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IPTV-Plattformen: Definition des IPTV-Konzeptes und Vergleich der Marktsituationen in Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und der Schweiz

©2006 Diplomarbeit 116 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Mit dem Aufkommen der Digitaltechnik haben wesentliche Veränderungen in der Distribution von Fernsehsignalen sowie den zugrunde liegenden Geschäftsmodellen stattgefunden. Durch moderne Kompressionstechnologie wurde eine bessere Kapazitätsauslastung der Distributionswege ermöglicht. Diese kommt den Zuschauern durch eine gesteigerte Vielfalt beim Fernsehempfang zugute und bietet auf Produzentenseite geringere Kosten der Übertragung und somit bessere Eintrittsbedingungen in den Fernsehmarkt.
Weiterhin schuf die Digitalisierung der Fernsehdistribution die Basis für eine kompatibel ausweitbare Ausstrahlungstechnik im Bezug auf unterschiedliche Bildqualitäten sowie eine Marktöffnung für fernsehverwandte Zusatzdienste und Services, allesamt Bedingungen für die Verwirklichung der – zumeist anbieterseitig – lange gehegten Vorstellung eines qualitativ differenzierbaren und weniger passiv orientierten, sogar interaktiven Fernsehkonsums beim Zuschauer. In diesem Zusammenhang erschien ein weiterer Vorteil der Digitalisierung nützlich: Die technisch einfachere und damit kostengünstigere Implementierbarkeit von sicheren Verschlüsselungssystemen zur Verwirklichung von Pay-TV, welche eine direkte Adressierbarkeit und somit auch den Ausschluss von potentiell zahlungsunwilligen Zuschauern ermöglichen. Motivationsfaktor war hierbei die Annahme, dass die Preiszahlungsbereitschaft eines Zuschauers für ein gegebenes Programm die der werbetreibenden Wirtschaft für die Aufmerksamkeit des Zuschauers übersteigen und im Zusammenspiel mit weiteren kostenpflichtigen Zusatzdiensten zu einer Umsatzsteigerung führen könnte.
Dieser Wandel im anbieterseitigen Rezipientenverständnis weg vom Zuschauer hin zum umsatzgenerierenden Endkunden vollzog sich indes nicht nur auf der Seite der Fernsehveranstalter, sondern auch bei den Betreibern von Distributionsinfrastrukturen, welche als technische Dienstleister der Fernsehübertragung eine natürliche Nähe zum Digitalisierungsprozess aufweisen. Waren diese in der analogen Zeit noch reine Transporteure der Fernsehinhalte, erkannten sie nun zunehmende Möglichkeiten zur Erweiterung ihrer Wertschöpfung hin zur Entwicklung einer eigenen digitalen Plattform und prüften verstärkt die Option, als Paketierer und Weiterverkäufer von Fernsehinhalten aufzutreten.
Insbesondere im Bereich der Kabelfernsehnetze trat hierbei ein Bewusstseinswandel auf Seiten der privaten Netzbetreiber ein, da diese durch technologischen […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Petar Klepic
IPTV-Plattformen: Definition des IPTV-Konzeptes und Vergleich der Marktsituationen
in Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und der Schweiz
ISBN: 978-3-8366-0154-2
Druck Diplomica® GmbH, Hamburg, 2007
Zugl. Universität zu Köln, Köln, Deutschland, Diplomarbeit, 2006
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© Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2007
Printed in Germany


I
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis ... I
Abkürzungsverzeichnis... IV
Abbildungsverzeichnis... V
Tabellenverzeichnis ... VI
1.
Einleitung ... 1
2.
Definition des IPTV-Konzeptes... 5
2.1.
Technische Grundlagen ... 5
2.1.1.
Paketvermittelte Datenübertragung durch IP ... 5
2.1.2.
Streaming und Kompression ... 7
2.1.3.
Multicasting... 9
2.1.4.
DSL-Infrastrukturen als Träger von IP-Datenverkehr ... 10
2.1.4.1.
Grundlagen und Funktionsweise... 10
2.1.4.2.
Wettbewerb in DSL-Teilnehmerzugangsnetzen ... 12
2.2.
Kriterien zur Abgrenzung des Begriffs IPTV ... 13
2.2.1.
Lineares Fernsehen über IP-Netze ... 13
2.2.2.
Geschlossene und regional abgegrenzte Netze... 15
2.2.3.
Vollständige Adressierbarkeit des Fernsehdienstes ... 16
2.2.4.
Konvergenz von Fernsehen und Telekommunikation ... 17
2.3.
Definition ... 19
3.
Theoretische Annäherung an einen Marktvergleich ... 20
3.1.
Grundlegende Konzepte ... 20
3.1.1.
Marktabgrenzung ... 21
3.1.1.1.
Substituierbarkeit als Grundlage der Marktabgrenzung ... 21
3.1.1.2.
Kreuzpreiselastizität ... 22
3.1.1.3.
Neue Märkte und Sortimentsmärkte... 22
3.1.2.
Anbieterkonzentration... 24
3.1.2.1.
Konzentration und allokative Ineffizienz ... 24
3.1.2.2.
Messung der Anbieterkonzentration... 25
3.1.3.
Markteintrittsbarrieren... 26
3.1.3.1.
Größenersparnisse der Produktion ... 26
3.1.3.2.
Vorteile durch Produktdifferenzierung ... 29
3.1.3.3.
Absolute Kostenvorteile ... 31
3.1.3.4.
Netzwerkexternalitäten ... 31
3.1.3.5.
Limit-Preis-Strategie ... 32
3.1.4.
Bündelung ... 35
3.2.
Herleitung von Auswertungskriterien ... 36

II
3.2.1.
Marktabgrenzung im Fall von IPTV ... 36
3.2.2.
Anbieterkonzentration als Indikator der Marktattraktivität ... 40
3.2.3.
Markteintrittsbarrieren für IPTV-Plattformen ... 41
3.2.3.1.
Skaleneffekte als Eintrittshürde ... 41
3.2.3.2.
Zugang zu Inhalten als Eintrittshürde... 45
3.2.3.3.
Produktdifferenzierungsvorteile etablierter Anbieter ... 47
3.3.
Datenerhebung ... 49
4.
Vergleich der Marktsituationen in ausgewählten Ländern Europas ... 51
4.1.
Frankreich ... 51
4.1.1.
Allgemeine Marktdaten ... 51
4.1.2.
Konzentration im relevanten Markt ... 52
4.1.3.
Strukturelle Markteintrittsbarrieren... 53
4.1.3.1.
Skaleneffekte ... 53
4.1.3.2.
Grad der Produktdifferenzierung... 55
4.1.4.
Fazit ... 59
4.2.
Großbritannien ... 60
4.2.1.
Allgemeine Marktdaten ... 60
4.2.2.
Konzentration im relevanten Markt ... 61
4.2.3.
Strukturelle Markteintrittsbarrieren... 62
4.2.3.1.
Skaleneffekte ... 62
4.2.3.2.
Grad der Produktdifferenzierung... 64
4.2.4.
Fazit ... 67
4.3.
Italien ... 67
4.3.1.
Allgemeine Marktdaten ... 67
4.3.2.
Konzentration im relevanten Markt ... 68
4.3.3.
Strukturelle Markteintrittsbarrieren... 69
4.3.3.1.
Skaleneffekte ... 69
4.3.3.2.
Grad der Produktdifferenzierung... 71
4.3.4.
Fazit ... 74
4.4.
Schweiz ... 75
4.4.1.
Allgemeine Marktdaten ... 75
4.4.2.
Konzentration im relevanten Markt ... 75
4.4.3.
Strukturelle Markteintrittsbarrieren... 77
4.4.3.1.
Skaleneffekte ... 77
4.4.3.2.
Grad der Produktdifferenzierung... 78
4.4.4.
Fazit ... 80
4.5.
Deutschland... 81
4.5.1.
Allgemeine Marktdaten ... 81
4.5.2.
Konzentration im relevanten Markt ... 82
4.5.3.
Strukturelle Markteintrittsbarrieren... 84
4.5.3.1.
Skaleneffekte ... 84

III
4.5.3.2.
Grad der Produktdifferenzierung... 87
4.5.4.
Fazit ... 92
4.6.
Schlussfolgerungen ... 93
5.
Zusammenfassung und Ausblick ... 96
Literaturverzeichnis ... VII

IV
Abkürzungsverzeichnis
ADSL
Asymmetric Digital Subscriber Line
ARPU
Average Revenue Per User
DSL
Digital Subscriber Line
DSLAM
Digital Subscriber Line Access Multiplexer
DTK
Durchschnittliche Gesamtkosten
DVB
Digital Video Broadcasting
DVB-C
Digital Video Broadcasting - Cable
DVB-S
Digital Video Broadcasting - Satellite
DVB-T
Digital Video Broadcasting - Terrestrial
EPG
Electronic Program Guide
FTTH
Fibre To The Home
Gbit/s
Gigabit pro Sekunde
GE
Grenzerlös
GK
Grenzkosten
HHI
Hirschmann Herfindahl Index
IP
Internet Protocol
IPTV
Internet Protocol Television
Mbit/s
Megabit pro Sekunde
MOG
Mindestoptimale Betriebsgröße
MPEG
Moving Pictures Experts Group
NPVR
Network Based Personal Video Recorder
NVOD
Near Video On Demand
PAF
Preis Absatz Funktion
PVR
Personal Video Recorder
QOS
Quality Of Service
SMS
Subscriber Management System
TRW
Technische Reichweite
TVHH
Fernsehhaushalte
ULL
Unbundled Local Loop
VDSL
Very High Bitrate Digital Subscriber Line
VOD
Video On Demand
VOIP
Voice Over Internet Protocol

V
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Multicasting und Unicasting im Vergleich ... 10
Abbildung 2: DSL-Standards nach Bandbreiten und Reichweiten ... 12
Abbildung 3: Marktversorgung im Cournot-Oligopol bei n Anbietern ... 24
Abbildung 4: Kostenstruktur bei Skaleneffekten ... 28
Abbildung 5: Preis-Mengen-Kombination bei Limit-Preis-Strategie ... 33
Abbildung 6: Allokativer Zustand im Monopol bei Bündelung ... 36
Abbildung 7: TVHH in % nach Distributionsweg in Frankreich ... 52
Abbildung 8: TRW in TVHH und Penetration nach Anbieter in Frankreich ... 54
Abbildung 9: Bündelpreise in /Monat nach Anbieter in Frankreich ... 55
Abbildung 10: TVHH in % nach Distributionsweg in Großbritannien... 60
Abbildung 11: TRW in TVHH und Penetration nach Anbieter in Großbritannien... 63
Abbildung 12: Bündelpreise in /Monat nach Anbieter in Großbritannien ... 64
Abbildung 13: TVHH in % nach Distributionsweg in Italien ... 68
Abbildung 14: TRW in TVHH und Penetration nach Anbieter in Italien ... 70
Abbildung 15: Bündelpreise in /Monat nach Anbieter in Italien ... 71
Abbildung 16: TVHH in % nach Distributionsweg in der Schweiz... 75
Abbildung 17: TRW in TVHH und Penetration nach Anbieter in der Schweiz... 77
Abbildung 18: TVHH in % nach Distributionsweg in Deutschland ... 82
Abbildung 19: TRW in TVHH und Penetration nach Anbieter in Deutschland ... 85
Abbildung 20: Bündelpreise in /Monat nach Anbieter in Deutschland ... 86

VI
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Marktanteile und HHI in Frankreich... 53
Tabelle 2: Kabelbetreiber nach ausgewählten Kriterien in Frankreich ... 57
Tabelle 3: IPTV-Anbieter nach ausgewählten Kriterien in Frankreich ... 58
Tabelle 4: Marktanteile und HHI in Großbritannien ... 62
Tabelle 5: Anbieter nach ausgewählten Kriterien in Großbritannien ... 66
Tabelle 6: Marktanteile und HHI in Italien ... 69
Tabelle 7: Anbieter nach ausgewählten Kriterien in Italien ... 73
Tabelle 8: Marktanteile und HHI in der Schweiz ... 76
Tabelle 9: Anbieter nach ausgewählten Kriterien in der Schweiz ... 80
Tabelle 10: Marktanteile und HHI in Deutschland ... 84
Tabelle 11: Kabelbetreiber nach ausgewählten Kriterien in Deutschland I... 89
Tabelle 12: Kabelbetreiber nach ausgewählten Kriterien in Deutschland II... 90
Tabelle 13: IPTV-Anbieter nach ausgewählten Kriterien in Deutschland ... 91

1
1. Einleitung
Mit dem Aufkommen der Digitaltechnik haben wesentliche Veränderungen in
der Distribution von Fernsehsignalen sowie den zugrunde liegenden Ge-
schäftsmodellen stattgefunden. Durch moderne Kompressionstechnologie wur-
de eine bessere Kapazitätsauslastung der Distributionswege ermöglicht. Diese
kommt den Zuschauern durch eine gesteigerte Vielfalt beim Fernsehempfang
zugute und bietet auf Produzentenseite geringere Kosten der Übertragung und
somit bessere Eintrittsbedingungen in den Fernsehmarkt. Weiterhin schuf die
Digitalisierung der Fernsehdistribution die Basis für eine kompatibel ausweitba-
re Ausstrahlungstechnik im Bezug auf unterschiedliche Bildqualitäten sowie
eine Marktöffnung für fernsehverwandte Zusatzdienste und Services,
1
allesamt
Bedingungen für die Verwirklichung der ­ zumeist anbieterseitig ­ lange geheg-
ten Vorstellung eines qualitativ differenzierbaren und weniger passiv orientier-
ten, sogar interaktiven Fernsehkonsums beim Zuschauer. In diesem Zusam-
menhang erschien ein weiterer Vorteil der Digitalisierung nützlich: Die tech-
nisch einfachere und damit kostengünstigere Implementierbarkeit von sicheren
Verschlüsselungssystemen zur Verwirklichung von Pay-TV, welche eine direkte
Adressierbarkeit und somit auch den Ausschluss von potentiell zahlungsunwil-
ligen Zuschauern ermöglichen. Motivationsfaktor war hierbei die Annahme,
dass die Preiszahlungsbereitschaft eines Zuschauers für ein gegebenes Pro-
gramm die der werbetreibenden Wirtschaft für die Aufmerksamkeit des Zu-
schauers übersteigen und im Zusammenspiel mit weiteren kostenpflichtigen
Zusatzdiensten zu einer Umsatzsteigerung führen könnte.
2
Dieser Wandel im anbieterseitigen Rezipientenverständnis weg vom Zuschauer
hin zum umsatzgenerierenden Endkunden vollzog sich indes nicht nur auf der
Seite der Fernsehveranstalter, sondern auch bei den Betreibern von Distributi-
onsinfrastrukturen, welche als technische Dienstleister der Fernsehübertragung
eine natürliche Nähe zum Digitalisierungsprozess aufweisen. Waren diese in
der analogen Zeit noch reine Transporteure der Fernsehinhalte, erkannten sie
nun zunehmende Möglichkeiten zur Erweiterung ihrer Wertschöpfung hin zur
Entwicklung einer eigenen digitalen Plattform und prüften verstärkt die Option,
als Paketierer und Weiterverkäufer von Fernsehinhalten aufzutreten. Insbeson-
dere im Bereich der Kabelfernsehnetze trat hierbei ein Bewusstseinswandel auf
Seiten der privaten Netzbetreiber ein, da diese durch technologischen Fort-
schritt in die Lage versetzt wurden, in ihren entsprechend ausgebauten An-
schlussgebieten neben der Übertragung von Fernsehsignalen weitere, fernse-
hunabhängige Dienste wie Breitbandinternet und Telefonie anzubieten und so-
1
Vgl. Ziemer, 2003, S.3.
2
Vgl. Heinrich, 1999, S.72.

2
mit zu etablierten Telekommunikationsbetreibern in Konkurrenz zu treten. Die-
ser unter den Schlagworten ,Triple Play' und ,Konvergenz' beschriebene Zu-
stand erlaubte dem Netzbetreiber die wettbewerblich einzigartige Positionie-
rung als Multi-Service Anbieter von Unterhaltungs- und Telekommunikationslei-
stungen aus einer Hand und ließ den Wert der eigenen Endkundenbeziehung
auch im Hinblick auf den Fernsehmarkt steigen. Der Weg vom reinen Transpor-
teur hin zum Paketierer und Vermarkter von digitalen Fernsehangeboten an
adressierbare Endkunden war somit geebnet.
Die starke Positionierung der Kabelnetzbetreiber als Triple-Play-Anbieter wirkte
sich auch auf die etablierten Telekommunikationskonzerne aus, die zuvor mit
der Kupferdoppeladerinfrastruktur der Telefonleitungen die einzige Möglichkeit
für den Bezug von Breitbandinternet und Telefonie darstellten und sich nun
neben der wettbewerblich notwendigen Regulierung ihrer Zugangsnetze zu-
sätzlich dem Infrastrukturwettbewerb durch das Kabel ausgesetzt sahen. Dabei
erschien die limitierte Bandbreite im Telefonnetz trotz stetiger Verbesserung
der Datendurchsatzraten für DSL-Internet als strategischer Nachteil der Kupfer-
infrastruktur, der eine Ausweitung der Dienstevielfalt um bandbreitenintensive
Fernsehangebote für die Telekommunikationsunternehmen nicht realisierbar
scheinen ließ. Das ursprünglich als Fernsehverteilnetz konzipierte Kabel schien
hingegen bei entsprechender, wenngleich kostenintensiver, digitaler und rück-
kanalfähiger Aufrüstung aufgrund grundlegender Bandbreitenvorteile zu einem
zumindest ebenbürtigen Substitut für das in Europa stark verbreitete DSL-
Breitbandinternet sowie Telefonie werden zu können, wodurch das Bild einer
überlegenen Netzinfrastruktur geprägt wurde.
Neuerdings muss die Annahme von der Untauglichkeit der Kupferinfrastruktur
für die Bereitstellung von Fernsehservices allerdings relativiert werden. Ver-
antwortlich dafür sind verschiedene Entwicklungen, die in der Wahrnehmung
der interessierten Öffentlichkeit allesamt mit dem zuvor unbekannten Akronym
IPTV assoziiert werden: Fortschritte in der Kompressionstechnologie ermögli-
chen mittlerweile die Darstellung bewegter Bilder in einer akzeptablen Qualität
bei einer Datenrate, die der Leistungsfähigkeit derzeitig vermarkteter DSL-
Breitbandanschlüsse entspricht. Die zunehmende Verfügbarkeit von Streaming-
Angeboten sowohl privater als auch kommerzieller Natur über das Internet
zeugen von der steigenden Belebung einst statischer Web-Inhalte. Früher mit-
unter als ,Briefmarkenfernsehen' spöttisch belächelt, entwickeln sich solche
Angebote zu einer ernst zu nehmenden Informations- und Unterhaltungsquelle
für eine steigende Zahl von Internetnutzern. Von international führenden Medi-
enunternehmen ist zu vernehmen, man wolle das Internet als Plattform nutzen,
um TV-Inhalte stärker einer primären Verwertung zuzuführen, oft verbunden mit
der Hoffnung, sich damit teilweise von der Abhängigkeit von ,Gatekeepern' in

3
der Distribution zu befreien.
3
Gleichzeitig kündigt eine Vielzahl von Telekom-
munikationskonzernen massive Investitionen an, um die vorhandene Kupferin-
frastruktur in ein Hochleistungsnetzwerk zu wandeln und die Datendurchsatzra-
ten signifikant zu erhöhen. Verschiedene Telcos in Europa werben bereits mit
Fernsehservices und Video-Abrufdiensten, welche die bisherigen Alleinstel-
lungsmerkmale aus dem Triple-Play-Angebot modernisierter Kabelnetze an-
greifen und die Breitbandkapazitäten der Kupferdoppelader als neuen und
adressierbaren Vertriebsweg für Fernsehinhalte etablieren sollen. Da alle die-
se teilweise gegenläufigen Entwicklungen die Bezeichnung IPTV für sich in
Anspruch nehmen, ergibt sich beim Betrachter ein diffuses Verständnis dieses
Begriffs und eine Ratlosigkeit ob der zugrunde liegenden Konzeption. Ist IPTV
lediglich ein Synonym für bewegte Bilder im Internet oder handelt es sich eher
um einen eigenen Vertriebsweg für Broadcasting-Inhalte?
Verschiedentlich wird zudem am Sinn eines weiteren Vertriebswegs für Fern-
sehinhalte gezweifelt. Gelegentlich wird die Meinung geäußert, das Engage-
ment im Fernsehbereich sei für Telcos wenig vorteilhaft, da der Markt für die
Verteilung von Fernsehen weitgehend gesättigt sei, im Gegensatz zum von
Kabelnetzbetreibern angegriffenen Markt für Breitbandanschlüsse.
4
Obwohl
diese Aussage für das analoge Fernsehen getrost akzeptiert werden kann,
wirkt sie im Hinblick auf digitales Fernsehen und interaktive Zusatzdienste ohne
Kenntnis der Sättigungsmengen für Breitband und digitale Services zumindest
voreilig. In Europa existierten 2005 geschätzte 182 Mio. Fernsehhaushalte, von
denen 54 Mio. Kabelfernsehen bezogen.
5
Von 81 Mio. Onlinehaushalten
6
ver-
fügten 38 Mio. über einen DSL-Anschluss
7
, wobei DSL die dominierende Breit-
bandtechnologie in Europa darstellte. Geschätzte 76 Mio. Pay-TV Abonne-
ments waren 2005 in Westeuropa über alle Vertriebswege verteilt zu verzeich-
nen, davon allerdings nur 31 Mio. digital.
8
Der Jahresumsatz für Pay-TV Abon-
nementdienste wurde dabei mit 17,6 Mrd. beziffert.
9
Wie ist nun IPTV in die-
sen Kontext einzuordnen? Kann IPTV Einfluss auf die Verteilung im Markt für
TV-Distribution nehmen und welche Faktoren bedingen die Erfolgsaussichten
hierbei?
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, zur Klärung dieser Fragen beizutragen, in-
dem das diffuse Phänomen IPTV einer genaueren Untersuchung zugeführt wird.
3
Vgl. http://www.ecommercetimes.com/story/50023.html, Abruf am 2006-07-12.
4
Vgl. Geiger, 2005, S.2.
5
Eigene Berechnung nach SES ASTRA, 2006a, S.1.
6
Eigene Berechnung nach Limmer, 2005, S.484.
7
Eigene Berechnung nach Bundesnetzagentur, 2006, S.33.
8
Vgl. Bisson, 2005, S.4.
9
Vgl. ebd., S.24.

4
Dazu soll in einem ersten Schritt der Versuch unternommen werden, den Inter-
pretationsspielraum in Bezug auf IPTV zu reduzieren, indem technische Grund-
lagen dazu erläutert werden und Kriterien erarbeitet werden, die eine möglichst
trennscharfe Abgrenzung des IPTV-Konzepts im Hinblick auf die folgenden Be-
trachtungen erlauben. In einem zweiten Schritt werden theoretische Grundla-
gen bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhänge im Kontext der Industriestruk-
turanalyse dargestellt sowie daraus Merkmale abgeleitet, die bei der Einschät-
zung der Marktchancen von IPTV hilfreich sein können. Diese Merkmale stellen
die Basis für den im dritten Schritt folgenden Vergleich der Marktsituationen in
verschiedenen ausgewählten Ländern Europas dar. Anhand der Merkmale sol-
len Zusammenhänge in Bezug auf Erfolgs- oder Misserfolgsaussichten von
IPTV in den entsprechenden Märkten plausibel gemacht werden. In Anbetracht
der Innovationsdynamik in Medien- und Telekommunikationsmärkten und einer
immer stärker werdenden Verflechtung von Medienmärkten und Vertriebswe-
gen soll es indes nicht Anspruch der vorliegenden Arbeit sein, langfristige Pro-
gnosen oder Festlegungen zur Dominanz einzelner Infrastrukturen oder Ge-
schäftsmodelle zu proklamieren ­ sie würden von der Realität der Märkte zu
schnell beiseite gedrängt werden.

5
2. Definition des IPTV-Konzeptes
Das Akronym IPTV setzt sich aus zwei Teilen zusammen, wobei beide Teile für
sich weitgehend klar definiert sind. Mit TV wird der aus griechischen und latei-
nischen Wortbestandteilen zusammengesetzte Begriff ,Television' abgekürzt,
der allgemein als Fernsehen bekannt ist. IP steht für das Netzwerkprotokoll,
welches die Datenübermittlung zwischen Computern im Internet ermöglicht und
somit ein maßgeblicher Bestandteil des heutigen Internet ist. In der Zusam-
mensetzung verspricht der Begriff IPTV die Verschmelzung von gewohnter
Fernsehunterhaltung und -information mit den Netzwerkfunktionalitäten des
Internet und wird damit zur Projektionsfläche verschiedener Deutungsmöglich-
keiten. Im Folgenden soll eine Eingrenzung dieses Deutungsspielraums unter-
nommen werden.
2.1. Technische Grundlagen
2.1.1. Paketvermittelte Datenübertragung durch IP
Der Kommunikation von Computern innerhalb eines Netzwerkes liegt die Exi-
stenz von hierarchisch angeordneten Übertragungsprotokollen zugrunde. Diese
sind zu verstehen als Sets exakter Vereinbarungen, bestehend aus definierten
Regeln und Formaten, welche jeweils bestimmte Aufgaben wahrnehmen und
aufeinander aufbauend den Rahmen für einen Datenaustausch vorgeben.
10
In
der Hierarchie der Übertragungsprotokolle nimmt IP (Internet-Protocol) einen
zentralen Platz ein. Es spezifiziert das Format, mittels dessen Daten in einzel-
ne Pakete, so genannte Datagramme, unterteilt werden und bestimmt ein
Adressierungsschema, durch das der Versand dieser Datenpakete an bestimm-
te Empfänger ermöglicht wird.
11
Im Gegensatz zur leitungsvermittelten Daten-
übertragung wird bei einer solchen paketvermittelten Datenübertragung keine
permanente, direkte Verbindung zwischen Sender und Empfänger etabliert,
über welche alle relevanten Informationen übertragen werden.
12
Vielmehr han-
delt es sich um eine virtuelle Verbindung, bei der einzelne Informationsbe-
standteile über verschiedene Wege zum Empfänger geleitet werden.
13
Jedes mittels IP versendete Datagramm oder Datenpaket beinhaltet neben sei-
ner eigentlichen Nutzlast zusätzliche Informationen wie Empfängeradresse,
10
Vgl. Artikel ,Übertragungsprotokoll' in: http://www.brockhaus.de, Abruf am 2006-06-
21.
11
Vgl. BSF, 2006, S.2.
12
Vgl. Simpson, 2006, S.165.
13
Vgl. BSF, 2006, S.2.

6
Absenderadresse, Prüfsumme, Lebensdauer und Prioritätsgrad.
14
Innerhalb
eines Netzwerkes werden die Datenpakete anhand dieser Informationen von
dazu bestimmten Netzwerkkomponenten, so genannten Routern, angenommen,
geprüft sowie an das adressierte Ziel oder einen dem Ziel näher gelegenen
Router weitergeleitet. Dabei kann im Falle von Nichtverfügbarkeit einzelner
Netzabschnitte aufgrund von Ausfall oder Überlastung die Weiterleitung der
Datenpakete über Ausweichverbindungen gewährleistet werden, so dass die
Datenübermittlung von der Abhängigkeit einer einzigen direkten Verbindung
befreit wird. Im Falle fehlerhafter Datenpakete oder solcher, deren Verweildau-
er im Netzwerk anhand der vordefinierten Lebensdauer erschöpft ist, können
Router zwecks Entlastung der Transportkapazitäten eines Netzes die Löschung
einzelner Datenpakete einleiten sowie neue Datenpakete anfordern. An der
Empfangsstation werden die in unregelmäßiger Reihenfolge eintreffenden Da-
tenpakete schließlich zur ursprünglichen Information zusammengesetzt.
Der dezentrale Ansatz paketvermittelter Datenübertragung mittels IP bietet so-
mit den Vorteil einer hohen Ausfallsicherheit durch geringe Abhängigkeit von
der Verfügbarkeit einzelner Netzabschnitte.
15
Zudem stellt es eine effiziente
Form der Datenübertragung dar, da keine Netzkapazitäten in Anspruch ge-
nommen werden, wenn kein Informationsaustausch stattfindet.
16
Als nachteilig
kann betrachtet werden, dass bei IP-basierter Datenübermittlung die verspätete
Zustellung oder gar Löschung einzelner Datenpakete grundsätzlich in Kauf ge-
nommen wird, wenn dadurch die Netzstabilität gesichert werden kann. Im Falle
geringer Netzkapazität bei gleichzeitig hoher Nutzung kann somit ein vollstän-
diger und fehlerfreier Datenaustausch nicht für alle Teilnehmer garantiert wer-
den, was sich insbesondere für zeitkritisches Datenmaterial mit bestimmten
Anforderungen an Struktur und Sequenz der Übermittlung negativ auswirken
kann.
17
Der Grad der Zuverlässigkeit, mit der die Datenübertragung innerhalb eines IP-
basierten Netzwerks erfolgt, wird mit dem Begriff der Dienstgüte (Quality of
Service) bezeichnet.
18
Die Dienstgüte spezifiziert unter anderem Parameter wie
die mittlere Datendurchsatzrate (gemessen in Mbit/s), Latenz eines Paketes
sowie Paketverlustrate innerhalb des Netzwerkes. Eine minimale Dienstgüte,
bei der die Zuverlässigkeit der Datenübertragung einzig der Relation aus Netz-
kapazität und Nutzung im obigen Sinne überlassen wird, ist als ,Best Effort'
bekannt. Dabei verpflichtet sich der Betreiber eines Netzes lediglich dazu, ein-
14
Vgl. zum folgenden Abschnitt Simpson, 2006, S.168-170 und S.177-179.
15
Vgl. Artikel ,Paketvermittlung' in: http://www.brockhaus.de, Abruf am 2006-06-22.
16
Vgl. ebd.
17
Vgl. OECD, 2006, S.15.
18
Vgl. zum folgenden Abschnitt Simpson, 2006, S.243-245 und OECD, 2006, S.15.

7
gehenden Datenverkehr nach bestem Vermögen durchzuleiten, gibt somit kei-
ne definitive Qualitätszusicherung ab. ,Best Effort' findet beim Internet-
Datenverkehr vor allem im privaten Endnutzerbereich Verwendung.
Prinzipiell verfügen Netzbetreiber über die Möglichkeit, einen Einfluss auf die
Dienstgüte im eigenen Netz zu nehmen, da einzelnen Datenpaketen in IP-
basierten Netzen eine bestimmte Priorität zugewiesen werden kann.
19
Daten-
pakete mit hoher Priorität können von Routern innerhalb des Netzwerkes be-
vorzugt weitergeleitet werden, unterliegen somit im Gegensatz zu Paketen mit
geringer Priorität keinem Verlust- oder Verzögerungsrisiko. Voraussetzung für
eine solche Steuerbarkeit der Dienstgüte ist die Kontrolle über die Router im
betrachteten Netzwerk, wodurch primär geschlossene, betreiberspezifische
Netzwerke dafür in Betracht kommen. Die Möglichkeit zur Differenzierung der
Dienstgüte kann von Netzbetreibern genutzt werden, um die Zuverlässigkeit
eigener, zeitkritischer Datendienste wie Internet-Telefonie oder Video-
Streaming zu erhöhen. Hervorzuheben ist dabei, dass die Dienstgüte nur von
Netzbetreibern, nicht von Endnutzern direkt beeinflusst werden kann.
2.1.2. Streaming und Kompression
Unter Streaming wird ein Verfahren zur Übertragung großer Datenmengen in
IP-basierten Netzen verstanden.
20
Mittels Streaming können, im Unterschied
zum Download, digitale Video-Signale in Echtzeit, also ohne Zwischenspeiche-
rung auf einem Datenträger, an eine Empfangsstation versendet werden. Dabei
werden digitale Video-Signale in IP-Pakete gewandelt (Encapsulation) und in
einem gleichmäßigen Datenstrom durch das Netzwerk geleitet. Video-
Streaming stellt hohe Anforderungen an die Dienstgüte in IP-Netzen, sofern
eine zufrieden stellende Qualität der Übertragung gewährleistet werden soll.
Hochwertiges Video-Streaming erfordert einen kontinuierlichen Datenfluss mit
fester Struktur und Abfolge der übertragenen Datenpakete bei einer konstanten
Datendurchsatzrate. Somit ist insbesondere die Gewährleistung einer minde-
stens erforderlichen Transportkapazität des Netzes sowie die Minimierung von
Paketverlusten und Paketverzögerungen für Video-Streaming als erfolgskritisch
zu bezeichnen.
Ein digitalisiertes Videosignal in einer dem herkömmlichen Fernsehempfang
vergleichbaren Auflösung ergibt einen Datenstrom von 270 Mbit/s, was einem
Vielfachen der Datendurchsatzrate bestehender IP-Netze entspricht.
21
Der
19
Vgl. zum folgenden Abschnitt Simpson, 2006, S.246-249.
20
Vgl. zum folgenden Abschnitt den Artikel ,Streaming' in: http://www.brockhaus.de,
Abruf am 2006-06-22, und Simpson, 2006, S.254-257.
21
Vgl. zum folgenden Abschnitt Bornemann, 2004, S.7 und Simpson, 2006, S.143.

8
Transport digitaler Video-Signale mittels Streaming wird erst möglich, indem
das Ausgangsmaterial einem Verfahren zur Datenkompression unterzogen wird.
Dem am weitesten verbreiteten Kompressionsstandard, MPEG, liegen grund-
sätzlich drei Reduktionstechniken zugrunde: die Irrelevanzreduktion, die Re-
dundanzeliminierung und die statistische Reduktion. Bei der Irrelevanzreduk-
tion wird das ursprüngliche Bildmaterial um solche Daten bereinigt, die für die
menschliche Wahrnehmung unbedeutend sind, deren Wegfall somit keine
sichtbaren Qualitätseinbußen bedingt. Im Falle der Redundanzeliminierung
wird die Datenübermittlung ausschließlich auf Bildinformationen beschränkt,
aus denen sich eine Veränderung zum zuvor übertragenen Bild erschließt. Bei
Bildsequenzen mit geringer Bewegungsdynamik kann so die Übertragung über-
flüssiger Bildinformationen verhindert werden. Im Rahmen statistischer Reduk-
tion werden schließlich die Bewegungen zwischen Bildern aufgrund statisti-
scher Wahrscheinlichkeiten geschätzt, so dass nur die prognostizierten Verän-
derungen übertragen werden müssen. Im Ergebnis ermöglichen neuartige
Kompressionsformate wie MPEG-4 auf diese Weise eine Übertragung von digi-
talen Video-Signalen in fernsehtauglicher Auflösung bei einer Datenrate von 1
bis 4 Mbit/s. Hochaufgelöste Video-Signale erfordern im MPEG-4 Format eine
Datenrate von 4 bis 10 Mbit/s.
Durch Kompression digitaler Datenströme kann somit die Abhängigkeit der
Qualität eines Streamings vom kritischen Faktor Transportkapazität verringert
werden. Dagegen wird die Sensitivität gegenüber anderen kritischen Faktoren
IP-basierter Datenübertragung, wie Paketverzögerung oder Paketverlust, durch
Kompression tendenziell erhöht. Dies hängt damit zusammen, dass bei den
Reduktionstechniken der Kompression bestimmten Datenpaketen größere Be-
deutung zukommt, als anderen.
22
Solche Pakete transportieren Referenzinfor-
mationen, anhand derer der Redundanzeliminierung und statistische Reduktion
berechnet werden.
23
Ein durch geringe Dienstgüte bedingter Verlust dieser Re-
ferenzpakete kann in gravierenden Bildstörungen auf der Empfangsseite, ins-
besondere bei Bildmaterial mit hoher Bewegungsdynamik, resultieren.
24
Anhand der bisherigen Ausführungen wird zweierlei ersichtlich: Durch fort-
schrittliche Kompressionstechniken kann im Streaming-Verfahren lineares Vi-
deomaterial in hoher Auflösung über IP-Netzwerke mit beschränkter Kapazität
an adressierbare Empfänger versendet werden. Eine durchgehend störungs-
freie Übertragung ist jedoch nur bei hoher Dienstgüte möglich, kommt somit für
,Best Effort'-Netzwerke nicht in Frage.
22
Vgl. Rowe, 2006, S.49-52.
23
Vgl. ebd.
24
Vgl. ebd.

9
2.1.3. Multicasting
In IP-basierten Netzen empfängt üblicherweise jeder Rezipient eines Strea-
mings einen eigenen Datenstrom im Rahmen einer Punkt-zu-Punkt-
Verbindung.
25
Dieser Prozess wird als Unicasting bezeichnet. Fordern mehrere
Empfänger in einer Unicast-Umgebung gleichzeitig einen identischen Daten-
strom an, multipliziert sich die mindestens erforderliche Transportkapazität des
Netzes mit der Anzahl der Empfänger, wodurch mit zunehmender Empfänger-
zahl die Transportkosten im Netzwerk linear ansteigen. Somit ist die Daten-
übermittlung in einer Unicast-Umgebung für Video-Verteildienste mit hoher
gleichzeitiger Empfängerzahl, wie etwa Fernsehdienste, aus wirtschaftlicher
Perspektive als ungeeignet zu betrachten.
Im Gegensatz dazu können im Multicast-Verfahren mehrere Empfänger von
Video-Streamings in IP-Netzen gleichzeitig im Rahmen einer Punkt-zu-
Multipunkt-Verbindung versorgt werden.
26
Dabei wird nicht vom Sender zu je-
dem aktiven Nutzer eine individuelle Verbindung aufgebaut, sondern einzelne
Kopien des ursprünglichen Datenstroms erst auf Anfrage der Empfänger von
multicastfähigen Routern im Netz angefertigt und an die entsprechenden Ziele
geleitet. Da in einer Multicast-Umgebung die Vervielfältigung des ursprüngli-
chen Datenstroms nicht beim Sender erfolgt, sondern auf Router mit größerer
Nähe zu den Empfängern verlagert wird, kann für die Verteilung linearer Da-
tenströme an multiple Adressaten insgesamt eine effizientere Ausschöpfung
der Transportkapazitäten eines Netzwerks erreicht werden. Die unterschiedli-
chen Verteilprinzipien sind in Abbildung 1 dargestellt.
In einer Multicast-Umgebung muss die Router-Hardware innerhalb des Netz-
werks höheren Leistungsanforderungen gerecht werden, als im Fall von Unica-
sting:
27
Router müssen hierbei in der Lage sein, eingehende Multicast-
Datenpakete zu erkennen, zu vervielfältigen und an verschiedene Zieladressen
zu leiten. Ebenso muss gewährleistet werden, dass neue Verbindungsanfragen
bedient und nicht mehr benötigte Verbindungen in Abstimmung mit allen invol-
vierten Routing-Instanzen beendet werden können, ohne bestehende Verbin-
dungen zu beeinflussen. Die Implementierung von Multicast-Funktionalität in
bestehenden IP-Netzen kann somit eine Aufrüstung der Router-Hardware ent-
lang der gesamten relevanten Netzinfrastruktur erfordern. Daher ist der Einsatz
von Multicasting in betreiberspezifischen Netzwerken mit höherer Wahrschein-
lichkeit zu erwarten, als in dezentral organisierten Netzen wie dem Internet.
25
Vgl. zum folgenden Abschnitt Simpson, 2006, S.288-289.
26
Vgl. zum folgenden Abschnitt ebd., S.289-293.
27
Vgl. zum folgenden Abschnitt ebd.

10
Abbildung 1: Multicasting und Unicasting im Vergleich
Quelle: Eigene Darstellung nach Simpson, 2006, S.309.
2.1.4. DSL-Infrastrukturen als Träger von IP-Datenverkehr
2.1.4.1. Grundlagen und Funktionsweise
DSL (Digital Subscriber Line) ist ein Sammelbegriff für verschiedene technolo-
gische Standards, die eine IP-basierte, bidirektionale Datenübertragung über
die Kupferdoppelader-Infrastruktur des Telefonnetzes ermöglichen.
28
Durch die
zugrunde liegende Technik der Frequenztrennung wird dabei die Telefonleitung
in einen niederfrequenten und einen hochfrequenten Kanal aufgeteilt. Während
der niederfrequente Kanal für herkömmliche Telefon- und Faxverbindungen
genutzt wird, dient der hochfrequente Teil des Spektrums der breitbandigen
Datenübermittlung mittels IP.
29
In diesem Kontext ist hervorzuheben, dass IP
als Übertragungsprotokoll grundsätzlich infrastrukturneutral und somit nicht
ausschließlich an DSL-Infrastrukturen gekoppelt ist.
30
Jedoch ist angesichts der
hohen Verbreitung von Kupferdoppeladern mit Einführung von DSL eine weit-
flächige Vermarktung von Internetanschlüssen realisierbar geworden.
31
Die Nutzung der Kupferinfrastruktur als Übertragungsmedium beschränkt sich
im Falle von DSL nur auf den lokalen Teilnehmeranschlussbereich, die so ge-
28
Vgl. Artikel ,DSL' in: http://www.brockhaus.de, Abruf am 2006-06-23.
29
Vgl. ebd.
30
Vgl. Simpson, 2006, S.164.
31
Vgl. Bluschke et al., 2004, S.70.

11
nannte letzte Meile zum Endnutzer.
32
Innerhalb dieses Bereiches sind alle Kup-
ferleitungen mit einer Vermittlungsstelle verbunden, wo der im Teilnehmeran-
schlussbereich anfallende Datenverkehr in einer entsprechenden Hardware,
dem DSLAM (Digital Subscriber Line Access Multiplexer), gesammelt, konzen-
triert und ins Kernnetz des Betreibers übertragen wird.
33
Umgekehrt wird der
eingehende Datenverkehr auf die Teilnehmeranschlüsse verteilt. Am DSLAM
erfolgt ein Übergang von Kupferleitungen auf Übertragungsmedien mit höherer
Transportkapazität, etwa Glasfasern, welche die Vermittlungsstellen eines
Netzbetreibers untereinander verbinden und das Kernnetz bilden.
34
Im Kern-
netz muss die Transportkapazität der Übertragungsmedien ausreichend sein,
um Spitzen des gesammelten zeitgleichen Datenverkehrs bewältigen zu kön-
nen. In Abhängigkeit vom jeweiligen Netzbetreiber kann sie mehrere Gbit/s
betragen.
Die Bandbreite, die einem Endnutzer innerhalb des Teilnehmeranschlussbe-
reichs maximal zur Verfügung gestellt werden kann, hängt insbesondere von
folgenden Faktoren ab: Qualität und Dicke der Kupferleitungen, Entfernung des
Teilnehmers von der Vermittlungsstelle sowie Effizienz der Frequenzausnut-
zung durch den eingesetzten DSL-Standard.
35
Aktuell eingesetzte DSL-
Standards wie ADSL (Asymmetric Digital Subscriber Line) ermöglichen bei gu-
ter Leitungsqualität eine Downstream-Bandbreite von 5-8 Mbit/s auf einer Di-
stanz von bis zu 3,6 Kilometern zur Vermittlungsstelle. Neuere, frequenzöko-
nomischere Standards wie ADSL2+ erzielen bis zu 25 Mbit/s bei einer Distanz
von 1,2 Kilometern, danach fällt die Bandbreite kontinuierlich, bis sie ab 2,4
Kilometern ADSL-Niveau erreicht.
Ab ADSL 2+ kann eine weitere Steigerung der Bandbreite durch eine Verkür-
zung der über Kupferleitungen zu überbrückenden Distanz zum Endnutzer er-
folgen.
36
Dieses Prinzip liegt der VDSL-Technologie (Very High Bitrate Digital
Subscriber Line) zugrunde, bei der ein teilweiser Ersatz der Kupferdoppelader
durch Glasfaserverbindungen vorgenommen wird. Zu diesem Zweck ist neben
Tiefbaumaßnahmen zur Verlegung der Glasfaserleitungen die flächendeckende
Installation kleinerer DSLAMs in unmittelbarer Nähe zu den Endnutzern nötig.
Mit VDSL können auf diese Weise Bandbreiten von 55 Mbit/s auf einer Distanz
zum DSLAM von bis zu 300 Metern realisiert werden. Jedoch fallen die Band-
breiten mit zunehmender Distanz stark ab, bis sie ab 2 Kilometern das ADSL-
32
Vgl. ebd., S.62-63.
33
Vgl. Simpson, 2006, S.215.
34
Vgl. Bluschke et al., 2004, S.153.
35
Vgl. zum folgenden Abschnitt ebd., S.69-85 und S.163.
36
Vgl. zum folgenden Abschnitt ebd., S.163 und S.169-170 sowie
http://www.elektronik-kompendium.de/sites/kom/0305237.htm, Abruf am 2006-06-24.

12
Niveau unterschreiten. Verschiedene europäische Netzbetreiber haben zum
Zeitpunkt der Anfertigung dieser Arbeit den Aufbau von VDSL-Infrastrukturen
initiiert.
Abbildung 2: DSL-Standards nach Bandbreiten und Reichweiten
Quelle: Eigene Darstellung nach Bluschke et al., 2004, S.163.
Die Bandbreitenentwicklungen aktueller und neuer DSL-Generationen im Teil-
nehmeranschlussbereich sowie die Fortschritte der Kompressionstechnologie
lassen somit die DSL-Infrastruktur neben Kabel, Satellit und Terrestrik als al-
ternativen Distributionsweg für Videoinhalte erscheinen. Bereits ab ADSL ist
mit MPEG-4 Kompression im Falle hoher Dienstgüte die Übertragung eines
Datenstroms mit hochaufgelöstem Bildmaterial bzw. mehrerer Datenströme in
Standardauflösung denkbar, wobei die maximale Transportkapazität damit
ausgeschöpft ist. Mit ADSL2+ und VDSL wird die zeitgleiche Empfangbarkeit
mehrerer hochaufgelöster Streamings sowie weiterer Datendienste möglich.
2.1.4.2. Wettbewerb in DSL-Teilnehmerzugangsnetzen
Im Rahmen der Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes wurden ver-
schiedene Regulierungsinstrumente entwickelt, um den Teilnehmeranschluss-
bereich dem monopolistischen Zugriff eines Netzbetreibers, zumeist des ehe-
maligen staatlichen Netzinhabers, zu entziehen und Wettbewerb im Breitband-
markt zu stimulieren. Im Fall von DSL findet insbesondere das Prinzip der Ent-
bündelung des Teilnehmerzugangsnetzes, auch Local Loop Unbundling (LLU)
genannt, Anwendung.
37
Dabei wird im Falle vorherrschender Marktmacht eines
37
Vgl. Johansson et al., 2000, S.1.

13
Betreibers alternativen Netzbetreibern die Möglichkeit eingeräumt, zu diskrimi-
nierungsfreien Konditionen die bestehenden Teilnehmerzugangsleitungen über
Kupferinfrastrukur zur Bereitstellung eines eigenen Breitbandangebotes für
Endkunden zu nutzen. Dies ist erforderlich, da die Verlegung paralleler Teil-
nehmerzugangsleitungen als prohibitiv teuer und volkswirtschaftlich ineffizient
betrachtet wird.
38
Zur Realisierung von Entbündelung können verschiedene Ver-
fahren zur Anwendung kommen: volle Entbündelung (Pure Unbundling), Fre-
quenzentbündelung (Line Sharing) oder der Bitstromzugang.
39
Die Verfahren
unterscheiden sich im Grad der Kontrolle, den der alternative Betreiber über
die physische Infrastruktur und damit über zentrale Service-Parameter wie
Dienstgüte ausüben kann, sowie im Installationsaufwand für eigene Hardware-
komponenten des alternativen Betreibers.
40
2.2. Kriterien zur Abgrenzung des Begriffs IPTV
2.2.1. Lineares Fernsehen über IP-Netze
Der offenkundigste Ansatz zur Definition von IPTV ergibt sich aus den einlei-
tend erläuterten Bestandteilen des vorliegenden Akronyms selbst, welche vor
dem Hintergrund der dargestellten technischen Grundlagen erneut aufgegriffen
werden sollen: IPTV ermöglicht Fernsehen unter Nutzung IP-basierter Netz-
werke als Übertragungsweg.
41
Diese Feststellung wird begleitet von einigen
Implikationen, auf die im Folgenden eingegangen wird:
Herkömmliches Fernsehen bzw. Rundfunk stellt sich aus technischer Perspek-
tive dar als gleichzeitige Übertragung linearer Video- und Audiosignale mit fe-
ster, programmierter Abfolge an einen weiten Nutzerkreis, welcher durch die
Reichweite des jeweiligen Übertragungsweges beschränkt ist.
42
Dabei werden
unter Ausnutzung festgelegter, in Kanäle eingeteilter Frequenzspektren der
gängigen Übertragungsinfrastrukturen Satellit, Kabel und Terrestrik in einem
unidirektionalen Prozess permanente Datenströme an die Empfänger versen-
det, aus denen auf der Rezipientenseite eine Auswahl des jeweils gewünschten
Programms erfolgen kann.
Aus den Betrachtungen der technischen Grundlagen geht hervor, dass in IP-
basierten Netzwerken mit kontrollierbarer Dienstgüte unter Nutzung von Multi-
casting-Verfahren eine zeitgleiche und wirtschaftlich effiziente Übertragung
linearer, komprimierter Video-Datenströme an mehrere Empfänger, somit eine
38
Vgl. Bluschke et.al., 2004, S.169.
39
Vgl. Johansson et al., 2000, S.1-4.
40
Vgl. ebd.
41
Vgl. Goldman, 2005, S.80.
42
Vgl. zum folgenden Abschnitt Ziemer, 2003, S.105-121.

14
Annäherung der Funktionsweise herkömmlichen Rundfunks, möglich ist.
43
Im
Gegensatz zum Rundfunk erfolgt beim Prinzip der Paketvermittlung jedoch kei-
ne permanente Übertragung aller relevanten Datenströme an die Empfänger,
vielmehr erfolgt die Verbindung erst nach Anforderung eines Multicast-
Datenstroms durch den Rezipienten, woraus sich die Notwendigkeit einer bidi-
rektionalen Kommunikation ableitet.
Obwohl IP ein grundsätzlich infrastrukturneutrales Netzwerkprotokoll ist, findet
es die am weitesten verbreitete Anwendung im Zusammenhang mit DSL-
Infrastrukturen zur Realisierung von Internet-Datendiensten. Im europäischen
Breitbandmarkt werden die meisten Teilnehmeranschlüsse über DSL-
Infrastruktur bereitgestellt.
44
Die Bandbreitenentwicklungen im Bereich der
DSL-Teilnehmerzugangsnetze sowie die Fortschritte in der Kompressionstech-
nologie ermöglichen mittlerweile eine Distribution von einzelnen, linearen Vi-
deo-Streamings in Fernsehqualität über Kupferleitungen an Endnutzer.
45
Somit
bieten sich DSL-Infrastrukturen erstmals als alternative Vertriebswege für
Fernsehinhalte an.
Neben der Gewährleistung einer Mindestbandbreite ist zur Verwirklichung li-
nearer Fernsehdienste auf DSL-Netzen jedoch eine Umwandlung der am Prin-
zip individueller Unicast-Verbindungen und ,Best-Effort'-Dienstgüten orientier-
ten Internet-Netzarchitektur in ein Netzwerk mit kontrollierbarer Dienstgüte und
effizientem Punkt-zu-Multipunkt-Verteilsystem erforderlich.
46
Dazu ist eine Auf-
rüstung der Router-Hardware entlang der reichweitenrelevanten Netzabschnitte
nötig.
47
Zudem müssen zwecks Zuführung der Fernsehinhalte zentrale Emp-
fangsstationen (Video-Headends) installiert werden, an denen Fernsehsignale
empfangen, in IP-Pakete umgewandelt und ins Netzwerk transportiert werden.
48
Auf der Empfangsseite müssen entsprechende Benutzerschnittstellen (IP-
Receiver, Set-Top-Boxen) die gewünschten Datenströme von Routern anfor-
dern, eingehende IP-Datenströme in Bildinformationen umwandeln und an ein
Ausgabegerät, zumeist ein stationäres TV-Gerät, leiten.
49
Dabei können in einer DSL-Umgebung nur so viele Datenströme gleichzeitig
angefordert werden, wie es die Transportkapazität des genutzten DSL-
43
Vgl. zum folgenden Abschnitt Kapitel 2.1.1-2.1.3.
44
Vgl. Bluschke et al., 2004, S.34.
45
Vgl. Abbildung 2 und Ziemer, 2003, S.121-122.
46
Vgl. Kapitel 2.1.1-2.1.4.
47
Vgl. ebd.
48
Vgl. Simpson, 2006, S.391-392 und Goldman, 2005, S.80-83.
49
Vgl. ebd.

15
Standards im Teilnehmeranschlussbereich erlaubt.
50
Ein dem Vorgang des Ka-
nalwechsels im klassischen Rundfunk äquivalenter Prozess besteht in diesem
Fall in der Beendingung eines Multicast-Datenstroms bei gleichzeitiger Anfor-
derung eines neuen Datenstroms durch den Nutzer. Auf diese Weise wird die
Auswahl mehrerer Programme auch in DSL-Netzen ermöglicht, deren Band-
breite nicht mehr als einen komprimierten Datenstrom in Teilnehmerrichtung
unterstützt. Zur Bereitstellung einer vielfältigen Programmauswahl werden in
IP-basierten DSL-Netzen somit Kapazitätsengpässe im Teilnehmeranschluss-
netz durch Rückkanalfähigkeit kompensiert.
Zusammenfassend wird anhand der Ausführungen ersichtlich: IPTV als linearer
Fernsehdienst über IP-basierte Netze ist technisch und wirtschaftlich in hoher
Qualität unter den Bedingungen von Multicasting und kontrollierbarer QOS rea-
lisierbar. Es befähigt erstmals DSL-Infrastrukturen zur Fernsehdistribution. Da-
für sind jedoch weitgehende Anpassungen an den ursprünglich für reine Inter-
net-Datendienste entwickelten Netzinfrastrukturen erforderlich. Etwaige Kapazi-
tätsengpässe von DSL können durch die Rückkanalfähigkeit der Infrastruktur
kompensiert werden.
2.2.2. Geschlossene und regional abgegrenzte Netze
Eine Definition von IPTV kann des Weiteren aus zwei Gründen an das Kriteri-
um der Verfügbarkeit von geschlossenen und regional abgegrenzten Netzwer-
ken gekoppelt werden:
Zum Einen ist bereits deutlich geworden, dass die Verbreitung linearer Fern-
sehdienste über IP-Netze in einer Qualität, die mit herkömmlichem Rundfunk
vergleichbar ist, hohe Anforderungen an Dienstgüte stellt und die Existenz
wirtschaftlich effizienter Verteilprinzipien wie Multicasting voraussetzt.
51
Diese
Voraussetzungen sind im öffentlichen Internet nicht gegeben. Zur Schaffung
der Voraussetzungen sind betreiberspezifische Investitionen in die Aufrüstung
von Netzwerken entlang der zu versorgenden Reichweite erforderlich. Dadurch
wird das Angebot entsprechender Fernsehdienste auf den Einflussbereich des
jeweiligen Netzbetreibers begrenzt.
Zum Anderen ist die Weiterverbreitung von bestehenden Fernsehprogrammen
an den Erwerb entsprechender Lizenzen von Inhalteanbietern gekoppelt.
52
In-
halteanbieter vergeben Lizenzen nach dem Prinzip räumlicher Marktsegmentie-
rung, um unterschiedliche Preiszahlungsbereitschaften in regionalen Märkten
50
Vgl. zum folgenden Abschnitt Simpson, 2006, S.385-386.
51
Vgl. zum folgenden Abschnitt Kapitel 2.1.1-2.1.3 und OECD, 2006, S.28.
52
Vgl. Simpson, 2006, S.55.

16
optimal ausschöpfen zu können.
53
Der Erwerb einer weltweiten Weiterverbrei-
tungslizenz, die eine Übertragung im öffentlichen Internet erlauben würde, ist
daher nur zu prohibitiven Konditionen denkbar.
54
Somit ist eine Verbreitung von
IPTV durch regionale Grenzen, typischerweise Ländergrenzen, limitiert.
2.2.3. Vollständige Adressierbarkeit des Fernsehdienstes
Das Prinzip paketvermittelter Datenübertragung durch IP beruht auf der Identi-
fizierbarkeit aller teilnehmenden Nutzer durch Zuweisung individueller IP-
Adressen.
55
Daraus sind folgende Implikationen abzuleiten:
Wird ein linearer Fernsehdienst über rückkanalfähige IP-Netze bereitgestellt, so
kann ein Ausschluss einzelner Teilnehmer praktiziert werden, indem der Abruf
von Datenströmen auf dazu berechtigte Empfängeradressen begrenzt wird.
56
Zu diesem Zweck ist die Einrichtung eines Kundenverwaltungssystems (SMS)
erforderlich, welches Zugangsberechtigungen erteilt sowie Anforderungen
durch Empfänger prüft, protokolliert und gegebenenfalls freigibt. Die Möglich-
keit der Zugangsberechtigung begünstigt die Verwirklichung von Pay-TV-
Geschäftsmodellen durch Netzbetreiber, die zur Refinanzierung von Netzwerk-
investitionen herangezogen werden können. Im Gegensatz zum herkömmlichen
Pay-TV des Rundfunks kann die Einrichtung eines Zugangsberechtigungssy-
stems virtuell erfolgen und ist nicht an die Ausgabe physischer Authentifizie-
rungskomponenten an die Nutzerschaft, etwa in Form von Smart-Cards, ge-
bunden.
57
Neben der systemimanenten Möglichkeit der Zugangsberechtigungskontrolle
erlaubt ein IP-basierter Fernsehdienst dem Netzbetreiber die Beobachtung in-
dividueller Fernsehnutzungsgewohnheiten im Bereich des gesamten Teilneh-
merkreises.
58
Dabei können sowohl der jeweils abgerufene Datenstrom als
auch die Dauer des Abrufs eines jeden Nutzers protokolliert und einer Auswer-
tung zugeführt werden.
59
Dieser Umstand befähigt Betreiber IP-basierter Fern-
sehdienste dazu, im Rahmen ihres Einflussbereichs zu geringen Kosten voll-
ständigere Datensätze zu Marktanteilen und Reichweiten einzelner Inhalte zu
generieren, als es im Rahmen panelgestützter Erhebungsmethoden
60
der her-
kömmlichen Fernsehforschung möglich ist. Ermittelte Nutzerprofile können,
53
Vgl. Heinrich, 1999, S.170.
54
Vgl. Löbbecke, Falkenberg, 2002, S.100.
55
Vgl. Kapitel 2.1.1.
56
Vgl. Barthold, 2006, S.24.
57
Vgl. Simpson, 2006, S.347-348 und 350-351.
58
Vgl. Krauss, 2006, S.54-55.
59
Vgl. ebd.
60
Vgl. Karstens, Schütte, 1999, S.405-411.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783956361845
ISBN (Paperback)
9783836601542
Dateigröße
1.2 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität zu Köln – Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Medienmanagement
Erscheinungsdatum
2007 (Februar)
Note
2,0
Schlagworte
iptv triple-play fernsehdistribution konvergenz
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Titel: IPTV-Plattformen: Definition des IPTV-Konzeptes und Vergleich der Marktsituationen in Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und der Schweiz
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