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Driving without Awareness (DWA) - Eine Simulatorstudie zur Aufmerksamkeit während der Autofahrt

©2006 Diplomarbeit 173 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Der Beginn der Automobilisierung lässt sich auf das Jahr 1860 festlegen. Damals baute der Belgier Etienne Lenoir den ersten Gasmotor. Es sollte noch 26 Jahre dauern bis am 3. Juli 1886 Karl Benz seinen „Patent-Motorwagen“ auf der Ringstraße in Mannheim ausprobierte. Erstmals legte ein Automobil eine Wegstrecke mit eigener Kraft zurück. Zu dieser Zeit konnte noch keiner erahnen, wie rasant der technische Fortschritt auf diesem Gebiet vonstatten gehen würde. Seitdem hat das Kraftfahrzeug unsere Lebensführung in Beruf und Freizeit massiv verändert. Wohl kaum eine andere Erfindung hatte größeren Einfluss auf die menschliche Geschichte ausgeübt. Inzwischen erreicht der Individualverkehr in der Bundesrepublik einen Anteil von rund 80% an der gesamten Verkehrsleistung. In den USA, bedingt durch dürftig entwickelte öffentliche Verkehrsträger, ist das Auto zum unentbehrlichen Transportmittel geworden.
War ein Fahrzeug zu Beginn der Entwicklung noch so gestaltet, dass sich der Mensch mit all seinen Fertigkeiten an das neue System anpassen musste, so ist die Automobilindustrie heutzutage bestrebt, das System an den Menschen und seine Eigenschaften anzupassen oder ihm sogar Handlungen, die das Fahrzeugführen mit sich bringt, ganz abzunehmen.
Dem gesellschaftlichen Nutzen des Automobils stehen allerdings auch unerwünschte Nebenwirkungen gegenüber. So führt mangelnde oder herabgesetzte Aufmerksamkeit (siehe z.B. Rumar, 1990; Chapman, Ismail und Underwood, 1999) während der Autofahrt immer wieder zu gefährlichen Situationen im Straßenverkehr, die in letzter Konsequenz zu Todesfällen führen. Bedingt durch das hohe Verkehrsaufkommen sind alleine in Deutschland im Jahr 2003 im Straßenverkehr 462.170 Menschen verletzt und 6.613 Menschen getötet worden. Der größte Anteil entfällt auf die Fahrer von Personenkraftwagen mit 273.822 Verletzten und 3.797 Getöteten (Statistisches Bundesamt, 2004). In einer Studie des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungs-Wirtschaft (2004) wurde festgestellt, dass bei 25 bis 30 Prozent aller Unfälle auf Autobahnen Müdigkeit als eine zentrale Ursache anzusehen ist. Weitere 14 Prozent der Unfälle wurden durch andere Unaufmerksamkeiten verursacht.
Zusammenfassung:
Verkehrssituationen sind durch unterschiedliche Ausprägungen von Beanspruchung und Belastung geprägt. Während in der Vergangenheit das Hauptaugenmerk der Forschung eher auf Belastungsformen lag, die aus einer Überbeanspruchung des Fahrers […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Andreas Schulz
Driving without Awareness (DWA) - Eine Simulatorstudie zur Aufmerksamkeit während
der Autofahrt
ISBN: 978-3-8366-0084-2
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2007
Zugl. Technische Universität Berlin, Berlin, Deutschland, Diplomarbeit, 2006
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte,
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2007
Printed in Germany

3
Danksagung
Zuerst gebührt mein Dank Herrn Prof. Dr. Manfred Thüring und Frau Dr. Monica De
Filippis für die engagierte Betreuung der vorliegenden Arbeit.
Nikolaus Rötting danke ich für seine Unterstützung bei der technischen Realisierung.
Für die Bereitstellung der Technik und der Räumlichkeiten möchte ich an dieser Stelle
den Verantwortlichen von der Volkswagen AG und dem Zentrum Mensch-Maschine
Systeme danken.
Des Weiteren möchte ich meiner Familie und all den Freunden und Bekannten danken,
die mich immer wieder zum Weitermachen ermutigten und Verständnis für meinen
Zeitmangel zeigten. Für ihre ganz besondere und vielfältige Unterstützung sollten an
dieser Stelle erwähnt werden:
Norbert
Schulz
Ulrike
Ahrens
Thomas
Heimhuber
Kai
Zimmermann
Achim
Schulz
Heike
Scholz
Willi
Zeidler
Katja
Karrer
Ein großes Dankeschön gilt natürlich all den Versuchsteilnehmern, die mit ihrem
Interesse am Thema sicher entscheidend zum Gelingen dieser Arbeit beitrugen.

4
"Die Wissenschaft ist eine wunderbare Sache,
wenn man nicht seinen Lebensunterhalt damit
verdienen muss."
Albert Einstein

5
Inhaltsverzeichnis
Danksagung... 3
Inhaltsverzeichnis ... 5
Abbildungsverzeichnis ... 8
Tabellenverzeichnis ... 10
Zusammenfassung... 13
Abstract... 14
1.
Hintergrund und Anliegen ... 15
1.1
Einleitung... 15
1.2
Interdisziplinäre Betrachtung des Themas ... 16
1.3
Ziel der Arbeit ... 16
2.
Bisherige Arbeiten und deren Implikationen ... 18
2.1.
Theoretische Überlegungen ... 18
2.2.
Erste Experimentelle Arbeiten und deren Weiterführung... 18
2.3.
Definition und Abgrenzung ... 19
3.
Das Mensch-Maschine-System ,,Fahrer-Fahrzeug" ... 21
3.1.
Das Wirkungsgefüge Fahrer, Fahrzeug und Umwelt... 21
3.2.
Aufgabenbewältigung des Fahrers bei der Fahrzeugführung... 23
3.3.
Aufmerksamkeit während der Fahrzeugführung... 24
3.3.1.
Informationsaufnahme und ­verarbeitung bei der Fahrzeugführung ... 25
3.3.1.1.
Spezifische vs. unspezifische Selektion... 27
3.3.1.2.
Kontrollierte vs. automatische Informationsverarbeitung ... 28
3.3.2.
Intensität der Aufmerksamkeit und Arousal ... 31
3.4.
Beanspruchung und Belastung ... 33
4.
Modellselektion ... 35
4.1.
Stufenmodelle... 35
4.2.
Ressourcenmodelle... 37
5.
Methoden zur Erfassung von DWA ... 42
5.1.
Subjektive Angaben... 42
5.2.
Physiologische Maße ... 43
5.2.1.
Blickbewegungsmessung... 44
5.3.
Performanzmaße... 46

6
5.3.1.
Maße der Primäraufgabe ... 47
5.3.2.
Maße der Sekundäraufgabe ... 47
6.
Zentrale Fragestellungen und Hypothesen... 49
7.
Methodisches Vorgehen... 53
7.1.
Hauptuntersuchung ... 53
7.1.1.
Untersuchungsaufbau und -design ... 53
7.1.2.
Untersuchungsbedingungen ... 55
7.1.3.
Befragung... 58
7.1.4.
Datenaufzeichnung ... 60
7.1.5.
Untersuchungsablauf ... 62
8.
Ergebnisse... 66
8.1.
Beschreibung der Stichprobe ... 66
8.2.
Fragebogenanalyse... 67
8.2.1.
Schlaf vor Untersuchungsbeginn ... 67
8.2.2.
Müde-Wach-Einschätzung ... 67
8.2.3.
Schläfrigkeitseinschätzung... 69
8.2.4.
Psychische Anspannung... 70
8.2.5.
Momentane Leistungsfähigkeit ... 71
8.2.6.
Aktuelle Leistungsaversion ... 72
8.2.7.
Anstrengung durch die Entdeckungsaufgabe ... 74
8.2.8.
DWA Erleben ... 74
8.3.
Fahrdatenanalyse... 76
8.3.1.
,,Offroad" Ereignisse ... 76
8.3.2.
Kollisionen nach Vollbremsung des Führfahrzeugs ... 77
8.3.3.
Signalentdeckungs- und Reaktionszeitenanalyse... 78
8.4.
Blickbewegungsdatenanalyse ... 81
8.4.1. Globalanalyse der Fixationsdauern und der Fixationsorte ... 81
8.4.2. Analyse der Fixationsorte unterteilt nach Fixationsgruppen ... 82
8.5.
Zusammenfassung der Ergebnisse ... 84
9.
Diskussion & Ausblick... 85
Literaturverzeichnis ... 90

7
Anhang ... 101
Anhang A:
Schematische Darstellung der Fahrstrecken ... 101
A1.: Variante A: Bedingung ,,Vorhersagbare" Fahrstrecke ... 101
A2.: Variante B: Bedingung ,,Unvorhersagbare" Fahrstrecke ... 101
A3.:
Fahrstreckenentwurf ... 102
A3.1.:
Bedingung ,,Vorhersagbar"... 102
A3.2.:
Bedingung ,,Unvorhersagbar"... 109
Anhang B:
Dokumentation der Untersuchung ... 116
B1:
Fragebögen... 116
B1.1:
Morningness-Eveningness-Questionnaire ... 116
B1.2:
Vorbefragung ... 120
B1.3:
Nachinterview... 127
B1.4:
Nachbefragung... 128
B2:
Instruktion der Probanden... 132
Anhang C: Ergänzende Auswertung... 133
C1: Beschreibung der Stichprobe... 133
C1.1: Alter ... 133
C1.2: Beruf... 134
C1.3: Besitz des Führerscheins in Jahren ... 134
C2: Fragebogenanalyse ... 135
C2.1: Schlaf vor Untersuchungsbeginn ... 135
C2.2: Müde-Wach-Einschätzung ... 136
C2.3: Schläfrigkeitseinschätzung... 140
C2.4: Ermüdung aus BVL ... 143
C2.5: Psychische Anspannung aus BVL ... 145
C2.6: Momentane Leistungsfähigkeit aus BVL ... 147
C2.7: Aktuelle Leistungsaversion aus BVL ... 149
C2.8: Anstrengung durch die Entdeckungsaufgabe ... 151
C2.9: DWA Erleben... 152
C3: Fahrdatenanalyse ... 154
C3.1: ,,Offroad" Ereignisse ... 154
C3.2: Kollision nach Vollbremsung des Führungsfahrzeugs ... 160
C3.3: Signalentdeckung - Misses ... 161
C3.4: Reaktionszeitanalyse ... 162
C4: Blickbewegungsdatenanalyse... 169
C4.1: Globalanalyse der Fixationsdauern... 169
C4.2: Analyse der Fixationsorte... 169

8
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Modell des Mensch-Maschine-Systems ,,Fahrer Fahrzeug" ... 22
Abbildung 2: Stufenmodell nach Sternberg, 1975... 35
Abbildung 3: Kaskadenmodell nach McClelland, 1979... 36
Abbildung 4: Ressourcenmodell nach Kahnemann, 1973 ... 37
Abbildung 5: Informationsverarbeitungsmodell nach Wickens, 1984a ... 39
Abbildung 6: Dreidimensionale Verarbeitungsressourcen nach Wickens, 1984b ... 39
Abbildung 7: Kognitiv energetisches Stufenmodell nach Sanders, 1983 ... 40
Abbildung 8: Schematischer Überblick über den Untersuchungsaufbau... 53
Abbildung 9: Schematischer Überblick über die Anordnung der Gazepoints ... 54
Abbildung 10: 3D Weltmodell mit dem Blickvektor eines Probanden ... 54
Abbildung 11: Führfahrzeug und Streckenverlauf - Bedingung ,,Vorhersagbar"... 55
Abbildung 12: Führfahrzeug und Streckenverlauf - Bedingung ,,Unvorhersagbar"... 56
Abbildung 13: Chronotypen... 58
Abbildung 14: Schematischer Überblick der Videodatenaufzeichnung ... 60
Abbildung 15: Profileditor der Smarteye 3.0 Software ... 62
Abbildung 16: Kalibrierung der Blickbewegungsmessapparatur... 63
Abbildung 17: Hinweisreiz und im Lenkrad integrierter Taster ... 64
Abbildung 18: Überwachungsmonitor ... 64
Abbildung 19: Müde-Wach-Einschätzung ... 68
Abbildung 20: Ermüdung aus BVL ... 69
Abbildung 21: Schläfrigkeits-Einschätzung aus Likert Skala ... 70
Abbildung 22: Psychische Anspannung aus BVL ... 71
Abbildung 23: Momentane Leistungsfähigkeit aus BVL... 72
Abbildung 24: Aktuelle Leistungsaversion aus BVL... 73
Abbildung 25: Anstrengung durch die Entdeckungsaufgabe ... 74
Abbildung 26: DWA Erlebnisse - Häufigkeiten... 75
Abbildung 27: DWA Erlebnisse - Zeitdauer... 75
Abbildung 28: Anzahl der ,,Offroad" Ereignisse... 76
Abbildung 29: Dauer der ,,Offroad" Ereignisse ... 77
Abbildung 30: Kollisionen nach Vollbremsung ... 78
Abbildung 31: Anzahl Misses ... 79
Abbildung 32: Reaktionszeiten... 80
Abbildung 33: AOI´s unterteilt nach Relevanz (links: eher gering / rechts: eher hoch) ... 83
Abbildung 34: Verteilung der Fixationen auf Positionen mit geringer Relevanz ... 83
Abbildung 35: Verteilung der Fixationen auf Positionen mit hoher Relevanz ... 84
Abbildung 36: Schematischer Überblick der Fahrstrecke - Bedingung ,,Vorhersagbar" ... 101
Abbildung 37: Schematischer Überblick der Fahrstrecke - Bedingung ,,Unvorhersagbar" ... 101
Abbildung 38: Bedingung ,,Vorhersagbar" - Durchgang 0 der Fahrstrecke ... 102
Abbildung 39: Bedingung ,,Vorhersagbar" - Durchgang 1 der Fahrstrecke ... 103

9
Abbildung 40: Bedingung ,,Vorhersagbar" - Durchgang 2 der Fahrstrecke ... 103
Abbildung 41: Bedingung ,,Vorhersagbar" - Durchgang 3 der Fahrstrecke ... 104
Abbildung 42: Bedingung ,,Vorhersagbar" - Durchgang 4 der Fahrstrecke ... 104
Abbildung 43: Bedingung ,,Vorhersagbar" - Durchgang 5 der Fahrstrecke ... 105
Abbildung 44: Bedingung ,,Vorhersagbar" - Durchgang 6 der Fahrstrecke ... 105
Abbildung 45: Bedingung ,,Vorhersagbar" - Durchgang 7 der Fahrstrecke ... 106
Abbildung 46: Bedingung ,,Vorhersagbar" - Durchgang 8 der Fahrstrecke ... 106
Abbildung 47: Bedingung ,,Vorhersagbar" - Durchgang 9 der Fahrstrecke ... 107
Abbildung 48: Bedingung ,,Vorhersagbar" - Durchgang 10 der Fahrstrecke ... 107
Abbildung 49: Bedingung ,,Vorhersagbar" - Durchgang 11 der Fahrstrecke ... 108
Abbildung 50: Bedingung ,,Unvorhersagbar" - Durchgang 0 der Fahrstrecke ... 109
Abbildung 51: Bedingung ,,Unvorhersagbar" - Durchgang 1 der Fahrstrecke ... 110
Abbildung 52: Bedingung ,,Unvorhersagbar" - Durchgang 2 der Fahrstrecke ... 110
Abbildung 53: Bedingung ,,Unvorhersagbar" - Durchgang 3 der Fahrstrecke ... 111
Abbildung 54: Bedingung ,,Unvorhersagbar" - Durchgang 4 der Fahrstrecke ... 111
Abbildung 55: Bedingung ,,Unvorhersagbar" - Durchgang 5 der Fahrstrecke ... 112
Abbildung 56: Bedingung ,,Unvorhersagbar" - Durchgang 6 der Fahrstrecke ... 112
Abbildung 57: Bedingung ,,Unvorhersagbar" - Durchgang 7 der Fahrstrecke ... 113
Abbildung 58: Bedingung ,,Unvorhersagbar" - Durchgang 8 der Fahrstrecke ... 113
Abbildung 59: Bedingung ,,Unvorhersagbar" - Durchgang 9 der Fahrstrecke ... 114
Abbildung 60: Bedingung ,,Unvorhersagbar" - Durchgang 10 der Fahrstrecke ... 114
Abbildung 61: Bedingung ,,Unvorhersagbar" - Durchgang 11 der Fahrstrecke ... 115

10
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Abfolge der Stimulusdarbietung ... 57
Tabelle 2: Spezifikationen der Fahrdatenaufzeichnung... 61
Tabelle 3: Müde-Wach-Einschätzung - Haupteffekt ,,Zeit" aufgelöst ... 68
Tabelle 4: Reaktionszeitanalyse - Haupteffekt ,,Durchgang" 1 & 2 aufgelöst ... 80
Tabelle 5: Fixationen unterteilt nach Fixationsorten... 82
Tabelle 6: Alter - Statistiken ... 133
Tabelle 7: Alter - Häufigkeiten ... 133
Tabelle 8: Beruf - Häufigkeiten... 134
Tabelle 9: Führerscheinbesitz in Jahren - Statistiken ... 134
Tabelle 10: Führerscheinbesitz in Jahren - Häufigkeiten... 134
Tabelle 11: Schlaf vor Untersuchungsbeginn - KSA-Test... 135
Tabelle 12: Schlaf vor Untersuchungsbeginn - Statistik bei gepaarten Stichproben ... 135
Tabelle 13: Schlaf vor Untersuchungsbeginn - t-Test bei gepaarten Stichproben ... 135
Tabelle 14: Müde-Wach-Einschätzung - KSA-Test... 136
Tabelle 15: Müde-Wach-Einschätzung - Multivariate Tests... 136
Tabelle 16: Müde-Wach-Einschätzung - Tests der Innersubjekteffekte ... 137
Tabelle 17: Müde-Wach-Einschätzung - Tests der Innersubjektkontraste ... 138
Tabelle 18: Müde-Wach-Einschätzung - Paarweise Vergleiche - Faktor ,,Zeit" ... 138
Tabelle 19: Müde-Wach-Einschätzung - Interaktion der Faktoren ,,Bedingung" * ,,Zeit" ... 139
Tabelle 20: Schläfrigkeitseinschätzung - KSA-Test ... 140
Tabelle 21: Schläfrigkeitseinschätzung - Multivariate Tests ... 140
Tabelle 22: Schläfrigkeitseinschätzung - Tests der Innersubjekteffekte... 141
Tabelle 23: Schläfrigkeitseinschätzung - Tests der Innersubjektkontraste... 142
Tabelle 24: Ermüdung - KSA-Test ... 143
Tabelle 25: Ermüdung - Multivariate Tests ... 143
Tabelle 26: Ermüdung - Tests der Innersubjekteffekte ... 144
Tabelle 27: Ermüdung - Tests der Innersubjektkontraste ... 144
Tabelle 28: Psychische Anspannung - KSA-Test ... 145
Tabelle 29: Psychische Anspannung - Multivariate Tests ... 145
Tabelle 30: Psychische Anspannung - Tests der Innersubjekteffekte ... 146
Tabelle 31: Psychische Anspannung - Tests der Innersubjektkontraste ... 146
Tabelle 32: Momentane Leistungsfähigkeit - KSA-Test... 147
Tabelle 33: Momentane Leistungsfähigkeit - Multivariate Tests ... 147
Tabelle 34: Momentane Leistungsfähigkeit - Tests der Innersubjekteffekte... 148
Tabelle 35: Momentane Leistungsfähigkeit - Tests der Innersubjektkontraste... 148
Tabelle 36: Aktuelle Leistungsaversion - KSA-Test... 149
Tabelle 37: Aktuelle Leistungsaversion - Multivariate Tests ... 149
Tabelle 38: Aktuelle Leistungsaversion - Tests der Innersubjekteffekte... 150
Tabelle 39: Aktuelle Leistungsaversion - Tests der Innersubjektkontraste... 150

11
Tabelle 40: Anstrengung - KSA-Test ... 151
Tabelle 41: Anstrengung - Statistik bei gepaarten Stichproben... 151
Tabelle 42: Anstrengung - t-Test bei gepaarten Stichproben ... 151
Tabelle 43: DWA Erleben - "Hingestarrt" - KSA-Test... 152
Tabelle 44: DWA Erleben - "Unscharf" - KSA-Test... 152
Tabelle 45: DWA Erleben - Statistik bei gepaarten Stichproben ... 153
Tabelle 46: DWA Erleben - t-Test bei gepaarten Stichproben... 153
Tabelle 47: ,,Offroad" Ereignisse - Anzahl - KSA-Test ... 154
Tabelle 48: ,,Offroad" Ereignisse - Dauer - KSA-Test... 154
Tabelle 49: ,,Offroad" Ereignisse - Anzahl - Multivariate Tests ... 155
Tabelle 50: ,,Offroad" Ereignisse - Dauer - Multivariate Tests... 155
Tabelle 51: ,,Offroad" Ereignisse - Anzahl - Tests der Innersubjekteffekte ... 156
Tabelle 52: ,,Offroad" Ereignisse - Dauer - Tests der Innersubjekteffekte ... 157
Tabelle 53: ,,Offroad" Ereignisse - Anzahl - Tests der Innersubjektkontraste ... 158
Tabelle 54: ,,Offroad" Ereignisse - Dauer - Tests der Innersubjektkontraste ... 159
Tabelle 55: Kollision - KSA-Test... 160
Tabelle 56: Kollision - Statistik bei gepaarten Stichproben... 160
Tabelle 57: Kollision - t-Test bei gepaarten Stichproben ... 160
Tabelle 58: Misses - KSA-Test... 161
Tabelle 59: Misses - Statistik bei gepaarten Stichproben ... 161
Tabelle 60: Misses - t-Test bei gepaarten Stichproben ... 161
Tabelle 61: RT-Analyse - Bedingung Vorhersagbar - Durchgang 1-5 - KSA-Test ... 162
Tabelle 62: RT-Analyse - Bedingung Vorhersagbar - Durchgang 6-10 - KSA-Test ... 162
Tabelle 63: RT-Analyse - Bedingung Unvorhersagbar - Durchgang 1-5 - KSA-Test ... 163
Tabelle 64: RT-Analyse - Bedingung Unvorhersagbar - Durchgang 6-10 - KSA-Test ... 163
Tabelle 65: RT-Analyse - Multivariate Tests ... 164
Tabelle 66: RT-Analyse - Tests der Innersubjekteffekte... 165
Tabelle 67: RT-Analyse - Tests der Innersubjektkontraste... 166
Tabelle 68: RT-Analyse - Durchgang 1-5 - Paarweise Vergleiche - Faktor ,,Durchgang"... 167
Tabelle 69: RT-Analyse - Durchgang 6-10 - Paarweise Vergleiche - Faktor ,,Durchgang"... 168
Tabelle 70: Fixationsdauern - Tests der Innersubjekteffekte ... 169
Tabelle 71: Fixationsorte - Statistiken ... 169
Tabelle 72: Fixationsorte - Tests der Innersubjekteffekte ... 169
Tabelle 73: Fixationsgruppe 1 - Fixationsorte - Statistiken ... 170
Tabelle 74: Fixationsgruppe 1 - Fixationsorte - Tests der Innersubjekteffekte ... 170
Tabelle 75: Fixationsgruppe 1 - Fahrbahnmitte - Tests der Innersubjekteffekte ... 170
Tabelle 76: Fixationsgruppe 1 - Fahrbahnmitte Oben - Tests der Innersubjekteffekte... 170
Tabelle 77: Fixationsgruppe 1 - Fahrbahnmitte Unten - Tests der Innersubjekteffekte... 170
Tabelle 78: Fixationsgruppe 1 - Linker Fahrbahnrand - Tests der Innersubjekteffekte ... 171
Tabelle 79: Fixationsgruppe 1 - Rechter Fahrbahnrand - Tests der Innersubjekteffekte ... 171

12
Tabelle 80: Fixationsgruppe 1 - Alarm - Tests der Innersubjekteffekte ... 171
Tabelle 81: Fixationsgruppe 1 - Armaturen - Tests der Innersubjekteffekte... 171
Tabelle 82: Fixationsgruppe 1 - Tacho - Tests der Innersubjekteffekte... 171
Tabelle 83: Fixationsgruppe 2 - Fixationsorte - Tests der Innersubjekteffekte ... 171
Tabelle 84: Fixationsgruppe 2 - Fahrbahnmitte - Tests der Innersubjekteffekte ... 171
Tabelle 85: Fixationsgruppe 2 - Fahrbahnmitte Oben - Tests der Innersubjekteffekte... 172
Tabelle 86: Fixationsgruppe 2 - Fahrbahnmitte Unten - Tests der Innersubjekteffekte... 172
Tabelle 87: Fixationsgruppe 2 - Linker Fahrbahnrand - Tests der Innersubjekteffekte ... 172
Tabelle 88: Fixationsgruppe 2 - Rechter Fahrbahnrand - Tests der Innersubjekteffekte ... 172
Tabelle 89: Fixationsgruppe 2 - Alarm - Tests der Innersubjekteffekte ... 172
Tabelle 90: Fixationsgruppe 2 - Armaturen - Tests der Innersubjekteffekte... 172
Tabelle 91: Fixationsgruppe 2 - Tacho - Tests der Innersubjekteffekte... 172

13
Zusammenfassung
Verkehrssituationen sind durch unterschiedliche Ausprägungen von Beanspruchung
und Belastung geprägt. Während in der Vergangenheit das Hauptaugenmerk der
Forschung eher auf Belastungsformen lag, die aus einer Überbeanspruchung des
Fahrers resultierten, zeichnet sich ein neuer Forschungstrend ab, der Faktoren und
Effekte der Unterforderung adressiert. In diesen Kontext reiht sich auch die vorliegende
Studie ein, die den Zusammenhang zwischen Monotonie, Aufmerksamkeit und
Leistung untersucht. Im Zentrum steht hierbei das Konzept des ,,Driving Without
Awareness" (DWA), mit dem das Autofahren unter stark verringerter Aufmerksamkeit
charakterisiert wird.
Zur experimentellen Untersuchung von DWA fuhren erfahrene Autofahrer in einem
vibroakustischen Fahrsimulator zum einen eine Teststrecke ab, deren Fahrverlauf
vorhersagbar war und zu einer kognitiven Unterforderung seitens der Fahrer führen
sollte. Zum anderen wurde für dieselbe Stichprobe in einem zweiten
Versuchsdurchgang ein unvorhersagbarer Streckenverlauf vorgegeben, der auf eine
dauerhafte Beanspruchung der Fahrer abzielte. Als Datenquellen dienten sowohl
qualitative Daten als auch quantitative Daten. Im qualitativen Erhebungsteil der
Untersuchung wurden die subjektiven Einschätzungen von der augenblicklichen
Verfassung der Fahrzeugführer, Fragen zu erlebten DWA-Episoden und zum
Müdigkeitsgrad erfasst. Im quantitativen Erhebungsteil wurden Daten zur Güte der
Fahrzeugführung, zur Entdeckung und Reaktion auf Warnsignale und
Blickbewegungsdaten ermittelt.
Die Auswertung der qualitativen Daten zeigte, dass die ,,Vorhersagbare" Fahrsituation
im Vergleich zur ,,Unvorhersagbaren" die Häufigkeit subjektiv erlebter DWA-Merkmale
erhöhte, ohne dass dies durch eine verstärkte Zunahme der Müdigkeit erklärt werden
konnte. Die Analyse der quantitativen Daten zeigte, dass Häufigkeit und Dauer des
Abkommens von der Fahrbahn ebenfalls unter der monotonen Bedingung signifikant
zunahmen. Auch die Analysen der Blickbewegungsdaten zeigten überproportional
häufige lange Fixationen auf nicht für das Fahren relevante Positionen in der
Bedingung ,,Vorhersagbare Fahrsituation". Im Gegensatz dazu konnte eine
Verschlechterung der Entdeckung und Reaktion auf Warnsignale nicht nachgewiesen
werden.
Schlagworte: Arousal, Aufmerksamkeit, Blickbewegungsmessung, Driving Without
Awareness, Fahrsimulator, Highway Hypnosis, Monotonie, Vigilanz

14
Abstract
Traffic situations are embossed thru different specifications of demands and mental
loads. While in the past driver-state-monitoring was mainly focussed on mental over-
loads a new trend, focussed on factors and effects of under-load, emerges.
In this context the present thesis forms a queue and explores the interrelation of
monotony, attention and effort. In the centre of this thesis stands a concept called
"driving without awareness" (DWA). It characterizes driving under highly reduced
attention.
To investigate DWA experimentally, experienced drivers had to drive two different road
test routes in a vibroacoustic driving simulator. One route was highly predictable to the
driver and was supposed to induce cognitive under-load. The other route, driven by the
same sample, was highly unpredictable. This course was supposed to induce
permanent demands on the part of the drivers.
Data origins were qualitative as well as quantitative data. In the qualitative survey
estimations of instant driver constitution, experiences with DWA episodes and fatigue
were acquired. In the quantitative survey, data concerning the driving performance, eye
movements, warning signal detection and stimulus reaction were automatically
recorded.
Analysis of the qualitative data showed, that in the highly predictable driving situation
compared to the highly unpredictable driving situation DWA episodes were significantly
more frequent and longer experienced by the tested subjects. This effect was unrelated
to the increase of fatigue. Analysis of the quantitative data showed that the amount and
length of tracking errors also increased in the monotonous driving situation. The
analysis of the eye movements showed disproportionate frequent and long fixations on
irrelevant positions for driving in the highly predictable driving situation.
In opposition, a decrease of warning signal detection and stimulus reaction time could
not be found for the highly predictable driving situation.
Keywords:
arousal, attention, driving without awareness, driving simulator, highway
hypnosis, measure of eye movements, monotony, vigilance

15
1. Hintergrund
und
Anliegen
1.1 Einleitung
Der Beginn der Automobilisierung lässt sich auf das Jahr 1860 festlegen. Damals
baute der Belgier Etienne Lenoir den ersten Gasmotor. Es sollte noch 26 Jahre dauern
bis am 3. Juli 1886 Karl Benz seinen ,,Patent-Motorwagen" auf der Ringstraße in
Mannheim ausprobierte. Erstmals legte ein Automobil eine Wegstrecke mit eigener
Kraft zurück. Zu dieser Zeit konnte noch keiner erahnen, wie rasant der technische
Fortschritt auf diesem Gebiet vonstatten gehen würde. Seitdem hat das Kraftfahrzeug
unsere Lebensführung in Beruf und Freizeit massiv verändert. Wohl kaum eine andere
Erfindung hatte größeren Einfluss auf die menschliche Geschichte ausgeübt.
Inzwischen erreicht der Individualverkehr in der Bundesrepublik einen Anteil von rund
80% an der gesamten Verkehrsleistung. In den USA, bedingt durch dürftig entwickelte
öffentliche Verkehrsträger, ist das Auto zum unentbehrlichen Transportmittel
geworden.
War ein Fahrzeug zu Beginn der Entwicklung noch so gestaltet, dass sich der Mensch
mit all seinen Fertigkeiten an das neue System anpassen musste, so ist die
Automobilindustrie heutzutage bestrebt, das System an den Menschen und seine
Eigenschaften anzupassen oder ihm sogar Handlungen, die das Fahrzeugführen mit
sich bringt, ganz abzunehmen.
Dem gesellschaftlichen Nutzen des Automobils stehen allerdings auch unerwünschte
Nebenwirkungen gegenüber. So führt mangelnde oder herabgesetzte Aufmerksamkeit
(siehe z.B. Rumar, 1990;
Chapman, Ismail und Underwood, 1999
) während der
Autofahrt immer wieder zu gefährlichen Situationen im Straßenverkehr, die in letzter
Konsequenz zu Todesfällen führen. Bedingt durch das hohe Verkehrsaufkommen sind
alleine in Deutschland im Jahr 2003 im Straßenverkehr 462.170 Menschen verletzt und
6.613 Menschen getötet worden. Der größte Anteil entfällt auf die Fahrer von
Personenkraftwagen mit 273.822 Verletzten und 3.797 Getöteten (Statistisches
Bundesamt, 2004). In einer Studie des Gesamtverbandes der Deutschen
Versicherungs-Wirtschaft (2004) wurde festgestellt, dass bei 25 bis 30 Prozent aller
Unfälle auf Autobahnen Müdigkeit als eine zentrale Ursache anzusehen ist. Weitere 14
Prozent der Unfälle wurden durch andere Unaufmerksamkeiten verursacht.

16
1.2 Interdisziplinäre Betrachtung des Themas
Bedingt durch die hohe Zahl an Verkehrsunfällen sind unterschiedlichste Disziplinen
bestrebt, Ansätze und Maßnahmen zu liefern, um die Gefahren im Straßenverkehr
einzudämmen. Jedoch ist die
Erhöhung der Verkehrssicherheit
aufgrund der
Komplexität des Gefüges von Fahrer, Fahrzeug und Umwelt
ein nur schwer
erreichbares Ziel.
So versuchen zum Beispiel die Ingenieurswissenschaften durch stetige Veränderung
und Verbesserung technischer Fahrzeugparameter zu einer erhöhten Sicherheit im
Straßenverkehr beizutragen. Aber auch die Um- und
Neugestaltungen des
Verkehrsumfeldes zählt zu Ihren Arbeitsbereichen.
Pädagogische Ansätze hingegen
setzen auf die verstärkte Schulung und Aufklärung über Regeln und Gefahren. Wieder
andere Ansätze favorisieren vermehrte Kontrollen, höhere Strafen sowie mehr Regeln
und Vorschriften. Innerhalb der Psychologie, oft in Kooperation mit den
Ingenieurswissenschaftlern, Wirtschaftswissenschaftlern und Medizinern, interessieren
vor allem die Wechselbeziehungen zwischen Mobilitäts- Transport- und
Verkehrssystemen einerseits und menschlichem Erleben und Verhalten andererseits
(Klebelsberg, 1982; Schlag, 2004).
1.3 Ziel der Arbeit
In dieser Diplomarbeit wurde ein sehr spezifischer Bereich dieser Wechselbeziehungen
aus psychologischer Sicht näher untersucht. Im Speziellen handelte es sich um die
Belastung des Fahrzeugführers durch eine lang andauernde Fahraufgabe und deren
Folgen.
Während in der Vergangenheit das Hauptaugenmerk der Forschung jedoch eher auf
Belastungsformen lag, die aus einer Überbeanspruchung des Fahrers resultierten
(siehe z.B. Dingus & Hulse, 1989;
Chaloupka et al., 1998; Fastenmeier, 1998
),
zeichnet sich ein neuer Forschungstrend in der Fahrerzustandserkennung ab, der
Faktoren und Effekte der Unterforderung adressiert ( vgl. Beier et al., 2001; Zimmer,
2001). In diesen Kontext reiht sich auch die vorliegende Arbeit ein, die den
Zusammenhang zwischen Aufmerksamkeit, Dauerleistung, Monotonie und der damit
verbundenen Informationsverarbeitung untersuchte. Im Zentrum stand hierbei das
Konzept des ,,Driving Without Awareness" (DWA), mit dem das Autofahren unter stark
verringerter Aufmerksamkeit bzw. mit einem Abfall der Vigilanz
1
charakterisiert wird.
1
Mit Vigilanzabfall bezeichnet man die zunehmende Leistungsverschlechterung, die sich nach ca. 35-
45Min. Beobachtungsdauer bei sonst unveränderten Bedingungen einstellt.

17
So ist fast jeder Fahrzeugführer schon mit der Erfahrung konfrontiert worden, sich
während einer längeren Fahrt in Stadien mentaler Abwesenheit zu befinden. Wie
Eingangs bereits erwähnt, birgt dieses Aufmerksamkeitsdefizit im Straßenverkehr
große Gefahren und bedarf daher einer detaillierten Erforschung.
In der Vergangenheit wurden verschiedene Ansätze formuliert, deren Absicht zum
einen eine eindeutigere Definition dieses Phänomens war, zum anderen lieferten sie
aber auch schon erste Implikationen für die experimentelle Erforschung. Da ein
weiteres Ziel dieser Arbeit darin bestand, den experimentellen Ansatz von Wertheim
(1978) zum Verständnis der Ursachen von DWA in einem angewandten Kontext zu
replizieren, sollen die bisher zu dem Phänomen DWA postulierten Ansätze im
nachfolgenden Kapitel vorerst rezensiert werden, bevor eine Definition und
Abgrenzung des Themas bezüglich dieser Arbeit erfolgt.

18
2.
Bisherige Arbeiten und deren Implikationen
2.1. Theoretische Überlegungen
Bezugnehmend auf Williams und Shor (1970) wurde der erste Artikel, der sich dem
Problem stark herabgesetzter Aufmerksamkeit im Straßenverkehr annahm, im Jahre
1921 veröffentlicht. Die Veröffentlichung mit dem darin beschriebenen Phänomen
,,Road Hypnotism" ist als Beginn einer Reihe von Schriften zu betrachten, deren
zentrale Aspekte mit der Definition ,,Highway Hypnosis" zusammengefasst wurden. Der
Begriff beschreibt eine Art hypnotischen Zustand während der Fahrt, in dem der
Fahrzeugführer stark eingeschränkt auf kritische Situationen im Straßenverkehr
reagiert. Williams (1963), der erstmals diese Definition einführte, schlug in seinem
Monotonie-Konzept vor, dass die Monotonie der Umgebung und die Notwendigkeit nur
auf einen sehr kleinen Bereich im Gesichtsfeld zu achten, wie es z.B. bei der Autofahrt
auf der Autobahn oder auf geraden Landstraßen der Fall ist, diesen Zustand induziert.
Dabei betrachtet Williams die Ermüdung des Fahrers als begünstigend, jedoch nicht
als Voraussetzung für ,,Highway Hypnosis". Auch Shor und Thackray (1970)
berichteten, dass Monotonie, häufige Wiederholungen, ein leichter Grad physischer
Ermüdung und eine einfach zu lernende Aufgabe, die schnell automatisiert wird, das
Auftreten fördern. Über eine deskriptive Analyse hinaus lieferten diese Theorien zur
,,Highway Hypnosis" jedoch keinen Beitrag, der Aufschluss über den Ursprung und
Kausalitäten des Phänomens DWA geben könnte.
2.2. Erste Experimentelle Arbeiten und deren Weiterführung
Wertheim (1978) leistete zur experimentellen Erforschung dieses Phänomens erste
Pionierarbeit. Er stellte eine Theorie auf, die besagt, dass mentale Fähigkeiten in
Beziehung mit der Aktivität des okulomotorischen Systems
2
stehen. Weiter postulierte
er, dass im Falle eines Wechsels von ,,attentiver" zu ,,intentiver" okulomotorischer
Steuerung nur ein geringer Teil bewusster okulomotorischer Steuerung existiert, was
die Fähigkeit, reale Bewegungen in unserer Umgebung zu Erkennen, stark
beeinträchtigt. Diese Verschiebung der Aufmerksamkeit von äußeren Stimuli zu
internen Prozessen fundiert auf der von Schneider und Shiffrin (1977) veröffentlichten
Theorie der kontrollierten vs. automatisierten Informationsverarbeitung. Demnach
2
Das okulomotorische System ist das neurologische System, dass die Initiierung von Augenbewegungen
steuert. Dabei unterscheidet Wertheim zwei Komponenten des Systems:
1. ,,Attentive oculomotor control" - retinale Information dient als Hauptquelle für die okulomotorischen
Neuronen.
2. ,,Intentive oculomotor control" - interne Repräsentationen - ,,Programme" dienen als Hauptquelle für
die okulomotorischen Neuronen.

19
laufen automatische Prozesse ohne bewusste Kontrolle ab. Je stärker Aufgaben geübt
werden, desto stärker werden sie automatisiert und desto weniger
Aufmerksamkeitsressourcen verbrauchen sie. Basierend auf diesen Annahmen würden
somit mehrere Charakteristiken des Autofahrens die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass
der Fahrer die meisten Informationen im äußeren Blickfeld nicht beachtet. In seiner
Theorie distanzierte sich Wertheim jedoch von dem von Williams (1963) verwendetem
Monotonie-Konzept. Vielmehr induziert der Grad, in welchem die Objekte im Blickfeld
sich nach einem vorhersagbaren Schema relativ zum Betrachter bewegen ,,Highway
Hypnosis". Diese Behauptung untermauerte er mit einem praktischen Beispiel, in
welchem Autofahrer, wenn sie in eine Nebelbank fahren, zwar eine äußerst monotone
Umgebung vorfinden, aber trotzdem unter höchster Aktivierung stehen. Wertheims
Ergebnisse konnten zeigen, dass intentionale okulomotorische Steuerung schnelle
Reaktionen ermöglicht, aber die Fähigkeit Warnsignale oder Bewegungen zu
erkennen, stark beeinträchtigt ist. Zusätzlich steht intentionale okulomotorische
Steuerung in Verbindung mit einem bestimmten Grad mentaler Entspannung und
geminderter Wachsamkeit. Allerdings machte Wertheim (1991) in seiner theoretischen
Analyse über ,,Highway Hypnosis" darauf aufmerksam, dass die Untersuchung des
Phänomens als einen hypnotischen Zustand keinen Beitrag zum Ursprung dieses
Zustands leisten konnte.
Kerr (1991) schlug daher die Definition ,,Driving Without Attention Mode" (DWAM) vor.
Mit dieser Begriffsdefinition griff er Wertheims Hypothese auf, dass mentale
Fähigkeiten in Beziehung stehen mit der Aktivität des okulomotorischen Systems,
grenzt sich allerdings dadurch ab, indem er eine Verbindung zu Einflüssen durch
Müdigkeit ausschließt. Weiter postulierte er einen höheren kognitiven Prozess, den er
allerdings nicht weiter erläuterte, der die Wurzel von DWAM bildet.
Im gleichen Jahr veröffentlichte Brown (1991) einen historischen und inhaltlichen
Überblick zur Thematik und zeigte die Problematik der bisherigen Begriffsdefinitionen
auf. Für ihn war eine klare Differenzierung zwischen Schlaf und Müdigkeit
unabdingbar, um eine weitere wissenschaftlich fundierte Erforschung des Phänomens
zu ermöglichen.
2.3. Definition und Abgrenzung
Da auch für den Autor dieser Arbeit eine eindeutige Begriffsdefinition als eine
Notwendigkeit gesehen wurde, soll an dieser Stelle die hier verwandte Definition
,,Driving Without Awareness" (DWA), die Brown (1994) selbst einführte, näher erläutert
werden, um Aufschluss über die Interpretation des Phänomens zu geben. Unter DWA
wird im Rahmen dieser Arbeit ein spezifisches Aufmerksamkeitsphänomen verstanden,

20
dass während des Autofahrens auftreten kann. Kennzeichnend für DWA ist ein stark
herabgesetztes Aktivationsniveau
3
des Fahrers, verursacht durch eine länger
anhaltende kognitive Unterforderung. Zu einer solchen Unterforderung kann es
kommen, wenn die Fahrsituation sehr vertraut oder äußerst reizarm ist und somit eine
hohe Vorhersagbarkeit (Wertheim, 1978) des weiteren Fahrverlaufs gegeben ist. Ein
Beispiel hierfür sind kaum befahrene, eintönige Landstraßen. Die Fahrt wird zu einem
hochgradig automatisierten Prozess, der fast ohne bewusste Kontrolle abläuft (Kerr,
1991). Dabei geht dieser Zustand einher mit Erinnerungslücken bezüglich der
Fahrstrecke (Reed, 1972; Chapman et al., 1999), der Nichtbeachtung von
Kollisionsgefahren (Brown, 1994), spezifischem Blickbewegungsverhalten, wie langem
glasigem Starren (Williams, 1970; Wertheim, 1978) und mit leichter Müdigkeit gepaart
mit Langeweile (Hacker & Richter, 1984). Weiter kann ein leichter Grad der Ermüdung
für DWA begünstigend sein (Williams, 1963) ist jedoch nicht als Voraussetzung zu
werten. Diese Betrachtung begründet sich darin, dass in dieser Arbeit davon
ausgegangen wurde, dass DWA durch die Vorhersagbarkeit der Fahrsituation induziert
wird und nicht durch starke Ermüdung.
Damit grenzt sich diese Arbeit von einer Vielzahl anderer Arbeiten ab, die sich mit dem
Phänomen DWA in enger Verbindung mit starker Müdigkeit und
Sekundenschlafattacken befassten. So beschreiben z.B. Horne und Reyner (1999)
sowie Galley und Churan (2002) DWA ausschließlich im Zusammenhang mit Müdigkeit
und für Sagberg (1999) ist DWA der Vorbote eines Einschlafereignisses.
Da DWA ein spezifisches Aufmerksamkeitsphänomen in der Fahrzeugführung darstellt,
ist es zur Untersuchung und Ergründung des Phänomens unabdingbar zunächst das
Mensch-Maschine-System ,,Fahrer-Fahrzeug" näher zu betrachten.
3
Bezeichnung für ein zentralnervös vermitteltes Zustandsniveau, das zwischen den Polen Schlaf bzw.
Schläfrigkeit und Übererregtheit variiert und bei optimaler, mittlerer Ausprägung die Grundlage für
Aufmerksamkeit, Vigilanz, rasche Informationsverarbeitung, Reaktions- und Leistungsfähigkeit darstellt.

21
3.
Das Mensch-Maschine-System ,,Fahrer-Fahrzeug"
Da die Fahrzeugführung als eine hoch komplexe und dynamische
Aufgabenbewältigung betrachtet werden muss, soll hier vorerst das Wirkungsgefüge
Fahrer, Fahrzeug und Umwelt näher analysiert werden. In einem weiteren Schritt wird
die Aufgabenbewältigung des Fahrers bei der Fahrzeugführung detaillierter betrachtet.
Diese Gedanken werden dann im Hinblick auf die Zielsetzung der Arbeit aufgegriffen
und es werden die für diese Arbeit relevanten grundsätzlichen Konzepte dargelegt, die
sich mit der Informationsaufnahme und -verarbeitung sowie der Beanspruchung und
Belastung des Menschen befassen, um die Bedeutung für das Führen eines
Fahrzeugs herauszuarbeiten.
3.1. Das
Wirkungsgefüge
Fahrer, Fahrzeug und Umwelt
Mensch-Maschine-Systeme dienen der Beschreibung und Erklärung des funktionalen
Zusammenwirkens von Mensch und Maschinen unter den Aspekten von
Informationsaustausch und Regelungserfordernissen. Hintergrund der Mensch-
Maschine-Betrachtung ist die Optimierung der Informationszirkulation innerhalb dieser
Systeme (Johannsen, 1993; Timpe, 2001).
Das Führen eines Fahrzeugs ist eine solche Interaktion. Man unterscheidet die drei
Komponenten Fahrer, Fahrzeug und Umgebung/Organisation (Godthelp, Färber,
Groeger & Labiale, 1993; Groeger, 2000; Timpe, 2001), die jeweils spezifische
Merkmale aufweisen und zusammen ein komplexes Wirkungsgefüge ergeben.
Der Fahrer ist gekennzeichnet durch Fahreignung, Fahrfähigkeit und Fahrtüchtigkeit
(Huguenin, 1988). Zur Fahreignung zählen über die Zeit weitgehend invariante
Merkmale der Person wie zum Beispiel die Persönlichkeit, psychophysische und
psychomotorische Fähigkeiten, Intelligenz, Gedächtnis, Informationsaufnahme und
Informationsverarbeitung. Im Gegensatz zur Fahreignung gehören zur Fahrfähigkeit
ausschließlich Verhaltensweisen des Lenkers, die er zur Ausübung der Fahrhandlung
direkt oder indirekt durch Lernprozesse erwerben musste. Das sind zum Beispiel
motorische Fertigkeiten in der Fahrzeugbedienung, Wissen über Verkehrsregeln und
eine adäquate Einstellung, die ihm den Umgang mit Geschwindigkeit, Zeitdruck,
Sicherheit, Risiko, sowie eine Kooperation mit anderen Verkehrsteilnehmern
ermöglicht. Fahrtüchtigkeit, als letztes Kennzeichen, beschreibt die momentane
Fähigkeit des Fahrzeuglenkers, ein Fahrzeug bei gegebener Fahreignung und
Fahrfähigkeit verkehrsangepasst und sicher zu führen. Diese kann durch äußere

22
Einflüsse wie Genussmittel oder Arzneimittel, aber auch durch geistige bzw.
körperliche Zustände beeinträchtigt werden.
Das Fahrzeug, die zweite Komponente des Mensch-Maschine-Systems, zeichnet sich
durch spezifische Eigenschaften wie der Fahrzeugdynamik, dem Leistungspotential,
der Vibration und dem Geräuschpegel aus. Des Weiteren verfügt das Fahrzeug über
Benutzungsschnittstellen, über die Informationen zwischen Fahrer und Fahrzeug
ausgetauscht werden.
Nach Rompe (1985) ist die dritte Komponente Umgebung/Organisation in drei Ebenen
unterteilbar. Die erste Ebene ist repräsentiert durch die natürliche Umwelt, deren
Bestandteile zum Beispiel Tageszeit, Windverhältnisse und die Temperatur sind. Die
gestaltete Umwelt als zweite Ebene setzt sich zusammen aus dem Verkehrsnetz, der
Fahrbahnoberfläche und dem Fahrraum. Mit Fahrraum sind die Straßengestaltung, die
Verkehrsführung und Verkehrszeichen gemeint. Auf der dritten Ebene befindet sich die
soziale Umwelt, die durch Faktoren wie Verkehrsdichte, Verkehrsfluss, Auffälligkeiten,
Erkennbarkeit und Vorhersagbarkeit des Verhaltens Anderer sowie der Interaktion mit
Anderen gekennzeichnet ist. Die nachfolgende Abbildung gibt einen schematischen
Überblick über das bis hier beschriebene Wirkungsgefüge aus Fahrer, Fahrzeug und
Umgebung/Organisation.
Umgebung / Organisation
Fahrer
Fahrzeug
Fahreignung
(z.B. Intelligenz, Gedächtnis,
Persönlichkeit)
Fahrtüchtigkeit
( z.B. Alkohol, Stress, Ermüdung)
Fahrfähigkeit
(z.B. Wissen über Verkehrsregeln,
adäquate Einstellungen)
natürliche Umwelt
(z.B. Tageszeit, Windverhältnisse,
Temperatur)
soziale Umwelt
( z.B. Verkehrsfluss, Erkennbarkeit und
Vorhersagbarkeit des Verhaltens Anderer)
gestaltete Umwelt
(z.B. Verkehrsnetz, Fahrbahnoberfläche,
Verkehrsführung,Verkehrszeichen)
Benutzungs-
schnittstelle
(z.B. Lenkrad,
Gangschaltung,
Bremspedal, Tacho)
Fahrzeugdynamik
Leistungspotential
Geräuschpegel
Vibration
Abbildung 1: Modell des Mensch-Maschine-Systems ,,Fahrer Fahrzeug"

23
3.2. Aufgabenbewältigung
des
Fahrers bei der Fahrzeugführung
Während der Fahrzeugführung bewältigt der Fahrer die sogenannten Primäraufgaben.
Dazu zählen die drei Verhaltensebenen des Navigierens, des Lenkens und des
Stabilisierens des Fahrzeuges (Johannsen & Rouse, 1979; Michon, 1985). Auf der
Verhaltensebene der Navigation werden strategische Entscheidungen, zum Beispiel
die Auswahl einer Fahrroute, wissensbasiert getroffen. Das bedeutet, es werden
Handlungen auf der Grundlage bestehenden Wissens und bewusster, analytischer
Prozesse vorbereitet und geplant, um dem übergeordneten Ziel der Fahraufgabe zu
dienen. Auf dieser Ebene findet auch das Erkennen von Gefahrensituationen statt. Das
Lenken oder Manövrieren (Timpe, 2001) bezieht sich auf das Erkennen und Bewerten
von Verkehrssituationen, zum Beispiel das Registrieren einer scharfen Kurve. Aus
diesen Beobachtungen resultiert dann eine entsprechende Reaktion. Sie erfolgt auf der
regelbasierten Ebene und stellt somit keine höheren Anforderungen an den Fahrer dar.
Das Steuern des Fahrzeuges mittels Geschwindigkeitskontrolle und Quer- oder
Längsregelung wird von der fertigkeitsbasierten Ebene aus vollzogen. Es basiert auf
gespeicherten Verhaltensmustern und wird insbesondere in routinierten Situationen
ausgeführt. Alle drei Verhaltensebenen (vgl. Hacker, 1973; Rasmussen, 1986) können
gleichzeitig je nach Situation beim Fahren auftreten. Kommt es zu einer Veränderung
in den Anforderungen auf einer Ebene, so wird das Ausführen auf den beiden anderen
Ebenen ebenfalls beeinflusst.
Von diesen Primäraufgaben wird die Bearbeitung von Sekundäraufgaben
unterschieden, wie zum Beispiel das Kommunizieren per Telefon, das Anzeigen von
Richtungsänderungen oder das Überwachen von Kontrollanzeigen. Sowohl die Primär-
als auch die Sekundäraufgaben können nicht unabhängig voneinander betrachtet
werden, da zwischen den Ebenen der Primäraufgaben als auch zwischen den
Sekundär- und Primäraufgaben Wechselwirkungen bestehen (Timpe, 2001).
Wie sieht nun aber die Informationsaufnahme bzw. die Informationsverarbeitung und
daran angelehnt die Güte der Fahrzeugführung aus?
Die Qualität der Erfüllung der Fahraufgabe ist definiert durch Oberziele wie Sicherheit,
ökologisches Fahren, Fahrerzufriedenheit und Wirtschaftlichkeit. Diese resultiert
sowohl aus technischen Fahrzeugparametern wie dem Bremsweg oder der Wendigkeit
des Fahrzeugs als auch aus Prozessen der Informationsaufnahme und -verarbeitung
des Fahrers. Für die vorliegende Arbeit steht jedoch der Mensch mit seinen
Eigenschaften, Motiven und Fertigkeiten im Blickpunkt und daher wird auf die
technischen Parameter nicht näher eingegangen.
Stark vereinfacht lassen sich die Prozesse der Informationsaufnahme und -
verarbeitung in einem Informationszirkulationsmodell zusammenfassen. Sie lassen

24
sich durch die drei allgemeinpsychologischen Komponenten der
Informationsverarbeitung beschreiben (Timpe, 2001). Zunächst nimmt der Fahrer über
sensorische Prozesse Umgebungsreize wahr, wodurch erste Verarbeitungsschritte
aktiviert werden. Diese aufgenommenen Informationen werden anschließend
verarbeitet. Zum Beispiel werden Vergleiche mit im Gedächtnis gespeicherten
Informationen durchgeführt und Entscheidungen abgeleitet, die anschließend in einer
entsprechenden Handlungsausführung ihr Resultat finden. Nach Dewar (1986) tragen
Probleme der menschlichen Informationsaufnahme und -verarbeitung ursächlich 50 %
zu Unfällen bei (zit. nach Bielaczek, 1998). Da diese Prozesse entscheidend für das
Verständnis und somit für die Untersuchung von DWA sind, soll im Folgenden noch
detaillierter auf diese Prozesse eingegangen werden.
3.3. Aufmerksamkeit während der Fahrzeugführung
Um Informationen überhaupt aufnehmen, beziehungsweise verarbeiten zu können,
muss der Fahrer zunächst einmal seine Aufmerksamkeit - bewusst oder unbewusst ­
auf die entsprechenden Reize lenken. Für das Führen eines Kraftfahrzeugs gilt es
dabei zu beachten, dass kein konstantes Niveau an Aufmerksamkeit erforderlich ist, da
es Fahrbedingungen gibt, die bedingt durch ihren Schwierigkeitsgrad mehr
Aufmerksamkeit erfordern als andere (Mourant und Rockwell, 1970). Zum Beispiel
erfordern Landstraßen mehr Aufmerksamkeit als Autobahnen, kurvige Straßen
erfordern höhere Aufmerksamkeit als gerade Straßen und zu Zeiten des
Berufsverkehrs ist auch eine höhere Aufmerksamkeit gefordert als bei geringem
Verkehrsaufkommen (Hulse und Dingus, 1989).
Zwar ,,weiß jedermann, was Aufmerksamkeit ist" (James,1890), dennoch ist es an
dieser Stelle notwendig zu erörtern was Aufmerksamkeit, im Rahmen dieser Arbeit,
genau bedeutet. In der Literatur ist Aufmerksamkeit zur Erklärung einer Vielzahl
unterschiedlicher psychischer Phänomene herangezogen worden. Die
Begriffsverwendung von Aufmerksamkeit reicht von der Erklärung von
Wahrnehmungsphänomenen, Handlungsplanungen, Bewusstseinsprozessen bis hin
zur synonymen Verwendung für Verarbeitungskapazität (Kahnemann, 1973). So
unterstreicht diese vielseitige Begriffsverwendung die zentrale Wichtigkeit von
Aufmerksamkeit, aber zugleich verliert der Begriff damit jeden
wissenschaftstheoretischen Sinn und verhindert dadurch die Möglichkeit einer präzisen
Verhaltensvorhersage.

25
Broadbent (1958) und seiner Filtertheorie
4
ist es zu verdanken, dass zum ersten Mal
eine Aufmerksamkeitstheorie präzise Vorhersagen machen konnte. Broadbent
erkannte klar, dass eine Aufmerksamkeitstheorie sich sowohl mit den selektiven als
auch mit den intensitätsbezogenen Aspekten der Aufmerksamkeit befassen muss.
Damit ebnete er Ende der 50er Jahre den Weg für die ,,moderne" Forschung zur
Aufmerksamkeit ­ die Forschung, auf die sich die zeitgenössische
Aufmerksamkeitsforschung gründet.
Aufgrund der bereits beschrieben Problematik der vielfältigen Begriffsverwendung ist
eine Eingrenzung des Aufmerksamkeitsbegriffs in dieser Arbeit auf den Kontext des
Mensch-Maschine-Systems ,,Fahrer-Fahrzeug" unumgänglich. Dabei bietet sich eine
Unterteilung in die von Broadbent (1958) identifizierten zwei Gruppen an. Erstere
widmet sich somit der Informationsaufnahme und -verarbeitung und Letztere dem
Intensitätsaspekt.
3.3.1. Informationsaufnahme und ­verarbeitung bei der Fahrzeugführung
Da der Hauptanteil der Informationsaufnahme auf visueller Ebene geschieht, ist die
visuelle Aufmerksamkeit für die Beurteilung der Fahrzeugführung äußerst wichtig
(Rockwell, 1972).
Dennoch gilt es zu berücksichtigen, dass sich eine Art der Inanspruchnahme von
Aufmerksamkeit auch darin äußern kann, dass sich ein Autofahrer auf einen
bestimmten Sachverhalt konzentrieren kann, während seine Augen auf etwas völlig
anderes ausgerichtet sind (Cohen, 1971). Zum Beispiel kann ein Fahrzeugführer
Tagträumen, Radio hören oder sich mit einem Beifahrer unterhalten und dennoch ein
Fahrzeug lenken.
Festzuhalten ist, dass die Aufmerksamkeitszuwendung auf unterschiedliche Weise
hervorgerufen werden kann. So kann die Intention einer Person für das
Zustandekommen einer Aufmerksamkeitszuwendung verantwortlich sein. In diesem
Fall spricht man von einem willkürlich ausgelösten
Aufmerksamkeitszuwendungsprozess (willkürliche Selektion). Von speziellem
Interesse in dieser Arbeit ist aber vorrangig die Selektion von unvorhersagbaren,
kritischen Ereignissen, denn eine Annahme zu DWA ist, dass im Falle des Auftretens
eines kritischen und plötzlich eintretenden Ereignisses im Zustand von DWA mit
verlangsamten Entdecken des Ereignisses zu rechnen ist (vgl. Kapitel 2.2.). Da das
Auftreten eines solchen Ereignisses unvorhersagbar ist, kann nur eine unwillkürlich
4
Die Filtertheorie von Broadbent (1958) besagt, dass das Wahrnehmungssystem einen selektiven
Filtermechanismus enthält, der die Eingangswahrscheinlichkeit bestimmter Reizinformationen erhöht
und gleichzeitig die Zufuhr anderer Informationen blockiert. Bezogen wird dies auf die eingeschränkte
Bearbeitungskapazität des Systems insgesamt.

26
ausgelöste Selektion erfolgen. Man spricht also von unwillkürlich ausgelöster Selektion,
wenn die betreffenden Prozesse nicht durch vorausgehende Intention der Person,
sondern stattdessen durch Ereignisse in der Umwelt hervorgerufen werden. Ein
einfaches Beispiel im Fahrumfeld ist eine Vollbremsung eines vorausfahrenden
Fahrzeugs, signalisiert durch rot aufleuchtende Bremslichter. Das rote Licht kann somit
eine selektive Aufmerksamkeitszuwendung bei einer Person sogar dann hervorrufen,
wenn sie keineswegs die Absicht hat, auf das Bremslicht des vorausfahrenden
Fahrzeugs zu achten.
Während die Aufmerksamkeit im Fall der unwillkürlich ausgelösten Zuwendung im
bottom-up-Modus verläuft (d.h. von äußeren Ereignissen gleichsam angezogen wird),
wird sie im Fall der willkürlich ausgelösten Zuwendung im top-down-Modus gesteuert.
(d.h. gleichsam Kraft innerer Intentionen auf äußere Ereignisse gelenkt).
Neuere Begriffsdichotomien wie die Unterscheidung zwischen automatischen und
kontrollierten Informationsverarbeitungsprozessen oder die Unterscheidung zwischen
einer exogenen und einer endogenen Steuerung der Aufmerksamkeit (z.B. Schneider
& Shiffrin, 1977; Neumann, 1984; Theeuwes, 1991; Öhmann, 1992) sind mit der hier
vorgeschlagenen Unterscheidung zwischen willkürlich und unwillkürlich gesteuerten
Aufmerksamkeitszuwendungsprozessen zwar verwandt, sollten aber trotzdem von
dieser unterschieden werden, und zwar aus zwei Gründen.
Erstens: Der Begriff der unwillkürlichen Aufmerksamkeit ­ genauer: der unwillkürlich
ausgelösten Aufmerksamkeitszuwendung ­ bezieht sich ausschließlich auf den
Vorgang der Selektion von Information, während der Begriff der automatischen
Kontrolle sich darüber hinaus auch auf den Vorgang der Verarbeitung der Information
bezieht, der sich an die Selektion anschließt.
Zweitens: Das Zustandekommen unwillkürlich ausgelöster Aufmerksamkeits-
zuwendung ist nicht nur an auslösende externe Ereignisse gebunden, sondern auch an
bestimmte interne Voraussetzungen. Die Auslösung dieser Prozesse ist zwar stets
exogen, aber das Zustandekommen von Selektion setzt in jedem Fall eine Interaktion
zwischen exogenen und endogenen Faktoren voraus.
Da für die Untersuchung des Phänomens DWA in dieser Arbeit die unwillkürlich
ausgelösten Aufmerksamkeitsprozesse im Vordergrund stehen, sollen nachfolgend in
einem kurzen Überblick deren Grundlagen und die Bedingungen für deren Entstehen
erläutert werden, da das Wissen darüber auch entscheidend für den gewählten
Versuchsaufbau ist. Im Anschluss wird auf die automatischen und kontrollierten
Informationsverarbeitungsprozesse (Schneider & Shiffrin, 1977), mittels derer
Wertheim (1978) die Befunde seiner Experimente zu DWA erklärte, näher

27
eingegangen, da auch sie für diese Arbeit eine entscheidende Rolle spielen und
dadurch der Vorgang der Verarbeitung der Information durchleuchtet wird.
3.3.1.1.
Spezifische vs. unspezifische Selektion
Im Hinblick auf die Frage, wie externe Ereignisse zur unwillkürlichen Auslösung von
Aufmerksamkeitszuwendungsprozessen führen können, ist es nützlich zwischen
spezifischer und unspezifischer Selektion zu unterscheiden. Der Unterschied zwischen
spezifischer und unspezifischer Selektion besteht darin, dass bei spezifischer Selektion
(willkürlich oder unwillkürlich) Ereignisse zur Selektion gelangen, die bestimmte (z.B.
durch Intention vorgegebene) Merkmale aufweisen. Bei unspezifischer Selektion
gelangen (unwillkürlich) Reize zur Auswahl, die bestimmte (durch Kontext
vorgegebene) Merkmale nicht aufweisen (Prinz, 1983a). Übertragen auf die
Fahraufgabe bedeutet dies, dass im Falle hochgradiger Vorhersagbarkeit der
Fahrsituation die Ereignisse zur Auswahl gelangen, die sich sehr stark von der
Umgebung abheben. Mit anderen Worten werden darunter solche Fälle verstanden, in
denen das Zustandekommen einer Aufmerksamkeitszuwendung nicht vom Auftreten
bestimmter, absolut spezifizierbarer Merkmale abhängt, sondern vom Auftreten solcher
Merkmale, die sich nur relational spezifizieren lassen ­ nämlich durch ihre Abweichung
von anderen für die betreffende Situation charakteristischen Merkmale. Ein einzelner
vertikaler Balken, der in einer Abbildung von vielen horizontalen Balken umgeben ist
(pop-out-Effekt, Treismann, 1982), genauso wie das oben erwähnte rote Bremslicht
eines vorausfahrenden Fahrzeugs auf einer ansonsten nicht befahrenen Landstraße
fallen auf. Die Gemeinsamkeit dieser Reize besteht darin, dass in den genannten
Beispielfällen ein Reiz auftritt der von der gegenwärtigen Situation abweicht. Diese
Abweichung kann sowohl in der Zeit lokalisiert sein, innerhalb einer räumlichen
Struktur, als auch in der Kombination von Zeit und Raum.
Voraussetzung dafür, dass situative Abweichungen Aufmerksamkeitsprozesse
auslösen, ist, dass die situative Abweichung registriert wird, und dazu muss ein
Mindestmaß an Wachsamkeit gewährleistet sein. Die Wachsamkeit wird von einem
Mechanismus reguliert, der mit ARAS (aufsteigendes retikuläres Aktivierungs-System)
bezeichnet wird. Ist die Wachsamkeit gewährleistet kann ein Vergleich zwischen dem
jetzigen und dem vorausgehenden situativen Zustand vorgenommen werden. Diesem
Registrierungsprozess situativer Abweichung liegen unterschiedliche Mechanismen
zugrunde. Zum einen ein Mechanismus, der auf diskrete Veränderungen elementarer
sensorischer Merkmale reagiert und zum anderen ein Mechanismus, der
Abweichungen von einer zuvor bestehenden Ereignisstruktur registriert, also über eine
Repräsentation dieser zuvor bestehenden Ereignisstruktur verfügen muss.

28
Da Wertheim in seinen Experimenten feststellte, dass im Zustand von DWA die
Fähigkeit situative Abweichungen, wie zum Beispiel das genannte rote Bremslicht, eine
Warnlampe im Fahrzeugcockpit oder Bewegungen in der Fahrumgebung zu Erkennen
bzw. zu Entdecken stark beeinträchtigt ist, bedeutet dies, dass genau dieser
Registrierungsprozess im Zustand von DWA beeinträchtigt ist. Diese Erkenntnis bildet
die Grundlage für die Hypothesenbildung darüber, dass im Falle einer stark
vorhersagbaren Fahrumgebung das Entdecken von kritischen Ereignissen bzw.
Warnsignalen geringer ausfällt.
3.3.1.2.
Kontrollierte vs. automatische Informationsverarbeitung
Um während einer hochkomplexen Aufgabe wie der Fahraufgabe, eine Reaktion auf
ein kritisches Ereignis ausüben zu können, ist neben der Selektion, auch eine
Verarbeitung der registrierten Information notwendig. Die Verarbeitung der selektierten
Information durch den Fahrzeugführer ist deshalb notwendig, da die darauf folgende
Reaktion auf der Grundlage bestehenden Wissens und analytischer Prozesse
vorbereitet bzw. geplant wird (vgl. Kapitel 3.2.). So muss der Fahrzeugführer genau
abwägen, ob er im Falle einer Vollbremsung eines vorausfahrenden Fahrzeugs
ebenfalls eine Vollbremsung ausübt oder eventuell ein Ausweichmanöver einleitet, um
einer Kollision vorzubeugen. Aber auch um einen Spurwechsel zu vollziehen und dies
vorher mit einem Blinksignal zu indizieren oder bei veränderter Geschwindigkeit in
einen anderen Gang zu schalten ist eine Verarbeitung der aufgenommenen
Information notwendig.
Diese genannten Beispiele unterscheiden sich bezüglich des Bewusstseinsgrades der
Informationsverarbeitung voneinander. Wie in Kapitel 3.2. bereits erwähnt findet das
Erkennen von Gefahrensituationen auf der Verhaltensebene der Navigation statt und
erfordert daher eine bewusste Verarbeitung der selektierten Informationen. Im
Gegensatz dazu wird das Schalten in einen anderen Gang für einen geübten
Fahrzeugführer auf der fertigkeitsbasierten Ebene vollzogen. Das Schalten basiert auf
gespeicherten bzw. automatisierten Verhaltensmustern und erfordert daher kaum bzw.
keine bewusste Informationsverarbeitung.
Somit gelangen wir zur Eingangs in Kapitel 3.3.1. bereits vorgestellten
Begriffsdichotomie der automatischen vs. der kontrollierten oder gesteuerten
Informationsverarbeitung.
Als automatisierte Handlungen werden diejenigen angesehen, welche über eines oder
mehrere Merkmale aus einem Satz ,,definierender" Merkmale verfügen.
So wurden für Merkmale von automatisierten Tätigkeiten vorgeschlagen, dass sie:

29
1. sich mit umfassender Übung entwickeln
2. mühelos und effizient ausgeführt werden
3. gegenüber Veränderungen resistent sind
4. durch andere Tätigkeiten unbeeinflusst sind
5. mit anderen Tätigkeiten nicht interferieren
6. nicht mit Absicht initiiert werden
7. nicht bewusst gesteuert werden
8. keine mentale Anstrengung benötigen
Diese Aufzählung ist eher beschreibend als definierend und wurde aus einer Vielzahl
von Quellen übernommen, wie z.B. LaBerge (1981), Posner und Snyder (1975),
Schneider und Shiffrin (1977) und James (1890).
Nach heutigem Kenntnisstand ist davon auszugehen, dass die Automatisierung keinen
Alles-oder-nichts-Charakter (Shiffrin & Schneider, 1977) besitzt, sondern vielmehr als
ein Kontinuum angesehen werden muss. Die Vertreter des Kontinuumansatzes gehen
davon aus, dass automatisierte Prozesse durch Übung die typischen Merkmale der
Automatisiertheit annehmen (MacLeod & Dunbar, 1988). Die Übung perzeptiv-
motorischer Aufgaben hat verschieden beobachtbare Auswirkungen. Dazu gehören
eine Zunahme der Genauigkeit und Geschwindigkeit sowie eine zunehmende
Reibungslosigkeit der Ausführung. Die oben gegebene Aufstellung der typischen
Merkmale automatisierter Handlungen beschreibt sehr gut was passiert, wenn der
hochgeübte Autofahrer als Reaktion auf eine veränderte Geschwindigkeit in einen
anderen Gang schaltet. Dieser Autofahrer kann sich vermutlich selbst nach gründlicher
Überlegung nicht erinnern, einen Schaltvorgang begonnen oder ausgeführt zu haben,
obgleich er das durchaus richtig getan hat. Oder der Autofahrer könnte sich mit einem
Beifahrer unterhalten haben, ohne dass das Schalten und die Unterhaltung
interferierten. Gleichzeitig mit dem Schalten sind vermutlich andere perzeptiv-
motorische Tätigkeiten ausgeführt worden, um das Fahrzeug auf seinem
vorgesehenem Weg zu halten. Das Schalten kann somit als automatisiert gelten. Der
Fahranfänger hingegen hätte ganz andere Erfahrungen, die mit der Entscheidung
darüber beginnen, zu welchem Zeitpunkt die Handlung ausgelöst werden soll.
Die Tätigkeit des Autofahrens beinhaltet ganz offensichtlich koordinierte, aber dennoch
trennbare perzeptiv-motorische Fertigkeiten, wobei Fertigkeiten definiert sind als
gelernte motorische Reaktionen auf spezifische perzeptive Inputs, die dem Erreichen
eines bestimmten Ziels dienen. Diese einzelnen Fertigkeiten befinden sich in einer
hierarchischen Ordnung. So können übergeordnete Fertigkeiten in bezug auf ihre
Komponenten beschrieben werden, die selbst die Merkmale einer Fertigkeit aufweisen.

30
Sie unterscheiden sich von der übergeordneten Fertigkeit darin, wie allgemein das Ziel
ist. Den Abstieg in der Hierarchie könnte man daher auch als eine Reduktion der mit
der Tätigkeit verbundenen Freiheitsgrade bezeichnen, was soviel wie eine Reduktion
der Neuheit der Tätigkeit bedeutet. Das Schalten in den ersten Gang beim Autofahren
wird zu einem großen Teil dieselbe Handlung sein, wie das Schalten in den dritten
Gang. Somit ist dieser Teil der Tätigkeit invariant. Diese Überlegung legt nahe, dass
diese Invarianz abnehmen wird, wenn wir höhere Stufen der Hierarchie betrachten und
deshalb die Aufgabe des Automatisierens schwieriger wird (Logan, 1988).
Es ist aber nicht etwa so, dass eine Aufgabe mit einem hohen Allgemeinheitscharakter
nicht automatisiert werden kann. Hochgeübte Autofahrer berichten beispielsweise,
dass sie sich über ganze Abschnitte einer Fahrstrecke hinweg nicht mehr erinnern
können, überhaupt etwas getan zu haben. Das sind Beispiele für das, was Reed
(1972) als ,,Erinnerungslücken" (vgl. Kapitel 2.3.) bezeichnet hat. Sie treten auf, wenn
ein geübter Bediener eines Geräts sich in Stadien mentaler Abwesenheit befindet,
während er auf wechselnde perzeptive Inputs reagiert. Dies setzt voraus dass der
Bediener die statistischen Regelhaftigkeiten des Inputs gelernt hat. Sind diese
vorhersagbaren Regelhaftigkeiten einmal gelernt, können sie eingeübte Reaktionen
aufrufen. Der Bediener wird nur dann in die äußere Realität zurückkehren, wenn ein
unvorhersagbares Ereignis eintritt oder wenn die Aufmerksamkeit auf einen
Wahrnehmungsinhalt gelenkt wird, der hinreichend neu ist, um noch nicht erlernt zu
sein.
Hier spiegelt sich neben dem im Kapitel 3.3.1.1. beschrieben Problem des verringerten
Entdeckens kritischer Ereignisse im Zustand von DWA ein weiteres Problem wider.
Zum einen befindet sich der Fahrer im Zustand automatisierter Fahrtätigkeit und ist
somit sogar in der Lage die Fahraufgabe zunehmend reibungslos auszuführen,
solange eintretende Ereignisse regelbasiert verarbeitet werden können. Andererseits
ist bei unvorhersehbaren Gefahrensituationen ein Wechsel zu kontrollierter (bewusster)
Informationsverarbeitung zwingend notwendig. Dabei ist, den in Kapitel 2.3. gegeben
phänomenologischen Beschreibungen des DWA Zustands folgend davon auszugehen,
dass dieser Wechsel vom einen zum anderen Ende des Kontinuums der
automatischen vs. der kontrollierten Informationsverarbeitung erfolgt. Diese Annahme
bildet die Grundlage für die Hypothesenbildung darüber, dass im Falle einer stark
vorhersagbaren Fahrumgebung die Reaktion auf kritische Ereignisse verlangsamt
ausfällt.
Bei der Untersuchung von automatischer vs. kontrollierter Informationsverarbeitung
wurde eine Vielzahl verschiedener Techniken verwandt mit dem Ziel, Aufgaben zu
finden, die eine oder mehrere der oben aufgeführten typischen Merkmale aufweisen.

31
Die Techniken reichten von Orientierungsreaktionen der Aufmerksamkeit beim
Wahrnehmen bis zu dem Problem, zu versuchen, zwei Aufgaben gleichzeitig
auszuführen. Wie oben erwähnt, kann die Tätigkeit des Schaltens beim geübten
Autofahrer als eine automatische Tätigkeit betrachtet werden, weil sie ohne größere
Aufmerksamkeit (unbewusst) geschehen kann und gleichzeitig andere Tätigkeiten oder
Prozesse stattfinden ­ z.B. mit dem Beifahrer sprechen, einem Musikstück im Radio
zuhören, ein Straßenschild lesen usw. (vgl. Kapitel 3.2.). Die Tätigkeit des Schaltens
beeinträchtigt die anderen Tätigkeiten nicht und kann folglich als eine Tätigkeit gelten,
die stattfindet ohne die Ressourcen für andere Aufgaben zu beschränken.
Dieses Kennzeichen von hochgeübten Fertigkeiten wird auch in dieser Arbeit zur
Untersuchung von DWA, im Sinne automatischer Fertigkeiten, verwendet. Diese
Technik wird als Doppelaufgabenexperiment bezeichnet. Dabei muss eine
Versuchsperson eine hochgeübte Aufgabe ausführen, während sie gleichzeitig eine
Zweitaufgabe ausführt. Bei dem in dieser Arbeit verwendeten
Doppelaufgabenexperiment handelte es sich genauer um die Betrachtung zeitlich
andauernder Aufmerksamkeit, auch Vigilanz genannt. Daher muss im Rahmen der
Betrachtung der Aufmerksamkeit im Kontext des Mensch-Maschine-Systems ,,Fahrer-
Fahrzeug" noch auf den letzten wichtigen Punkt, die Intensität der Aufmerksamkeit,
eingegangen werden.
3.3.2. Intensität der Aufmerksamkeit und Arousal
Das Vigilanzaufgabenproblem stellt sich dabei wie folgt dar: Aufgaben, in denen die
Aufmerksamkeit über lange, ununterbrochene Zeit hinweg auf eine oder mehrere
Informationsquellen gerichtet ist weisen einen baldigen Leistungseinbruch auf, der
allein von der Notwendigkeit herzurühren scheint, ein seltenes visuelles oder
akustisches Signal zu entdecken. Dieser Leistungseinbruch kann mit Hilfe der Maße
der Signalentdeckungstheorie
5
(SDT) nachgewiesen werden und wird schon sehr früh
während einer Sitzung deutlich. Eine Vielzahl von Experimenten deutet darauf hin,
dass dieser Leistungseinbruch eher von zentralen Prozessen (etwa der Motivation oder
der Angeregtheit bzw. dem Arousal) als von Veränderungen peripherer Prozesse (also
einer Habituation der Sinnesorgane) herzurühren scheint (siehe dazu Jerison, 1963;
Warm, 1984a). Da Vigilanz über die Leistung definiert wird, müssen sowohl die
Aufgabe als auch das Leistungsmaß spezifiziert werden. Eine erste, immer noch
5
Die Signalentdeckungstheorie beruht auf einem statistisch-mathematischem Modell. Sie behandelt die
Beziehungen zwischen Reizintensität und Empfindungsstärke sowie den Beziehungen zwischen
Wahrnehmungsurteil und der Reaktionsneigung.
Maße der Signalentdeckungstheorie sind: Sensitivität ( d´) & das Urteilskriterium (ß)

32
zutreffende Spezifikation wurde von McGrath (1963) vorgenommen. Demnach sind die
wichtigsten Kriterien:
1. Die Aufgabe sollte eine Entdeckungsaufgabe beinhalten, d.h. das Wahrnehmen
und Berichten einer Veränderung in der Arbeitsumgebung
2. Die Intensität des Signals sollte nahe der Entdeckbarkeits-Schwelle des
Beobachters sein, aber sollte dennoch klar wahrnehmbar sein, wenn der
Beobachter alarmiert oder auf das Signal hinorientiert ist
3. Signale sollten unregelmäßig und selten auftreten
4. Die Aufgabe sollte zeitlich ausgedehnt und ununterbrochen sein
Ein allgemein bekannter Befund in Studien zur Vigilanz ist, dass sich die Leistungen
von verschiedenen Individuen in der gleichen Aufgabe erheblich unterscheiden (Simon,
1976; Warm et. al, 1988). Eine Theorie der Vigilanz muss daher auch erklären können,
warum unter im wesentlichen identischen Umgebungs- und Aufgabenbedingungen das
Leistungsniveau der einen Versuchsperson dem einer Anderen überlegen ist, und
warum nur die Leistung der einen Versuchsperson sich verschlechtert, nicht aber die
der Anderen. Im Hinblick auf Vigilanzleistungen bleiben nur die individuellen
Verhaltenscharakteristiken und deren Wechselwirkungen mit dem Bereich der
Stimulusfaktoren unkontrolliert, weil innerhalb einer jeweiligen Überwachungssitzung
die externen Stimulusfaktoren weitgehend gleich bleiben. Es gibt in der Literatur einige
interessante Versuche, die Leistung in Selektiven Aufmerksamkeits-Test (SAT) zur
Vorhersage von Leistung zu benutzen. So konnte Kahnemann (1973) in einer Studie
zur Unfallhäufigkeit von Busfahrern eine klare Verbindung zwischen SAT-Werten und
dem Unfallkriterium nachweisen. Avolio et al. (1985) fanden ebenfalls einen
Zusammenhang zwischen zwei Maßen der selektiven Aufmerksamkeit und der
Unfallhäufigkeit von Fahrzeugführern. Die Bedeutung dieser Befunde besteht darin,
dass es tatsächlich große Unterschiede in grundlegenden Aufmerksamkeitsfähigkeiten
gibt, und dass diese manchmal mit bedeutsamen externen Kriterien korrelieren.
Zur Interpretation individueller Unterschiede hat Koelega (1990) ein (physiologisches)
Arousal-Modell vorgeschlagen, wonach langsam habituierende Personen ein tonisches
Arousalniveau aufweisen. Die Arousal Theorie versucht die Vigilanzleistung zu
erklären, indem sie annimmt, dass das Arousal-Niveau des Zentralnervensystems
während einer Vigilanzaufgabe fortschreitend reduziert wird. Dies sei eine Folge der
monotonen Vigilanzsituation, durch die das Gehirn weniger reaktiv und weniger
effizient in der Verarbeitung externer Stimulation werde (Davies and Parasuraman,
1982). Warm (1977) zitiert zahlreiche Studien zur Unterstützung der Annahme, dass

33
Arousal ein Faktor bei der Abnahme der Vigilanzleistung sei. Ferner konstatierten
diese Autoren, dass es sehr wahrscheinlich sei, dass ein höheres Arousal-Niveau das
Leistungsniveau anhebe, während ein niedriges Arousal-Niveau es senke.
3.4. Beanspruchung
und
Belastung
Aus den unterschiedlichen grundlegenden Aufmerksamkeitsfähigkeiten resultiert die
mentale Belastung bzw. Beanspruchung des Fahrers bei der Fahrzeugführung von der
wiederum die Fahrgüte abhängt. Daher ist die Betrachtung dieses Konstruktes
ebenfalls bedeutsam für die Analyse des Fahrerzustandes. Dies gestaltet sich
allerdings als nicht sehr einfach, da mentale Beanspruchung bzw. kognitiver
,,Workload" als ein komplexes, multivariates Konstrukt zu verstehen ist. In der Literatur
gibt es zu diesem Thema keine einheitliche Auffassung, vielmehr hängt es sehr von
der Herangehensweise an diesen Term ab, welche Annahmen man dem Begriff
zugrunde legt. Verwey (1990) begründet das Fehlen eines einheitlichen Konzeptes
damit, dass es weniger ein Themengebiet psychologischer Grundlagenforschung, als
vielmehr Gegenstand der angewandten Wissenschaft ist und sich so der Schwerpunkt
von theoretisch und empirisch fundierter Begründung eher zu den Fragen nach dem
"Wie" und dem "Wann" der Erfassung von kognitivem ,,Workload" hin entwickelt hat.
Tsang & Wilson (1997) gehen von einer begrenzten Verarbeitungskapazität oder
Verarbeitungsressource aus, wobei eine erhöhte Aufgabenschwierigkeit eine Erhöhung
der Beanspruchung dieser mentalen Verarbeitungsressource zur Folge hat.
Gopher & Donchin (1986) hingegen postulieren multiple Verarbeitungsressourcen. So
werden gemäß der Aufgabenstruktur die verschiedenen Ressourcen in
unterschiedlichem Maße beansprucht. Doch nicht nur die vorliegende Komplexität der
Situation oder der Aufgabe bestimmen das Ausmaß der kognitiven Auslastung,
sondern auch die Vorhersagbarkeit der Situation kann für das Individuum ein
entscheidender Faktor für die Höhe des kognitiven ,,Workload" sein (Ekrot &
Fagerström, 2001).
Da in der Messung des ,,Workload" eines Fahrzeugführers die Mittel zur Gewinnung
von Sicherheit im Straßenverkehr liegen (Kantowitz, 1992), sollten jedoch keine Mühen
gescheut werden neue Erkenntnisse zu gewinnen, um so die Sicherheit des Menschen
im Straßenverkehr weiter zu erhöhen. Da Sicherheit nicht direkt gemessen werden
kann, müssen sich Mensch-Maschine Spezialisten auf indirekte Messungen, wie die
Erfassung von ,,Workload" berufen. So ist z.B. in einer Vielzahl von
Blickbewegungsstudien belegt, dass die Dauer von Fixationen mit kognitivem
,,Workload" korreliert. Ergebnis der Studie von Unema & Rötting (1990) ist, dass die
Fixationsdauer mit steigender situativer Komplexität abnimmt, woraus geschlussfolgert

34
wird, dass kurze Fixationszeiten mit einem hohen Grad an Aktivierung (arousal) seitens
des Fahrers, in Verbindung stehen.
Eine Zusammenfassung zu existierenden Untersuchungen zum ,,Workload" von
Fahrzeugführern gibt Smiley (1989).
Dingus und Hulse (1993) gehen davon aus, dass im Falle steigender Komplexität der
Fahraufgabe die Ressourcen des Fahrzeugführenden ab einem bestimmten
Schwierigkeitsgrad überbeansprucht werden und keine Anstrengung seitens des
Fahrers, sei sie auch noch so groß, ihn dazu befähigen kann, seine Performanz
aufrechtzuerhalten. An diesem Punkt kognitiver Überlastung beginnt die Abnahme der
Performanz im Fahrverhalten. Daher ist es äußerst wichtig, die Aufmerksamkeit des
Fahrzeugführenden nur unterhalb der Grenze kognitiver Überlastung zu beanspruchen.
Mit diesem Problem beschäftigen sich unter anderem viele Untersuchungen zu
Fahrassistenzsystemen (vgl. Perel, Brewer, und Allen, 1990; Walker, Alicandri, Sedney
und Roberts, 1991), da der Einsatz von Assistenzsystemen wie z.B.
Navigationssystemen eine Erhöhung der mentalen Belastung bei der Ausführung der
Sekundäraufgabe (vgl. Kapitel 3.2.) zur Folge haben kann. Dies wiederum hat zur
Folge, dass notwendige Ressourcen zum Ausführen der Primäraufgabe in der
Fahrzeugführung nicht zur Verfügung stehen.
Aber auch bei der Gestaltung von Verkehrsschildern wird versucht die
Inanspruchnahme der Aufmerksamkeit des Fahrers zu limitieren. Smiley (1989)
postuliert, dass Schilder außerhalb eines Fahrzeugs nicht mehr als 6 Schlüsselwörter
beinhalten sollten, um eine Erinnerung dieser zu ermöglichen.
Genau so gravierend in den Folgen ist die Abnahme der Performanz im Fahrverhalten
bedingt durch kognitive Unterforderung (vgl. Kapitel 2.3.), die in dieser Arbeit
untersucht wurde.
Alltagsbeobachtungen legen nahe, dass der Fahrer stets versucht, eine individuelle
optimale Beanspruchung aufrecht zu erhalten, indem er bei niedriger Belastung oder
Monotonie beispielsweise das Radio einschaltet, sich mit dem Mitfahrer unterhält oder
die Geschwindigkeit erhöht (Galley, 1989; Majjad, 1997).
Es besteht Einigkeit in der Literatur darüber, dass sich im breiten Bereich mittlerer
Belastung optimale Leistung zeigt (Beier et al., 2001; Johannsen, 1993; Zimmer,
2001). Diese Beanspruchung ergibt sich aus den stabilen und variablen Merkmalen
des Fahrers und der Fahrsituation. Daher besteht bei Über- oder Unterschreitung des
mittleren Beanspruchungsbereiches Unterstützungsbedarf (Beier et al., 2001).

35
4. Modellselektion
Gesucht war ein Modell, dass unter anderem die zur Beschreibung des
Fahrerzustandes und Fahrerbefindens notwendigen Konzepte wie Aufmerksamkeit,
Beanspruchung, Arousal, Monotonie und Ermüdung in sich vereint und es zudem
ermöglicht individuelle Unterschiede in der Vigilanzleistung zu berücksichtigen. Zwar
wurden zuletzt genannte Begriffe bereits operationalisiert (vgl. Schönpflug, 1987;
Hacker & Richter, 1984), jedoch bieten diese Autoren keine geeigneten Modelle an,
wie sie für diese Arbeit notwendig wären.
Die relevanten Modelle lassen sich in zwei Gruppen einteilen, wobei die einen sich mit
den Stufen und die anderen mit den Ressourcen der Informationsverarbeitung
befassen.
4.1. Stufenmodelle
Stufenmodelle berücksichtigen im Besonderen, dass Informationsverarbeitung einem
zeitlichen Faktor unterliegt, wobei dieser bis heute im Sinne früher vs. später Selektion
nicht genau spezifiziert wurde. Die Autoren dieser Modelle gehen davon aus, dass
Information verschiedene Stufen sequentiell passiert. Ein bekanntes Stufenmodell ist
das Modell von Sternberg (1975, siehe Abbildung 2).
Abbildung 2: Stufenmodell nach Sternberg, 1975
Es besagt, dass sich Reaktionszeiten summarisch aus den Bearbeitungszeiten
einzelner, voneinander unabhängiger Informationsverarbeitungsstufen
zusammensetzen. Eine Weiterentwicklung dieser Idee liegt in dem Kaskadenmodell
von McClelland (1979, siehe Abbildung 3) vor.

36
Abbildung 3: Kaskadenmodell nach McClelland, 1979
Dieses Modell ist kein reines Stufenmodell sondern bildet den Anfang neuronaler
Netze. Dadurch erlaubt es parallel laufende Prozesse, deren Behandlung im
Sternberg´schen Modell noch Fragen offen ließ.
Bei der alleinigen Betrachtung beider bisher genannten Modelle im Kontext dieser
Arbeit begegnen wir einem der klassischen Probleme der Psychologie, nämlich dem
fehlenden Versuch, sowohl motivational-emotionalen (Intensitäts-) als auch strukturell-
kognitiven (gerichteten) Aspekten des Verhaltens gerecht zu werden. Der
psychologischen Theorienbildung liegt häufig die allgemeine Hypothese zugrunde,
wonach energetische Zustände und Informationsverarbeitung (Emotion und Kognition,
oder Arousal und Aufmerksamkeit) grundlegend verschiedene Domänen sind und
daher unterschiedliche Behandlung erfordern. Dies wird von Sanders (1986) als
,,Hypothese der Aspezifizität" bezeichnet. Die Erforschung der einen Domäne hat
Fortschritte in der Erforschung der anderen größtenteils ignoriert, was auf die
Dominanz der Computer-Metapher in der kognitiven Psychologie und deren
Inkompatibilität mit der Energie-Metapher zurückgeführt werden kann. Die Lösung des
Problems lässt sich mit einer der Hauptaussagen des Buches
Attention and Arousal
von Eysenck (1982) finden: Demnach werden Informationsverarbeitung und Kognition
durch den gegenwärtigen Erregungszustand grundlegend beeinflusst; diese Einflüsse
sind wechselseitig, und ein Versuch der Entkopplung der Kognition (oder
Aufmerksamkeit) von anderen Systemen (z.B. Arousal) führt daher zu einer
unvollständigen Betrachtung des untersuchten Phänomens. In gleicher Weise betont
das Buch
Energetics und Human Information Processing
, das von Hockey, Gaillard

37
und Coles (1986) herausgegeben wurde, die Bedeutung motivationaler (energetischer)
Faktoren für die Regulation der Informationsverarbeitung.
Wie in Kapitel 3.3.2. bereits erläutert wurde ist die Berücksichtigung der energetischen
Faktoren entscheidend für eine präzise Beurteilung des Fahrerzustandes, was eine
Modifikation der genannten Stufenmodelle erforderlich macht (Galley, 1989; Boldt,
1994; Churan, 1997).
4.2. Ressourcenmodelle
Im Sinne dieser Arbeit bieten Ressourcenmodelle gegenüber Stufenmodellen einige
Vorteile. So sind mit der Annahme von Ressourcen und einem Arousal System
sinnvolle Vorhersagen bezüglich der Reaktionen auf Warnsignale bzw. kritische
Ereignisse, die sich in beobachtbaren Veränderungen in den okulomotorischen
Parametern widerspiegeln, möglich. Ein sehr häufig angewandtes Ressourcenmodell
ist das von Kahnemann (1973), was von einer beschränkten
Gesamtverarbeitungskapazität ausgeht (siehe Abbildung 4).
Abbildung 4: Ressourcenmodell nach Kahnemann, 1973
Der Theorie zufolge stellt es ein Problem dar, mehrere Informationen gleichzeitig
wahrzunehmen oder zu verarbeiten. Die Bearbeitungsqualität einer Aufgabe hängt
somit unter anderem davon ab, wie viel Ressourcen dieser Aufgabe zugeteilt werden.
Wenn nun allerdings zwei Aufgaben um diese Ressourcen kämpfen und nicht
genügend Kapazität vorhanden ist, muss ein Kompromiss gefunden werden. Dieser

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Erscheinungsjahr
2006
ISBN (eBook)
9783956361449
ISBN (Paperback)
9783836600842
Dateigröße
4.9 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Technische Universität Berlin – Fakultät für Verkehrs- und Maschinensysteme, Psychologie und Arbeitswissenschaft
Erscheinungsdatum
2007 (Januar)
Note
1,0
Schlagworte
autofahren sekundenschlaf arbeitspsychologie psychologie
Produktsicherheit
Diplom.de
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