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Gesundheitsförderung durch sportliche Aktivität

Eine Analyse der Potenziale und Perspektiven des Gesundheitssports

©2003 Masterarbeit 128 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Bewegungsmangel stellt nachweislich einen der Hauptrisikofaktoren für die Entstehung verschiedener Krankheitsbilder dar. Um die Bedeutung von mangelnder Bewegung hervorzuheben, bedarf es der differenzierten Betrachtung von sozialen und gesellschaftlichen Entwicklungen innerhalb der letzten Jahrzehnte. Zu den Merkmalen des alltäglichen Lebens in den westlichen Industrienationen gehören ein Defizit an körperlicher Belastung und ein Übermaß an psychischer Beanspruchung.
Trotz der beträchtlichen gesellschaftlichen Verbreitung von Bewegungsmangel kommen zahlreiche wissenschaftliche Studien zu dem Ergebnis, dass Sport und Bewegung bisher nicht entscheidend in Strategien der Gesundheitsförderung berücksichtigt worden sind. Ziele dieser Arbeit sind es, die gesundheitsfördernden Wirkungen sportlicher Aktivität zu untersuchen, die Gründe und Auswirkungen der bisher nur marginalen Beziehung zwischen Sport und Public Health-Initiativen zu analysieren und darauf aufbauend effektive Handlungsstrategien zu entwickeln, die eine beidseitige Kopplung begünstigen.
Hieraus ergeben sich sechs weiterführende Fragestellungen, die innerhalb dieser Arbeit umfassend bearbeitet werden sollen:
Welchen Einfluss übt sportliche Aktivität in verschiedenen Dimensionen der Gesundheit aus?
Inwieweit hat sich die Sportwissenschaft bisher mit dem Thema Gesundheitssport auseinandergesetzt?
Wie ist die bisherige historische Entwicklung zwischen Public Health und Sport zu beurteilen?
Welche Hintergründe sind für die bisher weitgehende Beziehungslosigkeit zwischen Public Health und Sport verantwortlich?
Welche gesundheitspolitischen Auswirkungen bringt diese Beziehungslosigkeit mit sich?
Welche Strategien sind geeignet, die Integration von Sport und Bewegung in Public Health-Strategien zu fördern?
Im Mittelpunkt der Arbeit steht somit die Frage nach den Potenzialen und Perspektiven sportlicher Aktivität für die Gesundheitsförderung. Insbesondere ist von Bedeutung, inwieweit sich sportliche Aktivität in Public Health-Strategien integrieren lässt und ob durch diese mögliche Integration eine Verbesserung der Effektivität und Effizienz der Strategien erzielt werden kann.


Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
AbbildungsverzeichnisIV
TabellenverzeichnisIV
AbkürzungsverzeichnisV
1.Fragestellung und Aufbau der Arbeit1
2.Theoretische Grundlagen der Gesundheitsförderung6
2.1Definitionen6
2.2Abgrenzung zwischen Krankheitsprävention und […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Thomas Rieger
Gesundheitsförderung durch sportliche Aktivität
Eine Analyse der Potenziale und Perspektiven des Gesundheitssports
ISBN: 978-3-8366-0074-3
Druck Diplomica® GmbH, Hamburg, 2007
Zugl. Universität Bielefeld, Bielefeld, Deutschland, MA-Thesis / Master, 2003
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© Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2007
Printed in Germany

I
Inhalt
Abbildungsverzeichnis
IV
Tabellenverzeichnis
IV
Abkürzungsverzeichnis
V
1
Fragestellung und Aufbau der Arbeit
1
2
Theoretische Grundlagen der Gesundheitsförderung
6
2.1
Definitionen
6
2.2
Abgrenzung zwischen Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung
7
2.3
Ziele der Gesundheitsförderung
9
2.4
Ansätze der Gesundheitsförderung
11
2.4.1
Verhaltenstheoretische Ansätze
11
2.4.2
Ökologische Ansätze
12
2.5
Konzepte der Gesundheitsförderung
13
2.5.1
Konzept zur Beeinflussung von Risikofaktoren (Risikofaktorenmodell)
13
2.5.2
Konzept zur Stärkung der Gesundheitsressourcen (Salutogenesemodell) 14
2.5.3
Konzept zur Bewältigung von Beschwerden und Missbefinden
(Bewältigungsmodell)
16
2.5.4
Konzept der Weltgesundheitsorganisation (WHO)
17
3
Dimensionen der Gesundheit und der Einfluss sportlicher Aktivität 20
3.1
Bewegungsmangel als gesundheitlicher Risikofaktor
20
3.2
Physische Gesundheit
22
3.2.1
Kardiovaskuläre Auswirkungen
22
3.2.2
Orthopädische Auswirkungen
24
3.2.3
Metabolische und hämodynamische Auswirkungen
25
3.2.4
Endokrinologische Auswirkungen
27
3.2.5
Immunologische Auswirkungen
29
3.3
Psychische Gesundheit
32
3.3.1
Aktuelles psychisches Befinden
32
3.3.2
Habituelles psychisches Befinden
34
3.3.3
Wirkmechanismen sportlicher Aktivität am Beispiel des Krankheitsbilds
der Depression
36
3.4
Sportliche Aktivität als soziale Gesundheitsressource
38

II
4
Die Konzeption des Gesundheitssports aus Sicht der
Sportwissenschaft
40
4.1
Begriffliche Klärung
40
4.2
Merkmale des Gesundheitssports
41
4.2.1
Aufgaben und Ziele
41
4.2.2
Inhalte
42
4.2.3
Gestaltungsgrundsätze
43
4.3
Qualitäten im Gesundheitssport
44
4.3.1
Grundlagen
45
4.3.2
Stärkung von physischen Gesundheitsressourcen
46
4.3.3
Stärkung psychosozialer Gesundheitsressourcen
47
4.3.4
Bindung an gesundheitssportliche Aktivität
48
4.3.5
Institutionalisierung von gesundheitswirksamen sportlichen Aktivitäten
49
5
Sportliche Aktivität aus der Public Health-Perspektive
51
5.1
Sport und öffentliche Gesundheit
51
5.1.1
Historische Entwicklung
51
5.1.2
Old (Medizinische) Public Health versus New Public Health
53
5.1.3
Sport und gesundheitsrelevante Lebensstile in der Gesellschaft
55
5.2
Merkmale einer bestehenden Indifferenz
57
5.3
Konstituierende Komponenten dieser Indifferenz
59
5.3.1
Der Einfluss des Medizinsystems im Gesundheitssystem
59
5.3.2
Die Existenz konkurrierender Interventionen in der Gesundheitsförderung 63
5.3.3
Relevante Risikopotenziale des Sports
65
5.3.4
Die Bedeutung der Medien
66
5.4
Auswirkungen dieser Indifferenz
68
6
Potenziale kooperativer Strategien der Bewegungsförderung in Public
Health
70
6.1
Integration verhaltensorientierter Interventionsformen des Sports
70
6.1.1
Gesundheitserziehung
71
6.1.2
Gesundheitsaufklärung
72
6.1.3
Gesundheitsbildung
73
6.2
Integration verhältnisorientierter Interventionsformen des Sports
74
6.2.1
Gesundheitsfördernde Politik
74
6.2.2
Gesundheitsfördernde Organisationsentwicklung
75
6.2.3
Gesundheitsselbsthilfe
78
6.3
Gesundheitsfördernde Ausrichtung und Entwicklung von
sportlicher Aktivität
79

III
6.3.1
Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung im Gesundheitssport
80
6.3.2
Evaluation von Gesundheitssportprogrammen
86
6.3.3
Gesundheitswissenschaftliche Beratung von Organisationen in
Initiativen des Gesundheitssports
89
6.3.4
Kopplung an Netzwerke der Gesundheitsförderung
91
6.4
Bewegungsorientierte Gesundheitsberichterstattung
92
7
Perspektiven der Gesundheitsförderung durch Präventivsport
98
7.1
Gesundheitspolitische Handlungsempfehlungen
98
7.2
Ausblick für die Praxis einer bewegungsorientierten
Gesundheitsförderung
101
7.3
Vorschläge für die zukünftige wissenschaftliche Forschung
104
7.4
Zusammenfassende Betrachtung
106
8
Literaturverzeichnis
111

IV
Abbildungsverzeichnis
Abb. 2-1:
Zielsetzung von Gesundheitsförderung und Prävention
(nach B
ECKER
, 1997, S. 519)
9
Abb. 2-2:
Gliederung der Risikofaktoren (nach G
ERBER
&
S
TÜNZNER
, 1999, S. 21)
13
Abb. 2-3:
Das salutogenetische Modell (nach H
URRELMANN
, 2000,
S. 58 zitiert nach A
NTONOVSKY
, 1979, S. 185)
15
Abb. 3-1:
Anpassungsvorgänge des Herz- Kreislaufsystems bei regelmäßiger
körperlicher Aktivität
23
Abb. 3-2:
Meldemechanismen des Gehirns zum Erhalt der bewegungsabhängigen
Fitness (nach U
HLENBRUCK
, 1996, S. 202)
28
Abb. 4-1:
Inhalte des Präventiv- und Gesundheitssports
42
Abb. 5-1:
Potenziale von Gesundheitsförderung durch Sport in Public Health
(nach R
ÜTTEN
, 1998a, S. 8)
54
Abb. 6-1:
Phasen gesundheitsfördernder Interventionen und Ansätze für ein
Qualitätsmanagement im Gesundheitssport (nach W
ALTER ET AL
.,
2001, S. 26)
82
Abb. 6-2:
Modell eines Zyklus der Gesundheitsplanung (nach
B
REUER
, 1999, S. 146)
95
Tabellenverzeichnis
Tab. 2-1:
Präventive Interventionsstufen (nach B
ECKER
, 1997, S. 518)
8
Tab. 4-1:
Konzept der Qualitäten im Gesundheitssport (nach
B
REHM
, 1998b, S. 183)
45
Tab. 6-1:
Aufgaben der Gesundheitsberichterstattung (nach B
RAND
, 1999, S. 94)
93

V
Abkürzungsverzeichnis
BMI
Body Mass Index
BZgA
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
DSB
Deutscher Sportbund
DSM
Diagnostical and Statistical Manual of Mental Disorders
DSSV
Deutscher Sportstudio Verband
DTB
Deutscher Turner Bund
DVGS
Deutscher Verband für Gesundheitssport und Sporttherapie
EKG
Elektro-Kardiographie
HDL
High Density Lipoprotein
HEPA
Health Enhancing Physical Activity
IOC
International Olympic Commitee
LDL
Low Density Lipoprotein
MAACL
Multiple Affect Adjective Check List
POMS
Profil of Mood State
UN
United Nations
WHO
World Health Organization

Fragestellung und Aufbau der Arbeit
1
1 Fragestellung und Aufbau der Arbeit
Durch den Einfluss zahlreicher Ursachen haben sich die Hauptkrankheitsbilder der
Bevölkerung in den Industriestaaten seit Anfang des 20. Jahrhunderts und hauptsäch-
lich in den letzten Jahrzehnten von akuten zu prozesshaften Leiden gewandelt. Waren
es Ende des 19. Jahrhunderts vorwiegend die Infektionskrankheiten, so stellen heute
ohne Zweifel die Zivilisationskrankheiten aus individueller und volkswirtschaftlicher
Sicht die größten Herausforderungen dar. Vor allem der jahrelangen epidemiologi-
schen Forschungsarbeit ist es zu verdanken, dass nicht nur die Hauptursachen und
Risikofaktoren dieser Zivilisationserkrankungen erkannt wurden, sondern auch die er-
forderlichen Strategien und Schutzfaktoren, um diesen vorzubeugen. Speziell in den
Gesundheitswissenschaften gewinnt diese Sichtweise einer Gesundheitsförderung,
gegenüber der Krankheitsprävention, ein immer größeres Maß an Bedeutung. Die I-
dentifizierung und Professionalisierung gesundheitsfördernder Interventionen stehen
hierbei im Vordergrund.
Bewegungsmangel stellt nachweislich einen der Hauptrisikofaktoren für die Entstehung
verschiedener Krankheitsbilder dar. Um die Bedeutung von mangelnder Bewegung
hervorzuheben, bedarf es der differenzierten Betrachtung von sozialen und gesell-
schaftlichen Entwicklungen innerhalb der letzten Jahrzehnte. Zu den Merkmalen des
alltäglichen Lebens in den westlichen Industrienationen gehören ein Defizit an körperli-
cher Belastung und ein Übermaß an psychischer Beanspruchung, dies wurde in erster
Linie durch die gesellschaftlichen Veränderungen begünstigt. Die zunehmende Techni-
sierung und Automatisierung im Alltag, beispielsweise durch die Nutzung technischer
Hilfen (Automobil, Fahrstuhl, Rolltreppe etc.) führt dazu, dass etwa 50 % der Männer
und 20 % der Frauen ihre berufliche Tätigkeit im Sitzen ausüben (B
ÖS
& W
OLL
, 1994).
Darüber hinaus kommt es vielfach aufgrund der erhöhten Umweltstimulation im Alltag
zu Mehrfachanforderungen unter Zeitdruck, die häufig ein Mindestmaß überschreiten
(A
BELE ET AL
., 1997). Eine derartige Doppelbelastung ­ ein zu geringes Maß an körper-
licher Belastung auf der einen und ein übersteigertes Aufkommen an mentaler Belas-
tung auf der anderen Seite ­ führt in der Folge zu Bewegungsmangel und Stresserle-
ben,
zwei
wesentlichen
Risikofaktoren
zur
Begünstigung
von
Herz-
Kreislauferkrankungen, Krankheitsbildern des aktiven und passiven Bewegungsappa-
rats sowie psychosomatischen Erkrankungen.
Trotz der beträchtlichen gesellschaftlichen Verbreitung von Bewegungsmangel kom-
men zahlreiche wissenschaftliche Studien, wie z.B. B
REUER
(1999), R
ÜTTEN
(1998a)
und S
CHULKE
(1998, 1999), zu dem Ergebnis, dass Sport und Bewegung bisher nicht
entscheidend in Strategien der Gesundheitsförderung berücksichtigt worden sind. Ziele

Fragestellung und Aufbau der Arbeit
2
dieser Arbeit sind es, die gesundheitsfördernden Wirkungen sportlicher Aktivität zu
untersuchen, die Gründe und Auswirkungen der bisher nur marginalen Beziehung zwi-
schen Sport und Public Health-Initiativen zu analysieren und darauf aufbauend effekti-
ve Handlungsstrategien zu entwickeln, die eine beidseitige Kopplung begünstigen.
Hieraus ergeben sich sechs zentrale Fragestellungen, die innerhalb dieser Arbeit um-
fassend bearbeitet werden sollen:
1. Welchen Einfluss übt sportliche Aktivität in verschiedenen Dimensionen der Ge-
sundheit aus?
2. Inwieweit hat sich die Sportwissenschaft bisher mit dem Thema Gesundheitssport
auseinandergesetzt?
3. Wie ist die bisherige historische Entwicklung zwischen Public Health und Sport zu
beurteilen?
4. Welche Hintergründe sind für die bisher weitgehende Beziehungslosigkeit zwi-
schen Public Health und Sport verantwortlich?
5. Welche gesundheitspolitischen Auswirkungen bringt diese Beziehungslosigkeit mit
sich?
6. Welche Strategien sind geeignet, die Integration von Sport und Bewegung in Public
Health-Strategien zu fördern?
Im Mittelpunkt der Arbeit steht somit die Frage nach den Potenzialen und Perspektiven
sportlicher Aktivität für die Gesundheitsförderung. Insbesondere ist von Bedeutung,
inwieweit sich sportliche Aktivität in Public Health-Strategien integrieren lässt und ob
durch diese mögliche Integration eine Verbesserung der Effektivität und Effizienz der
Strategien erzielt werden kann.
Der Public Health-Bezug, der in dieser Arbeit zu untersuchenden Fragestellungen,
lässt sich anhand der Definition von Public Health eindeutig nachvollziehen. So defi-
niert H
URRELMANN
(1998, S. 4) Public Health ,,als die Wissenschaft und die Kunst der
Verhütung von Krankheiten, der Lebensverlängerung und der Förderung seelischer
und körperlicher Gesundheit durch gemeinsame gesellschaftliche Anstrengungen".
Eine vergleichbare Beschreibung der Aufgaben von Public Health liefert B
ADURA
(1994). Demzufolge bemüht sich Public Health um ,,eine wissenschaftliche und prakti-
sche Bewältigung von Problemen, die den Gesundheitszustand ganzer Populationen
betreffen: insbesondere Entstehung und Verbreitung von Massenkrankheiten; Ge-
sundheitsförderung und Prävention; Planung, Organisation und Lenkung von Gesund-
heitseinrichtungen; Politik und Ökonomie des Gesundheitswesens" (B
ADURA
, 1994, S.
55). Im Zuge der zunehmenden gesellschaftlichen Bedeutung des Risikofaktors Bewe-

Fragestellung und Aufbau der Arbeit
3
gungsmangel und dessen Folgeerkrankungen scheint demnach eine Integration bewe-
gungsfördernder Interventionen im Rahmen von Public Health-Strategien als zwingend
erforderlich. Die Bekämpfung des Bewegungsmangels und seiner Auswirkungen wird
die verantwortlichen Public Health-Akteure vor eine wichtige zukünftige Herausforde-
rung stellen. So bestätigt beispielsweise M
ECHELEN
(1997), dass die Public Health-
Bedeutung des Bewegungsmangels mindestens von demselben Ausmaß ist, wie die-
jenige des Rauchens und dreimal so hoch, wie diejenige des Übergewichts. Zu ähnli-
chen Aussagen kommen insbesondere B
REUER
(1999), R
ÜTTEN
(1998a) sowie S
CHUL-
KE
(1998).
Dennoch ist eine umfassende Berücksichtigung von Sport und Bewegung nicht vollzo-
gen worden. Diese Situation deutet auf ein systemtheoretisches und kommunikatives
Problem zwischen Sport- und Gesundheitssystem hin, dessen Überwindung ­ mittels
der Beachtung von Strukturen und Prozessen des jeweiligen Fremdsystems ­ als zent-
rale zukünftige Aufgabe anzusehen ist.
Lediglich in den Bereichen Tertiärprävention und Rehabilitation haben Sport und Be-
wegung bisher entsprechende Aufgaben übernommen. Eine annähernd vergleichbare
Bedeutung für die Gesundheitsförderung oder Primärprävention ist jedoch nicht zu
erkennen. Eher ist das Gegenteil der Fall, denn durch die Modifikation des § 20 SGB V
im Jahre 1996 wurden die gesetzlichen Möglichkeiten der Gesundheitsförderung und
hier in erster Linie die Gesundheitsförderung durch sportliche Aktivität erheblich einge-
schränkt.
Die Arbeit beinhaltet fünf zentrale Kapitel, denen eine Einleitung in die theoretischen
Grundlagen der Gesundheitsförderung vorausgeht (Kap. 2). Durch den theoretischen
Teil wird insbesondere eine einfachere Lesbarkeit der nachfolgenden Abschnitte beab-
sichtigt, um nicht fortlaufend neue Theoriebegriffe einführen zu müssen.
Der theoretische Teil zur Gesundheitsförderung umfasst die Betrachtung verschiede-
ner Begriffe, Konzepte und Ansätze aus den Gesundheitswissenschaften. Hierdurch
wird die Absicht verfolgt, die Bedeutung von Bewegungsmangel als Risikofaktor und
sportlicher Aktivität als Schutzfaktor in grundlegenden Konzeptionen der Gesundheits-
förderung darzustellen. Die Ziele der Gesundheitsförderung, das Risikofaktorenmodell,
das Salutogenesemodell sowie die Konzeption der Weltgesundheitsorganisation
(WHO) stehen dabei im Vordergrund.
Nach der Einführung in die theoretischen Grundlagen der Gesundheitsförderung folgt
der eigentliche zentrale Teil dieser Arbeit. So ist es im ersten Schritt erforderlich zu
untersuchen, inwiefern sportliche Aktivität Einfluss in verschiedenen Dimensionen der
Gesundheit ausübt (Kap. 3). Es wird zwischen vier unterschiedlichen Bereichen diffe-

Fragestellung und Aufbau der Arbeit
4
renziert: dem Bewegungsmangel als gesundheitlichen Risikofaktor (Kap. 3.1), der phy-
sischen Gesundheit (Kap. 3.2), der psychischen Gesundheit (Kap. 3.3) sowie der
sportlichen Aktivität als soziale Gesundheitsressource (Kap. 3.4).
Im zweiten Schritt wird herausgearbeitet, wie sich die Sportwissenschaft bisher dem
Thema ,,Sport und Gesundheit" genähert hat (Kap. 4). Mit Hilfe einer begrifflichen Klä-
rung (Kap. 4.1) und der Darstellung von Merkmalen des Gesundheitssports (Kap. 4.2)
kann eine klare Differenzierung zu anderen Bereichen des Sports vorgenommen wer-
den. Die Merkmale werden insbesondere nach Aufgaben und Zielen (Kap. 4.2.1), In-
halten (Kap. 4.2.2) und Gestaltungsgrundsätzen (Kap. 4.2.3) unterschieden. Um das
derzeitige gesundheitsorientierte Engagement der Sportwissenschaft zu unterstrei-
chen, bekommt der Leser darüber hinaus einen Einblick in die bisherige Qualitätsfor-
schung im Gesundheitssport (Kap. 4.3).
Das Kapitel 5 beschäftigt sich eingehend mit der Beziehungsrealität zwischen Sport
und öffentlicher Gesundheit (Kap. 5.1), wobei die historische Entwicklung der Bezie-
hung (Kap. 5.1.1), die Entwicklung des New Public Health-Ansatzes (Kap. 5.1.2) sowie
die Bedeutung von Sport in gesundheitsrelevanten Lebensstilen (Kap. 5.1.3) eine zent-
rale Rolle spielen. Anschließend wird herausgestellt, welche Merkmale für die beste-
hende Indifferenz von Public Health gegenüber dem Gesundheitssport kennzeichnend
sind (Kap. 5.2) und welche Gründe diesem Desinteresse zugrunde liegen (Kap. 5.3).
Denn ausschließlich durch Kenntnis der zentralen Gründe lassen sich grundlegende
Strategien entwickeln, die eine systematische Kopplung beider Seiten ermöglichen.
Daher werden in Kapitel 5.3 die wesentlichen Ursachen der weitgehenden Beziehungs-
losigkeit zwischen Public Health und Gesundheitssport dargestellt. Als zentral anzuse-
hen sind
·
der Einfluss des Medizinsystems im Gesundheitssystem (Kap. 5.3.1),
·
die Existenz konkurrierender Interventionen in der Gesundheitsförderung (Kap.
5.3.2),
·
die relevanten Risikopotenziale des Sports (Kap. 5.3.3) sowie
·
die Bedeutung der Medien (Kap. 5.3.4).
Nachfolgend werden in Kapitel 5.4 die gesellschafts- und gesundheitspolitischen Aus-
wirkungen der Beziehungslosigkeit eruiert.
Auf Grundlage der bisher ermittelten Ergebnisse werden anschließend mögliche ko-
operative Strategien zur Überwindung der Indifferenz des Gesundheitssystems gegen-
über sportlicher Aktivität analysiert. Im Einzelnen werden dabei folgende Fragen bear-
beitet:

Fragestellung und Aufbau der Arbeit
5
·
Welche Möglichkeiten besitzen verhaltensorientierte Interventionsformen des
Sports (Gesundheitserziehung, Gesundheitsaufklärung, Gesundheitsbildung) (Kap.
6.1) und
·
wie sind die Potenziale verhältnisorientierter Interventionsformen des Sports (ge-
sundheitsfördernde Politik, gesundheitsfördernde Organisationsentwicklung, Ge-
sundheitsselbsthilfe) zu beurteilen (Kap. 6.2)?
Die Verbesserung der Integrationschancen von Sport und Bewegung in Public Health-
Strategien erfordert die Orientierung an bestehenden gesundheitswissenschaftlichen
Erkenntnissen. Kapitel 6.3 beschäftigt sich aufgrund dessen eingehend mit der ge-
sundheitswissenschaftlichen Ausrichtung und Entwicklung des Gesundheitssports. Zu
nennen sind
·
die Weiterentwicklung eines Qualitätsmanagements und einer Qualitätssicherung
im Gesundheitssport (Kap. 6.3.1),
·
die Evaluation von Gesundheitssportprogrammen (Kap. 6.3.2),
·
die Beratung von Organisationen in Initiativen des Gesundheitssports (Kap. 6.3.3)
sowie
·
die Kopplung an Netzwerke der Gesundheitsförderung (Kap. 6.3.4).
Eine Beurteilung der Potenziale und Perspektiven einer bewegungsorientierten Ge-
sundheitsberichterstattung (Kap. 6.4) bildet den Abschluss von Kapitel 6.
In einem abschließenden Schritt (Kap. 7) werden dann auf Basis der gewonnenen Er-
kenntnisse die Perspektiven der Gesundheitsförderung durch sportliche Aktivität, aus
Sicht des Verfassers, analysiert. Die bisher diskutierten Ergebnisse werden dabei in
konkrete gesundheitspolitische Handlungsempfehlungen (Kap. 7.1), in Beurteilungen
zur Aussicht der Praxis einer bewegungsorientierten Gesundheitsförderung (Kap. 7.2)
sowie in Vorschläge für die zukünftige wissenschaftliche Forschung (Kap. 7.3) umge-
wandelt. Eine zusammenfassende Betrachtung (Kap. 7.4) schließt die Arbeit ab.

Theoretische Grundlagen der Gesundheitsförderung
6
2 Theoretische Grundlagen der Gesundheitsförderung
Zur Untersuchung der Bedeutung sportlicher Aktivität für die Gesundheitsförderung
werden im ersten Schritt relevante Begrifflichkeiten, Ansätze und Konzepte vorgestellt,
die einen grundlegenden Einstieg in die vorgegebene Fragestellung ermöglichen.
2.1
Definitionen
Die Konzepte Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung werden in nationalen,
aber auch in internationalen Abhandlungen häufig synonym verwendet. Generell be-
trachtet stellen beide Begriffe Interventionen dar, die in helfender, unterstützender,
steuernder, kontrollierbarer und korrigierender Absicht Störungen der Gesundheit vor-
beugen, oder bei bereits bestehenden Beeinträchtigungen deren Dynamik begrenzen
und reduzieren (H
URRELMANN
, 2000).
Die nachfolgenden Definitionen der Begriffe verdeutlichen die unterschiedlichen An-
satzpunkte beider Interventionen:
,,Prävention bezeichnet alle Interventionshandlungen, die sich auf Risiko-
gruppen mit klar erwartbaren, erkennbaren oder bereits im Ansatz einge-
tretenen Anzeichen von Störungen und Krankheiten richten. Die Interven-
tionshandlungen lassen sich je nach Zeitpunkt des Eingriffs in einer Ab-
folge von Entwicklungsstufen der Störung in primäre, sekundäre und ter-
tiäre Prävention unterscheiden"
(L
AASER
&
H
URRELMANN
,
1998
,
S
.
395).
,,Gesundheitsförderung bezeichnet alle vorbeugenden Aktivitäten und
Maßnahmen, die die gesundheitsrelevanten Lebensbedingungen und
Lebensweisen von Menschen zu beeinflussen suchen. Dabei sind sowohl
medizinische als auch hygienische, psychische, psychiatrische, kulturelle,
soziale, ökonomische und ökologische Ansätze angesprochen"
(L
AASER
&
H
URRELMANN
,
1998
,
S
.
395).
Die Weltgesundheitsorganisation konzentriert sich in ihrer Definition stärker auf das
Individuum sowie dessen Kompetenz und Eigenverantwortung.
,,Gesundheitsförderung zielt auf einen Prozess, allen Menschen ein höhe-
res Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und
sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen" (W
ORLD
H
EALTH
O
RGANIZATION
(WHO), 1986, S. 1).

Theoretische Grundlagen der Gesundheitsförderung
7
Der Präventions- sowie der Gesundheitsförderungsansatz versuchen durch jeweils
geeignete Interventionsstrategien die Gesundheit positiv zu beeinflussen.
Inwieweit sich beide Interventionsformen voneinander unterscheiden, wird im nachfol-
genden Kapitel untersucht.
2.2
Abgrenzung zwischen Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung
Basierend auf den zitierten Definitionen aus dem vorherigen Kapitel lässt sich eine
relativ eindeutige Abgrenzung beider Konzepte vollziehen. Aus interventionstheoreti-
scher Sicht hat sich eine Differenzierung der Maßnahmen nach Zeitpunkt, Zielgruppe
und Zielsetzung herauskristallisiert (L
AASER
&
H
URRELMANN
, 1998).
Nach L
AASER
&
H
URRELMANN
(1998) lassen sich vier Interventionsstufen unterschei-
den:
(a) Primordiale Prävention
Eingriffshandlungen beziehen sich zu diesem Zeitpunkt auf die Gesamtbevölkerung
ohne die Existenz von Risikofaktoren.
(b) Primärprävention
Eingriffshandlungen konzentrieren sich zu diesem Zeitpunkt auf die Vorbeugung
und Früherkennung von Risikofaktoren.
(c) Sekundärprävention
Eingriffshandlungen richten sich zu diesem Zeitpunkt auf die Erkennung und Be-
handlung von Personen in Krankheitsfrühstadien.
(d) Tertiärprävention
Eingriffshandlungen sollen zu diesem Zeitpunkt eine Verschlechterung von krank-
heits- oder verletzungsbedingten Dauerschäden verhindern. Die Funktionsfähig-
keit und Lebensqualität soll wiederhergestellt werden.
Tab. 2-1 fasst die zuvor dargestellten Interventionsstufen zusammen und gibt einen
Gesamtüberblick. Es wird zwischen dem augenblicklichen Gesundheitszustand, den zu
verhütenden Ereignissen, den Zielgruppen sowie der relevanten Präventionsform un-
terschieden.

Theoretische Grundlagen der Gesundheitsförderung
8
Augenblicklicher
Gesundheitszustand
Verhütet werden soll (en)
Zielgruppen
Präventionsform
Gesundheit
(keine Risikofaktoren)
Risikofaktoren
Gesamtbevölkerung
Primordial bzw.
Gesundheits-
förderung
Gesundheit
(Vorliegen von Risiko-
faktoren)
Akute Erkrankung
Risikogruppen
Primärprävention
Akute Erkrankung
(Frühstadium)
Schwere/chronische
Erkrankung
Patienten
Sekundärprävention
Schwere/chronische
Erkrankung
Vermeidbare
Folgeschäden
Rehabilitanden
Tertiärprävention
Tab. 2-1: Präventive Interventionsstufen (nach B
ECKER
, 1997, S. 518)
Die vier Interventionsstufen erheben den Anspruch, möglichst frühzeitig präventiv und
prophylaktisch in einen entstehenden Störungsprozess einzugreifen. Dabei wird von
der Grundidee ausgegangen, dass eine früh einsetzende Intervention den Ablauf einer
gesundheitlichen Störung effektiver beeinflussen kann.
Tab. 1 ordnet den Begriff Gesundheitsförderung in die Stufe der primordialen Präventi-
on ein. Somit wird Prävention auch als Oberbegriff verwendet, der Gesundheitsförde-
rung einschließt. Auf der anderen Seite unterstreicht beispielsweise die WHO die Ei-
genständigkeit der Gesundheitsförderung und grenzt sie eindeutig von der Prävention
ab (WHO, 1986).
Am plausibelsten kann die Unterscheidung beider Konzepte durch die Analyse der
Zielsetzungen deutlich gemacht werden. Unter Beachtung eines Kontinuums von Ge-
sundheit und Krankheit (A
NTONOVSKY
, 1987) lassen sich klare Differenzen in den Ziel-
setzungen beider Konzepte nachvollziehen (B
ECKER
, 1997) (vgl. Abb. 2-1). Gesund-
heitsförderung zielt auf eine Verschiebung der Position des Individuums in Richtung
des Pols ,,Gesundheit", wohingegen die Prävention versucht die Wanderung der Positi-
on des Individuums in Richtung des Pols ,,Krankheit" zu verhindern.

Theoretische Grundlagen der Gesundheitsförderung
9
Position des Individuums
Gesundheits-
Prävention
förderung
Gesundheit
Krankheit
Abb. 2-1: Zielsetzung von Gesundheitsförderung und Prävention (nach B
ECKER
,
1997, S. 519)
Prävention richtet sich somit in erster Linie auf die Vorbeugung und Erkennung von
Risikofaktoren und Erkrankungen sowie auf die Wiederherstellung von Lebensqualität
bei bereits bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Im Gegensatz hierzu
versteht sich die Gesundheitsförderung als ein auf die gesunde Population ausgerich-
tetes Konzept, das in erster Linie Maßnahmen vollzieht, die Gesundheitsressourcen
stärken.
2.3
Ziele der Gesundheitsförderung
Der Ansatz der Gesundheitsförderung unterscheidet sich vor allem in seiner Zielset-
zung grundlegend vom Präventionsansatz (vgl. Kap. 2.2). Hinsichtlich der Zielsetzung
wird der Übergang von der Prävention zur Gesundheitsförderung häufig auch als Pa-
radigmenwechsel beschrieben (G
ERBER
&
S
TÜNZNER
, 1999).
Die Gesundheitsförderung sieht ihr primäres Ziel in der Erhaltung und Entwicklung von
Gesundheit. Bei diesem Ansatz stehen ausschließlich folgende Fragen im Mittelpunkt:
,,Was hilft Menschen, gesund zu bleiben?" und ,,Was fördert die Gesundheit der Men-
schen?". G
ERBER
&
S
TÜNZNER
(1999) unterstreichen darüber hinaus anstelle von Risi-
kofaktoren die Identifikation von Protektivfaktoren als eines der Hauptziele der Ge-
sundheitsförderung, nicht nur im Bereich der individuellen Verhaltenskompetenzen,
sondern auch bei den sozialen und kulturellen Ressourcen. Diese Zielsetzung orientiert
sich an der Gesundheitsdefinition der WHO. Diese beschreibt Gesundheit als einen
,,Zustand völligen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur
(als) das Freisein von Krankheit und Gebrechen" (WHO, 1946, S. 1).

Theoretische Grundlagen der Gesundheitsförderung
10
Die 1997 in Jakarta verabschiedete Charta der WHO befasste sich ausführlich mit ver-
schiedenen Zieldimensionen der Gesundheitsförderung. Dieser Zielkatalog ergänzte
und erweiterte die 1986 in Ottawa entwickelte Charta (vgl. Kap. 2.5.4). Die WHO be-
nennt in ihren Ausführungen folgende vorrangigen Ziele der Gesundheitsförderung
(WHO, 1997):
(1) Gesundheit durch soziale Verantwortung fördern
Entscheidungsträger des öffentlichen und privaten Sektors müssen zur sozialen
Verantwortung verpflichtet werden und Gesundheit durch Strategien und Maßnah-
men fördern:
·
Gesundheitsbeeinträchtigungen anderer vermeiden
·
Umweltschutz und Sicherstellung von Ressourcennutzung
·
Einschränkung der Produktion und des Handels mit gesundheitsschädigenden
Gütern (z.B. Tabak)
·
Förderung des kommunalen und betrieblichen Gesundheitsschutzes
·
Entwicklung von politischen Programmen, die nach ihren gesundheitsbeeinflus-
senden Wirkungen evaluiert werden können
(2) Steigerung der Gesundheitsförderungsausgaben
Die Steigerung der Investitionen in Gesundheit sollte jedoch nicht einseitig, son-
dern multisektoral vorgenommen werden. Neben den Investitionen im Gesund-
heitswesen müssen zusätzlich Ressourcen in Bildung und Ausbildung gefördert
werden.
(3) Gesundheitsförderungsnetzwerke konsolidieren und ausbauen
Die Kooperationen für Gesundheit zwischen den Entscheidungsträgern im öffentli-
chen und privaten Sektor sind eine elementare Voraussetzung für eine effektive
Gesundheitsförderung. Diese Partnerschaften bedürfen einer Erweiterung und ei-
ner Manifestierung auf allen Ebenen der Politik, Verwaltung und Gesellschaft.
(4) Förderung der Kompetenzen von Gemeinden und Einzelpersonen
Gesundheitsförderung zielt hier auf die Fähigkeit des Einzelnen, sich aktiv zu betei-
ligen, als auch auf die Voraussetzungen und Möglichkeiten für Kollektive, die Be-
stimmungsfaktoren von Gesundheit zu beeinflussen. Den Individuen muss auf-
grund ihrer Befähigungen die Möglichkeit gegeben werden, an gesundheits-
fördernden Entscheidungsfindungsprozessen teilzuhaben.

Theoretische Grundlagen der Gesundheitsförderung
11
(5) Sicherung und Ausbau gesundheitsfördernder Infrastrukturen
Die organisatorische Basis dieser Infrastrukturen wird durch entsprechende Einhei-
ten (settings) bestimmt. Diese Netzwerke sollen eine gegenseitige Unterstützung
ermöglichen und passende Rahmenbedingungen auf politischer, gesetzlicher, so-
zialer und wirtschaftlicher Ebene schaffen, um eine Unterstützung der Gesund-
heitsförderung zu gewährleisten.
Aus dem Zielkatalog der WHO lässt sich ein partizipatorischer Ansatz erkennen. Ziel
der Gesundheitsförderung ist es demnach, den einzelnen Menschen selbst zu befähi-
gen, die Bedingungen für eine gesundheitsförderliche Lebenswelt selbst zu schaffen.
Des Weiteren wird der Charakter eines ganzheitlichen Ansatzes deutlich herausgeho-
ben. Die Unterscheidung nach Verhalten und Verhältnisse ­ wie sie im Präventionsan-
satz verankert ist ­ wird in der Gesundheitsförderung weitestgehend aufgehoben.
Nach G
ERBER
&
S
TÜNZNER
(1999) konzentrieren sich die Zielsetzungen in erster Linie
auf die gesamte Umwelt des Menschen.
2.4
Ansätze der Gesundheitsförderung
Die theoretischen Instrumentarien für Ansätze der Gesundheitsförderung entwickelten
sich größtenteils aus zwei unterschiedlichen Theoriedenkweisen. Die verhaltens-
theoretischen Ansätze stellen vor allem personenzentrierte Strategien in den Mittel-
punkt, wohingegen die ökologischen Theorien umwelt- und verhältnisorientierte Strate-
gien beinhalten (L
AASER
&
H
URRELMANN
, 1998).
2.4.1
Verhaltenstheoretische Ansätze
Das Wissen und die Kompetenz bezüglich der Beeinflussungsfaktoren von Gesundheit
bilden den Kern der verhaltensorientierten Ansätze (L
AASER
&
H
URRELMANN
, 1998).
Gesundheitsförderliches oder gesundheitsschädliches Verhalten liegt demnach im In-
dividuum begründet, und lässt sich auf bestimmte persönliche und normative Überzeu-
gungen zurückführen (F
LICK
, 1990).
Das Health-Belief-Modell stellt einen ,,Klassiker" unter den verhaltensorientierten Theo-
rien dar und sieht als Lerntheorie das menschliche Handeln als rational bestimmt an.
Die Grundannahme liegt darin, dass eine wahrgenommene gesundheitliche Bedrohung
zu einem entsprechend protektiven Verhalten führt. Zur Bestimmung des Gesundheits-
verhaltens bedarf es der Betrachtung unterschiedlicher kognitiv-sozialer Variablen.
Diese setzen sich zum einen aus subjektiven Faktoren (Verwundbarkeit, Einschätzung

Theoretische Grundlagen der Gesundheitsförderung
12
des Schweregrads von Symptomen) sowie externen Reize ­ die als Handlungsanstöße
wirken ­ zusammen. Aus der Korrelation dieser Faktoren entsteht die wahrgenomme-
ne Bedrohung. Die sich hieraus ableitende Abwägung der auftretenden Komponenten
bestimmt nachfolgend das Verhalten. Bezogen auf sportliche Aktivität könnten in die-
sem Modell die Nebenwirkungen von Bewegungsmangel, wie z.B. Adipositas oder
Herz-Kreislauferkrankungen ausführlich dargestellt werden, um anschließend Bewe-
gung bewusst zu fördern.
S
CHWARZER
(1992) legt in seinem theoretischen Konzept den Schwerpunkt auf die in-
und extrinsische Motivation. Nicht nur die Einstellung beeinflusst somit das gesund-
heitsrelevante Verhalten, sondern vornehmlich das Selbstkonzept einer Person. Ver-
halten wird aufgrund dessen rational, aber auch motivational und emotional beeinflusst
(L
AASER
&
H
URRELMANN
, 1998).
2.4.2
Ökologische Ansätze
Die ökologischen Ansätze richten ihr Hauptaugenmerk auf die Erkennung und Interpre-
tation von Abhängigkeiten zwischen den gegebenen sozialen und umweltbedingten
Einflussfaktoren einerseits und den gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf körperli-
cher, psychischer und sozialer Ebene andererseits (L
AASER
&
H
URRELMANN
, 1998). In
diesem Sinne entfalten auch bestehende Verhältnisse aus dem sozialen und ökologi-
schen Umfeld Risikopotenziale, die gesundheitsschädlich wirken können (H
URREL
-
MANN
, 2000).
Die Anfälligkeit für bestimmte gesundheitliche Einschränkungen hängt von dem Ver-
hältnis zwischen den gegebenen Risiko- und Schutzfaktoren sowie von der Existenz
sozialer und individueller Ressourcen ab (L
AASER
&
H
URRELMANN
, 1998). Sind die
Ressourcen aus dem ökologischen und sozialen Umfeld nur unzureichend, kann dies
aufgrund einer reduzierten Bewältigungsfähigkeit zu Überlastungen im sozialen, psy-
chischen, aber auch physiologischen Bereich führen.
,,Gesundheit bezeichnet den Zustand des objektiven und subjektiven Be-
findens einer Person, der gegeben ist, wenn diese Person sich in den
physischen, psychischen und sozialen Bereichen ihrer Entwicklung in
Einklang mit den eigenen Möglichkeiten und Zielvorstellungen und den
jeweils gegebenen Lebensbedingungen befindet"
(H
URRELMANN
, 2000, S.
8).

Theoretische Grundlagen der Gesundheitsförderung
13
Die ökologischen Ansätze implementieren somit in ihren Theorien die vorhandenen
Kontext- und Umweltbedingungen von Personen. Die Betonung dieses ,,Makro-
Bereichs" nimmt Einfluss auf die gesundheitliche Entwicklung und ergänzt insoweit die
verhaltenstheoretischen Ansätze (L
AASER
&
H
URRELMANN
, 1998).
2.5
Konzepte der Gesundheitsförderung
Die nachfolgende Darstellung von Modellen und Konzepten illustriert die unterschiedli-
chen Strategien und Vorgehensweisen in der Gesundheitsförderung.
2.5.1
Konzept zur Beeinflussung von Risikofaktoren (Risikofaktorenmodell)
Die Bedeutung von Faktoren des Lebensstils zur Entstehung von Erkrankungen ist
wissenschaftlich unumstritten. Die epidemiologische Forschung konnte eindeutige Zu-
sammenhänge zwischen Erkrankungswahrscheinlichkeit einerseits und individuellem
Verhalten, psychischen Dispositionen und sozialen Lebensumfeldern andererseits
nachweisen (G
ERBER
&
S
TÜNZNER
, 1999).
Basierend auf diesen Erkenntnissen wurde das sog. Risikofaktorenmodell entwickelt.
Unter Risikofaktoren versteht man spezifische Verhaltensweisen, Umwelteinflüsse und
Körpermerkmale, die krankmachend oder gesundheitsbeeinträchtigend auf den
menschlichen Organismus einwirken können. Risikofaktoren werden nach der in Abb.
2-2 dargestellten Gliederung unterschieden.
Abb. 2-2: Gliederung der Risikofaktoren (nach G
ERBER
&
S
TÜNZNER
, 1999, S. 21)
Risikofaktoren
Nicht beeinflussbare
·
Alter
·
Geschlecht
·
Genetik
Beeinflussbare
Verhaltens- bzw.
persönlichkeitsgebundene
·
Tabakkonsum
·
Hypertonie
·
Hypercholesterinämie
·
Diabetes mellitus
·
Adipositas
·
Hyperlipidämie
·
Bewegungsmangel
·
Chronische Stressbelastung
Nicht-verhaltens-
gebundene
·
Berufliche Ex-
position
·
Ökologische
Exposition

Theoretische Grundlagen der Gesundheitsförderung
14
Neben diesen klassischen Risikofaktoren hat sich in der epidemiologischen Forschung
ein Bereich entwickelt, der die Zusammenhänge zwischen sozioökonomischen Le-
bensbedingungen und der Erkrankungswahrscheinlichkeit untersucht. S
IEGRIST
&
M
ÖLLER
-L
EIMKÜHLER
(1998) betonen eine schichtspezifische Varianz in den Industrie-
staaten. Je ungünstiger der sozioökonomische Status, desto höher die Prävalenz und
die Sterblichkeit.
Die Existenz eines Risikofaktors erhöht mathematisch die Wahrscheinlichkeit, an der
relevanten mit diesem Risikofaktor assoziierten Krankheit zu erkranken. Diese Zu-
sammenhänge beziehen sich ausschließlich auf Bevölkerungsgruppen. Diese Metho-
dik macht das Risikofaktorenmodell zu einem wichtigen Kennzahlensystem der öffent-
lichen Gesundheitsvorsorge, da Schätzungen des Gesundheitszustands und des Er-
krankungsrisikos für die Bevölkerung und verschiedene Bevölkerungsgruppen möglich
wird (G
ERBER
&
S
TÜNZNER
, 1999).
2.5.2
Konzept zur Stärkung der Gesundheitsressourcen (Salutogenesemodell)
Der von A
NTONOVSKY
eingeführte Begriff der ,,Salutogenese"
1
hat die traditionelle Ori-
entierung an der Krankheit umfassend gegen die Konzentration auf Gesundheit ausge-
tauscht (A
NTONOVSY
, 1979; 1987). A
NTONOVSKY
stellt seinen Begriff der in der Medizin
dominierenden ,,Pathogenese" gegenüber. Der salutogenetische Ansatz orientiert sich
an den Überlegungen einer Stärkung der Widerstandsfähigkeit zur Förderung der Ge-
sundheit (K
NOLL
, 1997). Die Identifizierung von Interventionen und Strategien zur Stär-
kung der Gesundheitsressourcen stehen hierbei im Mittelpunkt. Der bereits verstorbe-
ne israelische Medizinsoziologe stellt zur Beurteilung des Gesundheitszustands die
Frage: ,,Was rückt die Leute in Richtung auf das gesunde Ende des Health-
ease/Disease-Kontinuums?" (A
NTONOVSKY
, 1987, S. 122).
Dieses sog. Gesundheits-Krankheits-Kontinuum ist ein zentrales Bestimmungsstück in
A
NTONOVSKYS
Überlegungen. Der Kontinuumsbegriff unterscheidet sich wesentlich von
der in der Medizin vorherrschenden Dichotomie ,,Gesund-Krank". Die Position des Indi-
viduums auf diesem Kontinuum wird durch eine dynamische Interaktion von belasten-
den und entlastenden Faktoren bestimmt. A
NTONOVSKY
hat in diesem Zusammenhang
den Begriff der Schutz- oder Protektivfaktoren geprägt. Gesundheit ergibt sich dem-
nach aus dem ständig neu herzustellenden Gleichgewicht zwischen Risiko- und
1
,,Salutogenese" bedeutet übersetzt die ,,Entstehung von Gesundheit".

Theoretische Grundlagen der Gesundheitsförderung
15
Schutzfaktoren. Die Herstellung dieses Gleichgewichts erfolgt in allen relevanten Le-
bensbereichen (physisch, psychisch, sozial).
Aufgrund der Komplexität des salutogenetischen Modells soll in dieser Betrachtung
noch auf den ,,Kohärenzsinn" (,,sense of coherence") eingegangen werden. Nach A
N-
TONOVSKY
(1979) bezieht sich der ,,Kohärenzsinn" auf ein positives Selbstbild, das ge-
prägt ist von dem Selbstvertrauen und der Überzeugung in die eigenen Fähigkeiten,
mit dem sozialen Umfeld umgehen zu können. Er beschreibt mit dem ,,Kohärenzsinn"
die Eigenschaft, die eigene Umwelt begreifen und beeinflussen zu können (A
NTO
-
NOVSKY
, 1987). Das Salutogenesemodell ist sehr komplex und berücksichtigt den ge-
sellschaftlichen Makrobereich, die individuellen physischen, psychischen und sozialen
Risiko- und Schutzfaktoren, die personenbezogene Lebenserfahrung als Grundlage
des Kohärenzgefühls sowie die Art der Konfliktbewältigung (vgl. Abb. 2-3).
Abb. 2-3: Das salutogenetische Modell (nach H
URRELMANN
, 2000, S. 58 zitiert nach
A
NTONOVSKY
, 1979, S. 185)
Die Arbeitsweise des Modells ist dabei dynamisch und bedient sich unterschiedlicher
Kommunikations- und Interaktionsprozesse zwischen den einzelnen Modellelementen.
Sportliche Aktivität muss nach K
NOLL
(1997) eine notwendige Verankerung im Saluto-
genesemodell finden. K
NOLL
(1997) beschreibt Bewegung als eine generalisierte Wi-
derstandsquelle (GRR= Generalized Resistance Ressource). Dies äußert sich bei-
spielsweise in Stärkung konstitutioneller (z.B. körperliche Fitness) und psychosozialer
Stressoren im
·
psychosozialen Bereich
·
physischen Bereich
·
biochemischen Bereich
Wider-
stands-
ressourcen
· psychisch
· genetisch
· organisch
z.B. durch
sportliche
Aktivität
Art der
Lebens-
erfah-
rungen
Kohärenz-
sinn als
Gefühl des
Vertrauens
in die eige-
ne
Sinnstiftung
Spannungs-
Management
er-
nicht
folg-
er-
reich folg
-
reich
Stress-
zustand
Position auf dem Kontinuum von
Gesundheit und Krankheit

Theoretische Grundlagen der Gesundheitsförderung
16
Schutzfaktoren (z.B. Selbstsicherheit und sozialer Unterstützung) (vgl. Kap. 3.2-3.4)
und führt innerhalb des Modells indirekt zu einer Stärkung des ,,Kohärenzsinns".
Daneben bietet Sporttreiben die Möglichkeit, situationsbezogene Anforderungen auf
psychosozialer, physikalischer und biomedizinischer Ebene zu reduzieren (K
NOLL
,
1997), und bereits bestehende Risikofaktoren zu mindern (vgl. Kap. 3.1).
2.5.3
Konzept zur Bewältigung von Beschwerden und Missbefinden (Bewälti-
gungsmodell)
Ähnlich wie beim salutogenetischen Modell wird davon ausgegangen, dass Merkmale
der Person sowie des Lebenskontextes sowohl Ursachen für gesundheitliche Proble-
me, als auch Hilfen bei deren Bewältigung darstellen können. Durch spezifische For-
men der Aktivierung (bzw. des Verhaltens) können günstige Bedingungen zur Bewälti-
gung solcher Probleme auch selbst hergestellt werden.
Die Grundlage der Bewältigungstheorien liegt dem Stresskonzept von S
ELYE
(1984)
zugrunde, der beim Menschen Verarbeitungsmechanismen aufgrund bestimmter ein-
wirkender Reize feststellen konnte.
S
CHNABEL
& H
URRELMANN
(1999) deuten die Situation vieler Menschen in modern ent-
wickelten Gesellschaften als einen Zustand der permanenten Alarmiertheit, der den
Organismus auf Dauer überfordert und in Kombination mit körperlichen Risikofaktoren
(z.B. Bewegungsmangel, Übergewicht etc.) chronische Krankheiten auslösen kann.
Diese negativen krankheitsfördernden Wirkungen werden auch als ,,Distress" bezeich-
net.
Die Bewertung solch belastender Ereignisse ist nach L
AZARUS
(1991) subjektiv ver-
schieden. Stress wird demnach als ,,transaktional" aufgefasst und von jedem Indivi-
duum in Intensität und Ausmaß unterschiedlich interpretiert. Externe Belastungen wer-
den subjektiv differenziert wahrgenommen und deren Bewältigung ist von der Existenz
psychologischer, sozialer und kultureller Ressourcen abhängig (H
URRELMANN
, 2000).
Nach L
AZARUS
&
F
OLKMAN
(1984) beginnt dieser Prozess mit einer Einschätzung der
Bedrohung (,,erste Einschätzung"), anschließend werden die eigenen Möglichkeiten
überdacht und zur bestehenden Situation in Verbindung gesetzt (,,zweite Einschät-
zung"). Welche Strategien der Bewältigung (,,coping") schließlich instrumentalisiert
werden, hat einen entscheidenden Einfluss auf das Ergebnis des Bewältigungs-
prozesses, kommt es einerseits zur Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung der Ge-
sundheit, oder tritt andererseits ein Krankheitsereignis ein.

Theoretische Grundlagen der Gesundheitsförderung
17
H
URRELMANN
(2000) betont, dass die Effektivität eines Bewältigungsprozesses durch
eine Kombination verschiedener Bewältigungskompetenzen gesteigert werden kann.
Gelingt es die körperlich-physischen, die kognitiv-intellektuellen (Lernfähigkeit), die
seelisch-emotionalen und die sozialen Kompetenzen zu bündeln, kann ein Höchstmaß
an Widerstandsfähigkeit erreicht werden.
Übertragen auf gesundheitswirksame Bewegung trägt z.B. die Rückenschule dann zur
Bewältigung von Rückenschmerzen bei, wenn diese Schmerzen reduziert werden kön-
nen. Andererseits postuliert das Bewältigungsmodell aber auch, dass sich Wahrneh-
mung und Einschätzung einer problematischen Gesundheitssituation durch Bewälti-
gungsverhalten positiv verändern lassen. In diesem Sinne unterstützt beispielsweise
eine Rückenschule bereits dann die Bewältigung der Rückenprobleme, wenn Bewe-
gung und Verhalten als entlastend bewertet werden (B
REHM
, 1997).
2.5.4
Konzept der Weltgesundheitsorganisation (WHO)
Die WHO verabschiedete im Jahre 1986 in Ottawa die Charta der 1. Internationalen
Konferenz zur Gesundheitsförderung.
Das Konzept der WHO sieht den Menschen als zentral handelndes Subjekt. Neben der
Erreichung von Gesundheit sollen die Menschen dazu befähigt werden, selber Initiative
und Verantwortung für ihre Gesundheit zu übernehmen (WHO, 1986).
Gesundheitsförderung muss gesundheitsbezogene Gemeinschaftsaktionen initiieren
und Bürger dazu anleiten, Gesundheitsförderung in die Erarbeitung und Planung von
Strategien miteinzubeziehen (G
ERBER
&
S
TÜNZNER
, 1999). Die Selbstbestimmung gilt
als zentraler Punkt im WHO-Konzept. Dies bezieht sich vornehmlich auf die Unterstüt-
zung von Gemeinden und auf die Intensivierung der Kontrolle und Autonomie der Men-
schen in ihrem Gesundheitsverhalten. Die Charta stützt sich zur Intensivierung dieses
Vorhabens auf eine vermehrte finanzielle und materielle Unterstützung seitens der ver-
antwortlichen Institutionen (WHO, 1986).
Aufgrund der Komplexität der Gesellschaften bedarf es der Zuständigkeit und des En-
gagements aller Politikbereiche zur Schaffung gesundheitsförderlicher Lebensverhält-
nisse. Die WHO betont in diesem Zusammenhang ausdrücklich die notwendige Bezie-
hung zwischen Mensch und Umwelt als Grundlage für einen sozialökologischen Weg
zur Gesundheit (WHO, 1986).
Die grundlegenden Voraussetzungen von Gesundheit sind nach der WHO (1986) Frie-
den, angemessene Wohnbedingungen, Bildung und Ausbildung, Ernährung, ein funkti-
onierendes Ökosystem, eine sinnvolle Nutzung vorhandener Ressourcen, soziale Ge-

Theoretische Grundlagen der Gesundheitsförderung
18
rechtigkeit und das Vorhandensein von Chancengleichheit. Jegliche Verbesserung des
gesundheitlichen Status muss primär bei den Grundvoraussetzungen ansetzen.
Fünf vorrangige Handlungsbereiche sowie drei grundlegende Handlungsstrategien
lassen sich in der Ottawa-Charta identifizieren. G
ERBER
& S
TÜNZNER
(1999) fassen die
fünf Handlungsbereiche wie folgt zusammen:
Erarbeitung einer gesundheitsfördernden Gesamtpolitik (,,build healthy public poli-
cy")
Gesundheit erfordert die Kooperation aller relevanten Politikbereiche und die Politik
muss ihrerseits Gesundheit als zentralen Schwerpunkt ihrer Strategien begreifen.
Gesundheitsförderliche Umweltbedingungen schaffen (,,create supportive environ-
ment")
Gesundheitsförderung muss sozialökologisch ausgerichtet sein, dies bedeutet die
Entwicklung befriedigender Lebensbedingungen unter Beachtung des Umwelt-
schutzes.
Unterstützung gesundheitsorientierter Gemeinschaftsaktionen (,,strengthen commu-
nity action")
Den Bürgern soll durch Schaffung und Initiierung von Selbsthilfeinitiativen und Ge-
meinschaftsaktionen zu mehr Selbstbestimmung und Kontrolle ihrer Gesundheit
verholfen werden.
Erarbeitung persönlicher Kompetenzen (,,develop personal skills")
Die persönlichen Kompetenzen und Ressourcen müssen gestärkt werden, um Ge-
sundheit zu erhalten.
Umstrukturierung der Gesundheitsdienste (,,reorient health services")
Die für die Gesundheitsförderung zuständigen Gesundheitsdienste müssen, um ei-
nen ganzheitlichen Ansatz zu verfolgen, über ihre medizinische Betreuung hinaus-
gehen und Kopplung an andere gesellschaftlichen Institutionen suchen.
Der erste Handlungsbereich bildet die Rahmenbedingung, in dem die Umsetzung der
nachfolgenden Handlungsbereiche überhaupt erst möglich wird.
In den Handlungsstrategien der Ottawa-Charta muss die Gesundheitsförderung (1) auf
wirtschaftlicher, politischer, sozialer und kultureller Ebene intervenieren um den Ge-
sundheitszustand der Menschen zu erhalten und zu verbessern, (2) Chancengleichheit
beim Zugang zu gesundheitlichen Ressourcen ermöglichen und (3) als Moderator und

Theoretische Grundlagen der Gesundheitsförderung
19
Koordinator zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen auftreten, um so
ein solidarisches Handeln zu gewährleisten (WHO, 1986).
Mit Hilfe der dargelegten Grundlagen lassen sich nun die zentralen Fragestellungen
dieser Arbeit analysieren. Den Ausgangspunkt hierzu bildet die Analyse der Einfluss-
nahme sportlicher Aktivität in verschiedenen Dimensionen der Gesundheit.

Dimensionen der Gesundheit und der Einfluss sportlicher Aktivität
20
3 Dimensionen der Gesundheit und der Einfluss sportlicher Aktivität
Sport und Bewegung besitzen nachweislich ein bemerkenswertes Präventivpotenzial.
Dabei kann sportliche Aktivität auf verschiedenen Ebenen die Gesundheit fördern und
beeinflussen. Hierzu lassen sich auf vier Ebenen (Kap. 3.1-3.4) Befunde und For-
schungsarbeiten finden, die eine Anwendung von sport- und bewegungsorientierten
Interventionsmaßnahmen in Public-Health-Strategien als sinnvoll und notwendig er-
scheinen lassen.
3.1
Bewegungsmangel als gesundheitlicher Risikofaktor
Körperliche Inaktivität bzw. Bewegungsmangel entwickelt sich zu einem zunehmend
wichtigeren Gesundheitsdefizit moderner Zivilisationen. Unter Bewegungsmangel ver-
steht man Muskelbeanspruchungen, die unterhalb einer Reizschwelle liegen, deren
Überschreiten notwendig ist, um den Erhalt oder den Ausbau unserer Organ- und
Muskelfunktionen zu sichern (R
ÖTHIG
, 1992). Der Mangel an Bewegung stellt nach-
weislich einen bedeutenden Risikofaktor für die Entstehung verschiedener chronisch-
degenerativer Erkrankungen dar (H
OLLMANN ET AL
.
,
1987). Selbst hochrangige Vertre-
ter der Weltpolitik erkennen die Bedeutung und die Ausmaße von Bewegungsmangel
in modernen Gesellschaften.
,,An den Folgen von Bewegungsmangel sterben jährlich ca. zwei Millio-
nen Menschen weltweit. Bewegungsmangel ist somit die Epidemie eines
ungesunden Lebensstils"
(K
OFI
A
NNAN
, mündliches Zitat, anlässlich des
Weltgesundheitstags 2002 am 07.04.2002 in Leipzig).
In erster Linie sind Zusammenhänge zwischen körperlicher Inaktivität und einer erhöh-
ten Entstehungswahrscheinlichkeit von Herz-Kreislauferkrankungen zu nennen (Blair,
1996). Anhand einer Auswertung bisher durchgeführter Studien kommt B
LAIR
(1996) zu
der Erkenntnis, dass inaktive Personen ein nahezu doppelt so hohes Risiko haben,
eine koronare Herzerkrankung zu erleiden als körperlich aktive Personen.
Eine außerordentlich erwähnenswerte Studie beschrieben B
OUCHARD ET AL
. (1994).
Dort erreichte das relative Risiko für koronare Herzerkrankungen der am wenigsten
Aktiven einen Wert von 2.0. Bei Überprüfung der Fitness wurden bei einem Vergleich
der nicht trainierten mit den trainierten Personen relative Risiken bis zu 8.0 beobachtet.
Alle Ergebnisse wiesen eine hohe Signifikanz auf.
Die Gruppe der Herz-Kreislauferkrankungen stellt nicht nur die mit Abstand wichtigste
Mortalitätsursache in Deutschland dar, sondern hat eine ebenso gesundheitsökonomi-

Dimensionen der Gesundheit und der Einfluss sportlicher Aktivität
21
sche Bedeutung. Die volkswirtschaftlichen Gesamtkosten der Herz- Kreislauferkran-
kungen beliefen sich im Jahr 1990 auf annähernd 20 Milliarden Euro (ca. 39,7 Milliar-
den DM) (H
ENKEL ET AL
., 1997).
Ein ebenso nachweislich enger Zusammenhang besteht zwischen Bewegungsmangel
und der Entstehung von Muskel-Skeletterkrankungen. Hier sind es vor allem die Wir-
belsäulenerkrankungen, die innerhalb dieser Krankheitsgruppe einen großen Anteil
ausmachen und die hohe Korrelationen mit dem Risikofaktor Bewegungsmangel auf-
weisen (N
ACHEMSON
, 1990). Eine weitere Untersuchung, die die Bedeutung von Be-
wegungsmangel für die Entstehung von Rückenbeschwerden und degenerativen Er-
krankungen des aktiven und passiven Bewegungsapparats unterstreicht, lieferte
W
ARDLAW
(1993). Hier kam es zu dem Ergebnis, dass körperlich Inaktive mit zu neh-
menden Alter nachweislich an Knochenmasse verlieren, dies fördert wiederum die Ent-
stehung von Knochenbrüchen durch bestimmte äußere Einwirkungen.
Nach dem B
UNDESMINISTER FÜR
G
ESUNDHEIT
(1997) stellen die Dorsopathien als spe-
zielle Rückenerkrankung die häufigste Arbeitsunfähigkeitsdiagnose sowie den weitver-
breitetsten Bewilligungsgrund für Frührenten dar. Aufgrund dieser Situation lässt sich
leicht erkennen, dass auch Rückenerkrankungen hohe Krankheitskosten verursachen.
Nach H
ENKEL ET AL
. (1997) beliefen sich die Gesamtkrankheitskosten für Muskel- Ske-
letterkrankungen im Jahr 1990 auf etwa 18 Milliarden Euro (ca. 35,7 Milliarden DM) im
gesamten Bundesgebiet. Der Löwenanteil dieses Betrags resultiert vorwiegend aus
Kosten der Arbeitsunfähigkeit.
Noch weitere beschriebene Zusammenhänge zwischen Bewegungsmangel und dem
Auftreten von Erkrankungen ließen eine intensivere Beachtung von sportlicher Aktivität
und Bewegung in Strategien von Public Health plausibel erscheinen. Vor allem B
LAIR
(1996) beschreibt hochsignifikante Zusammenhänge bei verschiedenen Krankheitsbil-
dern, wie z.B. unterschiedliche Krebsarten, Osteoporose, Hypertonie, Adipositas, Dia-
betes Typ- II und den verlorenen Lebensjahren. Des Weiteren wird Bewegungsmangel
mit dem vermehrten Entstehen von Schlaganfällen in Verbindung gebracht. Neben
diesen bedeutenden Zivilisationserkrankungen sind es aber auch Probleme der Per-
sönlichkeitsentwicklung, wie Koordinationsstörungen oder hieraus resultierende Ver-
haltensauffälligkeiten, die auf körperliche Inaktivität zurückzuführen sind. Diese Ent-
wicklung manifestiert sich zunehmend bei den Ergebnissen der Schuleingangsuntersu-
chungen. Die Prävalenzen von Koordinationsstörungen und Verhaltensauffälligkeiten
haben innerhalb dieser Untersuchungen eine bedeutsame Zunahme erfahren (B
REU-
ER
, 1997). Der zunehmende soziale Wandel in der Gesellschaft und die damit verbun-

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2003
ISBN (eBook)
9783956361357
ISBN (Paperback)
9783836600743
Dateigröße
984 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Bielefeld – Gesundheitswissenschaften, Studiengang Master of Public Health
Erscheinungsdatum
2007 (Januar)
Note
1,0
Schlagworte
sportwissenschaften gesundheit prävention public health fitness
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