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Strategische und operative Steuerung in der Kommunalverwaltung

Einführung der Balanced Scorecard im Jugendhilfebereich

©2006 Masterarbeit 177 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Seit Anfang der 1990-iger Jahre wurden in der öffentlichen Verwaltung des Bundes, der Länder und vieler Kommunen grundlegende Innovationen initiiert und Veränderungen eingeleitet. Diese waren und sind eine Reaktion auf die zum Teil dramatischen Veränderungen der Umwelt- bzw. Rahmenbedingungen für die öffentliche Verwaltung, die vor allem durch eine strukturelle Finanzkrise, komplexe Anforderungen und eine verstärkte Wettbewerbssituation gekennzeichnet ist.
Diese Entwicklungen erfordern ein grundlegend verändertes Selbstverständnis von Politik und Verwaltungsführung sowie die Einführung von Managementprinzipien und strategischen Steuerungsinstrumenten (z. B. Sozial- und Jugendhilfeplanung).
Die Gutachten und Berichte der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) zum sog. Neuen Steuerungsmodell (NSM), einem Modell zur strategischen Verwaltungssteuerung, wurden insbesondere für den öffentlichen Dienstleistungssektor auf kommunaler Ebene maßgebend. Es geht auf den internationalen Trend des New Public Management (insbesondere Tillburger Modell) zurück, das vor allem die Beschränkung auf Kernkompetenzen sowie das Outsourcen öffentlicher Dienstleistung in den Vordergrund rückt. Anders als das New Public Management versucht das NSM jedoch, die öffentliche Verwaltung durch Übernahme von in der Regel betriebswirtschaftlichen Managementinstrumenten zu reformieren.
Die Ansätze des Neuen Steuerungsmodells hat die KGSt zu einem Modell des Kommunalen Managements weiterentwickelt, das sowohl die normative, die strategische als auch die operative Managementebene umfasst. Ergänzt wird dieses Modell durch das Neue Kommunale Finanzmanagement, durch das finanzwirtschaftliche Instrumente, wie Doppelte Buchführung, Kosten- und Leistungsrechnung etc. eingeführt werden.
Beide Modelle haben zum Ziel, das traditionelle Bürokratiemodell mit seiner überwiegend an Rechtsnormen orientierten Aufgabenerledigung grundlegend zu verändern, die Abkehr von der Kameralistik voranzutreiben und die Steuerung der Leistungserstellung der öffentlichen Verwaltung über Produkte anzustreben (Outputsteuerung statt bisheriger Inputsteuerung).
Die Finanzkrise öffentlicher Haushalte führte dazu, dass sich im Zuge der Verwaltungsmodernisierung der Fokus vor allem auf die operativen Managementfunktionen richtete (z. B. Reform des Haushalts- und Rechnungswesens), während die strategische Neuausrichtung der Administration nicht in gleichem Maße […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Dietrich Jenner
Strategische und operative Steuerung in der Kommunalverwaltung
Einführung der Balanced Scorecard im Jugendhilfebereich
ISBN-13: 978-3-8366-0014-9
Druck Diplomica® GmbH, Hamburg, 2007
Zugl. Universität Lüneburg, Lüneburg, Deutschland, MA-Thesis / Master, 2007
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© Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2006
Printed in Germany


1
Vorwort
Im Zuge der Verwaltungsmodernisierung werden im zunehmenden Maße
betriebswirtschaftliche Instrumente in der öffentlichen Verwaltung einge-
setzt und dies mit unterschiedlicher Intensität und nicht immer mit Erfolg.
Über die Zukunftsfähigkeit und den Erfolg von Verwaltungen und Non-
Profit-Organisationen entscheidet die Fähigkeit, Strategien zu entwickeln
und diese zielgerichtet umzusetzen.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, ob und ggf. auf wel-
che Weise Kommunalverwaltungen mit dem Instrumentarium der Balanced
Scorecard diese Strategieumsetzung erfolgreich realisieren können. Der
theoretische Diskurs wird dabei ergänzt durch Erfahrungen aus zwei Einfüh-
rungsprojekten. So bilden theoretische Erkenntnisse und praktische Erfah-
rungen eine gemeinsame Grundlage für die Verwaltungspraxis.
Mein Dank gilt Herrn Dipl.-Finanzwirt Jens Kretzschmar, Lehrbeauftragter
der Universität Lüneburg, für die hilfreiche Unterstützung und Betreuung
dieser Arbeit.
Ebenfalls danken möchte ich Frau Sachse und Herrn Schreiber, den Ver-
antwortlichen für die genannten BSC-Projekte, mit deren Unterstützung die
Ergebnisse der Projekt-Evaluation und ihre Erfahrungen in diese Arbeit ein-
fließen konnten.
Nicht zuletzt möchte ich meiner Familie, insbesondere meiner Frau Edel-
gard, für den Rückhalt und die Unterstützung während meiner berufsbe-
gleitenden Studienzeit danken.
Für die vorliegende Arbeit wurden ausschließlich Quellen genutzt, die im
Literatur- und Quellenverzeichnis aufgeführt sind.

2
Inhaltsverzeichnis
Seite
Abkürzungsverzeichnis ... 4
Abbildungsverzeichnis ... 5
Tabellenverzeichnis ... 6
1
Einführung ... 7
1.1 Gegenstandsbereich und Themenstellung ... 7
1.2 Lösungsansatz ... 8
1.3 Zentrale These ... 9
1.4 Methodisches Vorgehen ... 10
2
Grundlagen des kommunalen Managements ... 12
2.1 Verwaltungsmodernisierung und Neue Steuerung ... 12
2.2 Das kommunale Managementkonzept ... 17
2.2.1 Normatives Management ... 19
2.2.2 Strategisches Management ... 20
2.2.3 Operatives Management ... 27
2.3 Fachbereichssteuerung im Rahmen des SGB VIII ... 30
2.3.1 Planung und Steuerung der Jugendhilfe ... 32
2.3.2 Steuerungsinstanzen ... 37
2.3.3 Controlling und Berichtswesen ... 42
2.4 Zusammenfassung ... 48
3
Strategische und operative Zielplanung ... 50
3.1 Zielsetzung und Zielsysteme ... 50
3.2 Der Prozess der Zielbildung ... 52
3.3 Operationalisierung und Quantifizierung von Zielen u. Leistungen 55
4
Die Balanced Scorecard - ein integratives Steuerungssystem 58
4.1 Das Grundmodell der Balanced Scorecard ... 59
4.2 Vision und strategische Ziele ... 60
4.3 Die Managementperspektiven ... 61
4.4 Funktionen der Balanced Scorecard ... 66
4.5 Leistungsmessung und Feedback ... 70
4.6 Transparenz der Arbeit ... 71
4.7
Qualitätsmanagement und Controlling ... ... 72
5
Einführungsprozesse der Balanced Scorecard ... 73

3
5.1 Besonderheiten einer Einführung in der Kommunalverwaltung ... 73
5.2 Aufbau und Inhalt einer BSC in der Verwaltung ... 76
5.3 Einführungsumfang und Einführungstiefe ... 81
5.4 Erfolgsfaktoren für ein BSC-Projekt ... 82
6
Entwicklung einer Balanced Scorecard ... 88
6.1 Strategische Stoßrichtung vereinbaren ... 88
6.2 Dimensionen der Balanced Scorecard festlegen ... 89
6.3 Strategische Ziele vereinbaren ... 90
6.4 Zielzusammenhänge prüfen ... 92
6.5 Messgrößen bestimmen ... 93
6.6 Zielwerte festlegen ... 94
6.7 Strategische Maßnahmen vereinbaren ... 96
7
Umsetzung ... 98
7.1 Vorbereitende Maßnahmen ... 98
7.2 Roll-out der Balanced Scorecard ... 100
7.3 Verknüpfung von BSC mit Management- u. Steuerungssystemen 102
8
BSC-Einführungsprojekte in Verwaltung und NPO ­
Praxisevaluation ... 105
8.1 BSC-Einführungsprojekt im Amt für Soziale Dienste Kiel ... 105
8.1.1 Der Einführungsprozess ... 106
8.1.2 Rückblick ... 108
8.1.3 Fazit ... 109
8.2 BSC-Einführungsprojekt bei einem freien Jugendhilfeträger ... 110
8.2.1 Der Einführungsprozess ... 111
8.2.2 Die BSC in der praktischen Umsetzung ... 112
8.2.3 Prozessevaluation, Wirkungen und Auswirkungen ... 113
8.2.4 Handlungsempfehlungen ... 114
8.2.5 Rückblick ... 115
8.2.6 Fazit ... 116
9
Kritische Würdigung des BSC-Konzepts ... 118
10
Resümee ... 126
Literaturliste und Quellennachweis ... 128
Anhang mit Anhangsverzeichnis ... 139

4
Abkürzungsverzeichnis
Bottom-up
Von der nachgelagerten Hierarchieebene zur überge-
ordneten
BSC
Balanced Scorecard
CAF
Modell des Common Assessment Framework - CAF für
die öffentliche Verwaltung auf der Grundlage des
EFQM-Modells
DAX-100
DAX steht für den Deutschen Aktienindex. Dax-100
beschreibt eine Summe von 100 Unternehmen, welche
den Dax-Bedingungen entsprechen.
ders.
derselbe
dies.
dieselbe / dieselben
ebd.
ebenda
EFQM
European Foundation for Quality Management (Euro-
päische Stiftung für Qualitätsmanagement)
EN ISO 9000 ff.
Normen des Qualitätsmanagements
GAP-Analyse
Schwachstellen-Analyse
Input
Eingabe, z. B. Finanzen
IT
Informationstechnologie/EDV
KGSt
Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsma-
nagement
MbO
Management by Objektives/Kontraktmanagement
NPM
New Public Management
NPO
Non-Profit-Organisation
NSM
Neues Steuerungsmodell
Outcome
Wirkung
Output
Ausgabe, z. B. Leistungen/Produkte
PPP
Public-Private-Partnership
Roll-out
Ausweitung (z. B. über die Hierarchieebenen hinweg)
SGB VIII
Sozialgesetzbuch VIII, syn. Kinder- und Jugendhilfe-ge-
setz
SWOT
Strengths (Stärken), Weakness (Schwäche) Opportuni-
ties (Chancen), Threats(Risiken)
= Stärken-Schwächen-Analyse
Top-BSC
Balanced Scorecard auf der obersten Organisations-
ebene
Top-down
Von der übergeordneten Hierarchieebene zur unterge-
ordneten
TQM
Total-Quality-Management
Verf. d. A.
Verfasser dieser Arbeit
Zit. n.
Zitiert nach

5
Abbildungsverzeichnis
Seite
Abb. 1
Input-Output-Outcome
14
Abb. 2.
Kernelemente des Neuen Steuerungsmodells
15
Abb. 3.
Normatives Management
20
Abb. 4.
Zielfelder des strategischen Managements
22
Abb. 5.
Budgetierung als strategisches Management
26
Abb. 6.
Die Schnittstelle zwischen strategischem u. operativem Management
27
Abb. 7.
Schwerpunkte des operativen Managements
28
Abb. 8.
Das Managementmodell im Überblick
29
Abb. 9.
Zusammenwirken der Instrumente im Neuen Steuerungsmodell
35
Abb. 10.
Regelkreis der Planung
37
Abb. 11.
Strategisches und operatives Controlling im Jugendamt
39
Abb. 12.
Controlling in der Kommunalverwaltung
42
Abb. 13.
Regelkreislauf Jugendhilfeplanung und Controlling
44
Abb. 14.
Controlling
45
Abb. 15.
Lückenschluss durch die BSC
59
Abb. 16.
Balanced Scorecard als strategischer Handlungsrahmen
60
Abb. 17.
Bedeutung der vier BSC-Perspektiven
62
Abb. 18.
Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge der vier Perspektiven
67
Abb. 19.
Wirkung sozialen Handelns
68
Abb. 20.
Controllingkreislauf
70
Abb. 21.
Balanced Scorecard und das Berichtswesen
71
Abb. 22.
Die BSC als Steuerungsrahmen für die öffentliche Verwaltung
77
Abb. 23.
Mögliche Dimensionen einer BSC in der öffentlichen Verwaltung
90
Abb. 24.
Filter zur Auswahl strategischer Ziele
91
Abb. 25.
Strategischer Managementprozess mit der Balanced Scorecard
103
Abb. 26.
Die Einbindung der Balanced Scorecard in den Steuerungsprozess
104
Abb. 27.
Leistungstreiber-Wirkungsziele
113

6
Tabellenverzeichnis
Seite
Tab. 1
Ganzheitlich-stimmige Ziele
26
Tab. 2.
Grundstruktur des Jugendhilfeausschusses
39
Tab. 3.
Wirkung sozialen Handelns
69
Tab. 4.
BSC in der Privatwirtschaft und in Sozialen Organisationen
78
Tab. 5.
Übersicht über Chancen und Risiken der BSC-Implementierung
83
Tab. 6.
Auszug aus einer Balanced Scorecard
97
Tab. 7.
Struktur und Methoden des Herunterbrechens
101
Tab. 8.
BSC der Sozialen Dienste Kiel
107
Tab. 9.
Perspektivenaufbau der BSC der Sozialen Dienste Kiel
107
Tab. 10.
Die Phasen des BSC-Einführungsprozesses
111
Tab. 11.
BSC des Heilpädagogiums an der Ostsee
112
Tab. 12.
Perspektivenaufbau der BSC des Heilpädagogiums an der Ostsee
112
Tab. 13.
BSC in Sozialen Organisationen
117
Tab. 14.
Gesamtkonzept für Zielfelder und Ziele
119

7
1 Einleitung
1.1
Gegenstandsbereich und Themenstellung
Seit Anfang der 1990-iger Jahre wurden in der öffentlichen Verwaltung des
Bundes, der Länder und vieler Kommunen grundlegende Innovationen in-
itiiert und Veränderungen eingeleitet. Diese waren und sind eine Reaktion
auf die zum Teil dramatischen Veränderungen der Umwelt- bzw. Rahmen-
bedingungen für die öffentliche Verwaltung, die vor allem durch eine
strukturelle Finanzkrise, komplexe Anforderungen und eine verstärkte
Wettbewerbssituation gekennzeichnet ist (vgl. Kapitel 2.1).
Diese Entwicklungen erfordern ein grundlegend verändertes Selbstver-
ständnis von Politik und Verwaltungsführung sowie die Einführung von
Managementprinzipien und strategischen Steuerungsinstrumenten (z. B.
Sozial- und Jugendhilfeplanung).
Die Gutachten und Berichte der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Ver-
waltungsmanagement (KGSt) zum sog. Neuen Steuerungsmodell (NSM),
einem Modell zur strategischen Verwaltungssteuerung, wurden insbesonde-
re für den öffentlichen Dienstleistungssektor auf kommunaler Ebene maß-
gebend. Es geht auf den internationalen Trend des New Public Management
(insbesondere Tillburger Modell) zurück, das vor allem die Beschränkung
auf Kernkompetenzen sowie das Outsourcen öffentlicher Dienstleistung in
den Vordergrund rückt. Anders als das New Public Management versucht
das NSM jedoch, die öffentliche Verwaltung durch Übernahme von in der
Regel betriebswirtschaftlichen Managementinstrumenten zu reformieren.
Die Ansätze des Neuen Steuerungsmodells hat die KGSt zu einem Modell
des Kommunalen Managements weiterentwickelt (vgl. Heinz 2000), das
sowohl die normative, die strategische als auch die operative Managemen-
tebene umfasst. Ergänzt wird dieses Modell durch das Neue Kommunale
Finanzmanagement, durch das finanzwirtschaftliche Instrumente, wie
Doppelte Buchführung, Kosten- und Leistungsrechnung etc. eingeführt
werden.
Beide Modelle haben zum Ziel, das traditionelle Bürokratiemodell mit sei-
ner überwiegend an Rechtsnormen orientierten Aufgabenerledigung grund-
legend zu verändern, die Abkehr von der Kameralistik voranzutreiben und
die Steuerung der Leistungserstellung der öffentlichen Verwaltung über
Produkte anzustreben (Outputsteuerung statt bisheriger Inputsteuerung).
Die Finanzkrise öffentlicher Haushalte führte dazu, dass sich im Zuge der
Verwaltungsmodernisierung der Fokus vor allem auf die operativen Mana-
gementfunktionen richtete (z. B. Reform des Haushalts- und Rechnungswe-
sens), während die strategische Neuausrichtung der Administration nicht in
gleichem Maße betrieben wurde. Hinzu kommt, dass das strategische Den-

8
ken bisher nicht originär in der Kultur der Verwaltungsführung verankert
war. Die bisherigen Reformansätze haben dieses Strategiedefizit nicht be-
seitigen können. Selbst in Kommunen, die bereits ein am Organisations-
zweck ausgerichtetes Leitbild und strategische Ziele entwickelt haben, wer-
den diese häufig nicht ,,gelebt" und mit operativen Steuerungsinstrumenten
verbunden (vgl. z. B. Scherer/Alt 2002, S. 11; Budäus 2002, S. 325 ff.).
Diese Lücke zwischen strategischer und operativer Steuerung in der Kom-
munalverwaltung gilt es zu schließen, um eine effektive und effiziente Ge-
samtsteuerung der Administration zu erreichen. Hierfür bieten die traditio-
nellen Instrumente der Verwaltungssteuerung nur unzureichende Lösungen.
Es ist daher ein Instrumentarium zu entwickeln und einzuführen, das
·
den notwendigen Modernisierungsprozess in der Verwaltung zielge-
richtet vorantreibt,
·
die Zuständigkeit und Verantwortung von Politik und Verwaltungslei-
tung neu definiert,
·
die Basis schafft für ein gewandeltes Selbstverständnis von Führung und
Leitung im Verhältnis zu den anderen Akteuren der Leistungserstellung
·
und das die Verwaltungssteuerung - neben einem leistungsfähigen Fi-
nanzmanagement - stärker auf innovative Prozesse, auf Ziele und Wir-
kungen hin fokussiert.
Vor allem muss es darum gehen, ein strategisches und integratives Mana-
gementsystem zu entwickeln, das den Organisationszweck (oder: die Missi-
on) - nämlich die Gemeinwohlorientierung - mit den Zielsystemen aller Ge-
schäftsbereiche und über alle Managementebenen hinweg in Einklang bringt
und dabei die teilweise widersprüchlichen Zielsysteme und deren Wirkun-
gen untereinander abgleicht und ggf. untereinander ausbalanciert. Zugleich
sollte dieses System als Managementzyklus angelegt werden, mit dem Qua-
litätsmanagement kompatibel sein und mit einem leistungsstarken Control-
ling und Berichtswesen verbunden sein.
1.2
Lösungsansatz
Als Lösungsansatz bietet sich hierfür das von Kaplan und Norton 1996 für
Wirtschaftsbetriebe in den USA entwickelte strategische Managementsy-
stem der Balanced Scorecard (BSC) an. In den letzten Jahren werden erste
Erfahrungen mit diesem Zielwertsystem in der öffentlichen Verwaltung und
in Non-Profit-Organisationen (NPO´s) gesammelt.
Wie dieses Managementinstrument die strategische und operative Ebene
verbinden kann, welche Grundvoraussetzungen und Rahmenbedingungen
für die Implementierung unter den spezifischen Rahmenbedingungen von
kommunaler Verwaltung und Non-Profit-Organisationen gegeben sein müs-

9
sen und wie Inhalt und Aufbau der BSC anzupassen sind, soll in der vorlie-
genden Arbeit diskutiert werden.
Dabei soll ein besonderer Augenmerk auf das zweigliedrige, von Politik und
Verwaltungsleitung gesteuerte Jugendamt gelegt werden, das zugleich durch
Leistungsvereinbarungen eine enge Verzahnung mit frei-gemeinnützigen
Trägern eingeht.
Wie die BSC in der Praxis eingesetzt werden kann, soll je ein Beispiel aus
der Jugendamtsverwaltung und von einem freien Träger der Jugendhilfe
exemplarisch zeigen. Die Erfahrungen aus der Einführungsphase sollen aus-
gewertet, Entwicklungsperspektiven aufgezeigt und kritische Punkte disku-
tiert werden.
1.3
Zentrale These
Die vorliegende Masterarbeit geht von der folgenden, auf Stichhaltigkeit
und Validität zu überprüfenden zentralen These aus:
Das strategische Steuerungssystem der Balanced Scorecard kann eine
zentrale Lücke schließen zwischen strategischer und operativer Steuerung
in der Kommunalverwaltung öffentlich-rechtlicher Gebietskörperschaf-
ten. Sie stellt ein geeignetes Instrumentarium dar, um einzelne Elemente
der bisherigen Reformbemühungen zielführend zu integrieren und auf
Stimmigkeit zu überprüfen, einschließlich der Strategie selbst.
Ausgehend von dieser zentralen These, die zugleich den roten Faden dieser
Arbeit bildet, kann der hier zu bearbeitende Gegenstandsbereich weiter ope-
rationalisiert werden:
·
Da die BSC sowohl sog. ,,harte" Faktoren des Managements (wie die
Finanzen) als auch die ,,weichen" Faktoren (wie Mitarbeiterpotential,
Innovationsfähigkeit und Stakeholderinteressen) berücksichtigt und die-
se miteinander in Balance zu bringen versucht, entspricht die BSC den
komplexen und teilweise widersprüchlichen Zielbereichen und Aufga-
ben der öffentlichen Verwaltung auf kommunaler Ebene.
·
Die BSC kann nicht unverändert aus dem privat-gewerblichen Bereich
auf den öffentlichen Dienstleistungssektor übertragen werden, sondern
muss in Inhalt und Aufbau dem Organisationszweck (Gemeinwohlori-
entierung versus Profitorientierung) und den spezifischen Rahmenbe-
dingungen der öffentlichen Verwaltung Rechnung tragen.
·
Erfahrungen aus BSC-Einführungsprojekten im Jugendhilfebereich sind
kritisch zu hinterfragen, insbesondere darauf, ob sich veränderte Per-
spektiven hinsichtlich des BSC-Konzeptes für die Verwaltung ergeben

10
und ob Aufwand und Nutzen sowie Chancen und Risiken in einem sinn-
vollen Verhältnis zueinander stehen.
Ausgehend von der zentralen These gestaltet sich der methodische Zugang
zum Gegenstandsbereich der Arbeit wie folgt:
1.4
Methodisches Vorgehen
Auf der Basis der vorliegenden Erkenntnisse werden zunächst die Grund-
voraussetzungen, Rahmenbedingungen und fachlichen Grundlagen des
Kommunalen Managements in einem Überblick dargestellt. Ausgehend von
der Verwaltungsmodernisierung und dem Neuen Steuerungsmodell soll das
Kommunale Managementmodell in seinen drei Ebenen dargestellt werden:
die normative, die strategische und die operative Managementebene. In die-
sem Zusammenhang sollen auch mögliche Strategiedefizite erläutert wer-
den.
Daran schließt sich die Betrachtung der spezifischen Rahmenbedingungen
auf der Fachbereichsebene an, unter der besonderen Berücksichtigung der
Planung, Organisation und Steuerung in der Jugendamtsverwaltung nach
Maßgabe des SGB VIII. Hierbei gilt es, die Besonderheit der zweigliedrigen
Führung und Leitung durch Jugendhilfeausschuss und Verwaltung des Ju-
gendamtes, die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen dem Träger
der öffentlichen Jugendhilfe und freien Trägern der Wohlfahrtspflege bis
hin zum Fachbereichscontrolling zu würdigen.
Im dritten Kapitel wird auf die strategische und operative Gestaltung von
Zielsystemen, auf den Prozess der Zielentwicklung sowie auf die Operatio-
nalisierung und Quantifizierung von Zielen und Leistungen eingegangen.
Damit ist die Grundlage gelegt, auf die das strategische Steuerungssystem
der BSC aufsetzt. Das Grundmodell der BSC und seine Funktionen werden
im vierten Kapitel beschrieben, gefolgt von der Darstellung des Einfüh-
rungsprozesses im folgenden Kapitel. Hierbei werden die Besonderheiten
einer BSC-Implementierung in der öffentlichen Verwaltung sowie Chancen
und Risiken diskutiert und abgewogen.
Es folgen im sechsten Kapitel die konkreten Entwicklungsschritte einer
BSC im öffentlichen Dienstleistungssektor und danach die Beschreibung
der kritischen Umsetzungsphase (Roll-out) mit der Einbindung in das Ma-
nagement- und Steuerungssystem (siebtes Kapitel).
Daran schließt sich im achten Kapitel die Auswertung zweier BSC-
Einführungsprojekte an, und zwar aus einer Jugendamtsverwaltung und bei
einem frei-gemeinnützigen Träger der Jugendhilfe. Hierbei wird deutlich,
dass der Paradigmenwechsel beim öffentlichen Jugendhilfeträger unmittel-
bare Auswirkungen auch auf den freien Träger der Jugendhilfe (Stakehol-

11
der) hat. Die Praxiserfahrungen tragen zur Überprüfung der theoretischen
Ausführungen bei. Zudem geben sie Hinweise für die Modifizierung der
BSC und den Implementierungsprozess. Darüber hinaus werden Erkenntnis-
se zur Praxistauglichkeit referiert.
Im neunten Kapitel wird sodann eine kritische Bewertung zur Einführung
der Balanced Scorecard als strategisches Steuerungssystem in der Kommu-
nalverwaltung vorgenommen mit Hinweisen auf mögliche Entwicklungs-
perspektiven. Abschließend wird ein Resümee den Diskurs über den Gegen-
standsbereich der Arbeit abrunden und einen Ausblick auf weiterführende
Forschungsansätze versuchen.
Der Anhang zu dieser Arbeit bietet neben der üblichen Literaturliste und
dem Quellennachweis eine Reihe grafischer Darstellungen, auf die im Text
Bezug genommen wird. Darüber hinaus werden Arbeitshilfen und Praxis-
beispiele zur Implementierung des BSC-Managementsystems angeboten.
Hinweis: Aus Gründen der Lesbarkeit wird in dieser Masterarbeit bei der
Nennung von Personen und Personengruppen zumeist auf die Differenzie-
rung des Geschlechts verzichtet. Wenn nicht explizit auf gegenteiliges hin-
gewiesen wird, sind grundsätzlich beide Geschlechter gemeint.

12
2
Grundlagen des kommunalen Managements
2.1
Verwaltungsmodernisierung und Neue Steuerung
Zu Beginn der 1990-iger Jahre hat die Kommunale Gemeinschaftsstelle für
Verwaltungsmanagement (KGSt) in Köln mit dem Neuen Steuerungsmodell
die Diskussion um die Verwaltungsmodernisierung im öffentlichen Sektor
maßgeblich angestoßen und beeinflusst, insbesondere mit dem 1991 vorge-
legten Bericht ,,Dezentrale Ressourcenverantwortung - Überlegungen zu
einem Neuen Steuerungsmodell" (KGSt-Bericht Nr. 12/1991). Diesem
grundlegenden Bericht sind mittlerweile mehr als dreißig weitere gefolgt.
Durch Einführung des sogenannten Neuen Steuerungsmodells (NSM)
sollte neben einer Optimierung und Straffung der Mittelverwendung eine
grundlegende Neuorientierung des Handelns innerhalb des öffentlichen
Sektors eingeleitet werden. Dabei waren wesentliche Kritikpunkte an der
traditionellen deutschen Verwaltung im Blick, die noch weitgehend im Sin-
ne des Bürokratiemodells von Max Weber geprägt war (vgl. Mund 2004).
Insbesondere wurden konstatiert:
·
eine Managementlücke, hervorgerufen durch unklare Aufträge und
nicht eindeutig begrenzte Budgets verbunden mit bürokratischen Steue-
rungsinstrumenten,
·
eine Motivations- und Attraktivitätslücke für die Mitarbeiter, bedingt
durch die stark hierarchische und arbeitsteilige Organisation der Abläufe
(rationales Organisationsmodell), die einer Verantwortungsübernahme
für den effektiven Einsatz von Ressourcen und für das Endprodukt ent-
gegensteht,
·
eine Legitimitätslücke, die sich auf die Binnenorientierung der Verwal-
tung bezieht, sowie
·
eine Strategielücke, da die Ausrichtung und Planung innerhalb der
Verwaltung oftmals politisch bestimmt ist mit dem Fokus auf kurzfristi-
ge Erfolge. Dadurch wird eine langfristige, über Legislaturperioden hin-
ausgehende Planung und Umsteuerung verhindert (vgl. Zielinski 2000,
S. 16 f; Mund 2004).
Durch die Einführung des Modells der Neuen Steuerung wird nunmehr der
Versuch unternommen, die Verwaltung stärker auf betriebswirtschaftliche
Strukturen hin umzugestalten.
Die Gründe für den Reformbedarf, vor allem in der Kommunalverwaltung,
sind in den gravierenden Veränderungen der Umwelt- bzw. Rahmenbedin-
gungen für die öffentliche Verwaltung zu sehen:
·
Die strukturellen Finanzprobleme des öffentlichen Sektors haben sich
durch die hohen Kosten der Deutschen Einheit verschärft und in den

13
letzten Jahren zu einer massiven Finanzkrise der öffentlichen Hand ent-
wickelt;
·
die Komplexität der Aufgaben, die von Bund und Ländern den Kommu-
nen übertragen werden, nimmt zu;
·
die Bürger erwarten von der öffentlichen Verwaltung höhere Dienstlei-
stungsqualität sowie stärkere Kundenorientierung und -beteiligung an-
stelle unflexiblen bürokratischen Obrigkeitshandelns und Entmündi-
gung;
·
die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst fordern demokratische Struk-
turen, Beteiligung an der Organisations- und Personalentwicklung, mehr
Verantwortung sowie Gestaltungs- und Entwicklungsspielräume;
·
der Europäische Binnenmarkt nimmt zunehmend Einfluss auf die tradi-
tionellen Verwaltungs- und auch Verbandsstrukturen in Deutschland
(siehe z. B. die Diskussion um den Stabilitätspakt, die Dienstleistungs-
richtlinie und Vergabeverfahren) und führt zu verstärktem Wettbewerb.
·
Zudem verändert sich im Zuge der Marktorientierung das Verhältnis
zwischen öffentlicher Verwaltung und den Verbänden, z. B. zu den frei-
gemeinnützigen, aber auch zu den privat-gewerblichen Trägern der Ju-
gendhilfe (Aushöhlung des Subsidiaritätsprinzips).
Zur Verwaltungsmodernisierung sind verschiedene Ansätze und Modelle in
den vergangenen Jahren entwickelt worden. So z. B. von Gehrmann / Mül-
ler (1993/1999) und von Bandemer u.a. (1998). Auch wenn viele Kommu-
nen versucht haben, alternative Wege zu gehen, so ist doch das Neue Steue-
rungsmodell der Kommunalen Gemeinschaftsstelle das bekannteste und
umfassendste Modell der Verwaltungsmodernisierung in Deutschland ge-
blieben.
Die Grundidee des Neuen Steuerungsmodells ist das Bild von der ,,Kom-
mune als einem kundenorientierten Dienstleistungsunternehmen", das
kommunale Leistungen als seine Produkte erstellt, anbietet und ,,verkauft"
(Jordan/ Reismann 1998, S. 55 ff.). Im Zuge eines Imagewandels sollen in
der Verwaltung unternehmensähnliche Strukturen und Arbeitsformen einge-
führt werden. Die Bürger als ,,Kunden" dieses Dienstleistungsunternehmens
haben einen Anspruch auf schnelle und gute Leistungserbringung und ,,An-
spruch darauf ..., für (ihre) Steuern und Gebühren auch einen echten Ge-
genwert zu angemessenen Preisen und mit einem hohen Qualitätsstandard
zu erhalten" (KGSt 19/1992, S. 44).
Neben der Effektivitäts- und Qualitätssteigerung steht als weiteres hand-
lungsleitendes Motiv die Erhöhung der Effizienz und damit langfristig die
Haushaltskonsolidierung im Vordergrund. Nach Schätzungen der KGSt ist
von einer erheblichen Rationalisierungsreserve im öffentlichen Sektor von
bis zu 20% auszugehen.
Die Voraussetzungen für eine verbesserte Wirtschaftlichkeit (Effizienz) und
Wirksamkeit (Effektivität) des Verwaltungshandelns sind die vollständige
Leistungs- und Kostentransparenz sowie die Steuerung der Leistungser-

14
stellung vom Output bzw. Outcome her. Der bisher in der Kameralistik
übliche Ansatz, die Steuerung über den Input, wird damit abgelöst.
Diese grundlegende Reform des öffentlichen Haushalts- und Rechnungswe-
sens macht es erforderlich, verstärkt Elemente aus der allgemeinen Be-
triebswirtschaftslehre in die Verwaltung einzuführen, wie z. B.:
·
Produkte
·
Kosten- und Leistungsrechnung
·
Berichtswesen und Controlling
·
Budgets und Leistungsvereinbarungen (Kontraktmanagement)
·
Dezentrale Ressourcenverantwortung
·
Qualitätsmanagement
·
Personalmanagement
·
Kunden- bzw. Bürgerbeteiligung
·
Wettbewerb (Vergabeverfahren, interkommunale Vergleichsringe).
Im Rahmen des Kontraktmanagements soll zwischen Politik und Verwal-
tungsführung - bei klarer Verantwortungsabgrenzung - festgelegt werden,
welche Leistungen die Kommune erbringen soll (Ziel- und Ergebnisorien-
tierung).
Die einzelnen Leistungen werden dann in Form von Produkten definiert.
Das Produkt wird zum zentralen Bezugspunkt der Verwaltungstätigkeit,
nach dem sich die gesamte Aufbau- und Ablauforganisation sowie das
Haushalts- und Rechnungswesen der Verwaltung ausrichten soll. Den ein-
zelnen Produkten werden Kennziffern zugeordnet, die die Quantität, Quali-
tät und die Kosten der Produkte überprüfbar machen.
Den Fachbereichen bzw. Ämtern werden entsprechend des Umfanges der
von ihnen erstellten Produkte Budgets zugeteilt, über die sie im Rahmen der
rechtlichen Bindungen frei verfügen können (Dezentrale Fach- und Res-
sourcenverantwortung). Die Ergebnisse der Produkterstellung werden
Input Output
Outcome
·
Finanzen
·
Personal
·
Organisation
·
Leistung
- Qualität
- Quantität
Wirkung/ Er-
gebnis
(Grafik aus: Jenner 2002, S. 58)

15
dann mittels des Controllings, dessen zentrales Element das Berichtswesen
ist, überprüfbar gemacht
1
.
Das Ziel der Verwaltungsmodernisierung ist, neben der Haushaltskonsoli-
dierung, die Ausrichtung der kommunalen Verwaltung am Idealbild eines
kundenorientierten Dienstleistungsunternehmens (vgl. Deutscher Städte-
tag/AGJ 1999, S. 17), womit zugleich eine neue Legitimationsbasis für das
Verwaltungshandeln geschaffen werden soll. So soll die Verwaltung
kunden- und bürgerfreundlicher werden,
effektiver und kostenbewusster arbeiten,
Effizienz durch Wettbewerb steigern,
Zuständigkeiten für Fachaufgaben und Finanzentscheidungen zusam-
menführen,
Entscheidungen transparent und nachvollziehbar treffen,
Entscheidungsabläufe beteiligungsorientiert gestalten,
Entscheidungskompetenzen und Verantwortung von der Verwaltungs-
spitze auf die Handlungsebene delegieren sowie
teamorientierte Arbeitsformen einführen
und damit die Motivation und das Leistungspotenzial der Beschäftigten
steigern.
Das Neue Steuerungsmodell kann mit ihren Elementen somit wie folgt dar-
gestellt werden
2
:
Kernelemente des Neues Steuerungsmodells
Qualitäts-
sicherung
Personal-
entwicklung/
Fortbildung
Produkte
beschreiben
Budgetie-
rung
Technik-
unterstützte
Informations-
verarbeitung
Dezentrale
Strukturen
schaffen
Politik- und
Verwaltungs-
führung:
Kontrakt-
management
Kosten- und
Leistungs-
rechnung/
Controlling
1
vgl. im Anhang: A 4 ,,Das Neue Steuerungsmodell -Funktionsübersicht-", S. 143
2
Detaillierte Erläuterungen zu den Kernelementen des NSM finden sich bei Jenner 2002
(Grafik aus: KGSt/Beckhof 1999)

16
Die Entwicklung der Reformen weist damit weg ,,(...) vom klassischen
Steuerungsmodell der Öffentlichen Verwaltung (...) hin zu einem Manage-
mentverständnis, das sich an eingeführten Konzeptionen der Erwerbswirt-
schaft orientiert" (Scherer/Alt 2002 b, S. 3).
Die Grundgedanken des KGSt-Ansatzes sind dabei - wie auch die gesamte
Diskussion um die Ideen des New Public Managements - weitgehend ge-
sellschaftspolitisch, inhaltlich und strukturell bestimmt. Im Gegensatz dazu
kritisiert z. B. Prölß, dass die tatsächliche Einführung des Modells der Neu-
en Steuerung in die kommunale Praxis letztlich fast ausschließlich fiskalisch
als Mittel zur Haushaltskonsolidierung genutzt wurde (vgl. Prölß 2002, S.
136).
Selbst die KGSt räumt ein, dass bei allen Reformfortschritten das NSM
auch nach zehn Jahren noch nicht flächendeckend implementiert ist, ,,(...)
weil das Konzept in Wirklichkeit äußerst komplex ist und im Detail noch
nicht konkret genug ausgereift war. Dem waren nur wenige Kommunen
gewachsen" (KGSt/Hilbertz 2001). Zwar gab der Zwang zur Haushaltskon-
solidierung ,,(...) der Einführung des NSM einen bedeutenden Schub, sie
war jedoch gleichzeitig auch Grund für eine Konzentration auf jene Bau-
steine oder Elemente, die schnelle Wirkungen auf dem Weg zur Effizienz-
steigerung zu erzielen versprachen. Das ist dann auch eingetreten, doch ein
funktionierendes Gesamtsystem rückte damit in weite Ferne" (ebd.).
Weiterhin wird kritisch konstatiert, dass das NSM vielfach nur zu einer
Binnenreform der Verwaltung diente. Oft wurde mit übertriebenem Auf-
wand eine Vielzahl von kommunalen Leistungen in Produkten und Produkt-
bereichen zusammengefasst und Ressourcen zugeordnet. Dabei geriet aus
dem Blick, dass der Einführung des NSM ursprünglich strategische Ziele
zugrunde liegen (vgl. ebd.).
Auch für Budäus ist an der derzeitigen Reformsituation im öffentlichen
Sektor auffällig, dass weitgehend strategische Ansätze fehlen sowie das
notwendige strategische Steuerungsinstrumentarium (vgl. Budäus 2002, S.
324 f.; Stoll 2003, S. 72 f.). Das strategische Orientierungsdefizit schlägt
sich seiner Auffassung nach darin nieder, dass in der öffentlichen Verwal-
tung häufig
·
keine oder wenig konkretisierte Strategien für die Wahrnehmung zu-
künftiger Aufgabenfelder vorhanden sind,
·
Aufgabenstrategien nicht mit entsprechenden Finanzierungs- und Perso-
nalstrategien verknüpft werden und
·
dass Zielgruppen des Verwaltungsumfeldes und deren Bedarfe nicht
oder nur unzulänglich einbezogen werden (vgl. ebd.).
Die Gründe für das strategische Defizit in der bisherigen Reformdiskussi-
on ist nach Budäus unter anderem in der lange vertretenen Auffassung von
der strikten Arbeitsteilung von Politik und Verwaltung zu sehen. Danach

17
sollte die Politik primär für strategische Entscheidungen und das Setzen von
langfristigen Zielen und Rahmendbedingungen zuständig sein, während die
Verwaltung eher für die operative Umsetzung verantwortlich ist. Diese
normativ gesetzte Arbeitsteilung sieht er in der Realität als überholt an (vgl.
ebd.). Die Festlegung der öffentlichen Verwaltung allein auf die operative
Ebene führt danach zu eher relativ kurzfristigen Anpassungen und weniger
zu strategisch längerfristiger Gestaltung des Verwaltungshandelns.
Das Fehlen der strategischen Grundausrichtung und strategischer Planungs-
und Kontrollansätze in den Kommunen hat angesichts der sich dynamisch
verändernden Rahmenbedingungen lediglich einen kurzfristigen und un-
strukturierten Krisenaktionismus zur Folge. Als Beispiel hierfür ist die kurz-
fristige Veräußerung kommunalen Vermögens zur Haushaltsfinanzierung zu
nennen. ,,Die Rückgewinnung öffentlicher Handlungs- und Gestaltungs-
spielräume scheint von daher nur unter Einbeziehung umfassender strategi-
scher Planungsansätze möglich zu sein" (ebd.).
Eine weitere Erklärung dürfte darin liegen, dass man sich in der Reformdis-
kussion der vergangenen Jahre vor allem auf die operative Ebene der Bin-
nenmodernisierung konzentriert hat. So stand die Reform des Haushalts-
und Rechnungswesens im Mittelpunkt in der Erwartung, dass durch globale
Budgetierungskonzepte und mit der Kosten- und Leistungsrechnung Ein-
sparpotenziale erschlossen werden könnten (vgl. ebd.
)
. Die Hoffnung, da-
durch in relativ kurzer Zeit eine deutliche Reformrendite erwirtschaften zu
können, hat sich jedoch kaum erfüllt.
Der Bedarf an strategischer Planung und geeigneten Informations- und
Steuerungssystemen ergibt sich aus dem oben beschriebenen Veränderungs-
druck des Verwaltungsumfeldes und der zunehmenden Dynamik. Zudem
erfordert die Idee von der ,,Kommune als Konzern" eine Gesamtstrategie,
aus der sich die Vorgaben für die dezentralen Planungen der Geschäftsbe-
reiche/Fachbereiche und deren Steuerung ableiten. Daher soll nachfolgend
der KGSt-Ansatz zum Kommunalen Management dargestellt werden.
Daran anschließend wird erläutert, was sich hieraus beispielsweise für den
Fachbereich Jugendhilfe ergibt, wobei die besonderen Rahmenbedingungen
des SGB VIII Berücksichtigung finden.
2.2
Das kommunale Managementkonzept
Ausgehend von der Analyse des bisherigen Reformprozesses in der öffentli-
chen Verwaltung und den dabei festgestellten Defiziten wurde seitens der
KGSt etwa ab dem Jahr 2000 der Versuch unternommen, ein Gesamtkon-
zept zur Integration der einzelnen Instrumente des NSM zu erstellen
3
.
3
vgl. hierzu: R. Heinz 2000 und die KGSt-Berichte: Strategisches Management I-IV (2000)

18
Ausgangspunkt ist die Fragestellung von Politik und Verwaltungsführung,
,,(...) wie man trotz zunehmender Komplexität und Dynamik Chancen und
Risiken rechtzeitig wahrnimmt (...), wie man Handlungsmöglichkeiten effi-
zient entwickelt, bewertet und effektiv in Strategien und Ziele überführt"
(Heinz 2000, S. I) und auf dieser Grundlage Entscheidungen trifft.
Die Erfahrungen selbst bei Kommunen im fortgeschrittenen Veränderungs-
prozess zeigen, dass häufig Probleme auftreten, wenn die in einem Leitbild
formulierten generellen Ziele in operationalisierte Ziele für den produktbe-
zogenen Haushalt oder für Fachbereichskontrakte abgeleitet werden sollen.
Diese Probleme hängen nach Einschätzung von Rainer Heinz in erster Linie
mit fehlenden oder unzureichend entwickelten Verfahren und Instrumenten
des normativen und strategischen Managements zusammen sowie mit deren
mangelnder Integration in ein umfassendes Managementsystem. ,,Dies ist
eine wesentliche Leerstelle in der kommunalen Praxis und im Neuen Steue-
rungsmodell" (Heinz 2000, S. 14).
Es ist daher ein ganzheitliches und integratives Managementkonzept zu
entwickeln, dass sich an den Ansätzen der Allgemeinen Managementlehre
und -praxis orientiert und zugleich den Besonderheiten des kommunalen
Sektors gerecht wird. Insbesondere geht es darum,
·
das Binnen- und Außenverhältnis der Kommunen stärker im Zusam-
menhang zu sehen und zu steuern,
·
bei Entscheidungen über Ressourcen, Produkte, Strukturen und Prozesse
zunächst nach dem Nutzen für die Bürger zu fragen ebenso wie nach
Zielerreichung und Effektivität,
·
die Kernelemente des NSM sinnvoll zu integrieren und nach ihren Wir-
kungen zu hinterfragen,
·
ein strategisches Management zu entwickeln, das mit einem normativen
Leitbild und dem operativen Management (Umsetzung ins Tagesge-
schäft) verknüpft ist,
·
einen Lern- und Entwicklungsprozess in der Kommunalverwaltung in
Gang zu setzen, der die Potenziale der Mitarbeiter einschließt, und
·
das nicht zuletzt spezielle Managementansätze wie das Personalmana-
gement, das Organisations- und Informationsmanagement und das Fi-
nanzmanagement einschließt (vgl. u.a. Heinz 2000, S. 8).
Nachfolgend soll dieses Gesamtkonzept der KGSt mit seinen drei Manage-
mentebenen und seinen Funktionen dargestellt werden (vgl. KGSt-Bericht
11/2000, S. 7):
Normatives Management:
Es begründet kommunales Handeln und definiert die grundlegenden, länger-
fristig gültigen Prinzipien und Spielregeln. Die Richtungsziele sind auf ei-
nen Zeitraum von drei bis zehn Jahre ausgerichtet.

19
Strategisches Management
Es entwickelt richtungsweisende Ziele und schafft die zur Zielerreichung
erforderlichen Grundlagen. Der mittelfristige Zeithorizont umfasst zwischen
einem und drei Jahren.
Operatives Management
Es vollzieht kommunales Handeln zur möglichst effektiven und effizienten
Zielerreichung. Es orientiert sich relativ kurzfristig an jährlichen Zielen mit
monatlicher Ausrichtung von Planung und Controlling.
2.2.1
Normatives Management
Die Funktion des normativen Managements ist die Klärung des Selbstver-
ständnisses einer Organisation. Nach Kurt Bleicher ,,(...) definiert (es) die
zweckorientierten Ziele der Unternehmung im Umfeld der Gesellschaft
und Wirtschaft und vermittelt den Mitgliedern des sozialen Systems Sinn
und Identität im Inneren und Äußeren. Das normative Management wirkt
in seiner konstitutiven Rolle begründend für alle Handlungen der Unter-
nehmung" (Bleicher 1999, S. 75).
Das normative Management beschäftigt sich daher mit den generellen und
längerfristig gültigen Zielen der Kommune, mit ihren Prinzipien, Normen
und Spielregeln, die darauf ausgerichtet sind, die Lebens- und Entwick-
lungsfähigkeit der örtlichen Gemeinschaft und der Kommune sicherzustel-
len (vgl. Heinz 2000, S. 28).
Die Klärung der Identität erfolgt in der Regel über die Entwicklung von
Leitbildern/Visionen, deren Wirkkraft jedoch von der Klärung folgender
Fragen abhängt:
·
Was gehört zur normativen Basis einer Organisation, auf der das strate-
gische und operative Management aufbaut (Elemente, Fragen, Themen)?
·
Wie finden ,,harte" und ,,weiche" Faktoren ihre grundlegende Ausrich-
tung und Bestimmung?
·
Was sind die grundlegenden ,,Werte" und ,,Zwecke" der Organisation?
·
Welche Zusammenhänge sind zu berücksichtigen und wo liegen die
Möglichkeiten und Grenzen der bewussten Beeinflussung?
·
Wie werden das strategische und operative Management schlüssig mit
den normativen Vorgaben verknüpft? (vgl. Heinz 2000, S. 14 f.).
Ferner muss sich das normative Management der Kommunen nach Bleicher
mit folgenden drei Entwicklungsfeldern befassen (St. Gallener Manage-
ment-Ansatz)
4
:
4
Eine detaillierte Darstellung findet sich bei Heinz 2000, S. 26 ff.

20
Programmatischer Entwicklungspfad (inhaltliche Begründung und
Ausrichtung)
·
bezieht sich auf die Positionierung der Kommune in der örtlichen
Gemeinschaft, auf Leistungs-, Handlungs- und Entwicklungsprofile.
Konstitutioneller Entwicklungspfad (strukturelle Begründung und
Ausrichtung)
·
bezieht sich auf die Offenheit der Kommune gegenüber ihrer Um-
welt, auf das strukturelle Verhältnis von Politik und Verwaltung, auf
den Organisationstyp und die Binnendifferenzierung.
Kultureller Entwicklungspfad (verhaltensbezogene Begründung und
Ausrichtung)
·
bezieht sich auf die kulturelle Offenheit (Zukunftsorientierung), auf
die politische Kultur (diskursiv?) und auf die Binnenkultur der Ver-
waltung (Dienstleistungskultur, Verhältnis: Führung - Mitarbeiter).
Diese Entwicklungspfade gilt es in einem diskursiven Verfahren zu konkre-
tisieren und auf ,,Stimmigkeit" hin zu überprüfen. Hieraus ergibt sich die
normative Basis und die Entwicklungsrichtung der Kommune.
Neu ist hier sicherlich die Einführung der Dimension der ,,Verwaltungskul-
tur", die umfassender ist als das Verständnis von Führungsstil und Mitar-
beiterbeteiligung. Allerdings sind im Rahmen des normativen Managements
auch die kommunalrechtlichen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen, die
in den Ausführungen bei R. Heinz zu kurz kommen. Daneben ist zu erwä-
gen, ob der etwas sperrige Begriff des normativen Managements nicht eher
mit der Bezeichnung ,,Selbstverständnis der Kommune" oder mit anderen
bereits eingeführten Begriffen wie ,,Mission", ,,Philosophie", treffender cha-
rakterisiert werden kann.
2.2.2
Strategisches Management
Das NSM hat sich bisher weitgehend auf das operative Management kon-
zentriert. Ansätze der Strategischen Planung und des strategischen Control-
lings (z. B. Zielbildung, Entwicklungsplanung, Programmformulierung,
mittelfristige Fach- und Ressourcenplanung) sind dagegen in der öffentli-
Normatives Management
Leitbild/Vision
Konstitutioneller
Entwicklungspfad
Programmatischer
Entwicklungspfad
Kultureller
Entwicklungspfad
(Grafik modifiziert nach R. Heinz 2000, S. 15)

21
chen Verwaltung eher selten zu finden. Daher muss das Neue Steuerungs-
modell um ein strategisches Management als Teil eines integrierten Mana-
gementkonzepts ergänzt werden (vgl. Heinz 2000, S. 68; Stoll 2003, S. 70
ff.).
Für das strategische Management der Kommunalverwaltung ist vor allem
zu klären, was die wichtigen strategischen Fragen sind und in welchen Ver-
fahren diese Fragen zu klären sind. Die Entwicklung des strategischen
Denkens bestimmt wesentlich den Erfolg der Kommune, und ist für die
Effektivität, die Effizienz und die Legitimation in der Bürgerschaft ent-
scheidend (vgl. Heinz 2000, S. 16 f.).
Für ein erfolgreiches Handeln auf kommunaler Ebene ist es erforderlich,
dass Politik und Verwaltungsführung
·
rechtzeitig wesentliche Ereignisse und Entwicklungen für die örtliche
Gemeinschaft erkennen und bewerten;
·
regelmäßig die Stärken und Schwächen sowie die Chancen und Risiken
der Kommunalverwaltung analysieren;
·
prüfen, welche Maßnahmen und Programme geeignet und notwendig
sind;
·
richtungsweisende Entscheidungen treffen und deren Umsetzung sicher-
stellen;
·
den Bürgern Rechenschaft über die Verwendung von Mitteln und den
damit erzielten Erfolg geben (vgl. KGSt-Bericht 8/2000, S. 7).
Zur Unterstützung der Analyse, Lösungssuche und Entscheidungsfindung
können spezielle und erprobte Instrumente des strategischen Manage-
ments eingesetzt werden.
Für privatwirtschaftliche Organisationen existieren bereits eine Reihe von
etablierten strategischen Analyseinstrumenten, wie die Umfeldanalyse, die
Branchen- und Marktanalyse, sowie Wettbewerbs-, Konkurrenten- und Po-
tentialanalysen. Diese können jedoch nicht ohne weiteres auf die öffentliche
Verwaltung übertragen werden.
So ist etwa für die Kommunen statt der Konkurrentenanalyse eher eine
,,Partneranalyse" durchzuführen (z. B. hinsichtlich des Leistungsangebotes
frei-gemeinnütziger Träger der Wohlfahrtspflege); auch sind die Gewährlei-
stungsverantwortung (z. B. Rechtsansprüche gem. SGB VIII) und Hand-
lungsverpflichtungen (z. B. Sozial- und Jugendhilfeplanung) zu berücksich-
tigen (vgl. Heinz 2000, S. 16).
Als weitere Instrumente, die hier nicht näher ausgeführt werden, stehen zur
Verfügung (vgl. KGSt-Bericht 8/2000, S. 19 ff.; vgl. auch Stoll 2003, S.
73):

22
·
die SWOT-Analyse (Stärken-Schwächen/Chancen-Risiken) sowie die
Gap-Analyse (,,Lücken"- oder Schwachstellen-Analyse) zur Bestim-
mung der wesentlichen Herausforderungen,
·
der interkommunale Vergleich (Benchmarking) zur Einschätzung der
eigenen Potenziale (Bürgerfreundlichkeit, Effektivität und Effizienz),
·
die Szenariotechnik zur Entwicklung von Alternativen,
·
die Portfoliotechnik zur Reduzierung von Entscheidungskomplexität.
Um trotz zunehmender Komplexität und Dynamik des Verwaltungsumfel-
des einen strategische Planungsrahmen realisieren zu können, sollten fol-
gende Grundprinzipien beachtet werden (u.a. nach Heinz 2000, S. 73):
·
Definition der grundlegenden Organisationsziele
·
Umfeldanalyse hinsichtlich der Chancen und Risiken
·
Organisationsanalyse hinsichtlich der Stärken und Schwächen
·
Strategiefindung
·
Operationalisierung und Durchsetzung
Neben diesen Instrumenten und Grundprinzipien ist für das strategische
Management die Unterscheidung von vier Zielfeldern bzw. vier Leitfra-
gen von zentraler Bedeutung (vgl. KGSt-Bericht 8/2000, S. 13 ff.):
Ergebnisse/Wirkungen kommunalen Handelns
Leitfrage: ,,Was wollen wir für die Bürger erreichen?"
Programme/Produkte der Kommune
Leitfrage: ,,Was müssen wir dafür tun?"
Prozesse und Strukturen
Leitfrage: ,,Wie müssen wir es tun?"
Ressourceneinsatz der Kommune
Leitfrage: ,,Welche Ressourcen müssen wir dafür einsetzen?"
Zielfelder des strategischen Managements
Ergebnisse/Wirkungen
Outcome
Programme/Produkte
Output
Ressourcen
Input
Prozesse Strukturen
Throughput
(Grafik nach R. Heinz 2000, S. 70)

23
Durch vertiefende Fragestellungen zu jedem Zielfeld entsteht damit eine
idealtypische Abfolge des strategischen Managements:
1. Zielfeld ,,Ergebnisse/Wirkungen"
Es wird im Rahmen dieses Konzeptes empfohlen, das Zielfeld ,,Ergebnis-
se/Wirkungen kommunalen Handelns" in das Zentrum strategischer Ent-
scheidungen zu rücken. Die folgenden Fragen bzw. Punkte gilt es zu klären
(vgl. Heinze 2000, S. 101 ff.):
1.
Strategische Relevanz eines Handlungsfeldes
Warum engagieren wir uns in diesem Feld?
2.
Entwicklung der Chancen und Risiken
Was kommt auf uns zu?
3.
Handlungsprioritäten
Wie wichtig und dringlich ist es, dass gehandelt wird?
4.
Strategische Ergebnis- und Wirkungsziele
Was soll erreicht werden?
2. Zielfeld ,,Programme/Produkte"
Anders als häufig in der Praxis zu beobachten, sollte der Managementpro-
zess nicht mit einer umfangreichen Bestandsaufnahme von Leistungen und
Produkten beginnen, was zwangsläufig dazu führt, sich ausschließlich auf
die Binnenmodernisierung der Kommune zu konzentrieren. Ohne die sy-
stematische Anbindung des Produktkonzepts an Ergebnis- und Wirkungs-
ziele fehlen die entscheidenden Bewertungskriterien. Dies hat zur Folge,
dass die Produktbeschreibungen nur begrenzt ihr Wirkungspotential entfal-
ten können.
Für dieses Zielfeld sind folgende Punkte bzw. Fragen relevant (vgl. ebd., S.
110 ff.):
1.
Effektivität von Programmen und Produkten
Welche Programme bzw. Produkte versprechen ein effektives Errei-
chen der Ergebnis- und Wirkungsziele?
2.
Optimale Organisationsform
Wer hat die besten Leistungsvoraussetzungen (z. B. eigenverant-
wortliche Fachbereiche, selbständige Eigenbetriebe oder PPP)?
3.
Strategische Programm- bzw. Produktziele
Was soll die Kommunalverwaltung zum Erreichen der Ergebnis- und
Wirkungsziele tun?

24
3. Zielfeld ,,Prozesse und Strukturen"
Im Rahmen dieses Zielfeldes sind die strategische Organisationsentwick-
lung, die strategische Personalplanung und die strategische Informations-
verarbeitung als systematische Bestandteile des Managementkonzeptes zu
integrieren.
Ziel ist ein Entwicklungskonzept für die Gesamtverwaltung, für das die
Verwaltungsführung die Verantwortung trägt, die erforderlichen Maßnah-
men initiiert und steuert. Zum anderen entstehen Entwicklungsvorgaben
für die Fachbereiche, die sie in Eigenverantwortung in einem definierten
Zeitrahmen realisieren.
Die grundlegenden Fragen bzw. Schritte für diese Zielfeld sind (vgl. ebd., S.
132 f.):
1.
Erfolgspotentiale
Was ist besonders wichtig?
2.
Schwachstellenanalyse
Wo sind wir gut? Wo nicht?
3.
Veränderungsprioritäten
Welche Veränderungen sind dringend und wichtig?
4.
Strategische Prozess- und Strukturziele
Bestimmung von Erfolg und Misserfolg.
4. Zielfeld ,,Ressourcen"
Voraussetzung für das sachgerechte Management in diesem Zielfeld (Input-
feld) ist der Übergang von der einfachen Einnahmen- und Ausgabenrech-
nung und ­analyse zu einer vollständigen Erfassung des Ressourcenbestan-
des und des Ressourcenverbrauchs. Das Ressourcenverbrauchskonzept bil-
det im Rahmen des Finanzmanagements die Grundlage für zwei Themen
von besonderem Gewicht (vgl. ebd., S. 134 ff.):
1.
Effizienz
Werden die Mittel zur Zielereichung wirtschaftlich eingesetzt?
Die Voraussetzung für eine Effizienzanalyse ist die flächendeckende
Kostenermittlung auf der Grundlage der Kosten- und Leistungsrechnung
(KLR). Zu Steuerungszwecken ist eine Betrachtung nach Kostenstellen,
Kostenträgern und Kostenarten sowie die Differenzierung nach varia-
blen und fixen Kosten notwendig.
2.
Kosteneffizienz
Werden die Vorgaben zum maximalen Ressourcenverbrauch eingehal-
ten?
Die unterjährige Beobachtung des Ressourcenverbrauchs der Fachberei-
che (monatlicher, produktbezogener Report) ist ein zentrales Instrument
des Finanzmanagements, um bei nicht erwarteten Entwicklungen oder
Liquiditätsproblemen durch geeignete Maßnahmen gegensteuern bzw.
gegenfinanzieren zu können.

25
Zwar sind Effizienz und Kosteneffizienz primär Angelegenheit des operati-
ven Managements, doch sind sie im Rahmen des Controllings und des Be-
richtswesens auch Bestandteile des strategischen Managements. Von größe-
rem Gewicht ist hier jedoch die Entscheidung über die Budgets.
Hierfür ist ein Verfahren notwendig, das die Vorteile der Top-down-
Vorgabe von Globalbudgets mit den Vorteilen der Bottom-up-Kalkulation
verbindet. Am Anfang des Haushaltsplanverfahrens bzw. der Budgetierung
steht als zentrales Element die Vorgabe eines Budget-Eckwertes für die
einzelnen Fachbereiche durch die Verwaltungsführung und den Rat/Kreistag
(Top-down-Ansatz).
Auf dieser Grundlage und unter Berücksichtigung des jeweiligen Fachbe-
reichscontrollings (Jahresberichte) sowie der zu erwartenden Entwicklungen
(über drei Jahre) erarbeiten die Fachbereiche einen Strategievorschlag dar-
über, welche Wirkungs-, Leistungs- und Strukturziele im Rahmen des Bud-
gets verfolgt werden sollen. Nach einem Prozess der Abstimmung und ggf.
Veränderung werden die Fachbereichsbudgets und -strategien zur Verdeut-
lichung der Zusammenhänge in einem mehrjährigen strategischen Plan
zusammengeführt. Die operationalisierten Ziele des strategischen Plans die-
nen als inhaltliches Gerüst für den produktorientierten Haushalt und werden
dem Rat/Kreistag zur Beschlussfassung vorgelegt (Bottom-up-Ansatz)
5
.
Bei der Budgetierung als strategischem Managementprozess wird somit
sichergestellt, dass die Budgeteckwerte nicht auf der Grundlage der bloßen
Fortschreibung des bisherigen Ressourcenverbrauchs kalkuliert werden,
sondern im Sinne der Ressourcenziele folgendermaßen entwickelt werden
(vgl. Heinz 2000. S. 139 ff.):
·
Darstellung wesentlicher Entwicklungen im strategischen Hand-
lungsfeld (Trends und Prioritäten klären)
·
Mittelfristige Finanzplanung (= Budgetentwicklung)
·
Strategiepapier für die Bemessung der Eckwerte (je Fachbereich)
·
Festlegung des Ressourceneinsatzes (Globalbudgets)
·
Weitere strategische Planung und Abstimmung der Fachbereiche
·
Zusammenfassung für die Beschlussfassung zum Haushaltsplan und
zu den Kontrakten mit den Fachbereichen durch den Rat/Kreistag.
Dieser Prozess kann grafisch wie folgt dargestellt werden:
5
siehe hierzu ausführlicher im KGSt-Bericht Nr. 10/2000: Strategisches Management III:
Zielbezogene Budgetierung.

26
Budgetierung als strategisches Management
Budgeteckwerte
Letztendlich ist eine horizontale Abstimmung der wesentlichen Zusam-
menhänge zwischen den Zielfeldern vorzunehmen, sowie eine vertikale
,,Stimmigkeit" zum normativen Management herzustellen. Dabei geht es
weniger darum, bestimmte strategische Fragen und Schritte technokratisch
abzuarbeiten, ,,(...) sondern um eine Kultur bzw. Routine, strategische Fra-
gen zu stellen, im Zusammenhang zu betrachten und mit einer Mischung
aus Intuition und Analyse erfolgreiche Strategien zu entwickeln" (Heinz
2000, S. 143).
Ein Beispiel aus dem Jugendhilfebereich mag das Zusammenspiel der oben
beschriebenen Zielfelder verdeutlichen:
Ganzheitlich-stimmige Ziele
Ergebnis-/Wirkungsziele
Programm-/Produktziele
·
Der Anteil der jungen Menschen, die in Hei-
merziehung ,,leben", an der altersgleichen Be-
völkerung soll von 0,3 auf 0,2 % sinken.
·
...
·
Dafür werden in drei Jahren folgende ,,Pro-
dukte" ausgebaut:
·
Vollzeitpflege (1 Stelle; 10 Plätze)
·
Jugendsozialarbeit (3 Stellen; 4.500 Fachlei-
stungsstunden)
·
Tagespflege als HzE (2 Stellen; 4 Plätze)
·
...
Ressourcenziele
Prozess- Strukturziele
·
Dafür werden eingesetzt:
·
Im ersten Jahr werden zusätzlich 240.000
bereitgestellt.
·
Von jetzt 4,5 Mio. sinkt der Ressourcenver-
brauch im Zusammenhang mit der Heimerzie-
hung auf 4,35 Mio. .
·
Davon entfallen auf die Heimerziehung selbst
nur noch 3,46 Mio. .
Dabei ist erforderlich:
·
Die Abbruchquote bei der Vollzeitpflege bleibt
unter 3 %.
·
Bei mehreren verantwortlichen Stellen und/
oder mehreren Dienstleistern wird immer eine
für das Fallmanagement verantwortliche Stelle
benannt.
Programme/Produkte klären
Fachbereichs-
kontrakte
Produktorientierter
Haushalt
(Grafik nach R. Heinz 2000, S. 140)
(Tabelle nach: KGSt-Bericht 11/2000, S. 58)
Trends und Prioritäten festlegen

27
Wie oben beschrieben, mündet formal die strategische Planung für die
Fachbereiche in den produktorientierten Haushalt, über den die Gesamt-
steuerung der Verwaltung durch Politik und Verwaltungsführung erfolgt.
Gleichzeitig mündet die strategische Planung in die Fachbereichskontrak-
te sowie in analoge Zielvereinbarungen mit anderen Organisationen und in
die strategischen Projektpläne (zur Fortentwicklung der Organisation).
Diese Instrumente bilden im kommunalen Management die Schnittstelle
und den Auftrag für das operative Management.
Die Schnittstelle zwischen strategischem u. operativem Management
2.2.3
Operatives Management
Da das NSM sich bisher insbesondere auf die Entwicklung der Instrumente
für das operative Management konzentriert hat, sind diese weitgehend be-
kannt, so dass hier auf eine detaillierte Darstellung verzichtet werden kann
und eine kurze Skizzierung zur Verdeutlichung des Zusammenhangs aus-
reicht.
Während sich das strategische Management und folglich auch der Haushalt
und die Fachbereichskontrakte auf die sogenannte ,,Programmpolitik" kon-
zentrieren, hat das operative Management die Verantwortung für das Pro-
Strategisches Management
Outcome
Output
Input
Throughput
Zielfeld ,,Ergebnisse/Wirkungen"
,,Was wollen wir erreichen?"
Zielfeld ,,Programme/Produkte"
,,Was müssen wir tun?"
Zielfeld ,,Ressourcen"
,,Was müssen wir einsetzen?"
Zielfeld ,,Prozesse Strukturen"
,,Wie müssen wir etwas tun?"
(Grafik modifiziert nach: R. Heinz 2000, S. 20)
Fachbereichskontrakte
Strategische Ziele
und Strategien
der Fachbereiche
Produktorientierter
Haushalt
Zusammenfassung
der strategischen Ziele
Strategische
Projekte
Entwicklungsstrategie
Operatives Management

28
duktmanagement zur Erreichung der strategischen Ziele sowie für das
Funktionale Management (vgl. Heinz 2000, S. 21 f.).
Das Produktmanagement umfasst die vier Dimensionen:
·
Produkte/Leistungen
·
Preise - Kosten
·
Distribution
·
Kommunikation und Vertrieb.
Im Zuge dieser Verantwortung ist es die Aufgabe jeder Fachbereichsfüh-
rung, die Binnenverhältnisse des Fachbereichs, bezogen auf die geplanten
und vereinbarten Produktstrategien, zu optimieren. So muss der Fachbereich
ggf. sein Personalmanagement, seine horizontale und vertikale Arbeitstei-
lung, sein Qualitätsmanagement, sein internes Controlling/Berichtswesen
etc. verändern und weiterentwickeln.
Damit ist der zweite Schwerpunkt des operativen Managements umrissen,
dass in den KGSt-Berichten zum NSM als Funktionales Management be-
zeichnet wird. Dieses wird als ein Kernstück der dezentralen Ressourcen-
verantwortung von den Fachbereichen weitgehend eigenverantwortlich ge-s-
taltet (vgl. ebd.).
Schwerpunkte des operativen Managements
Hierbei wird deutlich, dass die spezielleren funktionalen Managementansät-
ze, wie das Personalmanagement, das Organisations- und Informationsma-
nagement und das Finanzmanagement wichtige Bestandteile eines inte-
grierten kommunalen Managementkonzeptes sind. In strategischer Hinsicht
tragen sie zum Aufbau und zur Verbesserung und Pflege der Erfolgspoten-
tiale bei, in operativer Hinsicht zur Optimierung der Produktstrategie.
Zusammenfassend ergibt sich folgendes Grundmodell für einen kommuna-
len Managementansatz:
Operatives Management
Produktmanagement
·
Sortiment
·
Kosten, Preis
·
Distribution
·
Kommunikation
Funktionales Management
·
Personal
·
Organisation und Information
·
Finanzen
(Grafik nach: R. Heinz 2000, S. 22)

29
Das Managementmodell im Überblick
Die obige Grafik verdeutlicht noch einmal den Zusammenhang zwischen
dem strategischen und operativen Management. Neben der Schnittstelle -
Haushalt, Kontrakte, Projektpläne - werden die für den Erfolg wichtigen
Controlling- und Planungsfunktionen als ,,Rückkopplungsschleifen" für
die Entscheidungsprozesse abgebildet. Dies unterstreicht, dass das strategi-
Normatives Management
Leitbild/Vision
Konstitutioneller
Entwicklungspfad
Programmatischer
Entwicklungspfad
Kultureller
Entwicklungspfad
Strategisches Management
Outcome
Output
Input
Throughput
Zielfeld ,,Ergebnisse/Wirkungen"
,,Was wollen wir erreichen?"
Zielfeld ,,Programme/Produkte"
,,Was müssen wir tun?"
Zielfeld ,,Ressourcen"
,,Was müssen wir einsetzen?"
Zielfeld ,,Prozesse Strukturen"
,,Wie müssen wir etwas tun?"
Fachbereichskontrakte
Strategische Ziele
und Strategien
der Fachbereiche
Produktorientierter
Haushalt
Zusammenfassung
der strategischen Ziele
Strategische
Projekte
Entwicklungsstrategie
Operatives Management
Produktmanagement
·
Sortiment
·
Kosten, Preis
·
Distribution
·
Kommunikation
Funktionales Management
·
Personal
·
Organisation und Information
·
Finanzen
Operativ
es
Control
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g P
lanu
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(Grafik modifiziert nach: R. Heinz 2000, S. 23; KGSt 11/2000, S. 65)
Strate
gis
ches
Control
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lanu
ng

30
sche Management kein einfacher Top-down-Akt ist, sondern lediglich zu-
sammen mit den Rückkopplungen aus dem operativen Management und nur
als permanenter Kreislauf erfolgreich ist, mit vielfältigen Verknüpfungen
von Managementprozessen und -ebenen (vgl. KGSt-Bericht 11/2000, S. 65).
Dabei geht es nicht um Abgrenzungen bzw. gar Ausgrenzungen von Akteu-
ren, sondern um klare Verantwortlichkeiten im Miteinander. Vereinfacht
gesagt, ist die Verantwortung der Politik im normativen und strategischen
Management am größten, im operativen Management dagegen eher gering.
Für die Fachbereiche gilt dies umgekehrt, während das Schwergewicht der
Verwaltungsführung im strategischen Management liegt (vgl. Heinz 2000,
S. 25).
Kommunales Management ist jedoch kein abgeschlossener Prozess. Viel-
mehr wirken die Bürger, aber auch Fachkräfte anderer Organisationen in
vielfältiger Weise und in unterschiedlichen Rollen mit (z. B. frei-gemein-
nützige Träger der Jugendhilfe im Hilfeplanverfahren oder bei der Jugend-
hilfeplanung). Damit ist ein Managementkonzept mit ganzheitlichem Ansatz
gegeben, das je nach den örtlichen Gegebenheiten und Rahmenbedingungen
angepasst werden kann.
Nachfolgend sollen auf der Fachbereichsebene die besonderen Rahmenbe-
dingungen für die Planung und Steuerung der Jugendhilfe und die zum Teil
gesetzlich vorgegebenen Instrumente des Managements betrachtet werden,
um zu überprüfen, ob ggf. eine Modifizierung des Managementkonzeptes
notwendig ist.
2.3
Fachbereichssteuerung im Rahmen des SGB VIII
Auch im Jugendhilfebereich sind zielorientierte Steuerungsverfahren not-
wendig und anzuwenden. Diese müssen von Zieldefinitionen ausgehen und
die Zielerreichung angemessen überprüfbar machen.
Dies ergibt sich zum einen aus den Anforderungen des SGB VIII (syn. Kin-
der- und Jugendhilfegesetz) an den öffentlichen Träger der Jugendhilfe, in
der Regel die Jugendämter der Kreise und kreisfreien Städte. Er wird in § 79
SGB VIII verpflichtet, die rechtzeitige und ausreichende Erbringung der
gesetzlich vorgegebenen Jugendhilfeleistungen zu gewährleisten.
Danach müssen im Rahmen der Jugendhilfeplanung Art und Umfang der
benötigten Jugendhilfeleistungen für den Zuständigkeitsbereich des öffentli-
chen Trägers unter Bezug auf die spezifischen Bedarfslagen und Rahmen-
bedingungen festgelegt werden. Des weiteren muss Jugendhilfe dann durch
geeignete Verfahren die Erreichung der gesetzten Ziele sicherstellen. Für
den Bereich der einzelfallbezogenen Hilfen zur Erziehung hat die Ju-

31
gendhilfeplanung eine Entsprechung im Hilfeplanverfahren nach § 36
SGB VIII.
Besondere Aufmerksamkeit erhält die angestrebte Steuerung der Jugendhil-
feleistungen wegen der angespannten Situation kommunaler Haushalte, die
verstärkt zu einer Prioritätensetzung nicht zuletzt auch unter ökonomischen
Gesichtspunkten führt. Angesichts steigender finanzieller Lasten wird in
vielen Kommunen eine stärkere Evaluation der Jugendhilfe und eine umset-
zungsbezogene Planung gefordert, um einen effizienteren Einsatz der vor-
handenen Mittel zu erreichen. Außerdem ist für die Jugendhilfe ebenso wie
für den Gesamtbereich sozialer Dienstleistungen ein erhöhter Legitimati-
onsdruck festzustellen (vgl. Deutscher Städtetag 1999, S. 7). Jugendhilfe
muss ihre Leistungen transparent und öffentlich darstellen, und auch hierfür
braucht sie Instrumente und Verfahren.
An der bisherigen Praxis der Jugendhilfe wird häufig beanstandet, dass die
Steuerungsanstrengungen mehr auf die Erstellung allgemeiner Konzeptio-
nen gerichtet sind und daher eine umsetzungsbezogene Steuerung nach
Zielen nicht ausreichend stattfindet. Für eine offensive und lebensweltori-
entierte Jugendhilfe ist die umsetzungsorientierte Planung ein unverzichtba-
res Instrument. Die Jugendhilfe muss deutlicher als bisher in der Lage sein,
die folgenden zwei Fragen zu beantworten: ,,Machen wir die richtigen Din-
ge?" (strategisches Controlling) und: ,,Machen wir die Dinge richtig?" (ope-
ratives Controlling). Die Vorgaben des SGB VIII allein bieten noch keine
ausreichenden Instrumente und Verfahrensweisen, um diese Fragen zu be-
antworten (vgl. Deutscher Städtetag 1999, S. 8).
Die KGSt bietet der Jugendhilfe das Instrumentarium des outputorientierten
Neuen Steuerungsmodells und das Kommunale Managementkonzept zur
Unterstützung fachlicher Zielvorgaben an. Andererseits muss dieses Instru-
mentarium daraufhin hinterfragt werden, inwiefern es der besonderen
Struktur der Jugendhilfe gerecht wird und wie die schwierige Frage nach
einer Bewertung sozialer Dienstleistungen beantwortet werden kann. Wie
kann eine überwiegend quantitative (betriebswirtschaftliche) Steuerungslo-
gik ergänzt werden, wenn die Steuerungsbemühungen der Jugendhilfe auch
und besonders auf qualitative Aspekte abzielen? Außerdem kann die Neue
Steuerung nicht den jugendpolitischen Aushandlungsprozess ersetzen, der
zur Zielfindung und Festlegung von Standards unerlässlich ist.
Als Prozess der Zielbestimmung ist u.a. die gesetzlich vorgegebene Jugend-
hilfeplanung eine wesentliche Bedingung dafür, dass mittels der ,,Produkte"
nicht nur ökonomische Rationalität praktiziert wird (vgl. Deutscher Städte-
tag 1999, S. 8). Vielmehr muss die Jugendhilfeplanung die Inhalte vermit-
teln, die dann ggf. mit den Instrumentarien der Neuen Steuerung bzw. des
Kommunalen Managementkonzepts umgesetzt werden sollen
6
.
6
Die hier nur kurz aufgezeigte Diskussion um die Vereinbarkeit von Jugendhilfe und Neuer Steue-
rung wurde in den 1990-iger Jahren sehr kontrovers diskutiert, kann hier jedoch nicht näher ausge-
führt werden; vgl. hierzu Jenner 2004, S. 94 ff.

32
Unter Berücksichtigung der spezifischen Rahmenbedingungen des Jugend-
hilfebereichs ist folglich zu prüfen, mit welchem Instrumentarium dieser
Bereich der öffentlichen Verwaltung gesteuert werden kann.
2.3.1
Planung und Steuerung der Jugendhilfe
Die Jugendhilfe wird im Wesentlichen politisch gesteuert. Die Mandatsträ-
ger der Gebietskörperschaften entscheiden unter Berücksichtigung von
Rechtsansprüchen der Bürger darüber, in welchem Umfang, für welche
Zielgruppen und zu welchem Preis Jugendhilfeangebote zur Verfügung ge-
stellt werden.
Daneben bietet das SGB VIII selbst qualifizierte Instrumente zur Jugendhil-
festeuerung an. Es sind dies insbesondere
das Hilfeplanverfahren (§ 36),
die Jugendhilfeplanung (§ 80).
der Jugendhilfeausschuss (§ 71), und
die Arbeitsgemeinschaften gem. § 78 SGB VIII.
Auch wenn die Anwendung dieser Instrumente des SGB VIII, hier vor al-
lem die Jugendhilfeplanung und das Hilfeplanverfahren, in der Praxis noch
viel zu wünschen übrig lassen, sollten diese doch in Verbindung mit den
betriebswirtschaftlich orientierten Steuerungsinstrumenten weiterentwickelt
werden zu einem Gesamtsystem der Steuerung im Jugendhilfebereich.
Mit dieser Perspektive sollen im folgenden die wesentlichen Steuerungs-
elemente des SGB VIII erläutert werden.
Das Hilfeplanverfahren
Als erstes Steuerungsinstrument des Kinder- und Jugendhilfegesetzes ist das
Hilfeplanverfahren gem. § 36 SGB VIII zu nennen. Es dient dem Zweck,
durch Aushandlungs- und Verständigungsprozesse zwischen Fachkräften
und Beteiligten die für die Betroffenen notwendigen und geeigneten Lei-
stungen zu ermitteln und diesen Prozess transparent und überprüfbar zu ma-
chen.
In diesem Verfahren wird die direkte Partizipation der Betroffenen (,,Kun-
denorientierung") ermöglicht. Neben Problemanalysen und der Bedarfsfest-
stellung erfolgt auch eine Festlegung der wünschenswerten Entwicklungs-
richtung der Betroffenen und damit der Ziele der Leistungen. Zugleich soll
die Hilfeplanung im Wege des Einzelfallmanagements über die erforderli-
chen Verfahrensschritte sicherstellen, dass die tatsächliche Hilfeleistung
auch bedarfsgerecht und zielgenau erbracht werden kann.

33
Mit der regelmäßigen Fortschreibung und Überprüfung der Leistung ent-
spricht dieses Verfahren den Anforderungen an ein fachliches Controlling,
sowohl für die Steuerung des Einzelfalles als auch im Hinblick auf die
Gesamtsteuerungsprozesse (Jordan/Reismann 1998, S. 100 f.).
So werden durch den Hilfeplan, neben der Betroffenenbeteiligung, auch die
fachlichen und finanziellen Entscheidungen zusammengeführt und der Rea-
lisierungsprozess der Hilfe dokumentiert (Berichtswesen). Dadurch wird die
Voraussetzung für die Bewertung der Leistung geschaffen. Durch systema-
tisches Auswerten der Hilfeplandaten wird Hilfeplanung zugleich zum
Kernstück der Jugendhilfeplanung in diesem Leistungsspektrum des SGB
VIII. Daraus können Bedarfe und Anforderungsprofile für die Angebote von
Hilfen zur Erziehung konzeptionell und infrastrukturell entwickelt werden.
Mit der Fortschreibung und Überprüfung der Hilfepläne (Auswertung in
Bezug auf Zielsetzung und Erfolg) liegt ein qualifiziertes Controlling-
Instrument vor, das es gezielt zu nutzen gilt (vgl. Deutscher Städtetag 1999,
S. 26 f.).
Die Jugendhilfeplanung
Das Selbstverständnis von Jugendhilfeplanung als dem zentralen Steue-
rungsinstrument der Jugendhilfe hat sich in den letzten Jahren stark gewan-
delt. So ergeben sich über das traditionelle Verständnis hinaus zunehmend
Verbindungslinien zwischen kommunaler Jugendhilfeplanung und Orga-
nisationsentwicklung, zu Fragen der Verwaltungsmodernisierung und
Qualitätsentwicklung.
Die Jugendhilfeplanung hat die zentrale Aufgabe, längerfristige, zukunfts-
bezogene Strategien zur Lösung komplexer Aufgaben der Jugendhilfe zu
entwickeln.
Das SGB VIII verpflichtet den öffentlichen Träger der Jugendhilfe im Rah-
men der Planungsverantwortung,
·
den Bestand an Einrichtungen und Diensten zu erheben,
·
den Bedarf zu ermitteln und
·
die zur Befriedigung des Bedarfs notwendigen Vorhaben rechtzeitig und
ausreichend zu planen.
Dabei sind die Adressaten der Jugendhilfe und die freien Träger angemes-
sen zu beteiligen (siehe § 80 SGB VIII). Zu diesem Zweck initiiert die Ju-
gendhilfeplanung Willensbildungsprozesse, um eine Verständigung über
fachliche, strukturelle und finanzielle Bedingungen für die Qualität und
Quantität örtlicher Jugendhilfeangebote zu erreichen
7
.
7
vgl. im Anhang: A 6. ,,Grundelemente der Jugendhilfeplanung", S. 145

34
In dem Bericht ,,Integrierte Fach- und Ressourcenplanung in der Jugendhil-
fe" (3/1996) beschreibt die KGSt ihre Vorstellungen einer zukünftigen Ju-
gendhilfeplanung, die nicht mehr ausschließlich Fachplanung betreiben soll,
sondern zu einer integrierten Fach- und Ressourcenplanungsinstitution auf
der Grundlage von Produkten weiterentwickelt werden soll. Danach sind als
Kernelemente der Jugendhilfeplanung zu nennen:
Zielentwicklung und Bedarfsfeststellung,
Angebots- bzw. Produktplanung,
Ressourcenplanung sowie
Zielerreichungs- und Wirkungskontrolle.
Als zentrale Planungs- und Fachbereichscontrollinginstanz soll die Ju-
gendhilfeplanung einen Stellenwert erhalten, der über die Bestimmungen
des SGB VIII hinausgeht (KGSt 3/1996, S. 17). Die Finanzverantwortung
der Jugendhilfeplanung umfasst nach dem KGSt-Modell
die Beteiligung an der Haushaltsaufstellung,
die Kostenanalyse von Maßnahmen und
die Betreuung des Finanzcontrollings.
So ist im Rahmen der Haushaltsaufstellung die Vorabdotierung vorzuneh-
men, also die Ermittlung der Produktkosten, die vom Fachbereich, zumin-
dest was die Hilfen zur Erziehung nach § 27 ff. anbelangt (Rechtsan-
spruch!), weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beeinflussen sind.
Ferner sind die Eckwerte für das Fachbereichsbudget auf der Grundlage
eines Strategiepapiers des Jugendhilfeausschusses festzulegen, gefolgt
von der Aufstellung des Fachbereichshaushaltes. Das Strategiepapier für die
Eckwertebildung skizziert die für den Planungszeitraum wesentlichen Ent-
wicklungen und die Vereinbarungen zu den Zielen, den Aktivitäten und zum
Ressourcenverbrauch.
Schließlich hat die Jugendhilfeplanung die Messung der Zielerreichung und
die Wirkung der Leistung (Outcome) vorzunehmen, wobei die Zielerrei-
chung und die Wirkungen nur gemessen werden können, soweit die Ziele
klar operationalisiert sind.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783956360886
ISBN (Paperback)
9783836600149
Dateigröße
1.3 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Leuphana Universität Lüneburg – Fakultät für Bildungs-, Kultur- und Sozialwissenschaften, Studiengang Sozialmanagement
Erscheinungsdatum
2006 (Dezember)
Note
1,7
Schlagworte
public management jugendhilfe kommunalverwaltung balanced scorecard neues steuerungsmodell
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Titel: Strategische und operative Steuerung in der Kommunalverwaltung
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