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Wertorientierte Konzepte bei der Ableitung von Turnaround-Strategien

©2001 Diplomarbeit 82 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Angesichts der weiter steigenden Zahl an Insolvenzen in Deutschland und des damit verbundenen volkswirtschaftlichen Schadens wird die Bedeutung von Unternehmenskrisen und deren Bewältigung deutlich. Im vergangenen Jahr erlebte Deutschland mit 40.400 Insolvenzen einen neuen Höchststand. Allein aufgrund von Insolvenzen verloren europaweit 1,1 Mio. Menschen ihren Arbeitsplatz. Dabei sind die Entlassungen von nicht insolvent gewordenen Krisenunternehmen nicht berücksichtigt. Im Jahre 1998 wurden in Deutschland die Forderungsausfälle bei Kreditinstituten, Lieferanten und Subunternehmern auf DM 39 Mrd. und die öffentlichen Schäden (verlorene Sozialversicherungsbeiträge, Steuern, Abgaben etc.) auf DM 21 Mrd. beziffert. Die Aktualität des Problems der Unternehmenskrise wird in Anbetracht dessen noch deutlicher, dass einige große deutsche Konzerne angekündigt haben, in den nächsten Jahren ihr Personal um insgesamt mehrere zehntausend Mitarbeiter zu reduzieren.
In den letzten Jahren ist zu beobachten, dass es eine Vielzahl von Rettungsversuchen krisenbefallener Unternehmen gab. Trotz des oft immensen Mitteleinsatzes kam es immer wieder zu Fehlschlägen. Einige Rettungsversuche wurden dabei öffentlich als „erfolgreich“ abgeschlossen. Nach kurzer Zeit gerieten die jeweiligen Unternehmen jedoch wieder in Liquiditätsschwierigkeiten oder wurden sogar insolvent. Zu nennen sind dabei u.a. auch bedeutende Namen wie die Philipp Holzmann AG.
Im Jahre 1999 wurde bei der Philipp Holzmann AG bis August sowohl von Seiten des Vorstands als auch des Aufsichtsrats öffentlich verkündet, dass der Turnaround „erfolgreich“ abgeschlossen worden sei. Im November 1999 – vier Monate später – musste die Philipp Holzmann AG jedoch Insolvenz beantragen. Nur durch die Hilfe des Bundes bzw. der Kreditanstalt für Wiederaufbau konnte der Insolvenzantrag zurückgenommen werden.
Der volkswirtschaftliche Schaden, der aus dem fehlgeschlagenen Rettungsversuch eines Großunternehmens resultiert, ist enorm. Die vielfach vorhandene Abhängigkeit von Zulieferern führt dazu, dass auch deren Existenz durch den Niedergang des betreffenden Unternehmens bedroht ist. Aufgrund möglicher Kettenreaktionen kann sich der volkswirtschaftliche Schaden beträchtlich erhöhen. Um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, beziehen sich deshalb die meisten Aussagen im folgenden auf große, multi-divisional organisierte Publikumsgesellschaften.
In der Literatur gibt es bisher keine […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Rainer Bizenberger
Wertorientierte Konzepte bei der Ableitung von Turnaround-Strategien
ISBN: 978-3-8366-0121-4
Druck Diplomica® GmbH, Hamburg, 2007
Zugl. Katholische Universität Eichstätt, Eichstätt, Deutschland, Diplomarbeit, 2001
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http://www.diplom.de, Hamburg 2007
Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis
I
Abbildungsverzeichnis...III
Abkürzungsverzeichnis ... IV
1
Grundlagen...1
1.1 Problemstellung...1
1.2 Begriffsabgrenzungen...2
1.2.1 Unternehmenskrise ... 3
1.2.2 Turnaround und Turnaround-Strategie ... 6
1.3
Ziel und Gang der Untersuchung ...7
2
Stakeholder des Unternehmens ...9
2.1
Interessenlage und -konflikte der Stakeholder ...10
2.2
Einflussmöglichkeiten der Stakeholder...11
2.3
Anforderungen an die Ableitung einer Turnaround-
Strategie...15
3
Die Ableitung einer Turnaround-Strategie...18
3.1 Analyse
der
Ist-Situation ...18
3.1.1 Symptomanalyse ... 19
3.1.2 Ursachenanalyse ... 21
3.1.3 "Strategische Bilanz" ... 23
3.2
Kurzfristige Maßnahmen zur Vermeidung der
Insolvenz...27
3.2.1 Auslösetatbestände der Insolvenzordnung... 28
3.2.2 Kurzfristige Maßnahmen als Teil und Basis einer
Turnaround-Strategie ... 29
3.3
Ableitung von mittel- bis langfristigen Strategien ...33
3.3.1 Grundtypen von Turnaround-Strategien ... 34
3.3.2 Bewertung von Turnaround-Strategien... 38

Inhaltsverzeichnis
II
4
Wertorientierte Konzepte bei der Ableitung von
Turnaround-Strategien ...40
4.1
Probleme bei der Bewertung einer Turnaround-
Strategie anhand der Daten des externen
Rechnungswesens...40
4.2 Wertorientierte
Konzepte ...43
4.2.1 Der EVA-Ansatz nach Stern Stewart & Co. ... 44
4.2.2 Der DCF-Ansatz nach Rappaport ... 48
4.3
Anwendung bei der Ableitung von Turnaround-
Strategien...52
4.3.1 Analyse der Ist-Situation... 52
4.3.2 Ableitung kurzfristiger Maßnahmen... 55
4.3.3 Ableitung mittel- bis langfristiger Strategien... 57
4.4 Kritik...61
5
Fazit und Ausblick...63
Literaturverzeichnis... VI
Ehrenwörtliche Erklärung... XIV

Abbildungsverzeichnis
III
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Phasen einer Unternehmenskrise ...5
Abb. 2: Weiteres Vorgehen...9
Abb. 3: Zeitlicher Ablauf der Ableitung einer Turnaroundstrategie ...18
Abb. 4: Überblick über die Ursachen von Unternehmenskrisen ...23
Abb. 5: Determinanten einer Turnaround-Strategie ­ ,,Strategische Bilanz" ...25
Abb. 6: Ausgewählte kurzfristige Maßnahmen ...31
Abb. 7: Grundtypen von Turnaround-Strategien ...35
Abb. 8: Ermittlung des EVA...45
Abb. 9: Schemata zur Ermittlung von EBV und NOPAT ...46
Abb. 10: Bestimmung des betrieblichen Cash Flows ...49
Abb. 11: ,,Shareholder Value Network" ...51

Abkürzungsverzeichnis
IV
Abkürzungsverzeichnis
AktG = Aktiengesetz
Aufl. = Auflage
bspw. = beispielsweise
bzgl. = bezüglich
bzw. = beziehungsweise
CAPM
=
Capital Asset Pricing Model
DCF
=
Discounted Cash Flow
d.h.
=
das heißt
EBV
=
Economic Book Value
etc.
=
et cetera
evt.
=
eventuell
EVA
=
Economic Value Added
F&E = Forschung
&
Entwicklung
FIFO
=
First in first out
GuV
=
Gewinn- und Verlustrechnung
GoF =
Geschäfts-
oder
Firmenwert
Hrsg. = Herausgeber
inkl. = inklusive
i.d.R.
=
in der Regel
InsO = Insolvenzordnung
Jg.
=
Jahrgang
KGV = Kurs-/Gewinn-Verhältnis
LIFO
=
Last in first out
M&A = Mergers
&
Acquisitions
MBV = Markt-/Buchwert-Verhältnis
Mio. = Millionen
MVA
=
Market Value Added
NOPAT
=
Net operating Profit after Taxes
PIMS
=
Profit Impact of Market Strategy
ROI
=
Return on Investment
u.a.
=
und andere

Abkürzungsverzeichnis
V
u.ä.
=
und ähnliches
u.v.a.
=
und viele andere
u.v.m.
=
und vieles mehr
vorw. = vorwiegend
WACC
=
Weighted Average Cost of Capital
z.B.
=
zum Beispiel
z.T.
=
zum Teil

Wertorientierte Konzepte bei der Ableitung von Turnaround-Strategien
1
1
Grundlagen
Angesichts der weiter steigenden Zahl an Insolvenzen in Deutschland und des
damit verbundenen volkswirtschaftlichen Schadens wird die Bedeutung von
Unternehmenskrisen und deren Bewältigung deutlich. Im vergangenen Jahr erlebte
Deutschland mit 40.400 Insolvenzen einen neuen Höchststand. Allein aufgrund
von Insolvenzen verloren europaweit 1,1 Mio. Menschen ihren Arbeitsplatz.
1
Dabei sind die Entlassungen von nicht insolvent gewordenen Krisenunternehmen
nicht berücksichtigt. Im Jahre 1998 wurden in Deutschland die Forderungsausfälle
bei Kreditinstituten, Lieferanten und Subunternehmern auf DM 39 Mrd. und die
öffentlichen Schäden (verlorene Sozialversicherungsbeiträge, Steuern, Abgaben
etc.) auf DM 21 Mrd. beziffert.
2
Die Aktualität des Problems der
Unternehmenskrise wird in Anbetracht dessen noch deutlicher, dass einige große
deutsche Konzerne angekündigt haben, in den nächsten Jahren ihr Personal um
insgesamt mehrere zehntausend Mitarbeiter zu reduzieren.
Im Kapitel 1 werden im Anschluss an die Problemstellung (Abschnitt 1.1) die
Begriffe Unternehmenskrise und Turnaround begrifflich abgegrenzt und erläutert
(Abschnitt 1.2), um darauf aufbauend das Ziel dieser Arbeit erfassen zu können
und den Gang der Untersuchung (Abschnitt 1.3) darzustellen.
1.1
Problemstellung
In den letzten Jahren ist zu beobachten, dass es eine Vielzahl von
Rettungsversuchen krisenbefallener Unternehmen gab. Trotz des oft immensen
Mitteleinsatzes kam es immer wieder zu Fehlschlägen.
3
Einige Rettungsversuche
wurden dabei öffentlich als ,,erfolgreich" abgeschlossen. Nach kurzer Zeit gerieten
1
Vgl. Creditreform (2001)
2
Vgl. Günther, T. (2000), S. 346
3
Vgl. Krystek, U. (1991), S. 331

Wertorientierte Konzepte bei der Ableitung von Turnaround-Strategien
2
die jeweiligen Unternehmen jedoch wieder in Liquiditätsschwierigkeiten oder
wurden sogar insolvent. Zu nennen sind dabei u.a. auch bedeutende Namen wie
die Philipp Holzmann AG.
4
Im Jahre 1999 wurde bei der Philipp Holzmann AG bis August sowohl von
Seiten des Vorstands als auch des Aufsichtsrats öffentlich verkündet, dass der
Turnaround ,,erfolgreich" abgeschlossen worden sei. Im November 1999 ­ vier
Monate später ­ musste die Philipp Holzmann AG jedoch Insolvenz beantragen.
Nur durch die Hilfe des Bundes bzw. der Kreditanstalt für Wiederaufbau konnte
der Insolvenzantrag zurückgenommen werden.
5
Der volkswirtschaftliche Schaden, der aus dem fehlgeschlagenen
Rettungsversuch eines Großunternehmens resultiert, ist enorm. Die vielfach
vorhandene Abhängigkeit von Zulieferern führt dazu, dass auch deren Existenz
durch den Niedergang des betreffenden Unternehmens bedroht ist. Aufgrund
möglicher Kettenreaktionen kann sich der volkswirtschaftliche Schaden
beträchtlich erhöhen. Um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, beziehen
sich deshalb die meisten Aussagen im folgenden auf große, multi-divisional
organisierte Publikumsgesellschaften.
1.2
Begriffsabgrenzungen
In der Literatur gibt es bisher keine einheitliche Definition der Begriffe
Unternehmenskrise und Turnaround bzw. Turnaround-Strategie. Deshalb wird im
folgenden die Unternehmenskrise zunächst begrifflich abgegrenzt, um
anschließend ­ einem prozessualen Verständnis folgend ­ ihre Phasen zu
charakterisieren. Danach wird der Begriff des Turnarounds bzw. der Turnaround-
Strategie eingeordnet, um den Ausgangspunkt der Arbeit deutlich zu machen.
4
Vgl. Roetger, E.-T. (1992), S. 7
5
Vgl. Philipp Holzmann AG (2001)

Wertorientierte Konzepte bei der Ableitung von Turnaround-Strategien
3
1.2.1 Unternehmenskrise
Der Begriff der Unternehmenskrise wird in der Literatur in vielfältiger Weise
definiert und es werden verschiedene Krisenarten klassifiziert.
6
Im Rahmen dieser
Arbeit wird auf eine extensive Beschäftigung mit Begriffsabgrenzungen verzichtet.
Vielmehr wird der Versuch unternommen, anhand verschiedener Merkmale ein
Verständnis des Begriffs Unternehmenskrise zu entwickeln, der Ansatzpunkte zu
ihrer Bewältigung bietet.
Im insolvenzrechtlichen Sinne ­ als engstes Verständnis ­ liegt eine
Unternehmenskrise vor, wenn ein Unternehmen zahlungsunfähig ist, die
Zahlungsunfähigkeit droht oder die Überschuldung eintritt.
7
Dieses Verständnis
wird dem Anspruch nicht gerecht, Ansatzpunkte für die Auflösung der
Unternehmenskrise bieten zu können, da meist nach Eintritt der Insolvenz mit dem
,,vollständigen Zusammenbruch des Unternehmens"
8
zu rechnen ist.
Andererseits können Unternehmenskrisen vereinfachend als wirtschaftliche
Schwierigkeiten oder sogar nur als Bedrohungen skizziert werden, welche den
Fortbestand des betreffenden Systems in Frage stellen.
9
Diese Auslegung des
Begriffs ist nach herrschender Meinung zu weit gefasst und führte zu einer
,,Begriffsinflation".
10
Jede geplante Anpassung an bedrohliche
Umfeldveränderungen würde so eine Form der Krisenbewältigung implizieren.
Der Begriff der Unternehmenskrise muss deshalb sowohl von der Katastrophe
als auch von der Störung abgegrenzt werden.
11
So hat sich in der
Betriebswirtschaftslehre durchgesetzt, nur von einer Unternehmenskrise zu
sprechen, wenn der Tatbestand der nachhaltigen Existenzbedrohung gegeben ist.
Diese besteht nur dann, wenn ernsthaft die Gefahr besteht, die für das Überleben
6
Vgl. u.a. Grenz, T. (1987); Hauschildt, J. (1988); Kühn, M. (1991)
7
Vgl. Abschnitt 3.2.1 sowie §§ 17-19 InsO
8
Wittig, A. (1998), S. 50
9
Vgl. Burtscher, J.G. (1996), S. 30
10
Vgl. hier und im folgenden Müller, R. (1986), S. 33ff mit Verweisen
11
Vgl. Birker, K. (2000), S. 14; Franke, R. (1997), S. 32f

Wertorientierte Konzepte bei der Ableitung von Turnaround-Strategien
4
des Unternehmens notwendigen (dominanten und existentiellen) Ziele nicht zu
erreichen. Typische Beispiele für dominante Ziele sind:
· Aufbau und Sicherung von Erfolgspotentialen,
· Langfristige Erzielung einer Mindestrendite bzw. eines Mindestgewinns,
· Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit und Vermeidung der
Überschuldung.
Die Gefährdung der dominanten Ziele unterscheidet sich im Grad der
Existenzbedrohung, in der Möglichkeit, die Existenzbedrohung abzuwenden
(Handlungsspielraum) und in der Dringlichkeit, Gegenmaßnahmen einzuleiten
(Handlungsbedarf).
12
Krystek begreift die Unternehmenskrise explizit als ungewollten, ungeplanten,
zeitlich begrenzten Prozess
13
und schließt die begrenzte Beeinflussbarkeit bzw.
Steuerbarkeit ein:
,,Unternehmenskrisen sind ungeplante und ungewollte Prozesse von
begrenzter Dauer und Beeinflussbarkeit sowie mit ambivalentem Ausgang.
Sie sind in der Lage, den Fortbestand der gesamten Unternehmung
substantiell und nachhaltig zu gefährden oder sogar unmöglich zu machen.
Dies geschieht durch die Beeinträchtigung bestimmter Ziele, deren
Gefährdung oder gar Nichterreichung gleichbedeutend ist mit einer
nachhaltigen Existenzgefährdung oder Existenzvernichtung der
Unternehmung als selbständig und aktiv am Wirtschaftsprozeß teilnehmender
Einheit mit ihren bis dahin gültigen Zweck- und Zielsetzungen" (Krystek, U.
(1987), S. 6f)
Eine zeitliche Verknüpfung
14
der Gefährdung der dominanten Ziele anhand ihrer
Merkmale lässt sich damit zu einem charakteristischen Krisenprozess
zusammenfassen, der phasenspezifisch Ansatzpunkte für die Bewältigung einer
Unternehmenskrise bietet (siehe Abbildung 1).
15
12
Vgl. Böckenförde, B. (1991), S. 22; Klingebiel, N. (2000)
13
Vgl. zum Verständnis der Unternehmenskrise als Prozess auch Sievers, H. (1986), S. 24;
Neukirchen, K.-J. (1996), S. 386; Dazert, F.J. (1977), S. 77 u.v.a.
14
Vgl. ausführlich zum Wirkungszusammenhang zwischen Erfolgspotential, Ergebnis und
Liquidität Coenenberg, A.G./Baum, H.-G. (1987), S. 42ff
15
Vgl. Böckenförde, B. (1991), S. 21

Wertorientierte Konzepte bei der Ableitung von Turnaround-Strategien
5
Abb. 1
Phasen einer Unternehmenskrise (Quelle: in Anlehnung an Klingebiel, N.
(2000), S. 65)
Bei der Strategischen Krise sind Aufbau oder Verfügbarkeit von
Erfolgspotentialen des Unternehmens ernsthaft gefährdet.
16
Die Fähigkeit, künftig
die Erfolgsziele realisieren zu können, sinkt aufgrund der Verschlechterung der
produkt- und marktspezifischen Voraussetzungen. Die Strategische Krise ist
dadurch gekennzeichnet, dass sowohl Existenzbedrohung als auch die
Dringlichkeit, gegen zu steuern, noch schwach ausgeprägt sind und alle
Möglichkeiten zur Gegensteuerung nahezu uneingeschränkt offen stehen.
In der Erfolgskrise wird die Erzielung einer geforderten Mindestrendite bzw.
eines Mindestgewinnes nachhaltig verfehlt. Entweder zeigen sich hier die
Auswirkungen der Strategischen Krise oder das Unternehmen schafft es nicht, die
Strategien effizient operativ umzusetzen. Durch den ,,Verzehr" von Eigenkapital
steigen Bedrohungspotential und die Dringlichkeit, gegen zu steuern, der
Handlungsspielraum dagegen sinkt.
In der Liquiditätskrise werden die nachhaltige relative Kostensteigerung
(Ertragseffekt) und die Einnahmeverminderungen (Liquiditätseffekt) akut. Sowohl
Zahlungsunfähigkeit als auch Überschuldung drohen. In dieser Phase ist die
Strategische
Krise
Erfolgskrise
Liquiditäts-
krise
Insolvenz
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+
-

Wertorientierte Konzepte bei der Ableitung von Turnaround-Strategien
6
Dringlichkeit, wirksame Gegenmaßnahmen zu ergreifen, sehr hoch, um nicht in
die Insolvenz zu geraten. Die Möglichkeit, diese Maßnahmen zu ergreifen, ist
allerdings sehr eingeschränkt, so dass die Krise existenzvernichtend zu werden
droht.
1.2.2 Turnaround und Turnaround-Strategie
Der Begriff des Turnarounds (engl. für ,,Kehrtwende", ,,Wendung",
,,Herumreißen des Steuers") stellt ,,nach (...) Identifikation der gefährlichen
Tendenz eine dramatische Wende zum Besseren"
17
dar. Hambrick definiert den
Turnaround wie folgt:
,,As a starting point, a Turn Around situation is defined as one in which
business performance is persistently below some minimally acceptable
level." (Hambrick, D. (1985), 10-2)
Setzt man diese Definitionen in Beziehung mit den Phasen der
Unternehmenskrise,
18
so kann man konstatieren, dass der Turnaround in der
Erfolgskrise ansetzt. Auch Gopinath beschreibt die Turnaround-Situation als
,,Critical Phase", die durch eine Existenzbedrohung durch Unterschreitung eines
kritischen ,,Performance-Levels" gekennzeichnet ist.
19
Der Turnaround (hier
synonym zu Turnaround-Management verwendet) umfasst dabei alle Maßnahmen
sowohl im finanz- als auch im leistungswirtschaftlichen Bereich, sowohl operative
(kurzfristige) als auch strategische (langfristige).
20
Unter der Turnaround-Strategie wird im weiteren Verlauf der Arbeit
deswegen die Gesamtheit aller Maßnahmen verstanden, die im Zuge der
Erfolgskrise geplant und/oder umgesetzt werden, um eine dramatische Wendung
der Unternehmenssituation zum Besseren herbeizuführen und die
16
Vgl. hierzu und im folgenden Müller, R. (1986), S. 34-35, 49-56; Böckenförde, B. ( 1991), S.
20ff; Birker, K. (2000), S. 13-14; Klingebiel, N. (2000), S. 64-65
17
Siegwart, H./Caytas, I.G./Mahari, J.I. (1988), S. 1
18
Vgl. Abschnitt 1.2.1
19
Vgl. Gopinath, C. (1991), S. 100
20
Vgl. Coenenberg, A.G./Fischer, T.M. (1993a), S. 3-4

Wertorientierte Konzepte bei der Ableitung von Turnaround-Strategien
7
Existenzbedrohung nachhaltig abzuwenden. Um den Rahmen dieser Arbeit nicht
zu sprengen, werden im folgenden nur diejenigen Maßnahmen berücksichtigt,
welche entweder gänzlich autonom oder mit Hilfe der vor Eintritt der
Unternehmenskrise beteiligten Stakeholder
21
durchgeführt werden können. Nicht
berücksichtigt werden z.B. die Aufnahme neuer Investorengruppen oder das
sogenannte ,,Asset Stripping",
22
da hier nicht mehr von Turnaround im Sinne der
oben genannten Definition gesprochen werden kann.
Die Sanierung (aus dem lat. ,,sanare" ­ heilen) wird zwar auch verstanden als
,,die Gesamtheit der Maßnahmen, durch die ein wirtschaftlich notleidendes
Unternehmen, das ,,kräftig" war, wieder zu einem gesunden Unternehmen
umgestaltet wird".
23
Sie schließt daher zwar im weiteren Sinne sowohl finanz- als
auch leistungswirtschaftliche Maßnahmen zur Sicherung bzw. Wiederherstellung
der Lebensfähigkeit eines Unternehmens ein, setzt aber entweder in der
Liquiditätskrise oder sogar erst bei bzw. nach Eintreten der Insolvenz an.
24
Im
engeren Sinne beschränkt sich die Sanierung auf finanzwirtschaftliche
Maßnahmen. In einem prozessualen Verständnis der Unternehmenskrise greift
diese ausschließlich kurzfristige Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit
und/oder Abwendung der Überschuldung zu kurz.
1.3
Ziel und Gang der Untersuchung
Ziel dieser Arbeit ist es, einen Ansatz zur Ableitung von Turnaround-Strategien zu
entwickeln, der folgenden Anforderungen genügt: Zum einen soll er explizit die
zum Teil konfligierenden Interessen und Einflussmöglichkeiten der Stakeholder
berücksichtigen, um die Durchsetzung und Umsetzung der Turnaround-Strategie
21
Zu den betreffenden Stakeholdergruppen vgl. Kapitel 2
22
,,Asset Stripping" bedeutet wörtlich die Verflüssigung von Vermögenswerten. Es wird meist als
gewinnbringender Verkauf sämtlicher Vermögenswerte des Unternehmens nach Einstellung
des (Produktions-)Betriebes und der Aufgabe des ursprünglichen Geschäftszwecks
verstanden. Vgl. ausführlich Müller, R. (1986), S. 227f
23
Baur, W. (1979), S. 15
24
Vgl. hier und im folgenden Burger, A. (1988), S. 11-17

Wertorientierte Konzepte bei der Ableitung von Turnaround-Strategien
8
sicher zu stellen. Zum anderen soll der Ansatz den nachhaltigen Erfolg des
Turnarounds gewährleisten. Hofer umschreibt das Ziel folgendermaßen:
,,(...) How can management pinpoint the right turnaround strategy when it is
needed ­ and make it work?" (Hofer, C.W. (1980), S. 19)
Ob und inwiefern ,,moderne" wertorientierte Konzepte bei der Ableitung einer
solchen Turnaround-Strategie einen Mehrwert leisten können, ist Gegenstand des
vierten Kapitels und bildet einen weiteren Schwerpunkt dieser Arbeit.
Dazu wird im Kapitel 2 eigens ein umfassendes Anforderungsprofil der
Stakeholder an die Ableitung einer Turnaround-Strategie entwickelt. Dieses ergibt
sich aus der Bedeutung der in Abschnitt 2.1 dargestellten Interessen und -konflikte
und der Einflussmöglichkeiten (Abschnitt 2.2) der Stakeholder und wird in
Abschnitt 2.3 zusammenfassend dargestellt.
Im Kapitel 3 werden die einzelnen Phasen bei der Ableitung einer Turnaround-
Strategie behandelt. Phasenspezifisch wird hier auch die Umsetzung der
Anforderungen aus Kapitel 2 beachtet. Der Analyse der Ist-Situation in Abschnitt
3.1 schließt sich die Ableitung kurzfristiger Maßnahmen zur Vermeidung der
Insolvenz in Abschnitt 3.2 an. Es wird gezeigt, dass kurzfristige Maßnahmen die
Basis für die Ableitung von Strategien, die mittel- bis langfristig greifen, bilden.
Abschnitt 3.3 befasst sich mit der Ableitung von mittel- bis langfristigen
Strategien. Der Frage nach der Bewertung dieser Strategien soll explizit in
Abschnitt 3.3.2 nachgegangen werden.
In Kapitel 4 werden aufgrund der Probleme, die sich bei der Bewertung von
Turnaround-Strategien anhand der Daten des externen Rechnungswesens ergeben
(Abschnitt 4.1), der EVA- und DCF-Ansatz als mögliche Alternativen in Abschnitt
4.2 vorgestellt. Ihre Eignung und Anwendungsmöglichkeiten bei der Ableitung
von Turnaround-Strategien werden phasenspezifisch in Abschnitt 4.3 untersucht.
Die Anwendung dieser ,,modernen" wertorientierten Konzepte auf die Ableitung
einer Turnaround-Strategie ist bisher in der Literatur ­ soweit ersichtlich ­
vernachlässigt worden. Zur Überprüfung der Eignung dienen unter anderem die in

Wertorientierte Konzepte bei der Ableitung von Turnaround-Strategien
9
Kapitel 2 ermittelten Anforderungen der Stakeholder. Kritik an den vorgestellten
Konzepten bei ihrer Anwendung in der Turnaround-Situation wird
zusammenfassend in Abschnitt 4.4 geübt.
Im Kapitel 5 werden im Rahmen des Fazits die zentralen Ergebnisse
abschließend zusammengefasst und ein Ausblick gewährt. Abbildung 3
veranschaulicht das weitere Vorgehen der Arbeit.
Abb. 2:
Weiteres Vorgehen (Quelle: eigene Darstellung)
2
Stakeholder des Unternehmens
Unter Stakeholdern werden im allgemeinen diejenigen Interessengruppen, die
bzgl. des Unternehmens etwas ,,auf dem Spiel" (engl. ,,at stake") stehen haben,
verstanden.
25
Zu den maßgeblichen Stakeholdern zählen insbesondere im Falle der
Krise intern der Vorstand, der Aufsichtsrat, die Aktionäre sowie die Mitarbeiter.
Extern sind vor allem Banken, Kunden und Lieferanten zu nennen.
26
Im
Bewusstsein, dass Unternehmenskrisen ,,vor allem Vertrauenskrisen"
27
sind, und
25
Vgl. Wentges, P. (2000), S. 203
26
Zu betonen ist, daß die Shareholder (Anteilseigner) im weiteren Verlauf auch zum Kreis der
Stakeholder gezählt werden.
27
Dazert, F.J. (1977), S. 77; vgl. auch Krystek, U. (1991), S. 337, Rauh, M. (1990), S. 384 u.v.a.
Anforderungen an eine Turnaround-Strategie (Stakeholder)
Wertorientierte Konzepte
Ist-Analyse
Kurzfristige
Maßnahmen
Mittel- bis
langfristige
Strategie
Kapitel 2
Abschnitt 3.1
Abschnitt 3.2
Abschnitt 3.3
Kapitel 4

Wertorientierte Konzepte bei der Ableitung von Turnaround-Strategien
10
der Erfolg des Turnarounds maßgeblich vom Einwirken dieser Stakeholder
abhängt, werden im folgenden Anforderungen an eine Turnaround-Strategie, die
sich aus Interessenlage bzw. -konflikten und Einflussmöglichkeiten der
Stakeholder ergeben, ermittelt.
2.1
Interessenlage und ­konflikte der Stakeholder
Der Vorstand hat ein vitales Interesse daran, möglichst frei von
Schuldzuweisungen seine Position bzw. sein zukünftiges Einkommen zu sichern.
Meist ist es dabei möglich, die Unternehmenskrise durch interdependente
Einflüsse auf exogene Ursachen zurückzuführen und die augenblickliche Lage zu
rechtfertigen.
28
Außerdem setzt regelmäßig ein psychologischer
Verdrängungsprozess gegenüber der tatsächlichen Lage und den Ursachen hierfür
ein.
29
Die Interessenlage des Aufsichtsrats ergibt sich aus dessen Zusammensetzung.
Dem Aufsichtsrat gehören neben Aktionärsvertretern auch Vertreter der
Arbeitnehmer, meist auch der Banken, teilweise auch der wichtigsten Kunden und
Lieferanten und Personen des öffentlichen Lebens an. Durch die heterogene
Zusammensetzung ist es schwierig, grundsätzliche Aussagen zur Interessenlage
dieses Organs zu treffen.
Die Aktionäre haben in der Krisensituation ein vorrangiges Interesse an der
Sicherheit ihrer Kapitalanlage. Allerdings ist von einer homogenen
Aktionärsstruktur nicht auszugehen. So haben langfristig orientierte Investoren
Interesse an der langfristigen Prosperität des Unternehmens, während bei
kurzfristig orientierten ,,Spekulanten" nicht unbedingt davon auszugehen ist, dass
sie bspw. durch eigenes finanzielles Engagement zum Turnaround des
Unternehmens beitragen wollen.
30
28
Vgl. Böckenförde, B. (1991), S. 98
29
Vgl. Gopinath, C. (1991), S. 96ff; Lüthy, M. (1988), S.59f; Krystek, U. (1991), S. 335
30
Vgl. Franceschetti, A. (1993), S. 97

Wertorientierte Konzepte bei der Ableitung von Turnaround-Strategien
11
Unternehmenskrisen werden von Mitarbeitern nicht selten als Bruch eines
,,psychologischen Vertrags"
31
wahrgenommen und ziehen oftmals demotivierende
Effekte nach sich. Das Interesse der Mitarbeiter gilt neben der Sicherung ihres
Arbeitsplatzes auch impliziten Ansprüchen wie Karrieremöglichkeiten,
Weiterbildungsangeboten u.ä..
32
Das Interesse der kreditgebenden Banken liegt in der Vermeidung von
finanziellen Verlusten aus bestehenden Engagements und von Haftungs- und
Prozessrisiken. Demgegenüber steht das Interesse, möglichst potentielle
Ertragschancen wahrzunehmen und negative Auswirkungen auf das Image, also
auch die Bonität und die Vertrauenswürdigkeit der Bank zu verhindern.
33
Primär
ist dabei das Interesse an der Vermeidung von Kreditverlusten, da in diesem Fall
unmittelbar Erfolg, Sicherheit und Liquidität der Bank bedroht sind.
34
Kunden haben oftmals neben den vertraglich vereinbarten auch implizite
Ansprüche an ein Unternehmen. Dazu gehören z.B. die langfristige Versorgung
mit Ersatzteilen oder die Inanspruchnahme von Kundendienstleistungen.
35
Besonders bedeutsam sind diese Ansprüche, wenn das betreffende Unternehmen
als Lieferant in langfristige Fertigungsprozesse eingebunden ist. Lieferanten sind
zum einen als Gläubiger daran interessiert, finanzielle Verluste aus Forderungen
an den Schuldner zu vermeiden. Zum anderen sind sie an der Aufrechterhaltung
der Kundenbeziehung interessiert, um ihren Absatz zu sichern.
2.2
Einflussmöglichkeiten der Stakeholder
Der Vorstand hat die Möglichkeit, zumindest über einen gewissen Zeitraum,
durch bilanzpolitische Maßnahmen das wahre Ausmaß der Unternehmenskrise im
Jahresabschluss zu verschleiern oder zumindest zu verharmlosen.
36
In der
31
Vgl. Krystek, U. (1991), S. 337
32
Vgl. Wentges, P. (2000), S. 202
33
Vgl. Franceschetti, A. (1993), S. 218
34
Vgl. Lüthy, M. (1988), S. 245
35
Vgl. Wentges, P. (2000), S. 202
36
Vgl. hier und im folgenden Küting, K./Kaiser, T. (1994); Argenti, J. (1976), S. 13ff

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2001
ISBN (eBook)
9783956361647
ISBN (Paperback)
9783836601214
Dateigröße
631 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt – Wirtschaftswissenschaften, Betriebswirtschaftslehre
Erscheinungsdatum
2007 (Januar)
Note
1,0
Schlagworte
strategisches management krise shareholder value stakeholder unternehmensführung
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Titel: Wertorientierte Konzepte bei der Ableitung von Turnaround-Strategien
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