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Das neue Pfandbriefrecht in Deutschland

©2006 Diplomarbeit 65 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
„Seit Friedrich dem Großen ist noch kein Pfandbrief ausgefallen.“ Die Sicherheit der Anlage ist weltweit das Argument für den Pfandbrief „made in Germany“. Er genießt bei Investoren ein hohes Ansehen und hat sich innerhalb seiner 236-jährigen Geschichte zu einem Exportschlager des deutschen Finanzmarktes entwickelt. Dieser Erfolg ist das Ergebnis seiner klaren gesetzlichen Grundlage.
Der Wegfall von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung für öffentlich-rechtliche Kreditinstitute veranlasste den Gesetzgeber, die bisherigen Rechtsgrundlagen für die Emission von Pfandbriefen, Hypothekenbankgesetz (HBG), Gesetz über die Pfandbriefe und verwandten Schuldverschreibungen öffentlich-rechtlicher Kreditanstalten (ÖPG) und Schiffsbankgesetz (SchBG), abzuschaffen und durch das neue Pfandbriefgesetz (PfandBG), das am 19.07.2005 in Kraft trat, zu ersetzen. Endet jetzt die erfolgreiche Ära des Pfandbriefs? Welche Änderungen bringt das neue Gesetz? Wie wirken sich diese auf die Marktteilnehmer aus?
Der Pfandbrief musste sich in seiner Entwicklung immer neuen Herausforderungen stellen. Die fortschreitende Europäisierung des Pfandbriefgedankens steigert den Wettbewerbsdruck für das deutsche Vorzeigeprodukt. Viele europäische Nachbarstaaten haben in den letzten Jahren Rechtsrahmen für pfandbriefähnliche Produkte geschaffen. Emittenten aus neuen Ländern drängen auf den Markt. Wird der Pfandbrief zukünftig seine Spitzenstellung im europäischen Wettbewerb behaupten können?
Der Krisenfall um die Allgemeine Hypothekenbank Rheinboden (AHBR) im Oktober 2005 hat das makellose Image des Pfandbriefs angekratzt. Keine Bank war mehr bereit, AHBR-Pfandbriefe von Anlegern anzukaufen. Anlass genug für viele Marktteilnehmer, kritisch zu hinterfragen: Ist der Pfandbrief wirklich so sicher, wie immer behauptet wird?
Eine Reihe offener Fragen, die mit der folgenden Arbeit aus aktueller Sicht beantwortet werden sollen.

Zusammenfassung:
Am 19.07.2005 ist in Deutschland das Pfandbriefgesetz in Kraft getreten. Mit der Neuordnung des Pfandbriefrechts hat der Gesetzgeber auf den Wegfall von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung für die öffentlich-rechtlichen Institute und den verstärkten Wettbewerb für den deutschen Pfandbrief am europäischen Covered-Bond-Markt reagiert.
Das neue Gesetz fasst die bisher gültigen Rechtsgrundlagen, Hypothekenbankgesetz, Gesetz über die Pfandbriefe und verwandten Schuldverschreibungen öffentlich-rechtlicher Kreditanstalten und […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


1 Ist der „German Pfandbrief“ in Gefahr?

„Seit Friedrich dem Großen ist noch kein Pfandbrief ausgefallen.“[1] Die Sicherheit der Anlage ist weltweit das Argument für den Pfandbrief „made in Germany“. Er genießt bei Investoren ein hohes Ansehen und hat sich innerhalb seiner 236-jährigen Geschichte zu einem Exportschlager des deutschen Finanzmarktes entwickelt. Dieser Erfolg ist das Ergebnis seiner klaren gesetzlichen Grundlage.

Der Wegfall von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung für öffentlich-rechtliche Kreditinstitute veranlasste den Gesetzgeber, die bisherigen Rechtsgrundlagen für die Emission von Pfandbriefen, Hypothekenbankgesetz (HBG), Gesetz über die Pfandbriefe und verwandten Schuldverschreibungen öffentlich-rechtlicher Kreditanstalten (ÖPG) und Schiffsbankgesetz (SchBG), abzuschaffen und durch das neue Pfandbriefgesetz (PfandBG)[2], das am 19.07.2005 in Kraft trat, zu ersetzen.[3] Endet jetzt die erfolgreiche Ära des Pfandbriefs? Welche Änderungen bringt das neue Gesetz? Wie wirken sich diese auf die Marktteilnehmer aus?

Der Pfandbrief musste sich in seiner Entwicklung immer neuen Herausforderungen stellen. Die fortschreitende Europäisierung des Pfandbriefgedankens steigert den Wettbewerbsdruck für das deutsche Vorzeigeprodukt. Viele europäische Nachbarstaaten haben in den letzten Jahren Rechtsrahmen für pfandbriefähnliche Produkte geschaffen. Emittenten aus neuen Ländern drängen auf den Markt. Wird der Pfandbrief zukünftig seine Spitzenstellung im europäischen Wettbewerb behaupten können?

Der Krisenfall um die Allgemeine Hypothekenbank Rheinboden (AHBR) im Oktober 2005 hat das makellose Image des Pfandbriefs angekratzt. Keine Bank war mehr bereit, AHBR-Pfandbriefe von Anlegern anzukaufen.[4] Anlass genug für viele Marktteilnehmer, kritisch zu hinterfragen: Ist der Pfandbrief wirklich so sicher, wie immer behauptet wird?[5]

Eine Reihe offener Fragen, die mit der folgenden Arbeit aus aktueller Sicht beantwortet werden sollen.

2 Das Pfandbriefgeschäft – Kredit und Refinanzierung im Zusammenspiel

2.1 Pfandbrief

2.1.1 Begriffsdefinition

Pfandbriefe werden als festverzinsliche Schuldverschreibungen, die durch erworbene Hypotheken, erworbene Grundschulden oder erworbene Forderungen gegen staatliche Stellen gedeckt sind, in Form von Inhaber- oder Namenspapieren durch Kreditinstitute emittiert.[6] Die Emission erfolgt in Deutschland auf Grundlage des PfandBG, das besondere Anlegerschutzvorschriften beinhaltet. Es gibt drei Arten der traditionellen Pfandbriefe: Hypothekenpfandbriefe, Öffentliche Pfandbriefe und Schiffspfandbriefe. Die Unterscheidung beruht auf den zugrunde liegenden Sicherheiten. Zur Deckung von Hypothekenpfandbriefen werden Darlehen verwendet, die durch Hypotheken oder Grundschulden gesichert sind. Bei Öffentlichen Pfandbriefen liegen als Sicherheit Kredite an die öffentliche Hand - Bund, Länder und Kommunen - zugrunde. Schiffshypotheken bilden die Deckungsmasse bei Schiffspfandbriefen.[7] Pfandbriefe zeichnen sich durch Laufzeiten von meist vier bis zehn Jahren, Börsenhandel sowie eine Rückzahlung zu pari aus.[8] Jumbo-Pfandbriefe haben ein Emissionsvolumen von mindestens 1 Mrd. Euro und die Verpflichtung zum Market-Making, d.h. dass durch mindestens drei Konsortialbanken handelbare An- und Verkaufskurse gestellt werden.[9] Emittenten von Pfandbriefen bezeichnet man als Pfandbriefbanken.

2.1.2 Refinanzierungsinstrument für das Kreditgeschäft

Langfristige Investitionen erfordern sowohl im Wohn- und Gewerbebau als auch bei Bauprojekten der öffentlichen Hand eine langfristige Finanzierung. Daher müssen sich die finanzierenden Banken ihrerseits langfristig bei verschiedenen Anlegergruppen refinanzieren.[10] Die Emission von Pfandbriefen dient dem Kreditinstitut auf der Passivseite der Bilanz zur Beschaffung langfristiger Mittel, um Forderungen an staatliche Stellen oder durch Hypotheken oder Grundschulden abgesicherte Kredite auf der Aktivseite der Bilanz günstig zu refinanzieren.[11] Damit wird im Unterschied zur Refinanzierung über Bankeinlagen oder den Geldmarkt eine bessere Fristenkongruenz erreicht.[12] Man bezeichnet Pfandbriefbanken daher als Transformatoren langfristigen Kapitals vom Anleger (Pfandbriefgläubiger) zum Investor (Kreditnehmer).[13] Das Grundprinzip des Pfandbriefs als Refinanzierungsinstrument wird in Abb. 1 veranschaulicht.

2.2 Entwicklungsgeschichte des Pfandbriefs in Deutschland

Der Pfandbrief war eine Innovation im Finanzbereich, die im 18. Jahrhundert in Preußen entstand[14] und dem Wiederaufbau der Landwirtschaft nach dem Siebenjährigen Krieg diente.[15] Durch eine Kabinettsorder Friedrich des Großen vom 29. August 1769 kam es zur Gründung sogenannter „Landschaften“[16], der Vorläufer der Hypothekenbanken.[17] Die Landschaften gaben sogenannte Güterpfandbriefe heraus, wobei den Pfandbriefgläubigern als Sicherheit das in dem Pfandbrief namentlich beschriebene Gut, die Landschaft als Emittent und alle in der Landschaft zusammengeschlossenen Grundbesitzer hafteten.[18] Damit sorgten die Pfandbriefe für die Vermittlung von Kapital zwischen den meist in den Städten angesiedelten Kapitaleigentümern und den kreditsuchenden ländlichen Grundbesitzern.[19] Im Jahre 1860 gründeten sich die ersten Hypothekenbanken, z.B. die Frankfurter Hypothekenbank, die sich die ausgereichten Darlehen hypothekarisch absichern ließen, um sich durch die Ausgabe von dinglich nicht gesicherten Pfandbriefen zu refinanzieren. So wurde der Pfandbrief zu einer Schuldverschreibung.[20] Seit 1900 beruht das Pfandbriefsystem auf dem Hypothekenbankgesetz[21]. Im Jahr 1927 wurde für die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute die Rechtsgrundlage für die Emission von Pfandbriefen erlassen: das Gesetz über die Pfandbriefe und verwandten Schuldverschreibungen öffentlich-rechtlicher Kreditanstalten (ÖPG).[22] /[23] Das Schiffsbankgesetz (SchBG)[24] regelt seit 1933 die Emission von Schiffspfandbriefen.

Vor allem Besitzer von Kapitaleinkommen vertrauten auf die Wertstabilität der Pfandbriefe, die sich besonders in der Weltwirtschaftskrise zeigte. In den 1950er und 1960er Jahren führte der Wiederaufbau der Städte zu einer steigenden Emission von Pfandbriefen.[25] Bis Ende der 80er-Jahre führte der Pfandbrief die Emissions- und Umlaufstatistiken der inländischen Rentenwerte an.[26] Durch die Ausbreitung von Zinsswaps, die jedem Kreditinstitut ermöglichen, seinen Kunden Darlehen mit langfristiger Zinsbindung - zuvor die Domäne der Pfandbriefbanken - anzubieten, geriet die unangefochtene Stellung des Pfandbriefs zu Beginn der 90er-Jahre in Gefahr. Die geringe Liquidität im Pfandbriefmarkt im Vergleich mit dem Markt für Bundesschuldverschreibungen war nicht attraktiv für aktiv handelnde, internationale Investoren und wirkte sich negativ auf die Pfandbriefrenditen aus. Mit der Einführung des Jumbo-Pfandbriefes und der Verpflichtung zum Market-Making im Jahre 1995 gelang jedoch der Sprung auf den internationalen Kapitalmarkt.[27]

Ende 2005 nahm der Pfandbrief mit einem Umlaufvolumen von knapp 1.000 Mrd. € einen Spitzenplatz am deutschen Anleihemarkt ein (s. Abb. 2). Damit ist der Pfandbrief außerhalb der Anleihen der öffentlichen Hand mit Abstand das größte Segment und trägt maßgeblich zur Deckung des langfristigen Finanzierungsbedarfs der öffentlichen Haushalte und der Immobilienwirtschaft bei. Den größten Anteil daran hat der Öffentliche Pfandbrief, auf den per 31.12.2005 735 Mrd. € oder 75 % des Pfandbriefumlaufs entfallen. Hypothekenpfandbriefe stellen mit 241 Mrd. € ein Viertel des Pfandbriefmarktes dar. Hierbei notieren Hypothekenpfandbriefe je nach Laufzeit zwei bis drei Basispunkte höher als Öffentliche Pfandbriefe.[28] Mit dem Gesetz zur Neuordnung des Pfandbriefrechts wurde eine einheitliche Rechtsgrundlage für das Pfandbriefgeschäft in Deutschland geschaffen (s. Abb. 3).

2.3 Regulationsgeschichte bis zum neuen Pfandbriefgesetz

2.3.1 Hypothekenbankgesetz (HBG)

Primäres Ziel des Hypothekenbankgesetzes (HBG) war ein hoher Sicherheitsstandard der zur Refinanzierung emittierten Pfandbriefe.[29] Hierfür enthielt das HBG ein dichtes Sicherheitsnetz zugunsten der Pfandbriefgläubiger.[30] Ein Eckstein war das Spezialbankprinzip. Durch § 1 HBG wurde die Geschäftstätigkeit der Hypothekenbanken auf die risikoarmen Geschäftsfelder Staatskredite und Immobilienfinanzierungen beschränkt. Durch das Spezialbankprinzip hatten Hypothekenbanken im Vergleich zu universell tätigen Kreditinstituten ein niedriges Risikoprofil.[31] Zudem schaffte es für den Pfandbriefanleger, den Darlehensnehmer und die Bankenaufsicht ein hohes Maß an Transparenz.[32] Neben den in § 1 HBG genannten Geschäften durften Hypothekenbanken gemäß § 5 HBG nur bestimmte, wenig risikobehaftete Geschäfte betreiben.[33] Neben den „reinen“ Hypothekenbanken, die dem Spezialbankprinzip unterlagen, existierten noch „gemischte“ Hypothekenbanken, die bereits vor dem Erlass des HBG Bankgeschäfte verschiedener Art betrieben hatten und nicht an das Spezialbankprinzip gebunden waren.

Das Deckungs- oder Kongruenzprinzip der § 6 Abs. 1 S. 2 und § 41 S.1 HBG sah vor, dass die im Umlauf befindlichen Pfandbriefe jederzeit mindestens in der Höhe des Nennwertes durch erstrangige Hypothekendarlehen, die Öffentlichen Pfandbriefe durch Staatskredite gedeckt sein müssen (ordentliche Deckung). Hierbei steht nicht jede einzelne Hypothekenforderung mit dem ausgegebenen Pfandbrief, sondern der Gesamtbetrag der Hypothekenkredite dem Gesamtbetrag der Hypothekenpfandbriefe gegenüber. Die Deckungsmasse ist ein dynamisches Gebilde mit unbegrenzter Lebensdauer, in die immer wieder neue, zugelassene Darlehen aufgenommen und aus der getilgte Darlehen entnommen werden. Durch die verschiedenen Darlehen in der Deckungsmasse findet ein Risikoausgleich statt.[34] Das Vorhandensein eines ausreichend hohen Überschusses der Zinserträge des Deckungsbestandes über die Zinsaufwendungen für den Pfandbriefumlauf wurde durch eine nominelle Zinsdeckungsrechnung überwacht.[35]

Die zur Besicherung dienenden Aktiva für beide Pfandbriefarten, Hypothekenpfandbriefe und Öffentliche Pfandbriefe, müssen in getrennten Deckungsmassen zusammengefasst werden. Reichen die vorgesehenen Aktiva nicht aus, so kann bis zur Höhe von zehn Prozent des gesamten Pfandbriefumlaufs eine Ersatzdeckung vorgenommen werden (§ 6 Abs. 4; § 41 S.2 HBG). Als Ersatzdeckungswerte erkannte das HBG nach § 6 Abs. 4 S. 1 und 2 in Verbindung mit § 5 Abs. 3 Nr. 3 b und c nur Schuldverschreibungen erstklassiger Bonität an. In das Deckungsregister werden die zu Deckung verwendeten Vermögenswerte einzeln eingetragen, um eine eindeutige Identifikation zu ermöglichen (§ 22 Abs. 1 S.1 HBG). Als zusätzliche Sicherungsinstrumente waren die Hypothekenbanken verpflichtet, der zuständigen Aufsichtsbehörde (BaFin), deren besonderen Aufsicht sie unterliegen (§ 3 HBG), regelmäßig den aktuellen Stand der Deckungsregister mitzuteilen. Sie mussten zusätzlich Deckungsprüfungen durch die BaFin zulassen.[36]

Der § 30 HBG schrieb vor, dass ein vom BaFin bestellter, unabhängiger Treuhänder die Einhaltung der Deckungsvorschriften durch die Hypothekenbank kontrolliert.[37] Der Treuhänder gewährleistet die betragsmäßige Übereinstimmung von Deckung und Pfandbriefumlauf. Desweiteren wurde das Volumen der umlaufenden Hypotheken- und Öffentlichen Pfandbriefe bei reinen Hypothekenbanken gemäß § 7 Abs. 1 HBG auf das 60-fache (48-fache bei gemischten Hypothekenbanken) des haftenden Eigenkapitals beschränkt (Umlaufgrenze).

Bis zu der Novelle des HBG im Jahre 2002 war das Kreditgeschäft mit öffentlich-rechtlichen Kreditnehmern nur in den Mitgliedsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) zulässig (§ 5 Abs. 1 S. 1 HBG). Hypothekarkredite konnten außer in den genannten Staaten auch in die Schweiz vergeben werden. Hypothekarkredite in Polen, Tschechien, Ungarn und der Slowakei durften nicht durch Pfandbriefe refinanziert werden und waren auf die Höhe des Eigenkapitals begrenzt (Außerdeckungsgeschäft).[38] Im Konkursfall einer Hypothekenbank dient das jeweilige Vermögen in der Deckungsmasse, das den gesetzlichen Status eines Sondervermögens hat, ausschließlich der Erfüllung der Ansprüche der Pfandbriefgläubiger nach § 35 Abs. 1 HBG (Insolvenzvorrecht).[39] Die Pfandbriefgläubiger werden voll aus der gesunden Deckungsmasse bedient und nehmen nicht am Insolvenzverfahren teil. Nach § 11, § 12 HBG darf die Beleihung 60% des sorgfältig ermittelten Grundstückswertes (Beleihungswert) nicht übersteigen (Beleihungsgrenze). Im Ergebnis führt dies zu einer Begrenzung des erstrangig abgesicherten Hypothekendarlehens auf etwa 50% des Marktwertes der Immobilie, was zum Schutz der Pfandbriefgläubiger genug Sicherheitspolster bei stärkeren Wertminderungen am Immobilienmarkt darstellt. Beleihungen über der Beleihungsgrenze von 60% dürfen nicht durch Pfandbriefe, sondern nur durch ungedeckte Schuldverschreibungen refinanziert werden, die nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 HBG auf insgesamt 20% des Hypothekenbestandes einer Bank beschränkt sind (Nachranggrenze).[40] Bis zum in Kraft treten des neuen Pfandbriefgesetzes unterlagen siebzehn reine und drei gemischte Hypothekenbanken dem HBG.[41]

2.3.2 Gesetz über die Pfandbriefe und verwandten Schuldverschreibungen öffentlich-rechtlicher Kreditanstalten (ÖPG) und Schiffbankgesetz (SchBG)

Im Gegensatz zum HBG beruhte der Sicherheitsmechanismus des Gesetzes über die Pfandbriefe und verwandten Schuldverschreibungen öffentlich-rechtlicher Kreditanstalten (ÖPG) hauptsächlich auf der Gewährträgerhaftung und der Anstaltslast. Bis zum 18. Juli 2005 hafteten die Träger, bei Sparkassen die Kommunen und bei Landesbanken die Bundesländer, für die Verbindlichkeiten ihrer Kreditinstitute. Somit ersetzte im ÖPG die Staatshaftung das feinmaschige Sicherheitsnetz, das das HBG zugunsten der Pfandbriefgläubiger vorsah. Infolgedessen gibt es im ÖPG kein Spezialbankprinzip, sodass die öffentlich-rechtlichen Pfandbriefemittenten nahezu alle Bankgeschäfte betreiben konnten.[42] Bis zur Novelle des HBG und ÖPG im Jahr 2004 und Einführung des § 11 a ÖPG übte die BaFin keine besondere Aufsicht aus, sodass auch keine regelmäßigen Deckungsprüfungen durchgeführt wurden. Das ÖPG enthielt keine Umlaufgrenze, keine Vorschriften über einen Treuhänder, keinen Beleihungswert und keine 60%ige Beleihungsgrenze. Nur das Deckungsprinzip in § 2 Abs. 1 S. 1 ÖPG, die Vorschrift zur Eintragung der Vermögenswerte in ein Hypothekenregister in § 3 ÖPG und das Insolvenzvorrecht in § 6 Abs. 1 ÖPG waren identisch mit den Vorschriften des HBG. Die Ersatzdeckung im ÖPG kann zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben bis auf 20% des gesamten Pfandbriefumlaufs ausgeweitet werden (§ 2 Abs. 4 ÖPG). Bis zum neuen Pfandbriefgesetz unterlagen neun Landesbanken, die Deka[43], achtzehn Sparkassen sowie drei Förderanstalten, wie z.B. die KfW[44], dem ÖPG.[45]

Das Schiffsbankgesetz lehnte sich eng an die Vorschriften des HBG an. So sah das Schiffsbankgesetz ebenfalls das Deckungsprinzip (§ 6 Abs. 1 S. 1 SchBG), eine Beleihungsgrenze (§ 10 Abs. 2 S.1 SchBG), ein Deckungsregister (§ 20 SchBG) und einen Treuhänder (§ 28, 29 SchBG) vor. Die Umlaufgrenze der Schiffspfandbriefe war nach § 7 Abs. 1 S.1 SchBG auf den dreißigfachen Betrag des eingezahlten Grundkapitals und der Rücklagen beschränkt. Beliehen werden, durften nur Schiffe oder Schiffsbauwerke (§ 10 Abs. 1 SchBG), die in einem öffentlichen Register eingetragen worden sind.[46] Nur zwei Institute besaßen vor dem neuen Pfandbriefgesetz die Erlaubnis zur Emission von Schiffspfandbriefen.[47]

2.3.3 Änderungen des HGB und ÖPG im Rahmen des 4. Finanzmarktförderungsgesetzes im Jahre 2002

Der Gesetzgeber verfolgte mit dieser Novelle das Ziel, die Geschäftstätigkeit der Hypothekenbanken an die Herausforderungen des Wettbewerbs anzupassen und den Benchmarkstatus des deutschen Pfandbriefs zu erhalten. Die HBG-Novelle eröffnete den Hypothekenbanken die Möglichkeit, im Kreditgeschäft für Immobilienfinanzierungen in den USA, Kanada und Japan tätig zu werden (§ 5 Abs.1 Nr. 1a) HBG). Dieses war allerdings nur im Rahmen des Außerdeckungsgeschäftes erlaubt und auf das Fünffache des haftenden Eigenkapitals, im Falle von Japan auf das Dreifache, begrenzt (§ 5 Abs.1 Nr. 2b HBG). Im Staatskreditgeschäft konnten nun Kredite an die Zentralstaaten und deren nachgeordnete Gebietskörperschaften in den USA, Kanada und Japan, der Schweiz und weiterer europäischer Mitglieder der OECD[48] ausgeliehen werden (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 b und c HBG). Alle Kredite sind im Rahmen des Deckungsgeschäftes zur Refinanzierung durch Öffentliche Pfandbriefe zugelassen. Die regionale Ausweitung des Geschäftsgebietes ermöglichte den Hypothekenbanken eine bessere Risikodiversifizierung des Kreditportfolios.

Weiterhin erlaubte die HBG-Novelle erstmals den Einsatz von Derivaten nach § 5 Abs.1 Nr. 4a HBG, die im Einklang mit den Hauptgeschäften einer Hypothekenbank stehen, nicht jedoch offene Stillhalterpositionen. Dadurch können die Deckungsmassen wirksam gegen Zins- und Währungsschwankungen immunisiert werden. Ebenfalls zulässig war durch die HBG-Novelle die Indeckungnahme von Derivaten nach § 6 Abs. 6 S.1 als ordentliche Deckung, die jedoch aktivseitig auf 12% der jeweiligen Deckungsmasse und passivseitig auf 12% der jeweils umlaufenden Pfandbriefe begrenzt wurde (§ 6 Abs. 6 S.3 HBG). Die Indeckungnahme von Derivaten machte es zwingend erforderlich, dass das Nominalprinzip der Pfandbriefdeckung durch eine barwertige Deckungsrechnung ergänzt wurde (§ 6 Abs.1 S.2 HBG).[49] Bereits 2001 hatten sich Bankenaufsicht und Hypothekenbanken zur Messung und Begrenzung der Marktrisiken auf ein sogenanntes Ampelmodell verständigt, in dem eingegangene Zinsänderungsrisiken in Beziehung zum haftenden Eigenkapital gesetzt wurden.[50] Abschließend wurde mit der HBG-Novelle die Geschäftstätigkeit der Hypothekenbanken um das Beratungsgeschäft wie z.B. Vermögens- und Finanzierungsberatung, Wertermittlungen und Immobilienmaklertätigkeiten (s. § 5 Abs. 1 Nr. 5a-c) erweitert, um ihnen die Generierung eigenkapitalschonender Provisionserträge zu ermöglichen.[51] Die novellierten Bestimmungen wurden auch in das ÖPG aufgenommen.

2.1.4 Novelle des HBG, ÖPG und SchBG im Jahre 2004

Durch die Novelle des HBG und ÖPG im Jahre 2004 wurde das Insolvenzvorrecht der Pfandbriefgläubiger klar und praxisorientiert geregelt. Hierbei gingen die insolvenzrechtlichen Bestimmungen deutlich über die Regelungen anderer europäischer Covered-Bond-Gesetze hinaus. Neu eingeführt wurde eine sichernde Überdeckung. Diese beträgt zwei Prozent der Deckungsmasse und ist in ersatzdeckungsfähigen Werten anzulegen (§ 6 Abs. 1 S. 2 und 3 HBG). Die sichernde Überdeckung schützt die Deckungsmasse gegen Liquiditätsrisiken und –engpässe und deckt die Verwaltungskosten des Sondervermögens im Falle einer Insolvenz der Hypothekenbank. Eindeutig wurde durch die Novelle klargestellt, dass sowohl die ordentliche Deckung und Ersatzdeckung als auch die Überdeckung insolvenzfest sind. Durch die Einführung eines Sachwalters für die Deckungsmasse in das HBG wurde die Rechtsunsicherheit beseitigt, wer im Insolvenzfall das Sondervermögen verwaltet, wer die Kosten trägt und wie die Abwicklung der beiden getrennten Sondervermögen erfolgt (§ 35 Abs.2 HBG).[52] Die sichernde Überdeckung und der Sachwalter wurden ebenfalls in das ÖPG und SchBG aufgenommen.

[...]


[1] Johannsen, Kai: Systemtest für den Pfandbrief. In: Börsen-Zeitung vom 27.10.2005, S. 1.

[2] Gesetz zur Neuordnung des Pfandbriefrechtes vom 22. Mai 2005 (BGBl. 2005 I, S. 1373-1393).

[3] Vgl. Kullig, Sascha / Hagen, Louis: Pfandbrief bleibt Pfandbrief!? In: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, Jg. 57, 2004, Ausgabe 20, S. 1137.

[4] Vgl. Ohne Verfasserin bzw. Verfasser: Systemtest für den Pfandbriefmarkt. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 27.10.2005, S.19.

[5] Vgl. Johannsen, Kai, 2005, S. 1.

[6] Vgl. Grill, Wolfgang / Perczynski, Hannelore: Wirtschaftslehre des Kreditwesen. 39. Auflage, Troisdorf 2005, S. 218.

[7] Vgl. BaFin: Jahresbericht 2004, S. 105.

[8] Vgl. Wurm, Gregor / Wolff, Karl / Ettmann, Bernd: Kompaktwissen Bankbetriebslehre. 9. überarbeitete Auflage, Köln 2001, S. 189.

[9] Vgl. Rödel, Erich: Die Hypothekenbanken auf dem Weg in das 21. Jahrhundert. In: Schuster, Leo / Widmer, Alex W. (Hrsg.): Wege aus der Banken und Börsenkrise. Berlin 2004, S. 109.

[10] Vgl. Rödl, Erich, 2004, S. 103.

[11] Vgl. Grill, Wolfgang / Perczynski, Hannelore, 2005, S. 218.

[12] Vgl. Engelhard, Fritz: Zunehmende Verbreitung der Pfandbrieftechnologie in Europa: Ursachen, Konsequenzen, Investmentimplikationen. In: Verband deutscher Hypothekenbanken (VDH) (Hrsg.): Der Pfandbrief. 9. Auflage, Berlin 2004, S.31.

[13] Vgl. Bellinger, Dieter: Das Pfandbrief- und Hypothekengeschäft in Europa. In: Rolfes, Bernd / Fischer, Thomas R. (Hrsg.): Handbuch der europäischen Finanzdienstleistungsindustrie, Frankfurt am Main 2001, S. 71.

[14] Vgl. Mössner, Karl-Eugen: Hypothekenbanken. In: Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, 5. Band, Stuttgart 1956, S. 173-179.

[15] Vgl. Kellenbenz, Hermann: Von den Anfängen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. In: Wirtschaftsgeschichte, Band I, München 1977, S. 367.

[16] Vgl. Hagedorn, Fred: Die Landschaften. Eine rechtsgeschichtliche Darstellung der preußischen Agrarkreditinstitute. Freiburg 1978.

[17] Vgl. Schulte, Fritz: Bodenkreditinstitute. In: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 4. gänzlich umgearbeitete Auflage, Jena 1923-1929, 6. Band, S. 954 – 959.

[18] Vgl. Bellinger, Dieter, 2001, S. 72.

[19] Vgl. Born, Karl Erich: Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert. Stuttgart 1976, S. 190.

[20] Vgl. Walter, Rolf: Der Pfandbrief und seine Bedeutung in historischer Perspektive. In: Bankhistorisches Archiv: Pfandbrief und Kapitalmarkt, Frankfurt am Main 2000, S. 14.

[21] Reichseinheitliches Hypothekenbankgesetz vom 13. Juli 1899 mit Wirkung vom 1. Januar 1900.

[22] Vgl. Rödl, Erich, 2004, S. 116.

[23] Gesetz über die Pfandbriefe und verwandten Schuldverschreibungen öffentlich-rechtlicher Kreditanstalten vom 21. Dezember 1927 (BGBl. I 2772-2775, 200 I 440).

[24] Gesetz über Schiffspfandbriefbanken vom 14. August 1933 (BGBl. III 7628-2).

[25] Vgl. Walter, Rolf, 2000, S. 22.

[26] Vgl. Rödl, Erich, 2004, S. 108.

[27] Vgl. Munsberg, Friedrich: Zehn Jahre Jumbo-Pfandbrief - Wie alles begann. In: vdp (Hrsg.): Der Pfandbrief. 10. Auflage, Berlin 2005, S. 29-35.

[28] Vgl. vdp: Jahresbericht 2005, S. 7-10.

[29] Vgl. Rödel, Erich, 2004, S. 104.

[30] Vgl. Arendt, Franz-Josef / Tolckmitt, Jens: Der Pfandbrief - Aktuelle Entwicklungen und rechtliche Grundlagen. In: vdp (Hrsg.): Der Pfandbrief, 2001, S.19.

[31] Vgl. Vgl. Arendt, Franz-Josef / Tolckmitt, Jens, 2001, S. 22.

[32] Vgl. Bellinger, Dieter, 2001, S.73.

[33] Vgl. Wurm, Gregor / Wolff, Karl / Ettmann. Bernd, 2000, S. 190.

[34] Vgl. Arendt, Franz-Josef / Tolckmitt, Jens, 2001, S.18-23.

[35] Vgl. Decker, Franz: Neue gesetzliche Anforderungen an das Pfandbriefgeschäft. In: Die Bank, 2005, Ausgabe 11, Beilage: Der Pfandbrief, S. 4.

[36] Vgl. Arendt, Franz-Josef / Tolckmitt, Jens, 2001, S.22-23.

[37] Vgl. Wurm, Gregor / Wolff, Karl / Ettmann. Bernd, 2000, S. 190.

[38] Vgl. Arendt, Franz-Josef / Tolckmitt, Jens, 2001, S. 24.

[39] Vgl. Wurm, Gregor / Wolff, Karl / Ettmann. Bernd, 2000, S. 190.

[40] Vgl. Arendt, Franz-Josef / Tolckmitt, Jens, 2001, S.28.

[41] Vgl. Burmeister, Ralf / Burkert, Uwe: Die Emittentenlandschaft unter der Ägide des Pfandbriefgesetzes. In: vdp (Hrsg.): Der Pfandbrief. 10. Auflage, Berlin 2005, S. 20-28.

[42] Vgl. Arendt, Franz-Josef / Tolckmitt, Jens, 2001, S.19-22.

[43] Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation.

[44] Kreditanstalt für Wiederaufbau.

[45] Vgl. Burmeister, Ralf / Burkert, Uwe, 2005, S. 20-28.

[46] Siehe SchBG.

[47] Vgl. Sommer. Ralf: Der Schiffspfandbrief als neue Asset-Klasse. In: Die Bank, 2005, Nr. 11, Beilage: Der Pfandbrief, S. 16-17.

[48] Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

[49] Vgl. Hagen, Louis: Die Novelle des Hypothekenbankgesetzes. In: VDH (Hrsg.): Der Pfandbrief. 7. Auflage, Berlin 2002, S. 32-38.

[50] Vgl. Timmermann, Boy Heinrich: Hypothekenpfandbriefbarwertverordnung. In: VDH (Hrsg.): Der Pfandbrief. 9. Auflage, Berlin 2004, S. 52-64.

[51] Vgl. Hagen, Louis, 2002, S. 32-38.

[52] Vgl. VDH: Jahresbericht 2003, S. 46-52.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783832499181
ISBN (Paperback)
9783838699189
DOI
10.3239/9783832499181
Dateigröße
1.4 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Fachhochschule der Deutschen Bundesbank - Schloss Hachenburg – Betriebswirtschaftslehre
Erscheinungsdatum
2006 (Oktober)
Note
2,0
Schlagworte
pfandbriefgesetz hypothekenbank pfand covered bonds pfandbriefmarkt
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