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Die Clean Surplus Bedingung in der internationalen Rechnungslegung

Bedeutung und Implikationen für Fragen der Unternehmensbewertung

©2006 Diplomarbeit 98 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Dass Unternehmenswerte anstelle von Zahlungsströmen auf Basis von Rechnungswesendaten berechnet werden können, wurde spätestens durch die Arbeiten von Preinreich und Lücke Mitte des vorigen Jahrhunderts bekannt. Durch die beiden Autoren wurde formal nachgewiesen, dass zur Berechnung des Kapitalwertes einer Investition statt der Zahlungsströme auch die Periodenerfolge der Rechnungslegung verwendet werden können.
Für die Anwendbarkeit dieser auf so genannten Residualgewinnen basierenden Bewertung muss die Ermittlung der Periodenerfolge aber einer unentbehrlichen Voraussetzung folgen, die als Clean Surplus Bedingung bezeichnet wird. Die Clean Surplus Bedingung besagt, dass „sämtliche Änderungen im buchmäßigen Eigenkapital, die nicht aus direkten Transaktionen zwischen Eignern und Unternehmen resultieren, in der Erfolgsrechnung erfasst werden müssen“. Wird die Clean Surplus Bedingung erfüllt, entspricht der Unternehmenswert theoretisch der Summe des Eigenkapitals und des Barwerts der Residualgewinne.
In der Praxis gibt es jedoch kaum ein Rechnungslegungssystem, das der Clean Surplus Bedingung durchgängig folgt. Vor diesem Hintergrund und angesichts der zunehmenden Anzahl von Clean Surplus Verstößen in der internationalen Rechnungslegungspraxis erscheint es verwunderlich, dass die Clean Surplus Bedingung in der aktuellen Diskussion um das Residualgewinnmodell (RGM) bisher nur eine untergeordnete Rolle spielt. Stattdessen wird die Clean Surplus Bedingung vorwiegend im bilanztheoretischen Kontext diskutiert.
Mit der Implementierung der International Accounting Standards/International Financial Reporting Standards (IAS/IFRS) in Deutschland vollzog sich ein grundlegender Wandel der Rechnungslegung von einem durch das Vorsichts- und Imparitätsprinzip geprägten zu einem stärker an beizulegenden Zeitwerten ausgerichteten System.
Damit wird dem Ziel des International Accounting Standards Boards (IASB) Rechnung getragen, ein kapitalmarktorientiertes Rechnungslegungssystem zu entwickeln, das den Kapitalmarktteilnehmern und anderen Nutzern dieser Informationen bei der Entscheidungsfindung helfen soll. Als entscheidungsnützlich werden die Informationen bezeichnet, mit deren Hilfe die Fähigkeit eines Unternehmens, Cashflows zu erzeugen, beurteilt werden kann. Dadurch soll den Unternehmenseignern, Gläubigern und anderen Interessengruppen die Möglichkeit gegeben werden, die Beträge, den Zeitpunkt und das Risiko zukünftiger […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Adrian Szabo
Die Clean Surplus Bedingung in der internationalen Rechnungslegung
Bedeutung und Implikationen für Fragen der Unternehmensbewertung
ISBN: 978-3-8366-0064-4
Druck Diplomica® GmbH, Hamburg, 2007
Zugl. Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Frankfurt am Main,
Deutschland, Diplomarbeit, 2006
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© Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2007
Printed in Germany

I
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis...III
Tabellenverzeichnis ... IV
Abkürzungsverzeichnis...V
Verzeichnis der verwendeten Symbole...VIII
1. Problemstellung ...1
2. Die Bedeutung des Clean Surplus für die Unternehmensbewertung...4
2.1 Das Clean Surplus bzw. Kongruenzprinzip ...4
2.2 Grundzusammenhänge von Marktwert und Rechnungswesengrößen ...5
2.2.1 Unternehmenswert auf Basis von Cashflows ...5
2.2.2 Unternehmenswert auf Basis von Residualgewinnen...7
2.2.3 Bewertungskonzeptionelle Vorzüge der Residualgewinnmethode ...9
2.3 Empirische Untersuchung zum Ausmaß des Dirty Surplus Accounting in
den Konzernabschlüssen deutscher Kapitalmarktunternehmen ...11
2.3.1 Motivation und Design der Untersuchung...11
2.3.2 Untersuchungsergebnisse...13
3. Das Clean vs. Dirty Surplus in der internationalen Rechnungslegung...16
3.1 Bilanztheoretische Erfolgskonzeptionen...16
3.1.1 Clean Surplus Konzept ...16
3.1.2 Dirty Surplus Konzept ...18
3.1.3 Implikationen für die Unternehmensbewertung ...20
3.2 Verletzung des Clean Surplus in der internationalen Rechnungslegung ...21
3.2.1 Dirty Surplus Accounting und dessen Ausweisform ...21
3.2.2 Kategorisierung von Dirty Surplus Accounting ...26
3.2.3 Praktische Bedeutung des Dirty Surplus Accounting...29
3.2.4 Temporäre Kongruenzdurchbrechungen ...32
3.2.4.1 Währungsumrechnung ...32
3.2.4.2 Bilanzierung von Finanzinstrumenten ...35
3.2.4.3 Goodwillbilanzierung nach HGB ...39
3.2.4.4 Auswirkungen temporärer Kongruenzdurchbrechungen auf das
Residualgewinnmodell...40

II
3.2.5 Permanente Kongruenzdurchbrechungen ...42
3.2.5.1 Pensionsverpflichtungen ...42
3.2.5.2 Neubewertung nach IAS/IFRS ...46
3.2.5.3 Methodenänderungen und Fehlerberichtigungen ...49
3.2.5.4 Auswirkungen permanenter Kongruenzdurchbrechungen auf das
Residualgewinnmodell...50
3.2.6 Korrekturansätze zur Erhaltung des Clean Surplus ...51
4. Thesenförmige Zusammenfassung ...53
Anhang ...57
Literaturverzeichnis ...78

III
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Median des Dirty Surplus Anteils am Clean Surplus Gewinn für den
deutschen Kapitalmarkt...13
Abbildung 2: Median des Dirty Surplus Anteils am Eigenkapital für den
deutschen Kapitalmarkt...13
Abbildung 3: Median des Dirty Surplus Anteils am Clean Surplus Gewinn
der DAX- und MDAX-Unternehmen. ...14
Abbildung 4: Median des Dirty Surplus Anteils am Eigenkapital
der DAX- und MDAX-Unternehmen. ...15
Abbildung 5: Komponenten der Eigenkapitalveränderung. ...24
Abbildung 6: Summe NIE/OCI und Jahresüberschuss der DAX 30. ...30
Abbildung 7: NIE/OCI - aufgeschlüsselt nach Einzelkomponenten. ...31

IV
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Dirty Surplus unterteilt nach Zeiträumen und Unternehmensgröße...15
Tabelle 2: Clean Surplus Durchbrechungen nach IAS/IFRS, US-GAAP, HGB...29
Tabelle 3: Eigenkapitalwerte der DAX-Unternehmen. ...58
Tabelle 4: Eigenkapitalwerte der MDAX-Unternehmen...59
Tabelle 5: Jahresüberschüsse der DAX-Unternehmen. ...60
Tabelle 6: Jahresüberschüsse der MDAX-Unternehmen...61
Tabelle 7: Nettoausschüttungen der DAX-Unternehmen. ...62
Tabelle 8: Nettoausschüttungen der MDAX-Unternehmen. ...63
Tabelle 9: Berechnete Clean Surplus Gewinne der DAX-Unternehmen...64
Tabelle 10: Berechnete Clean Surplus Gewinne der MDAX-Unternehmen. ...65
Tabelle 11: Dirty Surplus Beträge der DAX-Unternehmen. ...66
Tabelle 12: Dirty Surplus Beträge der MDAX-Unternehmen...67
Tabelle 13: Dirty Surplus vom Clean Surplus Gewinn der DAX-Unternehmen...68
Tabelle 14: Dirty Surplus vom Clean Surplus Gewinn
der
MDAX-Unternehmen. ...69
Tabelle 15: Dirty Surplus vom Eigenkapital der DAX-Unternehmen...70
Tabelle 16: Dirty Surplus vom Eigenkapital der MDAX-Unternehmen. ...71
Tabelle 17: Gesamtübersicht des Medians des Dirty Surplus in Prozent. ...72
Tabelle 18: Gesamtübersicht des ausgewiesenen Comprehensive Income
der DAX-Unternehmen für die Jahre 2002-2005. ...73
Tabelle 19: Comprehensive Income der DAX-Unternehmen im Jahr 2005...74
Tabelle 20: Comprehensive Income der DAX-Unternehmen im Jahr 2004...75
Tabelle 21: Comprehensive Income der DAX-Unternehmen im Jahr 2003...76
Tabelle 22: Comprehensive Income der DAX-Unternehmen im Jahr 2002...77

V
Abkürzungsverzeichnis
Abb. Abbildung
Abs.
Absatz
AfS
Available for Sale
Aufl. Auflage
bzw. beziehungsweise
CF Cashflow
CI Comprehensive
Income
CS Clean
Surplus
CON Conceptual
Framework
des
FASB
DAX Deutscher
Aktienindex
DCF Discounted
Cashflow
DDM Dividenden
Discount
Modell
d. h.
das heißt
Diss. Dissertation
DRS Deutscher
Rechnungslegungsstandard
DS Dirty
Surplus
DSR Deutscher
Standardisierungsrat
Dt. Deutsche
EGHGB Einführungsgesetz
zum
Handelsgesetzbuch
EUR Euro
EVA
Economic Value Added
f. folgende
Seite
FASB
Financial Accounting Standards Board
GAAP
Generally Accepted Accounting Principles
gem. gemäß
GuV
Gewinn- und Verlustrechnung

VI
HGB Handelsgesetzbuch
hrsg. herausgegeben
IAS
International Accounting Standard(s)
IASB
International Accounting Standards Board
IFRS International
Financial Reporting Standard(s)
IDW
Institut der Wirtschaftsprüfer
Jg. Jahrgang
MDAX
Mid Cap Deutscher Aktienindex
Mio. Millionen
Mrd. Milliarden
n. F.
neue Fassung
NIE
Net Income Recognised Directly in Equity
No. Number
Nr. Nummer
n. v.
nicht vorhanden
OCI
Other Comprehensive Income
RG Residualgewinn
RGM
Residualgewinnmodell
S. Seite
SFAS
Statement of Financial Accounting Standards
Tz. Textziffer
u. a.
und andere
US United
States
USA
United States of America

VII
vgl. vergleiche
Vol.
Volume
vs. versus
z. B.
zum Beispiel

VIII
Verzeichnis der verwendeten Symbole
Absoluter
Wert
CSG
Clean Surplus Gewinn
E( )
Erwartungswertoperator
EK
Eigenkapital der Periode
t
Erfolgswirksam recycelten temporären Kongruenzdurchbrechungen
t
Erfolgsneutral erfassten temporären Kongruenzdurchbrechungen der
Periode
t
P
t
Erfolgsneutral
erfassten
permanenten Kongruenzdurchbrechungen der
Periode
t
t
Kumulierte Inkongruenz der Periode t
t
G
Periodengewinn der Periode t
t
NA
Nettoausschüttungen der Periode t
r Kalkulationszinsfuß
t
RG
Residualgewinn der Periode t
t Periode
T Liquidationsperiode
TG
Totalerfolg bzw. Totalgewinn
UW Unternehmenswert

1
1. Problemstellung
Dass Unternehmenswerte anstelle von Zahlungsströmen auf Basis von
Rechnungswesendaten berechnet werden können, wurde spätestens durch die
Arbeiten von Preinreich und Lücke
1
Mitte des vorigen Jahrhunderts bekannt.
2
Durch die beiden Autoren wurde formal nachgewiesen, dass zur Berechnung des
Kapitalwertes einer Investition statt der Zahlungsströme auch die Periodenerfolge
der Rechnungslegung verwendet werden können. Für die Anwendbarkeit dieser
auf so genannten Residualgewinnen
3
basierenden Bewertung muss die Ermittlung
der Periodenerfolge aber einer unentbehrlichen Voraussetzung folgen, die als
Clean Surplus Bedingung bezeichnet wird. Die Clean Surplus Bedingung besagt,
dass ,,sämtliche Änderungen im buchmäßigen Eigenkapital, die nicht aus direkten
Transaktionen zwischen Eignern und Unternehmen resultieren, in der
Erfolgsrechnung erfasst werden müssen"
4
. Wird die Clean Surplus Bedingung
erfüllt, entspricht der Unternehmenswert theoretisch der Summe des Eigenkapitals
und des Barwerts der Residualgewinne.
5
In der Praxis gibt es jedoch kaum ein
Rechnungslegungssystem, das der Clean Surplus Bedingung durchgängig folgt.
6
Vor diesem Hintergrund und angesichts der zunehmenden Anzahl von Clean
Surplus Verstößen in der internationalen Rechnungslegungspraxis erscheint es
verwunderlich, dass die Clean Surplus Bedingung in der aktuellen Diskussion um
das Residualgewinnmodell (RGM) bisher nur eine untergeordnete Rolle spielt.
7
Stattdessen wird die Clean Surplus Bedingung vorwiegend im bilanztheoretischen
Kontext diskutiert.
Mit der Implementierung der International Accounting Standards/International
Financial Reporting Standards (IAS/IFRS) in Deutschland vollzog sich ein
grundlegender Wandel der Rechnungslegung von einem durch das Vorsichts- und
Imparitätsprinzip geprägten zu einem stärker an beizulegenden Zeitwerten
1
Vgl. Preinreich (1937); Preinreich (1938); Lücke (1955); Lücke (1965); des Weiteren Philipp
(1960); Kloock (1981).
2
Vgl. Krotter (2006), S. 1.
3
Als Residualgewinn bezeichnet man die Differenz zwischen dem Periodenerfolg der Gewinn-
und Verlustrechnung und den Kapitalkosten auf das Eigenkapital der Vorperiode.
4
Wagenhofer/Ewert (2003), S. 125.
5
Vgl. Krotter (2006), S. 1.
6
Eine Ausnahme bildet der Einzelabschluss nach dem Handelsgesetzbuch (HGB), bei dem das
Clean Surplus Prinzip eine lange Tradition vorweist. Vgl. Schildbach (1999), S. 1813.
7
Vgl. Deller (2002), S. 3.

2
ausgerichteten System.
8
Damit wird dem Ziel des International Accounting
Standards Boards (IASB) Rechnung getragen, ein kapitalmarktorientiertes
Rechnungslegungssystem zu entwickeln, das den Kapitalmarktteilnehmern und
anderen Nutzern dieser Informationen bei der Entscheidungsfindung helfen soll.
9
Als entscheidungsnützlich werden die Informationen bezeichnet, mit deren Hilfe
die Fähigkeit eines Unternehmens, Cashflows zu erzeugen, beurteilt werden
kann.
10
Dadurch soll den Unternehmenseignern, Gläubigern und anderen
Interessengruppen die Möglichkeit gegeben werden, die Beträge, den Zeitpunkt
und das Risiko zukünftiger Zahlungsein- und -ausgänge abschätzen und damit die
eigene Position gegenüber dem Unternehmen bewerten zu können.
In manchen Fällen schlagen sich jedoch nach IAS/IFRS nicht alle Erträge und
Aufwendungen innerhalb der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) nieder. Einige
Sachverhalte, die zumeist aus Wertveränderungen bestimmter Vermögenswerte
resultieren, werden direkt erfolgsneutral mit dem Eigenkapital verrechnet.
11
Diese
Vorgehensweise verstößt zwar gegen die Clean Surplus Bedingung, soll aber
einen besseren Einblick in die Vermögenslage des Unternehmens ermöglichen, da
stille Reserven und Lasten sichtbar gemacht werden. Gleichzeitig wird ein
nachhaltiger, weniger volatiler und damit besser prognostizierbarer Periodenerfolg
ausgewiesen. Als Konsequenz dieser Gegebenheiten wird eine genauere
Einschätzung der künftigen Zahlungsstrukturen vermutet.
Die in der internationalen Rechnungslegung begangenen Clean Surplus Verstöße
wären damit teilweise mit der Verbesserung der Prognose künftiger
Cashflowströme gerechtfertigt,
12
wodurch die Anwendung der in der
Unternehmensbewertung stark verbreiteten Discounted Cashflow (DCF) Methode
nicht unwesentlich erleichtert werden könnte. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es,
der Fragenstellung nachzugehen, inwiefern die Einhaltung oder die
Durchbrechung der Clean Surplus Bedingung als einem grundlegenden Axiom
der Rechnungslegung vor dem Hintergrund der Entwicklung der internationalen
8
Vgl. Kütting/Dawo (2003), S. 228, 241.
9
Vgl. IAS/IFRS Framework, Tz. 12-14.
10
Vgl. IAS/IFRS Framework, Tz. 15.
11
Gleichartige Fälle sind auch in den United States-Generally Accepted Accounting Principles
(US-GAAP), sowie den HGB-Vorschriften für Aufstellung des Konzernabschlusses vorzufinden.
12
So etwa bei Bilanzierung von Währungsumrechnungsdifferenzen oder Available for Sale
Wertpapieren.

3
Rechnungslegung praktische und theoretische Bedeutung für die
Unternehmensbewertung zugesprochen werden kann.
In der Arbeit wurde folgende Vorgehensweise gewählt: Auf die im Abschnitt 1
dargelegte Problemstellung folgt im Abschnitt 2 zunächst eine allgemeine
Erläuterung des Clean Surplus Prinzips. Danach werden die Zusammenhänge von
Unternehmenswert und Rechnungswesengrößen mit Hilfe einer Cashflow- und
Residualgewinnmodellbewertung dargestellt, um anschließend die
bewertungskonzeptionellen Eigenschaften der Residualgewinnmethode zu
beurteilen. Der Abschnitt schließt mit einer empirischen Untersuchung zur
Bewertungseignung der Konzernjahresüberschüsse deutscher börsennotierter
DAX- und MDAX-Unternehmen mit dem RGM. Die Untersuchung lehnt sich
dabei an die Arbeit von Zimmermann/Prokop (2003) an und versucht, das
Ausmaß der Dirty Surplus Bilanzierung
13
in der Praxis zu messen. Dadurch sollen
Rückschlüsse auf die Anwendbarkeit des RGM gezogen werden.
Im Abschnitt 3 wird erst auf die theoretischen Hintergründe der mit der Clean
Surplus Bedingung verbundenen Periodenerfolgermittlungskonzeptionen
eingegangen, um deren möglichen Einfluss auf die Bewertung hervorzuheben. Im
Anschluss erfolgt eine Darstellung des aktuellen Stands des Clean Surplus in den
derzeit geltenden Rechnungslegungsvorschriften. Im Folgenden werden die
identifizierten Clean Surplus Verstöße kategorisiert und deren
Ausgestaltungsform im Einzelnen hinterfragt. Dabei soll primär die Frage geklärt
werden, ob sich die Clean Surplus Verstöße aus der Sicht der Rechnungslegung
und vor dem Hintergrund der Bewertung von Unternehmen durch die
Verbesserung der Prognostizierbarkeit von Cashflows rechtfertigen lassen.
Zusätzlich werden die aus Clean Surplus Verstößen resultierenden Probleme bei
der Anwendung des Residualgewinnmodells aufgezeigt, um schließlich die
möglichen Korrekturansätze darzustellen.
Die Arbeit schließt im 4 Abschnitt mit einer thesenförmigen Zusammenfassung
der wichtigsten Erkenntnisse.
13
Dirty Surplus liegt vor, wenn Aufwendungen und Erträge ohne Berührung der Gewinn- und
Verlustrechnung Eingang in das bilanzielle Eigenkapital finden.

4
2. Die Bedeutung des Clean Surplus für die Unternehmensbewertung
2.1 Das Clean Surplus bzw. Kongruenzprinzip
Die Clean Surplus Bedingung wird in dem deutschsprachigen Raum oft mit dem
Begriff Kongruenzprinzip
14
gleichgesetzt, das ursprünglich von Schmalenbach
gebraucht wurde und der mit ihm eine Totalgewinnrechnung forderte.
15
Dem
Kongruenzprinzip folgend sollte die Summe einzelner Periodengewinne über die
gesamte Lebenszeit eines Unternehmens mit dem Totalgewinn übereinstimmend
bzw. kongruent sein. Dadurch wird indirekt sichergestellt, dass der Totalgewinn
gleichzeitig der Summe aller Nettoausschüttungen an die Unternehmenseigner
entspricht.
16
Der Totalgewinn wird dabei als Differenz sämtlicher Einnahmen und
Ausgaben eines Unternehmens über dessen gesamte Lebensdauer verstanden, die
die Liquidation des Unternehmens mit einschließt.
17
Formal ergibt das
Kongruenzprinzip für die Totalperiode folgende Gleichung, die auch als
Summentheorem bezeichnet wird:
. (2.1)
=
=
=
=
T
t
t
T
t
t
NA
TG
G
0
0
Die Summe der Periodengewinne (G) entspricht sowohl dem Totalgewinn (TG)
als auch den netto Ein- und Auszahlungen der Anteilseigner (NA). Eine
notwendige Voraussetzung für die Verwirklichung der Kongruenz stellt die
Bilanzidentität dar, die als allgemeiner Bewertungsgrundsatz im § 252 Abs. 1
Nr. 1 HGB kodifiziert ist.
18
Die Bilanzidentität ist jedoch nicht hinreichend für die
Einhaltung des Kongruenzprinzips.
19
Erfolgt eine Durchbrechung der Kongruenz
durch eine erfolgsneutrale Behandlung von Aufwendungen oder Erträgen, d. h.
diese werden mit dem Eigenkapital verrechnet,
20
dann bleibt die Bilanzidentität
erhalten, während die Summe der Periodengewinne und der Totalgewinn nicht
mehr übereinstimmen. Eine Wiederherstellung der Kongruenz kann dann nur
durch eine gegenläufige Durchbrechung zu einem anderen Zeitpunkt erfolgen.
14
Zur Wortdeutung vgl. Fleischhauer (1948), S. 125.
15
Vgl. Schmalenbach (1919), S. 96 f.
16
Vgl. Deller (2002), S. 12. In den Nettoausschüttungen wird die Differenz aller zwischen dem
Unternehmen und Anteilseignern fließenden Zahlungen mit den Anteilseignern erfasst.
17
Vgl. Schmidt (1951), S. 282.
18
Vgl. Busse von Colbe (1992), S. 128; Schildbach (1999), S. 1813. Unter Bilanzidentität wird die
Übereinstimmung der Eröffnungsbilanz mit der Schlussbilanz der Vorperiode verstanden.
19
Vgl. Busse von Colbe (1992), S. 128; Ordelheide (1998a), S. 518; Gaber (2005), S. 286.
20
Wie etwa die Verrechnung eines derivativen Goodwills mit dem Eigenkapital.

5
Wird die Beziehung der Kongruenz auf eine Teilperiode übertragen, muss bei der
Periodengewinnermittlung jede Änderung des Eigenkapitals (EK), die nicht auf
Ein- und Auszahlungen der Unternehmenseigner (
) zurückzuführen ist, in der
Gewinn- und Verlustrechnung (
) erfasst werden.
t
NA
t
G
21
t
t
t
t
NA
G
EK
EK
+
+
=
-1
(2.2)
Dieser Vorgehensweise folgend wird der Eigenkapitalzuwachs und der
Periodengewinn ,,sauber" bzw. ,,Clean Surplus" ermittelt. Diese enge Auslegung
des Kongruenzprinzips fordert ein absolutes Verbot erfolgsneutraler
Verrechnungen mit dem Eigenkapital, auch wenn diese nur vorübergehender
Natur sein sollten. Gleichzeitig entspricht sie dem, was im angelsächsischen
Sprachraum als Clean Surplus Relation bezeichnet wird. Hiermit wird ein feiner
Unterschied zwischen den Begriffen Kongruenz und Clean Surplus sichtbar, der
in der Literatur oft übersehen oder nicht ausreichend beachtet wird: Während die
Clean Surplus Bedingung die Kongruenz erfüllt, ist dies umgekehrt nicht
unbedingt der Fall.
22
2.2 Grundzusammenhänge von Marktwert und Rechnungswesengrößen
2.2.1 Unternehmenswert auf Basis von Cashflows
Bevor auf die konkreten Implikationen der Clean Surplus Bedingung auf Größen
wie Periodenerfolge, Residualgewinne oder Cashflows eingegangen wird, soll
zunächst deren Bedeutung für die Unternehmensbewertung aufzeigt werden. Nach
der vorherrschenden Meinung wird der Marktwert des Eigenkapitals durch den
Barwert der erwarteten den Unternehmenseigentümern zur Verfügung stehenden
Cashflows determiniert.
23
Aus diesem Grund gehört die Discounted Cashflow
(DCF) Methode im Rahmen der kapitalmarktorientierten Unternehmensbewertung
zu einer stark verbreiteten Bewertungsmethode. Das DCF-Verfahren stellt
teilweise eine in den USA vorgenommene Weiterentwicklung des Dividend
Discount Modells (DDM) dar.
24
Das Ziel beider Verfahren ist die Bestimmung
21
Vgl. Feltham/Ohlson (1995), S. 694; Schabel (2004), S. 22.
22
Vgl. Schabel (2004), S. 22 f. Diese begriffliche Unterscheidung wird später noch einmal
aufgegriffen, um eine saubere Kategorisierung der Clean Surplus Verstöße vornehmen zu können.
23
Vgl. Schabel (2004), S. 29.
24
Vgl. Miller/Modigliani (1961), S. 419; Zimmermann/Prokop (2002), S. 272.

6
des Marktwertes der Eigenkapitalanteile.
25
Während das DCF-Verfahren die an
die Kapitalgeber fließenden Zahlungen (Cashflows) diskontiert,
26
werden bei dem
DDM auf Basis des Barwertkalküls nur die Nettoausschüttungen (Dividenden) an
die Anteilseigner bewertet.
27
Bei den DCF-Verfahren sind mehrere Varianten zu
unterscheiden. Diese ergeben sich aus Unterschieden in der Darstellung der
Fremdfinanzierung und der daraus reduzierenden Steuerwirkung, was zu einer
entsprechenden Abgrenzung der zu diskontierenden Cashflows, der zu
verwendenden Kapitalkosten sowie der Berücksichtigung von Änderungen der
Kapitalstruktur im Zeitablauf führt.
28
Allgemein lässt sich die Berechnung des
Unternehmenswertes (UW) mit dem DCF-Verfahren wie folgt darstellen:
=
+
=
T
t
t
t
r
CF
E
UW
1
0
)
1
(
)
(
. (2.3)
)
(
t
CF
E
steht für die erwarteten den Kapitalgebern zur Verfügung stehenden
Cashflows,
29
die mit dem um die Kapitalstruktur und Steuereffekte adjustierten
Kapitalkostensatz (r) diskontiert werden. In der Praxis wird allgemein von einer
unbeschränkten Fortführung und somit von unendlicher Lebensdauer der
Unternehmen ausgegangen.
30
Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, das
Bewertungsmodell (2.3) um eine weitere Planungsphase zu erweitern. Dies kann
durch eine wachstumsbasierte Fortschreibung von den in der ersten Phase
erkannten Trendentwicklungen geschehen.
31
Die Ermittlung der künftigen Cashflows ist an sich aber problematisch. Wenn
man davon ausgeht, dass die Zukunft per se niemand ganz genau kennt, kann eine
Cashflowprognose nur durch eine gründliche Vergangenheitsanalyse erfolgen.
Hierfür sind jedoch die vergangenen Cashflows meistens nur bedingt geeignet.
Einerseits sind sie hoch volatil und anderseits sagen sie nur begrenzt etwas über
die Quellen der Generierung von zukünftigen Cashflows aus. Demgegenüber sind
etwa Rechnungswesengrößen, die eine Periodisierung der Zahlungsströme
25
Vgl. Mandl/Rabel (1997), S. 286.
26
Vgl. IDW ES 1 n. F. Tz. 135.
27
Vgl. Coenenberg/Schultze (2002), S. 603.
28
Da für die vorliegende Arbeit nur Bedeutung der Clean Surplus Bedingung auf die Prognose von
Cashflows von Interesse ist, wird auf die Darstellung einzelner DCF-Verfahren sowie auf die
Ermittlung von Kapitalkosten verzichtet. Hierzu vgl. einschlägige Standardwerke von
Mandl/Rabel (1997); Drukarczyk (2001); Copeland/Koller/Murrin (2002); Hommel/Braun (2005).
29
Je nach Fall können es entweder Eigen- oder Fremdkapitalgeber sein.
30
Going Concern ist ein fundamentaler Bilanzierungsgrundsatz, vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB.
31
Vgl. IDW ES 1 n. F. Tz. 87.

7
vornehmen, zwar nicht direkt bewertungsrelevant, können jedoch aufgrund der
Glättung von Cashflows und Ausweis von Vermögenswerten Anhaltspunkte
hinsichtlich deren künftiger Entwicklung geben. Wie sich die Clean Surplus
Bedingung auf diese Funktion der Rechnungslegung auswirkt, soll im dritten Teil
der Arbeit untersucht werden.
2.2.2 Unternehmenswert auf Basis von Residualgewinnen
Neben einer zahlungsbasierten Ermittlung von Unternehmenswerten können diese
auch direkt aus Rechnungswesensgrößen berechnet werden. Eine Voraussetzung
für die direkte Ableitung des Unternehmenswertes aus dem Rechnungswesen ist
die Erfüllung der Clean Surplus Bedingung. Das in der Problemstellung erwähnte
Residualgewinnmodell (RGM) basiert auf dem nach Lücke benannten Theorem
und wurde aus der Investitionsrechnung abgeleitet.
32
In ihrer Grundform stellt die
RGM-Formel die Bedingungen dar, unter denen die Barwertberechnung auf Basis
von Periodenerfolgen und Eigenkapitalreihen dasselbe Resultat liefert wie die
Barwertberechnung auf Basis von Zahlungen.
33
Dabei wird von einer endlichen
Totalperiode ausgegangen. Die formale Überleitung des Residualgewinnmodells
kann wie folgt dargestellt werden: Ausgangsbasis der Überleitung ist das
Dividend Discount Modell, das für die Ermittlung des Unternehmenswertes (UW)
die Nettoausschüttung an die Eigner diskontiert.
34
=
+
=
T
t
t
t
r
NA
E
UW
1
0
)
1
(
)
(
(2.4)
Wird die Clean Surplus Bedingung aus (2.2) nach
aufgelöst und in die
Barwertgleichung eingesetzt, erhält man
t
NA
=
-
=
-
+
-
+
=
+
-
+
=
T
t
t
t
t
o
T
t
t
t
t
t
o
r
rEK
G
E
EK
r
EK
EK
G
E
UW
1
1
1
1
)
1
(
)
(
)
1
(
)
(
(2.5)
wobei
1
-
-
=
t
t
t
rEK
G
RG
(2.6)
dem Residualgewinn entspricht.
35
Eine weitere Annahme des Modells ist, dass
gleich Null sein muss. Der Residualgewinn kann als der Periodengewinn
T
EK
32
Vgl. Lücke (1955).
33
Vgl. Kloock (1981), S. 877.
34
Vgl. Feltham/Ohlson (1995), S.696.
35
Vgl. Wagenhofer/Ewert (2003), S. 125-127; Zimmermann/Prokop (2003), S. 135.

8
abzüglich des Produkts der Kapitalkosten (r) mit dem Eigenkapital der Vorperiode
definiert werden. Ein positiver Residualgewinn besagt, ,,dass in der betrachteten
Periode mehr verdient wurde als für die risikoadäquate Verzinsung des
eingesetzten Kapitals erforderlich gewesen wäre."
36
Für die Bewertung ist dabei
die Verrechnung der Kapitalkosten erforderlich, um Äquivalenz zwischen den
Diskontierungsreihen der Cashflows und Residualgewinne herzustellen, da die
erwirtschafteten Zahlungsströme in der Regel von den durch Periodisierung
beeinflussten Periodengewinnen abweichen.
37
Somit dienen die Kapitalkosten als
"Ausgleichsventil"
38
, welches das zeitliche Auseinanderfallen zwischen einer Ein-
oder Auszahlung und dem Zeitpunkt der entsprechenden Erfolgswirksamkeit
ausgleicht.
39
Der Unternehmenswert setzt sich dann aus dem investierten Kapital
bzw. Eigenkapital der Anfangsperiode zuzüglich des Barwerts der
Residualgewinne der Folgeperioden zusammen. Folglich liefern die nach der
Clean Surplus Bedingung ermittelten Periodenerfolge und die entsprechenden
Eigenkapitalbestände bei der Berücksichtigung aller Annahmen das gleiche
Ergebnis wie die Bewertung anhand von Zahlungen.
Die Annahme einer Totalperiode, d. h. die Liquidation des zu bewertenden
Unternehmens nach Ablauf einer endlichen Totalperiode, erscheint für einen
Großteil der Bewertungssituationen nicht zutreffend. Dementsprechend macht die
Übertragung des Residualgewinnmodells auf die Unternehmensbewertung eine
Anpassung des Modells notwendig. Nach der endlichen Detailplanungsphase
kann von gleichbleibenden oder abnehmenden Residualgewinnen ausgegangen
werden, was aber zu einem Bruch der Bedingung der Barwertkompatibilität in der
Totalperiode führt. Die Verletzung der Annahme der vollständigen Liquidation
führt in der Grenzwertbetrachtung aber nur dann zu einer Durchbrechung der
Barwertkompatibilität, wenn der Barwert des Liquidationserlöses im Übergang
zur Unendlichkeit nicht gegen Null konvergiert.
40
36
Coenenberg/Schultze (2002), S. 613.
37
Vgl. Krotter (2006), S. 3.
38
Vgl. Lücke (1955), S. 314; Knoll (1996), S. 115.
39
Vgl. Velthuis (2003), S.127.
40
Zur Problematik der Bewertung unendlich existierender Unternehmungen vgl.
Kruschwitz/Löffler (1998); Matschke/Hering (1999); Blaufus (2002); Kruschwitz/Löffler (2003).

9
Es ist zusätzlich anzumerken, dass, auch wenn die Bezeichnung der relevanten
Bewertungsgrößen, Periodengewinn und Eigenkapital, allgemein auf deren
Charakter schließen lässt, die Abgrenzung dieser Größen für das RGM auf
willkürliche Weise vorgenommen werden kann. Es ließe sich bei einer beliebigen,
nicht rechnungswesenspezifischen Definition der beiden Größen immer noch ein
modellkonformes Verhalten der Komplementärvariablen ableiten, welches die
Konsistenz und Funktionsfähigkeit des Bewertungskalküls vollständig erhalten
würde.
41
Dies ist darauf zurückzuführen, dass bei der Erhaltung der Clean Surplus
Bedingung eine Verschiebung von Periodengewinnen die Eigenkapitalbasis
beeinflusst, die dann einen entgegengesetzten Effekt in Form kalkulatorischer
Zinsen entfaltet.
42
Dadurch neutralisieren sich die beiden Effekte vollständig und
der Barwert der Residualgewinnbewertung bleibt gleich. ,,Insofern ist das Lücke-
Theorem ein Irrelevanztheorem für das Rechnungswesen"
43
, das unabhängig von
den Größen, mit denen es gefüllt wird, bei der Sicherstellung aller Annahmen nur
die technische Bedingung für eine Barwertberechnung darstellt. Folglich bestehen
für jedes willkürliche Rechnungslegungssystem bei einer künftigen Clean Surplus
konformen Vermögen- und Erfolgsermittlung beliebig viele Freiheitsgrade, wobei
der Barwert des RGM unverändert bleibt.
44
2.2.3 Bewertungskonzeptionelle Vorzüge der Residualgewinnmethode
Als Resultat unterschiedlicher, wenngleich gegenseitig abhängiger Rechenwerke
stellen Residualgewinne barwertidentisch periodisierte Cashflows dar. Der
eigentliche technische Unterschied der Residualgewinnbewertung zum DCF-
Verfahren ist in der Periodisierung der Bewertungsgrößen zu sehen. Tatsächlich
bezeugen aber mehrere empirische Untersuchungen dem Residualgewinnmodell
eine gegenüber den DCF-Verfahren wesentlich bessere Erklärungskraft von
Unternehmenswerten.
45
Dies wird auf die Tatsache zurückgeführt, dass der Anteil
des Unternehmenswertes, der durch die Diskontierungsreihe bestimmt wird, im
Residualgewinnmodell aufgrund des anfänglichen Vermögensbestandes
41
Vgl. Dechow/Hutton/Sloan (1999), S. 4; Zimmermann/Prokop (2003), S. 135.
42
Vgl. Hax (1989), S. 161.
43
Baldenius/Fuhrmann/Reichelstein (1999), S. 54.
44
Vgl. Schabel (2004), S. 38.
45
Zum Überblick über mehrere Studien vgl. AAA (2001), S. 166 f.; Zimmermann/Prokop (2002),
S. 276.

10
beträchtlich niedriger ist als bei den DCF-Verfahren. Im Rahmen der DCF-
Verfahren wird der Unternehmenswert vollständig aus diskontierten Cashflows
abgeleitet, wobei ein großer Teil des Unternehmenswertes aus der zweiten Phase
(Terminal Value) kommt. Eine detaillierte Analyse offenbart allerdings, dass
dieser Vorteil der RG-Methode nicht aus einer geringeren Abhängigkeit von
Zukunftserfolgen entsteht. Vielmehr wird der Bewertungsfehler aus öffentlich
verfügbaren Informationen des externen Rechnungswesens bei der Ermittlung des
Eigenkapitals und Periodengewinne weniger gravierend eingeschätzt als die
Schätzfehler bei der Prognose künftiger Zahlungsströme.
46
Bei unternehmens-
intern aufgestellten Prognosen dürfte sich jedoch der Vorteil der höheren
Prognose- und Bewertungsgenauigkeit der Periodenerfolge gegenüber Cashflows
wieder relativieren, so dass per se keine der Methoden die ,,richtigere" ist.
47
Ein weiterer Bereich, in dem das Residualgewinnmodell einen praktischen,
prognosetechnischen Vorteil besitzt, ist die transparentere Behandlung des
Restwertes im Terminal Value, bei der die Zusammenhänge zwischen der
Unternehmensrentabilität und den Kapitalkosten deutlicher werden.
48
So kann
man in der zweiten Phase der Bewertung dank des Charakters der
Residualgewinne als Übergewinn bzw. Überrendite mit der Kenntnis über
industriespezifische Renditen von der tatsächlichen Zahlungsstruktur abstrahieren
und eher auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unternehmens abzielen.
Dadurch besteht die Möglichkeit, besser berücksichtigen zu können, dass die
meisten Unternehmen langfristig nur selten höhere Renditen erwirtschaften als die
Wettbewerber.
49
Denn um eine dauerhaft über den Kapitalkosten liegende Rendite
zu erreichen, müsste ein Unternehmen nicht durch die Konkurrenz aufzuholende
Wettbewerbsvorteile besitzen.
50
Die DCF-Verfahren können durch eine
wachstumsdeterminierte Weiterführung des letzten Cashflows diesem Anspruch
nur bedingt nachkommen.
51
Dieser Effekt ist umso bedeutender, je schlechter die
Datenbasis im Hinblick auf den zukünftigen Zeitraum ist.
46
Vgl. Francis/Ohlson/Oswald (2000); kritisch Lundholm/O´Keefe (2001), S. 332;
Coenenberg/Schultze (2002), S. 607.
47
Vgl. AAA (2001), S. 169; Coenenberg/Schultze (2002), S. 607.
48
Vgl. Coenenberg/Schultze (2002), S. 609.
49
Vgl. Copeland/Koller/Murrin (2002), S. 299.
50
Vgl. Rappaport (1986), S. 62 f.; Coenenberg/Schultze (2002), S. 607.
51
Vgl. Prokop (2004), S. 192.

11
Auch wenn die Bewertung anhand der Residualgewinne der Discounted Cashflow
Methode (DCF) theoretisch gleichwertig ist, hat sich diese Methode im Bereich
der gutachterlichen und beraterorientierten Bewertung bei Transaktionen mit
Wechsel von Eigentumsrechten nicht durchsetzen können. Wie die empirische
Erhebung von Pellens/Rockholz/Stienemann (1997) zeigt, haben sich in diesem
Bereich die DCF- und die Ertragswertmethode durchgängig etablieren können.
52
Dies kann teilweise dem Hauptfachausschuss des Instituts der Wirtschaftsprüfer
(IDW) zugeschrieben werden, der in dem IDW ES 1 n. F. nur die
Ertragswertmethode und die DCF-Methode empfiehlt.
53
Dennoch haben
verschiedene Varianten des RGM verstärkt Einzug in die wertorientierte
Unternehmenssteuerung gehalten.
54
Die bekanntesten von den Beraterfirmen
propagierten Varianten sind z. B. Stern Stewart & Co. mit Economic Value
Added (EVA) oder McKinsey mit Economic Profit.
55
2.3 Empirische Untersuchung zum Ausmaß des Dirty Surplus Accounting in
den Konzernabschlüssen deutscher Kapitalmarktunternehmen
2.3.1 Motivation und Design der Untersuchung
Bei den vorherigen Erläuterungen der Zusammenhänge des RGM wurde
durchgehend von der Gültigkeit des Clean Surplus ausgegangen. Dabei erfolgte
keine Auseinandersetzung mit der Frage, ob diese Voraussetzung in der Realität
bzw. am deutschen Kapitalmarkt überhaupt gegeben ist. Um die Diskussion der
Bedeutung der Clean Surplus Bedingung in der Rechnungslegung später vertiefen
zu können, wird zunächst die Bilanzierungspraxis deutscher DAX- und MDAX-
Unternehmen betrachtet. Ziel dieser Untersuchung ist es, die ausgewiesenen
Jahresüberschüsse auf ihre konzeptionelle Bewertungseignung mit Hilfe des RGM
zu überprüfen und die möglichen Bewertungsfehler einzuschätzen zu können.
52
Vgl. Pellens/Rockholz/Stienemann (1997), S. 1933; mit ähnlichen Ergebnissen auch
Peemöller/Bömelburg/Denkmann (1994).
53
Vgl. Prokop (2004), S. 188.
54
Gemäß einer Umfrage von Aders/Hebertinger (2003) verwenden über 50 % der DAX 100-
Unternehmen buchwertbasierte Residualgewinne als Steuerungsinstrument. Für weitere Studien
mit bestätigenden Ergebnissen: Pellens/Crasellt/Rockholtz (1998), S. 16-26;
Peellens/Tomaszewski/Weber (2000); sowie Ruhwedel/Schultze (2002).
55
Vgl. Stewart (1991); Copeland/Koller/Murrin (2002), S. 184-188, 208-210.

12
Die folgende empirische Analyse kann als Fortsetzung der von Zimmermann und
Prokop im Jahr 2003 vorgestellten Untersuchung betrachtet werden. Die beiden
Autoren analysierten das Ausmaß der Clean Surplus Verstöße bei deutschen
börsennotierten Unternehmen im Zeitraum 1990 bis 2000. Aufbauend auf den
Ergebnissen der Arbeit von Zimmermann/Prokop wurde unter Beibehaltung des
Untersuchungsdesigns der Untersuchungszeitraum um die Jahre 2001 bis 2005
erweitert. Dadurch sollten nach der durchgängigen Umstellung aller Unternehmen
auf internationale Rechnungslegungsstandards mögliche Trends besser erkannt
werden. Die Untersuchung von Zimmermann/Prokop baute wiederum auf der
Arbeit von Lo/Lys (2000) auf, die den Umfang der Abweichung des
Rechnungslegungsregimes von der Clean Surplus Bedingung an dem US-
amerikanischen Kapitalmarkt analysierten.
56
Für die Untersuchung wurden zuerst die Buchwerte des Eigenkapitals sowie die
Jahresüberschüsse und die Nettoausschüttungen aller Unternehmen der Stichprobe
im entsprechenden Zeitraum ausgewertet. Hierzu wurde der IR Channel des
Datendienstanbieters Thomson Financial genutzt. Die Datengrundgesamtheit
weist allerdings leichte Abweichungen zu der Studie von Zimmermann/Prokop
auf, die aus der Nutzung der unterschiedlichen Zusammensetzung des DAX und
MDAX entstehen.
57
Aus den Daten wurde anschließend ein Clean Surplus
Gewinn (
) mit Hilfe der umgestellten Clean Surplus Gleichung (2.7)
berechnet, um anschließend aus der Differenz mit dem Jahresüberschuss den
Betrag des vorhandenen Dirty Surplus zu ermitteln.
t
CSG
58
t
t
t
t
NA
EK
EK
CSG
-
-
=
-1
(2.7)
Um die unternehmens- und periodenspezifischen Dirty Surplus Werte miteinander
vergleichen zu können, wurden diese mit dem entsprechenden Clean Surplus
Gewinn und dem Buchwert des Eigenkapitals skaliert. Dadurch erhielt man den
anteiligen Dirty Surplus für alle Unternehmen. Zuletzt wurde aus den so
ermittelten Werten der Median gebildet. Auf die Berechnung des arithmetischen
Mittels wurde aufgrund von vielen zufälligen Ausreißern bewusst verzichtet.
59
56
Vgl. Zimmerman/Prokop (2003), S. 138.
57
Für die eigene Erhebung wurde die Zusammensetzung des DAX und MDAX aus dem Mai 2006
genommen, während Zimmermann/Prokop die Zusammensetzung vom Dezember 2001 nutzten.
58
Zu einer beispielhaften Rechnung an Adidas-Salomon siehe Anhang Teil A.
59
Zur Behebung des Problems vgl. Vorgehensweise von Zimmermann/Prokop (2003) und Lo/Lys.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783956361272
ISBN (Paperback)
9783836600644
Dateigröße
772 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main – Wirtschaftswissenschaften, Betriebswirtschaftslehre
Erscheinungsdatum
2006 (Dezember)
Note
1,3
Schlagworte
residualgewinn rechnungslegung unternehmensbewertung clean surplus bilanzierung
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Titel: Die Clean Surplus Bedingung in der internationalen Rechnungslegung
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