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Institutionelle Faktoren und Anreizstrukturen im Schulwesen

Analyse und Reform - Optionen für das deutsche Bildungssystem

©2006 Diplomarbeit 108 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Das Bildungswesen steht in nahezu allen Ländern unter der Aufsicht des Staates und wird in hohem Maße mittels öffentlicher Gelder finanziert. Traditionell dominiert in Bildungssystemen eine zentrale Input-Steuerung der Schulen. Dazu gehört u. a. die staatliche Zuteilung von Finanz- und Personalressourcen, die Vorgabe von Richtlinien und Lehrplänen sowie umfassende rechtliche und administrative Regelungen. Insbesondere in Deutschland wurde der staatliche Bildungsauftrag (Artikel 7 des Grundgesetzes) in ein bis heute stark administrativ-zentralistisch ausgeprägtes Steuerungssystem umgesetzt, in dem die einzelnen öffentlichen Schulen weitgehend unselbständig sind und verwaltungstechnisch als „nachgelagerte Behörden [fungieren], die ihre Dienstleistungen nach vorgegebenen Normen und Dienstanweisungen zu erbringen haben.“
Durch internationale Schulleistungsstudien wie TIMSS und PISA wird jedoch zunehmend deutlich, dass sich die Qualität der schulischen Bildung allein mit einer staatlich administrierten und an Ressourceninputs orientierten Lenkung nicht sichern lässt. Denn zum einen erreichen Länder trotz vergleichbarem Ressourceneinsatz (gemessen am prozentualen Anteil der Bildungsausgaben am nationalen BIP) höchst unterschiedliche Resultate bei den gemessenen Bildungsergebnissen. Zum anderen lässt sich empirisch nachweisen, dass dezentrale Ressourcenverantwortung, Konkurrenz unter Schulen und damit verbundene output-orientierte Steuerungsansätze positive Effekte auf die Bildungsleistungen von Schülern ausüben.
Auch im deutschen Bildungssystem werden mit dem administrativen Steuerungsansatz allem Anschein nach wesentliche Ziele nicht (mehr) erreicht. Das gilt nicht nur mit Blick auf die Bildungsergebnisse wie bspw. die im PISA-Vergleich (erneut) unterdurchschnittlichen Testleistungen deutscher Schüler. Ebenfalls lassen sich in Bezug auf die Effizienz und Effektivität des Ressourceneinsatzes im Bildungsprozess hier zu Lande Defizite ausmachen. Schließlich wird, wie PISA gezeigt hat, ein weiteres Ziel und gleichzeitig eine wesentliche Legitimationsgrundlage einer staatlich-administrativen Bildungsproduktion – die aus Art. 20 Abs. 1 GG abgeleitete Gewährleistung gleicher Bildungschancen – im derzeitigen deutschen Schulsystem nicht erreicht.
Diese Befunde zeigen, dass dem Bildungsprozess, welcher sich zwischen staatlichen Mittelzuweisungen (Inputs) einerseits und Bildungsergebnissen (Outputs) andererseits vollzieht, nicht nur […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Das Bildungswesen steht in nahezu allen Ländern unter der Aufsicht des Staates und wird in hohem Maße mittels öffentlicher Gelder finanziert.[1] Traditionell dominiert in Bildungssystemen eine zentrale Input-Steuerung der Schulen. Dazu gehört u. a. die staatliche Zuteilung von Finanz- und Personalressourcen, die Vorgabe von Richtlinien und Lehrplänen sowie umfassende rechtliche und administrative Regelungen. Insbesondere in Deutschland wurde der staatliche Bildungsauftrag (Artikel 7 des Grundgesetzes) in ein bis heute stark administrativ-zentralistisch ausgeprägtes Steuerungssystem umgesetzt, in dem die einzelnen öffentlichen Schulen weitgehend unselbständig sind und verwaltungstechnisch als „nachgelagerte Behörden [fungieren], die ihre Dienstleistungen nach vorgegebenen Normen und Dienstanweisungen zu erbringen haben.“[2]

Durch internationale Schulleistungsstudien wie TIMSS und PISA wird jedoch zunehmend deutlich, dass sich die Qualität der schulischen Bildung allein mit einer staatlich administrierten und an Ressourceninputs orientierten Lenkung nicht sichern lässt. Denn zum einen erreichen Länder trotz vergleichbarem Ressourceneinsatz (gemessen am prozentualen Anteil der Bildungsausgaben am nationalen BIP) höchst unterschiedliche Resultate bei den gemessenen Bildungsergebnissen.[3] Zum anderen lässt sich empirisch nachweisen, dass dezentrale Ressourcenverantwortung, Konkurrenz unter Schulen und damit verbundene output-orientierte Steuerungsansätze positive Effekte auf die Bildungsleistungen von Schülern ausüben.[4]

Auch im deutschen Bildungssystem werden mit dem administrativen Steuerungsansatz allem Anschein nach wesentliche Ziele nicht (mehr) erreicht. Das gilt nicht nur mit Blick auf die Bildungsergebnisse wie bspw. die im PISA-Vergleich (erneut) unterdurchschnittlichen Testleistungen deutscher Schüler.[5] Ebenfalls lassen sich in Bezug auf die Effizienz und Effektivität des Ressourceneinsatzes im Bildungsprozess hier zu Lande Defizite ausmachen.[6] Schließlich wird, wie PISA gezeigt hat, ein weiteres Ziel und gleichzeitig eine wesentliche Legitimationsgrundlage einer staatlich-administrativen Bildungsproduktion – die aus Art. 20 Abs. 1 GG abgeleitete Gewährleistung gleicher Bildungschancen – im derzeitigen deutschen Schulsystem nicht erreicht.[7]

Diese Befunde zeigen, dass dem Bildungsprozess, welcher sich zwischen staatlichen Mittelzuweisungen (Inputs) einerseits und Bildungsergebnissen (Outputs) andererseits vollzieht, nicht nur aus pädagogischer Sicht Beachtung geschenkt werden sollte. Mit Blick auf den ineffizienten Einsatz bzw. die mögliche Fehllenkung von begrenzten Ressourcen (d. h. öffentlichen Steuergeldern) kommt dem Prozess der Bildungsproduktion nämlich auch aus ökonomischer Sicht eine erhebliche Bedeutung zu. Darüber hinaus scheint eine ökonomische Analyse des Bildungssystem aufgrund des beträchtlichen Umfangs der für den Bildungsbereich aufgewendeten Mittel und der Bedeutung von Humankapital für das (Lebens-)Einkommen und die Beschäftigungswahrscheinlichkeit des Einzelnen sowie für das Wirtschaftswachstum und das Beschäftigungsniveau der gesamten Volkswirtschaft nicht nur legitim sondern geradezu unerlässlich.[8]

Vor dem Hintergrund einer zweifelhaften Qualität schulischer Bildung einerseits sowie knapper öffentlicher Kassen andererseits liegt es nahe, auch für das deutsche Bildungssystem eine verstärkte Nutzung dezentraler und marktkonformer Steuerungselemente zu fordern.[9] Dennoch existieren nach wie vor große Vorbehalte gegenüber dem Einsatz von Marktinstrumenten im Bildungsbereich. Häufig wird angeführt, „das Gut Bildung sei zu wichtig, um es den Marktkräften zu überlassen“ und „Bildung sei keine Ware.“[10] Die beobachtbaren Unzulänglichkeiten im gegenwärtigen System scheinen jedoch in hohem Maße in dieser Abschottung des Bildungssektors gegenüber ökonomischen Ansätzen begründet zu sein.[11]

Im Allgemeinen geht es in diesem Zusammenhang zwar um eine Stärkung und den sinnvollen Einsatz marktkonformer Steuerungselemente, nicht jedoch um eine vollständige Deregulierung oder Privatisierung des Bildungswesens.[12] Auch bei einer rein effizienztheoretischen Betrachtung wird die Rolle des Staates nicht vollkommen obsolet, denn der „Bildungsmarkt“ weist eine Reihe von Besonderheiten auf. Neben Merkmalen eines unvollständigen Wettbewerbs lässt sich insbesondere vermuten, dass die elementare Bildung neben privaten in hohem Maße auch soziale Erträge generiert.[13] Diese kommen der Gesellschaft als Ganzer zu gute, werden aber nicht bzw. nur teilweise im individuellen Kosten-Nutzen-Kalkül der Bildungsnachfrager berücksichtigt. Folglich bleibt die private Nachfrage hinter dem gesellschaftlich wünschenswerten Niveau zurück.

[...]


[1] Weiß, R. (2003), S. 386.

[2] Ebd.

[3] Die privaten und öffentlichen Bildungsausgaben betrugen im Jahr 2001 im Ländermittel der OECD-Staaten 5,6 Prozent des BIP (Deutschland: 5,3 Prozent), vgl. OECD (2004a), S. 244.

[4] Vgl. Hoxby, C. M. (2002), S. 49-51.

[5] Auch in der zweiten PISA-Studie erzielten deutsche Schüler bspw. im Bereich Lesekompetenz nur unterdurchschnittliche Ergebnisse, vgl. PISA-Konsortium Deutschland (Hrsg.) (2004), S. 10.

[6] So erreichen 15-Jährige in Staaten wie Finnland, Irland, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich mit vergleichbaren oder geringeren Bildungsausgaben pro Schüler im Primar- und Sekundarbereich weit bessere Leistungen in zentralen Schulfächern als deutsche Schüler, vgl. OECD (2004a), S. 209.

[7] Vgl. Avenarius, H. (2001), S. 126. In Deutschland ist „[a]uch bei gleichen kognitiven Grundfähigkeiten (...) die relative Chance, ein Gymnasium statt einer Realschule zu besuchen, für ein Kind aus den höchsten Sozialschichtgruppen etwa dreimal größer als für ein Arbeiterkind.“ PISA-Konsortium Deutschland (Hrsg.) (2002), S. 13.

[8] Vgl. Sachverständigenrat (2004), Ziffern 559-565, S. 423-430.

[9] Im Gegensatz zu Deutschland sind seit den 1990er Jahren bereits mehrere OECD-Länder zu einer verstärkten Nutzung output-orientierter Steuerungselemente übergegangen, vgl. Döbert, H. (2003), S. 300.

[10] Zitiert nach Weiß, R. (2003), S. 386-387.

[11] Vgl. Weiß, M. (1999), S. 413.

[12] Vgl. Belfield, C. R. / Levin, H. M. (2003), S. 14-17.

[13] Vgl. ebd.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783956361258
ISBN (Paperback)
9783836600620
Dateigröße
3.2 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität zu Köln – Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften
Erscheinungsdatum
2006 (Dezember)
Note
1,3
Schlagworte
institution schule autonomie schulreform ökonomie
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