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Spezifika bei der Bewertung von Biotechnologie-Unternehmen

©2006 Diplomarbeit 105 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die Bewertung von Biotechnologie-Unternehmen (BTU) gestaltet sich äußerst komplex. Traditionelle Bewertungsmethoden stoßen bei der Bewertung aufgrund zahlreicher Besonderheiten oft an ihre Grenzen. Viele Unternehmen der Biotechnologie-Branche erreichen erst in einigen Jahren die Gewinnschwelle und verfügen oftmals nicht über die Größe, um ihre Produkte und Dienstleistungen selbstständig weltweit erfolgreich zu vermarkten. Die Forschung und Entwicklung (F&E) ist in vielen Forschungsgebieten sehr zeit- und kostenintensiv und zudem mit erheblichen Risiken verbunden. Wertgrundlagen bilden beispielsweise Ertragspotentiale, immaterielle Vermögensgegenstände wie Patente, Forschungsergebnisse und Humankapital.
Die Herausforderung bei der Bewertung solcher Unternehmen besteht darin, die besonderen Risiken als auch die signifikanten Potentiale zu erkennen und angemessen bei der Unternehmensbewertung zu berücksichtigen. Während des Technologie-Booms zur Jahrtausendwende war die Marktkapitalisierung börsennotierter Unternehmen aus der so genannten „New Economy“ mit den traditionellen Bewertungsmethoden nicht mehr zu erklären.
Eine Reihe neuer Bewertungsmodelle wurde entwickelt, um die hohen Bewertungen zu rechtfertigen. Zu dieser Zeit konnte bspw. eine zunehmende Verbreitung des Realoptionsansatzes beobachtet werden, der im Vergleich zu den traditionellen Bewertungsmethoden tendenziell zu einem höheren Unternehmenswert führt. Der anschließende Crash im Jahr 2000 lässt vermuten, dass auch die neu entwickelten Ansätze die Marktkapitalisierungen nicht erklären konnten.
Verschiedene Autoren führen die hohe Volatilität von BTU an den Aktienmärkten darauf zurück, dass noch erhebliche Methodendefizite bei der Bewertung solcher Unternehmen vorliegen. In Praxis und Literatur herrscht somit keine einheitliche Meinung, mit welcher Methode insbesondere Unternehmen aus der „New Economy“ zu bewerten sind. Vielmehr scheint Einigkeit darüber zu bestehen, die Unternehmensbewertung mehr als eine Art Kunst, als Wissenschaft zu betrachten. So betitelte das Handelsblatt jüngst einen Artikel bei der Frage wie die besten Analysten bei ihrer Arbeit vorgehen: „Ein Mix aus Können und Glück“.
Gang der Untersuchung:
Die vorliegende Arbeit hat zum Ziel, die Besonderheiten von BTU und der Biotechnologie-Branche im Hinblick auf die Unternehmensbewertung herauszuarbeiten.
Weiteres Ziel ist, die Schwierigkeiten traditioneller Bewertungsmethoden, die sich bei […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Artur Kulescha
Spezifika bei der Bewertung von Biotechnologie-Unternehmen
ISBN-10: 3-8324-9888-5
ISBN-13: 978-3-8324-9888-7
Druck Diplomica® GmbH, Hamburg, 2006
Zugl. Fachhochschule Düsseldorf, Düsseldorf, Deutschland, Diplomarbeit, 2006
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© Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2006
Printed in Germany


Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis... V
Abkürzungsverzeichnis ... VII
A.
Einführung ... 1
1.
Problemstellung, Zielsetzung und Fokussierung... 1
B.
Branchenüberblick Biotechnologie... 3
1.
Definition der modernen Biotechnologie ... 3
2.
Einteilung nach Sektoren... 4
2.1.
Rote Biotechnologie... 4
2.2.
Weiße Biotechnologie... 5
2.3.
Grüne Biotechnologie ... 5
3.
Einteilung nach dem Geschäftsmodell ... 6
3.1.
Medikamentenentwickler... 6
3.2.
Technologie- und Service-Anbieter ... 9
4.
Biopharmazeutische Wertschöpfungskette ... 11
4.1.
Forschung & Entwicklung ... 12
4.1.1. Klinische Phasen... 12
4.1.2. Zulassung ... 14
4.1.3. Markteintrittswahrscheinlichkeiten... 15
4.2.
Produktion... 16
4.2.1. Validierung der Produktionsprozesse ... 16
4.3.
Marketing und Vertrieb... 16
5.
Spezifische Rahmenbedingungen... 18
5.1.
Nationale Gesetzgebung... 18
5.2.
Patente... 19
5.3.
Förderung von Orphan Drugs ... 20
II

5.4.
Gesundheitssysteme ... 21
6.
Trends... 22
6.1.
Marktentwicklung und Marktpotentiale... 22
6.2.
Hohe Bedeutung von Kooperationen... 23
6.3.
Fokussierung auf Nischenmärkte... 24
6.4.
Innovationskrise großer Pharmakonzerne... 25
6.5.
Zunahme von Mergers and Acquisitions ... 26
C.
Unternehmensbewertung... 27
1.
Besondere Ausgangslage bei der Bewertung von BTU ... 27
1.1.
Bewertungsrelevante Besonderheiten ... 27
1.2.
Anforderung an die Bewertung... 29
2.
Quantitative Bewertungsmethoden ... 31
2.1.
Überblick... 31
2.2.
Marktwertorientierte Verfahren ... 31
2.3.
Beurteilung der marktwertorientierten Verfahren... 35
2.3
Zukunftserfolgsverfahren... 37
2.3.1. DCF-Verfahren ­ WACC-Ansatz... 38
2.3.2. Ertragswertverfahren... 44
2.4.
Beurteilung der Zukunftserfolgsverfahren... 45
2.4
Eignung der Bewertungsmethoden für BTU... 47
3.
Spezielle Bewertungsansätze für BTU... 49
3.1.
Biotech-Discount-Modell... 49
3.2.
Bewertungsmodelle für Medikamentenentwickler ... 52
3.2.1. Pipeline Bewertungsmodell ... 52
3.2.2. Pipeline Comparable Approach ... 54
4.
Qualitative Bewertungskriterien... 55
4.1.
Scoring-Modell zur Analyse und Bewertung qualitativer
Kriterien ... 56
III

4.1.1. Klassifizierung und Analyse der Kriterien ... 56
4.1.2. Bewertung und Gewichtung der Kriterien... 59
4.1.3. Auswertung und Interpretation der Ergebnisse... 60
5.
Abschließende Überlegungen und weitere Vorgehensweise ... 62
D.
Fallbeispiele... 63
1.
MediGene AG ... 63
1.1.
Porträt... 63
1.2.
Analyse und Beurteilung der qualitativen Kriterien ... 64
1.3.
Gewichtung und Interpretation der Ergebnisse... 76
1.4.
Unternehmenswertberechnung mit dem Biotech-Discount-
Modell ... 77
2.
Paion AG ... 81
2.1.
Kurzporträt ... 81
2.2.
Unternehmenswertberechnung mit dem Biotech-Discount-
Modell ... 82
3.
Intercell AG... 83
3.1.
Kurzporträt ... 83
3.2.
Unternehmenswertberechnung mit dem Biotech-Discount-
Modell ... 84
4.
Interpretation der Ergebnisse... 86
E.
Fazit und Ausblick... 87
Quellenverzeichnis ... 89
IV

Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Weltweiter Umsatz und Wachstumsraten per Indikationsgebiet... 7
Abb. 2: Frühe Gewinne mit Technologie- und Service-Anbietern ... 10
Abb. 3: Biopharmazeutische Wertschöpfungskette ... 11
Abb. 4: Keine einheitliche Meinung über Markteintrittswahrscheinlichkeiten ... 15
Abb. 5: Wertschöpfungsanteile... 17
Abb. 6: Nationale Unterschiede in den Gesundheitssystemen... 21
Abb. 7: Entwicklung der Biotechnolgie-Branche ... 22
Abb. 8: Pharma-Innovationskrise ... 25
Abb. 9: Übersicht quantitativer Bewertungsverfahren... 31
Abb. 10: Vor- und Nachteile wichtiger Multiplikatoren... 33
Abb. 11: Ablauf der marktwertorientierten Bewertung ... 35
Abb. 12: Systematisierung der Zukunftserfolgsverfahren ... 37
Abb. 13: Systematik der Unternehmenswertberechnung nach dem WACC-Ansatz ... 38
Abb. 14: Indirekte Ermittlung des Free Cashflows... 39
Abb. 15: Eigenkapitalrenditeanspruch nach dem CAPM ... 41
Abb. 16: Ertragswertmethode vs. DCF-Verfahren nach dem WACC-Ansatz ... 44
Abb. 17: Beurteilung der marktwertorientierten- und Zukunftserfolgsverfahren ... 46
Abb. 18: Entwicklungsphase determiniert Diskontierungsraten... 50
Abb. 19: Bewertungsmatrix des Biotech-Discount-Modells ... 51
Abb. 20: Einflussfaktoren des Branchenwettbewerbs ... 57
Abb. 21: Punktesystem für die Beurteilung qualitativer Werttreiber... 59
Abb. 22: Quality Indicator, Quality Profil, Risk Profil... 60
Abb. 23: Prozessablauf der qualitativen Bewertung nach dem vorgestellten Scoring-Modell ... 61
Abb. 24: Produktpipeline der MediGene AG ... 68
Abb. 25: Gewinnprognosen lt. West LB für die MediGene AG vom April 2005... 77
Abb. 26: Gewinnprognosen lt. Morgan Stanley für die MediGene AG vom Juni 2006 ... 77
Abb. 27: 3-Jahres-Chart der MediGene AG ... 79
Abb. 28: Gewinnprognosen lt. Sal. Oppenheim für die Paion AG vom Februar 2006... 82
Abb. 29: 1-Jahres-Chart der Paion AG ... 83
V

Abb. 30: Gewinnprognosen lt. Sal. Oppenheim für die Intercell AG vom September 2005 ... 84
Abb. 31: 1-Jahres-Chart der Intercell AG... 85
VI

Abkürzungsverzeichnis
Euro
a.a.O. am
angegebenen
Ort
Abb. Abbildung
AG Aktiengesellschaft
Anh. Anhang
APV
Adjusted Present Value
Aufl. Auflage
BLA
Biologics License Appplication
BTU Biotechnologie-Unternehmen
CAPM
Capital Asset Pricing Modell
CE capital
employed
CTX
Clinical Trials Exempation
DKFZ Deutsches
Krebsforschungszentrum
DCF Discounted-Cash-Flow
DIB Deutsche
Industrievereiningung
Biotechnologie
Diss. Dissertation
DNA desoxyribonucleic
acid
DVFA
Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Anlageberatung
EBIT
Earnings before interest and Taxes
EBITA
Earnings before interest, taxes, depreciation and amortisation
EK
Eigenkapital
EMEA
European Agency for Evaluation of Medical Products
EPS
Earnings per share
EU Europäische
Union
F&E
Forschung & Entwicklung
f.
folgende
FCF
Free Cash Flow
FDA
Food and Drug Administration
ff.
fortfolgende
FIPCO Fully
Integrated
Pharmaceutical Company
FK Fremdkapital
ggf. gegebenenfalls
GK Gesamtkapital
GuV
Gewinn- und Verlustrechnung
Hrsg. Herausgeber
http
hyper text tranfer protocol
i. d. R.
in der Regel
IND
Investigational New Drug Application
IPO Initial
Puplic
Offering
k. A.
keine Angabe
VII

lt. laut
M&A
Mergers & Acquisitions
MAA Marketing
Authorization
Application
Mass. Massechusits
Mio. Million
Mrd.
Milliarde
No. Number
NDA New
Drug
Application
NOPAT Net
Operating
Profit After Taxes
OECD
Organization for Economic Cooperation and Development
PV Present
Value
PhRMA Pharmaceutical
Research
& Manufacturers of America
PE-Ratio Price
Earning-Ratio
s Steuersatz
TCF
Total Cash Flow
Tsd.
Tausend
TV Terminal
Value
US $
US Dollar
Vdbiol
Verband Deutscher Biologen und biowissenschaftlicher Fachgesellschaften
VFA Verband
Forschender
Arzneimittelherteller
vgl. vergleiche
vol. volume
vs. versus
WACC
weigthed average cost of capital
WE Werteinheiten
VIII

A.
Einführung
1.
Problemstellung, Zielsetzung und Fokussierung
Die Bewertung von Biotechnologie-Unternehmen (BTU) gestaltet sich äußerst komplex.
Traditionelle Bewertungsmethoden stoßen bei der Bewertung aufgrund zahlreicher Beson-
derheiten oft an ihre Grenzen. Viele Unternehmen der Biotechnologie-Branche erreichen
erst in einigen Jahren die Gewinnschwelle und verfügen oftmals nicht über die Größe, um
ihre Produkte und Dienstleistungen selbstständig weltweit erfolgreich zu vermarkten. Die
Forschung und Entwicklung (F&E) ist in vielen Forschungsgebieten sehr zeit- und kosten-
intensiv und zudem mit erheblichen Risiken verbunden. Wertgrundlagen bilden beispiels-
weise Ertragspotentiale, immaterielle Vermögensgegenstände wie Patente, Forschungser-
gebnisse und Humankapital.
Die Herausforderung bei der Bewertung solcher Unternehmen besteht darin, die besonde-
ren Risiken als auch die signifikanten Potentiale zu erkennen und angemessen bei der Un-
ternehmensbewertung zu berücksichtigen. Während des Technologie-Booms zur Jahrtau-
sendwende war die Marktkapitalisierung börsennotierter Unternehmen aus der so genann-
ten ,,New Economy" mit den traditionellen Bewertungsmethoden nicht mehr zu erklären.
Eine Reihe neuer Bewertungsmodelle wurde entwickelt, um die hohen Bewertungen zu
rechtfertigen. Zu dieser Zeit konnte bspw. eine zunehmende Verbreitung des Realoptions-
ansatzes beobachtet werden, der im Vergleich zu den traditionellen Bewertungsmethoden
tendenziell zu einem höheren Unternehmenswert führt.
1
Der anschließende Crash im Jahr
2000 lässt vermuten, dass auch die neu entwickelten Ansätze die Marktkapitalisierungen
nicht erklären konnten. Verschiedene Autoren führen die hohe Volatilität von BTU an den
Aktienmärkten darauf zurück, dass noch erhebliche Methodendefizite bei der Bewertung
solcher Unternehmen vorliegen.
2
In Praxis und Literatur herrscht somit keine einheitliche
Meinung, mit welcher Methode insbesondere Unternehmen aus der ,,New Economy" zu
bewerten sind. Vielmehr scheint Einigkeit darüber zu bestehen, die Unternehmensbewer-
tung mehr als eine Art Kunst, als Wissenschaft zu betrachten.
3
So betitelte das Handels-
1
Vgl. Garbe, Christian; Menhart, Lutz; u.a.: Chance Biotechnologie. 1.Aufl., Frankurt a.M. 2002, S. 217.
2
Vgl. Hommel, Ulrich: Marktorientierte Bewertung von Biotech-Unternehmen. In: Börsen-Zeitung, Beila-
ge Biotechnologie, Mai 2001, S. B5-B6.
3
Vgl. Trends bei der Unternehmensbewertung. Venture Capital Magazin, Heft 2/2006, S. 40.
1

blatt jüngst einen Artikel bei der Frage wie die besten Analysten bei ihrer Arbeit vorgehen:
,,Ein Mix aus Können und Glück".
4
Die vorliegende Arbeit hat zum Ziel, die Besonderheiten von BTU und der Biotechnolo-
gie-Branche im Hinblick auf die Unternehmensbewertung herauszuarbeiten. Weiteres Ziel
ist, die Schwierigkeiten traditioneller Bewertungsmethoden, die sich bei der Bewertung
von Wachstumsunternehmen und insbesondere BTU ergeben, aufzuzeigen. Zudem soll ei-
ne in der Praxis relevante und für BTU geeignete sowie praktikable Bewertungsmethode
anhand von Fallbeispielen vorgestellt werden. Durch einen Vergleich mit den derzeitigen
Marktkapitalisierungen soll überprüft werden, ob sich diese Methode für eine Bewertung
von BTU eignet.
Die Arbeit gliedert sich in drei wesentliche Bereiche: Kaptitel B verschafft einen allgemei-
nen Überblick über die Biotechnologie-Branche, die branchenspezifischen Eigenschaften,
Potenziale, Trends und Geschäftsmodelle. Kapitel C geht konkret auf die Unternehmens-
bewertung ein. Es werden traditionelle sowie in der Praxis relevante Methoden, die bei der
Bewertung von BTU verwendet werden, vorgestellt und diskutiert. In Kapital D erfolgt ei-
ne Fallstudie mittels der für die Praxis und konkret für das Unternehmen relevanten vorge-
stellten Methoden in Kapitel C. Abschließend erfolgt eine Interpretation der Ergebnisse
und Erkenntnisse, die sich aus der Fallstudie ergeben. Die Arbeit konzentriert sich auf Un-
ternehmen, die der roten Biotechnologie zugeordnet werden können, wobei das Ge-
schäftsmodell der Medikamentenentwicklung im Vordergrund der Ausführungen steht. Die
Gründe dafür werden im Branchenüberblick ersichtlich und erläutert. Aus Interviews mit
Branchenexperten und mittlerweile auch aus der Literatur geht hervor, dass dem Realopti-
onsansatz, der in der Literatur im Zusammenhang mit der Bewertung von Wachstumsun-
ternehmen oft diskutiert wird, in der Bewertungspraxis keine Bedeutung zukommt.
5
Im
Fokus dieser Arbeit stehen daher nur für die Praxis relevante Methoden der Unterneh-
mensbewertung.
4
Rezmer, Anke: Wie die besten Analysten bei ihrer Arbeit vorgehen ­ ,,Ein Mix aus Können und Glück".
Handelsblatt Nr. 081 vom 26.04.06, S.30.
5
Vgl. Frei, Patrick: Stufenweise Finanzierung und Neubewertungsproblematik von Venture Capital Pro-
jekten. Diplomarbeit an der Universität St. Gallen 1998, Interview Anhang D; vgl. Amram, Martha: Be-
wertung von Wachstum. 1. Aufl., Weinheim 2003, S. 17; vgl. Alena, Philipp; Good, Meinrad; u.a.:
Valuation of Biotech Companies. Zürich 2002, S. 30.
2

B.
Branchenüberblick Biotechnologie
1.
Definition der modernen Biotechnologie
Die Literatur bietet für den Begriff ,,Biotechnologie" zahlreiche Begriffsbestimmungen,
eine einheitliche akzeptierte Definition existiert jedoch nicht. Es scheint gleichwohl ein
Konsens zu bestehen, die traditionellen biologischen Verfahren zur Herstellung von Nah-
rungsmitteln und Getränken (z. B. Bier, Käse) nicht unter den Begriff der ,,modernen Bio-
technologie" zu subsumieren. Nach Auffassung der Deutschen Industrievereinigung Bio-
technologie (DIB) wird unter Biotechnologie folgendes verstanden: ,,(...) alle innovativen
Methoden, Verfahren oder Produkte, die die wesentliche Nutzung von lebenden Organis-
men oder ihrer zellulären und subzellulären Bestandteile beinhalten und dabei von Er-
kenntnissen der Forschung auf den Gebieten Biochemie, Molekularbiologie, Immunologie,
Virologie, Mikrobiologie, Zellbiologie oder Umwelt- und Verfahrenstechnik Gebrauch
machen."
6
Eine weitere allgemeine und weiter gefasste Definition der ,,modernen Biotechnologie"
liefert die OECD (Organization for Economic Cooperation and Development): ,,The appli-
cation of science and technology to living organisms, as well as parts, products and models
thereof, to alter living or non-living materials for the production of knowledge, goods and
services"
7
. Die allgemeine Definition (single definition) wird von der OECD um eine so
genannte ,,listenbasierte Definition" ergänzt (list-based definition), um die allgemeine De-
finition zu konkretisieren. Sie enthält eine Aufzählung von biotechnologischen Verfahren
und Methoden. So gehören nach Auffassung der OECD z. B. auch Unternehmen, die mit-
hilfe der Nanotechnologie Werkzeuge oder Hilfsmittel für die Erforschung biotechnologi-
scher Systeme sowie Anwendungen in der Wirkstoffdarreichung und Diagnostik herstel-
len, der ,,modernen Biotechnologie" an. Die OECD erhebt keinen Anspruch auf Vollstän-
digkeit der listenbasierten Definition, sie sieht diese vielmehr als Hilfsmittel zur Interpreta-
tion der allgemeinen Definition.
8
6
Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie (DIB):
http://www.dib.org/default.asp?cmd=shd&rub=763&docnr=94273&lstdname=Branchendaten&shmode=
notma&nd=%7B2%7D&snd=4
7
http://www.oecd.org/document/42/0,2340,en_2649_37437_1933994_1_1_1_37437,00.html
8
Die Aufzählung der einzelnen Methoden und Verfahren der listenbasierte Definition ist unter
http://www.oecd.org einzusehen.
3

2.
Einteilung nach Sektoren
Die sektorspezifischen Eigenschaften sollten jeweils bei der Bewertung berücksichtigt
werden, da die einzelnen Sektoren Unterschiede hinsichtlich der Marktpotentiale, Regulie-
rungen, des Reifegrads, der Wachstumsfaktoren und der Akzeptanz der Verbraucher auf-
weisen.
9
Eine Einteilung kann anhand nachfolgender Sektoren erfolgen:
2.1.
Rote Biotechnologie
Rote Biotechnologie umfasst alle Aktivitäten rund um die Gesundheit, die Forschung und
Entwicklung sowie Herstellung von Therapeutika, Diagnostika und medizinischen Produk-
ten. Die Forschung verspricht sich davon vor allem eine Verbesserung der Diagnose und
Therapie in etablierten Indikationsgebieten sowie die Erschließung neuer Indikationsgebie-
te, insbesondere die der schwer therapierbaren Krankheiten.
10
Diesem Segment kommt
derzeit die größte Bedeutung zu. In diesem Bereich waren in Deutschland im Jahr 2005
83,3 % der BTU tätig.
11
Kennzeichnend in diesem Segment ist die hohe Akzeptanz der Verbraucher für Biophar-
mazeutika (mittels biotechnologischer Verfahren hergestellte Medikamente). Der Anteil
börsennotierter Unternehmen und IPO-Kandidaten ist, im Vergleich zu den anderen Sekto-
ren, in der roten Biotechnologie am höchsten.
12
Der Sektor der roten Biotechnologie kann
somit als der am weitesten entwickelte Sektor angesehen werden. Ein Blick auf die F&E-
Ausgaben und die Produkte, die sich in der Entwicklung befinden (Pipeline-Produkte), un-
termauert dies. Der überwiegende Teil der Pipeline-Produkte von Biotech-Unternehmen
sind gegenwärtig Biopharmazeutika. In der deutschen Biotechnologie-Industrie sind der-
zeit drei Viertel der F&E-Ausgaben den Medikamentenentwicklern zuzurechen.
13
Auf-
grund der aktuellen Bedeutung und dem hohen Anteil an Unternehmen in der roten Bio-
technologie steht dieser Sektor im Fokus der nachfolgenden Ausführungen.
9
Vgl. DVFA: Life Science am Kapitalmarkt, Biotechnologie im Fokus. Frankfurt 2005, S. 2.
10
Vgl. Stock, G.: Neue Möglichkeiten und Herausforderungen für die Pharma-Industrie. Börsen-Zeitung
Nr. 108 vom 8.6.2002, Sonderbeilage Chemie und Pharma, S. B2.
11
Vgl. http://www.biotechnolgie.de: Biotechnologie-Firmenumfrage 2006, S. 13.
12
Vgl. DVFA: Life ..., a.a.O. S. 3.
13
Vgl. Ernst & Young: Zurück in die Zukunft, Deutscher Biotechnologie-Report. Mannheim 2006, S. 9.
4

2.2.
Weiße Biotechnologie
Die Weiße Biotechnologie verfolgt das Ziel, neue, effizientere Produkte und Verfahren der
Chemie umweltschonend zu entwickeln. In diesem Sektor werden biotechnologische Ver-
fahren zur Lösung technischer oder industrieller Probleme genutzt. Praktische Beispiele
sind die Reinigung von Fasern in der Papier-, Leder- und Textilindustrie mittels Enzymen
bzw. Proteinen oder der Einsatz von Mikroorganismen zur umweltschonenden Wasserauf-
bereitung. Der weißen Biotechnologie werden in Zukunft gute Wachstumsaussichten zuge-
sprochen und eine ähnliche Entwicklung wie der roten Biotechnologie prognostiziert. Im
Vergleich zur roten Biotechnologie können die Produkte aufgrund kürzerer Entwicklungs-
zeiten schneller vermarktet werden. Die meisten Start-up-Unternehmen sind bereits profi-
tabel, da die Investitionsvolumina im F&E-Bereich im Vergleich zur roten Biotechnologie
geringer sind.
14
In der weißen Biotechnologie sind in Deutschland Unternehmen wie
BASF, Degussa und Henkel sehr aktiv. So wird die BASF bis 2008 insgesamt ca. 150
Mio. in die F&E im Bereich der weißen Biotechnologie investieren.
15
Aufgrund der An-
wendung in verschiedenen Prozessen innerhalb der Industrie sind die Erfolge dieses Sek-
tors für die breite Öffentlichkeit allerdings kaum erkennbar.
16
2.3.
Grüne Biotechnologie
Die grüne Biotechnologie verfolgt das Ziel, bessere und unbegrenzt verfügbare landwirt-
schaftliche Erzeugnisse zu gewinnen. In das Segment der grünen Biotechnologie fallen die
Bereiche Nahrungsmittelzusätze (Functional Food), Pflanzenschutz und nachwachsende
Rohstoffe. Der Sektor hat vor allem mit der geringen Akzeptanz der Verbraucher zu kämp-
fen. So ergab auch eine im April 2005 veröffentlichte Umfrage der europäischen Kommis-
sion (eurobarometer), dass die Mehrheit der Verbraucher in den EU-Staaten gentechnisch
veränderte Nahrungsmittel als gefährlich einstuft.
17
Weiterhin hemmen diverse nationale
Regulierungen wie beispielsweise das Gesetz zur Grünen Gentechnik derzeit die weiteren
Entwicklungen in diesem Sektor.
14
Vgl. Festel, Gunter: Wachstums- und Finanzierungsstrategien von Start-ups im Bereich der industriellen
Biotechnologie. M&A Review. Heft 11/2005, S. 481.
15
Vgl. Ernst & Young: Zurück ..., a.a.O., S. 44.
16
Vgl. DVFA: Life ..., a.a.O., S. 3.
17
Vgl: Special Eurobarometer No. 217 ­ The attitudes of European citizens towards Environment, 04/2005.
5

3.
Einteilung nach dem Geschäftsmodell
Vereinfachend können BTU nach folgenden Geschäftmodellen unterschieden werden:
18
·
Medikamentenentwickler bzw. Produktentwickler
·
Technologie- und Service-Anbieter
·
Duales Geschäftsmodell
Die Geschäftsmodelle kennzeichnen sich durch bewertungsrelevante Unterschiede hin-
sichtlich Cashflows, Risikoprofile und Geschäftspotentiale aus.
19
3.1.
Medikamentenentwickler
Dem Geschäftsmodell der Medikamentenentwickler wird in der Branche das größte Poten-
tial zugesprochen. Viele Unternehmen forschen an Wirkstoffen für Krankheiten, die bisher
nicht bzw. kaum therapierbar sind (z. B. Krebs, Alzheimer). Im Falle einer erfolgreichen
Wirkstoffentwicklung kann das Produkt oftmals weltweit konkurrenzlos bis zum Ablauf
des Patents vertrieben werden.
Die Marktgröße wird von der Auftretenshäufigkeit einer Krankheit bestimmt. Eine unge-
fähre Abschätzung des Marktpotentials kann anhand des weltweit geschätzten Umsatzes
per Indikationsgebiet erfolgen. Der potentiell zu erzielende Umsatz je Indikationsgebiet ist
abhängig vom Wettbewerb.
18
In der Praxis und Literatur werden teilweise unterschiedliche Klassifizierungen der Geschäftsmodelle
dargestellt. So unterscheidet Ernst & Young innerhalb der hier vorgenommenen Einteilung nochmals
zwischen Technologieentwicklern und Technologieanwender, so dass sich sechs Geschäftsmodellausprä-
gungen ergeben. Heckemüller gibt einen Überblick über verschiedene Klassifizierungen diverser Auto-
ren, vgl. Heckemüller, Carsten: Corporate Finance ­ Management zur Etablierung junger Wachstumsun-
ternehmen. Diss. an der Universität Hannover. Hannover 2004, S. 26-30.
19
Vgl. DVFA: Life ..., a.a.O., S. 22.
6

0
10
20
30
40
50
60
70
80
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Kr
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Umsatz
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Um
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Wa
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tum
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ate
(%
)
Zeitraum: Mai 2004 - April 2005
Abb. 1: Weltweiter Umsatz und Wachstumsraten per Indikationsgebiet
20
Zudem ist vorteilhaft zu beurteilen, dass die Nachfrage von Medikamenten unabhängig
von Konjunkturzyklen ist.
21
Aufgrund der guten Möglichkeiten des Patentschutzes und
der hohen F&E-Kosten sind die Markteintrittsbarrieren für Mitbewerber im Vergleich zu
Technologie- und Service-Anbietern sehr hoch.
Folgende bewertungsrelevante Faktoren bzw. Werttreiber können für Medikamentenent-
wickler identifiziert werden:
22
·
Breite und Tiefe der Produkt-Pipeline
·
Anzahl zugelassener Produkte
·
Cash-Burn Rate
·
Patentsituation
·
Lizenzverträge, Kooperationen
·
klinische Studienergebnisse und deren Qualität
·
Qualität des Managements
20
Entnommen aus: DVFA: Life ..., a.a.O, S. 11.
21
Vgl. Stros, Michael; Jürg, Hari: Fokus Wachstumsunternehmen. 1. Aufl., Zürich 2005, S. 54.
22
Vgl. Rudolf, Markus; Witt, Peter: Bewertung von Wachstumsunternehmen. 1. Aufl., Wiesbaden 2002, S.
160.
7

·
Grad der Abdeckung der Wertschöpfungskette
·
Markpotentiale der einzelnen Medikamente sowie deren Anwendungsgebiete
Innerhalb des Geschäftmodells haben sich bei den Medikamentenentwicklern mit reiner
Produktausrichtung zwei typische Geschäftsstrategien etabliert:
23
·
Auslizenzierung
Unter Auslizenzierung wird die Vergabe einer patentierten Substanz oder Methode an ei-
nen Dritten verstanden. Aufgrund der kostenintensiven und aufwendigen Phase-III-Studien
konzentrieren sich die Unternehmen bei dieser strategischen Ausrichtung auf die Entwick-
lung der Produkte bis zum Ende der klinischen Phase II.
24
Der klinische Nachweis der Wirksamkeit kann in dieser Phase nachgewiesen werden und
führt beim Entwicklungsprodukt oftmals zu einer signifikanten Wertsteigerung. Dies er-
möglicht dem Unternehmen eine erfolgreiche Auslizenzierung an ein anderes Unterneh-
men, welches das Produkt weiterentwickelt. Im Falle der erfolgreichen Weiterentwicklung
und Markteinführung eines Produktes, welches mittels der auslizenzierten Substanz oder
Technologie entwickelt wurde, sind einmalige (lump-sum), jährliche oder umsatzabhängi-
ge Gebühren (Royalties) zu entrichten. Diese strategische Ausrichtung ist vor allem bei
sehr jungen BTU anzutreffen und oftmals deren einzige Einnahmequelle.
25
Nachteilig ist,
dass bei der Auslizenzierung auf einen Großteil der Wertschöpfungskette verzichtet wird.
·
Fully Integrated Pharmaceutical Company (FIPCO)
Bei dieser strategischen Ausrichtung werden die Medikamente bis zur Zulassung in Eigen-
regie entwickelt. Im nächsten Schritt steht das Unternehmen vor der Entscheidung, das
Produkt mithilfe eines Partners (Pharmaunternehmen oder etablierte BTU) zu vermarkten
oder eigene ­ falls noch nicht vorhanden ­ Vertriebs- und Marketingstrukturen aufzubau-
en.
23
Vgl. Ernst & Young: Zurück ..., a.a.O., S. 49.
24
Die klinischen Phasen und der Wertschöpfungsprozess werden unter 4. ,,Biopharmazeutische Wertschöp-
fungskette" näher erläutert.
25
Vgl. Stros, Michael; Jürg, Hari: Fokus ..., a.a.O., S. 83.
8

3.2.
Technologie- und Service-Anbieter
Hierunter können alle Geschäftsmodelle subsumiert werden, die Technologien entwickeln
und vermarkten sowie Dienstleistungen für Dritte anbieten. Die Technologien sind im Ge-
gensatz zu Medikamentenentwicklern nur indirekt am Wertschöpfungsprozess von Wirk-
stoffen beteiligt. Sie tragen meist zu einer Produktivitätssteigerung der jeweiligen Prozesse
in Forschung, Entwicklung oder Produktion bei.
26
Technologie- und Service-Anbieter stel-
len unter anderem Laborausrüstungen, Software, DNA-Chips und Analyseverfahren zur
Verfügung.
Umsätze werden aus dem Verkauf der Technologie und durch Servicegebühren für die
Wartung einer Maschine oder Software sowie Beratungsleistungen generiert.
27
Im Ver-
gleich zu Medikamentenentwicklern ist das Entwicklungsrisiko geringer. Da keine auf-
wendigen Studien mit Probanden wie bei Medikamententwicklern durchgeführt werden
müssen, können die entsprechenden Technologien schneller entwickelt und vermarktet
werden. Demzufolge erwirtschaften Technologie- und Service-Anbieter schnellere Umsät-
ze als Medikamentenentwickler. Nachteilig ist, dass die vermarkteten Technologien kürze-
re Lebenszyklen als Medikamente aufweisen. Weiterhin ist das Marktpotential geringer
und der Markt aufgrund leicht substituierender Produkte stärker umkämpft.
Das Marktpotential kann allerdings durch Auslizenzierung der Technologie signifikant er-
höht werden, wenn statt der Service- und Lizenzgebühr für die Nutzung der Technologie
Umsatzbeteiligungen (Royalties) im Falle einer erfolgreichen Produktentwicklung mittels
der zur Verfügung gestellten Technologie oder Milestonezahlungen (Zahlungen für das Er-
reichen im Voraus definierter Ziele) vereinbart werden.
26
Vgl. DVFA: Life ..., a.a.O., S. 23.
27
Vgl. hierzu und zu den nachfolgenden Ausführungen Rudolf, Markus; Witt, Peter: Bewertung ..., a.a.O.,
S. 158-159.
9

Für Technologie- und Service-Anbieter können nachfolgende bewertungsrelevante Fakto-
ren identifiziert werden:
·
proprietäre und vielfältig einsetzbare Technologie
·
Alleinstellungsmerkmal der Technologie
·
zahlreiche und umsatzstarke Lizenz- und Kooperationsabkommen
·
Qualität des Managements
Abbildung 2 zeigt exemplarisch, wie das Geschäftsmodell die Gewinne beeinflusst.
Technologie- und Service-Anbieter
Duales Geschäftsmodell
Medikamentenentwickler
Zeit
Freies
Kapital
Abb. 2: Frühe Gewinne mit Technologie- und Service-Anbietern
28
28
Bain & Company: Trends in der Biotechnologie. München 2001, S. 12.
10

4.
Biopharmazeutische Wertschöpfungskette
Der nachfolgende Abschnitt erläutert sukzessive alle einzelnen Phasen der Wertschöp-
fungskette und soll zu einem Grundverständnis für die in Kapitel C vorgestellten Bewer-
tungsmethoden führen. Aufgrund der hohen strategischen Bedeutung wird der Bereich der
F&E detaillierter betrachtet.
Abb. 3 veranschaulicht, wie der Entwicklungs- und Zulassungsprozess eines Medikaments
in die Wertschöpfungskette integriert ist. Angegebene Zeitspannen je Entwicklungsphase,
Kosten, Bandbreite von Probanden und Anzahl von Substanzen je Phase entsprechen dem
Branchendurchschnitt.
Präklinik
IND (US)
CTX (EU)
Phase I
Phase II
Phase III
Zulassung
NDA (US)
MAA (EU)
Produktion
Forschung
Marketing &
Vertrieb
Phase IV
4 - 8
2 - 4
0,5 - 2
Jahre
Durchschnittliche Zeit bis
Marktzulassung ca. 10 Jahre
Durchschnittliche Zeit der Vermarktung
bis Patentablauf ca. 10 Jahre
ca. 5,000
- 10,000
ca. 20
ca. 10
ca. 5
ca. 2
1
Entwicklungsphasen
Anzahl
Substanzen
20 - 100
50 - 400
Anzahl Probanden je Phase
100 - 5000
Klinische Testphasen
Kosten
Mio. US $
ca. 500 - 800
Abb. 3: Biopharmazeutische Wertschöpfungskette
29
29
Eigene Erstellung in Anlehnung an Stros, M.; Hari J.: Fokus ..., a.a.O., und Alena, Ph.; Good, M.; u.a.:
Valuation ..., a.a.O., sowie Moscho, Alexander: Optimierung von universitärem Technologietransfer im
Bereich Life Sciences. Diss. Technische Universität München 2001.
11

4.1.
Forschung & Entwicklung
In der Forschung suchen Biologen und Chemiker nach potentiellen neuen Wirkstoffen.
Von 5.000 - 10.000 potentiellen Wirkstoffen erreichen ca. 20 die präklinische Phase. In
dieser Phase wird versucht, die Wirksamkeit des Wirkstoffkandidaten mittels im Labor
durchgeführter Tests (in vitro) und anhand von Tierversuchen (in vivo) zu bestätigen. Üb-
licherweise wird bereits zu diesem Zeitpunkt der Wirkstoff patentiert.
30
Bei erfolgreich
verlaufenden Tests muss für eine Weiterentwicklung ein Antrag für klinische Studien an
Menschen gestellt werden ­ in Europa: Clinical Trials Exempation (CTX) bei der Europe-
an Agency for Evaluation of Medical Products (EMEA), in den USA: Investigational New
Drug Application (IND) oder Biologics License Appplication (BLA) für Biopharmazeutika
bei der Food and Drug Administration (FDA). Bis zu diesem Zeitpunkt vergehen durch-
schnittlich 2 - 4 Jahre.
31
4.1.1.
Klinische Phasen
Die klinischen Studien sind in vier Phasen unterteilt, wobei Phase IV erst nach Zulassung
und Markteinführung des Medikaments beginnt. In Phase I wird die Verträglichkeit des
Wirkstoffes und die vertretbare Dosierung durch sukzessive Erhöhung an bis zu 100 frei-
willigen gesunden Menschen getestet. Entstehen in Phase I keine größeren Komplikationen
wird mit Phase II begonnen
32
. Hier werden an 100 - 500 kranken Patienten Wirksamkeit
und Nebenwirkungen des potentiellen Medikaments erforscht. Eine Phase-II-Studie kann
bis zu zwei Jahre dauern. In Phase III werden die Tests an bis zu mehreren tausend Patien-
ten in Krankenhäusern oder freien Arztpraxen fortgesetzt. Diese Phase muss die Wirksam-
keit und Unbedenklichkeit des Medikaments statistisch nachweisen. Zusätzlich wird oft-
mals der therapeutische Wert gegenüber bereits bestehenden Behandlungsmethoden be-
stimmt. Diese Phase kann bis zu drei Jahre dauern und ist aufgrund der Anzahl der Pro-
banden und der Dauer die kostenintensivste Studie.
Die Kosten für klinische Studien können in einem ersten Schritt aus den Durchschnittswer-
ten der Branche ermittelt werden. Sie liefern einen ersten Anhaltspunkt, sind jedoch gege-
30
Vgl. Kaufmann, Lutz; Ridder, Christopher: Bewertung von BTU. In: Finanzbetrieb, Heft 7/2003, S. 449.
31
Vgl. Alena, Ph.; Good, M.; u.a., a.a.O, S. 10.
32
Die notwendige Anzahl der Probanden wird von der Auftretenshäufigkeit einer Krankheit in der Bevölke-
rung bestimmt.
12

benenfalls zu korrigieren, sofern die Zahlen des betrachteten Unternehmens vom Bran-
chendurchschnitt abweichen. Die Kosten pro Proband für Phase I und II liegen zwischen
8.000 - 15.000 US$ und für Phase III zwischen 4.000 - 7.500 US$.
33
Bei Zulassung kann die zuständige Behörde eine weitergehende Studie (Phase IV) verlan-
gen, um die Auswirkung auf die Gesamtbevölkerung zu beurteilen. Phase IV dient somit
der Überwachung des Medikaments nach seiner Zulassung. In dieser Zeit sollen seltene
Nebenwirkungen festgestellt, Fragen zur richtigen Dosierung beantwortet und der Erfolg
im Vergleich zu anderen Therapieverfahren bewertet werden.
Bezüglich der Unternehmensbewertung liegt die Problematik bei der Bewertung der Wirk-
stoffe in den einzelnen Phasen darin, dass es derzeit keine einheitlichen Standards für die
Durchführung der klinischen Phasen gibt. So können beispielsweise signifikante Unter-
schiede in der Qualität der Studiendesigns vorliegen und somit die Erfolgswahrscheinlich-
keit der Zulassung beeinflussen.
34
Die Erfolgswahrscheinlichkeit eines in Phase III befind-
lichen Medikaments kann somit nicht ohne weiteres pauschalisiert werden. Die Wahr-
scheinlichkeit der Zulassung wird unter anderem maßgeblich von der Qualität der Studien
in Phase I und Phase II beeinflusst. Grundsätzlich sind umfangreich angelegte Phase-I- und
Phase-II-Studien positiv zu bewerten und es kann die durchschnittliche Erfolgswahrschein-
lichkeit der Branche für Phase-III-Wirkstoffe herangezogen werden. Zudem erhöhen um-
fangreiche Studien die Markteintrittsbarrieren für potentielle Mitbewerber in den entspre-
chenden Indikationsgebieten, da die Zulassungsbehörden zumindest gleichwertig angelegte
Studien, zu den bereits durchgeführten Studien verlangen. Diese ,,Strategie" wird von eini-
gen Unternehmen bewusst eingesetzt, um Mitbewerber in bestimmten Indikationsgebieten
fernzuhalten.
35
33
Vgl. Stewart, Jeffrey; Allison, Peter; u.a.: Putting a price on biotechnology. Nature biotechnology Vol. 19
September 2001, S. 814.
34
Interview mit Dipl.-Kfm. Kai Brüning. Portofolio Manager Equities, Deka Investment GmbH.
35
Interview mit Dr. Michael Nettersheim. Associate Director Corporate Finance & Investor Relations, Me-
diGene AG.
13

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783832498887
ISBN (Paperback)
9783838698885
DOI
10.3239/9783832498887
Dateigröße
1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Fachhochschule Düsseldorf – Wirtschaft, Controlling
Erscheinungsdatum
2006 (Oktober)
Note
1,5
Schlagworte
unternehmensbewertung biotechnologie venture capital economy valuation
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Titel: Spezifika bei der Bewertung von Biotechnologie-Unternehmen
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