreter, so handelt es sich um einen freundlichen Zusammenschluss
bzw. eine freundliche Übernahme. Ist dies nicht der Fall und eines der beiden
Unternehmen ist gegen diese Verbindung, so spricht man von einer feindlichen
Übernahme. Ein Beispiel für eine relativ aktuelle feindliche Übernahme war die
Akquisition von People Soft durch Oracle. Der sogenannte ,,Merger of Equals"
beschreibt den Zusammenschluss von zwei gleichberechtigten Unternehmen (vgl.
Gerpott, T.J. 1993, S. 50f.). Ein sehr medienwirksamer ,,Merger of Equals" war zum
Beispiel der Zusammenschluss von DaimlerChrysler.
1.1.2 Phasen von Unternehmenszusammenschlüssen
Zum besseren Verständnis und zur Analyse von Unternehmenszusammenschlüssen
empfiehlt es sich, die unterschiedlichen Phasen dieses Prozesses anhand der damit
typischerweise verbundenen Aufgaben abzugrenzen. Der Ablauf eines
Unternehmenszusammenschlusses kann aus Käufersicht in drei Phasen unterteilt
werden, wobei die allgemeine Einteilung in ,,Pre-Merger"-, ,,Merger"- und ,,Post-
Merger" Phase zweckmäßig erscheint (vgl. Gut-Villa, C. 1997; Krüger, W. 1988;
Marks, M.L. 1982). Die Pre-Merger Phase stellt die Planungsphase dar, die Merger
Phase beschreibt die eigentliche Transaktion und die Post-Merger Phase umfasst alle
Aspekte der Integration nach der Vertragsunterzeichnung. Die einzelnen Phasen
werden in den folgenden Abschnitten ausführlicher beschrieben, eine abschließende
Übersicht zu den Phasen von Unternehmenszusammenschlüssen findet sich in Tabelle
1-02.
Pre-Merger Phase
In der Phase der vor dem eigentlichen Zusammenschluss ist zunächst zu entscheiden,
ob eine Fusion oder Akquisition eine zweckmässige Strategie zur Erreichung der
Unternehmensziele darstellt. Die ersten Schritte in der Pre-Merger Phase werden somit
häufig mit der Festlegung der strategischen Ausgangssituation und der zu
realisierenden Unternehmensziele im Sinne einer erweiterten Wertsteigerung sowie die
Formulierung der mit dem Unternehmenszusammenschluss verbundenen Ziele in
Verbindung gebracht. Diese strategische Positionierung dient dann als Basis für die
Bestimmung der Kriterien zur Selektion geeigneter Fusions- oder
Akquisitionskandidaten.

Erstes Kapitel: Theoretisches Rahmenkonzept
19
Dem schließt sich eine erste Evaluation der Kandidaten an, mit der geklärt wird, ob die
Zielsetzungen mit den ausgewählten Unternehmen erreicht werden können (vgl. u.a.
Clever, H. 1993, S. 30; Strohmer, M.F. 2001, S. 29ff.; Gerds, J. 2000, S. 12).
11
Im Rahmen der späteren Integrationsphase sind die strategischen Entscheidungen der
Pre-Merger Phase weiterhin relevant und haben einen entscheidenden Einfluss auf den
gesamten Integrationsprozess. Damit kommt dieser Phase eine entscheidende Rolle im
Sinne einer spezifischen Vorselektion und klaren Richtungsweisung zu.
Merger-Phase
Nach den erfolgten Pre-Merger Aktionen werden Detailanalysen zu den möglichen
Kandidaten durchgeführt, der Kontakt zum potentiellen Integrationspartner hergestellt,
erste Gespräche geführt sowie gegebenenfalls dem Zielunternehmen die Kaufabsicht
unterbreitet. Die eigentliche Verhandlungsphase beginnt mit dem sogenannten Letter
of Intent, einer juristisch relevanten formalisierten Absichtserklärung (vgl. Berens, W.,
Martes, M., Strauch, J. 2002a, S. 57). Dem schließt sich eine ausführliche
Unternehmensbewertung, die sogenannte Due Diligence
12
an, während der
Informationen über das Zielunternehmen zusammengetragen und bewertet sowie
Risiken abgeschätzt werden, um das Potential des Zusammenschlusses beurteilen zu
können (Berens, W., Strauch, J. 2002b; Jansen S.A., 2000b, S. 168). Gegenstand der
Prüfung sind dabei i.d.R. finanzielle, rechtliche, technologische, marktspezifische,
umweltbezogene, strategische, steuerliche, HR- und auf das Management bezogene
Gesichtspunkte (vgl. Berens, W., Strauch, 2002b, S. 11f.).
Die Due Diligence wird in Kooperation mit dem Zielunternehmen durchgeführt und
dient zugleich als Basis für das Kaupfreisangebot. Darauf aufbauend wir die
Entscheidung bezüglich eines Unternehmenszusammenschlusses getroffen und geht
gegebenenfalls mit der Erstellung eines Plans für den Unternehmenszusammenschluss
einher, in dem konkrete Aufgaben und verantwortliche Personen bestimmt werden.
Zugleich kommt es zur Festlegung des Kaufpreises bzw. des Aktien-
Tauschverhältnisses. Nach der Klärung der Finanzierung der Transaktion und daran
anschließenden, erfolgreichen Verhandlungen kommt es dann zur
Vertragsunterzeichnung, wobei dieser formell jurisitsche Akt in vielen Fällen an die
Zustimmung von Kartellbehörden, Banken und Aktienbesitzern gebunden ist.
Mit der öffentlichen Ankündigung des Unternehmenszusammenschlusses ist die
Merger Phase schließlich abgeschlossen bzw. beginnt die Post-Merger Phase.
11
Gerds fasst die Pre-Merger und die Merger-Phase jedoch zusammen.
12
Der aus dem anglo-amerikanischen übernommene Begriff ,,Due Diligence" bedeutet übersetzt
,,sorgfältige Prüfung" oder ,,Kaufprüfung".

20
Erstes Kapitel: Theoretisches Rahmenkonzept
Post-Merger-Integration Phase (PMI-Phase)
13
Die PMI-Phase als die letzte Phase eines Unternehmenszusammenschlusses umfasst
alle, den Integrationsprozess betreffenden Aktionen im Anschluss an die Transaktion.
Hierbei sind unterschiedlichste Aufgaben und Aspekte zu berücksichtigen, welche bei
der Verschmelzung der Unternehmen bzw. der Integration des erworbenen
Unternehmens in das übernehmende Unternehmen relevant werden. Es geht in dieser
Phase des Zusammenschlusses insbesondere darum, die zuvor ausgearbeiteten
Integrationsziele und damit verbundenen Pläne zu präzisieren und umzusetzen, die
Unternehmensorganisation strategisch neu auszurichten, zugleich das operative
Geschäft aufrecht zu erhalten und die Mitarbeiter in diesem Prozess zu unterstützen.
Hauptbestandteil der PMI-Phase ist die Verschmelzung der beiden Unternehmen durch
das gezielte aufeinander Abstimmen der Strategien, Systeme, Prozesse und Kulturen
sowie die Integration der Mitarbeiter beider Unternehmen im Sinne des Aufbaus eines
vereinten Teams, das gekkenzeichnet ist durch ein Zusammengehörigkeitsgefühl und
gegenseitige Akzeptanz. Bei einer weiteren Ausarbeitung des Integrationsplans für den
Unternehmenszusammenschluss sollten diese Aspekte und Aufgaben berücksichtigt
werden. Des weiteren werden Verantwortlichkeiten festgelegt und eine Entscheidung
über den zu erzielenden Integrationsgrad getroffen. In der Literatur werden diese
Schritte unter dem Begriff der PMI-Planungs Phase subsummiert, die als
Vorbereitung auf die eigentliche organisatorische Verzahnung, die sogenannte
Umsetzungsphase, dient (vgl. u.a. Cox, C.A. 1984, S. 25f.; Haspelagh & P.C.,
Jemison, D.B., S. 169 ff.; Haspelagh, P.C. & Jemison, D.B. 1991b, S. 47; Pritchet, P.
1997, S. 114). In dieser anschließenden Umsetzungsphase werden verschiedene
Projektteams gebildet die für die Realisierung bestimmter Integrationsaufgaben
zuständig sind. In diesem Zusammenhang sind insbesondere auch
informationsbezogene Aspekte sowie die Anpassung der Unternehmenskulturen zu
berücksichtigen, um eine erfolgreiche Umsetzung zu gewährleisten.
Pre-Merger Phase
Merger Phase
Post-Merger Phase
· Festlegung der
Unternehmensstrategie/
strategischen
Ausgangssituation
· Festlegen der
Unternehmensziele
· Bestimmung der
Integrationsziele vor dem
Hintergrund der
Unternehmensziele
· Bestimmung der
Kriterien zur Selektion
geeigneter Fusions-/
· Aufnahme von Verhandlungen und
Detailanalyse
· Due Diligence
· Entscheidung bzgl. dem
Unternehmenszusammenschluss
· Formulierung eines Plans für den
Unternehmenszusammenschluss
· Vertragsabschluss/Unterzeichnung
· Öffentliche Ankündigung
· Weitere Ausarbeitung
der Pläne für den
Unternehmens-
zusammenschluss
· Festlegen von
Verantwortlichkeiten
· Umsetzung der Pläne
für den
Unternehmens-
zusammenschluss
13
Im Folgenden wird die in der Literatur weit verbreitete Abkürzung PMI-Phase verwendet

Erstes Kapitel: Theoretisches Rahmenkonzept
21
Akquisitionskandidaten
· Erste Evaluierung der
Kandidaten
Tabelle 1-02: Phasen von Unternehmenszusammenschlüssen
Die PMI-Phase ist damit zumeist die vom Arbeits- und Zeitaufwand her
umfangreichste Phase eines Unternehmenszusammenschlusses (vgl. Dabui, M. 1998,
S. 21). Wie bereits in der Einführung dieser Arbeit beschrieben, werden viele der in
der Vergangenheit erfolgten Unternehmenszusammenschlüsse als Misserfolg
betrachtet. Als Hauptgrund für das Scheitern werden dabei zunehmend Fehlleistungen
in der Post-Merger-Integration Phase angeführt (vgl. Habeck, M.-M., Kröger, F. &
Träm, M. 1999, S. 16). Daher ist diese Phase des Unternehmenszusammenschlusses
als besonders erfolgsrelevant einzustufen, wobei ein kompetentes
Integrationsmanagement erforderlich ist. Die PMI-Phase stellt somit die entscheidende
Phase dar, die über Erfolg oder Misserfolg der Integration entscheiden kann (vgl.
Clever 1993, S. 29ff.).
Aufgrund der Erfolgsrelevanz der PMI im Rahmen von Unternehmenszusammen-
schlüssen, wie bereits im Zusammenhang mit der definitorischen Abgrenzung des
Begriffes der Integration
14
erläutert (vgl. Kapitel I, 1.1.1.2), liegt der Schwerpunkt
dieser Arbeit auf der Betrachtung des Integrationsmanagements im Rahmen der PMI-
Phase. Dabei soll aber darauf hingewiesen werden, dass die dargestellte Beschreibung
und Abgrenzung der Phasen lediglich ein Modell zum besseren Verständnis im Sinne
einer Orientierunghilfe darstellt. In der Praxis können sich einzelne Aktivitäten über
mehrere Phasen erstrecken und die Phasen können sich zeitlich überschneiden. Es soll
im Rahmen dieser Arbeit zudem darauf hingewiesen werden, dass durch eine zu strikte
zeitliche Zuordnung von Aufgaben und Phasen Probleme entstehen können.
Beispielsweise werden Aufgaben zur Festlegung bestimmter Verantwortlichkeiten
gegebenenfalls bereits zu einem früheren Zeitpunkt, wie der Pre-Merger Phase
relevant. Werden entsprechende Entscheidungen erst nach Vertragsabschluss
angegangen, kann dies erhebliche Probleme aufwerfen, welche die Gefahr bergen, den
gesamten Integrationsprozess zu blockieren. Insofern mag ein professionelles PMI-
Management bereits in der Pre-Merger Phase ansetzen. In der Literatur finden sich
diesbezüglich auch Ansätze, die von einer Unterscheidung in Phasen gänzlich absehen,
da sie falsche Vorstellungen suggerieren und damit von den wesentlichen
Zusammenhängen ablenken kann (vgl. Lehmann, L 2005, S. 180f.).
Die Entscheidung darüber, zu welchem Zeitpunkt bestimmte integrationsbezogene
Fragen oder Aufgaben angegangen, bzw. geklärt werden, hängt zum Teil auch davon
ab, welche Ziele mit dem Unternehmenszusammenschluss verfolgt werden. Auf diesen
Pubkt soll daher im nächsten Abschnitt eingegangen werden.
14
Vgl. hierzu ausführlicher im ersten Kapitel, Abschnitt 1.1.1.2

22
Erstes Kapitel: Theoretisches Rahmenkonzept
1.1.3 Hintergründe, Motive und Ziele von Unternehmenszusammenschlüssen
Wie bereits in der Einführung angesprochen, besteht für Unternehmen vermehrt die
Notwendigkeit sich mittels Investitionen und externem Wachstum rasch an
Marktveränderungen anzupassen (vgl. Bredenbreuker, E. 1990, S. 129). Im Sinne des
Umwelt-Strategie-Struktur Ansatzes, der aus dem situativen Anstz der
Organisationslehre hervorgegangen ist, führen Veränderungen der relevanten
Unternehmensumwelt und der daraus resultierenden Strategien zu Änderungen in der
Organisationsstruktur und Verschiebungen der Unternehmensgrenzen (vgl. Bea, F.X.
& Haas, J. 2001, S. 420). Wird eine Organisation der spezifischen Umweltsituation
nicht mehr gerecht, kommt es zu einem Ungleichgewicht zwischen Umwelt, Strategie
und Struktur. Die Wiederherstellung des strategischen Fit und die damit verbundene
Gewährleistung von Effizienz und Effektivität erfolgt mittels Umstrukturierung bzw.
Reorganisation (vgl. Bea, F.X. & Haas, J. 2001, S. 432f.). Verfügt ein Unternehmen
jedoch nicht über die dafür nötigen Ressourcen bietet ein externer Ressourcentransfer
in Form eines Unternehmenszusammenschlusses oft die entsprechende Möglichkeit,
sich den Anforderungen der Unternehmensumwelt anzupassen. Der Vorteil von
Unternehmenszusammenschlüssen gegenüber internem Wachstum liegt in der
Möglichkeit einer vergleichsweise raschen Ressourcenaneignung sowie der
gleichzeitigen Reduzierung von potentiellen Wettbewerbern, wenn es sich um einen
Zusammenschluss mit Unternehmen eines gleichen bzw. verwandten Geschäftsfeldes
handelt.
Kirsch beschreibt dabei das Akquisitionsziel als die Beschreibung eines angestrebten
zukünftigen Zustands der Organisation, ihrer Teile oder eines bestimmten Ausschnitts
ihres sozioökonomischen Feldes, welcher mit der Akquisition erreicht werden soll
(vgl. Kirsch, W. 1990, S. 205). Im Idealfall lassen sich hierbei die vom
Käuferunternehmen verfolgten Zielsetzungen aus den Strategien des Unternehmens
ableiten.
In der Literatur findet sich eine große Anzahl an Zielen und Motiven von
Unternehmenszusammenschlüssen, wobei allgemein zwischen wirtschaftlichen und
persönlichen Zielen unterschieden werden kann (vgl. Dabui, M. 1998, S.27ff.;
Rohloff, S. 1994, S. 62; Gerpott, T.J. 1993, S. 63; Bamberger, B. 1993, S. 71; Gocke,
A. 1997, S. 29). Die wirtschaftlichen Ziele gründen auf der Tatsache, dass
Unternehmen versuchen, über einen Unternehmenszusammenschluss ihre
Marktposition zu stärken sowie neue Bereiche zu erschließen, um eine Basis für
zukünftiges Wachstum zu schaffen und Synergien zu generieren. Diese
wirtschaftlichen Ziele von Unternehmenszusammenschlüssen umfassen strategische,
finanzielle, operative und technische Kategorien, beschreiben also sachlich-rationale
Motive.
Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Zielen, die rein persönlicher Natur sind, das
heißt sozio-emotionale Aspekte umfassen, wie zum Beispiel das Streben nach Macht
oder nach Selbstverwirklichung von Seiten der Unternehmensführung (vgl. Frank, G-

Erstes Kapitel: Theoretisches Rahmenkonzept
23
M. 1993, S. 137; Gerpott, T.J. 1993, S. 63).
15
Hierbei spielt die Verbesserung der
eigenen Position bzw. des Ansehens sowie die Ausweitung des persönlichen
Einflusses eine wichtige Rolle. Bei diesen persönlichen Zielen handelt es sich jedoch
um verdeckte Motive, die in der Regel nicht nach außen in Erscheinung treten.
Insofern ist anzunehmen, dass die von den Managern angegebenen Motive nicht
immer den eigentlich verfolgten Zielen entsprechen:
,,[..] the executives of an acquisition firm have strong incentive to make it appear that
their actions are consistent with shareholder's interests. Also, to justify their own actions,
executives may be unwilling to discuss the original goals or objectives for a merger or
acquisition that has not met those goals or objectives." (Walter, G.A. & Barney, I.B.
1990, S. 79)
Eine genaue Auflistung der Effizienzziele, zu denen auch die wirtschaftlichen Ziele
eines Unternehmenszusammenschlusses gehören, sowie der persönlichen Ziele und
der jeweils entsprechenden Unterziele gibt Tabelle 1-03 wieder.
In der Praxis werden in der Regel mehrere Ziele zugleich vorliegen, die zur
Entscheidung für einen Unternehmenszusammenschluss geführt haben. Je nachdem,
welche Ziele die Unternehmensleitung mit dem Zusammenschluss verfolgt, verlagert
sich tendentiell auch der Focus des Integrationsmanagements entsprechend auf dieses
Ziel bzw. diese Ziele; wenn nicht direkt, dann zumindest indirekt in Form einer
entsprechenden Allokation der für die Integration zur Verfügung stehenden
Ressourcen. Daher ist es wichtig hier auch die übrigen relevanten Aufgaben
ausreichend zu berücksichtigen und zu verhindern, dass die Ziele den Erfolg der
gesamten Integration gefährden. Insbesondere beim Vorliegen persönlicher Ziele des
Managements, die meist verdeckt auftreten, ist es daher entscheidend sicher zu stellen,
dass zentrale Aufgaben wie beispielsweise die Personalfrage des neuen
Unternehmensvorsitzes frühzeitig gelöst werden, damit es nicht zur Blockade
wichtiger Entscheidungen bis hin zur Lahmlegung des gesamten Integrationsprozesses
kommt.
Darüber hinaus haben die Integrationsmotive einen entscheidenden Einfluss auf die
Bestimmung des angestrebten Integrationsgrads (vgl. Scheiter, D. 1989, S. 32;
Shrivastava 1986, S. 73). Von diesem hängt entsprechend ab, wie weit die
Integrationsarbeit beispielsweise bei der Verknüpfung von Geschäftsbereichen sowie
der Integration der Mitarbeiter beider Unternehmen gehen soll, was wiederum das
Integrationsmanagement und die konkrete Gestaltung der Integrationsprojekte
beeinflusst. Der Berücksichtigung der Ziele und Motive von
Unternehmenszusammenschlüssen kommt daher eine entscheidende Bedeutung im
Zusammenhang mit der Integrationsplanung und -durchführung zu, da die
Integrationsbedingungen entsprechend angepasst werden können. Diesem Ziel widmet
sich auch das folgende Teilkapitel, bei dem es um die veränderungsbedingten
Herausforderungen im Rahmen der Integration geht.
15
Gerpott differenziert hierbei zwischen primär ökonomischen und nicht ökonomischen
Akquisitionszielen

24
Erstes Kapitel: Theoretisches Rahmenkonzept
Zielkategorien Unterziele
Effizienzziele:
· wirtschaftlicher Art
- finanzielle Orientierung
- Kapitalanlage
- Risikostreuung
- Besserer Zugang zu Kapitalmärkten
- Effizientere innerbetriebliche Kapitalverteilung
- operative Orientierung
- ,,Economies of scale"
- ,,Economies of scope"
- Optimale Unternehmungsgröße
- Wachstum von Erfolgsgrößen
- Umsatzwachstum
- strategische
Orientierung
- Erschließung neuer Märkte bzw. Ausweichen auf
profitablere Märkte
- Verbesserung bzw. Ausweitung des Portfolios
- Erwerb eines Markennamens bzw. Images
- Reduktion von Abhängigkeitsverhältnissen
- Ausbau von Marktmacht
- Errichtung von Wettbewerbsbeschränkungen
- Sicherung der Überlebensfähigkeit
- Nutzung von neuen Ressourcen (F&E)
- Verbesserung der Marktposition
· technischer Art
- Schaffung zusätzlicher Produktionskapazitäten
- Zugang zu neuen Technologien (Produktionsverfahren,
Patente)
Persönliche Ziele:
· Eigentümer orientiert
- Erhaltung von Tradition bzw. Erbe
- Sicherung der Überlebensfähigkeit
- Angemessene Kapitalverzinsung
- Sicherheit
· Manager orientiert
- Expansion
- Prestige
- Macht, Einfluss
- Sicherheit
- Persönliche Visionen
- Selbstüberschätzung
Tabelle 1-03: Ziele von Unternehmenszusammenschlüssen (in Anlehnung an Rohloff, S. 1994, S. 63)
1.2 Integration als Veränderungsprozess
Um einen Beitrag zur Unterstützung der Integrationsphase nach
Unternehmenszusammenschlüssen leisten zu können, ist es zunächst entscheidend, auf
die für diese Phase typischen Merkmale einzugehen. Da es aufgrund der Integration zu
mehr oder weniger einschneidenden Veränderungen für die Mitarbeiter kommt,

Erstes Kapitel: Theoretisches Rahmenkonzept
25
Veränderungsprozesse also zum Integrationsalltag gehören, wird hier in einem ersten
Schritt auf die Charakterisitka von organisationalen Veränderungen im allgemeinen
und in einem weiteren Schritt auf die Integration als Veränderungsprozess im
besonderen, eingegangen. Dies vermittelt einen Einblick in für die PMI-Phase
relevante Anknüpfungspunkte zur bedarfsbedingten Gestaltung der
Integrationsbedingungen, welche Vorraussetzung für einen erfolgreichen
Unternehmenszusammenschluss darstellen.
Der Begriff der Veränderung
Allgemein wird unter dem Terminus Veränderung sowie dem synonym verwendeten
Begriff Wandel ein Vorgang verstanden, der eine Modifikation des zugrunde
liegenden Bezugsobjektes bzw. -prozesses herbeiführt.
Aus organisationspsychologischer und betriebswirtschaftlicher Perspektive treten
dabei Unternehmen und deren Mitarbeiter als Gegenstand der Veränderung in den
Vordergrund. So hat unter dem Begriff organisatorischer Wandel oder der
englischsprachigen Bezeichnung Organizational Change seit den sechziger Jahren
eine verstärkte Auseinandersetzung mit den Phänomenen der Veränderung von und in
Organisationen stattgefunden. Gemeinsamer Ausgangspunkt ist dabei die Abkehr von
der Vorstellung, dass eine Organisation eine ,,quasi stabile Einheit" darstellt.
Organisationen werden vielmehr als sich wandelnde Einheiten verstanden, deren
Prozesshaftigkeit in allen wesentlichen Parametern der Organisation zum Ausdruck
kommt (vgl. Lehmann, L. 2005, S. 175ff.; Perich, R. 1992, S. 493ff.; Kirsch, W. 1979;
Ulrich, H. 1994, S.5ff.). Entsprechend liegt den folgenden Ausführungen die Annahme
zugrunde, dass Organisationen als soziale Systeme mit ihrem Umfeld in einem
ständigen Austausch und evolutionären Transformationsprozess stehen. Das Ziel
dieses Prozesses ist es, die Problemlösungskompetenzen auszubauen um den
Herausforderungen denen sich die Organisation gegenüber sieht bewältigen zu
können. Dabei ist der Begriff der Organisation von der Tätigkeit des organisatorischen
Gestaltens abzugrenzen, da Organisationen das Resultat dieses Gestaltens darstellen.
Organisationen beschreiben dabei soziale Systeme, deren Elemente sich wechselseitig
beeinflussen und sich durch zielbezogenes und zweckbestimmtes Handeln
auszeichnen. Ihre Struktur ist so angelegt, dass die jeweiligen Regeln und
Formalisierungen der Bewältigung von Aufgaben dienen (vgl. u.a. Morgan, G. 1998,
S. 45ff.; Vahs, D. 1997, S.8ff.; Busch, U. 1998, S. 20ff.; Engelhardt, H.D. 1995, S.
21f.; Steinbuch, P.A. 1995, S.19).
Die Veränderungsprozesse sind dabei auf vielfältige Einflüsse zurückzuführen, die
beispielsweise gesellschaftlicher Natur sein können, in Form von politischen oder
wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, oder auch persönliche Faktoren wie
Statuskonflikte betreffen können (vgl. Rosenstiel, L. von 1997, S. 191ff.).
Gerade vor dem Hintergrund dynamischer Veränderungen von Markt- und
Wettbewerbssituation, rasanten Fortschritten der Informations- und
Kommunikationstechnologie und dem Wandel der Arbeitswelt und Gesellschaft stehen

26
Erstes Kapitel: Theoretisches Rahmenkonzept
viele Unternehmen heute immer häufiger vor der Herausforderung, einen Wandel ihrer
Strukturen und Arbeitsprozesse, nicht zuletzt aber ihrer Denk- und Handlungsweisen,
Normen und Werte bewerkstelligen zu müssen. Aufgrund dieser vielfältigen
Anforderungen bedeutet organisationaler Wandel nicht nur die Veränderung von
Teilbereichen, sondern es geht um einen tiefgreifenden Wandel, der sich auf das
gesamte Unternehmen bezieht (vgl. Doppler, K. & Lauterburg, C. 1994, S. 17ff.).
Der Bewältigung des organisatorischen Wandels kommt dabei gerade im Kontext von
fusions- oder akquisitionsbedingten Integrationsprozessen eine zentrale Bedeutung zu.
Komplexität, widersprüchliche Herausforderungen und
Geschwindigkeitsanforderungen lassen Veränderungsprozesse für viele Unternehmen
jedoch zu einer nur schwer zu meisternden Aufgabe werden. So belegen verschiedene
Studien mit nüchterner Deutlichkeit, dass 50 bis 70 Prozent der
Veränderungsvorhaben in Wirtschaftsunternehmen oft weit hinter ihren Zielen
zurückbleiben oder bereits frühzeitig wieder abgebrochen werden (vgl. Lentz, B. 1997,
S. 62f.). Die Bewältigung veränderungsstrategischer Herausforderungen erscheint
daher als Kernaufgabe im organisationalen Wandel und damit auch im Zusammenhang
mit der Integrationsphase nach Unternehmenszusammenschlüssen, welche eine
Sonderform des organisatorischen Wandels darstellt. In diesem Zusammenhang stellt
sich die Frage nach dem konkreten Ablauf von Veränderungsprozessen, insbesondere
im Kontext von Unternehmensintegrationen und entsprechende Implikationen für die
PMI-Phase. Auf die nähere Beschreibung von Veränderungsprozessen geht daher der
nächste Abschnitt ein, um im weiteren Verlauf umfassende Gestaltungsprinzipien für
den Integrationsprozess ableiten zu können.
1.2.1 Der Ablauf von Veränderungsprozessen
Das Grundmodell von Lewin
Betrachtet man die Struktur von Veränderungsprozessen, so ist diese nach dem Modell
von Lewin aus drei charakteristischen Phasen aufgebaut und geht auf das von ihm
entwickelte Modell der Nutzung des sozialen Kräftefeldes zurück (vgl. Lewin, K.
1951, S. 169ff.). Dieses beruht auf den Grundüberlegungen des verhaltensorientierten
Ansatzes und versteht das Management von Veränderungen als das Management der
Kräfte eines sozialen Systems, die das System stabilisieren. Dabei betrachtet Lewin
die Art und Weise wie sich ein System verändert als Resultat des Kräfteverhältnisses
zwischen den retardierenden und akzelerierenden Kräften. Halten sich die beiden
Kräfte ungefähr die Waage, so ist ein Gleichgewicht innerhalb des Systems hergestellt.
Damit Veränderungen möglich sind, müssen also entweder die änderungsfördernden
Kräfte erhöht oder die änderungshemmenden Kräfte verringert werden, so dass ein
Ungleichgewicht entsteht. Die auf diesem Modell aufgebaute Veränderungsstrategie
besteht aus folgenden drei Schritten, die in der Abbildung 1-02 dargestellt sind: der
Aufbauphase des ,,unfreezing", der Veränderungsphase des ,,moving" und der
Stabilisierungsphase des ,,freezing" (vgl. Lewin, K. 1951, S. 210f.).

Erstes Kapitel: Theoretisches Rahmenkonzept
27
Auftauen
Verändern
Stabilisieren
Ausgangs-
gleichgewicht der
Organisation
Neuer Gleich-
gewichts-
zustand der
Organisation
Abb. 1-02:
Der Ablauf von Veränderungsprozessen nach Lewin (in Anlehnung an Lewin, K. 1951,
S. 210f.)
Der erste, als unfreezing bezeichnete Schritt beinhaltet das Aufweichen des
Kräfteverhältnisses, welches das System im Gleichgewicht hält. Eingefrorene
Strukturen werden aufgetaut, veraltete Sicht- und Denkweisen werden aufgedeckt um
Veränderungen überhaupt möglich zu machen. Bezogen auf Unternehmen
charakterisiert dieser Schritt also die prinzipielle Bereitschaft dazu, Veränderungen
herbeizuführen (vgl. Lewin, K. 1951, S. 210f.). Im zweiten Schritt des moving wird
das System dann in die angestrebte Richtung verändert, indem eine Neuausrichtung
und Implementierung neuer Prozesse erfolgt. Im dritten Schritt des refreezing geht es
darum, das System im neuen Gleichgewicht zu stabilisieren, damit das Unternehmen
nicht wieder in seinen ursprünglichen Rhythmus verfällt (vgl. Schreyögg, G. 1999, S.
492). Die Verfestigung der Veränderungen ist dabei vom Ausmaß ihres Erfolges
anhängig.
Die Umsetzung dieses von Lewin entwickelten Modells bedingt einen starken
Einbezug der Betroffenen in den Prozess der Veränderungsstrategie. Es beschreibt
Wandel als ein diskretes, intentionales Ereignis das sich losgelöst vom Kontext
vollzieht.
Formen organisatorischen Wandels: inkrementaler und fundamentaler Wandel
Je nachdem, wie stark der Wandel innerhalb des Unternehmens ist und wie
weitgehend seine Auswirkungen sind, unterscheiden Müller-Stewens und Lechner
(2001) zwischen inkrementalem und fundamentalem Wandel, welche jeweils durch
eine Epoche bzw. den Übergang zwischen zwei Epochen gekennzeichnet sind. Sie
sprechen hierbei von Entwicklungsphasen eines Unternehmens, die in Epochen
eingeteilt werden, welche jeweils durch einen einschneidenden Wandel der Strategie
und Paradigmen des Unternehmens gekennzeichnet sind. (vgl. Müller-Stewens, G. &
Lechner. C. 2001, S. 387). Innerhalb einer Epoche findet dabei in der Regel nur
inkrementaler Wandel statt, das heißt nötige Anpassungen erfolgen innerhalb des
bestehenden Ordnungsmusters. Beim Übergang zwischen zwei Epochen findet
dagegen ein fundamentaler Wandel statt, der durch einen länger andauernden
Veränderungsprozess gekennzeichnet ist, während dem es zu einer grundlegenden
Änderung der Strategien und Paradigmen kommt.

28
Erstes Kapitel: Theoretisches Rahmenkonzept
Je nachdem, welche Form dieser organisatorische Wandel annimmt, kann wiederum
zwischen ,,evolutionärem" und ,,revolutionärem" Wandel unterschieden werden (vgl.
Greiner, L.E. 1972, S. 37ff.). Der evolutionäre Wandel bezieht sich dabei auf
langfristige, kontinuierliche Veränderungen in kleinen Schritten, wohingegen der
revolutionäre Wandel kurze Perioden diskontinuierlicher Veränderungen beschreibt,
die in grossen Schüben auftreten (vgl. Ulrich, H. 1994, S. 9f.). In der Praxis kann dabei
eher von regelmäßig längeren Phasen der Konstanz ausgegangen werden, die durch
kurze Phasen tiefgreifenden Wandels unterbrochen werden, wie es der punctuated
equilibrium Ansatz beschreibt (vgl. Miller, D.& Friesen, P. 1980, S. 592ff.; Thusman,
M. & Romanelli, E. 1985, S. 173). Die Phasen der Kontinuität bzw. des Equilibriums
werden hier beschrieben als:
,, [..] time spans of incremental change which elaborate a particular strategic orientation."
(Thusman, M., Romanelli, E. 1985, S. 173)
Während dieser Phasen werden schrittweise Anpassungen der Strukturen und Prozesse
vorgenommen, wobei die grundlegende Strategie jedoch erhalten bleibt (vgl.
Thusman, M., Newman, W., Romanelli, E. 1991, S. 779). Es handelt sich also um
einen längerfristig angelegten, organisationsumfassenden Veränderungsprozess bei
dem Einstellungen, Werte und Verhaltensweisen der Mitglieder geändert werden,
bevor es zu einer Veränderung der Organisation selbst kommt. In regelmässigen
Abständen auftretende Phasen des Wandels unterbrechen diese Kontinuität und führen
zu einem fundamentalen Redesign der Organisation. Diese tiefgreifenden
Veränderungen werden von wenigen Rollenträgern durchgesetzt, die durch ihre
Machtposition dazu legitimiert sind.
Wandel erster und zweiter Ordnung
Eine weitere Unterscheidung von Veränderungsprozessen findet sich bei Watzlawick,
Weakland und Fish, die hinsichtlich der Wandelprozesse und der Wandelfähigkeit
einer Organisation zwischen dem Wandel erster und zweiter Ordnung unterscheiden
(vgl. Watzlawik, et al. 2001, S.53ff.), deren wichtigste Merkmale in Tabelle 1-04
aufgeführt sind. Der Wandel erster Ordnung beschreibt die Veränderungen innerhalb
eines Systems, die mit Veränderungen des Verhaltens der Mitglieder des Systems
verbunden sind, bei denen das Gesamtsystem aber relativ unverändert bleibt. Es
handelt sich also um eine ,,inkrementale Modifikation der Organisation ohne
Veränderung des vorherrschenden Bezugsrahmens oder des dominanten
Interpretationsschemas (vgl. Stähle, W.H. 1994, S. 849). Ziel dieses organisationalen
Wandel ist es, die Organisation oder zumindest Teile davon in einem schrittweisen
Prozess effizienter zu gestalten. Dieses Modell erfasst die Komplexität und Dynamik
von Organisationen aber nur unzureichend und eignet sich daher nicht zur
theoretischen Erklärung organisationsweiter Veränderungen, wie es bei der Integration
nach Unternehmenszusammenschlüssen der Fall ist.
Der Wandel zweiter Ordnung dagegen umfasst Veränderungen der Struktur und der
internen Regeln des Systems, wodurch der Komplexität und Dynamik von

Erstes Kapitel: Theoretisches Rahmenkonzept
29
Unternehmen Rechnung getragen wird. Die Intensität sowie Qualität des Wandels
rückt somit in den Vordergrund:
,,Second-order change (organization transformation) is a multidimensional, multi-level,
qualitative, discontinuous, radical organizational change involving a paradigmatic shift."
(Levy, A., Merry, U. 1986, S. 4)
First-Order Change
Second-Order Change
· a change in one or a few dimensions,
components, or aspects
· a change in one or a few levels (indi-
vidual and group levels)
· change in one or two behavioral as-
pects (attitudes, values)
· a quantitative change
· a change in content
· continuity, improvements, and devel-
opment in the same direction
· incremental changes
· logical and rational
· does not change the world view, the
paradigm
· within the old state of being (thinking
and acting)
· multidimensional, multicomponent,
and multiaspectual
· multilevel change (individuals,
groups, the whole organization)
· changes in all the behavioral aspects
(attitudes, norms, values, percep-
tions, beliefs, world view, behaviors)
· a qualitative change
· a change in context
· discontinuity, taking a new direction
· revolutionary jumps
· seemingly irrational, based on dif-
ferent logic
· results in new world view, new
paradigm
· results in a new state of being (think-
ing and acting)
Tabelle 1-04: Characteristics of first- and second-order change (Quelle: Levy, A. & Merry, U. 1986,
S. 6)
Im Sinne eines Wandels erster Ordnung kann eine leichte Verhaltensänderung also
bereits als Wandelfähigkeit bezeichnet werden. Eine Transformation im Sinne des
Wandels zweiter Ordnung liegt dagegen erst vor, wenn sich auch das Muster der
Problemlösung, basierend auf einer Veränderung des Verhaltensmusters, verändert
hat. Dies ist der Fall, wenn die Veränderung in einem neuen Kontext vollzogen
werden kann, da aufgrund der Reflexion das Muster entsprechend verändert wurde.
Voraussetzung dafür ist demnach die Fähigkeit, bestehende Muster und
Wissensstrukturen zu erkennen und reflektieren, um dann in einem weiteren Schritt
bestehende Muster und Routinen zu verändern. Anstatt von einem Phasenmodell mit
sequentieller Abfolge auszugehen, soll in der vorliegenden Arbeit von einer
gegenseitigen Überlagerung des Wandels erster und zweiter Ordnung ausgegangen
werden, das heißt es wird angenommen, dass der Wandel erster Ordnung im Wandel

30
Erstes Kapitel: Theoretisches Rahmenkonzept
zweiter Ordnung enthalten ist. Im Rahmen dieses Wandels zweiter Ordnung laufen
daher diverse Veränderungsprozesse unterschiedlicher Tiefe, Komplexität und
Geschwindigkeit ab, deren Summe die Intensität und Qualität des
gesamtorganisationalen Wandels bestimmen.
Eben diese Wandel- und Erneuerungsfähigkeit ist für die erfolgreiche Bewältigung
organisationaler Veränderungen im Kontext der Integrationsphase nach
Unternehmenszusammenschlüssen erforderlich. Daher soll im nächsten Abschnitt auf
die Möglichkeiten zur Unterstützung der Wandelfähigkeit der Mitarbeiter eingegangen
werden, wobei die Stufen der Veränderungsphasen und die damit
zusammenhängenden Lernprozesse als Basis und zur Orientierung der weiteren
Überlegungen dienen.
1.2.2 Die Phasen eines Veränderungsprozesses
Im Laufe von Veränderungsprozessen durchlaufen die beteiligten Mitarbeiter
verschiedene Phasen mit damit verbundenen spezifischen Reaktionen, die nach
anfänglicher Unbeweglichkeit und Ablehnungsverhalten entweder in Identifikation,
Resignation oder einem Ausstieg aus dem Unternehmen führen können. Abbildung 1-
03 veranschaulicht diese Reaktionen in Abhängigkeit von der jeweiligen
wahrgenommenen Kompetenz zur Steuerung der Veränderung anhand eines
beispielhaften Phasenverlaufs. Hier soll darauf hingewiesen werden, dass die
dargestellten Phasen lediglich ein Modell beschreiben, das keinen Anspruch der
Allgemeingültigkeit hat, sondern zum besseren Verständnis der Mitarbeiterreaktionen
bei Veränderungsprozessen im Kontext von PMI-Prozessen dienen soll und
Anhaltspunkte für Interventionsmassnahmen gibt. Auf Ebene einzelner Mitarbeiter
oder Gruppen kann es dabei sein, dass nicht alle Phasen durchlaufen werden, die
Intensität der Reaktion von Person zu Person unterschiedlich ist oder eventuell auch
mehrere Phasen gleichzeitig durchlaufen werden.
Wie in Abbildung 1-03 ersichtlich kommt es in der ersten Phase nach der
Konfrontation mit der neuen ungewohnten Situation und der Verkündung der
anstehenden Veränderungen zu einer schockartigen Reaktion der Betroffenen, da die
Erwartungen bezüglich der jeweiligen Situation nicht mehr erfüllt sind. Die
Mitarbeiter zeigen sich passiv und sind zunächst nicht in der Lage, sich mit der
Situation auseinanderzusetzen. Dem schließt sich eine Phase der aktiven Verneinung
an, in der die Mitarbeiter der Überzeugung sind, dass die alten Praktiken auch
weiterhin zum Erfolg führen. Sie wiegen sich in einem falschen Sicherheitsgefühl,
gehen gewohnten Routinen nach und lehnen jegliche Veränderung ab. Dies basiert auf
der Angst vor dem Verlust von Vertrautem und der Aufwertung des Vergangenen. Im
Sinne der kognitiven Dissonanz (vgl. Festinger, L. 1978, S. 15ff.) werden Hinweise
gesucht, nach denen die neue Situation sich nicht von der bisherigen unterscheidet,
wodurch vorhandene Kompetenzen aufgewertet werden, was letztendlich zu einer
überhöhten Einschätzung der eigenen Kompetenz führt. Dieser Selbstschutz mittels

Erstes Kapitel: Theoretisches Rahmenkonzept
31
Wahrnehmungsverzerrung behindert die Weiterentwicklung und Anpassung an die
veränderte Situation.
Je höher die Lernbereitschaft sowie die nötige Flexibilität zur Entwicklung neuer
Praktiken ist, desto eher wird die Verneinung der Einsicht über die Notwendigkeit der
Veränderungen weichen. Diese Einsicht geht jedoch mit Gefühlen der Frustration
einher, die durch Unsicherheit darüber, wie man die Veränderungen bewältigen soll,
bedingt sind. Die Unsicherheit ist auch in der Phase der Akzeptanz präsent, in der die
Realität der Veränderungen schließlich akzeptiert wird. Sie stellt den tiefsten Punkt der
Selbsteinschätzung bezüglich der eigenen Kompetenzen und Fähigkeiten zur
Bewältigung der Situation dar und geht mit der Notwendigkeit des Loslassens
gewohnter Einstellungen und Verhaltensweisen einher. Demzufolge schließt sich hier
eine Experimentierphase an, in der nach dem Versuchs- und Irrtumsprinzip neue
Verhaltensweisen ausprobiert werden. Hier besteht die Gefahr, aufgrund von
misserfolgsbedingten, negativen Erlebnissen in die Phase der Verneinung zurück zu
fallen. Dies stellt eine Art Fluchtverhalten dar, das sich durchaus auch in einer realen
Flucht vollziehen kann, wenn Mitarbeiter kündigen, da sie sich mit den
Veränderungen nicht identifizieren können oder wollen und damit im Unternehmen
keine Zukunft für sich sehen.
Wenn die Zusammenhänge darüber, weshalb bestimmte Verhaltensweisen erfolgreich
waren und andere nicht aber erkannt werden, befinden sich die Mitarbeiter im
Übergang zur Phase der Erkenntnis. Hier wird gelernt mit den Veränderungen
umzugehen und sich der veränderten organisationalen Situation anzupassen. Für
diesen Prozess ist es notwendig, den Mitarbeitern ausreichendes Feedback über ihr
Verhalten zu geben, das ihnen die Orientierung bezüglich der veränderten
Bedingungen ermöglicht, und somit richtungsweisend für die erfolgreiche
Bewältigung des Veränderungsprozesses und damit den Erfolg des
Integrationsprozesses an sich ist.
Schließlich werden erfolgreiche Verhaltensweisen in der als Integration bezeichneten
Phase verfestigt und in das aktive Verhaltensrepertoire übernommen. Die
wahrgenomme Kompetenz hat hier ein neues Niveau erreicht, das jenes der
Ausgangssituation übersteigt.
Das dargestellte Modell der Veränderungskurve hilft, die bei den Mitarbeitern im
Zusammenhang von Integrationen auftretenden Zustände und Verhaltensweisen zu
verstehen und zu erklären und gibt zugleich Ansatzpunkte zur Unterstützung in dieser
Phase. Hierdurch ergeben sich Möglichkeiten, die jeweiligen Reaktionen zu
antizipieren, die Mitarbeiter entsprechend vorzubereiten und damit den Verlauf des
Prozesses besser steuern zu können. Zur Unterstützung von Veränderungsprozessen
bei Unternehmensintegrationen ist es daher wichtig, diese Phasen der Veränderung zu
berücksichtigen und im Bedarfsfall angemessene Hilfestellungen zu geben.
Insbesondere beim Übergang von der Phase der Akzeptanz zu der des Ausprobierens
kann dies beispielsweise mittels ausreichendem Feedback erreicht werden.

32
Erstes Kapitel: Theoretisches Rahmenkonzept
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Abb. 1-03:
Mitarbeiterreaktionen bei Integrationsprozessen (in Anlehnung an Streich, R.K. 1997,
S. 243)
Im Verlauf dieses Veränderungsprozesses kommt es sowohl auf der Ebene des
Individuums als auch der Organisation zu diversen Lernprozessen und zum
Ausprobieren sowie gegebenenfalls zur Übernahme neu gelernter Verhaltensweisen
und Wissensbestände. Es finden also Lernprozesse statt, die in den Extremfällen
jeweils entweder zu einem Ausstieg aus dem Unternehmen oder zur Integration führen
können. Gerade im Kontext von PMI-Prozessen, bei denen die integrationsbedingten
Veränderungen in der Regel besonders gravierend sind, stellt sich hier die Frage,
welchen konkreten Einfluss das Lernen auf den Integrationsprozess hat, wie sich
dieser gestaltet und wie der Wissenstransfer im Sinne der Realisierung von Synergien,

Erstes Kapitel: Theoretisches Rahmenkonzept
33
gewährleistet werden kann. Vor dem Hintergrund dieser Fragestellungen soll im
Weiteren auf das organisationale Lernen und Wissen in Veränderungsprozessen
eingegangen werden, um dann weitere konkrete Implikationen für die PMI-Phase
ableiten zu können.
1.2.3 Organisationales Lernen und -Wissen im Veränderungsprozess
Wie in der Literatur vielfach betont, stellen gerade im Informationszeitalter Wissen
und damit auch Lernen für Unternehmen eine entscheidende Ressource zur Sicherung
der organisationalen Überlebensfähigkeit dar. Dem organisationalen Lernen als
Aneignung von relevantem Wissen kommt demnach eine bedeutende Funktion bei der
Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und des Erfolgs eines Unternehmens zu (vgl. zu
Knyphausen-Aufsess, D. 1995, S. 99 sowie Müller-Stewens, G. & Pautzke, G. 1996,
S. 185). Daher ist es zentrales Anliegen der Lerntheoretiker, die Notwendigkeit
ständiger Veränderungen von Unternehmen im Sinne der Aneignung immer neuen
Wissens zu thematisieren (vgl. Dodgson, M. 1993, S. 375). Das organisationale
Lernen bezeichnet demnach einen kontinuierlichen Veränderungsprozess von
Organisationen, getragen von Individuen, Gruppen sowie der Organisation als Ganzes
(vgl. Kleingarn, H. 1997, S. 54).
Da der Erwerb von Wissen bei vielen Unternehmensübernahmen eine zentrale Rolle
spielt, lassen sich in Bezug auf die Integrationsphase Wissen und Lernen als zentrale
Parameter der Integration identifizieren. Denn hier treffen oft unterschiedliche Formen
des Wissensmanagements, des Wissenstransfers und der Wissensgenerierung
aufeinander, die im Verlauf der Integrationsphase aufeinander abgestimmt werden
müssen (vgl. Müller-Stewens, G. & Lechner, C. 2001, S. 19). Zur Überwindung dieser
Unterschiede sind umfangreiche wechselseitige Lernprozesse im Verlauf der
Integration erforderlich. Lernen umfasst dabei die Fähigkeit zur kritischen
Auseinandersetzung und Reflexion mit dem eigenen Tun und Handeln sowie zur
bewussten Veränderung des eigenen Wissens und Verhaltens. Hierbei ist bzgl. der
Lernebenen zu unterscheiden zwischen organisationalem Lernen (der Aufbau von
Fähigkeiten auf Organisationsebene) und individuellem Lernen (der Wissenserwerb
auf Individuumsebene) (vgl. u.a. Staehle, W.H. 1999, S. 913f; Probst, G.J.B. &
Büchel, B.S.T. 1998, S. 17-24.).
Je größer die Unterschiede der zu integrierenden Unternehmen, desto mehr Probleme
können demnach aufgrund von Lernhemmnissen und -barrieren entstehen, die vor oder
zumindest während der Integrationsphase eliminiert werden müssen, um den
Wissenstransfer und den Aufbau entsprechender organisationaler und individueller
Fähigkeiten zu gewährleisten.
Im Bezug auf die PMI-Phase ist der aufgrund von empirischen Untersuchungen
belegte Zusammenhang zwischen erfahrungsbasiertem Wissen, das zu qualitiativ
besseren sowie schnelleren Entscheidungen führt und dem Erfolg von Unternehmen
bedeutsam und entsprechend konnte in diversen Studien belegt werden, dass

34
Erstes Kapitel: Theoretisches Rahmenkonzept
Erfahrung mit PMI-Prozessen zu einem höheren Integrationserfolg führt (vgl. Bleeke,
J. et al. 1990, S. 54; Bühner, R. 1990, S. 176ff.; Gerpott, T.J. 1993, S. 461; Mitchell,
D. 1988, S. 19; Möller, W.P. 1983, S. 280f. und 305f. Ähnliche Ergebnisse finden sich
auch bei Untersuchungen zu strategischen Allianzen: vgl. Doz, Y.L. 1996, S. 55f.;
Simonin, B.L. 1997, S. 595f.). Die erfolgreiche Durchführung von Intergationen nach
Unternehmenszusammenschlüssen ist demnach in gewissem Grade im Sinne eines
,,learning by doing" erlernbar.
Vor diesem Hintergrund soll im Folgenden genauer auf die verschiedenen Aspekte
und Ansätze organisationalen Lernens eingegangen werden. Dies umfasst die Frage,
wer Gegenstand von Lernprozessen sein kann, wie organisationales Lernen definiert
werden kann, auf welcher Ebene ein Lernprozess erfolgt und welche Art von
Lernbarrieren vorliegen können. Darauf aufbauend werden spezielle Lernvorgänge in
der PMI-Phase fokussiert.
Organisationales Lernen
Das organisationale Lernen findet im Vergleich zum individuellen Lernen in den
formalen Strukturen der Organisation statt, wobei es zwar auf dem individuellen
Lernen aufbaut, jedoch nicht damit gleichzusetzen ist (vgl. Dodgson, M. 1993, S.
375ff.; Hedberg, B.L.T. 1981, S.3ff.; Huber, G.P. 1991, S. 88ff.; Levitt, B., March,
J.B., S. 319ff.; Shrivsatava, P. 1983, S. 7ff.). Hierbei wird betont, dass es nicht der
Addition des individuellen Lernens der einzelnen Organisationsmitglieder entspricht
(vgl. Fiol, C.M., Lydes, M.A. 1985, S. 804; Hedberg, B.L.T. 1981, S. 6). Denn zum
einen liegen individuelle Wissensinhalte vor, die für die Organisation nicht zugänglich
sind, zum anderen können im organisationalen Wissensspeicher Inhalte gespeichert
sein, die auf individueller Ebene nicht mehr vorhanden sind (vgl. Büchel, B.S.T.,
Probst, G.J.B. 1998, S. 19). Das organisationale Wissen setzt sich vielmehr aus dem
Lernen der einzelnen Mitglieder und dem in der Organisation institutionaliserten
Wissen zusammen. Letzteres verbleibt auch nach einem personellen Wechsel im
Unternehmen und bestimmt die Vermittlung individueller Erfahrungen. Die Ansätze
zum organisationalen Lernen gehen demzufolge von den Prämissen aus, dass
organisationales Lernen über individuelles Lernen erfolgt und dass Organisationen
Wissen unabhängig von ihren Mitgliedern speichern können (vgl. Probst, G.J.B. 1993,
S. 252; Pawlowsky, P. 1992, S. 199; Probst, G.J.B.& Büchel, B. 1994, S.20).
In der Literatur finden sich vielfältige Definitionen von organisationalem Lernen
wobei der Schwerpunkt allgemein auf dem Lernen von Organisationen als Gesamtheit
liegt (zur vertieften Analyse verschiedener Definitionen vgl. Probst, G.J.B., Büchel, B.
1994: S. 178; Reinhardt, 1995, S. 43ff.; Pawlowsky, P. 1992, S. 177ff.). So definiert
Probst organisationales Lernen als:
,,[..] Prozesse einer Institution als Ganzes, Fehler zu entdecken, diese zu korrigieren
sowie die organisationale Wert- und Wissensbasis zu verändern, so dass neue
Problemlösungs- und Handlungsfähigkeiten erzeugt werden. Einzuschließen ist auch die
Fähigkeit, Handlungskriterien und ­strategien auf ihre Sinnhaftigkeit zu überdenken."
(Probst, G.J.B. 1994, S. 302)

Erstes Kapitel: Theoretisches Rahmenkonzept
35
Diese Aneignung und Veränderung von Wissensressourcen verläuft in
Wechselwirkung von Individuum, Organisation sowie externer und interner Umwelt
der Organisation und ermöglicht die Replikation von Handlungskompetenzen
unabhängig von den Individuen der Organisation (vgl. Hanft, 1996, S. 134). In diesem
Sinne stellen Organisationstrukturen, in denen die Organisationsmitglieder arbeiten
und lernen oft Lernerfahrungen früherer Mitarbeiter dar. Dabei orientiert sich die
jeweilige Informationsverarbeitung innerhalb des Systems aus
kognitionswissenschaftlicher Perspektive an allgemein gültigen Interpretationsregeln
(vgl. Kahle, E. 1999, S.111).
Der kognitionstheoretische Ansatz beschreibt Lernen als den Aufbau und die
Weiterentwicklung von kognitiven Mustern. Diese kognitiven Muster beinhalten
Informationen über die Organisation und die Umwelt und dienen somit als
Entscheidungsgrundlage für künftiges Handeln in der Organisation (vgl. Schreyögg,
G. 1999, S. 541). Lernen bewirkt also eine Überarbeitung der Wissensbasis des
Unternehmens. Der Veränderung der kognitiven Muster kommt im Zusammenhang
mit dem psychologischen Vertrag als ungeschriebene, attribuierte Vereinbarung und
damit Grundlage der Zusammenarbeit zwischen Individuum und Organisation, eine
wichtige Bedeutung zu, worauf im weiteren Verlauf dieser Arbeit näher eingegangen
werden soll (vgl. hierzu Kapitel II, 1.3.1).
Dabei bleibt jedoch unklar, ob es sich beim organisationalen Lernen um ein
kollektives Konstrukt handelt oder um einen individuellen Lernprozess, welcher der
Organisation in Form von Wissen zur Verfügung gestellt wird (vgl. Schreyögg, G.,
Eberl, P. 1998, S. 519). Die Systemtheorie füllt diese Lücke, indem sie von der
Transformation individuellen Wissens in ein kollektives, organisationales Wissen
ausgeht. Der Übergang von individuellem zu organisationalem Wissen und Lernen
erfolgt dabei durch die Kommunikation von Wissensinhalten, deren transparente
Darstellung in den Speichermedien der Organisation sowie der Integration dieser
kollektiven Wissensinhalte in das organisationale Gesamtwissen, wodurch es allen
Organisationsmitgliedern zugänglich ist (vgl. Probst, G.J.B., Büchel, B.S.T. 1998, S.
20f. sowie Schreyögg, G. 1999, S. 529ff.). Organisationales Lernen liegt demzufolge
vor, wenn die Organisationsmitglieder in der Lage sind, ihre Handlungen in das
Gesamtsystem zu integrieren, so dass es diesem Gesamtsystem zur Verfügung steht.
Diese Form des Wissenstransfers steht auch bei Integrationen nach
Unternehmenszusammenschlüssen im Vordergrund und soll sicherstellen, dass
Lernerfahrungen und Wissensbestände der Mitglieder der zu integrierenden
Unternehmen nicht verloren gehen. Hierbei spielt auch eine Rolle, ob das Wissen in
expliziter oder impliziter Form vorliegt, das heißt zu welcher Wissensdimension es
gehört.
Wissensdimensionen
Hinsichtlich der Dimensionen kann zwischen explizitem und implizitem Wissen
unterschieden werden. Explizites Wissen kann durch formale Denkvorgänge erworben
werden und ist transferierbar, d.h. es kann allen Organisationsmitgliedern zugänglich,

36
Erstes Kapitel: Theoretisches Rahmenkonzept
in objektivierter Form gespeichert werden. Dahingegen kann implizites Wissen nur als
kontextbezogene praktische Erfahrung erworben werden und ist an den Träger des
Wissens gebunden (vgl. Probst, G.J.B., Büchel, B.S.T. 1998, S. 26f.). Daher kann es
nur durch persönliche Kontakte weitergegeben werden, erfordert zur Umsetzung also
die Beteiligung anderer da es nicht in objektivierter Form vorliegt. In Unternehmen
lässt sich implizites Wissen insbesondere in Form von routinemäßigem Verhalten
finden, das die jeweiligen Träger unbewusst anwenden und das in das
Beziehungsgefüge von Individuen, Gruppen und Prozessen eingebunden ist. Werden
diese Beziehungen zum Beispiel im Rahmen von Integrationsprozessen nach
Unternehmenszusammenschlüssen aufgelöst, geht auch das damit verbundene
implizite Wissen verloren.
Lernebenen
Organisationale Lernprozesse können unterschiedliche Intensitätsgrade aufweisen,
worauf Argyris und Schön in ihrer Differenzierung zwischen single-loop, double-loop
und deutero-learning hinweisen (vgl. Argyris, C., Schön, D.A. 1978, S. 18ff.). In
ihrem auf der Kognitionstheorie basierenden Grundmodell gehen sie davon aus, dass
alle Organsationsmitglieder gemeinsame Grundannahmen teilen, die den Lernprozess
beeinflussen. Aus den geteilten Werten, Normen und Zielen leiten sich
Handlungstheorien ab. Führt die Umsetzung dieser Theorien zu einem im Ist-Soll-
Vergleich unbefriedigenden Ergebnis, das durch interne oder externe
Umweltveränderungen bedingt ist, werden auf der Ebene des single-loop-learning die
Abweichungen korrigiert, indem die sogenannten theories-in-use, das heißt die
tatsächlich angewandten Handlungstheorien, verändert werden. Die Handlungstheorie
wird dabei in der Art angepasst, dass sie wieder mit den bestehenden Normen und
Werten, die nicht verändert werden, in Einklang steht (vgl. Argyris, C. Schön, D.A.
1987, S. 20ff.).
Hierzu ist kritisch anzumerken, dass die Modifikation der bestehenden Routinen durch
das Veränderungslernen keinen tiefgreifenden Effekt hat, da sie bestehende
Innovationspotentiale nicht nutzt (vgl. Hillig, A. 1997, S. 64f.). Um dies zu erreichen,
müssen über eine Rückkopplung an das Wissenssystem der Organisation neue
Handlungstheorien im Rahmen des double-loop-learning entwickelt werden. Auf
dieser höheren Ebene des Veränderungslernens werden die Normen, Werte und
Zielvorstellungen einer Organisation kritisch hinterfragt und gegebenenfalls
ausgetauscht. Es kommt also zu einer Modifikation der espoused-theories, der offiziell
verkündeten Handlungstheorien im Sinne einer Umweltadaption. Entsprechen die
festgelegten Ziele beispielsweise nicht mehr den Marktanforderungen, oder im Fall
eines Unternehmenszusammenschlusses nicht mehr den Zielen der Integration, so
müssen sie neu definiert werden, um den Kurs des Unternehmens zu korrigieren.
Allerdings stellt auch das double-loop-learning ein rein reaktives Modell dar, das auf
die Anpassung an die Umwelt abzielt. Eine solche Anpassung ist zwar oft wichtig für
Unternehmen, stellt jedoch keinen innovativen Lernprozess dar, wie es beim deutero-
learning der Fall ist. Diese dritte Stufe des organisationalen Lernens beschreibt ein

Erstes Kapitel: Theoretisches Rahmenkonzept
37
organisationales Problemlösen bei dem das Veränderungslernen, das single- und
double-loop-learning selbst zum Gegenstand des Lernens wird (vgl. Argyris, C.,
Schön, D.A. 1978, S. 16ff.). Damit ist also eine dynamische Lernebene erreicht, die es
der Organisation ermöglicht, Methoden und Routinen kritisch zu hinterfragen und
weiter zu entwickeln. Verhaltensbestimmend sind hier nicht mehr die Normen und
Regeln, sondern die Einsicht der Mitglieder in den Sinn der Organisation, so dass alte
Lernroutinen in Frage gestellt werden können (vgl. Pawlowski, P. 1992, S. 210). Die
Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Struktur der Organisation ein Lernen des
Lernens erlaubt.
In ähnlicher Weise beschreibt Pawlowsky drei Lerntypen, deren Abgrenzung sich auf
die Wissensveränderung sowie die Initiative des Lernenden bezieht (Pawlowsky, P.
1992, S. 177ff.). Der erste Lerntyp besteht in einer Anpassung der Wissensbasis als
Reaktion auf Veränderungen der organisationalen Umwelt. Der zweite Lerntyp
impliziert darüber hinaus konkrete Änderungen der Wissensbasis und der dritte
Lerntyp beschreibt das Lernen des Lernens, bei dem kontinuierlich Lernprozesse
verbessert werden. Die hier beschriebene Dreiteilung des organisationalen Lernens
wurde von Wiesenthal kritisiert, da die dritte Stufe des organisationalen Problemlösens
seiner Ansicht nach nicht auf der organsiationalen, sondern nur auf der individuellen
Ebene beobachtbar ist (vgl. Wiesenthal, H. 1995, S. 138f.). Es ist dagegen durchaus
denkbar, dass organisationales Problemlösen auch von kleineren Gruppen, wie zum
Beispiel Integrationsteams durchgeführt werden kann. Je größer dabei die zu
implementierenden Veränderungen sind, desto mehr wird das Problemlösen durch eine
Gestaltung der Bedingungen der Selbstorganisation im Rahmen einzelner Projekte zur
Umsetzung der geplanten Veränderungen erfolgen (vgl. Prigogine, I. 1982, S. 67ff.).
Voraussetzungen für organisationale Lernprozesse
Damit ein Lernprozess stattfinden kann, müssen gewisse Voraussetzungen erfüllt sein.
Zum einen erfordert organisationales Lernen, dass Widersprüche im Ist-Soll-Vergleich
innerhalb der Organisation wahrgenommen werden und eine Lösung dafür gefunden
wird. Zum anderen muss es zu einer Veränderung der kognitiven Strukturen der
Organisation kommen, was wiederum zu einer erweiterten Handlungskompetenz führt
(vgl. Baitsch, C. 1996, S. 47f.). Es geht also nicht per se um das Durchsetzen neuer
Ideen, sondern um die Entwicklung neuer Handlungsroutinen. Des weiteren muss die
Struktur der Organsation ein Lernen des Lernens zulassen, die Organisationsmitglieder
müssen genug Eigenverantwortung erhalten und dürfen keine Widerstände gegenüber
Neuem aufbauen. Dabei ist es umso wahrscheinlicher, dass Mitarbeiter diese neue
Handlungsroutinen entwickeln und anwenden, je höher das Ausmass an erforderlicher
Interaktion ist, das heißt je größer der Bereich ist, der eine gemeinsame Konstruktion
der Wirklichkeit erfordert. Ist die Arbeitsstruktur dagegen derart beschaffen, dass
Interaktionen nicht nötig sind, führt dies eher zu Assimilation. Neue Elemente werden
dann der eigenen Struktur untergeordnet, also verdrängt im Gegensatz zur
Akkomodation, bei der eine Neudefinition der Umwelt vorgenommen wird (vgl.
Baitsch, C. 1993, S.35).

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783956361913
ISBN (Paperback)
9783836601788
Dateigröße
1.4 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München – Psychologie, Arbeits- und Organisationspsychologie
Erscheinungsdatum
2007 (Februar)
Note
1
Schlagworte
merger unternehmenszusammenschluss organisationspsychologie change management acquisitions
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Titel: Post-Merger Integration
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