Lade Inhalt...

Die Instrumente der HERMES-Ausfuhrkreditversicherung

Darstellung, Beurteilung und Umfang der Beanspruchung im Zeitablauf

©2006 Diplomarbeit 100 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Kennzeichnend für die Bundesrepublik Deutschland ist ihre vergleichsweise hohe Einbindung in die internationale Arbeitsteilung. Neben den Vereinigten Staaten von Amerika, der Volksrepublik China und Japan zählt sie zu den größten Exportnationen der Welt. So wurden allein im Jahr 2005 Waren im Wert von rund 786 Mrd. EUR oder 9.500 EUR pro Einwohner exportiert - das entspricht einem Anteil am Welthandel von über 10%.
Die internationale Zusammenarbeit sichert einerseits einen nicht unmaßgeblichen Anteil deutscher Einkommen, Arbeitsplätze und Wertschöpfung, birgt aber andererseits aus Sicht des einzelnen Exporteurs zusätzliches, über die typischen inländischen Risiken hinausgehendes Unsicherheitspotential. Dieses auf ein kalkulierbares Maß zu reduzieren und mögliche Schäden wirtschaftlich oder politisch bedingter Forderungsausfälle zu begrenzen, bezweckt das von der Bundesrepublik Deutschland getragene Angebot der HERMES-Ausfuhrkreditversicherung.
In Kapital zwei werden zunächst die für die vorliegende Arbeit relevanten Begrifflichkeiten geklärt und es wird ein kurzer Abriss der Geschichte der Ausfuhrkreditversicherung bis auf den heutigen Tag vorgenommen. Ihr folgen Ausführungen zu den rechtlichen Rahmenbedingungen, den verschiedenen Entscheidungsgremien und den spezifischen Anforderungen, die an die Indeckungnahme deutscher Exportgeschäfte gestellt werden.
Daran anschließend dient Kapitel drei der umfassenden Darstellung der wichtigsten Instrumente der HERMES-Ausfuhrkreditversicherung (Fabrikationsrisikodeckung, Ausfuhrrisikodeckung und Finanzkreditdeckung) sowie der in ihrem Rahmen abgedeckten wirtschaftlichen und politischen Risiken. Auch einige Nebendeckungen finden Eingang in die Betrachtung, die durch die abschließend zu beantwortende Fragestellung abgerundet wird, warum es die Höhe der Schadenszahlungen betreffend zu einer Verschiebung innerhalb dieser Risikokategorien gekommen ist.
Das folgende vierte Kapitel gibt zunächst einen Überblick über die gesamtdeutsche Exportstruktur und stellt diese über einen Zeitraum von nicht mehr als fünfzehn Jahren den gedeckten Exporten gegenüber. Letztere werden weiterhin auf ihre verschiedenen Schwerpunkte und den Umfang ihrer Beanspruchung im Zeitablauf hin analysiert. Diese Untersuchung ist sowohl nach Ländergruppen, als auch nach Warenarten und Kreditlaufzeiten differenziert.
Vor dem Hintergrund der herausgestellten Anwendungsschwerpunkte erfolgt die abschließende […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


1 Problemstellung und Aufbau der Arbeit

Kennzeichnend für die Bundesrepublik Deutschland ist ihre ver­gleichsweise hohe Einbindung in die internationale Arbeitsteilung. Neben den Vereinigten Staaten von Amerika, der Volksrepublik China und Japan zählt sie zu den größten Exportnationen der Welt. So wurden allein im Jahr 2005 Waren im Wert von rund 786 Mrd. EUR oder 9.500 EUR pro Einwohner exportiert - das entspricht ei­nem Anteil am Welthandel von über 10%.

Die internationale Zusammenarbeit sichert einerseits einen nicht un­maßgebli­chen Anteil deutscher Einkommen, Arbeitsplätze und Wert­schöp­fung, birgt aber andererseits aus Sicht des einzelnen Expor­teurs zusätzliches, über die typischen inländischen Risiken hinaus­gehendes Unsicher­heitspotential. Dieses auf ein kalkulierbares Maß zu reduzieren und mögliche Schäden wirtschaftlich oder politisch bedingter Forde­rungsausfälle zu begrenzen, bezweckt das von der Bundesrepublik Deutschland getragene Angebot der HERMES-Aus­fuhrkreditversi­cherung.

In Kapital zwei werden zunächst die für die vorliegende Arbeit rele­vanten Begrifflichkeiten ge­klärt und es wird ein kurzer Abriss der Ge­schichte der Ausfuhrkreditversi­cherung bis auf den heutigen Tag vorgenommen. Ihr folgen Ausfüh­rungen zu den rechtlichen Rahmen­bedingungen, den verschiedenen Entscheidungsgremien und den spezifischen Anforderun­gen, die an die Indeckungnahme deutscher Exportgeschäfte gestellt werden.

Daran anschließend dient Kapitel drei der umfassenden Darstellung der wichtigsten Instrumente der HERMES-Ausfuhrkreditversicherung (Fabrika­tionsrisikodeckung, Ausfuhrrisikodeckung und Finanzkredit­deckung) sowie der in ihrem Rahmen abgedeckten wirtschaftlichen und politi­schen Risi­ken. Auch einige Nebendeckungen finden Ein­gang in die Betrachtung, die durch die abschließend zu beantwor­tende Fra­ge­stellung abgerundet wird, warum es die Höhe der Scha­denszahlun­gen betreffend zu einer Verschiebung innerhalb dieser Risikokatego­rien ge­kommen ist.

Das folgende vierte Kapitel gibt zunächst einen Überblick über die ge­samtdeutsche Exportstruktur und stellt diese über einen Zeitraum von nicht mehr als fünfzehn Jahren den gedeckten Exporten gegen­über. Letztere werden weiterhin auf ihre verschiedenen Schwer­punkte und den Umfang ihrer Beanspruchung im Zeitablauf hin ana­lysiert. Diese Untersuchung ist sowohl nach Ländergruppen, als auch nach Warenarten und Kreditlaufzeiten differenziert.

Vor dem Hintergrund der herausgestellten Anwendungsschwer­punkte erfolgt die abschließende Beurteilung der HERMES-Ausfuhr­kreditversi­cherung in Kapitel fünf. Zunächst wird ihre Bedeutung und Notwen­digkeit aus gesamtwirtschaftlicher, abschließend aus unter­nehmeri­scher Sicht dargelegt. Besonderes Augenmerk gilt dabei der Be­trachtung alternativer oder flankierender risikopolitischer Instru­mente.

Da es in nahezu allen industrialisierten Ländern Ausfuhrkreditversi­cherungssysteme gibt, wird im sechsten Kapitel die internationale Zusammenarbeit verschiedener Institutionen vorgestellt. Neben der Berner Union und der OECD beeinflusst die Arbeit der Europäischen Union entscheidend die Ausgestaltung und Angleichung der ver­schiedenen Systeme vor dem Hintergrund des gemeinsamen Bin­nenmarktes.

Das siebte Kapitel enthält schließlich das Fazit der vorliegenden Ar­beit.

2 HERMES-Ausfuhrkreditversicherung

2.1 Begriffsklärung und Abgrenzung

Der Begriff der Ausfuhrkreditversicherung trägt dem Umstand Rech­nung, dass zwischen der Lieferung einer Ware bzw. der Erbringung einer Leistung und deren Bezahlung regelmäßig ein zeitlicher Ab­stand liegt.[1] Ursprünglicher Gegenstand der Ausfuhrkreditversi­che­rung war deshalb kein klassischer Bankkredit, sondern die gestun­dete Forderung des Exporteurs. Heutzutage ist das Angebot vielfälti­ger und umfasst sehr wohl auch das Tätigwerden von Kreditinstitu­ten. Im Rahmen der Risikosteuerung stellt die Ausfuhrkreditversiche­rung nichtsdestoweniger eine klassische Strategie der Überwälzung wirtschaftlicher und politischer Außenhandelsrisiken auf einen Dritten dar.[2] Außenwirtschaftspolitisch betrachtet ist sie neben der Bereitstel­lung von Außenhandelsinformation und -beratung sowie der öffentlichen Unterstützung der Exportfinanzierung das wichtigste Ex­portförde­rungsinstrument der Bundesrepublik Deutschland.[3]

Der Euler Hermes Kreditversicherungs-AG obliegt als Federführer in Kooperation mit der PricewaterhouseCoopers AG im Auftrag und auf Rechnung der Bundesrepublik Deutschland die technische Bearbei­tung der Anträge.[4] In der einschlägigen Literatur haben sich ob die­ser Konstruktion unterschiedliche Begrifflichkeiten etabliert, so z.B. „Hermes-Deckung, Export­kre­ditgarantie, staatliche Ausfuhrkreditver­sicherung und Ausfuhrgewährleistung“. Die beiden letztgenannten sollen im Fol­genden den verschiedenen Absicherungsformen als Oberbeg­riffe die­nen[5], wo­bei eine Unterscheidung nach Instrumenten (Fabrikati­onsrisi­kode­ckung, Ausfuhrrisikodeckung, Finanzkreditde­ckung und Nebende­ckungen) immer dann vorgenommen werden wird, wenn es für die inhaltliche Klarheit der Darstellung erforderlich ist.

Da die Euler Hermes Kreditversicherungs-AG neben ihrer Mandatar-Tätigkeit zusätzlich eine private Ausfuhrkreditversicherung an­bietet, aber auch um die umfassendere Arbeit des Konzerns zu wür­digen, soll innerhalb dieser Arbeit der Begriff „HERMES“ und nicht „EULER HERMES“ verwendet werden. Dafür spricht auch die insbeson­dere in der Wirtschaft feste Prägung ersteren Beg­riffs.[6]

Unterschieden werden weiterhin Ausfuhrgarantien und -bürgschaf­ten, je nach Status des ausländischen Schuldners. Handelt es sich um Ausfuhren an einen Staat, eine Gebietskörperschaft oder eine vergleichbare Institution, werden die Ausfuhrgewährleistungen als Bürgschaften übernommen, Ausfuhren an private ausländische Schuld­ner bedingen Ausfuhrgarantien.[7] Ist der ausländische Bestel­ler zwar eine dem Privatrecht zuzuordnende natürliche oder juristi­sche Per­son, verbürgt sich aber eine öffentlich-rechtliche Körper­schaft selbst­schuldnerisch für die Zahlung der gedeckten Forderung, wird eine Ausfuhrbürgschaft gegeben.[8]

Die Differenzierung beeinflusst bspw. die Höhe der zu entrichtenden Prämie und den Deckungsumfang.[9] Sie erfolgt allerdings keineswegs in Analogie zum bürgerlich-rechtlichen Sprachgebrauch. Bei den Ausfuhrgewährleistungen der Bundesrepublik Deutschland handelt es sich mitnich­ten um Bürgschaften nach § 765 BGB, sondern um Garantieverträge, ähnlich Bankgarantien, die aufgrund ihrer speziell ausgestalteten Allgemeinen Bedingungen[10] klassischen Versiche-rungs­verträgen glei­chen. Sie gewährleisten den Erfolg, dass die dem Exportvertrag zugrunde liegende Forderung auch erfüllt wird.[11]

2.2. Historische Entwicklung

Die Anfänge der deutschen Ausfuhrkreditversicherung gehen bereits auf die 50er Jahre des 19. Jahrhunderts zurück. So gründeten 1857 Bremer Kaufleute den „Kreditversicherungsverein in Bremen“, des­sen Aufgabe „in der Übernahme der Garantie für den richtigen Ein­gang jeglicher, gegen Bremische Staatsgenossen im Bremischen Staate, fällig werdenden Forderungen“ bestand. Die Aktiengesell­schaft zeichnete ein Kapital von 500.000 Talern und gab Namensak­tien auf Bremer Firmen oder Kaufleute aus. Höhe und Bedingungen einer Garantieübernahme wurden fallweise festgelegt. Mangelnde Erfahrung auf dem Gebiet des Kreditversicherungsgeschäftes und die Beschränkung auf die Stadt Bremen führten letztlich zum Schei­tern dieses Unternehmens.[12] Der Grundgedanke einer Ver­siche­rung von Exportkrediten war aber schon damals die Förderung des (Bre­mer) Außenhandels.

Die (Inlandskredit-) Versicherungsgesellschaften boten derweil nur in Einzelfällen ihren Klienten auch die Absicherung ihrer Exportge­schäfte an - beschränkt auf das wirtschaftliche Risiko. Von Bedeu­tung war dieses auch „excess bad debts insurance“ genannte Ne­benge­schäft für die Exporteure aber insbesondere deshalb nicht, weil es nur übernormale, einen bestimmten vertraglich vereinbarten Anteil ihrer Umsätze übersteigende Handelsverluste abdeckte. Zudem war die Indeckungnahme an den Abschluss inländischer Policen gebun­den.[13]

Der Erste Weltkrieg stellt insofern eine Wende in der Geschichte der Ausfuhrkreditversicherung dar, als danach im Jahre 1926 erstmals der Staat zur (finan­ziellen) Unter­stützung einer privatwirtschaftlich getra­genen Ausfuhr­kreditversiche­rung in Erscheinung trat.[14] Es sollte der deutschen Ex­portwirtschaft damit ebenso auf die Beine geholfen, wie die Arbeits­losigkeit nach dem Krieg gesenkt werden. Grundlage der Zusam­menarbeit war der Generalvertrag zwischen dem Deut­schen Reich, der 1917 in Berlin gegründeten Her­mes Kreditversiche­rungs­bank-AG und der Frankfurter Allgemeinen Versiche­rungs-AG (FAVAG). Nach dem Zusammenbruch der FAVAG drei Jahre später wurde dieser durch einen neuen Generalvertrag zwischen dem Deutschen Reich und HERMES abgelöst.[15]

Das Deutsche Reich stellte zunächst als alleiniger Rückversicherer einen Fonds von 10 Mio. Reichsmark zur Umsetzung des sog. Plans A aus Mitteln der produk­tiven Erwerbslosenfürsorge zur Verfügung. Dieser regelte die Versi­cherung reiner Lieferantenkredite aus Waren­lieferungen an private ausländische Abneh­mer und schützte den deutschen Exporteur vor der Gefahr der Un­einbringlichkeit seiner Forderung. Während das Deutsche Reich dabei das Katastrophen- (politische) Risiko in vollem Umfang übernahm, trug HERMES 50% der Haftung des normalen (wirtschaftlichen) Risikos.[16] Als Mitträger des Risikos, haftete das Deutsche Reich aber nur gegenüber den Versi­cherungs­gesellschaften, nicht gegenüber dem Exporteur. Es han­delte sich um rein privatrechtliche Versicherungsverträge.[17]

Für die später verabschiedeten Pläne C und D[18], die sich mit Ausfuh­ren an ausländische Regierungen oder Körperschaften des öffentli­chen Rechts beschäftigten - Plan C speziell mit Russlandgeschäf­ten[19] -, galt diese Regelung nicht. Vertragspartner des Exporteurs war das Deutsche Reich. HERMES und später der Deutschen Revisions- und Treuhand AG (Treuarbeit) oblag nur die Bearbeitung der An­träge. Es war eine reine Mandatstätigkeit im Namen und auf Rech­nung des Deut­schen Reiches.[20] Ziel der Pläne C und D war es, den deutschen Ex­porteur vor dem Risiko einer staatlich veranlassten Zahlungseinstel­lung zu schützen.[21]

Mit dem Deutschen Reich brach am Ende des Zweiten Weltkrieges auch die staatlich gestützte Ausfuhrkreditversicherung zusammen. Um die von Inflation[22] und Arbeitslosigkeit geschüttelte Wirtschaft zu bele­ben, keimte die Idee der Ausfuhrförderung alsbald wieder auf. Der Staatsbankrott und die dadurch verursachte Insolvenz des staat­lichen Rückversicherers schlossen aber eine Wiedereinführung des alten Systems aus. Außerdem befürchteten HERMES und Treuarbeit für alte Schadensfälle, die sich in den letzten Kriegsjahren gehäuft hatten, ohne Rückendeckung des Staates einstehen zu müssen.[23] Im Juni 1949 legte die deutsche Exportwirtschaft einen Initiativantrag beim Wirtschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebietes[24] zur Ein-rich­tung einer rein staatlichen[25] Ausfuhrkre­ditversicherung vor, dem am 26.08.1949 per Gesetz[26] entsprochen wurde. Es ermäch­tigte den Direktor der Verwaltung für Finanzen, zur Förderung der deutschen Aus­fuhr Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen zu überneh­men, denen der Außenhandelsauschuss zugestimmt hat. Das Ge­setz sah eine Höchstgrenze von zunächst 120 Mio. DM vor und die Festle­gung ministerieller Richtlinien, die das Verfahren und die Vor­ausset­zungen für die Übernahme der Garantien und Bürg­schaf­ten regelten. Sie enthielten auch die Allgemeinen Bedingungen, die Be­standteil eines jeden Versicherungsvertrages wurden. Organi­sa­tion und Ge­schäftsführung wurde den beiden privaten Versiche­rungsge­sell­schaften Hermes Kreditversicherungs-AG (federführend) und Deut­sche Revisions- und Treu­hand-AG übertragen[27] - besaß das Konsor­tium doch jahrzehnte­lange Erfahrung bei der verwal-tungs­technischen Abwicklung der verschiedenen Gewährleis­tungsver­träge.

Die Treuarbeit firmiert heute unter dem Namen Pricewaterhouse­Coopers AG. Die Zusammenarbeit von HERMES und Euler S.A., Paris brachte 2003 die Euler Hermes Kreditversicherungs-AG hervor. Beide arbeiten bis auf den heutigen Tag als Man­datare der Bun­des­republik Deutschland.

2.3 Rechtliche Grundlagen

Gemäß Art. 115 des Grundgesetztes bedarf „die Übernahme von Bürgschaften, Garantien oder sonstigen Gewährleistungen, die zu Ausgaben in künftigen Rechnungsjahren führen können, einer der Höhe nach bestimmten oder bestimmbaren Ermächtigung durch Bundesgesetz.“ Bis 1960 war es das vom Wirtschaftsrat des Verei­nigten Wirtschaftsgebietes beschlossene Gesetz vom 26.08.1949 über die Einrichtung einer staatlichen Ausfuhrkreditversicherung, wel­ches dieser Vorschrift genügte. Seither bildet das jährlich vom Bun­destag verabschiedete Haushaltsgesetz die gesetzliche Grund­lage.[28]

Das Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2006 (Haushaltsgesetz 2006) vom 18. Juli 2006[29] er­mächtigt das Bundesministerium der Finanzen in § 3 für förderungs­würdige oder im besonderen staatlichen Interesse liegende Ausfuh­ren, Bürgschaften, Garantien oder sonstige Gewährleistungen zu übernehmen. Diese Ermächtigung ist der Höhe nach begrenzt und beläuft sich für das aktuelle Haushaltsjahr, wie auch schon in den ver­gangenen drei Jahren, auf 117 Mrd. EUR, wobei nicht nur die neu über­nom­menen Deckungen aus 2006 anzurechnen sind, sondern auch alle noch bestehenden Gewährleistungen früherer Haushalts-ge­setze.[30],[31]

Die Voraussetzungen zur Übernahme von Gewährleistungen, De­ckungs- und Entschädigungsregelungen sowie organisatorische Zu­ständigkeiten regeln die vom Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finan­zen, dem Bundes­minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und dem Bundesminister des Auswärtigen Amtes fest­gelegten „Richtlinien für die Übernahme von Ausfuhrge­währleistun­gen“[32] vom 30. Dezember 1983 (zuletzt am 31. Januar 2002 geän­dert). Weiter­hin wurden aufgrund dieser Richtlinien für jede De­ckungsform eigene Allgemeine Bedingungen[33] geschaffen und stän­dig modernisiert, die bspw. Gegenstand und Umfang der Deckung standardisieren. Sie sind Bestandteil eines jeden Versicherungsver­trages, der zwischen der Bundesrepublik Deutschland einerseits und dem deutschen Ex­porteur ande­rerseits zustande kommt.

2.4 Interministerieller Ausschuss

Die Richtlinien weisen weiterhin die Prüfung und Übernahmenent­scheidung konkreter Garantie- und Bürgschaftsanträge dem sog. Interministeriellen Ausschuss (IMA) zu, einem Gremium, in dem die genannten Bundesminister vertreten sind, wobei der Bundesmi­nister für Wirtschaft und Technologie als Federführender Entschei­dungen trifft.[34] Diese bedürfen der Einwilligung durch den Bundesfinanzmi­nister, welche im Vorfeld einzuholen ist, und sind mit dem Bundes­minister des Auswärtigen Amtes sowie dem Bundesminister für wirt­schaftli­che Zusammenarbeit und Entwicklung abzustimmen. Dem IMA ge­hören weiterhin Vertreter des Mandatarkonsortiums, der KfW Bankengruppe (Kreditanstalt für Wiederaufbau), der Ausfuhrkredit-Gesellschaft mbH (AKA) und des Bundesrechnungshofes an, sowie zwölf Sachverständige aus Außenwirtschaft und Bankgewerbe.[35]

Der IMA tagt im dreiwöchigen Turnus, wobei in der sog. A-Sitzung nur grundsätzliche Fragen des Deckungssystems, der Deckungspoli­tik und der Deckungsformen behandelt werden. In der B-Sitzung, an der auch die Sachverständigen der Wirtschaft teilneh­men, beschließt der Aus­schuss aufgrund von Sitzungsvorlagen der Mandatare über konkrete Anträge. Bei einem aktuellen Antragsvolu­men von über 20.000 Stück hat die Bundesrepublik Deutschland aber Entschei­dungen ge­ringeren Volumens an den Kleinen Intermi­nisteriellen Aus­schuss (KLIMA), dem je ein Vertreter des Wirtschafts- und Finanzmi­nisteri­ums beisitzen, und die Manda­tare delegiert.[36] Son­dersitzungen wer­den nur im Falle besonders be­deutender Grundsatzfragen einbe­raumt. Diese C-Sitzungen dienen der intensi­ven Diskussion export- und gesamtwirtschaftlicher Fragen und Prob­leme zwischen Regie­rung und Wirtschaftsverbänden, wie z.B. dem VDMA (Verband Deut­scher Maschinen und Anlagenbau e.V.).[37]

2.5 Grundsätze der Deckungspolitik

2.5.1 Förderungswürdigkeit

Anträge auf Übernahme von Garantien und Bürgschaften finden im IMA nur in den Fällen Zustimmung, in de­nen das abzusichernde Ex­portgeschäft förderungswürdig ist oder an seiner Durchführung ein besonderes staatliches Interesse der Bun­desrepublik Deutschland besteht.[38] Die Auslegung der Begriffe er­folgt dabei keineswegs restrik­tiv. Es gilt alle Umstände des Einzel­falls in die Prüfung einzu­beziehen und festzustellen, inwieweit die Kriterien als erfüllt angese­hen werden können. Einzig Geschäfte, denen wichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland entge­genstehen, sind nicht förde­rungswürdig.[39] Dieses Negativkriterium zielt insbesondere auf die Sicherheitsinteressen nach Außenwirt­schaftsgesetz ab, nämlich die Landessicherheit, das friedliche Zu­sam­menleben der Völker und die auswärtigen Beziehungen der Bundes­republik Deutschland.[40] So unterliegt die Aus- oder Durchfuhr von Rüstungsgütern und sonsti­gen ausfuhrgenehmi­gungspflichtigen Wa­ren regelmäßig Beschrän­kungen. Geschäfte dieser Art sind na­türlich mit Blick auf ihre aktive Förderung im Rah­men von Ausfuhr­gewähr­leistungen besonders streng zu prüfen. Es sind die politi­schen Grundsätze der Bundesre­gierung sowie interna­tionale Verein­barun­gen zu beachten.

Auch die zwischen Exporteur und ausländischem Geschäftspartner vereinbarten Vertragsbedingungen müssen gewissen Mindestanfor­derungen, bspw. Anzahlung, Kreditlaufzeit und Tilgung betreffend, genügen. Als förderungswürdig gelten im Sinne der Richtlinien dar­über hinaus Exportgeschäfte aus den neuen Bundesländern und sol­che kleiner und mittelständisch geprägter Unternehmen.[41] Letztere sind wegen ihrer niedrigen Kapitaldecken ungleich stärker von For­derungsausfällen betroffen als Großkonzerne und scheuen deshalb Geschäfte in risikoreichen Märkten ohne Absicherung. Drei Viertel aller Deckungsanträge stammen wohl auch deshalb aus dem Mit­telstand. Neben der Wettbewerbssituation des deutschen Exporteurs und der Bedeutung eines Geschäftes für die technologische Ent­wicklung Deutschlands halten schließlich auch umweltpolitische As­pekte grö­ßerer Projekte[42] Eingang in die Prüfkriterien des IMA. Grund­lage sind zum einen die einzureichenden Berichte des Expor­teurs und gege­benenfalls anderer, am Projekt beteiligter Ausfuhrkre­ditversicherer und Kreditinstitute, zum anderen Informationen der ausländischen Botschaften und sonstiger Nichtregierungsorganisati­onen. Je nach Größe und Umweltrelevanz des Projektes muss zu­sätzlich ein Um­weltgutachten vorgelegt werden. Ziel dieses sog. (Screening-) Verfahrens ist es, negative ökologische Effekte weitest­gehend zu minimieren, bes­ser noch völlig zu vermeiden. Deckungs­zusagen können im Ergebnis an besondere Umweltbedingungen ge­knüpft sein.[43]

[...]


[1] Vg. Glotzbach, M., Ausfuhrkreditversicherung, 1973, S. 15.

[2] Vgl. Romeike, F., Risikomanagement, 2005, S. 30.

[3] Vgl. Sickenberger, P., Exportförderung, 1992, S. 102, 107.

[4] Vgl. Christopeit, C., Hermes-Deckungen, 1968, S. 75.

[5] Vgl. Scheibe, R., Garantien und Bürgschaften, 2002, S. 37.

[6] Vgl. Stocker, K., Finanzrisiken, 2006, S. 94.

[7] Vgl. Euler Hermes Kreditversicherungs-AG, Richtlinien, 1983, Punkt 1.1.1 und 1.1.2.

[8] Vgl. Bödeker, V., Exportkreditversicherungssysteme, 1992, S. 19.

[9] Für Regierungsgeschäfte sind niedrigere Prämien zu entrichten und Bürgschafts­verträge kennen keine Insolvenzrisiken.

[10] Vgl. Euler Hermes Kreditversicherungs-AG, Allgemeine Bedingungen (B), (G), (P), (PL), (FKB), (FKG), (FB), (FG), 2006.

[11] Vgl. Christopeit, Hemes-Deckungen, 1968, S. 267 f.

[12] Vgl. Goldschmidt, E., Exportkreditversicherung, 1928, S. 51 f.

[13] Vgl. Schlesinger, G., Kreditversicherung, 1926, S. 9.

[14] Vgl. Goldschmidt, E., Exportversicherung, 1928, S. 54.

[15] Vgl. Christopeit, J., Hermes-Deckungen, 1968, S. 10.

[16] Vgl. Reuter, N., Ausfuhrförderung, 1959, S. 145.

[17] Vgl. Goldschmidt, E., Exportkreditversicherung, 1928, S. 73.

[18] Plan B, der die Sicherung des vorfinanzierenden Kreditinstitutes vorsieht, er­langte keine besondere Bedeutung.

[19] Exporte nach Russland kannten nur den russischen Staat als Abnehmer und stellten insofern eine Besonderheit für die Ausfuhrkreditversicherung dar.

[20] Vgl. Christopeit, J., Hermes-Deckungen, 1968, S. 10.

[21] Vgl. Goldschmidt, E., Exportkreditversicherung, 1928, S. 90.

[22] Die Währungsreform 1948 hatte die Kaufkraft deutscher Exporteure empfindlich geschwächt.

[23] Vgl. Glotzbach, M., Ausfuhrkreditversicherung, 1973, S. 26 f.

[24] Es handelt sich bei der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes um die britische und amerikanische Besatzungszone, deren Rechtsnachfolgerin laut Art. 133 GG die Bundesrepublik Deutschland ist. 1950 kam die französische Besat­zungszone hinzu.

[25] Vertragspartner der Exporteure wurde die Verwaltung des Vereinigten Wirtschafts­gebietes. Vgl. auch Bethge, H., Hermes, 1992, S. 15.

[26] Siehe WiGBl, 1949, S. 303.

[27] Vgl. Christopeit, J., Hermes-Deckungen, 1968, S. 12 f.

[28] Vgl. Bödeker, V., Exportkreditversicherungssysteme, 1992, S. 15 f.

[29] Siehe BGBl I, 2006, S. 1634.

[30] Vgl. Haushaltsgesetz 2006, § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2.

[31] Der Bundesschuldenverwaltung obliegt die Kontrolle, ob dieser Er­mächtigungs­rahmen auch eingehalten wird.

[32] Für die ab dem 31. Januar 2002 geltende Fassung siehe Bundesanzeiger Nr. 59 vom 26. März 2002, S. 6077 f.

[33] Siehe im Einzelnen Euler Hermes Kreditversicherungs-AG, Allgemeine Bedingun­gen (B), (G), (P), (PL), (FB), (FG), (FKB), (FKG), fast alle aus 2004.

[34] Vgl. Kuttner, K., Exportfinanzierung, 1992, S. 119.

[35] Vgl. Euler Hermes Kreditversicherungs-AG, Exportförderung, 2006, S. 9.

[36] Vgl. Altmann, J., Außenwirtschaft, 1993, S. 737.

[37] Vgl. Hichert, I., Exportabsicherung, 1986, S. 195.

[38] Vgl. Haushaltsgesetz 2006, § 3 Abs. 1 Nr. 1.

[39] Vgl. Euler Hermes Kreditversicherungs-AG, Richtlinien, 1983, Ziffer 2.1.

[40] Vgl. AWG, § 7 Abs. 1 Nr. 1-3.

[41] Vgl. Euler Hermes Kreditversicherungs-AG, Exportförderung, 2006, S. 11.

[42] Der Auftragswert muss 15 Mio. EUR und eine Kreditlaufzeit von zwei Jahren übersteigen.

[43] Vgl. Euler Hermes Kreditversicherungs-AG, Richtlinien Umwelt, 2001, Abschnitt A Ziffer 4. Zu den Umweltaspekten im weiteren Sinne zählen auch sozi­ale und entwicklungspolitische Auswirkungen.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783836600323
DOI
10.3239/9783836600323
Dateigröße
556 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Siegen – Wirtschaftswissenschaften
Erscheinungsdatum
2006 (Dezember)
Note
2,0
Schlagworte
versicherung exportgarantie bürgschaft deckung ausfuhr
Zurück

Titel: Die Instrumente der HERMES-Ausfuhrkreditversicherung
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
book preview page numper 10
book preview page numper 11
book preview page numper 12
book preview page numper 13
book preview page numper 14
book preview page numper 15
book preview page numper 16
book preview page numper 17
book preview page numper 18
book preview page numper 19
book preview page numper 20
book preview page numper 21
100 Seiten
Cookie-Einstellungen