Lade Inhalt...

Implikationen der Theorie realer Konjunkturzyklen für die Stabilisierungspolitik

©2005 Diplomarbeit 84 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die Erklärung konjunktureller Schwankungen gerät immer dann verstärkt ins Blickfeld sowohl des wissenschaftlichen als auch des allgemein gesellschaftlichen Interesses, wenn sie für viele Personen merklich spürbare Auswirkungen bedeuten.
Während in einem wirtschaftlichen Abschwung die Arbeitslosigkeit steigt, erhöhen sich in einem konjunkturellen Aufschwung die Preise. Da für die Wirtschaftssubjekte derartige Schwankungen mit Nutzeneinbußen verbunden sind, sollten Maßnahmen getroffen werden, um diese Fluktuationen zu beseitigen oder deren Ausmaße zu dämpfen.
Eines der fundamentalsten Probleme der Wirtschaftswissenschaften ist die Frage, worin die Ursachen von Konjunkturschwankungen bestehen. Häufige Erklärungen basieren auf realen Ursachen wie Klimaschwankungen und Naturkatastrophen, die sich insb. auf die Landwirtschaft auswirken.
Darüber hinaus bewirken technische Innovationen neue Möglichkeiten für den industriellen Sektor. Auch monetäre Ursachen werden für konjunkturelle Schwankungen verantwortlich gemacht. Durch eine temporäre Über- bzw. Unterversorgung der Wirtschaft mit Geld entstehen Fluktuationen sowohl im nominalen als auch im realen Sektor.
Des Weiteren spielen die Erwartungen der Wirtschaftssubjekte eine wichtige Rolle bei Konsum- und Investitionsentscheidungen, weswegen auch sie häufig als Ursache für konjunkturelle Schwankungen angesehen werden.
Ausgehend und begleitet von diesen Ansätzen entwickelte sich eine Forschungsrichtung, die Konjunkturschwankungen auf Veränderungen im realen Sektor der Wirtschaft zurückführt: Die Theorie realer Konjunkturzyklen. Dieses allgemeine Gleichgewichtsmodell beruht auf einem dynamischen, mikroökonomischen Optimierungskalkül sowie auf der Annahme rationaler Erwartungen. Zudem sind alle Märkte aufgrund flexibler Preise ständig geräumt.
Reale, exogene Technologieschocks bewirken Anpassungsprozesse der Wirtschaftssubjekte und sorgen für die Ausbreitung des konjunkturellen Impulses. Den Modellen der realen Konjunkturtheorie ist es gelungen, einen Großteil der stilisierten Fakten nachzuzeichnen. Auch aufgrund der formalen Eleganz entwickelten sie sich im Verlaufe der 80er Jahre zur dominierenden Konjunkturtheorie.
Gang der Untersuchung:
Das Ziel dieser Arbeit ist es, die Stabilisierungspolitik im Rahmen der Theorie realer Konjunkturzyklen zu untersuchen.
Zu diesem Zweck wird in Kapitel 2 das Grundmodell der realen Konjunkturtheorie dargestellt. Aufgrund der […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Dirk Stelzer
Implikationen der Theorie realer Konjunkturzyklen für die Stabilisierungspolitik
ISBN-10: 3-8324-9892-3
ISBN-13: 978-3-8324-9892-4
Druck Diplomica® GmbH, Hamburg, 2006
Zugl. Ruhr-Universität Bochum, Bochum, Deutschland, Diplomarbeit, 2005
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte,
insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von
Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der
Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen,
bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung
dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen
der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik
Deutschland in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich
vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des
Urheberrechtes.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in
diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme,
dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei
zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Die Informationen in diesem Werk wurden mit Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können
Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden, und die Diplomarbeiten Agentur, die
Autoren oder Übersetzer übernehmen keine juristische Verantwortung oder irgendeine
Haftung für evtl. verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen.
© Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2006
Printed in Germany

II
INHALTSVERZEICHNIS
Inhaltsverzeichnis
...I
Abkürzungsverzeichnis
... III
Symbolverzeichnis
... V
Abbildungsverzeichnis
... VII
1. Einleitung
... 1
2. Die Theorie realer Konjunkturzyklen
... 3
2.1 Die Robinson Crusoe-Wirtschaft ... 3
2.2 Annahmen und Voraussetzungen eines entsprechenden
makroökonomischen Modells ... 7
2.3 Formale Darstellung des Grundmodells ... 10
2.3.1 Endogene Modellbestandteile... 10
2.3.2 Exogene Modellbestandteile... 13
2.3.3 Herleitung der Effizienzbedingungen... 14
2.3.4 Transmission exogener Schocks... 16
2.4 Zwischenfazit... 22
3. Stabilisierungspolitik
... 24
3.1 Definition und Aufgabe... 24
3.2 Entwicklung... 27
3.2.1 Das postkeynesianische Paradigma ... 27
3.2.2 Das neoklassisch-monetaristische Paradigma... 29
3.3 Ziele (,,magisches Fünfeck") ... 31
3.3.1 Ziel ,,Hoher Beschäftigungsstand" ... 31
3.3.2 Ziel ,,Preisniveaustabilität" ... 32
3.3.3 Ziel ,,Wirtschaftswachstum"... 34
3.3.4 Ziel ,,Außenwirtschaftliches Gleichgewicht"... 36
3.3.5 Ziel ,,Gerechte Einkommensverteilung" ... 37
3.4 Instrumente ... 38
3.4.1 Geldpolitik... 38
3.4.1.1 Aufgabenbeschreibung und Träger ... 38
3.4.1.2 Instrumente... 39
3.4.1.3 Funktionsprobleme ... 41
3.4.2 Fiskalpolitik... 43
3.4.2.1 Aufgabenbeschreibung und Träger ... 43
3.4.2.2 Instrumente... 43

III
3.4.2.2.1 Einnahmenpolitik... 44
3.4.2.2.2 Ausgabenpolitik ... 45
3.4.2.3 Funktionsprobleme ... 46
3.5 Strategien ... 47
3.5.1 Antizyklische Stabilisierungspolitik... 47
3.5.2 Verstetigungspolitik... 48
4. Stabilisierungspolitik im Grundmodell realer
Konjunkturzyklen
... 50
4.1 Grundsätzliche Überlegungen... 50
4.2 Berücksichtigung möglicher stabilisierungspolitischer Ziele... 52
4.2.1 Ziel ,,Hoher Beschäftigungsstand" ... 52
4.2.2 Ziel ,,Preisniveaustabilität" ... 53
4.2.3 Ziel ,,Wirtschaftswachstum" ... 55
4.2.3.1 Endogene Modellbestandteile ... 56
4.2.3.2 Exogene Modellbestandteile... 58
4.2.4 Ziel ,,Gerechte Einkommensverteilung"... 63
5. Zusammenfassung und Ausblick
... 65
Literaturverzeichnis
... 68
Anhang
... 73
Versicherung
... 75

IV
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
Abb.
Abbildung
Abs.
Absatz
a.M.
am Main
Aufl.
Auflage
BBkG
Gesetz der Deutschen Bundesbank
BIP
Bruttoinlandsprodukt
bspw.
beispielsweise
bzgl.
bezüglich
bzw.
beziehungsweise
c.p.
ceteris paribus
d.h.
das heißt
Diss.
Dissertation
EDV
Elektronische Datenverarbeitung
ESZB
Europäisches System der Zentralbanken
et al.
et alii
etc.
et cetera
EWU
Europäische Wirtschafts- und Währungsunion
GG
Grundgesetz
Hrsg.
Herausgeber
insb.
insbesondere
No.
Number
o.g.
oben genannt
Prof.
Professor
RA
representative agent
RBC
Real Business Cycle
S.
Seite
s.
siehe
sog.
s
ogenannte
StWG
Gesetz zur Förderung der Stabilität und des
Wachstums der Wirtschaft

V
SVRG
Gesetz über die Bildung eines Sachverständi-
genrates zur Begutachtung der gesamtwirt-
schaftlichen Entwicklung
SVR
Sachverständigenrat
u.a.
unter anderem
Univ.
Universität
usw.
und so weiter
Vgl.
Vergleiche
WiSt
Wirtschaftswissenschaftliches Studium
z.B.
zum Beispiel

VI
SYMBOLVERZEICHNIS
Diskontfaktor
C
Konsum
c
t
Konsum in Periode t
Abschreibungsrate
Innovation des Technologieschocks
e
Eulersche Zahl
E
t
bedingter Erwartungswert im Zeitpunkt t
Ex
Exporte
G
Staatsnachfrage
Funktion
F(.,.) = Y
gesamtwirtschaftliche Produktionsfunktion
I
Investitionen
Im
Importe
i
t
Investitionen in Periode t
I
x
Indifferenzkurve X
k
Kapitalintensität
k
t
Kapitalstock in Periode t
L
Lagrangefunktion
L
Arbeit
L
e
Arbeit-Effizienzeinheiten
lim
Grenzwert
log
Logarithmus
l
t
Freizeit in Periode t
t
Lagrangemultiplikator der Periode t
M
Geldmenge
n
Wachstumsrate der Bevölkerung/
des Arbeitseinsatzes
n
t
Arbeit in Periode t
P
gesamtwirtschaftlicher Preisindex
r
Realzins
z
Parameter über die serielle Korrelation von
Technologieschocks

VII
s
Sparquote
t
Zeitindex, Periode t bei diskreter und
Zeitpunkt t bei stetiger Betrachtung
u
Nutzenfunktion
v
Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes
v'
Zustandsvektor
w
r
reale Wachstumsrate
Reallohn
x
Rate des arbeitsvermehrenden (Harrod-
neutralen) technischen Fortschritts
y
Pro-Kopf-Einkommen
y =
(k)
Pro-Kopf-Produktionsfunktion
Y
Produktion; Einkommen; BIP
Y
r
reales Volkseinkommen
y
t
Output in Periode t
z
Stochastischer Teil des technischen Fortschritts
z
+ gt
Trend des technischen Fortschritts
z
t
Stand der Technologie in Periode t
unendlich
d(.)
stetige Änderung
(^)
Wachstumsrate = relative Änderung
(
°)
dt
d
(.)
absolute Veränderung mit der Zeit
= Ableitung nach der Zeit

VIII
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Nummer
Seite
Abb. 2.1:
Die Robinson Crusoe-Wirtschaft ...4
Abb. 2.2:
Die Robinson Crusoe-Wirtschaft nach einem positiven Schock ...5
Abb. 2.3:
Die Robinson Crusoe-Wirtschaft nach einem negativen Schock ...6
Abb. 2.4:
Verlauf der Technologievariablen nach Innovation ...14
Abb. 2.5:
Output und Solow-Residuum...17
Abb. 2.6:
Transistorischer Schock mit
z
=0 ...19
Abb. 2.7:
Permanenter Schock mit
z
=1 (Sterne) und transitorischer
Schock mit
z
=0,979 (Kreise)...21
Abb. 3.1:
Schema der Konjunkturschwankung ...25
Abb. 3.2:
Gliederung des time lag...41
Abb. 3.3:
Übersicht von Staatseinnahmen- und ausgaben ...44
Abb. 4.1:
Gleichgewicht bei arbeitsvermehrendem technischen Fortschritt ...60
Abb. 4.2:
Wachstumsgleichgewicht bei steigendem
Pro-Kopf-Einkommen...61

1
1. Einleitung
Die Erklärung konjunktureller Schwankungen gerät immer dann verstärkt ins
Blickfeld sowohl des wissenschaftlichen als auch des allgemein gesellschaftlichen
Interesses, wenn sie für viele Personen merklich spürbare Auswirkungen bedeu-
ten.
1
Während in einem wirtschaftlichen Abschwung die Arbeitslosigkeit steigt,
erhöhen sich in einem konjunkturellen Aufschwung die Preise. Da für die Wirt-
schaftssubjekte derartige Schwankungen mit Nutzeneinbußen verbunden sind,
sollten Maßnahmen getroffen werden, um diese Fluktuationen zu beseitigen oder
deren Ausmaße zu dämpfen.
Eines der fundamentalsten Probleme der Wirtschaftswissenschaften ist die Frage,
worin die Ursachen von Konjunkturschwankungen bestehen. Häufige Erklärungen
basieren auf realen Ursachen wie Klimaschwankungen und Naturkatastrophen,
die sich insb. auf die Landwirtschaft auswirken. Darüber hinaus bewirken techni-
sche Innovationen neue Möglichkeiten für den industriellen Sektor. Auch monetä-
re
Ursachen werden für konjunkturelle Schwankungen verantwortlich gemacht.
Durch eine temporäre Über- bzw. Unterversorgung der Wirtschaft mit Geld ent-
stehen Fluktuationen sowohl im nominalen als auch im realen Sektor. Des Weite-
ren spielen die Erwartungen der Wirtschaftssubjekte eine wichtige Rolle bei Kon-
sum- und Investitionsentscheidungen, weswegen auch sie häufig als Ursache für
konjunkturelle Schwankungen angesehen werden.
2
Ausgehend und begleitet von diesen Ansätzen entwickelte sich eine Forschungs-
richtung, die Konjunkturschwankungen auf Veränderungen im realen Sektor der
Wirtschaft zurückführt: Die Theorie realer Konjunkturzyklen. Dieses allgemeine
Gleichgewichtsmodell beruht auf einem dynamischen, mikroökonomischen Op-
timierungskalkül sowie auf der Annahme rationaler Erwartungen. Zudem sind alle
Märkte aufgrund flexibler Preise ständig geräumt. Reale, exogene Technologie-
schocks bewirken Anpassungsprozesse der Wirtschaftssubjekte und sorgen für die
Ausbreitung des konjunkturellen Impulses. Den Modellen der realen Konjunktur-
theorie ist es gelungen, einen Großteil der stilisierten Fakten nachzuzeichnen.
1
Vgl. Koch (1996), S.1.
2
Vgl. Holstein (1998), S.11.

2
Auch aufgrund der formalen Eleganz entwickelten sie sich im Verlaufe der 80er
Jahre zur dominierenden Konjunkturtheorie.
3
Das Ziel dieser Arbeit ist es, die Stabilisierungspolitik im Rahmen der Theorie
realer Konjunkturzyklen zu untersuchen.
Zu diesem Zweck wird in Kapitel 2 das Grundmodell der realen Konjunkturtheo-
rie dargestellt. Aufgrund der mikroökonomischen Fundierung beginnt dieser Ab-
schnitt mit dem Modell der Robinson Crusoe-Wirtschaft. Anschließend erfolgt die
formale Darstellung des Grundmodells. Dabei wird u.a. analysiert, welche Aus-
wirkungen reale Schocks im Rahmen des Modells haben. Das Kapitel schließt mit
einem Zwischenfazit über die erarbeiteten Ergebnisse.
Kapitel 3 widmet sich der Stabilisierungspolitik. Nach einer Definition und Auf-
gabenbeschreibung erfolgt eine Betrachtung über die Entwicklung der Stabilisie-
rungspolitik. Danach wird sowohl auf den Zielkatalog als auch auf die Instrumen-
te der Stabilisierungspolitik eingegangen. Im letzten Teil dieses Kapitels werden
die stabilisierungspolitischen Strategien dargestellt.
Im vierten Kapitel wird die Bedeutung der realen Konjunkturtheorie für die Stabi-
lisierungspolitik analysiert. Auf den erarbeiteten Ergebnissen aufbauend, werden
zunächst grundsätzliche Überlegungen angestellt. Daraufhin folgt eine genauere
Untersuchung möglicher stabilisierungspolitischer Ziele im Rahmen des Grund-
modells der Theorie realer Konjunkturzyklen.
Im fünften Kapitel erfolgt eine Zusammenfassung sowie ein Ausblick als Ab-
schluss der Arbeit. Hier werden die wesentlichen Aspekte noch einmal aufgegrif-
fen und kritisch gewürdigt.
3
Vgl. Holstein (1998), S.12f.

3
2. Die Theorie realer Konjunkturzyklen
In diesem Kapitel wird die Theorie realer Konjunkturzyklen (RBC-Theorie)
4
in
einem Grundmodel vorgestellt. Als Einstieg in die Thematik von RBC-Modellen
wird die häufig in der Mikroökonomik verwendete Analyse von Robinson Crusoe
benutzt. Dieses ökonomische Modell mit einem Konsumenten, einer Unterneh-
mung und zwei Gütern trägt den traditionellen Namen ,,Robinson Crusoe-
Wirtschaft".
5
Auf dieser Parabel aufbauend wird das mikroökonomische Modell auf die makro-
ökonomische Ebene übertragen, indem passende Annahmen und Vorraussetzun-
gen getroffen werden. Anschließend wird der konzeptionelle Rahmen der realen
Konjunkturtheorie erläutert, indem in einer Modellspezifikation alle grundlegen-
den Modellelemente vorgestellt werden. Daraufhin werden die Effizienzbedin-
gungen hergeleitet und das Modellverhalten bei exogenen Technologieschocks
überprüft. Das Kapitel endet mit einem kurzen Zwischenfazit der erarbeiteten Er-
gebnisse.
2.1 Die Robinson Crusoe-Wirtschaft
Der Seemann Robinson Crusoe
6
ist auf einer einsamen Insel gestrandet und somit
gezwungen, alleine um sein Überleben zu kämpfen.
7
Er führt ein einfaches Leben,
in dem er dennoch viele Entscheidungen treffen muss. Robinsons Entscheidungen
auf sich ändernde Umstände haben Ähnlichkeiten mit denen, welchen sich Men-
schen in größeren, komplexeren Volkswirtschaften gegenüberstehen.
Der Einfachheit halber geht Robinson nur wenigen Aktivitäten nach. Seine Zeit
verbringt er mit Freizeit (z.B. Schwimmen) und Arbeit, wobei letztere aus Fisch-
fang und dem Bau von Netzen besteht. Die gefangenen Fische sind Crusoes Kon-
sumgüter und die Netze stellen seine Investitionen dar. Folglich spielt er in dieser
Wirtschaft eine Doppelrolle: er ist sowohl Konsument als auch Produzent. Robin-
4
RBC steht für real business cycle.
5
Vgl. Varian (1995), S.496.
6
Die Darstellung des Modells beruht auf Mankiw (2000), S.563f., sowie Varian (1995),
S.496ff.
7
Die Parabel von Robinson Crusoe gehört zu den grundlegenden Werkzeugen der intertempo-
ralen ökonomischen Analyse und geht auf den amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler Ir-
ving Fisher (1867-1947) zurück.

4
sons Zeiteinteilung zwischen Schwimmen, Fischen und dem Bau von Netzen wird
gemäß seinen Präferenzen und Möglichkeiten aufgeteilt. Er verhält sich als Opti-
mierer und wählt demzufolge Volumina an Freizeit, Konsum und Investitionen,
die für ihn insgesamt am besten erscheinen. Seine Präferenzen sind in Abbildung
2.1 dargestellt. Die Indifferenzkurven I
1
, I
2
und I
3
beschreiben die Präferenzen für
Freizeit und Konsum, wobei auf der horizontalen Achse Arbeit statt Freizeit ge-
messen wird. Die Produktionsfunktion Y
1
illustriert die Beziehung zwischen dem
Ausmaß an Robinsons Arbeit und der Anzahl der gefangenen Fische. Sie besitzt
die typischen Eigenschaften einer Produktionsfunktion mit abnehmenden Gren-
zerträgen, wie Abbildung 2.1 zeigt.
Produktionsfunktion
Arbeit
Fische
Indifferenzkurven
I
1
I
2
I
3
L*
C*
Y
1
Abb. 2.1: Die Robinson Crusoe-Wirtschaft
Quelle:
In Anlehnung an Varian (1995), S.497.
Um die Frage zu beantworten, welche optimalen Mengen an Arbeit und Konsum
Robinson wählt, muss die höchste Indifferenzkurve gewählt werden, welche die
Produktionsfunktion Y
1
gerade tangiert (hier I
2
). In diesem Tangentialpunkt ist die
Steigung der Indifferenzkurve gleich der Steigung der Produktionsfunktion, d.h.
Robinson erreicht hier die optimale Kombination von Arbeit L* und Konsum C*
bei gegebener Technologie. Das Grenzprodukt einer zusätzlichen Arbeitsstunde
ist gleich der Grenzrate der Substitution zwischen Freizeit und gefangenen Fi-

5
schen. Es lohnt sich für ihn demnach nicht, diesen optimalen Punkt zu verlassen,
da er durch Mehrarbeit keinen Nutzenzuwachs mehr erzielen kann.
8
Die Robinson
Crusoe-Wirtschaft befindet sich in einem Gleichgewicht.
Robinsons Arbeits- und Konsumpläne ändern sich im Zeitablauf mit dem Auftre-
ten von positiven oder negativen Schocks. Wenn beispielsweise eines Tages ein
riesiger Fischschwarm an der Insel vorbeischwimmt, erhöht sich der Output der
Robinson-Wirtschaft aus zwei Gründen: Erstens steigt Crusoes Produktivität, weil
er nun in der Lage ist, mehr Fische zu fangen als vor Auftreten des Schocks.
Zweitens steigt dessen Arbeitseinsatz, weil er die Vorteile des temporären Fisch-
reichtums wahrnimmt und dementsprechend seine Freizeit einschränkt. Durch den
plötzlichen Fischreichtum wird ein Substitutionseffekt zwischen Arbeit und Frei-
zeit ausgelöst. Diese Situation ist in Abbildung 2.2 dargestellt.
Produktionsfunktion
Arbeit
Fische
Indifferenzkurven
I
1
I
2
I
3
L*
C*
Y
1
Y
2
L
1
C
1
Abb. 2.2: Die Robinson Crusoe-Wirtschaft nach einem positiven Schock
Quelle:
Eigene Darstellung.
Der kurzfristige Fischreichtum führt zu einer expansiven Verschiebung der Pro-
duktionsfunktion von Y
1
nach Y
2
. Die Produktivität steigt dementsprechend. Ro-
binson ist nun in der Lage die höhergelegene Indifferenzkurve I
1
zu erreichen.
Sein Konsum steigt von C* auf C
1
und der Arbeitseinsatz von L* auf L
1
, was ei-
8
Vgl. Barro (1993), S.50.

6
nen Rückgang der Freizeit impliziert. Aufgrund der gleichen Steigung von Indif-
ferenzkurve und Produktionsfunktion befindet sich die Robinson-Wirtschaft nach
Auftreten dieses positiven Schocks wiederum in einem neuen Gleichgewicht, und
es werden optimale Mengen von Arbeit und Konsum gewählt.
Das gegenteilige Szenario wäre ein schwerer Sturm, der Robinsons Insel heim-
sucht. Durch diesen negativen Schock sinkt die Produktivität, da der Sturm die
Arbeit erschwert und für einen geringeren Output von Fischen und Netzen sorgt.
Robinson Crusoes Reaktion auf diesen Umstand ist eine Verkürzung der Arbeits-
zeit und eine Ausweitung der Freizeit. Dieser Substitutionseffekt bewirkt einen
fallenden Output, da der Konsum von Fischen und die Investition in Netze zu-
rückgeht. Abbildung 2.3 stellt diese Zusammenhänge dar.
Produktionsfunktion
Arbeit
Fische
Indifferenzkurven
I
1
I
2
I
3
L*
C*
L
2
C
2
Y
1
Y
3
Abb. 2.3: Die Robinson Crusoe-Wirtschaft nach einem negativen Schock
Quelle:
Eigene Darstellung.
Der Sturm führt zu einer Verschiebung der Produktionsfunktion Y
1
nach Y
3
, die
Produktivität sinkt demzufolge. In diesem Fall kann Robinson lediglich die nied-
riger gelegene Indifferenzkurve I
3
erreichen, welche die Produktionsfunktion in
einem neuen Punkt tangiert. Der Konsum sinkt von C* auf C
2
und der Arbeitsein-
satz von L* auf L
2
, was eine Ausdehnung der Freizeit bei gleichzeitig niedrigerem
Konsum bedeutet. Aber auch in dieser Situation sind die gewählten Mengen von

7
Arbeit und Konsum optimal und die Steigungen der Indifferenzkurve und der
Produktionsfunktion sind identisch. Die Robinson-Wirtschaft befindet nach Auf-
treten eines negativen Schocks erneut in einem neuen Gleichgewicht.
In der Robinson Crusoe-Wirtschaft sind die Schwankungen von Output, Beschäf-
tigung, Konsum, Investitionen und Produktivität nichts anderes, als die natürli-
chen und wünschenswerten Reaktionen eines Individuums auf unvermeidbare
Änderungen seiner Umwelt. Geldpolitik, Preisrigiditäten oder andere Formen von
Marktversagen sind nicht die Ursachen für wirtschaftliche Fluktuationen. In den
beiden dargestellten Szenarien wird das ökonomische Gleichgewicht durch exo-
gene Schocks gestört. Durch optimale Anpassungsprozesse der Arbeits-, Konsum-
und Investitionspläne erreicht das repräsentative Individuum jedoch wieder ein
Gleichgewicht.
Die Theorie realer Konjunkturzyklen geht davon aus, dass die Schwankungen in
realen Volkswirtschaften den gleichen Prinzipien folgen wie die Schwankungen
in der Robinson Crusoe-Wirtschaft. Die Ökonomie wird von nicht vermeidbaren
Schocks getroffen und als Reaktion darauf passen sich makroökonomische Vari-
ablen wie Produktion und Beschäftigung an.
9
Der Sinn des Modells von Robinson Crusoe ist die einfache Darstellung des kom-
plexen Problems des Konjunkturzyklus. Lassen sich Konjunkturaufschwünge und
Konjunkturabschwünge in modernen Industriegesellschaften mit den Schwankun-
gen auf Crusoes Insel vergleichen? Werden Schwankungen am Arbeitsmarkt und
im Bruttoinlandsprodukt (BIP) durch reale Technologieschocks verursacht? Diese
Fragen beantwortet die Theorie realer Konjunkturzyklen, die im folgenden Kapi-
tel dargestellt wird.
2.2 Annahmen und Vorraussetzungen eines entsprechenden
makroökonomischen Modells
Das Modell der Robinson Crusoe-Wirtschaft stellt die Anpassungsprozesse beim
Auftreten exogener Schocks anhand eines repräsentativen Agenten auf mikroöko-
nomischer Ebene dar. Um die Ergebnisse dieser Analyse auf die makroökonomi-
9
Vgl. Mankiw (2000) S.564.

8
sche Sichtweise zu übertragen, wird von Seiten der Neuen Klassischen Makro-
ökonomik eine ,,mikroökonomische Fundierung der Makroökonomik" als not-
wendig erachtet. Die Beziehungen der makroökonomischen Variablen soll dem-
nach auf die Präferenzen der Individuen mit deren gegebener Technologie zu-
rückgeführt werden. Als Grundlage dieser Überlegungen dient das Modell des
optimalen Wachstums, das auf der intertemporalen Nutzenmaximierung eines
repräsentativen Individuums bei unendlichem Zeithorizont aufbaut.
10
In diesem ,,representative agent"-Modell (RA-Modell) besteht die Wirtschaft aus
einer Vielzahl identischer Individuen, die unendlich lange leben.
11
Deren Ziel ist
die Maximierung des Nutzens über die gesamte unendliche Lebensdauer.
12
Die
Individuen bilden rationale Erwartungen über unsichere künftige Zustände auf der
Grundlage aller zum jeweiligen Zeitpunkt relevanten und verfügbaren Informatio-
nen.
13
Sie erkennen die entscheidenden wirtschaftlichen Zusammenhänge (,,das
Modell"), und es unterlaufen ihnen darüber hinaus keine systematischen Fehler
bei der Erwartungsbildung.
14
Des Weiteren wird nur von einem Gut ausgegangen, welches zugleich Konsum-
und Kapitalgut ist. Jeder Konsument ist gleichzeitig Produzent und entscheidet
einerseits über die Höhe des Arbeitsangebotes und andererseits über die Volumina
von Konsum und Ersparnis. Ersparnis ist hier gleichbedeutend mit Investition und
erhöht somit den Kapitalstock, d.h. damit auch die Produktionskapazitäten in der
nächsten Periode. Da das Modell auf der Nutzenmaximierung beruht, eignet es
sich zur wohlfahrtstheoretischen Analyse der Auswirkungen wirtschaftspolitischer
Maßnahmen oder anderer struktureller Veränderungen.
15
In diesen Annahmen
spiegeln sich die wesentlichen Eigenschaften des Arrow-Debreu-Modells wieder.
Es existiert ein Marktgleichgewicht, das dem ersten Wohlfahrtstheorem entspre-
chend pareto-effizient ist und daher den optimalen Wachstumspfad darstellt.
16
10
Vgl. Holstein (1998), S.56.
11
Nach Barro (1974) gehört jedes Individuum zu einer ,,Dynastie" mit endlicher Lebensdauer.
Es werden jedoch auch die Interessen der Nachkommen berücksichtigt, was die Annahme ei-
nes unendlichen Zeit- und Planungshorizont rechtfertigt.
12
Vgl. Holstein (1998), S.56.
13
Vgl. Kersten (2002), S.61.
14
Vgl. Tichy (1999), S.192.
15
Vgl. Holstein (1998), S.56f.
16
Vgl. Heinemann (1995), S.5.

9
Die Theorie realer Konjunkturzyklen, die der Neuen Klassischen Makroökonomik
zugeordnet wird, geht auf die Arbeiten von Kydland und Prescott
17
sowie Long
und Plosser
18
zurück, die Anfang der achtziger Jahre erschienen. Letztere gaben
dieser Forschungsrichtung den Namen real business cycle, da in dem Modellrah-
men ausschließlich reale Ursachen in Form von Technologie- oder Produktivitäts-
veränderungen eine Beachtung finden.
RBC-Modelle kennzeichnen sich durch die klassische Dichotomie aus, der zufol-
ge nominale Größen keinen (wesentlichen) Einfluss auf die Entwicklung realer
Größen haben und deshalb keinen Beitrag zur Erklärung wirtschaftlicher Schwan-
kungen leisten.
19
Monetäre Schocks werden von den Wirtschaftssubjekten antizi-
piert und bewirken wie im Neoklassischen Modell keine Änderung der Preisstruk-
tur. Daher haben sie auch keine Auswirkungen auf den realen Output und die Be-
schäftigung.
20
Da in dem Modellrahmen ausschließlich reale Variablen berück-
sichtigt werden, ist Geld demnach nicht vorhanden und dient implizit als Tausch-
mittel.
21
Das Kernelement des Grundmodells der RBC-Theorie ist das um Unsicherheit
erweiterte Modell optimalen Wachstums (RA-Modell), das als dynamisches Mo-
dell einer Wettbewerbswirtschaft interpretiert wird.
22
Es zeichnet sich unter ande-
rem durch eine mikroökonomische Fundierung der Verhaltensweisen der Markt-
teilnehmer aus. Damit wird der Lucas-Kritik
23
Rechnung getragen, d.h. die Mo-
dellstruktur basiert auf tiefen Parametern, die politikinvariant sind.
24
Auf der Ba-
sis dieses dynamischen Gleichgewichtsmodells, in dem im Sinne Walras' alle
Märkte aufgrund vollständig flexibler Preise ständig geräumt sind, besteht Unsi-
cherheit in der Rate des technischen Fortschritts. Unter Beachtung der individuel-
len Nutzen- und Produktionsfunktion trifft das rational handelnde repräsentative
Wirtschaftssubjekt (,,Robinson Crusoe") optimale Entscheidungen hinsichtlich der
Höhe des Konsums, des Arbeitseinsatzes und der Investitionen über die Zeit ge-
mäß des vorhandenen Kapitalstocks und der erwarteten Produktivitätsentwick-
17
Vgl. Kydland/Prescott (1982), S.1345ff.
18
Vgl. Long/Plosser (1983), S.39ff.
19
Vgl. Buscher (2002), S.6.
20
Vgl. Kersten (2002), S.60.
21
Vgl. Holstein (1998), S.84.
22
Vgl. Heinemann (1995), S.27.
23
Vgl. Lucas (1976), S.19ff.
24
Vgl. Monissen (1998), S.57.

10
lung.
25
Auf unerwartete Produktivitätsschwankungen in Form von Technologie-
schocks reagiert das repräsentative Individuum durch intertemporale Substitution
und sorgt dadurch für die Ausbreitung der konjunkturellen Impulse.
Dieses einfache und unrealistische Modell mit einem repräsentativen Individuum
hat den Vorteil, dass es unter bestimmten Annahmen über die Gestalt der Produk-
tions- und Nutzenfunktion dynamische Gleichgewichtslösungen liefert, die eine
pareto-optimale Allokation darstellen.
26
,,In the absence of productivity distur-
bances, Robinson Crusoe's optimal choice of consumption, work effort, invest-
ment, and thus output will, under a broad set of conditions, converge to constant
or steady state values."
27
Nachdem die grundlegenden Annahmen der Theorie realer Konjunkturzyklen
veranschaulicht wurden, wird im Folgenden auf die formale Darstellung der ein-
zelnen Modellbausteine eingegangen. Danach folgt eine genauere Analyse, wie
die Wirtschaft auf kurz- und langfristige angebotsseitige Technologieschocks rea-
giert.
2.3 Formale Darstellung des Grundmodells
2.3.1 Endogene Modellbestandteile
Präferenzen:
In der beschriebenen Modellökonomie
28
, bevölkert von einer großen Zahl identi-
scher Individuen mit unendlicher Lebensdauer, wählt jedes Wirtschaftssubjekt
einen Plan für Konsum
{ }
(
)
=0
t
c
t
und Freizeit
{ }
(
)
=0
t
l
t
, um den Nutzen zu maximie-
ren, gegeben der Ausstattung mit Ressourcen und der Technologie. Die Präferen-
zen haben die Form
U
t
= MaxE
t
(
)
=
+
+
0
,
j
j
t
j
t
j
l
c
u
, 0
< < 1
(2.1)
25
Vgl. Holstein (1998), S.57.
26
Vgl. Buscher (2002), S.6.
27
Plosser (1989), S.55.
28
Die Modelldarstellung folgt weitgehend Holstein (1998), S.60ff., sowie Plosser (1989),
S.51ff.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2005
ISBN (eBook)
9783832498924
ISBN (Paperback)
9783838698922
DOI
10.3239/9783832498924
Dateigröße
771 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Ruhr-Universität Bochum – Wirtschaftswissenschaft
Erscheinungsdatum
2006 (Oktober)
Note
2,3
Schlagworte
real business cycle stabilitätspolitik konjunkturzyklen fiskalpolitik volkswirtschaft
Zurück

Titel: Implikationen der Theorie realer Konjunkturzyklen für die Stabilisierungspolitik
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
book preview page numper 10
book preview page numper 11
book preview page numper 12
book preview page numper 13
book preview page numper 14
book preview page numper 15
book preview page numper 16
book preview page numper 17
book preview page numper 18
84 Seiten
Cookie-Einstellungen