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Anforderungen an eine nachhaltige Anreizregulierung der Netzentgelte für die deutsche Elektrizitätswirtschaft

©2006 Diplomarbeit 107 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Problemstellung:
Die Marktstruktur der deutschen Elektrizitätswirtschaft im Jahr 2006 ist durch horizontale Konzentration auf der Erzeugungsebene und vertikale Integration über die verschiedenen Wertschöpfungsstufen gekennzeichnet. Durch die Fusionstätigkeit nach der Liberalisierung 1998 hat die Konzentration zugenommen. Die Zahl der überregionalen Verbundunternehmen hat sich durch Unternehmenszusammenschlüsse von acht auf vier reduziert. Der deutsche Strommarkt wird von RWE, E.ON, Vattenfall Europe und EnBW oligopolistisch beherrscht. Zusammen verfügen sie über 80 Prozent der deutschen Erzeugungskapazitäten für elektrische Energie. Zudem kontrollieren sie über vertikale Beteiligungen an regionalen Versorgern und lokalen Stadtwerken auch den Absatz von Elektrizität.
Die Kombination aus dem privatwirtschaftlich verhandelten Netzzugang mit Ex-post-Kontrolle und der ausgeprägten vertikalen Verflechtung der Netzunternehmen führte zu Diskriminierungsanreizen der Netzbetreiber auf den nachgelagerten Ebenen. Der Gesetzgeber sah hierin die hauptsächliche Ursache für die hohen Netzzugangsentgelte und Strompreise sowie den fehlenden Wettbewerb zwischen etablierten Betreibern und neu in den Markt eintretenden Stromanbietern. Die niedrige Wettbewerbsintensität in Verbindung mit hohen Strompreisen veranlasste den Gesetzgeber, mit der Energierechtsnovelle vom 13. Juli 2005 den zukünftigen Verlauf einer disaggregierten Regulierung festzulegen. Dabei soll ausschließlich der Netzbetrieb reguliert werden. Der diskriminierungsfreie Zugang zur Netzinfrastruktur ist die Voraussetzung für Wettbewerb auf den anderen Stufen des Elektrizitätsmarktes.
Drei Kernpunkte des neugeregelten Energiewirtschaftsrechts sind von besonders weitreichender Bedeutung. Der disaggregierte Regulierungsansatz unterscheidet die zu regulierenden Netzebenen von den wettbewerbsfähigen Stufen der Wertschöpfungskette. Das zum Jahr 2007 umzusetzende legal Unbundling, d.h. die gesetzlich verordnete Entflechtung der operationellen Organisationseinheiten Energieerzeugung, Übertragungs- und Verteilungsnetzbetrieb sowie Vertrieb für Unternehmen mit mehr als 100.000 Kunden, soll die Möglichkeit zur Quersubventionierung durch künstlich überhöhte Netznutzungsentgelte der bisher vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmen (EVUs) unterbinden.
Ein zweiter Kernpunkt des neuen Energiewirtschaftsgesetzes ist die Einrichtung einer Marktaufsicht. Die Bundesnetzagentur soll die Netzbetreiber […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Katia Tanz-Rahlfs
Anforderungen an eine nachhaltige Anreizregulierung der Netzentgelte für die deutsche
Elektrizitätswirtschaft
ISBN-13: 978-3-8366-0045-3
Druck Diplomica® GmbH, Hamburg, 2007
Zugl. Universität Hamburg, Hamburg, Deutschland, Diplomarbeit, 2006
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http://www.diplom.de, Hamburg 2007
Printed in Germany

,,Anforderungen an eine nachhaltige Anreizregulierung der Netzentgelte für die deutsche Elektrizitätswirtschaft" Katia Tanz
I
Inhaltsverzeichnis
INHALTSVERZEICHNIS ... I
ABBILDUNGSVERZEICHNIS ... III
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ... IV
1
PROBLEMERLÄUTERUNG, ZIEL UND VORGEHENSWEISE ...1
1.1
Problemstellung ... 1
1.2
Ziel und Vorgehensweise ... 2
2
BESONDERHEITEN DER ELEKTRIZITÄTSWIRTSCHAFT...5
2.1
Die Struktur des Elektrizitätsmarktes ... 5
2.2
Besonderheiten des Elektrizitätsmarktes... 8
2.3
Das Netz als natürliches Monopol ... 9
2.4
Netzzugang und Netznutzungsentgelte ...10
3
DIE EINFÜHRUNG EINER ANREIZORIENTIERTEN REGULIERUNG.13
3.1
Derzeitiger Status Quo und Gesetzeslage...13
3.1.1
Die Situation vor der Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes 2005 ...13
3.1.2
Das novellierte Energiewirtschaftsgesetz von Juli 2005 ...16
3.1.3
Die Entscheidung für eine Anreizregulierung...21
3.2
Die Anreizregulierung: Mechanismen und Ansätze ...23
3.2.1
Price Cap-Regulierung ...23
3.2.2
Total Revenue Cap-Regulierung...29
3.2.3
Weighted Average Revenue Cap-Regulierung ...31
3.2.4
Yardstick-Regulierung...33
3.2.5
Sliding Scale-Regulierung ...36
3.3
Zusammenfassung ...39
4
SCHEMA ZUR BEWERTUNG DER ANREIZREGULIERUNGS-
ANSÄTZE. ...41
4.1
Kriterien zur Bewertung der fünf Regulierungsansätze ...41
4.2
Anreizwirkung und Zielerfüllung der fünf Regulierungsansätze ...43
4.2.1
Price Cap-Regulierung ...43
4.2.2
Total Revenue Cap-Regulierung...49

,,Anforderungen an eine nachhaltige Anreizregulierung der Netzentgelte für die deutsche Elektrizitätswirtschaft" Katia Tanz
II
4.2.3
Weighted Average Revenue Cap-Regulierung ...51
4.2.4
Yardstick-Regulierung...54
4.2.5
Sliding Scale-Regulierung ...57
4.2.6
Zusammenfassung...60
4.3
Qualitätsregulierung als flankierende Maßnahme ...64
4.4
Die Gefahr einer Regulierungsfalle...68
4.5
Zusammenfassung ...69
5
DIE ANREIZREGULIERUNG IN DER PRAXIS ...70
5.1
Bewertung des Vorschlags der Bundesnetzagentur für eine Anreizregulierung der
deutschen Stromnetzwirtschaft ...70
5.1.1
Der Vorschlag der Bundesnetzagentur von Juni 2006...70
5.1.2
Bewertung des Vorschlags nach den definierten Kriterien...79
5.2
Die Anreizregulierung in Großbritannien: Erfahrungen der britischen
Regulierungsbehörde Ofgem ...86
5.3
Zusammenfassung ...89
6
SCHLUSSBETRACHTUNG ...91
LITERATURVERZEICHNIS...93
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG ...100

,,Anforderungen an eine nachhaltige Anreizregulierung der Netzentgelte für die deutsche Elektrizitätswirtschaft" Katia Tanz
III
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Aufbau der Arbeit ...3
Abbildung 2: Die vier Stufen des deutschen Elektrizitätsmarktes...5
Abbildung 3: Stromverbrauch in Deutschland nach Anteilen...7
Abbildung 4: Zusammensetzung des Strompreises (im Jahr 2006)...12
Abbildung 5: Vergleich zwischen Total und Average Revenue Cap...32
Abbildung 6: Mechanismus der Sliding Scale-Regulierung ...38
Abbildung 7: Prinzip der Price Cap-Regulierung bei einer jährlichen Kostenreduktion
von 3 Prozent...44
Abbildung 8: Absatzmenge, Erlös und Durchschnittserlös in der Ausgangslage ...52
Abbildung 9: Gewinnausweitung bei Einhaltung der Erlösobergrenze ...53
Abbildung 10: Entgeltbildung unter der Yardstick-Regulierung ...55
Abbildung 11: Renditen unter einer Sliding Scale-Regulierung ...57
Abbildung 12: Zusammenfassung der Ergebnisse...61

,,Anforderungen an eine nachhaltige Anreizregulierung der Netzentgelte für die deutsche Elektrizitätswirtschaft" Katia Tanz
IV
Abkürzungsverzeichnis
AKM
Methode
der
Analytischen
Kostenmodelle
DEA
Data
Envelopment
Analysis
EnWG
Energiewirtschaftsgesetz
EnWG-E
Novelle
des
Energiewirtschaftsgesetzes
EVU bzw. EVUs
Energieversorgungsunternehmen (sing. und pl.)
GE
Geldeinheiten
ME
Mengeneinheiten
NETA
New Electricity Trading Arrangements
NGC
National
Grid
Company
nTPA
negotiated Third Party Access
Ofgem
Office of Gas and Electricity Markets
RECs
Regional
Electricity
Companies
RPI
Retail Price Index (Einzelhandelspreisindex)
rTPA
regulated Third Party Access
SFA
Stochastische
Effizienzgrenzenanalyse
StromNEV
Stromnetzentgeltverordnung
StromNZV
Stromnetzzugangsverordnung
VV
Verbändevereinbarungen
VPI
Verbraucherpreisindex
X-Faktor
Effizienzfaktor
Z-Faktor
Korrekturfaktor für exogene Einflüsse
Synonyme Verwendung
In der vorliegenden Arbeit werden folgende Begrifflichkeiten und Bezeichnungen
synonym verwendet:
-
elektrische Energie, Elektrizität und Strom,
-
Elektrizitäts-, Energie- und Strommarkt,
-
Bundesnetzagentur, Netzagentur, Agentur, Regulierungsbehörde und Regulierer,
-
Entgelte, Preise und Tarife,
-
Netznutzungsentgelte, Netzentgelte und Durchleitungsentgelte,
-
Gesetzgeber und Bundesregierung.

,,Anforderungen an eine nachhaltige Anreizregulierung der Netzentgelte für die deutsche Elektrizitätswirtschaft" Katia Tanz
1
1 Problemerläuterung, Ziel und Vorgehensweise
1.1 Problemstellung
Die Marktstruktur der deutschen Elektrizitätswirtschaft im Jahr 2006 ist durch
horizontale Konzentration auf der Erzeugungsebene und vertikale Integration über die
verschiedenen Wertschöpfungsstufen gekennzeichnet. Durch die Fusionstätigkeit nach
der Liberalisierung 1998 hat die Konzentration zugenommen. Die Zahl der
überregionalen Verbundunternehmen hat sich durch Unternehmenszusammenschlüsse
von acht auf vier reduziert. Der deutsche Strommarkt wird von RWE, E.ON, Vattenfall
Europe und EnBW oligopolistisch beherrscht. Zusammen verfügen sie über 80 Prozent
der deutschen Erzeugungskapazitäten für elektrische Energie. Zudem kontrollieren sie
über vertikale Beteiligungen an regionalen Versorgern und lokalen Stadtwerken auch
den Absatz von Elektrizität.
1
Die Kombination aus dem privatwirtschaftlich verhandelten Netzzugang mit Ex-post-
Kontrolle und der ausgeprägten vertikalen Verflechtung der Netzunternehmen führte zu
Diskriminierungsanreizen der Netzbetreiber auf den nachgelagerten Ebenen. Der
Gesetzgeber sah hierin die hauptsächliche Ursache für die hohen Netzzugangsentgelte
und Strompreise sowie den fehlenden Wettbewerb zwischen etablierten Betreibern und
neu in den Markt eintretenden Stromanbietern. Die niedrige Wettbewerbsintensität in
Verbindung mit hohen Strompreisen veranlasste den Gesetzgeber, mit der
Energierechtsnovelle vom 13. Juli 2005 den zukünftigen Verlauf einer disaggregierten
Regulierung festzulegen. Dabei soll ausschließlich der Netzbetrieb reguliert werden.
Der diskriminierungsfreie Zugang zur Netzinfrastruktur ist die Voraussetzung für
Wettbewerb auf den anderen Stufen des Elektrizitätsmarktes.
2
Drei Kernpunkte des neugeregelten Energiewirtschaftsrechts sind von besonders
weitreichender Bedeutung. Der disaggregierte Regulierungsansatz unterscheidet die zu
regulierenden Netzebenen von den wettbewerbsfähigen Stufen der
Wertschöpfungskette. Das zum Jahr 2007 umzusetzende legal Unbundling, d.h. die
gesetzlich verordnete Entflechtung der operationellen Organisationseinheiten
Energieerzeugung, Übertragungs- und Verteilungsnetzbetrieb sowie Vertrieb für
Unternehmen mit mehr als 100.000 Kunden, soll die Möglichkeit zur
1
Vgl. Monopolkommission (2004a), S. 76
2
Gemäß der Essential-Facilities-Doktrin ist der Regulierungsbedarf mit der Existenz eines
monopolistischen Engpasses begründet. Im Falle der Stromnetze stehen alternative Netze nicht zur
Verfügung. Etablierte Netzbetreiber besitzen daher hohe Marktmacht bei der Bereitstellung des
Engpassfaktors, die zu regulieren ist. Vgl. Knieps, G. (2003), S. 12

,,Anforderungen an eine nachhaltige Anreizregulierung der Netzentgelte für die deutsche Elektrizitätswirtschaft" Katia Tanz
2
Quersubventionierung durch künstlich überhöhte Netznutzungsentgelte der bisher
vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmen (EVUs) unterbinden.
Ein zweiter Kernpunkt des neuen Energiewirtschaftsgesetzes ist die Einrichtung einer
Marktaufsicht. Die Bundesnetzagentur soll die Netzbetreiber auf dem deutschen
Energiemarkt überwachen und für ein angemessenes Preisniveau sorgen. Zur
Ermöglichung einer solchen Aufsicht erlegt das Gesetz den Versorgungsunternehmen
umfangreiche
Veröffentlichungs-, Dokumentations-, Berichts- und
Auskunftspflichten auf.
3
Das Thema dieser Arbeit ist der dritte Punkt, die noch auszugestaltende
Anreizregulierung der Netznutzungsentgelte. Diese Entgelte machen ca. ein Drittel
des Strompreises aus. Im Energiewirtschaftsgesetz ist der gesetzliche Rahmen für eine
anreizbasierte Entgeltregulierung vorgegeben. Die Bundesnetzagentur hat zum 1. Juli
2006 den Vorschlag eines möglichen Anreizregulierungssystems vorgelegt. Nach der
abschließenden Festlegung der Kalkulationsmethoden für die Netznutzungspreise durch
die Bundesregierung werden Netzbetreiber und Verbundunternehmen wichtige
Entscheidungen hinsichtlich ihrer Kalkulationen und Investitionen treffen müssen.
Schon jetzt sind die ,,Voraussetzungen für eine [...] konstante Entwicklung ­ stabile
Märkte, regulatorische Konsistenz, Investitionssicherheit"
4
­ nicht mehr gegeben. Der
deutsche Kraftwerkspark und die Energienetze sind veraltet und benötigen
Investitionen. Die zukünftige Bedeutung der Energieträger Kohle, Gas und Kernkraft ist
jedoch auf Grund politischer Unsicherheiten schwer abschätzbar. Die Unternehmen der
Energiewirtschaft fordern Planungssicherheit und ,,einen ,,zuverlässigen
Regulierungsrahmen [...], der neuen Investitionen sowohl in die Elektrizitätserzeugung
als auch in die Elektrizitätsinfrastruktur förderlich ist"
5
. Will der Gesetzgeber
Versorgungsengpässe vermeiden, muss er gerade auf Grund der hohen vertikalen
Integration in Deutschland die anreizbasierte Regulierung der Netzentgelte ausreichend
und weitsichtig gestalten.
1.2 Ziel und Vorgehensweise
Der deutsche Elektrizitätsmarkt steht vor tiefgreifenden Veränderungen. Nachdem die
Entgelte für die Nutzung der Stromnetze traditionell verhandelt wurden, wird nun eine
anreizorientierte Regulierung eingeführt, welche die Netzentgelte ex ante festlegt. Der
3
Vgl. VDEW-VDN (2004), S. 11
4
o.V. (2005 a), S. 18
5
Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2005), S. 15

,,Anforderungen an eine nachhaltige Anreizregulierung der Netzentgelte für die deutsche Elektrizitätswirtschaft" Katia Tanz
3
deutsche Gesetzgeber erhofft sich dadurch ähnliche Erfolge wie sie andere europäische
Länder erzielen konnten. In Deutschland existieren jedoch keinerlei Erfahrungen mit
Anreizregulierungsregimen.
Diese Arbeit stellt zunächst Ansätze und Instrumente der Anreizregulierung vor. Es
wird gezeigt, welche theoretischen Möglichkeiten bei der Einführung einer
Anreizregulierung für den deutschen Stromnetzbetrieb zur praktischen Anwendung
kommen könnten. Ziel der Arbeit ist es, die Bewertung einzelner Ansätze zu
ermöglichen. Dazu werden Kriterien für eine erfolgreiche Anreizregulierung innerhalb
des deutschen Netzbetriebs definiert und in einem Bewertungsschema systematisiert.
Dieses Schema wird genutzt, um
-
erstens die vielfältigen theoretischen Möglichkeiten der Anreizregulierung
vergleichbar zu machen, und
-
zweitens die Wirkungen zu beschreiben, die die Umsetzung des im Juni 2006
vorgelegten Regulierungsvorschlags der Bundesnetzagentur auf die
Netznutzungsentgelte in Deutschland tatsächlich hätte.
Die Vorgehensweise der Arbeit wird in Abbildung 1 graphisch dargestellt.
Abbildung 1: Aufbau der Arbeit
6
6
Eigene Darstellung
Schlussbetrachtung und Fazit (Kapitel 6)
Problemstellung, Ziel und Vorgehensweise (Kapitel 1)
Die Anreizregulierung in der Praxis (Kapitel 5)
Schema zur Bewertung der vorgestellten Anreizregulierungsansätze (Kapitel 4)
Die Einführung einer
anreizorientierten Regulierung
(Kapitel 3)
Besonderheiten der
Elektrizitätswirtschaft (Kapitel 2)

,,Anforderungen an eine nachhaltige Anreizregulierung der Netzentgelte für die deutsche Elektrizitätswirtschaft" Katia Tanz
4
Zum allgemeinen Verständnis führt das Kapitel II in die Strukturen und
Besonderheiten der Elektrizitätswirtschaft ein. Dabei wird auf die besondere Stellung
des Stromnetzes eingegangen und sukzessive das Thema der Arbeit, die Regulierung
der Entgelte für die Netznutzung, herausgearbeitet.
Das folgende Kapitel III erläutert zunächst den derzeitigen Status Quo nach dem 2005
novellierten Energiewirtschaftsgesetz sowie die gesetzlichen Anforderungen an eine
Neuregulierung des Netzbetriebs. Hiernach werden detailliert fünf anreizorientierte
Ansätze aus der Regulierungstheorie vorgestellt, die im Rahmen einer
Anreizregulierung in Deutschland eingesetzt werden könnten.
Auf Basis der in Kapitel II und III herausgearbeiteten Erkenntnisse über die praktischen
Gegebenheiten und die theoretischen Regulierungsmöglichkeiten wird in Kapitel IV
ein Bewertungsschema erstellt. In dieses Schema werden die ausgesuchten
Regulierungsverfahren nach vier Kriterien eingeordnet und bewertet, und zwar
hinsichtlich
-
ihrer Einfachheit bei der Einführung und Umsetzung,
-
der gesetzten Anreize zu Effizienzsteigerungen und Kostensenkungen,
-
der Anreize zur Sicherung der Versorgungsqualität, sowie
-
ihrer fairen Verteilung von Gewinnen und finanziellen Risiken.
Dieses Schema wird im Kapitel V zur Bewertung des von der Bundesnetzagentur
vorgeschlagenen Regulierungskonzeptes aufgegriffen. Nach ausführlicher Analyse des
Vorschlags werden die Regulierungselemente in das Anreizschema eingeordnet und
bewertet. Zudem wird als Beispiel einer langjährig praktizierten Anreizregulierung der
Netzbetrieb in Großbritannien herangezogen. Die dort gemachten Erfahrungen werden
im zweiten Teil des Kapitels beschrieben.
Abschließend erfolgt in Kapitel VI eine kurze, zusammenfassende Betrachtung.

,,Anforderungen an eine nachhaltige Anreizregulierung der Netzentgelte für die deutsche Elektrizitätswirtschaft" Katia Tanz
5
2 Besonderheiten der Elektrizitätswirtschaft
2.1 Die Struktur des Elektrizitätsmarktes
Der Markt für das Gut Strom bzw. die Dienstleistung Stromversorgung ist in vier
Teilmärkte bzw. Stufen unterteilbar: Die Erzeugung von Strom, seine Übertragung,
seine Verteilung auf lokaler Ebene und der Vertrieb an Industrie- und Privatkunden.
7
Abbildung 2: Die vier Stufen des deutschen Elektrizitätsmarktes
8
Auf der Stufe der Erzeugung von Strom werden primäre Energieträger wie Kohle, Öl,
Gas, Sonnen- und Windenergie in die sekundäre Energie Elektrizität transformiert.
9
Diese Umwandlung erfolgt in Grund-, Mittel- und Spitzenlastkraftwerken.
10
Die
entstehende Elektrizität wird mit Hilfe von Übertragungs- und Verteilnetzen
transportiert.
11
Dabei entstehen Leitungsverluste, die umso höher sind, je niedriger die
Spannungsebene ist. Aufgrund der niedrigeren Leitungsverluste auf hohen
Spannungsebenen erfolgt der Transport über große Entfernungen mit Hilfe der Höchst-
und Hochspannungsleitungen, die das Übertragungsnetz bilden. Deutschland ist in vier
Regelzonen aufgeteilt, in denen jeweils einer der vier Netzbetreiber für das
Übertragungsnetz verantwortlich ist. Lokale Verteilnetze nutzen Mittel- und
7
Vgl. Bier, C. (2002), S. 5
8
Eigene Darstellung in Anlehnung an Brunekreeft, G. und Keller, K. (2001), S. 12
9
Der Begriff der Energie- oder Stromerzeugung ist physikalisch nicht korrekt, da es sich lediglich um die
Umwandlung einer Energieform in eine andere handelt. Zum Zwecke dieser Arbeit wird er jedoch
beibehalten.
10
Grundlastkraftwerke (Braunkohle-, Kernkraftwerke) bedienen die Netzbelastung, die in einem
Stromnetz innerhalb eines Tages nicht unterschritten wird (= Grundlast), zu günstigen Grenzkosten.
Steigt die Netzbelastung durch höhere Nachfrage, werden schrittweise Kraftwerke mit höheren
Grenzkosten zugeschaltet (Mittellastkraftwerke auf Steinkohlebasis, Spitzenlastkraftwerke auf Basis von
Öl und Erdgas). Vgl. Bier, C. (2002), S. 6
11
Es gibt vier Netzebenen, die der Höchst-, Hoch-, Mittel- und Niederspannungsnetze.
Versorgung der Endkunden
Erzeugung
Verteilnetze
Übertragungs- und Transportnetz
Monopolstellung der
vier Verbundunternehmen
in der jeweiligen Regelzone
Versorgung der Endkunden
Erzeugung
Verteilnetze
Übertragungs- und Transportnetz
Monopolstellung der
vier Verbundunternehmen
in der jeweiligen Regelzone

,,Anforderungen an eine nachhaltige Anreizregulierung der Netzentgelte für die deutsche Elektrizitätswirtschaft" Katia Tanz
6
Niederspannung zur Verteilung an die Endkunden. Das Elektrizitätsnetz erfüllt neben
seiner Transportfunktion auch die Aufgabe der Spannungserhaltung. Das Netz verbindet
Kraftwerke und gleicht Nachfrageschwankungen sowie Ausfälle einzelner Kraftwerke
aus. Unabhängig von den technisch-physikalischen Bedingungen der drei ersten Stufen
bildet der Vertrieb von Elektrizität den vierten Teilmarkt. Seit dem novellierten
Energiewirtschaftsgesetz des Jahres 1998 herrschen hier Wettbewerbsbedingungen.
12
Neben den bis dahin staatlichen, monopolistischen Energieversorgungsunternehmen
dürfen nun auch andere Anbieter Elektrizität an Endkunden verkaufen.
Angebotsseitig waren 2005 in Deutschland ca. 1.100 Unternehmen als Teilnehmer im
Elektrizitätsmarkt aktiv: Vier Verbundunternehmen
13
mit vier Übertragungsnetz-
betreibern, 50 reine Stromerzeuger, 60 regionale Versorger, 25 größere Stadtwerke, 700
mittlere und kleine Stadtwerke und 100 kleine private Versorger. Hinzu kommen ca.
150 neue Marktteilnehmer, die zumeist im Stromvertrieb aktiv sind.
14
Diese Unternehmen lassen sich analog zur Wertschöpfungskette in vier Ebenen
einteilen. Die Erzeugung von Elektrizität erfolgt durch die überregionalen
Verbundunternehmen und die reinen Stromerzeuger.
15
Ihre Übertragung und
Verteilung wird von den vier Verbundunternehmen sowie regionalen Versorgern
übernommen. Letztere besitzen selbst nur geringe Erzeugungskapazitäten. Die
Versorgung der Endverbraucher erfolgt durch kommunale Stadtwerke bzw. lokale
Versorger, die zumeist Eigenbetriebe der Kommunen sind. Verkauft wird Strom
schlussendlich von etwa 900 Stromversorgern, Stadtwerken und Vertriebsgesellschaften
in Deutschland.
16
Weitere Teilnehmer auf dem Elektrizitätsmarkt sind zum einen die Verbraucher. Private
Haushalte haben einen Anteil von etwa 26 Prozent am deutschen Elektrizitätsverbrauch.
Die Industrie als größter Verbraucher bezieht rund 48 Prozent. Handel, Gewerbe und
12
Das Energiewirtschaftsgesetz setzte die EU-Richtlinie zum Elektrizitätsbinnenmarkt in nationales
Recht um und verfolgte die Öffnung des Marktes für leitungsgebundene Energie. Die staatlich
eingerichteten Gebietsmonopole wurden abgeschafft.
13
Verbundunternehmen schließen ihre Kraftwerke und Netze zu einem Verbundnetz zusammen. Durch
ein Verbundnetz wird das Energiesystem stabiler, da Über- und Unterkapazitäten abgefangen werden
können.
14
Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie BMWi (2006 a), S. 36
15
Die vier Verbundunternehmen RWE AG, E.ON AG, Vattenfall Europe AG, EnBW Energie Baden-
Württemberg AG verfügen zusammen über ca. 80 Prozent der deutschen Erzeugungskapazitäten für
Elektrizität.
16
Vgl. Monopolkommission (2004 b), S. 444, Tz. 1139

,,Anforderungen an eine nachhaltige Anreizregulierung der Netzentgelte für die deutsche Elektrizitätswirtschaft" Katia Tanz
7
Dienstleistungen stellen die drittgrößte Kundengruppe mit einem Anteil von 22 Prozent.
Vier Prozent entfallen auf Verkehr und Landwirtschaft.
17
Zum anderen ist die 2005 gegründete Bundesnetzagentur ein Teilnehmer auf dem
Elektrizitätsmarkt.
18
Sie wird die Aufsicht über die Strommärkte übernehmen. Ihre
wesentliche Aufgabe ist dabei die Genehmigung und anschließende Kontrolle der
Netznutzungsentgelte. Die Bundesnetzagentur wird Unternehmen mit mehr als 100.000
Kunden regulieren und etwa 90 Prozent des Elektrizitätsmarktes überwachen.
Abbildung 3: Stromverbrauch in Deutschland nach Anteilen
19
Bei der Betrachtung des Elektrizitätsmarktes tritt die Frage der Marktabgrenzung auf.
Das Prinzip des relevanten Marktes besagt, dass dazu ,,all die Güter bzw. Produzenten
zählen, die in wirksamer Konkurrenz miteinander stehen"
20
.
Der sachlich relevante Produktmarkt bezieht sich auf sämtliche Erzeugnisse, die von
den Verbrauchern als Substitute angesehen werden.
21
Elektrizität wird zur Erzeugung
von Wärme und Licht und zum Betreiben von Maschinen und Geräten verwendet.
Bisher ist Elektrizität lediglich im Bereich der Wärme durch Kohle, Gas oder Öl
substituierbar.
Der räumlich relevante Markt ist das Gebiet, in dem die relevanten Produkte angeboten
werden, und das sich von angrenzenden Gebieten durch eindeutig unterschiedliche
Wettbewerbsbedingungen abgrenzt.
22
Seit der Marktöffnung 1998 ist die deutsche
Elektrizitätsversorgung in den europäischen Binnenmarkt einbezogen. Eine ,,Belebung
17
Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie BMWi (2006 b), XLS-Datenblatt ,,Struktur
des Energieverbrauchs"
18
Seit dem 13. Juli 2005 ist die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post, die aus dem
Bundesministerium für Post und Telekommunikation und dem Bundesamt für Post und
Telekommunikation hervorging, umbenannt in Bundesnetzagentur.
19
Eigene Darstellung
20
Bester, H. (2004), S. 20
21
Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften (1997), S. 2
22
Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften (1997), S. 2
Industrie
Private
Handel, Gewerbe etc.
Verkehr, Landwirtschaft

,,Anforderungen an eine nachhaltige Anreizregulierung der Netzentgelte für die deutsche Elektrizitätswirtschaft" Katia Tanz
8
des Wettbewerbs durch neue Marktteilnehmer aus dem In- und Ausland"
23
ist jedoch
nicht erfolgt. Die seit 1998 ,,in den deutschen Strommarkt eingetretenen Stromhändler
konnten ihre Marktposition nicht festigen und sind in großer Anzahl bereits wieder aus
dem Markt ausgeschieden"
24
.
Auf dem Elektrizitätsmarkt bestehen demzufolge wenig Substitutionsmöglichkeiten für
Endkunden. Die vier marktmächtigen Unternehmen können die Preisinelastizität der
Nachfrage nach elektrischer Energie zu ihrem Vorteil nutzen.
2.2 Besonderheiten des Elektrizitätsmarktes
Eine Besonderheit der Elektrizitätswirtschaft besteht in der Notwendigkeit eines
leitungsgebundenen Transports von Strom. Elektrizität ist die Fähigkeit, elektrische
Arbeit zu verrichten sowie Wärme und Licht zu produzieren. Sie beruht auf der
Bewegung von unterschiedlichen elektrischen Ladungen (Elektronen) in einem
elektrischen Leiter. Um elektrische Energie vom Kraftwerk zum Verbraucher zu
transportieren, benötigt man ein spezielles, leitungsgebundenes Transportsystem.
Eine zweite Besonderheit ist die fehlende Speicherbarkeit von elektrischer Energie.
Rückgriffe auf gespeicherte Vorräte sind nicht möglich. Das macht den Markt relativ
unelastisch. Die Erzeugungskapazität muss sich an der maximalen Spitzenlast
ausrichten, um Kapazitätsausfälle zu vermeiden und die Versorgungssicherheit zu
gewährleisten.
25
Eine ausgeglichene Belastungsstruktur ist das primäre Ziel. Dies hatte
die Entstehung von Verbundnetzen zur Folge, in denen durch Energieaustausch
Lastschwankungen minimiert und Kraftwerke besser ausgenutzt werden können.
Die dritte Besonderheit von Elektrizität ist ihre Homogenität und die damit
einhergehende beschränkte Möglichkeit zu Produktdifferenzierung und
Qualitätswettbewerb. ,,Aus Sicht des Verbrauchers ist die von ihm aus dem Netz
entnommene elektrische Arbeit von Interesse [...]. Dabei ist für ihn zunächst irrelevant,
von welchem Anbieter bzw. aus welcher Primärquelle diese Strommenge stammt
[...]"
26
. Seit der Liberalisierung 1998 wird von Seiten der Unternehmen versucht,
Elektrizität zu heterogenisieren und zu emotionalisieren. So werden einerseits die
primären Energieträger beworben (regenerative Energieträger liefern ,,grünen" Strom),
23
Monopolkommission (2004 a), S. 77
24
Monopolkommission (2004 a), S. 77
25
Spitzenlast ist die Kapazität von Kraftwerken, die benötigt wird, um die Versorgung zu jeder Zeit
sicherzustellen.
26
Bier, C. (2002), S. 6

,,Anforderungen an eine nachhaltige Anreizregulierung der Netzentgelte für die deutsche Elektrizitätswirtschaft" Katia Tanz
9
andererseits wird das Produkt Elektrizität zwecks Kundenbindung farbig belegt.
27
Die
Wechselquote unter Privathaushalten beträgt dennoch nur fünf Prozent.
28
Dies kann
damit erklärt werden, dass Strom ,,als Low-Interest-Produkt gilt, bei dem [...] nur
erhebliche Preisvorteile einen Anbieterwechsel auslösen"
29
. Industriekunden, für die bei
der Wahl des Stromlieferanten der Preis stärker im Fokus steht, haben neue Verträge
geschlossen (ca. 70 Prozent) oder einen neuen Lieferanten (ca. 30 Prozent) gewählt.
30
2.3 Das Netz als natürliches Monopol
Betrachtet man die Elektrizitätswirtschaft vertikal disaggregiert, so kann die
Wertschöpfungskette auch nach der Liberalisierung nur teilweise wettbewerblich
organisiert werden. Die Produktion von Elektrizität und die Versorgung von
Endkunden sind grundsätzlich konkurrenzfähige Bereiche. Die infrastrukturellen
Teilbereiche Übertragung und Verteilung dagegen stellen kaum angreifbare,
natürliche Monopole dar. Der Wettbewerb bleibt auf die ,,Auswahl des
Leistungsanbieters beschränkt; der Betrieb des Netzes ist dagegen vom Wettbewerb
nicht erfasst"
31
. Die netzgebundenen Ebenen Stromübertragung und -verteilung bilden
monopolistische Bottlenecks. Eine Marktöffnung wäre aufgrund ökonomischer
Gegebenheiten nicht effizient. Es erfolgt daher eine Regulierung im Rahmen der
Liberalisierung. ,,Der ökonomische Tatbestand, dass spezifische Teilbereiche
netzbasierter Industrien nicht pauschal liberalisiert werden können, erschließt sich [...]
aus der Theorie natürlicher Monopole in Verbindung mit marktspezifischer
Irreversibilität."
32
Das natürliche Monopol beschreibt den Extremfall, in dem die Nachfrage auf Grund
von Unteilbarkeiten am kostengünstigsten von nur einem Anbieter erbracht wird.
Unteilbarkeiten entstehen, wenn die Kapazität von Ressourcen wegen technischer
Gegebenheiten nur in Sprüngen variiert werden kann.
33
Die Übertragungs- und
Verteilungsnetze stellen innerhalb der Regelzonen natürliche Monopole dar. Bei der
Übertragung basiert dies auf der notwendigerweise zentral auszuübenden Funktion des
Systembetriebs, in dem die Stromlastflüsse koordiniert und ausgeglichen werden.
34
Bei
27
Strom der RWE AG ist blau, der der EnBW-Tochter Yello gelb etc.
28
Weitere 25 Prozent haben günstigere Neuverträge mit ihrem alten Stromlieferanten geschlossen. Vgl.
Leuschner, U. (o. J.)
29
Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit BMWA (2003), S. 27
30
Vgl. Leuschner, U. (o. J.)
31
Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (2003), S. 9
32
Haucap, J. und Uhde, A. (2005), S. 6
33
Vgl. Fritsch, M.; Wein, T. und Ewers, H.-J. (2005), S. 179
34
Vgl. Monopolkommission (2004a), S. 75

,,Anforderungen an eine nachhaltige Anreizregulierung der Netzentgelte für die deutsche Elektrizitätswirtschaft" Katia Tanz
10
der Verteilung von Elektrizität resultiert die Monopolstellung dagegen aus den hohen
Kapitalkosten. Der Netzaufbau verursacht erhebliche Kosten, während die Grenzkosten
des eigentlichen Transports bis zur Kapazitätsgrenze nahezu Null sind. Es liegen
extreme Größenvorteile beim Transport von Elektrizität vor, die zu sinkenden
Durchschnittskosten führen. Auf Grund der immensen Kosten, die der Aufbau eines
Parallelnetzes verursachen würde, ist es ökonomisch sinnvoller, wenn die nachgefragte
Menge Elektrizität von nur einem Unternehmen transportiert und verteilt wird. Ein
natürliches Monopol ist gesamtgesellschaftlich durchaus von Vorteil.
35
Zudem ergeben sich Verbundvorteile durch den Zusammenschluss von Kraftwerken
und Verteilernetzen zu einem Verbundnetz. Die gesamte Nachfrage nach Elektrizität
wird dann von allen angeschlossenen Kraftwerken gleichzeitig bedient. Um
Versorgungssicherheit zu gewährleisten, muss die Stromerzeugung stets mindestens der
Nachfrage entsprechen. Die Produktionskapazität muss sich dazu an der Spitzenlast
orientieren. In einem Verbundnetz ist die vorzuhaltende Kapazität geringer als die
Summe der Spitzenlasten in den Einzelnetzen. Die Kosten der Bedarfsdeckung können
so signifikant verringert werden.
36
Die Größen- und Verbundvorteile führen dazu, dass der Betrieb eines Netzes die
geringsten Kosten verursacht. Der Aufbau von Parallelnetzen ist ökonomisch nicht
effizient. Dieses natürliche Monopol wird durch die hohe Spezifität der Investitionen
verstärkt. Sie sorgt dafür, dass potenzielle Wettbewerber bei Marktaustritt den Wert
ihrer Aufwendungen abschreiben müssen. Die Irreversibilität der Kosten wirkt auf neue
Marktanbieter abschreckend. Der Zugang zu schon existierenden Netzen ist für diese
Marktteilnehmer daher die ,,notwendige Voraussetzung für die wirtschaftliche
Betätigung auf den vor- und nachgelagerten Erzeugungs- und Versorgungsmärkten"
37
.
2.4 Netzzugang und Netznutzungsentgelte
Der Netzanschluss ist das Verbinden der Anlage des Kunden mit dem Stromnetz.
Hierauf besteht ein Rechtsanspruch nach dem Energiewirtschaftsgesetz (EnWG).
38
Auf
den Bereich des Netzanschlusses wird im Rahmen dieser Arbeit nicht eingegangen.
Kern eines funktionierenden Wettbewerbs ,,ist der diskriminierungsfreie Zugang zu den
monopolistischen Übertragungs- und Verteilnetzen."
39
In der deutschen
35
Vgl. Fritsch, M.; Wein, T. und Ewers, H.-J. (2005), S. 181
36
Vgl. Monopolkommission (2004b), S. 437, Tz. 1119
37
Monopolkommission (2004b), S. 437, Tz. 1118
38
Vgl. o.V. (2005 c), §§ 17 und 18
39
Brunekreeft, G. und Keller, K. (2001), S. 4

,,Anforderungen an eine nachhaltige Anreizregulierung der Netzentgelte für die deutsche Elektrizitätswirtschaft" Katia Tanz
11
Elektrizitätswirtschaft hat sich folgendes Konzept etabliert: Ein potenzieller Netznutzer
einigt sich mit dem Betreiber eines Netzes über den Zugang zum Netz, auch wenn er die
Netze mehrerer Betreiber nutzt. Auf Basis dieser Einigung erhält er Zugang zu allen
Versorgungsnetzen. Er speist elektrische Energie in das Netz ein und entnimmt eine
entsprechende Menge an anderer Stelle wieder.
40
Das Entgelt für die Netznutzung, d.h.
für die Durchleitung der eingespeisten Menge, wird unabhängig von der Entfernung
berechnet. Die Entgelte setzen sich aus drei Komponenten zusammen.
41
Der erste Teil
sind die Netznutzungsentgelte im eigentlichen Sinne. Sie fallen für die Nutzung der
Netzinfrastruktur, für Systemdienstleistungen und zur Deckung der
Übertragungsverluste an. Einen weiteren Teil bilden die zusätzlichen Kosten für
Messung, Datenaufbereitung und die Bereitstellung von Reservekapazitäten. Den
dritten Teil stellen die gesetzlich festgelegten Kosten wie die Konzessionsabgabe, die
Mehrkosten gemäß Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz und Erneuerbare-Energien-Gesetz,
die Ökosteuer und die Umsatzsteuer dar.
Es gibt grundsätzlich drei Möglichkeiten, Netzzugangsansprüche und -konditionen zu
regeln. Dies sind
-
der verhandelte Netzzugang (negotiated Third Party Access, nTPA),
-
der regulierte Netzzugang (regulated Third Party Access, rTPA) und
-
das Alleinabnehmersystem, welches an dieser Stelle nicht näher erläutert wird.
Im System des verhandelten Netzzugangs können Stromerzeuger, Stromversorger und
Kunden privatwirtschaftliche Verträge auf Basis kommerzieller Vereinbarungen
schließen. Der Elektrizitätssektor wird ex post mit Hilfe des Wettbewerbsrechts und der
Missbrauchskontrolle durch die Kartellämter kontrolliert. Der regulierte Netzzugang
dagegen operiert mit einer regelgebundenen Regulierung und erfordert eine
Aufsichtsbehörde, die ex ante die Tarife und Konditionen für den Netzzugang bestimmt.
Verhandlungen über den Preis finden nicht mehr statt.
42
In Deutschland galt zur näheren Ausgestaltung der Netzzugangsansprüche bis 2005 das
Prinzip des verhandelten Netzzugangs auf der Grundlage der sogenannten
Verbändevereinbarungen. Verbände hatten die Netzzugangsbedingungen und die
Netznutzungspreise ausgehandelt und in den Verbändevereinbarungen (VV)
40
Vgl. Büdenbender, U. (2005), S. 651
41
Vgl. MVV Energie AG (o. J.)
42
Vgl. Brunekreeft, G. und Keller, K. (2001), S. 2

,,Anforderungen an eine nachhaltige Anreizregulierung der Netzentgelte für die deutsche Elektrizitätswirtschaft" Katia Tanz
12
festgelegt.
43
Die Überwachung des freien Zugangs und der Tarife lag bei den
Kartellämtern des Bundes und der Länder. Die deutschen Kartellbehörden durften nur
bei einem begründeten Missbrauchsverdacht eingreifen, d.h. ausschließlich ex post
handeln. Mit dem Inkrafttreten der Energierechtsnovelle am 13. Juli 2005 erfolgte der
Übergang vom verhandelten zum regulierten Netzzugang. Dies geschah durch die
Einrichtung einer Regulierungsinstanz und den Erlass einer Netznutzungsverordnung.
Die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und
Eisenbahnen (im folgenden Bundesnetzagentur) übernahm die Regulierung im Bereich
der Elektrizitätsversorgung und damit die Regulierung der Netzentgelte. Diese ergeben
sich nun aus den gesetzlichen Vorgaben, die in der Stromnetzzugangsverordnung
(StromNZV) und der Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) verankert sind.
Abschließend muss erwähnt werden, dass die Nutzungsentgelte für den Stromtransport
über das Netz im Jahr 2006 etwa ein Drittel des gesamten Strompreises ausmachen.
Abbildung 4: Zusammensetzung des Strompreises (im Jahr 2006)
44
Ein Sechstel des Stromtarifs besteht aus den Kosten für die Stromerzeugung und hängt
vom Preis ab, der am Großhandelsmarkt für Elektrizität gezahlt wird. Weitere elf
Prozent fallen für Messung und Vertrieb an. Der größte Teil des Strompreises von 40
Prozent sind auf Steuern (Umsatzsteuer, Stromsteuer) und staatliche Abgaben
(Konzessionsabgabe, Abgaben nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz und dem KWK-
Gesetz) zurückzuführen.
45
43
Verhandlungspartner waren z.B. der Verband der Elektrizitätswirtschaft (VDEW), der Verband der
Industriellen Kraftwirtschaft (VIK), der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) u.a. Von 2002 bis
zur Einführung des regulierten Netzzugangs im Juli 2005 war die Verbändevereinbarung VV Strom II
plus in Kraft. Vgl. Brunekreeft, G. und Keller, K. (2001), S. 6
44
Eigene Darstellung
45
Vgl. Bundesverband WindEnergie e.V. (o. J.)
16%
33%
40%
6%
5%
Strombezug
Netzentgelt/ Transport
Steuern und Abgaben
Messkosten
Vertrieb

,,Anforderungen an eine nachhaltige Anreizregulierung der Netzentgelte für die deutsche Elektrizitätswirtschaft" Katia Tanz
13
3 Die Einführung einer anreizorientierten Regulierung
3.1 Derzeitiger Status Quo und Gesetzeslage
3.1.1 Die Situation vor der Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes 2005
Der Markt für die leitungsgebundene Stromversorgung war vor der Novelle des EnWG
im Juli 2005 bereits vollständig für den Wettbewerb geöffnet. Der bestehende
gesetzliche Anspruch auf Netzzugang wurde durch ein kartellrechtliches
Missbrauchsverbot ergänzt. Es untersagte und verfolgte Behinderungen beim
Netzzugang, so dass die Verweigerung der Netznutzung von Seiten der Netzbetreiber
nur noch eine sehr untergeordnete Rolle spielte.
46
In Bezug auf die Netznutzungsentgelte galt das Prinzip des zwischen Verbänden und
Unternehmen verhandelten Netzzugangs, der kartellbehördlich und zivilgerichtlich
kontrolliert wurde, d.h. die konkrete Ausgestaltung der Preise für die Netznutzung oblag
den beteiligten Unternehmen und basierte auf den in den Verbändevereinbarungen
festgeschriebenen Rahmenbedingungen.
47
Deutschland hatte damit im Gegensatz zu
allen anderen europäischen Ländern auf die Schaffung einer für den gesamten Sektor
zuständigen Regulierungsbehörde verzichtet und sich für eine reine Ex-post-Kontrolle
der Marktteilnehmer durch die Kartellbehörden entschieden.
Die Verbändevereinbarungen enthielten mit den sogenannten Preisfindungs-
prinzipien
48
einen Kalkulationsleitfaden zur Bestimmung der Netznutzungsentgelte.
Die Entgelte basierten zum einen auf dem handelsrechtlichen Jahresabschluss, zum
anderen berücksichtigten sie kalkulatorische Kosten wie die Eigenkapitalverzinsung und
Abschreibungen.
49
Hiernach durften nur ,,Kosten einer elektrizitätswirtschaftlich rationellen
Betriebsführung"
50
angesetzt werden. Die Preisbildung erfolgte also kostenorientiert. In
Bezug auf die kalkulatorischen Abschreibungen als Teil der Netzkosten folgten die
Verbändevereinbarungen dem Prinzip der Nettosubstanzerhaltung, um die Inflation in
der Kalkulation zu berücksichtigen. Anlagegüter wurden über eine festgelegte
Nutzungsdauer abgeschrieben, wobei ihr Wert jährlich mit der produktspezifischen Rate
inflationiert wurde.
51
Die kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung erfolgte mit 6,5
46
Vgl. Bundeskartellamt (2002), S. 14
47
Vgl. Bundeskartellamt (2002), S. 1
48
Vgl. Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. et al. (2001), Anlage 3
49
Vgl. Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. et al. (2001), Anlage 3, S. 1-2
50
Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. et al. (2001), Anlage 3, S. 2
51
Vgl. Wagner, R. und Papanikolau, N. (2004), S. 64

,,Anforderungen an eine nachhaltige Anreizregulierung der Netzentgelte für die deutsche Elektrizitätswirtschaft" Katia Tanz
14
Prozent und deckte auch das unternehmerische Risiko ab, wobei die Eigenkapitalquote
auf maximal 40 Prozent begrenzt war.
52
Der kostenorientierte Kalkulationsleitfaden wurde um ein Vergleichsverfahren
ergänzt, um eine gewisse Angemessenheit der Entgelte zu gewährleisten.
53
Die
Netzbetreiber wurden hierzu nach Einwohner- bzw. Absatzdichte, Verkabelungsgrad
und Lage ihrer Netze in 18 Strukturklassen je Spannungsebene eingeteilt.
54
Ihre
Entgelte wurden innerhalb dieser Klassen verglichen. Lagen Netzentgelte in den
obersten 30 Prozent der Spanne zwischen Minimum- und Maximumwert innerhalb ihrer
Strukturklasse, so musste der Netzbetreiber dem Netznutzer die dazugehörige
Kostenkalkulation offenbaren und die Angemessenheit der Entgelte nachweisen.
Die Verbändevereinbarungen waren auf Grund ihres Modellcharakters für die
zahlreichen neuen Netzzugänge sehr praktibel. Sie besaßen jedoch keinen rechtlichen
Charakter. Die Modalitäten des Netzzugangs und die Netzentgelte waren in Bezug auf
ihre Rechtskonformität jederzeit durch die Kartellbehörden überprüfbar.
55
Das
Bundeskartellamt beschäftigte sich mit Behinderungen des Wettbewerbs durch
überhöhte Netznutzungsentgelte, wobei es das Vergleichsmarktkonzept und eine
Kostenkontrolle als Grundlagen verwendete.
56
Beim Vergleichsmarktkonzept lag dann ein Missbrauch vor, wenn sich
unterschiedlich hohe Entgelte zweier Netzbetreiber ,,nicht durch gebietsstrukturelle
Unterschiede in den jeweiligen Versorgungsgebieten erklären"
57
ließen. Die Entgelte
aller Netzbetreiber wurden im Rahmen eines Benchmarkings und unter Beachtung
unternehmensexogener Faktoren miteinander verglichen. Anhand dieses
Marktvergleichs war die relative Effizienz der Netzbetreiber ersichtlich. Die
Regulierungsbehörde schrieb daraufhin für alle Unternehmen eine Erlösobergrenze vor.
Netzbetreiber, die oberhalb dieser Grenze lagen, sollten zu Preissenkungen gezwungen
werden.
58
Das Problem des Vergleichsmarktkonzepts bestand darin, dass es auf Größen
basierte, die nicht zwangsläufig durch Wettbewerb gebildet wurden. Unter Umständen
52
Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit BMWA (2003), S. 23
53
Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit BMWA (2003), S. 22
54
Die Einteilung der ersten beiden Merkmale erfolgt in niedrig (dünn besiedelte Regionen), mittel und
hoch (Ballungsräume), die nach Lage bezieht sich auf Ost und West. Für die drei Spannungsebenen
Nieder-, Mittel- und Hochspannung ergeben sich demnach insgesamt 54 Strukturklassen.
Vgl. Monopolkommission (2004 b), S. 441, Tz. 1131
55
Vgl. Büdenbender, U. (2005), S. 644
56
Vgl. Monopolkommission (2004 b), S. 441, Tz. 1133
57
Monopolkommission (2004 b), S. 441, Tz. 1134
58
Vgl. EnBW Energie Baden-Württemberg AG (2004), S. 3

,,Anforderungen an eine nachhaltige Anreizregulierung der Netzentgelte für die deutsche Elektrizitätswirtschaft" Katia Tanz
15
enthielten die Netznutzungspreise aller betrachteten Unternehmen Monopolrenten. Die
Regulierungsbehörde hätte dann mit dem Setzen einer Preisobergrenze ein insgesamt
überhöhtes Entgeltniveau festgeschrieben.
59
Der Nachweis eines Missbrauch konnte auch mit Hilfe der Kostenkontrolle erfolgen.
Dazu mussten betroffene Unternehmen ihre vollständigen Netzkosten aufschlüsseln, die
mit den Kalkulationskriterien der deutschen Kartellbehörden verglichen wurden.
60
Hatte
der Kalkulationsleitfaden der Verbändevereinbarungen zu höheren Netzkosten geführt,
wurden diese als missbräuchlich angesehen.
61
Das Bundeskartellamt erließ zwei förmliche Missbrauchsverfügungen auf Basis des
Vergleichsmarktkonzepts (gegen die Stadtwerke Mainz) und der Kostenkontrolle
(gegen die Thüringer Energie AG, TEAG
62
). Daraufhin wurden die Verbände-
vereinbarungen jedoch gerichtlich ,,mit der Vermutung der Rechtskonformität
ausgestattet"
63
, was bedeutete, dass bei Einhaltung ihrer Vorgaben von ,,guter fachlicher
Praxis"
64
auszugehen war. Entgeltkalkulationen nach den Verbändevereinbarungen
wurden nicht als missbräuchlich betrachtet, selbst wenn sie zu höheren Entgelten
führten als die Kalkulationskriterien der deutschen Kartellbehörden. Die Ex-post-
Missbrauchsaufsicht des Bundeskartellamtes wurde durch die gerichtlichen
Entscheidungen sehr stark eingeschränkt.
65
Die Preisfindungsmechanismen der Verbändevereinbarungen führten in Deutschland
trotz eines Liberalisierungsgrades von 100 Prozent zu einem sehr hohen
Strompreisniveau. Verglichen mit anderen europäischen Ländern lagen die Strompreise
an der Spitze. Die Stromversorger konnten dieses hohe Niveau aufgrund einer geringen
Wettbewerbsintensität durchsetzen. Dass der Wettbewerb de facto kaum existierte war
darauf zurückzuführen, dass die überhöhten Netzzugangsentgelte zu massiven
Behinderungen beim Netzzugang führten.
66
Neue Anbieter wurden durch die hohen
Netzentgelte davon abgehalten, günstigere elektrische Energie anzubieten. Die
59
Vgl. Monopolkommission (2004 b), S. 453, Tz. 1172
60
Die Kartellbehörden des Bundes und der Länder hatten die Arbeitsgruppe Netznutzung Strom ins
Leben gerufen, die u.a. mit der Erstellung eines Kriterienkatalogs für zulässige Kostenpositionen
beauftragt war. Diese Kostenpositionen unterschieden sich zum Teil von den Preisfindungsprinzipien der
Verbändevereinbarungen. Vgl. Monopolkommission (2004 b), S. 442, Tz. 1134
61
Vgl. Monopolkommission (2004 b), S. 442, Tz. 1135
62
Die TEAG Thüringer Energie AG heisst seit ihrer Fusion mit der Gasversorgung Thüringen GmbH
2005 E.ON Thüringer Energie AG. Vgl. E.ON Thüringer Energie AG (o. J.)
63
Büdenbender, U. (2005), S. 644
64
Büdenbender, U. (2005), S. 644
65
Die gerichtlichen Beschlüsse erfolgten 2003 und 2004 durch das Oberlandesgericht Düsseldorf.
Vgl. Monopolkommission (2004 b), S. 442, Tz. 1136-1138
66
Vgl. Monopolkommission (2004 b), S. 449, Tz. 1158

,,Anforderungen an eine nachhaltige Anreizregulierung der Netzentgelte für die deutsche Elektrizitätswirtschaft" Katia Tanz
16
preissenkende Wirkung von bestehendem und potenziellem Wettbewerb war stark
eingeschränkt. Ein Indikator für diese Beschränkung war die hohe Streuung der
Netzpreise innerhalb ihrer Strukturklassen. Das höchste Entgelt lag bis zu 150 Prozent
über dem niedrigsten.
67
Die Netzbetreiber hatten offensichtlich ,,keinen Anreiz, ihre
Dienstleistungen zu einem wettbewerbsanalogen Preis bereitzustellen"
68
.
Neben der Belastung für Privathaushalte wirkten sich die hohen Energiekosten vor
allem auf die Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Industrien negativ aus. Für
Unternehmen der stromintensiven Industriezweige ist Energie ein entscheidender
Produktionsfaktor und Rohstoff. Ihre Produktionsstandorte unterliegen einem scharfen
internationalen Wettbewerb. Ein funktionierender Strommarkt als Voraussetzung für
wettbewerbsfähige Energiepreise existierte in Deutschland jedoch nicht. Die
möglicherweise fatalen Folgen für die deutsche Wirtschaft führten zu Überlegungen,
das Energiewirtschaftsgesetz zu reformieren und der Energiewirtschaft statt den
privatwirtschaftlichen Verbändevereinbarungen gesetzlich verankerte Regelungen zur
Entgeltfindung vorzugeben.
3.1.2 Das novellierte Energiewirtschaftsgesetz von Juli 2005
Schon 2003 hatte die Europäische Union eine Beschleunigungsrichtlinie erlassen,
welche die Einrichtung einer nationalen Regulierungsbehörde sowie ,,Regelungen zur
organisatorischen und gesellschaftsrechtlichen Entflechtung der Netzbetreiber"
69
forderte. In Deutschland dauerte das Gesetzgebungsverfahren des neuen
Energiewirtschaftsgesetzes jedoch bis 2005 an. Zu Diskussionen über die Bestimmung
der Netznutzungsentgelte durch eine Regulierungsbehörde kamen Abwägungen über
Vor- und Nachteile der Ex-ante- und der Ex-post-Aufsicht sowie ökonomische
Vergleiche einer sektorspezifischen Regulierung gegenüber der sektorübergreifenden
Missbrauchsaufsicht.
70
Schlussendlich wurde im Juli 2005 die Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes erlassen
(EnWG-E). Gegenstand war nicht der gesamte Elektrizitätsmarkt, sondern die
Regulierung des monopolistischen Teilbereichs der Netze. Der Gesetzgeber verfolgte
damit das Ziel der ,,Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs
bei der Versorgung mit Elektrizität"
71
und den Abbau von Diskriminierungen am
67
Vgl. Monopolkommission (2004 b), S. 441, Tz. 1131
68
Monopolkommission (2004 b), S. 451, Tz. 1164
69
Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit BMWA (2003), S. 4
70
Vgl. Haucap, J. und Uhde, A. (2005), S. 9
71
o.V. (2005 c), § 1, Abs. 2

,,Anforderungen an eine nachhaltige Anreizregulierung der Netzentgelte für die deutsche Elektrizitätswirtschaft" Katia Tanz
17
Elektrizitätsmarkt. Mit Hilfe der Regulierung sollten die Netzentgelte signifikant
gesenkt werden. Neue Anbieter hätten dann die realistische Möglichkeit zum Eintritt in
den Strommarkt. Auf den Wertschöpfungsstufen Energieerzeugung und Energiehandel
bzw. -vertrieb würde für mehr Wettbewerb gesorgt, der seinerseits sinkende
Stromendpreise zur Folge hätte.
72
Zur Erreichung dieses Ziels entschied sich der
Gesetzgeber für die Umsetzung folgender Punkte, die den Kern des novellierten EnWG
bilden.
Die erste Änderung ist das sogenannte Unbundling. Die vertikal integrierten
Energieversorgungsunternehmen werden ,,zur Gewährleistung von Transparenz sowie
diskriminierungsfreier Ausgestaltung und Abwicklung des Netzbetriebs"
73
gesetzlich zu
einer Entflechtung ihrer Geschäftsbereiche bis 2007 verpflichtet.
74
Die Entflechtung
erfolgt auf vier Ebenen:
-
rechtlich,
-
operationell und personell,
-
informatorisch, sowie
-
bei der Rechnungslegung.
Entflechtung bedeutet, dass monopolistische Funktionen wie Übertragung und
Verteilung von den wettbewerblich organisierten Tätigkeiten wie Erzeugung, Handel
und Vertrieb getrennt werden müssen. Ziel ist, die Unabhängigkeit des Netzbetriebs von
den anderen Bereichen der Energieversorgung sicherzustellen.
75
Die einzelnen Bereiche des Unternehmens werden zum einen rechtlich voneinander
separiert (legal Unbundling). Dabei bietet es sich an, sie ,,in eigenständigen
Rechtsformen, deren Aktien sich in der Hand einer Holding befinden"
76
zu organisieren.
Eine eigentumsrechtliche Entflechtung ist damit nicht verbunden. Vertikal integrierte
Versorgungsunternehmen dürfen weiterhin zu 100 Prozent Anteilseigner ihrer
Netzgesellschaften bleiben.
77
Zum anderen erfolgt eine operationelle Entflechtung
,,hinsichtlich der Organisation, der Entscheidungsgewalt und der Ausübung des
Netzgeschäfts"
78
. Entscheidungen bezüglich des Netzgeschäfts müssen von den
72
Vgl. Bundesnetzagentur (2005 a), S. 120
73
o.V. (2005 c), § 6, Abs. 1
74
Stromversorger mit weniger als 100.000 Kunden sind von der Verpflichtung zur rechtlichen und
operationellen Entflechtung ausgenommen. Vgl. o.V. (2005 c), §§ 7, Abs. 2 und 8, Abs. 6
75
Vgl. o.V. (2005 c), § 6 Abs. 1
76
Brunekreeft, G. und Keller, K. (2001), S. 8
77
Vgl. Büdenbender, U. (2005), S. 644
78
o.V. (2005 c), § 8, Abs. 1

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783956361135
ISBN (Paperback)
9783836600453
Dateigröße
1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Hamburg – Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Statistik und Ökonometrie
Erscheinungsdatum
2006 (Dezember)
Note
2,0
Schlagworte
elektrizitätswirtschaft netzentgelt stromnetz bundesnetzagentur entgelt
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