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Entwicklung eines Entscheidungsunterstützungssystems für die Auswahl eines optimalen Kfz-Haftpflichtversicherungstarifs

©2006 Diplomarbeit 93 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Der Abschluss einer Kfz-Haftpflichtversicherung ist für (fast) alle Halter eines Fahrzeuges in Deutschland verpflichtend und deshalb insbesondere für alle privaten Autobesitzer von großem Interesse. Über 90 Versicherungsunternehmen bieten zu teilweise erheblich unterschiedlichen Prämien einen Kfz-Haftpflichtversicherungsschutz an. Zudem werden in keiner anderen Versicherungssparte so viele unterschiedliche Merkmale zur Tarifierung verwendet, d.h. kaum eine andere Versicherungssparte ist so unübersichtlich und komplex in ihrem Aufbau.
Für den potentiellen Versicherungsnehmer ist die Wahl einer für ihn persönlich günstigen Kfz-Haftpflichtversicherung daher mit viel Aufwand und Schwierigkeiten verbunden. Der Markt ist selbst für Experten kaum mehr zu überblicken.
An dieser Stelle setzt die vorliegende Arbeit an. Es wird ein Entscheidungsunterstützungssystem (EUS) entwickelt, das es dem Nutzer mit wenig Aufwand ermöglichen soll, einen für ihn individuell günstigen Kfz-Haftpflichtversicherungstarif zu finden. Dabei werden sowohl die Relevanz als auch der Einfluss der einzelnen zur Tarifierung verwendeten Merkmale analysiert.
Für den potentiellen Versicherungsnehmer ist es nur dann möglich einen zufriedenstellenden Versicherungstarif zu finden, wenn er sich über den Einfluss seiner persönlichen Merkmale klar ist und eine dazu passende Kfz-Haftpflichtversicherung wählt. Denn die individuellen Merkmale des VN sind von diesem nicht oder nur minimal beeinflussbar (Geschlecht des VN im Gegensatz zur jährlichen Fahrleistung des Fahrzeuges).
Gang der Untersuchung:
In Kapitel 2 werden zunächst die wichtigsten Grundlagen zur Kfz-Haftpflichtversicherung erläutert. Dabei werden sowohl die wichtigsten Entwicklungen der Kfz-Haftpflichtversicherung sowie der Aufbau der Versicherungsprämie erklärt.
Kapitel 3 beschreibt die Beschaffung und Aufbereitung der dem EUS zu Grunde liegenden Daten.
In Kapitel 4 werden die in der Kfz-Haftpflichtversicherung verwendeten Tarifierungsmerkmale erläutert und auf ihren Prämieneinfluss untersucht, um die wichtigsten Merkmale dann in dem in Kapitel 5 konstruierten EUS zu berücksichtigen. An dieser Stelle erfolgt sowohl die Aufstellung als auch die Auswertung des EUS.
In Kapitel 6 werden die im vorherigen Kapitel ermittelten Ergebnisse des EUS analysiert. Dabei werden sowohl Auffälligkeiten erläutert, als auch die Korrektheit der Ergebnisse überprüft. Zudem werden Empfehlungen für einzelne […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung und Verlauf der Arbeit

2. Die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung
2.1 Grundlagen der Kfz-Haftpflichtversicherung
2.1.1 Begriffsbestimmung
2.1.2 Wichtige geschichtliche Entwicklungen
2.1.3 Aktuelle Entwicklungen der Kfz-Haftpflichtversicherung
2.2 Die Gestaltung des Versicherungstarifs in der Kfz-Haftpflichtversicherung
2.2.1 Grundlagen der Prämienermittlung
2.2.2 Prämiendifferenzierung und Risikomerkmale
2.2.3 Tarifierungsmerkmale in der Kfz-Haftpflichtversicherung
2.3 Mögliche Informationsquellen der Versicherungsnehmer zur Wahl eines Kfz-Haftpflichtversicherungstarifs

3. Datengrundlage
3.1 Datenbeschaffung
3.2 Datenaufbereitung

4. Analyse der Tarifierungsmerkmale in der Kfz-Haftpflichtversicherung
4.1 Typklasse
4.2 Alter des Fahrzeugs
4.3 Deckungssumme des Versicherungsvertrags
4.4 Jährliche Fahrleistung des Fahrzeugs
4.5 Abstellplatz und Wohneigentum
4.6 Regionalklasse
4.7 Alter und Geschlecht des Versicherungsnehmers
4.8 Familiensituation des Versicherungsnehmers
4.9 Tarifgruppe und Beruf des Versicherungsnehmers
4.10 Mitfahrer
4.11 Punkte im Verkehrszentralregister
4.12 Schadenfreiheitsklasse
4.13 Sonstige abgefragte Merkmale

5. Entwicklung eines Entscheidungsunterstützungssystems
5.1 Grundlage des Entscheidungsunterstützungssystems
5.2 Auswahl der im Entscheidungsunterstützungssystem betrachteten Merkmale
5.3 Aufbau des Entscheidungsunterstützungssystems
5.4 Auswertung des Entscheidungsunterstützungssystems
5.4.1 Ergebnisse der Merkmalskombinationen „Tarifgruppe N“ und weiblicher Versicherungsnehmer zwischen 18 und 22 Jahre alt
5.4.2 Ergebnisse der Merkmalskombinationen „Tarifgruppe N“ und männlicher Versicherungsnehmer zwischen 18 und 22 Jahre alt
5.4.3 Ergebnisse der Merkmalskombinationen „Tarifgruppe N“ und weiblicher Versicherungsnehmer zwischen 23 und 24 Jahre alt
5.4.4 Ergebnisse der Merkmalskombinationen „Tarifgruppe N“ und männlicher Versicherungsnehmer zwischen 23 und 24 Jahre alt
5.4.5 Ergebnisse der Merkmalskombinationen „Tarifgruppe N“ und Versicherungsnehmer über 25 Jahre alt (weiblich und männlich)
5.4.6 Ergebnisse der Merkmalskombinationen „Tarifgruppe B“ und weiblicher Versicherungsnehmer zwischen 18 und 22 Jahre alt
5.4.7 Ergebnisse der Merkmalskombinationen „Tarifgruppe B“ und männlicher Versicherungsnehmer zwischen 18 und 22 Jahre alt
5.4.8 Ergebnisse der Merkmalskombinationen „Tarifgruppe B“ und weiblicher Versicherungsnehmer zwischen 23 und 24 Jahre alt
5.4.9 Ergebnisse der Merkmalskombinationen „Tarifgruppe B“ und männlicher Versicherungsnehmer zwischen 23 und 24 Jahre alt
5.4.10 Ergebnisse der Merkmalskombinationen „Tarifgruppe B“ und Versicherungsnehmer über 25 Jahre alt (weiblich und männlich)

6. Analyse der Ergebnisse des Entscheidungsunterstützungssystems
6.1 Auffällige Aspekte der Ergebnisse
6.2 Test auf Korrektheit der Empfehlungen
6.2.1 Variation aller Tarifierungsmerkmale mit Ausnahme der Regionalklasse
6.2.2 Variation des Tarifierungsmerkmale „Regionalklasse“
6.3 Allgemeine Empfehlungen und Empfehlungen für einzelne Nutzergruppen
6.4 Erläuterungen zu den günstigsten Versicherungsunternehmen
6.5 Bewertung des Entscheidungsunterstützungssystems

7. Fazit

Literaturverzeichnis

Rechtsquellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Im Rahmen dieser Arbeit betrachtete Versicherungsunternehmen

Abbildung 2: Verlauf des prozentualen Prämienzuschlags in den einzelnen Typklassen

Abbildung 3: Verlauf der prozentualen Prämienzuschläge für das Merkmal „Jährliche Fahrleistung“

Abbildung 4: Verlauf der prozentualen Prämienzuschläge in den einzelnen Regionalklassen

Abbildung 5: Verlauf der prozentualen Prämienunterschiede für das Tarifierungsmerkmal „Alter und Geschlecht“

Abbildung 6: Verlauf der prozentualen Prämienzuschläge für das Merkmal „Mitfahrer“

Abbildung 7: Das Entscheidungsunterstützungssystem

Abbildung 8: Prozentuale Prämienabweichung des Entscheidungsunterstützungssystems bei der Variation aller Tarifierungsmerkmale mit Ausnahme der Regionalklasse

Abbildung 9: Erreichte Punktzahl des Entscheidungsunterstützungssystems bei der Variation aller Tarifierungsmerkmale mit Ausnahme der Regionalklasse

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Regionale Versicherungsunternehmen und ihre Angebotsgebiete

Tabelle 2: Direktversicherungsunternehmen und ihre Kontaktierungsmöglichkeiten

Tabelle 3: Ausprägungen der verschiedenen Tarifierungsmerkmale der Normperson

Tabelle 4: Tarifspreads der einzelnen Versicherungsunternehmen

Tabelle 5: Verwendete Fahrzeuge in den einzelnen Typklassen

Tabelle 6: Prämienzuschläge in den einzelnen Typklassen

Tabelle 7: Prozentuale Prämienzuschläge für das Tarifierungsmerkmal „Jährliche Fahrleistung“

Tabelle 8: Indexgrenzen der Regionalklassen

Tabelle 9: Verwendete Zulassungsbezirke in den einzelnen Regionalklassen

Tabelle 10: Prozentuale Prämienzuschläge für das Tarifierungsmerkmal „Mitfahrer“

Tabelle 11: Beispiel einer Ergebnisstabelle an Hand der Merkmalskombination N A

Tabelle 12: Rangfolge der günstigsten drei Versicherungsunternehmen für die einzelnen Merkmalskombinationen

Tabelle 13:Treffergenauigkeit des Entscheidungsunterstützungssystems für die verschiedenen Testpersonen

Tabelle 14: Testpersonen der Variationen des Tarifierungsmerkmals „Regionalklasse“

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung und Verlauf der Arbeit

Der Abschluss einer Kfz-Haftpflichtversicherung ist für (fast) alle Halter[1] eines Fahrzeuges in Deutschland verpflichtend und deshalb insbesondere für alle privaten Autobesitzer von großem Interesse. Über 90 Versicherungsunternehmen bieten zu teilweise erheblich unterschiedlichen Prämien einen Kfz-Haftpflichtversicherungsschutz an. Zudem werden in keiner anderen Versicherungssparte so viele unterschiedliche Merkmale zur Tarifierung verwendet, d.h. kaum eine andere Versicherungssparte ist so unübersichtlich und komplex in ihrem Aufbau. Für den potentiellen Versicherungsnehmer ist die Wahl einer für ihn persönlich günstigen Kfz-Haftpflichtversicherung daher mit viel Aufwand und Schwierigkeiten verbunden. Der Markt ist selbst für Experten kaum mehr zu überblicken. An dieser Stelle setzt die vorliegende Arbeit an. Es wird ein Entscheidungsunterstützungssystem (EUS) entwickelt, das es dem Nutzer mit wenig Aufwand ermöglichen soll, einen für ihn individuell günstigen Kfz-Haftpflichtversicherungstarif zu finden. Dabei werden sowohl die Relevanz als auch der Einfluss der einzelnen zur Tarifierung verwendeten Merkmale analysiert. Für den potentiellen Versicherungsnehmer ist es nur dann möglich einen zufriedenstellenden Versicherungstarif zu finden, wenn er sich über den Einfluss seiner persönlichen Merkmale klar ist und eine dazu passende Kfz-Haftpflichtversicherung wählt. Denn die individuellen Merkmale des VN sind von diesem nicht oder nur minimal beeinflussbar (Geschlecht des VN im Gegensatz zur jährlichen Fahrleistung des Fahrzeuges).

In Kapitel 2 werden zunächst die wichtigsten Grundlagen zur Kfz-Haftpflichtversicherung erläutert. Dabei werden sowohl die wichtigsten Entwicklungen der Kfz-Haftpflichtversicherung sowie der Aufbau der Versicherungsprämie erklärt. Kapitel 3 beschreibt die Beschaffung und Aufbereitung der dem EUS zu Grunde liegenden Daten. In Kapitel 4 werden die in der Kfz-Haftpflichtversicherung verwendeten Tarifierungsmerkmale erläutert und auf ihren Prämieneinfluss untersucht, um die wichtigsten Merkmale dann in dem in Kapitel 5 konstruierten EUS zu berücksichtigen. An dieser Stelle erfolgt sowohl die Aufstellung als auch die Auswertung des EUS. In Kapitel 6 werden die im vorherigen Kapitel ermittelten Ergebnisse des EUS analysiert. Dabei werden sowohl Auffälligkeiten erläutert, als auch die Korrektheit der Ergebnisse überprüft. Zudem werden Empfehlungen für einzelne Nutzergruppen gegeben und das EUS bewertet. Die Arbeit schließt mit einem Fazit in Kapitel sieben.

2. Die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung

2.1 Grundlagen der Kfz-Haftpflichtversicherung

2.1.1 Begriffsbestimmung

Die Kraftfahrtzeughaftpflichtversicherung gehört zu der Gruppe der Kraftfahrtversicherungen. Zu dieser Gruppe von Versicherungsarten, die das Risiko aus dem Gebrauch von Kraftfahrtzeugen absichern, gehören außerdem die Fahrzeugversicherung und die Kraftfahrtunfallversicherung.[2] Die Kraftfahrtversicherung, die zu den Schaden- und Unfallversicherungen gehört, ist mit einem Beitragsaufkommen von 21,9 Mrd. € im Jahr 2005 nach der Lebensversicherung (72,1 Mrd. €) und der privaten Krankenversicherung (27,4 Mrd. €) die drittgrößte Sparte im Versicherungsgeschäft. Die Kfz-Haftpflichtversicherung weist ein Beitragsaufkommen von 13,6 Mrd. € auf.[3]

Aufgrund der Thematik der vorliegenden Arbeit konzentrieren sich die weiteren Ausführungen auf die Kfz-Haftpflichtversicherung.

Die Kfz-Haftpflichtversicherung umfasst die Befriedigung begründeter und die Abwehr unbegründeter Schadensersatzansprüche, die aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts gegen den Versicherungsnehmer oder mitversicherte Personen erhoben werden, wenn durch den Gebrauch des versicherten Fahrzeugs Personen verletzt oder getötet worden sind, Sachen beschädigt, zerstört oder abhanden gekommen sind oder Vermögensschäden herbeigeführt worden sind, die weder mit einem Personen- noch mit einem Sachschaden mittelbar oder unmittelbar zusammenhängen.[4] Der Umfang der Fahrerhaftung bezieht sich sowohl auf die Verschuldenshaftung entsprechend der zivilrechtlichen Vorschriften (diese beruhen auf § 823 BGB), als auch auf die sogenannte Gefährdungshaftung, also eine verschuldensunabhängige Haftung (diese beruht auf §7 StVG).[5]

Bei der Versicherungsform der Kfz-Haftpflichtversicherung handelt es sich um eine Erstrisikoversicherung. Der entstandene Schaden ist bis zu einer festgelegten Obergrenze (der Deckungssumme[6] ) vollständig durch den Versicherungsschutz gedeckt.[7]

Die Entschädigungszahlungen durch das VU sind dabei immer durch die Schadenhöhe begrenzt. Dies folgt aus dem in Deutschland geltenden Bereicherungsverbot.[8]

Die Kfz-Haftpflichtversicherung übernimmt bis zu der vereinbarten Deckungssumme je nach Schuldanteil der beteiligten Parteien folgende Positionen des Unfallgegners: Bei Personenschäden die Heilungskosten (Anteil, der nicht von der Krankenkasse übernommen wird oder gegebenenfalls von dieser zurückgefordert wird) und Ersatz für Verdienstausfall und Schmerzensgeld bei schweren Beeinträchtigungen. Im Todesfall zahlt die Kfz-Haftpflichtversicherung die Begräbniskosten, Unterhaltskosten und Schadenersatz für entgangene Haushaltsführung (wenn die Hausfrau oder der Hausmann getötet wurde). Außerdem ist die Zahlung eines Schmerzensgeldes für seelische Schmerzen möglich. Für das beschädigte Fahrzeug werden die Abschlepp-, Gutachter- und Reparaturkosten, Mietwagenkosten oder alternativ der Nutzungsausfall, die Wertminderung, der Wiederbeschaffungswert bei Totalschaden, die An- und Abmeldekosten und eventuelle Anwaltskosten übernommen.[9]

2.1.2 Wichtige geschichtliche Entwicklungen

Die wichtigsten geschichtlichen Eckpunkte der Kfz-Haftpflichtversicherung sind das Pflichtversicherungsgesetz (PflVG) von 1939 und der Wegfall der Tarifordnung 1994. Diese werden im folgenden Abschnitt erläutert.

Das Pflichtversicherungsgesetz für inländische Kraftfahrzeughalter (PflVG) vom 07.11.1939 bestimmt, dass für jedes in Deutschland zugelassene Kraftfahrtzeug eine Kfz-Haftpflichtversicherung abgeschlossen werden muss.[10] Diese Regelung dient insbesondere dem Schutz der Verkehrsopfer. Befreit von dieser Pflicht sind zum einen Fahrzeughalter, bei denen der Gesetzgeber davon ausgeht, dass sie aufgrund ihrer Finanzkraft in der Lage sind berechtigte Schadenersatzforderungen selbst auszugleichen (Bundesrepublik Deutschland, Länder, Gemeinden über 100.000 Einwohner, Gemeindeverbände, sowie Zweckverbände) und zum anderen bestimmte Fahrzeugtypen, bei denen aufgrund ihrer niedrigen Geschwindigkeit die Gefahr einen Schaden anzurichten sehr gering ist (Kfz mit einer Höchstgeschwindigkeit von maximal 6 km/h, selbstfahrende Arbeitsmaschinen mit einer Höchstgeschwindigkeit von maximal 20 km/h und nicht zulassungspflichtige Anhänger).[11] Für die übrigen Kraftfahrzeughalter besteht keine Wahlmöglichkeit, sondern die gesetzliche Verpflichtung eine Kfz-Haftpflichtversicherung abzuschließen. Um es jedem Fahrzeughalter zu ermöglichen eine Kfz-Haftpflichtversicherung abzuschließen, sind die zum Betrieb befugten Kfz-Haftpflichtversicherungsunternehmen verpflichtet nach den gesetzlichen Vorschriften Versicherung gegen Haftpflicht zu gewähren.[12] Von diesem sogenannten Kontrahierungszwang kann das VU nur abweichen, wenn sachliche oder örtliche Beschränkungen im Geschäftsplan des VU dem Abschluss des Vertrags entgegenstehen oder wenn der Antragsteller bereits bei dem Versicherungsunternehmen versichert war und das Versicherungsunternehmen das Recht hatte das Vertragsverhältnis vorzeitig aufzulösen.[13] Zum weiteren legt das PflVG die Mindestinhalte einer Kfz-Haftpflichtversicherung fest, um sicherzustellen, dass alle angebotenen Kfz-Haftpflichtversicherungen einen ausreichenden Versicherungsschutz bieten.[14]

Das am 29.07.1994 in Kraft getretene „Dritte Gesetz zur Durchführung versicherungsrechtlicher Richtlinien des Rates der europäischen Gemeinschaften“ führt zu einer Aufhebung der bis dahin geltenden Tarifbindung und des daraus folgenden Genehmigungsverfahrens bei der Kraftfahrthaftpflichtversicherung.[15] Aus diesem Grund mussten wesentliche Bestandteile des PflVG überarbeitet und angepasst werden. Mit der Verordnung zur Aufhebung der Tarifverordnung vom 10.06.1994 endet in der Kfz-Haftpflichtversicherung die Zeit der administrativen Preise.[16] Die Gestaltung der Tarife sowie die Berechnung der Prämien liegt damit im Entscheidungsbereich der VU. Sie sind in ihren Tarifstrukturen frei und können dadurch ihre bestehenden Tarifierungsmerkmale modifizieren und neue ihnen geeignet erscheinende (soweit vom Gesetzgeber erlaubte) Merkmale anbieten.

2.1.3 Aktuelle Entwicklungen der Kfz-Haftpflichtversicherung

Die Kfz-Haftpflichtversicherung besitzt für die VU eine herausragende Bedeutung. Sie dient als klassische Einstiegssparte und erfüllt eine wichtige Cross-Selling-Funktion.[17] Durch den Wegfall der Tarifordnung ergeben sich neue Wettbewerbsmöglichkeiten. Bei der Kalkulation der Prämien muss generell der allgemeine Schadenbedarf angesetzt werden, der sich jedoch bei den einzelnen VU unterscheidet (u.a. aufgrund der Risikoselektion). Die sonstigen Kalkulationsfaktoren, insbesondere die Kosten- und Gewinnfaktoren bieten Spielraum für eine unterschiedliche Prämiengestaltung.[18] Allerdings ist anzumerken, dass es aufgrund des Wegfalls der Tarifordnung zu einem starken Verdrängungswettbewerb unter den VU und damit zu einem Abwärtstrend der Bruttoprämieneinnahmen gekommen ist.[19] Verschärft wird der Wettbewerb durch die Tatsache, dass die Anzahl der Kraftfahrzeuge in Deutschland in den letzen Jahren stagnierte. So nahm in den letzten Jahren der Fahrzeugbestand an Personenkraftwagen nur um rund 400.000 Fahrzeuge pro Jahr zu.[20] Um am Markt bestehen zu können, bezieht der Wettbewerb immer stärker auch die Bestandskunden mit ein. Die jährlichen Kündigungsfristen der Versicherungsnehmer erhöhen den Wettbewerb.[21] Da sich die meisten Versicherungsverträge am Kalenderjahr orientieren, d.h. das Versicherungsjahr beginnt am 1. Januar und endet am 31. Dezember wobei die Kündigung schriftlich einen Monat vor dem Ende des Versicherungsjahrs erfolgen muss, ist der Stichtag für die ordentliche Kündigung in der Regel der 30. November.[22] Der Herbst ist aus diesem Grund die Zeit eines gehäuften Wettbewerbs um die Versicherungsnehmer von Seiten der VU. Aktuelle Studien haben ermittelt, dass knapp 50 % der VN in der Kfz-Haftpflichtversicherung passiv wechselbereit sind und 6 % konkrete Wechselabsichten haben.[23] Dabei ist die zu zahlende Versicherungsprämie der wichtigste Faktor bei der Entscheidung für eine Kfz-Haftpflichtversicherung.[24]

2.2 Die Gestaltung des Versicherungstarifs in der Kfz-Haftpflichtversicherung

2.2.1 Grundlagen der Prämienermittlung

Das Gesamtversicherungsgeschäft besteht aus den Bestandteilen Risikogeschäft, Spar- und Entspargeschäft und dem Dienstleistungsgeschäft.[25]

Auf die nähere Betrachtung des Spar- und Entspargeschäfts und des Dienstleistungsgeschäfts wird im Rahmen dieser Arbeit verzichtet.

Den Kern des Versicherungsgeschäfts bildet das Risikogeschäft. Hierbei handelt es sich um den Transfer einer Schadenverteilung vom VN auf das VU. Durch den Versicherungsvertrag verpflichtet sich der Versicherer genau definierte Versicherungsleistungen zum Ausgleich genau definierter Schäden zu gewähren. Dieser Risikotransfer erfolgt entgeltlich, d.h. das VU erhält für die Risikoübernahme eine Prämie.[26] Die Prämie ist dabei im Marktverkehr der Preis für das Wirtschaftsgut Versicherungsschutz.[27]

Die Bruttoprämie eines Versicherungsvertrags besteht aus den Prämienelementen

Nettorisikoprämie

+ Sicherheitszuschlag

= Bruttorisikoprämie

+ Betriebskostenzuschlag

+ Gewinnzuschlag

+ Versicherungssteuer

= Bruttoprämie.[28]

Die Höhe der Nettorisikoprämie wird nach dem Äquivalenzprinzip bestimmt. Das bedeutet, dass die reine Risikoprämie dem jeweiligen Schadenerwartungswert entsprechen muss.[29] Die unterschiedliche Preis- und Risikopolitik, also die unterschiedliche Kostensituation und Risikoeinstellung der VU kommt in den verschiedenen Zuschlägen zur Nettorisikoprämie zum Ausdruck.[30]

2.2.2 Prämiendifferenzierung und Risikomerkmale

In der Versicherungspraxis liegen generell heterogene Kollektive, also Kollektive mit unterschiedlichen Schadenverteilungen der in ihnen enthaltenen Risiken (VN), vor. Aus dem versicherungstechnischen Äquivalenzprinzip leitet sich für die praktische Prämienkalkulation dieser heterogenen Kollektive die Forderung nach einer Differenzierung der Prämien ab.[31]

Differenzierte Prämien liegen vor, wenn der individuelle Erwartungswert der Schäden als quantitative Eigenschaft des versicherten Risikos durch Risikomerkmale erfasst und bei der Bemessung der Risikoprämie und damit der am Markt geforderten Bruttoprämie einbezogen wird.[32] Dabei gilt immer die Formel: Summe der differenzierten (Risiko-) Prämieneinnahmen = kollektiver Erwartungswert der Schäden insgesamt.[33]

Risikomerkmale sind erkennbare Eigenschaften eines versicherten Risikos, die in messbarer Weise mit der Schadenverteilung des Risikos korrelieren, d.h. einen statistisch überprüfbaren (Sinn-) Zusammenhang abbilden.[34] Sie können in zwei Kategorien unterschieden werden. Dies ist zum einen die Gruppe der objektiven Risikomerkmale und zum anderen die Gruppe der subjektiven Risikomerkmale. In der Literatur gibt es zwei unterschiedlich verwendete Abgrenzungen dieser Kategorien.

In einem Teil der Literatur (vgl. z.B. Stadler, M. und Asmus, W./ Sonnenburg, V.) werden objektive Risikomerkmale als sachbezogene und subjektive Risikomerkmale als personenbezogene Merkmale definiert. Die sachbezogenen Merkmale beschreiben vor allem die bauartbezogenen Eigenschaften der Kraftfahrtzeuge, wie z.B. Art des Kfz, Verwendungszweck, Typklasse, Leistung und Fahrzeugalter. Hingegen sind subjektive Risikomerkmalen mit der Person des VN verbunden, z.B. Wohnort, Beruf, Schadenfreiheit, Geschlecht und Alter des VN.[35]

Die andere in der Literatur (vgl. z.B. Farny, D. und Helten, E.) verwendete Definition versteht unter objektiven Risikomerkmalen Sachverhalte, die vom menschlichen Verhalten unabhängig sind. Also Eigenschaften von Sachen oder Personen, die generell bereits vor Beginn des Versicherungsvertrags feststellbar sind. Subjektive Risikomerkmale sind nach dieser Definition dagegen vom menschlichen Verhalten abhängig. Hier reicht die Bandbreite von der Ausprägung bestimmter Fertigkeiten (z.B. guter Autofahrer) über das Maß an Sorgfalt bis hin zu charakterlichen Eigenschaften des VN (z.B. die Neigung zum Versicherungsbetrug).[36]

Es ist allerdings wichtig anzumerken, dass bei beiden verwendeten Definitionen die Grenzen zwischen den Kategorien häufig unscharf sind und eine Zuordnung nicht immer eindeutig erfolgen kann. Für den weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit wird die erste erläuterte Abgrenzung verwendet.

Das Ziel der Prämiendifferenzierung besteht darin, dass jeder VN den individuellen Schadenerwartungswert seiner Schäden aufbringt. Vorrausetzung für die Prämiendifferenzierung ist eine hinreichend genaue Schätzung der Schadenerwartungswerte in Abhängigkeit der verwendeten Risikomerkmale. Der Zusammenhang zwischen Risikomerkmalen und Schadenerwartungswert muss erheblich, konstant und hinsichtlich der Akzeptanz am Markt plausibel sein.[37]

Hinsichtlich der Differenzierungskriterien der vom VN zu zahlenden Prämie unterscheidet man zwischen primärer und sekundärer Prämiendifferenzierung. Durch die primäre Prämiendifferenzierung werden die verschiedenen Risiken nach a priori bestimmbaren Risikomerkmalen in möglichst homogene Kollektive eingeordnet.[38] Allerdings zeichnen sich in der Kfz-Haftpflichtversicherung diese sogenannten Teilkollektive durch signifikant unterschiedliche Schadenaufwendungen der einzelnen Klassenmitglieder aus, sind also immer noch sehr inhomogen. Diese Inhomogenität kann darauf zurückgeführt werden, dass der Mensch mit seinem Verhalten den weitaus größten Risikofaktor darstellt. Menschliches Versagen ist in der Mehrzahl der Fälle für die einzelnen auftretenden Schäden verantwortlich.[39]

Um innerhalb der einzelnen Teilkollektive eine weitere Differenzierung zu erreichen, wird die sekundäre Prämiendifferenzierung angewendet. Dabei wird der in der Vergangenheit realisierte individuelle Schadenverlauf, gemessen an der Zahl und/ oder Größe der Schäden des einzelnen versicherten Risikos beobachtet und hieraus Schlüsse auf den individuellen Schadenerwartungswert gezogen. Da die sekundäre Prämiendifferenzierung auf Schadenerfahrungen beruht, wird auch von Erfahrungstarifierung gesprochen.[40] Das Ziel der sekundären Prämiendifferenzierung ist es, den zukünftigen individuellen Schadenbedarf des VN möglichst exakt abzuschätzen. Als Prämiendifferenzierungsmerkmal dienen die Schadeninformationen einzelner VN im Vergleich zum Schadenverlauf der übrigen VN des Teilkollektivs.[41]

2.2.3 Tarifierungsmerkmale in der Kfz-Haftpflichtversicherung

Tarifierungsmerkmale sind Risikomerkmale, die zur Tarifierung von Versicherungsprämien angewendet werden. Damit gelten für alle verwendeten Tarifierungsmerkmale die gleichen Anforderungen wie für Risikomerkmale.

Allerdings sind nicht alle Risikomerkmale für die Verwendung als Tarifierungsmerkmal geeignet. Dies kann verschiedene Ursachen haben. Zum einen ist der Einsatz zweier sehr eng korrelierter Risikomerkmale nicht sinnvoll, da es so zum Entstehen unnötig vieler kleiner Teilkollektive kommen kann.[42] Ein weiterer Grund, der den Einsatz vorhandener Risikomerkmale als Tarifierungsmerkmal ausschließen kann, ist gegeben, wenn kein ausreichend umfangreiches statistisches Material verfügbar ist.[43] Der wichtigste Ausschlussgrund für ein Tarifierungsmerkmal ist allerdings die Gesetzgebung. Tarifierungsmerkmale, die auf die Staatsangehörigkeit des VN oder Versicherten oder auf deren Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe abstellen, sind ausdrücklich verboten.[44]

Die Verwendung von Risikomerkmalen ist für die Tarifgestaltung der VU sehr wichtig, da sonst die Gefahr der Antiselektion besteht. D.h. überdurchschnittlich schlechte Risiken wählen einen Tarif, der aufgrund der fehlenden Prämiendifferenzierung für sie persönlich günstiger ist als ein differenzierter Tarif.[45]

Allerdings führt eine sehr große Zahl an Tarifierungsmerkmalen mit vielen unterschiedlichen Ausprägungen auch zu einer sehr großen Komplexität des Kfz-Haftpflichtversicherungsmarktes. Die einzelnen VU versuchen durch immer differenziertere Prämien den Wettbewerb um die Kunden zu gewinnen. Für die VN führt dies dagegen zu einer sehr großen Unsicherheit bezüglich der Wahl eines für sie individuell günstigen Kfz-Haftpflichtversicherungstarifs.[46] Ein Ende der immer größer werdenden Differenzierung ist nicht in Sicht: Der Phantasie scheinen keine Grenzen gesetzt. In England werden mittlerweile u.a. die Tarifierungsmerkmale „Rauchen“ (weil dies mangelnde Disziplin nahe legt und dies als Indikator für schlechtes Fahrverhalten zählt), „Übergewicht“ (mangelnde Disziplin), „Einkommen“ (vermögende Menschen prozessieren seltener und melden weniger Schäden) und „Autofarbe“ (Fahrzeuge mit sogenannten aggressiven Farben wie Schwarz und Silber haben häufiger Unfälle) verwendet.[47]

2.3 Mögliche Informationsquellen der Versicherungsnehmer zur Wahl eines Kfz-Haftpflichtversicherungstarifs

Der Markt für Kfz- Haftpflichttarife wird immer komplexer. Die VU entwickeln fortwährend neue Tarifierungsmerkmale, die zu einer immer größeren Prämiendifferenzierung führen. Zusätzlich bieten viele VU mittlerweile häufig einen Zweittarif an, sodass die reine Entscheidung für ein VU nicht mehr ausreichend ist.[48] Für den VN ist die Wahl eines günstigen Tarifs mit sehr viel Aufwand und Schwierigkeiten oder einer Portion Glück verbunden. Es gibt für ihn drei unterschiedliche Möglichkeiten, sich über die einzelnen Tarife zu informieren.

Dies ist zum einen die selbstständige Recherche des VN. Sie benötigt viel Zeit und Geduld und ist nur sehr schwer für alle der rund 100 VU, die einen Kfz- Haftpflichttarif anbieten, zu bewältigen. Der VN muss alle für ihn in Frage kommenden VU kontaktieren (entweder persönlich, telefonisch oder online) und so den für ihn günstigsten Kfz-Haftpflichtversicherungstarif ermitteln.

Eine andere Möglichkeit ist die Lektüre verschiedener Testberichte, die sich mit der Wahl von Kfz- Haftpflichttarifen beschäftigen. Diese werden generell im Herbst zur üblichen Kündigungsfrist[49] der VN von verschiedenen Zeitschriften veröffentlicht (z.B. Stiftung Warentest, Ökotest, u.a.).[50] Die Testberichte ermöglichen es dem VN, sich schnell und kostengünstig über verschiedene Tarife zu informieren. Allerdings können sie nur in den wenigsten Fällen eine wirkliche Hilfestellung leisten. Die üblicherweise verwendeten sieben bis zehn unterschiedlichen Testpersonen repräsentieren nur einen sehr geringen Teil der Bevölkerung und sind deshalb mit einem Großteil der Leser nicht vergleichbar. Zudem werden in den Testberichten generell keine Angaben zu der Höhe der Prämienveränderung bei unterschiedlichen Ausprägungen der Tarifierungsmerkmale gemacht. Für den Leser ist es somit fast unmöglich, seine eigene zu zahlende Prämie abzuschätzen und ein für ihn persönlich günstiges VU zu identifizieren. Immerhin kann der Leser mit Hilfe der Testberichte grundsätzlich den Kreis der selber zu überprüfenden VU eingrenzen, wenn er sich auf die Aussagen der Testberichte zum allgemeinen Tarifniveau der VU verlässt.

Die dritte Möglichkeit für den VN einen günstigen Kfz- Haftpflichttarif zu finden, ist das Hinzuziehen eines Finanzdienstleisters. Hier gibt es unterschiedliche Angebote wie z.B. AWD, MLP oder den Onlinedienst Finanzscout24.[51] Diese Versicherungsmakler haben die Möglichkeit, für jeden VN und seine ganz spezielle Situation den günstigsten Versicherungstarif zu finden. Es könnte also der wirklich optimale Kfz-Haftpflichtversicherungstarif bestimmt werden. Generell ist dieser Service für den VN kostenlos, da die Versicherungsmakler an den jeweiligen Provisionen der VU verdienen. Dies ist aber auch einer der großen eventuellen Nachteile dieses Informationswerkzeuges. Unter Umständen ist die Beratung nicht optimal für die Interessen des VN, sondern aufgrund der zu verdienenden Provisionen subjektiv beeinflusst. D.h. konkret, dass nur die günstigste Versicherung aus einer gewissen Vorauswahl von – für den Dienstleister „günstigen, weil mit hohen Provisionen belohnten“ VU ausgesucht wird. Allerdings wird dieser Vorwurf von den Versicherungsmaklern vehement bestritten, doch theoretisch besteht diese Möglichkeit. Ein weiterer Nachteil für viele VN ist deren Berührungsangst mit professionellen Versicherungsmaklern. Diesen haftet häufig ein sehr negatives Image bezüglich ihrer Überzeugungskraft und Hartnäckigkeit an.

Im Rahmen dieser Arbeit wird ein EUS entwickelt, das es den Nutzern ermöglichen soll, einen für sie persönlich günstigen Kfz-Haftpflichtversicherungstarif auf eine schnelle und übersichtliche Weise zu finden. Das EUS soll die Vorteile der einzelnen Informationswerkzeuge vereinigen und deren Nachteile möglichst vermeiden, d.h. es soll ein möglichst hohes Maß an Genauigkeit mit einer möglichst geringen Komplexität verbinden.

3. Datengrundlage

3.1 Datenbeschaffung

Grundlage der Arbeit bildet die Datenbank NAFI mit einem Datenbestand vom 09.06.2006 (NAFI- Version 10.06). Hieraus werden die Daten aller untersuchten Kfz-Haftpflichtversicherer gewonnen. Die NAFI-Software ist mit ca. 17.500 gewerblichen Anwendern im Bereich der professionellen Kfz-Tarifberechnung Marktführer. Die Grundlage für die Prämienberechnung bilden dabei die Tarifdatenbanken der VU.

Im Rahmen dieser Arbeit wurden 91 Kfz-Haftpflichttarife mit den von NAFI zur Verfügung gestellten Daten analysiert. Dies sind die Tarife von:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Im Rahmen dieser Arbeit betrachtete Versicherungsunternehmen

3.2 Datenaufbereitung

Einige der betrachteten VU bieten nur in einem regional begrenzten Gebiet ihren Kfz-Haftpflichtversicherungstarif an. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die betrachteten Regionalversicherer und ihr Angebotsgebiet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Regionale Versicherungsunternehmen und ihre Angebotsgebiete

Die Regionalversicherer werden zwar im Rahmen der Tarifanalyse betrachtet, können aber aufgrund des limitierten Angebotsgebiets bei den Ergebnissen des zu entwickelnden Entscheidungsunterstützungssystems nur eingeschränkt berücksichtigt werden. Um die Identifikation der Regionalversicherer zu vereinfachen, sind diese in den Übersichtstabellen im Anhang A 1 rot gekennzeichnet.

Bei einigen VU handelt es sich um Direktversicherer, dies sind VU, die keinen eigenen Außendienst haben und durch den VN generell nur telefonisch, per Fax oder Post und über das Internet kontaktiert werden können. In der Übersichtstabelle in Anhang 1 sind die Direktversicherer grün gekennzeichnet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Direktversicherungsunternehmen und ihre Kontaktierungsmöglichkeiten

In einigen Fällen werden mehrere Kfz-Haftpflichttarife eines Versicherers betrachtet (z.B. HUK 24 Basistarif und HUK 24 Klassiktarif, Ineas und Lady Car Online). Um im Rahmen der Arbeit Bergriffsprobleme zu vermeiden, wird jeder angebotene Versicherungstarif getrennt betrachtet und bei Zählungen der relevanten VU einzeln gewertet.

4. Analyse der Tarifierungsmerkmale in der Kfz-Haftpflichtversicherung

Im folgenden Kapitel werden die einzelnen, in der Kfz-Haftpflichtversicherung verwendeten, Tarifierungsmerkmale auf ihren Prämieneinfluss hin analysiert und Prämienunterschiede zwischen den einzelnen Versicherungsunternehmen untersucht.

Hierzu wird zunächst eine Person konstruiert (bezeichnet als „Normperson“), deren zu zahlende Versicherungsprämie als Indexwert festgesetzt wird. Ausgehend von dieser Versicherungsprämie werden die jeweiligen Rabatte und Zuschläge, die durch die verschiedenen Ausprägungen der unterschiedlichen Tarifierungsmerkmale entstehen, in Prozentabweichungen quantifiziert.[52] Bei der Konstruktion der Normperson wurde eine Person gewählt, deren Merkmalsausprägungen zu einer möglichst niedrigen Versicherungsprämie führen, so dass bei der Analyse in den meisten Fällen von Prämienzuschlägen ausgegangen werden kann. Die Normperson stellt also aufgrund ihrer Merkmalsausprägungen für das VU ein möglichst geringes Risiko dar und erhält deshalb von den einzelnen VU ein Versicherungsangebot mit einer niedrigen zu zahlenden Prämie. Dies vereinfacht die Analyse der einzelnen Merkmalseinflüsse, da die Prämienabweichungen aufgrund unterschiedlicher Merkmalsausprägungen generell als Zuschlagswerte angegeben werden können.

Eine Ausnahme wurde für die Tarifierungsmerkmale „Abstellplatz“ und „Wohneigentum“, „Tarifgruppe“ sowie die SF Klasse gemacht. Die Merkmale „Abstellplatz“ und „Wohneigentum“ werden in der Versicherungspraxis allgemein als Rabatte gehandhabt. Die Tarifgruppe der Normperson wird bei „N“ festgelegt, d.h. sie gehört weder der Gruppe der Landwirte noch der Beamten an. Dies scheint in Anbetracht der deutschen Bevölkerungszusammensetzung realistisch. Die SF-Klasse wird bei SF 1, dies entspricht generell 100% fixiert, um so die Prämienabweichungen einfacher quantifizieren zu können. Nicht betrachtet wird der Fall, dass der VN nicht auch der Halter des Fahrzeugs ist, da dies aufgrund der komplexen Umsetzungsweise der einzelnen VU den Rahmen der Arbeit sprengen würde. Die konstruierte Normperson weist die folgenden Ausprägungen auf:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 3: Ausprägungen der verschiedenen Tarifierungsmerkmale der Normperson

Betrachtet man die große Anzahl an verwendeten Tarifierungsmerkmalen und die Vielzahl der möglichen unterschiedlichen Ausprägungen, so kann man erahnen, wie groß der Unterschied zwischen den einzelnen Versicherungsprämien für unterschiedliche Versicherungskunden ist. Eine Analyse der Tarifspreads für die einzelnen VU bestätigt diese Annahme. Hierzu wird die günstigste angebotene Versicherungsprämie eines VU ins Verhältnis zur teuersten angebotenen Versicherungsprämie des gleichen VU gesetzt. Der Tarifspread berechnet sich dabei wie folgt:

Teuerste angebotene Versicherungsprämie

Günstigste angebotene Versicherungsprämie

Die Betrachtung schließt dabei sowohl die primäre als auch die sekundäre Prämiendifferenzierung mit ein. Anzumerken ist an dieser Stelle, dass manche der angebotenen Versicherungsprämien sicherlich als Prohibitivpreise[53] verstanden werden sollten, während einige VU für unerwünschte Risiken überhaupt keinen Versicherungsschutz offerieren und dadurch sehr viel niedrigere Tarifspreads aufweisen.

Tabelle 4: Tarifspreads der einzelnen Versicherungsunternehmen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Durchschnitt der teuersten angebotenen Versicherungsprämien beträgt 9416,64 € mit Werten zwischen 1962,64 € (Ontos) und 22596,50 € (Barmenia). Wie bereits oben erwähnt, kann sicherlich zumindest bei der von dem VU Barmenia angebotenen Prämie von einem Prohibitivpreis ausgegangen werden. Die Volatilität der günstigsten angebotenen Prämien ist dabei sehr viel niedriger als die der teuersten angebotenen Prämien. Der Tarifspread beträgt im Durchschnitt 209, d.h. im Durchschnitt ist die teuerste angebotene Versicherungsprämie 209 mal so hoch wie die günstigste angebotene Versicherungsprämie. Der Minimalwert beträgt 37 (Helvetia Basistarif) und der Maximalwert 418 (Cosmos Direkt). Dies zeigt, dass durch die primäre Prämiendifferenzierung (die sekundäre Prämiendifferenzierung verstärkt diesen Effekt) sehr große Prämienunterschiede erreicht werden. Im nächsten Abschnitt soll nun der Einfluss der einzelnen Tarifierungsmerkmale quantifiziert und analysiert werden.

4.1 Typklasse

Die Tarifbeiträge werden nach dem Fahrzeugtyp differenziert, da unterschiedliche Fahrzeuge einen ungleichen Schadenbedarf aufweisen.[54] Die unterschiedlichen Fahrzeuge werden dabei nach dem jeweiligen Schadenbedarfindexwert einer Typklasse zugeordnet.[55] Der Schadenbedarf berechnet sich aus den für jeden Fahrzeugtyp jeweils bei einem Schadenfall entstandenen Kosten (Schadendurchschnitt) und der Anzahl der Unfälle (Schadenhäufigkeit).[56] Der Indexwert gibt das Verhältnis des Schadenbedarfs eines Fahrzeugtyps zum Schadenbedarf aller Fahrzeugtypen wieder.

Die für ein bestimmtes Fahrzeug geltende Typklasse kann dem vom Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft ermittelten Typklassenverzeichnis entnommen werden. Hierbei wird nicht die absolute Beitragshöhe geregelt, sondern nur eine begrenzte Komponente der Tarifkalkulation bestimmt, also eine klassifikatorische Einteilung vorgenommen.[57] Die Einordnung erfolgt bei einer ausreichenden Datenbasis (11.000 Jahreseinheiten) ausschließlich aufgrund des Schadenbedarfs des Fahrzeugs. Ist die Datenbasis, wie zum Beispiel bei der Neueinführung eines Fahrzeugtyps zu gering, wird ein Credibility- Bedarf bestimmt, in den sowohl der Schadenbedarf der Typklasse des Fahrzeugs als auch der der Stärkenklasse in der sich das Fahrzeug befindet, einfließt. Letzterer wird mit steigender Anzahl der Jahreseinheiten immer geringer gewichtet, bis die geforderte Mindestbesetzung von 11.000 Jahreseinheiten erreicht ist.[58]

Der Typklassentarif in der Kfz-Haftpflichtversicherung basiert auf den Schadenbedarfsdaten von rund 37 Mio. Fahrzeugen und verwendet als Datengrundlage die letzten drei Jahre. Diese große Datenbasis ermöglicht einerseits eine kontinuierliche Anpassung an den aktuellen Schadenbedarf und stellt andererseits sicher, dass die berechneten Werte so stabil sind, dass es bei der jährlichen Überprüfung keine allzu großen Typklassensprünge gibt.[59] Es werden 16 unterschiedliche Typklassen (von 10 bis 25) unterschieden, schadengünstige Fahrzeuge sind dabei einer niedrigen Typklasse und schadenhäufige einer hohen Typklasse zugeordnet. Die Zuordnung des Fahrzeugs erfolgt über die Hersteller- und Typschlüsselnummer, die dem Kfz-Versicherungsschein entnommen werden können.[60]

Im folgenden wird nun der Prämieneinfluss des Tarifierungsmerkmals Typklasse bei den unterschiedlichen VU analysiert. Hierzu werden die folgenden Fahrzeuge in den einzelnen Typklassen verwendet:

Tabelle 5: Verwendete Fahrzeuge in den einzelnen Typklassen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Grundprämie berechnet sich für ein Fahrzeug in der Typklasse 10. Die komplette Prämienzuschlagsübersicht für das Tarifierungsmerkmal Typklasse befindet sich im Anhang A 1. Die durchschnittlichen Prämienzuschläge sowie die Minimal- und Maximalzuschlagswerte für die einzelnen Typklassen lassen sich der folgenden Tabelle entnehmen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 6: Prämienzuschläge in den einzelnen Typklassen

Auffällig ist, dass es einige VU gibt, die sehr weit vom Durchschnitt abweichen. Hierbei kann man vier verschiedene Fälle von Abweichungen unterscheiden.

[...]


[1] Vgl. Kapitel 2.1.1

[2] Vgl. Brakensiek, T. / Erdmann, U. / Weigert, M. (1994), S. 415.

[3] Vgl. GDV (2006a).

[4] Vgl. § 2 Abs. 1 KfzPflVG.

[5] Vgl. Brakensiek, T. / Erdmann, U. / Weigert, M. (1994), S. 415, sowie Christofolini et al. (2002), S. 1154.

[6] Vgl. Kapitel 4.3.

[7] Vgl. Karten, W. (1993), S. 27.

[8] Vgl. § 55 VVG.

[9] Vgl. GDV (2005), S.29.

[10] Vgl. § 1 PflVG.

[11] Vgl. § 2 PflVG.

[12] Vgl. § 5 Abs.1 PflVG.

[13] Vgl. § 5 Abs. 4 PflVG.

[14] Vgl. § 4 Abs. 1 PflVG.

[15] Vgl. Asmus, W./ Sonnenburg, V. (1998), S. 142.

[16] Vgl. Verordnung zur Aufhebung der Verordnung über die Tarife in der Kraftfahrzeug-Haftpflicht-versicherung.

[17] Vgl. Morlock, M. / Zimpelmann, M. (1998), S. 7.

[18] Vgl. Sievers, H. (1998), S. 383.

[19] Vgl. O.V. (2000), S.429.

[20] Vgl. Statistisches Bundesamt (2006 c).

[21] Vgl. § 5 Abs. 5 PflVG.

[22] Vgl. GDV (2006b).

[23] Vgl. Psychonomics AG (2005).

[24] Vgl. GfK Gruppe (2005).

[25] Vgl. Farny, D. (2006), S. 22.

[26] Vgl. Farny, D. (2006), S. 35.

[27] Vgl. Farny, D. (2006), S. 58.

[28] Vgl. Helten, E. (1994), S. 53.

[29] Vgl. Farny, D. (2006), S. 67.

[30] Vgl. Walter, T. (1998), S. 98.

[31] Vgl. Karten, W. (2000), S. 416.

[32] Vgl. Farny, D. (2006), S. 69.

[33] Vgl. Farny, D. (2006), S. 70.

[34] Vgl. Karten, W. (1993), S. 52.

[35] Vgl. Stadler, M. (1998), S. 22f und Asmus, W./ Sonnenburg, V. (1998), S. 144f.

[36] Vgl. Farny, D. (2006), S.33, sowie Helten, E. (1994), S. 6.

[37] Vgl. Farny, D. (2006), S. 69.

[38] Vgl. Karten, W. (1993), S. 59.

[39] Vgl. Morlock, M./ Zimpelmann, M. (1998), S. 6.

[40] Vgl. Farny, D. (2006), S. 71.

[41] Vgl. Morlock, M./ Zimpelmann, M. (1998), S. 6.

[42] Die Anzahl der Teilkollektive ergibt sich aus der Multiplikation der Ausprägungsmerkmale der einzelnen Tarifierungsmerkmale.

[43] Zum Beispiel die Auswirkung der Mitgliedschaft eines VN in einer Alkoholikervereinigung.

[44] Vgl. § 81 e VAG.

[45] Vgl. Bach, C. (1998), S. 2.

[46] Vgl. Milbes, K. (2003), S. 211.

[47] Vgl. Noehrbass, G. (2003), S. 866.

[48] Z.B. HUK 24 Basistarif und HUK 24 Klassiktarif , Bruderhilfe Basistarif und Bruderhilfe Klassiktarif.

[49] Vgl. Kapitel 2.1.3

[50] Vgl. Stiftung Warentest (2004), S. 68 – 76, sowie Stiftung Warentest (2005), S. 61 – 97, sowie Ökotest (2005), S. 164 – 170.

[51] Vgl. AWD (2006), sowie MLP (2006), sowie Finanzscout24 (2006).

[52] Bei zu Grunde legen einer anderen Basisprämie verändern sich demnach die Rabatte und Zuschläge. Die Übertragbarkeit der Rabatt- und Zuschlagsätze auf andere Personen sollte deshalb mit Vorsicht erfolgen. Allerdings können die auf diese Weise ermittelten Werte eine gute Orientierungshilfe bieten, um den Einfluss verschiedener Tarifierungsmerkmale abzuschätzen.

[53] Ein Prohibitivpreis ist der Preis bei dem die nachgefragte Menge nach der Preis- Absatz Funktion null beträgt. Es gilt also Absatzmenge = 0. Vgl. Schierenbeck, H. (2003), S. 276.

[54] Vgl. GDV (2002), §12 Abs. 1 TB

[55] Vgl. Asmus, W./ Sonnenburg, V. (1998), S.150.

[56] Vgl. GDV (2006c).

[57] Vgl. Asmus, W./ Sonnenburg, V. (1998), S. 150.

[58] Vgl. Walter, J.T. (1998), S.109.

[59] Vgl. GDV (2006c).

[60] Vgl. GDV (2006c).

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783836600224
ISBN (Paperback)
9783836650229
DOI
10.3239/9783836600224
Dateigröße
934 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen – Wirtschaftswissenschaften
Erscheinungsdatum
2006 (Dezember)
Note
1,0
Schlagworte
haftpflichtversicherung versicherungswirtschaft auto prämie versicherungsunternehmen
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Titel: Entwicklung eines Entscheidungsunterstützungssystems für die Auswahl eines optimalen Kfz-Haftpflichtversicherungstarifs
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