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Spektroskopische Untersuchungen zur Effektivität und Dauerhaftigkeit von Hydrophobierungsmitteln auf der Basis von Organosiliciumverbindungen auf mineralischen Oberflächen

©1999 Doktorarbeit / Dissertation 212 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Atmosphärisch bedingte Korrosionsvorgänge an Werkstoffoberflächen haben eine große volkswirtschaftliche Bedeutung. Insbesondere die Verwitterung mineralischer Baustoffe stellt Firmen, Privatpersonen und vor allem die öffentliche Hand vor immer stärker wachsende Probleme. Umwelteinwirkungen führen jedoch nicht nur zu finanziellen Schäden; vor allem bei wertvollen Baudenkmälern entsteht ein unwiederbringlicher Verlust historischer Identität einer Region oder gar eines ganzen Landes. In jüngerer Vergangenheit erweisen sich beträchtliche Aufwendungen für die Instandsetzung insbesondere von Zweckbauten mit Beton- oder Ziegelmauerwerk als unausweichlich. In einer Studie aus dem Jahr 1990 werden die Kosten zur Beseitigung von Schäden durch Luftverunreinigungen an Hochbauten (ohne Baudenkmäler) auf etwa 2,3 Mrd. DM jährlich abgeschätzt.
Eine treibende Kraft bei der Baustoffverwitterung ist der Zutritt von Wasser und darin gelöster Schadstoffe an die äußere Materialoberfläche und in das Porensystem des Materials. Der Eintrag von Wasser löst eine Reihe komplexer physikalischer und chemischer Vorgänge aus, die zu Korrosions- bzw. Verwitterungserscheinungen führen können.
Zur Verhinderung des Wassereintrages werden im Bautenschutz unterschiedlichste Wege eingeschlagen. Neben konstruktiven Maßnahmen und der Auswahl bzw. Einstellung eines möglichst resistenten Baustoffes hat sich zur Minimierung des Eintrages von Feuchtigkeit vor allem die Oberflächenbehandlung eines gegebenen Bauwerkes mit geeigneten Schutzmitteln durchgesetzt. Derart erzeugte coatings, polymere organische Schichten, haben ein breites Anwendungsspektrum in der Bauchemie (Farben, Lacke, Füllstoffe).
Besonders intensiv bedient man sich, je nach bauphysikalischen Erfordernissen, neben Polyacrylaten, Polyurethanen, Polyesterharzen der Polysiloxane (Silicone). Bautenschutzmittel auf Basis von Organosiliciumverbindungen (Organosilane, Siloxane) haben sich durch ihre stark wasserabweisenden, imprägnierenden Eigenschaften sowohl im Natursteinsektor wie auch bei der Hydrophobierung von Beton- und Ziegelfassaden im Anwendungszeitraum von mehr als 25 Jahren als sehr wirksam erwiesen. Bei Hydrophobierungsmaßnahmen an einer Bauwerksoberfläche sind vor allem zwei Fragen von entscheidendem Interesse:
Wie effektiv ist der Oberflächenschutz?
Wie beständig ist die Schutzmaßnahme?
Die Frage der Qualität der feuchteabweisenden Wirkung ist in vielen Laborstudien und […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Christian Bruchertseifer
Spektroskopische Untersuchungen zur Effektivität und Dauerhaftigkeit von
Hydrophobierungsmitteln auf der Basis von Organosiliciumverbindungen auf
mineralischen Oberflächen
ISBN: 978-3-8366-0033-0
Druck Diplomica® GmbH, Hamburg, 2007
Zugl. Ruhr-Universität Bochum, Bochum, Deutschland, Dissertation / Doktorarbeit, 1999
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© Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2007
Printed in Germany


Die vorliegende Arbeit wurde in der Zeit von Februar 1996 - Dezember 1998
am Lehrstuhl für Analytische Chemie an der Ruhr-Universität Bochum angefertigt.
Ich bedanke mich bei Herrn Prof. Dr. H.-J. Götze für die Betreuung, seine Unterstützung und
die mir gewährten Freiräume bei der Anfertigung dieser Arbeit.
Herrn Prof. W.S. Sheldrick PhD danke ich für die Bereitstellung des Arbeitsplatzes.
Aus dem außeruniversitären Bereich:
Mein besonderer Dank gilt Herrn Dr. St. Brüggerhoff, Leiter des Zollern-Instituts, DMT-
Gesellschaft für Lehre und Bildung mbH, Bochum, und Mitarbeitern für die intensive und
überaus konstruktive Zusammenarbeit.
Herrn Dr. Peter Albers von der Degussa AG, Hanau danke ich für die Durchführung der XPS-
Messungen und viele anregende Diskussionen sowie Herrn Dr. Hans Rose (Bau- und
Wasserchemie Dr. Rose GmbH) für die Bereitstellung des Betons
Den Mitarbeitern des Lehrstuhls für Analytische Chemie und im besonderen der
Arbeitsgruppe Chromatographie & Schwingungsspektroskopie möchte ich für die gute
Zusammenarbeit und das excellente Arbeitsklima danken.

Meiner Frau Sabine (1962-1997) und meiner Tochter Nora
Meinen Eltern

VI
II Abkürzungsverzeichnis
Abkürzungen
A
Akzeptormolekül
AES
Auger
Electron
Spectroscopy
ATR
Attenuated
Total
Reflection
BKS
Baumberger
Kalksandstein
D
Donatormolekül
DIN
Deutsches Institut für Normung
DRIFT
Diffuse Reflectance Infrared Fourier Transform
E
Gesamtenergie
EDX
Energiedispersive
X-ray
analysis
ESCA
Electron Spectroscopy for Chemical Analysis
eV
Elektronenvolt
EXAFS
Extended X-ray Absorption Fine Structure
FIR
Fernes
Infrarot
FT-IR
Fourier
Transform-Infrarot
Gew.% Gewichtsprozent
HMBC
Heteronuclear Multiple Bond Correlation
IRRAS
Infrarot Reflexions Absorptions Spektroskopie
K
Absorptionsmodul
KM
Kubelka-Munk-Funktion
M
Stoßpartner-Molekül
MAS-NMR
Magic-Angle-Spinning- Nuclear Magnetic Resonance
MIR
Mittleres Infrarot, Multiple Interne Reflexion
NIR
Nahes
Infrarot
NO
x
Nitrose
Gase
OEt
Ethoxygruppe
·OH
Hydroxylradikal
OKS
Obernkirchener
Sandstein
OMe
Methoxygruppe
Polymerradikal
PAN
Peroxyacetylnitrat

II Abkürzungsverzeichnis
VII
PDMS
Polydimethylsiloxan
PH
Polymermolekül
PO·
Alkoxy-Polymerradikal
PO
2
·
Peroxyradikal
POOH
Polymer-Hydroperoxid
Q
Quenchermolekül
R
Organischer
Rest
R
Reflektivität bei unendlicher Schichtdicke
r.F.
relative
Luftfeuchte
RFA
Röntgenfluoreszenzanalyse
S
Streumodul
S
0
, S
1
Singulettzustand
SNMS
Sekundärneutralteilchen-Massenspektrometrie
t Tonne
T
Triplettzustand
Ti(OiBu)
4
Tetra-Isobutylorthotitanat
TOF-SIMS
Time-of-flight-Sekundärionen-Massenspektrometrie
UHV
Ultrahochvakuum
UV
Ultraviolett
Vol.%
Volumenprozent
W
Austrittsarbeit
w/z
Wasser/Zement-Wert
XPS
X-ray
photoelectron
spectroscopy

I Inhaltsverzeichnis
I
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
...
2 Problemstellung, Zielsetzung und analytisches Konzept
...
3 Effektivität und Dauerhaftigkeit siliciumorganischer Schutzstoffe
bei der Hydrophobierung von Gebäudeoberflächen
...
3.1 Auswahlkriterien für Hydrophobierungsmittel...
3.1.1 Grundlagen der Gebäudekonservierung mittels
siliciumorganischer Schutzstoffe...
3.1.2 Klassifizierung und Eigenschaftsspektrum der Hydrophobierungsmittel
auf der Basis von Organosiliciumverbindungen...
3.1.3 Hydrophobierung einzelner Klassen poröser Baustoffe...
3.1.3.1 Die besondere Problematik Natursteinhydrophobierung...
3.1.3.2 Hydrophobierung industriell erzeugter Baustoffe...
3.2 Alterungsprozesse bei Polymeren und polymeren Schutzschichten...
3.2.1 Alterung von polymeren Schichten - Überblick über das Ursachenspektrum...
3.2.2 Die Bedeutung der sauren Schadgase NO
x
und SO
2
...
3.2.3 Photochemische Prozesse und Polymeralterung...
3.2.3.1 Grundlagen des Photoabbaus...
3.2.3.2 Stickstoffoxide (NO
x
) als Reaktionspartner bei
photochemischen Prozessen in der Atmosphäre...
3.2.3.3 Reaktionsverhalten von Schwefeldioxid (SO
2
)...
3.2.4 Umweltabbau von Organosiliciumverbindungen...
4 Spektroskopische Analyseverfahren zur Charakterisierung
des Systems: Polymer - Feststoffoberfläche
...
4.1 Chemische Information zur beschichteten Feststoffoberfläche
durch moderne analytische Techniken...
1
3
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37
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II
I Inhaltsverzeichnis
4.2. Diffuse Reflexions FT-IR-Spektroskopie (DRIFT)...
4.2.1 Einführung...
4.2.2 Kubelka-Munk-Modell...
4.2.3 Qualität und Reproduzierbarkeit von DRIFT-Spektren...
4.2.4 Meßoptik...
4.2.5 Kombinierte Anwendung der DRIFT-Spektroskopie
im mittleren (MIR) und fernen Infrarot (FIR)...
4.3 Röntgenphotoelektronenspektroskopie (XPS)...
4.3.1 Einordnung der XPS in die Elektronenspektroskopie...
4.3.2 Physikalische Grundlagen der XPS...
4.3.3 Anwendungsbereiche der Oberflächenanalyse mit XPS...
5 Untersuchungen zur Effektivität von Hydrophobierungen
an Original-Baustoffen
...
5.1 Experimentelle Konzeption und Durchführung...
5.1.1 Wahl der Hydrophobierungsmittel und Substrate...
5.1.2 Applikation der Hydrophobierungsmittel...
5.1.3 DRIFT-Analyseverfahren...
5.1.4 XPS-Analyseverfahren...
5.1.4.1 Probevorbereitung...
5.1.4.2 XP-Spektrometertechnik, Meßvorgang und Auswertungsprinzip...
5.2 Ergebnisse bei Sandstein, Ziegel und Beton...
5.2.1 Tränkungs- und Wirkungsuntersuchungen...
5.2.2 Spektroskopische Untersuchungen...
5.2.2.1 DRIFT-Untersuchungen...
5.2.2.2 XPS-Untersuchungen...
5.2.2.3 REM/EDX-Untersuchungen am Baumberger Kalksandstein,
behandelt mit Octyltriethoxysilan (40%ig) + Ti(OiBu)
4
...
5.3 Zusammenfassende Betrachtung der Ergebnisse...
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63
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83

I Inhaltsverzeichnis
III
6 Simulation von Abbauprozessen an behandelten
Natursteinsubstraten durch Einwirkung von sauren Agentien
...
6.1 Experimentelle Konzeption und Durchführung...
6.1.1 Randbedingungen für die Entwicklung der Simulationstechnik...
6.1.2 Auswahl der Hydrophobierungsmittel, Substrate und Belastungsagentien...
6.1.3 Herstellung und Oberflächenbehandlung der Steinpulver...
6.1.4 Prinzip und Ablauf der Simulationsexperimente...
6.1.4.1 Zyklische Belastung der Steinproben...
6.1.4.2 DRIFT-Untersuchungen...
6.2 Ergebnisse...
6.2.1 Simulation von Abbauprozessen durch Einwirkung von
verdünnter HNO
3
-Lösung...
6.2.1.1 Belastung von Baumberger Kalksandstein,
behandelt mit Propyltriethoxysilan...
6.2.1.2 Belastung von Baumberger Kalksandstein,
behandelt mit Methylethoxysiloxan...
6.2.2 Simulation von Abbauprozessen durch Einwirkung von
verdünnter H
2
SO
4
-Lösung...
6.2.2.1 Belastung von Baumberger Kalksandstein,
behandelt mit Propyltriethoxysilan...
6.2.2.2 Belastung von Baumberger Kalksandstein,
behandelt mit Methylethoxysiloxan...
6.2.2.3 Belastung von Obernkirchener Sandstein,
behandelt mit Methylethoxysiloxan...
6.3 Zusammenfassende Betrachtung der Simulationsexperimente...
7 Untersuchungen zu Abbauprozessen an Alkylpolysiloxanschichten
auf Kieselgel als Trägersystem durch Einwirkung
von Strahlung und sauren Agentien
...
7.1 Experimentelle Konzeption und Durchführung der Abbauversuche...
7.1.1 Sonnensimulation: Aufbau und Technik der
86
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IV
I Inhaltsverzeichnis
verwendeten Bestrahlungsgeräte...
7.1.1.1 Natürliche Sonnenstrahlung und ihre Simulation...
7.1.1.2 Sonnensimulator (solar simulator)...
7.1.1.3 Ultra-Vitalux-Glühlampe...
7.1.2 Saure Lösungen als Agentien...
7.1.3 Probenpräparation und Versuchsablauf...
7.1.3.1 Beschichtungen...
7.1.3.2 Simulationsversuche...
7.1.3.3 DRIFT-Untersuchungen...
7.1.3.4
1
H-NMR-Untersuchungen...
7.2 Simulationsversuche am System SiO
2
/Propyltriethoxysilan...
7.2.1 Solar simulator...
7.2.1.1 Kombinierte Einwirkung von Sonnenlicht und verdünnter HNO
3
...
7.2.1.2 Kombinierte Einwirkung von Sonnenlicht und verdünnter H
2
SO
4
...
7.2.1.3 Kombinierte Einwirkung von Sonnenlicht und verdünnter
Mischsäure...
7.2.2 Ultra-Vitalux-Lampe...
7.2.2.1 Kombinierte Einwirkung von Sonnenlicht und verdünnter HNO
3
...
7.2.2.2 Kombinierte Einwirkung von Sonnenlicht und verdünnter H
2
SO
4
...
7.3 Gegenüberstellung der Ergebnisse mit dem solar simulator
und der Ultra-Vitalux-Lampe...
8 Untersuchungen zur Dauerhaftigkeit von Alkylpolysiloxanen
auf Original-Baustoffen
...
8.1 Photooxidative Bewitterungsversuche an Obernkirchener Sandstein,
behandelt mit Propyltriethoxysilan...
8.1.1 Randbedingungen für die Entwicklung von Simulationsexperimenten
mit originaler Festsubstanz...
8.1.2 Experimentelle Durchführung...
8.1.3 Ergebnisse...
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144

I Inhaltsverzeichnis
V
8.2 Untersuchung von Proben hydrophobierten Obernkirchener Sandsteins
aus mehrjähriger Freilandbewitterung...
8.2.1 Auswahl geeigneten Probematerials aus atmosphärischer Bewitterung...
8.2.2 Probesysteme für DRIFT-Untersuchungen...
8.2.3 Ergebnisse...
8.3 Gegenüberstellung der Ergebnisse aus künstlicher Bewitterung und
Freilandbewitterung...
9 Zusammenfassende Interpretation der Ergebnisse
...
10 Zusammenfassung
...
11 Literaturverzeichnis
...
Anhang
...
145
146
148
154
161
173
175
186

Einleitung
Seite
1
1 Einleitung
Atmosphärisch bedingte Korrosionsvorgänge an Werkstoffoberflächen haben eine große
volkswirtschaftliche Bedeutung. Insbesondere die Verwitterung mineralischer Baustoffe stellt
Firmen, Privatpersonen und vor allem die öffentliche Hand vor immer stärker wachsende
Probleme. Umwelteinwirkungen führen jedoch nicht nur zu finanziellen Schäden; vor allem
bei wertvollen Baudenkmälern entsteht ein unwiderbringlicher Verlust historischer Identität
einer Region oder gar eines ganzen Landes. In jüngerer Vergangenheit erweisen sich
beträchtliche Aufwendungen für die Instandsetzung insbesondere von Zweckbauten mit
Beton- oder Ziegelmauerwerk als unausweichlich. In einer Studie aus dem Jahr 1990 werden
die Kosten zur Beseitigung von Schäden durch Luftverunreinigungen an Hochbauten (ohne
Baudenkmäler) auf etwa 2,3 Mrd. DM jährlich abgeschätzt [1].
Eine treibende Kraft bei der Baustoffverwitterung ist der Zutritt von Wasser und darin
gelöster Schadstoffe an die äußere Materialoberfläche und in das Porensystem des Materials.
Der Eintrag von Wasser löst eine Reihe komplexer physikalischer und chemischer Vorgänge
aus, die zu Korrosions- bzw. Verwitterungserscheinungen führen können [2-6].
Zur Verhinderung des Wassereintrages werden im Bautenschutz unterschiedlichste Wege
eingeschlagen. Neben konstruktiven Maßnahmen und der Auswahl bzw. Einstellung eines
möglichst resistenten Baustoffes hat sich zur Minimierung des Eintrages von Feuchtigkeit vor
allem die Oberflächenbehandlung eines gegebenen Bauwerkes mit geeigneten Schutzmitteln
durchgesetzt. Derart erzeugte coatings, polymere organische Schichten, haben ein breites
Anwendungsspektrum in der Bauchemie (Farben, Lacke, Füllstoffe). Besonders intensiv
bedient man sich, je nach bauphysikalischen Erfordernissen, neben Polyacrylaten,
Polyurethanen, Polyesterharzen der Polysiloxane (Silicone). Bautenschutzmittel auf Basis von
Organosiliciumverbindungen (Organosilane, -siloxane) [7-9] haben sich durch ihre stark
wasserabweisenden, imprägnierenden Eigenschaften sowohl im Natursteinsektor wie auch bei
der Hydrophobierung von Beton- und Ziegelfassaden im Anwendungszeitraum von mehr als
25 Jahren als sehr wirksam erwiesen. Bei Hydrophobierungsmaßnahmen an einer
Bauwerksoberfläche sind vor allem zwei Fragen von entscheidendem Interesse:

Seite 2
Einleitung
· Wie effektiv ist der Oberflächenschutz?
· Wie beständig ist die Schutzmaßnahme?
Die Frage der Qualität der feuchteabweisenden Wirkung ist in vielen Laborstudien und
Fallbeispielen an konkreten Bauwerks-Musterflächen durch Bestimmung der
Feuchtetransportparameter dokumentiert [10-13]. Der Aspekt Beständigkeit oder
Dauerhaftigkeit der Schutzschicht berücksichtigt die unmittelbar bereits nach Applikation
folgende Umwelteinwirkung auf das System Schicht + Substrat. Denn auch die gebildeten
wasserabweisenden Polysiloxanfilme unterliegen wie alle polymeren Beschichtungen einem
bewitterungsbedingten Abbau mit dem zwangsläufigen Verlust an Schutzwirkung. Bei
Natursteindenkmälern wurden Standzeiten zwischen 10 und 15 Jahren für die hydrophobe
Wirkung von Siloxanschichten an der Bauwerksoberfläche ermittelt [14].
Die Ursachen für Effektivität einerseits und Beständigkeit andererseits sind in
strukturchemischen Prozessen und
atmosphärisch bedingten,
photochemischen
Abbauprozessen zu suchen. Im Rahmen systematischer Untersuchungen in dieser Arbeit soll
den Ursachen der beiden Aspekte aus der erforderlichen molekularen Perspektive
nachgegangen werden.

Kapitel 2
Seite 3
2 Problemstellung, Zielsetzung und analytisches Konzept
Die vorliegende Arbeit behandelt zwei entscheidende Fragestellungen im Bereich des
Bautenschutzes durch Hydrophobierungsmittel:
· Wie effektiv ist der Oberflächenschutz?
Da kein Hydrophobierungsmittel für eine universelle Anwendung verfügbar ist, ist zur
Erzielung einer optimal wasserabweisenden Wirkung eine auf das jeweilige mineralische
Substrat maßgeschneiderte, angepaßte Struktur von hydrophoben Polykondensaten
erforderlich. Bei einem gegebenen Applikat hängt die jeweils erhaltene hydrophobe Wirkung
von folgenden Parametern ab:
a) vom Porenspektrum des Substrates,
b) von der chemischen Zusammensetzung des Substrates,
c) von Randbedingungen der Objektoberfläche.
Derzeit wird die Effektivität auf makroskopischer Ebene durch Überprüfung hygrischer
Parameter vor und nach einer Hydrophobierungsmaßnahme [15-18] sowie durch Bestimmung
der Feuchteparameter nach Durchführung von Belastungstests an hydrophobierten Proben
[19] im Rahmen bestehender DIN-Vorschriften bewertet. Diese Vorgehensweise liefert
jedoch nur eine begrenzte Grundlage im Hinblick auf die Optimierung und
Weiterentwicklung von Schutzmitteln. Die Beschreibung der zugrundeliegenden
molekularen, chemischen Struktur der ausgebildeten Kondensate erfordert weiterführende,
analytische Techniken. Bei der Aufbringung von Schutzschichten auf die Fülle heutiger,
durch atmosphärisch bedingte Korrosion gefährdeter poröser Baustoffe, d.h. Naturstein,
Beton, Ziegel etc., sind daher zielgerichtete Untersuchungsverfahren zu entwickeln. Dies
betrifft Unterschiede in der hydrophoben Effektivität bedingt durch Unterschiede im
Hydrolyseverhalten der monomeren oder oligomeren Ausgangsverbindungen und damit im
Quervernetzungsgrad, wie sie z. B. als Folge von unterschiedlichen, wechselnden
Feuchteangeboten nach Applikation des monomeren oder oligomeren Systems, Applikation

Seite 4
Kapitel 2
pur/verdünnt, als Emulsions-System oder etwa durch den Einfluß von zugesetzten
Katalysatoren auftreten können.
Um Aufschlüsse über die jeweilige Schichtstruktur möglichst realitätsnah zu erhalten, werden
im Rahmen dieser Arbeit in einem vorgelagerten Teil die oben genannte Effekte an Original-
Baustoffproben unter kombiniertem Einsatz der Diffusen Reflexions FT-IR-Spektroskopie
(DRIFT, Diffuse Reflectance Infrared Fourier Transform) und der
Röntgenphotoelektronenspektroskopie (XPS, ESCA) näher untersucht.
· Wie dauerhaft ist die Schutzmaßnahme?
Hinter dieser Frage verbergen sich folgende Teilaspekte:
1. Wie kommt es überhaupt zu einem Nachlassen der wasserabweisenden Wirkung der
siliciumorganischen Schutzmittel? Ist der Verlust an Schutzwirkung auf chemische
Veränderungen bzw. auf einen Abbau des Schutzstoffes zurückzuführen? Inwieweit spielt
ein Abbau des Substrates oder einzelner Komponenten eine Rolle? In welcher Weise und
inwieweit beeinflussen sich Schicht- und Substratalterung bzw. -abbau?
2. Durch welche chemischen (Abbau-) Prozesse läßt die Schutzwirkung nach? Verlaufen die
Abbaureaktionen oxidativ oder hydrolytisch?
3. Welche atmosphärischen Einwirkungen können für den Verlust der hydrophoben Wirkung
einer schützenden Siloxanschicht verantwortlich gemacht werden?
4. Wie läßt sich das Problem der Alterung einer Schicht bzw. des Verbundes Substrat +
Hydrophobierungsmittel systematisch analytisch-experimentell erfassen?
Den Ausgangspunkt zur Untersuchung dieser Fragen bildete eine Studie zur Langzeitwirkung
von siliciumorganischen Hydrophobierungsmitteln [20-22] auf Naturstein-Prüfkörpern, die
1986 in einer Freilandexposition an Orten mit teilweise deutlich unterschiedlichen
Umweltbedingungen aufgestellt worden waren. Proben, die in der Folge zu unterschiedlichen
Zeiten gewonnen worden waren, wurden zur Ermittlung von Daten zum umwelt-, zeit- und
substratabhängigen Abbau der Wirkung der applizierten Bautenschutzmittel (Änderung der
Wasseraufnahme und -abgabe) herangezogen. Die erhaltenen Aussagen zur hydrophoben

Kapitel 2
Seite 5
Wirkung und insbesondere der Dauerhaftigkeit der eingesetzten siliciumorganischen
Schutzmittel fielen derart verschieden aus, daß weitere Untersuchungen zur chemischen
Charakterisierung bewitterungsbedingter Abbauvorgänge als zwingend erforderlich erkannt
wurden.
In der vorliegenden Arbeit wird zur Untersuchung der atmosphärisch bedingten
Alterungsprozesse hauptsächlich die Technik der Umweltsimulation verwendet. Dazu wird -
notwendigerweise - versucht, die atmosphärischen Einwirkungen auf die relevanten
Wirkgrößen zu reduzieren. Diese Vorgehensweise ermöglicht die kontrollierte Beeinflussung
eines Substrat-Wirkstoff-Systems und liefert Abhängigkeiten der einzelnen Größen. Dabei
muß (und wird) jedoch immer berücksichtigt werden, daß gewisse Vereinfachungen
notwendig sind und eine letzte Überprüfung am komplexesten (dem natürlichen) System
vorzunehmen ist (Abb. 2.1).
Um ein möglichst umfassendes Bild über den Substrat-Einfluß bei der künstlichen
Bewitterung des Verbundes Schutzmittel/Substrat zu erhalten, wurden von ihrer
Zusammensetzung her sehr verschiedene Systeme wie Baumberger Kalksandstein und
Obernkirchener Sandstein sowie amorphes SiO
2
(Kieselgel) ausgewählt.
Aufgrund der hohen Umweltrelevanz und der relativ leichten Möglichkeit zur Steuerung von
Simulation und Probennahme kamen als Wirkgrößen saure Lösungen (durch verdünnte
Säuren simuliert) einzeln und in Kombination mit Sonnenstrahlung unter Verwendung von
sonnensimulationsgerechten Lampen zum Einsatz.
Ebenfalls von großer Bedeutung für die Langzeitstabilität von Gebäudekonservierungen sind:
· mikrobiologische Einwirkungen [23-24]. Eine Simulation der Einwirkung von bei der
Besiedlung von Bausubstanz verschiedenartigen Typen relevanter Mikroorganismen
(spezielle Bakterien, Pilze, Moose) führt allerdings zu schlechter Kontrollierbarkeit und
wirft auch sonst gewisse Probleme auf. Sie läßt sich ggf. nur in engster Kooperation mit
Mikrobiologen durchführen.
· Frost-Tausalz-Einwirkungen [2]. Diese speziell im Straßenbau (insbesondere bei
Hydrophobierungen an Verkehrsbauten bzw. -bauteilen aus Stahlbeton) relevante
Belastung kann u.a. zu der Problematik führen, daß hier nur schwierig zwischen rein
physikalischen und rein chemischen Abbau- bzw. Zerstörungsvorgängen an Substrat und
Wirkstoff unterschieden werden kann.

Seite 6
Kapitel 2
Zur spektroskopischen Untersuchung der komplexeren Einwirkung von Sonnenlicht und
Säure wurde zunächst auf ein Kieselgel-Polysiloxan-System zurückgegriffen. Damit kann
grob vereinfacht der Prozeß der realen atmosphärischen Belastung des Systems nachgestellt
werden.
Die Aufklärung der chemischen Abbauprozesse wird bei der hier vorliegenden
Problemstellung durch Identifizierung von Abbauprodukten und daraus abgeleiteter
Interpretation der Abbaumechanismen erreicht. Dies erfordert den Einsatz
(strukturaufklärender) spektroskopischer Meßmethoden. Neben oberflächensensitiven
Techniken insbesondere zur Charakterisierung der Systeme vom Typ
Schutzschicht/Realsubstrat (Baustoff) kamen bei der Identifizierung der Abbaureaktionen vor
allem die
a) Diffuse Reflexions FT-IR-Spektroskopie,
b)
1
H-NMR-Spektroskopie
zur Anwendung.
Die FT-IR-Spektroskopie wird als geeignete, zeitsparende analytische Technik zur
Überwachung des chemischen Zustandes des durch Simulation gealterten Systems
(monitoring) bei paralleler Visualisierung des Abbauprozesses eingesetzt. Zur genaueren
Ermittlung und Strukturbestimmung von Spaltprodukten werden
1
H-NMR-Spektren von
Lösungsmittelextrakten des künstlich bewitterten Materials herangezogen.

Kapitel 2
Seite 7
A t m o s p h ä r i s c h e B e w i t t e r u n g
K ü n s t l i c h e B e w i t t e r u n g d u r c h
S i m u l a t i o n
S c h i c h t
+ S u b s t r a t
Z u s t a n d 1
S c h i c h t +
M o d e l l s u b s t r a t
Z u s t a n d 1
S c h i c h t
+ S u b s t r a t
Z u s t a n d 2
( A l t e r u n g s p r o z e ß
ü b e r J a h r e )
S c h i c h t
+ M o d e l l s u b s t r a t
Z u s t a n d 2
( A l t e r u n g s p r o z e ß
b e s c h l e u n i g t )
a t m o s p h ä r i s c h e
E in w i r k u n g e n
simulierte Einwirkungen
(Sonnenstrahlung, Säuren)
m o n it o rin g :
D iff u se Re fle x io n s FT-IR-Sp e kt ro sk o p ie
(D RIFT)
C h e m i s c h e C h a r a k t e r i s i e r u n g :
D i f f u s e R e f l e x i o n s F T - I R - S p e k t r o s k o p i e
N M R - S p e k t r o s k o p i e
I d e n t i f i z i e r u n g u n d S t r u k t u r a u f k l ä r u n g
v o n S p a l t p r o d u k t e n
V e r g l e i c h , R ü c k s c h l ü s s e a u f
A l t e r u n g s p r o z e s s e b e i R e a l -
B e w i t t e r u n g
C h e m i s c h e C h a r a k t e r i s i e r u n g :
D i f f u s e R e f l e x i o n s F T - I R - S p e k t r o s k o p i e
Abb. 2.1: Simulations- und Untersuchungskonzept
Die Wahl eines Modellsubstrats mit oxidischer Oberfläche wie amorphes SiO
2
(Kieselgel,
pyrogene oder Fällungs-Kieselsäure) hat in Bezug auf Simulationsversuche vom Typ
Sonnenstrahlung/Säure wichtige Vorteile:
· es ist weitgehend chemisch inert im Hinblick auf einen Abbau durch Säureeinwirkung [25]
und kann daher im Vergleich zu anderen oxidischen Substraten als geeignetes und
insbesondere oberflächenchemisch eingehend untersuchtes Substrat [26-28] für das
Studium der Einwirkung auf die Alkylsiloxanschicht (SA-(self-assembly) Schicht) und
deren Abbaureaktionen herangezogen werden,
· es erlaubt eine hohe Beladung mit Wirkstoff (Silan) wegen der großen spezifischen
Oberfläche (je nach Art ca. 400-900 m
2
/g)

Seite 8
Kapitel 2
· es ermöglicht eine weitgehend ungestörte Analytik des Photoabbaus im Hinblick auf:
- die Zuordnung von Absorptionsbanden in den FT-IR-Spektren
- die Extraktion von Proben mit Lösungsmitteln und deren
1
H-NMR-spektroskopische
Untersuchung.
· darüber hinaus wird amorphes SiO
2
, das aufgrund seiner relativ hohen Hydroxylgruppen-
(Si-OH-) Dichte eine hydrophile Oberfläche aufweist, technisch häufig zur Verbesserung
der anwendungstechnischen Eigenschaften im Rahmen einer Nachbehandlung durch
Umsetzung der Hydroxylgruppen mit Alkoxy- oder Chlorsilanen wasserabweisend
behandelt [29-31]. Die Prüfung der Stabilität im Rahmen einer aciden und photooxidativen
Bewitterung des so erzeugten Systems ist daher von hoher Relevanz.
Die reale Substanz am Bauwerk hingegen ist ein hochkomplexer Mineralienverbund, so daß
von einer sehr inhomogenen Struktur der jeweiligen wasserabstoßenden Kondensate
auszugehen ist. Deshalb erfolgte beim Transfer der Simulationsversuche auf kompaktes
Steinmaterial auch hier die Wahl eines möglichst wenig reaktiven, aber für die
Gesamtinterpretation relevanten Untergrundes in Bezug auf einen Säureangriff. Infolgedessen
wurde bei dieser Problemstellung einer in zahlreichen Natursteinfassaden anzutreffenden
Quarzsandsteinsorte (Obernkirchener Sandstein) der Vorzug gegeben vor reaktiveren
Materialien. Die in dieser Untersuchung erhaltenen DRIFT-Spektren werden mit denen von
mit entsprechenden Mitteln behandelten Freiland- bzw. atmosphärisch bewitterten Proben
verglichen, um auf diese Weise Rückschlüsse über den realen Alterungsprozeß zu gewinnen.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß die übergeordneten Ziele dieser
Untersuchungen darin bestehen:
· eine verbesserte substrat- und umgebungsabhängige Auswahl von Schutzmitteln geben zu
können,
· dazu beizutragen, daß sich Perspektiven für die Weiter- bzw. Neuentwicklung von
Schutzmitteln eröffnen.

Kapitel 3
Seite 9
3 Effektivität und Dauerhaftigkeit siliciumorganischer Schutzstoffe bei der
Hydrophobierung von Gebäudeoberflächen
3.1 Auswahlkriterien für Hydrophobierungsmittel
3.1.1 Grundlagen der Gebäudekonservierung mittels siliciumorganischer Schutzstoffe
Ein zentraler Aspekt im Hinblick auf den Schutz einer mineralischen Gebäudeoberfläche ist
die Verhinderung des Zutrittes von Wasser in das Porensystem des Baustoffes. Zu den
wichtigsten Korrosions- bzw. Verwitterungserscheinungen [2, 3, 24], die beim Eintrag von
Feuchte in den porösen Baustoff auftreten, zählen
· Frostsprengungen durch Gefrieren des Wassers im Fall des Temperaturwechsels unter den
Nullpunkt,
· Transport von bauschädlichen Salzen innerhalb des Porensystems, verbunden mit
Kristallisations- und Lösungsvorgängen (Materialstress durch Kristallisations- und
osmotischen Druck),
· Quell- und Schwindvorgänge bei bestimmten Tonmineralen, verursacht durch
Einlagerung/Austrag von Wasser in Zwischenschichten in Verbindung mit einer
Gefügelockerung,
· Lösung von Bindemittelkomponenten und dadurch Schwächung des Gefüges,
· Aufbau eines Reaktionsmediums für den chemischen Angriff von luftgetragenen
Schadstoffen (direkter Eintrag gelöster Komponenten (,,saurer" Regen) und ,,trockene"
Deposition von Schadstoffen in der Porenlösung), verbunden mit dem Angriff der
eingetragenen Stoffe auf das Bindemittel,
· Bildung einer Lebensgrundlage für mikrobiologische Systeme, die dann z.B. durch
Stoffwechselprodukte einen Angriff auf das Substrat bewirken können.
Organosiliciumverbindungen sind neben anderen Substanzen bereits vor 1900 als erste
Stoffklasse zur wasserabweisenden Behandlung von mineralischen Fassadenoberflächen
empfohlen und ab den 60er Jahren in größerem Umfang eingesetzt worden. Die
Voraussetzung für eine quantitativ hohe Anwendbarkeit dieser Schutzstoffe war allerdings die

Seite
10 Kapitel
3
großtechnische Durchsetzung der Müller-Rochow-Synthese zur Erzeugung der erforderlichen
Organochlorsilan-Vorstufen X
n
SiCl
4-n
. Den großtechnischen, effizienten Zugang zu
längerkettigen, funktionalisierten Alkylsilanen des Typs X-(CH
2
)
n
SiCl
3
eröffnete die
Hydrosilylierung von
-Olefinen (Katalysator: H
2
[PtCl
6
]) [32]. Zu Verbindungen des Typs
CH
3
-(CH
2
)
n
Si(OR)
3
, den Alkoxysilanen als Basisverbindungen für den Gebäudeschutz,
gelangt man durch Umsetzung der erzeugten Organochlorsilane mit Alkoholen ROH.
Als Folge der Reaktion mit Umgebungsfeuchte werden durch Hydrolyse der applizierten
Alkoxysilane zunächst Silanole (RSi
-OH) gebildet. Diese können sowohl intermolekular
unter Bildung von Siloxan-Bindungen kondensieren als auch als Ankergruppen zur
chemischen Wechselwirkung mit dem OH-funktionellen mineralischen Untergrund unter
Ausbildung kovalenter Bindungen fungieren (Abb. 3.1).
Abb. 3.1: Schematisierte Darstellung möglicher Anbindungsformen für Alkoxysilane an
silicatische Grenzflächen
Durch Variation des Substituenten X können wasserabweisende Alkylpolysiloxanschichten
(X=Alkylgruppe) oder Kieselsäureester (X=OR), die als Vorstufen zum Aufbau einer
materialfestigenden Bindemittelmatrix wirken, erhalten werden.

Kapitel 3
Seite 11
Die bei Anwesenheit von Alkylgruppen gebildeten hydrophoben Filme haben deshalb
hervorragende Schutzwirkung, weil sie
· die Aufnahme von Feuchtigkeit drastisch reduzieren können,
· die äußeren Oberflächen mineralischer Baustoffe wie auch deren Porensystem bis zu einer
gewissen Tiefe effektiv und dauerhaft bedecken können, ohne den Diffusionswiderstand
für Gase innerhalb des Materials wesentlich zu beeinträchtigen,
· gegebene physikalische Eigenschaften des Materials wie Festigkeit und Elastizität nicht
nachteilig verändern.
3.1.2 Klassifizierung und Eigenschaftsspektrum der Hydrophobierungsmittel auf der
Basis von Organosiliciumverbindungen
Detaillierte Hinweise zu den in marktüblichen Produkten auf Lösungsmittel- oder
Wasserbasis (Mikro-/Makroemulsion) enthaltenen Organosilicium-Wirkstoffen im Hinblick
auf die anwendungstechnische Praxis, z.B. die Verarbeitung von Imprägniermitteln, sind in
der Vergangenheit bereits gegeben worden [33-39]. Die chemische Klassifizierung der den
Schutzmitteln zugrundeliegenden Wirkkomponenten läßt sich nach verschiedenen Kriterien
vornehmen. Die wesentlichen Prinzipien in den chemischen Eigenschaften der Einzelvertreter
und ihr Verhalten bei der Applikation auf poröse Materialien werden daher im folgenden
verdeutlicht. Die Wirkstoffe auf Basis der Organosilylester lassen sich nach den
Haupteigenschaftskriterien Molekülgröße, Alkylierungsgrad und hydrolysierbare Gruppen
ordnen:
Molekülgröße (molare Masse)
Anhand der Molekülgröße bzw. der molaren Masse des Schutzstoffs läßt sich eine
Differenzierung in a) Silane, b) Oligosiloxane und c) Polysiloxane vornehmen. Da die
Molekülgröße in der Reihenfolge Silan < Oligosiloxan < Polysiloxan zunimmt, gilt für die
Penetrationskraft der Wirkstoffe bei Applikation auf poröse, saugfähige Baustoffe hingegen
die entgegengesetzte Abfolge Silan > Oligosiloxan > Polysiloxan.

Seite
12 Kapitel
3
Alkylierungsgrad
Im Hinblick auf den Alkylierungsgrad am Si-Atom (z.B. Methyl-, Propyl-, Isobutyl-,
Octylgruppe) fällt ein höher alkyliertes Silan gegenüber einem Methylsilan wegen des
größeren sterischen Anspruchs der Alkylgruppe beim Vergleich der erzielbaren
Imprägniertiefe zurück (Methyl- > Propyl- > Isobutyl- > Octylgruppe). Allerdings sind
größere Alkylgruppen stärker wasserabstoßend und sorgen für höhere Alkaliresistenz, so daß
man sowohl für die hydrophobe Wirkung als auch für die basische Stabilität entsprechend
substituierter Silylester generell die Rangfolge Methyl- < Propyl- < Isobutyl- < Octylgruppe
erhält.
Hydrolysierbare Gruppen
Die Alkoholyse der Organochlorsilane mit Methanol bzw. Ethanol führt zu Methoxy-
(-OCH
3
) bzw. Ethoxysilanen (-OCH
2
CH
3
) und damit zur Trialkoxysilylgruppe als reaktivem
Strukturelement der Organosilylester. Die Methoxysilane können Baustoffe stärker
durchdringen und aufgrund der geringeren sterischen Hinderung der Methoxygruppe im
Vergleich zur Ethoxygruppe beschleunigt hydrolysiert werden. Dieser Effekt wiederum
bestimmt den dreidimensionalen Quervernetzungsgrad innerhalb des sich bildenden
Polykondensates.
Sehr häufig werden Wirkkomponenten mit unterschiedlichen Eigenschaften miteinander
kombiniert, ggf. unter Katalysator-Zusatz (Sn-, Ti-Alkoxide), um verbesserte Resultate
hinsichtlich der hydrophoben Effektivität der Oberflächenbehandlung zu erzielen. Auf diese
Weise gelangt man zu Imprägniermischungen, wie sie auch in Form applikationsfertiger
Produkte bereits seit einigen Jahren kommerziell erhältlich sind. Untersuchungen an mit
Mischsystemen aus Alkylsilylestern unterschiedlicher Kettenlänge hydrophobierten
Sandsteinproben belegten deutlich, daß die aus ca. 95% kurzkettigem und 5% langkettigem
Monomer gebildeten Cokondensate im Vergleich zur reinen niedrigalkylierten Komponente
zu Restwassergehalten
30% im hydrophobierten Material führen können [40] und somit den
Weg zu effektiveren wie ökonomischeren Produkten aufzeigen.
Auch die stärkere Tiefenwirkung der durch Mischungen aus Imprägnier-/Festigungsmittel
vom Typ RSi(OEt)
3
/Si(OEt)
4
gebildeten Kondensate gegenüber denen aus dem reinen
Imprägniermittel ist durch Untersuchungen an Naturstein belegt [41]. Eine chemisch relativ

Kapitel 3
Seite 13
neue Variante von siliciumorganischen Schutzmitteln stellen perfluorierte Organosilane, wie
z.B. Tridecafluoroctyltriethoxysilan (CF
3
(CF
2
)
5
(CH
2
)
3
Si(OEt)
3
), dar [42]. Hierbei werden die
äußerst hohe Oberflächenspannung von perfluorierten organischen Polymeren wie
Polytetrafluorethylen mit der Anbindungsfähigkeit der Silylester an silicatische Oberflächen
in einem Wirkstoff vereinigt.
3.1.3 Hydrophobierung einzelner Klassen poröser Baustoffe
Bei wasserabweisenden Behandlungen mineralischer Untergründe mit Organosilylestern ist
die erreichte hydrophobe Wirkung umso stärker, je vollständiger die Hydrolyse der
Alkoxygruppen und die anschließende Kondensation der Silanolgruppen zum Polysiloxan
ablaufen. Aufgrund des direkten Kontaktes der Siloxanschicht mit dem Substrat ist es
verständlich, daß dieser Prozeß und die daraus resultierende Schichtstruktur entscheidend von
den Eigenschaften des jeweiligen Substrates beeinflußt wird. Hierzu zählen in erster Linie
· die chemische Zusammensetzung und
· der pH-Wert der Porenlösung.
Effektivität und Langzeitwirkung der Behandlung hängen ferner ab von der am jeweiligen
Material erzielten Imprägniertiefe. Diese wiederum ist zusätzlich eine Funktion von
· der Porosität und der Porenradienverteilung des Substrates.
Naturgesteine auf der einen und werksseitig erzeugte mineralische Baustoffe auf der anderen
Seite bilden ein Spektrum von aus verschiedenen Mineralkomponenten komplex aufgebauten
Systemen, bei denen Mineralaggregate bzw. Zuschläge in eine Bindemittelmatrix eingebettet
sind (Tabelle 3.1). Dies läßt erahnen, daß hydrophob ausgestatteten Baustoffoberflächen
überwiegend inhomogen aufgebaute polymere Strukturen zugrundeliegen, so daß bei der
Hydrophobierung der unterschiedlichen Materialien kurz- und langzeitliche Wirkunterschiede
zu erwarten sind.

Seite
14 Kapitel
3
Tab. 3.1: Vereinfachte Übersicht über die wichtigsten im Bauwesen für die Applikation von
Hydrophobierungsmitteln in Frage kommenden mineralischen Untergründe und ihre
Charakterisierung [43]
BAUSTOFF KOMPONENTEN/ZUSCHLÄGE BINDEMITTEL/MATRIX
Naturstein
Quarz (SiO
2
), Tonminerale,
Feldspäte, Carbonatklasten
quarzitisch, tonig, oder calcitisch
Ziegel
Sand, Ziegelmehl, Asche
Gebrannter Ton, Lehm
Beton/
Stahlbeton
Kies, Sand (Zuschlag), Zusätze
(Füller), Bewehrungsstahl
Zementstein (Hydrate von z.B.
Tricalciumsilicat (3CaO · SiO
2
)
oder -aluminat (3CaO · Al
2
O
3
))
Putzmörtel
Sand z.B.
Calciumhydroxid
(Ca(OH)
2
) +
Calciumsilicathydrat
Synthetischer
Kalksandstein
Sand Calciumsilicathydrat
3.1.3.1 Die besondere Problematik der Natursteinhydrophobierung
Das Problem der Erhaltung von Naturstein durch Applikation von siliciumorganischen
Schutzmitteln liegt zu einem großen Teil in der Variabilität der Gesteine begründet.
Porenradienverteilung, Mineraltypen- und komposition, die bereits bei einem einzelnen
Steintyp schwanken können, beeinflussen den Erfolg von Hydrophobierungsmaßnahmen
wesentlich. Dies erklärt wiederholt aufgetretene Fehlapplikationen siliciumorganischer
Tränkstoffe. Als exemplarische Vertreter aus dem Bereich der Natursteine werden in dieser
Arbeit der carbonatisch-tonig gebundene Baumberger Kalksandstein und der quarzitisch
gebundene Obernkirchener Sandstein eingesetzt. Beide Gesteine sind weit verbreitet an
Baudenkmälern zu finden.

Kapitel 3
Seite 15
Hydrophobierung von Obernkirchener Sandstein (OKS)
Diese aus Südniedersachsen stammende Steinsorte zeigt aufgrund ihrer quarzitischen
Kornbindung eine gute bis sehr gute Verwitterungsbeständigkeit. Neben Quarz als
Hauptbestandteil fungiert Kaolinit (Al
4
[(OH)
8
/Si
4
O
10
]) bereichsweise als Porenfüllung und
Bindemittel [44]. Die quarzitische Steinoberfläche bietet aufgrund der Anwesenheit von
Si-OH-Oberflächengruppen gute Anbindungsmöglichkeiten für Silylester. Mit einem pH-
Wert von ca. 6-7 liegt im Porensystem ein eher neutrales Milieu vor (zum Vergleich:
Kieselgel ca. pH 4), aufgrunddessen eine beschleunigte Hydrolyse von Alkoxygruppen - im
Gegensatz zum alkalischen Milieu (z.B. beim Baumberger KS) - nicht zu erwarten sein sollte.
In dem in Kapitel 2 angesprochenen Feldexpositionsversuch konnten an dieser Steinsorte für
fast alle Typen der eingesetzten Hydrophobierungsmittel nach 8jähriger Bewitterung sehr
gute Restqualitäten der wasserabweisenden Eigenschaften nachgewiesen werden [22].
OKS ist als Referenzmaterial beim Vergleich der Hydrophobierung verschiedener
Natursteintypen vorteilhaft, da man ihn, chemisch gesehen, nahezu als eine Modell-
Steinmatrix behandeln kann:
· Bildung einer ,,Modell-Hydrophobierungsschicht" (,,optimale" Substratoberfläche für die
kovalente Anbindung der Silanolgruppen),
· atmosphärische Einwirkungen führen nur zum Schichtabbau, es erfolgt aber praktisch
kaum ein Abbau der Steinmatrix.
Hydrophobierung von Baumberger Kalksandstein (BKS)
Der im Münsterland gewonnene Baumberger Kalksandstein, der in zahlreichen regionalen
und überregionalen Baudenkmälern anzutreffen ist, ist ein sandiger Kalkstein, der
· Montmorillonit ((Mg, Al)
2
[(OH)
2
/Si
4
O
10
] · (Na, Ca)
3
(H
2
O)),
· Illit (K
0,5
(Al
2
, Fe
2
, Mg
3
)[(OH)
2
/Al
0,5
Si
3,5
O
10
]) sowie
· Glauconit (2[(K,Na,Ca)
1,2-2
(Fe
III
,Al,Fe
II
,Mg)
4
-(Si
7-7,6
,Al
1-0,4
O
20
(OH)
4
· nH
2
O])
führt.

Seite
16 Kapitel
3
Die geringe Verwitterungsresistenz dieser Steinsorte ergibt sich aus mehreren Gründen:
· Der hohe Calcit-Gehalt des Bindemittels sorgt einerseits für eine leichte Bearbeitbarkeit
des Materials, andererseits ist hiermit ein Angriffspunkt für eine chemische Umwandlung
in Gips gegeben.
· Quell- und Schwindvorgänge bei den Dreischicht-Tonmineralen wie Montmorillonit und
Illit tragen bei Feuchteein- und austrag zur Gefügeschwächung bei (vgl. 3.1.1).
· Bedingt durch einen signifikanten Anteil an Mikroporen ist die Frost-Tau-Beanspruchung
des Steingefüges bei diesem Material besonders hoch.
Die hydrophobierende Behandlung des BKS mit Organosilylestern ist wegen der im
Vergleich zu silikatischen Gesteinsmaterialien geringeren Oberflächenpolarität der
carbonatischen Matrix und der damit verbundenen offenbar weniger starken Wechselwirkung
mit dem Substrat schwieriger. Dies konnte in umfangreichen Labortests gezeigt und in
Freilandstudien anhand sehr aufschlußreicher Ergebnisse hinsichtlich der Langzeit-
Effektivität verschiedener kommerzieller Applikate untermauert werden [22]:
· Bei reinen Hydrophobierungsmitteln ohne festigenden Kieselsäureester-Zusatz schnitten
Siloxane schlechter ab als Silane. Wegen des stärkeren Penetrationsvermögens der Silane
bleibt nach Witterungsexposition in der Tiefe eine hydrophobe Wirkung, auch wenn
äußere Materialbereiche abgetragen sind.
· Der Zusatz eines hinreichenden Anteiles Kieselsäureester zum Silan oder Oligosiloxan
kann zu einer deutlichen Verbesserung der Hydrophobierung führen. Das hierbei im
Porenraum abgeschiedene Kieselsäuregel fungiert als Sekundärmatrix, auf der die
Alkylsilylester-Moleküle kovalent anbinden können. Besonders deutlich wird die gute
Langzeitstabilität bei mit einem entsprechenden Kombinationsmittel (75%
Kieselsäureester-Anteil) behandelten Prüfkörpern: Auch nach achtjähriger
Freilandbewitterung wirkt das in das Porengefüge eingebrachte Mischkondensat nahezu
genauso gut wasserabstoßend wie bei der unbewitterten Probe.

Kapitel 3
Seite 17
3.1.3.2 Hydrophobierung industriell erzeugter Baustoffe
Hydrophobierung von Grobkeramik (Ziegelwerkstoffe)
Im Gegensatz zu den Naturgesteinen haben technische Baustoffe wie die aus Ton gebrannten
grobkeramischen Erzeugnisse (Dach- oder Vormauerziegel, Klinker, unglasierte
Fußbodenplatten) oder Beton den Vorzug, daß bei Hydrophobierungsmaßnahmen ein immer
wieder gleichartig vorliegendes Material behandelt werden kann.
Im wesentlichen treten bei Ziegelsichtmauerwerk neben Frostschäden, von denen vor allem
Vormauerziegel (Feuchteaufnahmekapazität von bis zu 20 Gew.%) betroffen sein können,
weitere Schadensformen wie z.B. Salzausblühungen und Kalktreiben auf, die in Tabelle 3.2
näher charakterisiert sind.
Tab. 3.2: Häufige Schadensprozesse bei Ziegeln [46]
SCHADENSFORM AUSLÖSER MECHANISMUS
Frostschäden
Wasser Gefügesprengung
durch
Kristallisation bei Temp. unter
Nullpunkt (vgl.3.1.1)
Salzausblühungen
Wasserlösliche Eigensalze im
frisch gebrannten Ziegel und
Fremdsalze
Anlösen der Salze bei
Wasseraufnahme, Transport an die
Ziegeloberfläche durch Saugkräfte,
Kristallisation
Kalktreiben
Einschlüsse grobkörniger
Erdalkalimetalloxide (CaO,
MgO), die beim Brand nicht in
silicatisches Material überführt
wurden
Ablöschen bei Feuchtezutritt,
hierdurch bedingte starke
Volumenzunahme, resultierender
Druck führt zu Abplatzungen
Bei der Hydrophobierung von Ziegel- und Natursteinfassaden ist die parallele
Berücksichtigung des Fugensystems von größter Wichtigkeit, da auch der Fugenmörtel
Feuchte aufnehmen kann. Im Fugensystem auftretender Feuchtestau kann den
hydrophobierten Ziegel indirekt durch Hinterwanderung gefährden. Bedingt durch das relativ

Seite
18 Kapitel
3
große Fugennetz bei Ziegelfassaden kann dieser Effekt besonders gravierend sein [45].
Aufgrund der Alkalität des Mörtels ist aus der Palette der siliciumorganischen
Imprägniermittel die Anwendung höher alkylierter (langkettiger) Silylester eine der
Voraussetzungen für eine erfolgreiche und dauerhafte Schutzmaßnahme.
Hydrophobierung von Beton
Beton ist global der vorherrschende Massenbaustoff. Die Dauerhaftigkeit von Beton und der
Verbundbaustoffe Stahl- und Spannbeton ist durch die Anwendung in Massivbauwerken im
Hoch- und Tiefbau (z.B. Wohn- und Verkehrsbauten) für die modernen Industrienationen von
sehr hoher volkswirtschaftlicher Bedeutung. Ausschlaggebend für die enorme Festigkeit des
Betons ist der aus den Ausgangsstoffen Zement und Wasser durch Erhärtung gebildete
Zementstein, in welchem Zuschlagstoffe (Kies, Sand) eingebettet sind [43].
In den letzten Jahren sind zahlreiche Schäden auch an jüngeren Betonbauwerken bekannt
geworden. Dabei ist erwiesen, daß die Betonkorrosion durch atmosphärischen Angriff auf den
im Vergleich zum Zuschlag erheblich reaktiveren und weniger festen Zementstein
zurückzuführen ist. Im allgemeinen kann man hierbei drei chemische und physikalische
Wirkfaktoren unterscheiden [2, 47]:
· Angriff auf den Zementstein von außen, z.B. aufgrund des lösenden Angriffs durch Säuren,
Salze und weiches Wasser, treibender Angriff durch Sulfat-Ionen,
· Treibender Angriff durch Umwandlungen im Innern wie z.B. durch Alkali-Kieselsäure-
Reaktion [48] und sekundäre Bildung von Ettringit, einem kristallwasserreichen und
dadurch sehr voluminösem Produkt (3CaO
·
Al
2
O
3
·
3CaSO
4
· 32 H
2
O),
· Physikalischer Angriff auf Beton (Frost- und Tausalzbeanspruchung).
Volkswirtschaftlich besonders gravierend sind Schäden bedingt durch die beiden
letztgenannten Einflußgrößen.
Beim Stahlbeton tritt das Problem der Korrosion der Stahlbewehrung hinzu, die einerseits
durch Luft-CO
2
(Carbonatisierung), andererseits durch Chloride hervorgerufen werden kann:
Die Porenlösung des Betons, die mit einen pH-Wert von ca. 12,6 durch Bildung einer Fe
2
O
3
-
Schicht die Passivierung des Stahls gewährleistet, verliert durch Eindringen von Kohlensäure
(CO
2
) an Alkalität. Unterhalb von pH 11 erfolgt die Depassivierung des Stahls. Die Präsenz

Kapitel 3
Seite 19
von Chlorid-Ionen ist besonders gefährlich, da diese bereits bei pH 12,6 zur Depassivierung
des Stahls führen und damit dessen Korrosion fördern.
Durch die genannten Zerstörungsmechanismen bewirkte Betonschäden geben vermehrt Anlaß
für aufwendige Instandsetzungs- und Schutzmaßnahmen. Da der zentrale Einfluß von Feuchte
auch bei der Betonzerstörung sehr deutlich wird, ist auch hier die Anwendung
siliciumorganischer Schutzmittel als eine wirkungsvolle Maßnahme zur Betonkonservierung
erkannt und bereits vielfach untersucht worden [49-55].
Für die Hydrophobierung von Beton mit Silylestern wendet man in erster Linie Silane an, da
sie aufgrund ihrer geringen Molekülgröße im dichten Porengefüge des Zementsteins die
besten Eindringtiefen erzielen. Bei dem hohen pH-Wert im Innern des Betons ist eine rasche
Hydrolyse der Alkoxygruppen des Silylesters zu erwarten. Es kommen nur langkettige Silane
in Betracht, weil die resultierenden Kondensate ausreichend alkalistabil sein müssen. Lange
Alkylketten behindern einen OH
-
-Ionen-Angriff auf die Si
-C- und die Si-O-Si-Bindung, der
zu einem Abbau der polymeren Schutzschicht und damit zum Verlust der feuchteabstoßenden
Ausrüstung der Betonoberfläche führen kann.
3.2 Alterungsprozesse bei Polymeren und polymeren Schutzschichten
3.2.1 Alterung von polymeren Schichten - Überblick über das Ursachenspektrum
Beim Gebrauch eines polymeren Werkmaterials oder nach Applikation von
polykondensations- bzw. polymerisationsfähigen Beschichtungsstoffen ist neben optimalen
Anwendungseigenschaften auch eine möglichst hohe Langzeitstabilität bzw. Dauerhaftigkeit
erwünscht. Diesem Ziel steht die Alterung des polymeren Stoffes gegenüber, die in der Regel
eine Beeinträchtigung der Gebrauchseigenschaften des Werkstoffs selbst oder aber - im Falle
des Abbaus von Beschichtungen - des zu schützenden Materials zur Folge hat. Unter dem
Begriff ,,Alterung" werden nach DIN 50035 ,,alle im Laufe der Zeit in einem Material
irreversibel ablaufenden chemischen und physikalischen Vorgänge" zusammengefaßt.
Bei den Ursachen für Alterungserscheinungen an Polymeren und polymeren Schichten [56]
wird allgemein unterschieden zwischen
· inneren Alterungsursachen als Folge von z.B.
a) unvollständiger Polykondensation oder Polymerisation,

Seite
20 Kapitel
3
b) Eigen- sowie Orientierungsspannungen,
· äußeren Alterungsursachen [57] in Form von
a) chemischen Einwirkungen,
b) Witterungseinwirkungen (photochemische Alterung) [58],
c) thermischen Einwirkungen,
d) Einwirkung ionisierender Strahlung,
e) biologischen Einwirkungen,
f) mechanischen Einwirkungen.
Im Falle oberflächenbehandelter, exponierter Materialien wie bei der
Fassadenhydrophobierung mit siliciumorganischen Bautenschutzmitteln kommt der Alterung
durch Witterungseinwirkungen und damit der Photoalterung maßgebliche Bedeutung zu. Das
als Verwitterungsschutz aufgebrachte Polykondensat ist der Atmosphäre und damit
Freiluftklimaten ausgesetzt. Zu den einzelnen Klimafaktoren zählen
a) Strahlung (Sonnen- und Himmelsstrahlung),
b) Temperatur und Temperaturwechsel,
c) Luftfeuchte und Feuchtewechsel,
d) Beaufschlagung mit Wasser (Regen, Tau, Reif),
e) Wind,
f) Chemische Bestandteile der umgebenden Atmosphäre (Schadstoffe).
Sicht- und meßbare Alterungserscheinungen an exponierten polymeren Schichten sind
meistens auf eine Strahlungsschädigung als primäre Alterungsursache zurückzuführen. Die
Wirkung der übrigen Klimagrößen hat jedoch entscheidenden Einfluß auf den Verlauf des
photoinitiierten Schichtabbaus [59]. Nachfolgend seien im Hinblick auf Punkt f) (s.o.) einige
grundlegende Aspekte zu den gasförmigen Schadstoffen NO
x
und SO
2
dargestellt.

Kapitel 3
Seite 21
3.2.2 Die Bedeutung der sauren Schadgase NO
x
und SO
2
Von den zahlreichen Sauerstoffverbindungen des Stickstoffs sind neben N
2
O insbesondere
die toxischen Gase NO und NO
2
aufgrund ihres Beitrages zu atmosphärischen
Luftverunreinigungen von großer Umweltrelevanz. Beide werden auch als nitrose Gase
bezeichnet und mit der Kurzformel ,,NO
x
" gekennzeichnet. Die bedeutendste Quelle im NO
x
-
Haushalt der Troposphäre ist die Verbrennung fossiler Brennstoffe. In Deutschland betragen
die anthropogenen NO
2
-Emissionen 3,2 ·10
6
t/a (Stand: 1990) [60].
Insbesondere NO
2
ist im Vergleich zu NO ein sehr reaktives Gas, hat stark oxidierende
Wirkung und ist einer der Faktoren bei der Entstehung von Photooxidantien und damit von
photochemischem Smog (s.u.). In Anwesenheit von Feuchte bildet NO
2
Salpetersäure und ist
damit - neben SO
2
, CO
2
und HCl - eine der Hauptursachen saurer atmosphärischer
Niederschläge, die im Falle der Deposition (naß/trocken) in Kontakt mit der belebten Natur,
mit Bausubstanz [61] sowie mit polymeren Werkstoffen und Beschichtungen geraten und
hierbei zur Materialalterung beitragen können.
Etwa die Hälfte der atmosphärischen Schwefelverbindungen kommt in oxidierter Form als
SO
2
und H
2
SO
4
bzw. SO
4
2-
vor und stammt überwiegend aus anthropogenen Quellen. Global
werden pro Jahr ca. 200 · 10
6
t SO
2
durch technische Verbrennungsprozesse (Kohle, Erdöl) in
die Atmosphäre emittiert [60]. SO
2
trägt durch Oxidation mit Luft-O
2
in Anwesenheit von
Feuchte zur Bildung von H
2
SO
4
bei und hat damit sehr wesentlichen Anteil an der Bildung
saurer atmosphärischer Niederschläge. Sowohl gasförmiges SO
2
als auch die gebildete Säure
wirken auf Bestandteile etwa von Naturstein und Beton [62], aber auch auf Kunststoffe
korrosiv [63-66]. Gerade die durch Einwirkung von SO
2
auf mineralische Bausubstanz,
Gebäudeanstriche und Stahlteile entstehenden Schäden sind derart gravierend, daß allein in
Deutschland Kosten von 2 Mrd. DM jährlich entstehen.
3.2.3 Photochemische Prozesse und Polymeralterung
3.2.3.1 Grundlagen des Photoabbaus
Elektronisch angeregte Zustände

Seite
22 Kapitel
3
Voraussetzung für photochemische Reaktionen organischer Moleküle ist die
Elektronenanregung von Molekülen durch ultraviolette (UV-) Strahlung. Beispielsweise
entspricht UV-Strahlung der Wellenlänge
=286 nm einer Anregungsenergie von E=420
kJ/mol. Dieser Energiebetrag liegt im Bereich der Bindungsenergien von C
-H- und C-C-
Bindungen [63]. Damit führt die Bestrahlung von Molekülen mit UV-Licht zunächst zu
elektronisch angeregten Zuständen mit definierter Energie, Struktur und Lebensdauer. Dies
kann im Polymer zu Bindungsspaltungen führen und folglich Reaktionen auslösen.
Die Gesamtenergie eines bestimmten Zustandes eines Moleküls ist die Summe aus
elektronischer Anregungsenergie (E
e
), Schwingungsenergie (E
v
) und Rotationsenergie (E
r
):
E = E
e
+
E
v
+ E
r
(3.1)
mit E
e
> E
v
>> E
r
.
Die Gesamtänderung der Energie ist somit die Summe der Änderungen der Anzahl der
elektronischen, der Schwingungs- und Rotations-Energiequanten. Molekülzustände, bei
denen sämtliche Elektronen mit paarweise antiparallelem Spin angeordnet sind, nennt man
Singuletts (S). Daneben existieren Triplett-Zustände (T) mit paarweise parallelem
Elektronenspin. Ausgehend vom Grundzustand (S
0
) können angeregte Moleküle sowohl in
Singulett- als auch in Triplett-Zuständen erzeugt werden.
Erlaubt sind nur Elektronenübergänge zwischen Zuständen gleicher Multiplizität, also S
S-
oder T
T-Übergänge. Photochemische Reaktionen hingegen werden vielfach vom
Multiplizitäts-Wechsel (intersystem crossing) bestimmt, d.h. bei vielen Molekülen im
angeregten Zustand treten auch verbotene strahlungslose Singulett-Triplett-Übergänge auf.
Die Struktur elektronisch angeregter Zustände und die Elektronenübergänge mehratomiger
Moleküle stellt man in Jablonski-Diagrammen dar (Abb. 3.2).

Kapitel 3
Seite 23
Abb. 3.2: Vereinfachtes Jablonski-Diagramm
Folgende wesentliche Prozesse sind hierin skizziert:
Wird ein Molekül durch UV-Licht angeregt, so überführt eine bestimmte Wellenlänge (
0
)
von dem Schwingungsniveau (S
0
) des Grundzustandes in das Schwingungsniveau S
2
des
angeregten Singulettzustandes (Dauer: 10
-13
s). Unmittelbar nach dem Anregungsvorgang sind
drei Entspannungsprozesse möglich: Im Falle gibt das angeregte Molekül vom S
2
-Zustand
aus seine Schwingungsenergie an die Umgebung ab (Schwingungs-Relaxation), geht
daraufhin in den schwingungs-angeregten Singulettzustand S
1
über (innere Konversion )
und erreicht schließlich unter Abgabe weiterer Schwingungsenergie an die Umgebung den
energetisch niedrigsten angeregten Singulettzustand (Lebensdauer 10
-8
s). Hiervon
ausgehend sind zwei verschiedenartige Prozesse möglich, die zur intramolekularen
Desaktivierung führen:
a) Fluoreszenz
In diesem Fall erfolgt der Übergang S
1
S
0
unter Abgabe des verbleibenden Restes der
Anregungsenergie in Form eines Lichtquants h
F
< h
0
. Hierbei handelt es sich um
Emission sichtbaren Lichtes.

Seite
24 Kapitel
3
b) Intersystem crossing
Bei kleiner Energiedifferenz zwischen S
1
- und T
1
-Zustand erfolgt der verbotene S
1
T
1
-
Übergang unter Spinumkehr . Diesem ,,intersystem crossing" folgt nach weiterer
Schwingungs-Relaxation der T
1
S
0
-Übergang. Dieser kann bei geringem verbleibendem
Energieunterschied strahlungslos ablaufen , oft erfolgt er jedoch unter Emission eines
Lichtquants h
P
< h
F
, . Dieser als Phosphoreszenz registrierte Prozeß äußert sich in der
zeitlich verzögerten Abgabe sichtbaren Lichtes.
Allgemeiner Mechanismus des photooxidativen Polymerabbaus
Aufgrund ihrer hohen Lebensdauer sind Triplettzustände häufig Ausgangspunkte für
photochemische Umsetzungen. Die Energie solcher Triplett-Zustände ist allgemein in Form
von entsprechend angeregten Donatormolekülen (
3
D) auf schwieriger anregbare Moleküle
(Akzeptoren, A oder Quencher, Q) übertragbar. Diesen diffusionskontrollierten
Energieübertragungsvorgang nennt man Photosensibilisierung oder intermolekulare
Desaktivierung. Er läßt sich schematisch folgendermaßen zusammenfassen:
D + h
1
D
(Anregung)
(3.2)
1
D
3
D
(Intersystem
crossing)
(3.3)
3
D + A
D +
3
A
(Sensibilisierung
bzw.
Quenching)
(3.4)
3
D
D
+
Wärme (3.5)
3
A
Produkte
(3.6)
Bei der Reaktion, die durch Gl. 3.6 wiedergegeben wird, handelt es sich um Desaktivierung
durch chemische Reaktion. Für die photoinduzierte, oxidative Alterung von Makromolekülen
ist diese Art der Desaktivierung maßgebend, da sie durch Spaltung von Polymerbindungen
Angriffspunkte für die Umsetzung mit O
2
schafft. Für den Gesamtvorgang der Photooxidation
wird allgemein ein Radikalkettenmechanismus postuliert, der von Sekundärreaktionen
begleitet wird [63]:

Kapitel 3
Seite 25
1)
Initiation:
PH
+
(3.7)
Die Kettenstart-Reaktion zur Erzeugung von Polymer-Radikalen (P
) kann außer durch UV-
Photonen durch weitere physikalische Faktoren wie ionisierende Strahlung, Hitze, etc. sowie
chemische Faktoren wie Katalysatoren, Singulett-Sauerstoff (
1
O
2
), atomaren Sauerstoff oder
Ozon (O
3
) ausgelöst werden.
2) Propagation:
P· + O
2
PO
2
·
(3.8)
PO
2
· + PH
POOH + P·
(3.9)
Das durch Reaktion mit O
2
gebildete Peroxyradikal (PO
2
) kann durch Abstraktion eines
H-Atoms von einem anderen Polymermolekül ein Hydroperoxid (POOH) bilden.
Polymerhydroperoxide werden unter Lichteinwirkung zersetzt gemäß:
POOH
+ ·OOH 3.10)
POOH
PO· + ·OH
(3.11)
Bei der UV-Photolyse der Hydroperoxide dominiert Reaktion (3.11) aufgrund der klar
geringeren Bindungsdissoziationsenergie für PO
OH (160 kJ/mol) als für POOH (280
kJ/mol) [63]. Aus den Reaktionen (3.10) und (3.11) ergibt sich eine Folge wichtiger, den
Polymerabbau bestimmender Sekundärreaktionen. Die generierten freien Radikale können die
Hydroperoxide zersetzen nach:
POOH + RO·
POO· + ROH
(3.12)
POOH + HO·
POO· + H
2
O
(3.13)
Reagieren Alkoxy-Polymerradikale (PO
) mit anderen Polymermolekülen, bilden sich
Hydroxylgruppen:
PO· + PH
POH + P·
(3.14)

Seite
26 Kapitel
3
Aus den Alkoxy- und Hydroperoxy-Radikalen können sich Keto- und Aldehydgruppen
bilden:
a)
-Spaltung von Alkoxy-Radikalen
(3.15)
b) Zerfall des Hydroperoxid-Radikals:
(3.16)
Das Ende der Radikalkette ist gekennzeichnet durch Abreagieren der Radikalkomponenten
untereinander, wobei Inertprodukte resultieren:
3)
Termination: P
· + P ·
inaktive Produkte
(3.17)
PO
2
· + P ·
inaktive Produkte
(3.18)
PO
2
· + PO
2
·
inaktive Produkte
(3.19)

Kapitel 3
Seite 27
Temperatur und Feuchte haben wesentlichen Einfluß auf die photochemische Alterung
polymerer Werkstoffe. Die Temperaturabhängigkeit der photooxidativen Gesamtreaktion von
Polymeren resultiert dabei aus der Abhängigkeit der skizzierten Einzelreaktionen von der
Temperatur. Allgemein folgt die Temperaturabhängigkeit insbesondere der Teilreaktion (2)
dem Gesetz von ARRHENIUS, wonach sich die Reaktionsgeschwindigkeitskonstante mit
dem Verlauf einer e-Funktion mit steigender Temperatur erhöht.
Bei einer weiteren wichtigen Einflußgröße auf die Photoalterung von Polymeren, der
relativen Luftfeuchte, wird in den literaturbekannten Bewitterungsstudien [67-70] im Falle
höherer Feuchte ebenfalls eine forcierte Alterung makromolekularer Materialien beobachtet,
da allgemein mit einer Feuchtezunahme mehr Lösungsmittel für an der Oberfläche gebildete
Reaktionsprodukte zur Verfügung steht. Dabei werden in Abhängigkeit vom jeweils
untersuchten Polymersystem für den Einfluß auf die Photooxidation verschiedene Ursachen
aufgeführt [59].
3.2.3.2 Stickstoffoxide (NO
x
) als Reaktionspartner bei photochemischen Prozessen in der
Atmosphäre
Unter den Gegebenheiten der erdnahen Atmosphäre kommt photochemischen Reaktionen von
NO
2
besondere Bedeutung zu. Es wird durch langsame Oxidation von NO mit Luftsauerstoff
gebildet und durch UV-Einwirkung photolysiert:
2 NO + O
2
2 NO
2
(3.20)
NO
2
+ h
(<420 nm) NO + O(
3
P)
3
P: Grundzustand
(3.21)
Die gebildeten O-Atome setzen sich unter Beteiligung von Stoßpartnern (M) wie O
2
oder N
2
zu Ozon, O
3
, um:
O(
3
P) + O
2
+ M (O
2
, N
2
)
O
3
+ M
(3.22)
Das generierte Ozon kann wiederum durch NO zu NO
2
und O
2
zersetzt werden:
NO + O
3
NO
2
+ O
2
(3.23)

Seite
28 Kapitel
3
Diese Umsetzungen bilden die Grundlage eines dynamischen, des sogenannten
,,photochemischen Gleichgewichtes", bei dem NO
2
und NO ineinander umgewandelt werden
und sich die jeweiligen Gehalte der beiden Komponenten daher nicht ändern [60].
Durch den Einfluß von in der Atmosphäre gebildeten Radikalkomponenten wie
OH, RO
2
und HO
2
kann die NO
2
-Bildung aus NO stark beschleunigt werden. Das wiederum bedeutet
nach obigen Gleichungen auch eine Zunahme der O
3
-Konzentration. Hiervon ausgehend,
sollen unterschiedliche Folgereaktionen bzw. -prozesse betrachtet werden [71-80]:
,,Saurer Regen"
NO
2
kann einerseits durch
OH-Radikale zu Salpetersäure, HNO
3
, umgesetzt werden, die mit
dem Niederschlag auswaschbar ist und so auf Materialien oder in Gewässer gelangen und dort
ihre Schadwirkung entfalten kann:
NO
2
+
OH + M HNO
3
+ M
(3.24)
Das gebildete Nitrat kann unter Beteiligung von Wasser durch Sonnenlicht zersetzt werden,
wobei sich wiederum
OH-Radikale bilden:
NO
3
-
+ H
2
O + h
(>290 nm) NO
2
+ OH
-
+
OH
(3.25)
Hydroxylradikale sind bei der Oxidation von organischen Verbindungen sehr bedeutend. In
Abbildung 3.3 sind die beschriebenen Prozesse schematisch zusammengefaßt.

Kapitel 3
Seite 29
Abb. 3.3: Reaktionen der Stickstoffoxide in der Atmosphäre, schematisch [71]
Photochemischer Smog
Ein weiterer Aspekt der forcierten NO-Oxidation besteht in der Bildung von oxidierenden
Verbindungen, die Bestandteile des photochemischen Smogs (,,Los-Angeles-Smog") sind.
Sein Entstehen ist gekennzeichnet durch Oxidation leichtflüchtiger Kohlenwasserstoffe
und/oder Kohlenmonoxid (CO) aus Autoabgasen in Anwesenheit von NO
x
unter dem Einfluß
von Sonnenlicht und Inversionswetterlagen. Unter dem Begriff ,,Photooxidantien" faßt man
neben der wichtigsten Komponente, Ozon, sämtliche Reaktanten und Reaktionsprodukte von
NO
x
mit organischen Verbindungen zusammen, die oxidierende Wirkung haben. Daher
gehören zu dieser Gruppe sekundärer Luftschadstoffe des weiteren vor allem die nach Ozon
wichtigste Verbindung, Peroxyacetylnitrat (PAN) und höhere Homologe, wie
Peroxypropionyl- und -benzoylnitrat, die jedoch in weit geringeren Konzentrationen auftreten
als PAN. Die Radikale
OH, HO
2
, RO
2
(R: organischer Rest) sowie HNO
3
, N
2
O
5
, organische
Nitrate und weitere Spezies gehören ebenfalls zu dieser Gruppe.

Seite
30 Kapitel
3
PAN kann bei der Oxidation von Acetaldehyd entstehen:
CH
3
CHO +
OH CH
3
O + H
2
O
(3.26)
CH
3
O + O
2
CH
3
C(O)O
2
(3.27)
CH
3
C(O)O
2
+ NO
2
ô
CH
3
C(O)O
2
NO
2
(3.28)
Die treibenden Spezies bei der NO-Oxidation, die
OH- und HO
2
- Radikale, werden zum
einen durch den troposphärischen Ozonabbau generiert:
O
3
+ h
(<310 nm) O
2
+ O* (*: angeregter Zustand)
(3.29)
O* + H
2
O + M
2 OH + M
(3.30)
O* + M
O(
3
P) + M
(3.31)
Ferner spielen folgende Umsetzungen eine Rolle:
OH + O
3
HO
2
+ O
2
(3.32)
HO
2
+ O
3
OH + 2 O
2
(3.33)
Zum anderen werden die reaktiven Spezies HO
und HO
2
im Photosmog bei der oxidativen
Umsetzung der Kohlenwasserstoffe zum Teil verbraucht und erneut gebildet.
Folgendes Schema verdeutlicht die relevanten Einzelprozesse bis zur Aldehydstufe. Deutlich
wird die große Bedeutung des
OH-Radikals als Kettenstarter sowie die Bildung zweier
Äquivalente NO
2
pro KW-Molekül, die dann den Abbauprozeß weiter mittragen können:
R
-CH
2
-H + OH
R-
H
2
+ H
2
O
(3.34)
R
-
H
2
+ O
2
R-CH
2
O
2
(3.35)
R
-CH
2
O
2
+ NO
R-CH
2
O
+ NO
2
(3.36)
R
-CH
2
O
+ O
2
R-CHO + HO
2
(3.37)

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
1999
ISBN (eBook)
9783956361029
ISBN (Paperback)
9783836600330
Dateigröße
3.8 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Ruhr-Universität Bochum – Chemie
Erscheinungsdatum
2006 (Dezember)
Note
1,0
Schlagworte
chemie bautenschutz imprägnierung umweltsimulation spektroskopie
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Titel: Spektroskopische Untersuchungen zur Effektivität und Dauerhaftigkeit von Hydrophobierungsmitteln auf der Basis von Organosiliciumverbindungen auf mineralischen Oberflächen
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