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Gibt es den idealen Reiseführer?

Theorie und Praxis, untersucht am Beispiel eines Reiseführers für die Stadt Norden

©2006 Magisterarbeit 178 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Jedes Jahr das gleiche Spiel. Kaum sind die Schulzeugnisse verteilt, beginnen die Sommerferien und Unmassen an Menschen packen die Koffer, laden ihre Autos voll bis unters Dach, manche schnallen auch noch das Surfbrett oder Fahrrad oben drauf und stürzen sich auf die Autobahnen in Richtung Ferienziel. An den Schaltern der Flughäfen sieht es ähnlich aus und auch die Bahnhöfe bieten kein anderes Bild. Überall tummeln sich schwer bepackte Menschen, einige fröhlich, andere gestresst, manche verzweifelt und hektisch auf der Suche nach ihren Reisedokumenten, wiederum andere stolpern über Koffer, Golfschlägersets und Kinderwagen. Der Familienhund springt aufgeregt kläffend um das Chaos herum.
Mittendrin liest jemand in einem Reiseführer und ist in Gedanken schon am Urlaubsziel angelangt. Alle warten sie darauf, dem Alltag zu entkommen und in den wohlverdienten Urlaub zu starten. Urlaub und Reisen gehört für die meisten Deutschen zusammen. Und auch wenn die Urlaubsreise mittlerweile für viele eine Selbstverständlichkeit geworden ist, so soll sie doch jedes Mal wieder etwas Besonderes sein. Doch „das Besondere“ ist für jeden etwas anders. Viele lassen sich den Urlaub gänzlich organisieren, manche verlassen sich auf die Veranstaltungsangebote vor Ort, aber einige greifen auch zum Reiseführer, um sich von ihm informieren und durch die Fremde leiten zu lassen – um das Reiseziel selbst zu entdecken. Dabei ist es egal, ob sich die Ferienregion im In- oder Ausland befindet. Auf Menschen mit Reiseführern trifft man überall.

Gang der Untersuchung:
Den Ausgangspunkt dieser Arbeit bildete der Auftrag, unter Beachtung bestimmter Vorgaben einen Reiseführer für die Stadt Norden in Ostfriesland zu erstellen. Daraus ergab sich eine Fülle von Fragen. Wie schreibt man einen Reiseführer? An wen soll er sich richten? Was macht einen guten Reiseführer aus, wie lässt er sich begrifflich definieren? Diese Fragen zogen weitere nach sich: Gibt es allgemein akzeptierte Qualitätsstandards für Reiseführer? Wie kann man gute von schlechten unterscheiden? Was erwarten die Käufer von ihnen, was versprechen ihre Hersteller? Wodurch werden Inhalte und Gestaltung beeinflusst? Und schließlich – welche Konsequenzen ergeben sich aus den Antworten für jemanden, der vom Reiseführernutzer zum Autor werden will?
Die vielen sich aufdrängenden Fragen ließen es als geboten erscheinen, sie zu systematisieren, unter eine Leitfrage zu stellen und mit ihrer Hilfe […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Aletta Helsper
Gibt es den idealen Reiseführer?
Theorie und Praxis, untersucht am Beispiel eines Reiseführers für die Stadt Norden
ISBN-10: 3-8324-9878-8
ISBN-13: 978-3-8324-9878-8
Druck Diplomica® GmbH, Hamburg, 2006
Zugl. Universität Lüneburg, Lüneburg, Deutschland, Magisterarbeit, 2006
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte,
insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von
Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der
Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen,
bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung
dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen
der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik
Deutschland in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich
vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des
Urheberrechtes.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in
diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme,
dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei
zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Die Informationen in diesem Werk wurden mit Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können
Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden, und die Diplomarbeiten Agentur, die
Autoren oder Übersetzer übernehmen keine juristische Verantwortung oder irgendeine
Haftung für evtl. verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen.
© Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2006
Printed in Germany

Aletta Helsper
Gibt es den idealen Reiseführer?
Theorie und Praxis, untersucht am Beispiel eines Reiseführers für die Stadt Norden
ISBN-10: 3-8324-9878-8
ISBN-13: 978-3-8324-9878-8
Druck Diplomica® GmbH, Hamburg, 2006
Zugl. Universität Lüneburg, Lüneburg, Deutschland, Magisterarbeit, 2006
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte,
insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von
Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der
Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen,
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dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei
zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Die Informationen in diesem Werk wurden mit Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können
Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden, und die Diplomarbeiten Agentur, die
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Inhaltsverzeichnis
I
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis ... III
Abbildungsverzeichnis ...IV
Tabellenverzeichnis... V
1. Einleitung ... 1
Teil I: Analytischer Teil ­ Kritische Analyse der Literaturform Reiseführer ... 3
2. Überblick über die historische Entwicklung des Mediums Reiseführer ... 4
3. Definition des Begriffs Reiseführer ... 10
4. Reiseführer-Typologie ... 13
5. Gestaltungskriterien für Reiseführer ... 16
5.1. Die Meinung der Experten ... 17
5.2. Die Sicht der Käufer und Nutzer... 23
5.3. Ein Blick in die Zukunft... 28
5.4. Ergebnis... 29
6. Wahrnehmung des Fremden... 31
6.1. Reaktionen auf das Fremde ... 31
6.2. Beeinflussung der Wahrnehmung ... 33
6.2.1. Beeinflussung durch eigenkulturelle Faktoren: Stereotype, Vorurteile und
Images... 33
6.2.2. Beeinflussung durch Reiseführer ... 35
6.3. Chancen und Risiken interkultureller Begegnungen... 38
6.4. Der Tourist als Eindringling in eine fremde Kultur ... 40
6.5. Der Tourist als Flüchtling aus der eigenen Kultur ... 43
6.6. Interkulturelle Kompetenz als Ziel... 44
6.7. Die Bilder in Reiseführern ... 46
6.7.1. Typen von Bildern... 46
6.7.2. Kommunikative Funktionen von Bildern... 47
6.7.3. Untersuchung von Bildern in Reiseführern... 49
6.7.4. Ausnahmen in der Darstellung... 52
6.7.5. Inszenierung und Fiktion... 53
6.7.6. Schwarz-weiß-Bilder und Texte... 54
7. Die Situation auf dem Reiseführermarkt... 57
8. Käufer und Nutzer von Reiseführern ... 60
8.1. Soziodemographische Merkmale ... 61
8.2. Reiseverhalten ... 65
8.3. Reisemotive... 66

Inhaltsverzeichnis
II
9. Mögliche Auswirkungen gesellschaftlicher Trends auf die Reiseführerkonzepte... 67
9.1. Trends im Tourismus ... 67
9.2. Welche Konsequenzen muss die Reiseführerbranche aus diesen Trends ziehen?... 73
9.3. Wandel des Lese- und Informationsverhaltens und seine Bedeutung für die
Reiseführer... 75
10. Bilanz der bisherigen Ergebnisse ... 78
Teil II: Praktischer Teil ­ Ein Reiseführer für die Stadt Norden ... 80
11. Voraussetzungen und Grundlagen für einen Reiseführer für die Stadt Norden... 81
11.1. Voraussetzungen ... 81
11.2. Die Stadt Norden ­ Lage, Klima und Einwohner ... 81
11.3. Der Tourismus in Norden im Vergleich... 83
11.4. Die Verkehrsanbindung... 85
11.5. Die Wirtschaftsstruktur von Norden und die Bedeutung des Tourismus... 86
11.6. Eckdaten des Norder Tourismus ... 88
11.6.1. Touristische Nachfrage ... 88
11.6.2. Übernachtungen im Jahresverlauf... 88
11.6.3. Gästestruktur ... 89
11.6.4. Unterkünfte... 90
11.6.5. Gastronomie ... 90
11.6.6. Tagesausgaben ... 90
11.7. Für Norden relevante Trends im Tourismus bis 2010... 91
11.8. Aktuelle Probleme und Ziele des Norder Tourismus... 94
12. Anforderungen an einen Reiseführer für die Stadt Norden und die Probleme der
praktischen Umsetzung ... 97
13. Der Stadtführer Norden... 106
14. Schluss... 107
Literaturverzeichnis... 109
Literaturverzeichnis für den Stadtführer Norden ... 116
Anhang 1 ... 119
Anhang 2 ... 123

Abkürzungsverzeichnis
III
Abkürzungsverzeichnis
bspw. ­ beispielsweise
bzgl. ­ bezüglich
DTV ­ Deutscher Tourismusverband e.V.
DWD ­ Deutscher Wetterdienst
EW ­ Einwohner
FAZ ­ Frankfurter Allgemeine Zeitung
F.U.R. ­ Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen
GfK ­ Gesellschaft für Konsumforschung
IC ­ Inter City
i.d.R. ­ in der Regel
IHK ­ Industrie- und Handelskammer
KdF ­ Kraft durch Freude
NSDAP ­ Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei
PDA ­ Personal Digital Assistant
POI ­ Point of Interest
Tab. ­ Tabelle

Abbildungsverzeichnis
IV
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Reiseführer: Trendwende in Sicht? ... 57
Abb. 2: Preis-Polarisierung bei Reiseführern... 58
Abb. 3: Verschenksituation ... 62
Abb. 4: Käufergeschlecht... 62
Abb. 5: Käuferaltersgruppen ... 63
Abb. 6: Käuferintensitätsanalyse... 64
Abb. 7: Haushaltsnettoeinkommen ... 64
Abb. 8: Schulbildung... 65
Abb. 9: Lieblingsaktivitäten der Reiseführerleser... 66
Abb. 10: Urlaubsreiseintensität 1954-2003 2015... 68
Abb. 11: Die Altersstruktur der Bevölkerung in Deutschland ... 69
Abb. 12: Reisetätigkeit der zukünftigen deutschen Senioren ... 69
Abb. 13: Gäste und Übernachtungen auf den Ostfriesischen Inseln und an der Küste... 84
Abb. 14: Übernachtungen in den Küstenbadeorten im IHK-Bezirk Emden... 85
Abb. 15: Klimadiagramme von Emden und Norderney ... 89
Abb. 16: Übernachtungen im Jahresverlauf in Norden... 89

Tabellenverzeichnis
V
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Reiseführer-Typisierung nach ihrer konzeptionell-thematischen respektive
zielgruppenspezifischen Ausrichtung ... 13
Tab. 2: Reiseführer-Typisierung nach ihren Funktionen ... 15
Tab. 3: Merkmale eines guten Reiseführers aus Sicht der Verlage ... 20
Tab. 4: Positiv-Liste von Tüting 1986 ... 21
Tab. 5: Inhaltliche Grundelemente von Reiseführern ... 24
Tab. 6: Kaufentscheidungskriterien ... 27
Tab. 7: Die zukünftige Bedeutung inhaltlicher Qualitätsmerkmale... 28
Tab. 8: Informationsquellen von Urlaubern... 60
Tab. 9: Einwohnerzahl der Stadt Norden ... 82
Tab. 10: Konfessionen in der Stadt Norden ... 82
Tab. 11: Familienstand der Einwohner der Stadt Norden... 82
Tab. 12: Lebensalter der Einwohner der Stadt Norden... 83
Tab. 13: Flächen der Stadt Norden... 87
Tab. 14: Touristische Nachfrage in Norden/ Norddeich ... 88
Tab. 15: Durchschnittliche Tagesausgaben an der niedersächsischen Nordseeküste ... 91

1. Einleitung
1
1. Einleitung
Jedes Jahr das gleiche Spiel. Kaum sind die Schulzeugnisse verteilt, beginnen die Sommerfe-
rien und Unmassen an Menschen packen die Koffer, laden ihre Autos voll bis unters Dach,
manche schnallen auch noch das Surfbrett oder Fahrrad oben drauf und stürzen sich auf die
Autobahnen in Richtung Ferienziel. An den Schaltern der Flughäfen sieht es ähnlich aus und
auch die Bahnhöfe bieten kein anderes Bild. Überall tummeln sich schwer bepackte Men-
schen, einige fröhlich, andere gestresst, manche verzweifelt und hektisch auf der Suche nach
ihren Reisedokumenten, wiederum andere stolpern über Koffer, Golfschlägersets und Kin-
derwagen. Der Familienhund springt aufgeregt kläffend um das Chaos herum. Mittendrin liest
jemand in einem Reiseführer und ist in Gedanken schon am Urlaubsziel angelangt. Alle war-
ten sie darauf, dem Alltag zu entkommen und in den wohlverdienten Urlaub zu starten. Ur-
laub und Reisen gehört für die meisten Deutschen zusammen. Und auch wenn die Urlaubsrei-
se mittlerweile für viele eine Selbstverständlichkeit geworden ist, so soll sie doch jedes Mal
wieder etwas Besonderes sein. Doch ,,das Besondere" ist für jeden etwas anders. Viele lassen
sich den Urlaub gänzlich organisieren, manche verlassen sich auf die Veranstaltungsangebote
vor Ort, aber einige greifen auch zum Reiseführer, um sich von ihm informieren und durch
die Fremde leiten zu lassen ­ um das Reiseziel selbst zu entdecken. Dabei ist es egal, ob sich
die Ferienregion im In- oder Ausland befindet. Auf Menschen mit Reiseführern trifft man
überall.
Den Ausgangspunkt dieser Arbeit bildete der Auftrag, unter Beachtung bestimmter Vorgaben
einen Reiseführer für die Stadt Norden in Ostfriesland zu erstellen. Daraus ergab sich eine
Fülle von Fragen. Wie schreibt man einen Reiseführer? An wen soll er sich richten? Was
macht einen guten Reiseführer aus, wie lässt er sich begrifflich definieren? Diese Fragen zo-
gen weitere nach sich: Gibt es allgemein akzeptierte Qualitätsstandards für Reiseführer? Wie
kann man gute von schlechten unterscheiden? Was erwarten die Käufer von ihnen, was ver-
sprechen ihre Hersteller? Wodurch werden Inhalte und Gestaltung beeinflusst? Und schließ-
lich ­ welche Konsequenzen ergeben sich aus den Antworten für jemanden, der vom Reise-
führernutzer zum Autor werden will?
Die vielen sich aufdrängenden Fragen ließen es als geboten erscheinen, sie zu systematisieren,
unter eine Leitfrage zu stellen und mit ihrer Hilfe wissenschaftlich an das Alltagsthema Reise-
führer heranzugehen. Vor der Praxis sollte die Analyse kommen. Die bewusst etwas provoka-
tiv gestellte, titelgebende Frage ,,Gibt es den idealen Reiseführer?" lässt keine vorschnellen
Antworten zu, sondern verlangt nach Präzisierung. Deshalb betrachtet der erste Teil der Ar-

1. Einleitung
2
beit das Thema Reiseführer von möglichst vielen Seiten. Er beginnt mit einem Abriss der his-
torischen Entwicklung des Mediums von seinen vorchristlichen Anfängen bis in die Gegen-
wart (Kapitel 2). Kapitel 3 setzt sich mit dem Begriff des Reiseführers auseinander, Kapitel 4
beschäftigt sich unter verschiedenen Gesichtspunkten mit der Typologisierung von Reisefüh-
rern. In Kapitel 5 folgt eine Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Ansprüchen, die
an Reiseführer gestellt werden. Anschließend wird erörtert, auf welche Weise Reiseführer das
Fremde, das sie beschreiben wollen, wahrnehmen, wie Wahrnehmung überhaupt funktioniert,
wie sie beeinflusst wird und ob und wie Reiseführer selbst die Wahrnehmung ihrer Leser be-
einflussen. Darüber hinaus werden die Chancen und Risiken interkultureller Beziehungen
diskutiert sowie die Auswirkungen touristischen Auftretens auf fremde Kulturwelten. Schließ-
lich wendet sich das Kapitel den Funktionen des Gestaltungsmittels Bild zu. Was wird wie
bildlich dargestellt und warum (Kapitel 6)? Kapitel 7 skizziert die Situation auf dem Reise-
führermarkt, in Kapitel 8 werden die Käufer und Nutzer von Reiseführern charakterisiert und
Kapitel 9 fragt nach den Auswirkungen, die aktuelle Trends im Tourismus und Änderungen
im Lese- und Informationsverhalten auf Reiseführer haben können. Teil I der Arbeit schließt
mit einer Zwischenbilanz.
Thema des zweiten Teils dieser Arbeit ist die praktische Erarbeitung eines Reiseführers für
Norden, auf der Grundlage der touristischen Gegebenheiten der Stadt, unter Beachtung der
von den Auftraggebern gemachten Auflagen und unter Einbeziehung der in Teil I gewonne-
nen Ergebnisse. Kapitel 11 gibt einen Überblick über die Stadt und die Struktur des Touris-
mus in Norden. Anschließend wird das Konzept des Reiseführers für Norden erklärt und es
werden die Probleme bei der Umsetzung der theoretischen Anforderungen geschildert (Kapi-
tel 12). Kapitel 13 beinhaltet den fertig gestellten Stadtführer. Zum Schluss wird eine Ge-
samtbilanz gezogen (Kapitel 14).

3
Teil I: Analytischer Teil ­
Kritische Analyse der Literaturform Reiseführer

2. Überblick über die historische Entwicklung des Mediums Reiseführer
4
2. Überblick über die historische Entwicklung des Mediums Reise-
führer
,,"Kings and governments may err, but never Mr. Baedeker" (Zitat aus der englischen
Übersetzung des Librettos zu Jacques Offenbachs Operette "La Vie Parisienne")"
(o.V. o.J.: 1).
Die Entwicklungsgeschichte des Reiseführers reicht weit zurück und steht im engen Zusam-
menhang mit der Geschichte des Reisens
1
. Variierende Reisemotive, die Wahl der Verkehrs-
mittel, sich verändernde Teilnehmerzahlen sowie unterschiedliche reisende Gesellschafts-
schichten bestimmten über die Jahrhunderte die verschiedenen Ausprägungen des Reisens
(Freyer 2001: 5). Die Reise(führer)literatur passte sich an die jeweiligen Reisebedürfnisse und
Verkehrslagen an (Haas 2001: 16). Das Medium orientierte sich strikt an den Bedürfnissen
seiner Leser und spiegelt so ,,die Verstehensinteressen und Verstehensansprüche der jeweili-
gen Zeit wider" (Scherle 2001a: 335). Dementsprechend unterschied sich die Reiseliteratur
früherer Zeiten von den heutigen Reiseführern. Die Wurzeln des modernen Reiseführers las-
sen sich bis zu frühen schriftlichen Überlieferungen zurückführen. Bereits aus dem
6. Jh. v. Chr. sind als Periplus bezeichnete Beschreibungen von Land- und Seefahrten bekannt
(Wang 2003: 583). Aufgrund des gut ausgebauten römischen Straßennetzes herrschte schon in
der Antike ein reger Reiseverkehr (Breidenbach 2002: 52). Er brachte die Periegesen, benannt
nach Pausanias ,,Periegesis tes Hellados", einer Beschreibung Griechenlands aus dem
2. Jh. n. Chr. hervor (Gohlis 1999: 15). Dabei handelte es sich um zeitgenössische Beschrei-
bungen von Ländern und Städten, von deren Topographie, von Artefakten und deren Ge-
schichte sowie von einschlägigen Bräuchen der beschriebenen Landstriche, die einen Frem-
denführer überflüssig machen sollten. Ähnlichkeiten mit dem Aufbau moderner Reiseführer
sind unverkennbar, wenn auch reisepraktische Informationen fehlten (Scherle 2001a: 336).
Während der römischen Antike wurden auch Weltkunden, Itinerarien (Wegbeschreibungen)
und Landesbeschreibungen verfasst, die jedoch eher unter bürokratisch-militärischen Ge-
sichtspunkten eine Rolle spielten und daher v.a. von Händlern und Militärs genutzt wurden
(Gohlis 1999: 15). Der Bildungstourismus der Antike blieb jedoch den wohlhabenden Schich-
ten und einigen Teilen der Mittelschicht vorbehalten (Scherle 2000: 65).
1
Die Ausführungen beschränken sich auf die für Deutschland relevanten Entwicklung. Asien und der Orient
wurden nicht berücksichtigt.

2. Überblick über die historische Entwicklung des Mediums Reiseführer
5
Im Mittelalter entwickelte sich eine ausgeprägte christliche Pilgerbewegung. Millionen von
Menschen waren zu nahen und fernen Wallfahrtsorten unterwegs. Das Motiv für die Pilgerrei-
sen lag u.a. im Ablasshandel und dem damit verbundenen Wunsch nach dem eigenen Seelen-
heil begründet, denn der Ablass war zumeist an eine Wallfahrt geknüpft (Scherle 2001a: 336).
Rom lockte z.B. im 15. Jh. mit der Aussicht auf bis zu 42.000 Jahre Ablass (Schimmelpfennig
2005: 73). Pilger reisten unter der Leitung von auf Pilgerreisen spezialisierter Orden zu heili-
gen Stätten (Jerusalem, Rom, Santiago de Compostela, Köln, Aachen etc.), wo sie ihren Ab-
lass erhielten und dem erhofften Platz im Himmel ein Stückchen näher kamen (Gohlis 1999:
15). Erste Pilgerfahrten nach Jerusalem sind schon im 4. Jh. belegt. Ab 1024 erhöhten die
Kreuzzüge ins Heilige Land das Interesse an den Pilgerfahrten. Insbesondere aber nach dem
Ende der Kreuzzüge wurden unzählige Wallfahrten unternommen. Im 15./ 16. Jh. erreichten
sie ihren Höhepunkt (Kutter 1996: 4). Mit auf die Reise genommen wurden Pilgerhandbücher,
die ,,den Kanon der Heiligen Stätten sowie genaue Reisebeschreibungen" (Gohlis 1999: 15)
enthielten. Seit dem 7./ 8. Jh. sind für Pilger verfasste Romführer bekannt, z.B. die ,,Notitia
ecclesiarum urbis Romae" und ,,De locis sanctis martyrum". Während diese beiden Schriften
sich vor allem dem Rom der Kirchen und Reliquien widmeten, bezog der ,,Anonymus Einsie-
delensis", vielleicht ein Fuldaer Mönch, im späten 8. Jh. auch antik-heidnische Inschriften an
Brücken, Bauten und Straßen mit ein (Schimmelpfennig 2005: 61-63). Aus dem 12. Jh.
stammen die ,,Mirabilia urbis Romae" (Scherle 2000: 66). Im Mittelalter war das Reisen zu-
meist zweckgebunden. Neben den Pilgern waren auch wandernde Scholaren und Handwerker
unterwegs (Scherle 2000: 65). Weite Strecken legte jedoch meist nur ein kleiner Personen-
kreis zurück. Dazu zählten neben Herrschern und ihrem Gefolge auch hohe geistliche Wür-
denträger und Missionare sowie Boten und Kaufleute (Scherle 2000: 65). Das einfache Volk
wurde häufig durch gesellschaftliche Bestimmungen (Zunftordnung, Fronabhängigkeit etc.)
am Reisen gehindert (Scherle 2000: 65).
In der Neuzeit trat das humanistische Bildungsideal in den Vordergrund. Die Menschen soll-
ten sich durch Erfahrungswissen weiterentwickeln und vervollkommnen. Das Reisen erfüllte
dabei eine bildende Funktion und diente der unmittelbaren Anschauung (Scherle 2001a: 336).
Adels- und Patrizierfamilien schickten ihre Söhne auf eine zumeist zwei bis drei Jahre
dauernde ,,Grand Tour" (auch Kavalierstour genannt) zu den Machtzentren Europas. Dort
sollten sie - begleitet von einem Leibdiener und einem Privatlehrer - nach ihrem Studium hö-
fisches Zeremoniell sowie die Regeln der Diplomatie und der Lebenskunst erlernen und so
auf den Staatsdienst vorbereitet werden (Wang 2003: 583, Kutter 1996: 9, Breidenbach

2. Überblick über die historische Entwicklung des Mediums Reiseführer
6
2002: 53). Im 17. Jh. erreichten die adeligen Bildungsreisen ihre Blütezeit. Aus dem Bera-
tungsbedarf der Reisenden entwickelten sich bereits seit dem 16. Jh. reisetheoretische Schrif-
ten - die Apodemiken - als systematische Reiseratgeber (Scherle 2001: 336, Strauch 2003:
126, Wang 2003: 583). Apodemik bedeutet ,,auf Reisen gehen oder verreisen und bezeichnet
jene Schriften, die Anweisungen zum richtigen Beobachten und Verhalten auf Reisen gaben
und darüber hinaus auch historisch, theoretisch und methodologisch über das Reisen reflektie-
ren" (Stagl zit. nach Wang 2003: 583). Es war ,,gelehrte Literatur mit moralisch-
philosophischen Inhalten über die Theorie des Reisens" (Pretzel 1995: 20).
Beeinflusst von der Aufklärung kam es im 18. Jh. zu einer Neuorientierung der sozialen
Wertvorstellungen und zu einem gesellschaftlichen Wandel (Kutter 1996: 11). Das entstehen-
de Bürgertum begann zu reisen. Dabei passte es das Reisen an seine Bedürfnisse an. Aber
genau wie für die Oberschicht durfte das Reisen auch für das Bürgertum kein reines Vergnü-
gen sein. ,,Es solle und müsse der Bildung des Herzens und des Verstandes, der Erkenntnis,
dem Verständnis und der Toleranz ­ also der Aufklärung des einzelnen ­ dienen" (Kutter
1996: 11f). Die zivilisatorischen Fortschritte (bessere Straßen, bequemere Kutschen, Poststa-
tionen, größerer Gasthauskomfort) förderten das Reisen. Das Reisen wurde leichter und billi-
ger, zeitlich und finanziell kalkulierbarer (Kutter 1996: 13). Reisen lag im Trend, wenngleich
es sich die meisten aus finanziellen Gründen noch nicht leisten konnten (Kutter 1996: 24).
Darüber hinaus trugen Veränderungen im deutschen Erziehungswesen zu einer Veränderung
des Buchmarktes und zum Aufblühen der Reiseliteratur bei. Immer mehr Leute lernten lesen,
Latein wurde vom Deutschen als Gelehrtensprache abgelöst und Bibliotheken und Lesegesell-
schaften entstanden. Dadurch wurden Bücher einem wachsenden Lesepublikum zugänglich
(Kutter 1996: 21). Zahlreiche Reisenden verfassten Reisebeschreibungen, die zu einer belieb-
ten Literaturform der Aufklärung wurden. Sie enthielten ,,wissenschaftliche Abhandlungen,
Buch- und Museumskataloge, Vermessungsergebnisse, Klatsch von Höfen, Neuigkeiten aus
Städten, Begegnungen mit bekannten und unbekannten Personen, Kuriositäten, Berichte über
soziale und politische Verhältnisse, ja selbst Liebesgeschichten und Utopien" (Kutter 1996:
15). Der inhaltliche Schwerpunkt der Reisehandbücher des 18. Jh. ging weg von einer Theorie
der Kunst des Reisens hin zur angewandten Apodemik. Ihre Hauptinhalte waren nunmehr die
Sehenswürdigkeiten sowie die Streckenplanung (Pretzel 1995: 20).
Die Industrielle Revolution und der mit ihr verbundene Ausbau des Verkehrswesens schufen
die Voraussetzungen für die flächenhafte Ausbreitung des Reisetourismus zur Mitte des
19. Jh. (Breidenbach 2002: 53). Politisch emanzipierte sich das Bürgertum zusehends vom

2. Überblick über die historische Entwicklung des Mediums Reiseführer
7
Adel, kulturell ahmte es ihn schlicht nach, auch in seinen Reisegewohnheiten, die es sich zum
Vorbild nahm und zugleich veränderte (Pretzel 1995: 55). Waren die Kavalierstouren der jun-
gen Adligen im 17. und 18. Jh. in erster Linie der persönlichen und gesellschaftlichen Ver-
vollkommnung dienende Bildungsreisen, bei denen sie sich auch vergnügen mochten, so
suchte die wohlhabende Industriebourgeoisie, die nun auf Reisen ging, in erster Linie ihr Ver-
gnügen. Sie hatte ihr Geld nicht ererbt, sondern verdient. Bürgerliche Maßstäbe wie Zeit und
Geld beeinflussten das Reisen. Das reisende Bürgertum benötigte kompakte Informationen
über die Reiseziele, um sich rasch zurechtfinden zu können. Eine Reise musste planbar sein
(Scherle 2001a: 337). Hilfe boten moderne Reiseführer, die sich aus den Reisehandbüchern
des 18. Jh. entwickelt hatten. Sie ersetzten die regionalen Fremdenführer und verschafften den
Reisenden in gedrängter Form die Informationen, die sie für die Planung ihrer Reise brauch-
ten (Pretzel 1995: 55). Konkrete Routenvorschläge machten die Reise finanziell und zeitlich
berechen- und planbar (Pretzel 1995: 59), die gebotenen Informationen und Verhaltensregeln
versprachen relative Sicherheit in der Fremde und bewahrten die Reisenden vor Verdruss
durch Geld- und Zeitverluste (Rotpart 1995: 137). Die Reiseführer orientierten sich nun kon-
kret an den Bedürfnissen ihrer überwiegend bürgerlichen Leser (Scherle 2001a: 337).
Als Begründer dieser modernen Reiseführer gilt der Engländer John Murray, der 1836 sein
,,Handbook for travellers on the continent", das aufgrund seines roten Einbands sogenannte
,,red book", herausbrachte. Der Koblenzer Buchhändler Karl Baedeker nahm sich Murrays
,,red book" zum Vorbild, entwickelte sein System weiter und führte den modernen Typ des
Reiseführers 1839
mit der dritten Auflage seiner ,,Rheinreise von Mainz bis Cöln" in
Deutschland ein. Der Baedeker wurde (nicht nur in Deutschland) zum Gattungsbegriff (Wang
2003: 583; o.V. o.J.: 1). Ausschlaggebend für den Erfolg der neuen Reiseführer war deren
inhaltliche Aufmachung. Für die Übersichtlichkeit besaßen sie ein Inhaltsverzeichnis sowie
ein Register. Der Inhalt wurde nach geographisch sinnvollen Strecken unterteilt, die Orte und
Sehenswürdigkeiten anhand der Routen beschrieben. Baedeker und Murray boten detaillierte
touristische Informationen. Murray entwickelte ein bis heute genutztes Sternchensystem, das
Baedeker zur Klassifizierung des Sehenswerten, von Hotels und Restaurants perfektionierte.
Zudem achteten beide Männer auf die Aktualität ihrer Bücher (Pretzel 1995: 64). Die Reise-
führer des 19. Jh. fragten nicht mehr nach Sinn und Zweck des Reisens. Sie waren sachlich
gehalten und gingen auf die Gegebenheiten der beschriebenen Region ein (Pretzel 1995: 20f).
Baedeker wollte dem Reisenden Anleitung geben, um ,,mit möglichst geringem Zeitaufwand
dasjenige rasch zu überblicken, was seine Aufmerksamkeit verdient, ohne ihn mit [einem]

2. Überblick über die historische Entwicklung des Mediums Reiseführer
8
Wust unbedeutender Einzelheiten zu überhäufen" (Baedeker zit. n. Gohlis 1999: 19). Tobias
Gohlis behauptet gar, dass Baedeker mit seinen Reiseführern alles das bot, was es in der Rei-
seführergeschichte bisher gegeben hatte: die Läuterung der Pilgerreise durch den Besuch hei-
liger Stätten, das Bildungserlebnis und die Entdeckung des Anderen, und das alles, ohne die
Anstrengungen, derer es dazu in der Vergangenheit bedurfte (Gohlis 1999: 19).
Die sozioökonomischen Veränderungen erlaubten einem immer größer werdenden Anteil der
Bevölkerung zu verreisen. Höherer Wohlstand, kürzere Arbeitszeiten und die Gewährung von
Urlaub (1873 durch das Reichsbeamtengesetz geregelt), wenn zunächst auch noch unbezahlt
und ohne Rechtsanspruch, ermöglichten es immer mehr Beamten, mittleren und gehobenen
Angestellten das Reisen. In der Weimarer Republik kamen kleinere Angestellte und Arbeiter
hinzu. Die wirtschaftlichen Verhältnisse zogen allerdings dem Verreisen enge Grenzen (Pret-
zel 1995: 56f).
Einen Schub in Richtung Massentourismus brachte, wenn auch politisch motiviert, der Nati-
onalsozialismus. Die zur Deutschen Arbeitsfront gehörende Organisation ,,Kraft durch Freu-
de" (KdF) sorgte für eine Urlaubs- und Freizeitgestaltung im Sinne der NSDAP. Die staatlich
organisierten Reisen zu niedrigen Preisen führten zu einem ersten deutschen Reiseboom, der
jedoch durch den Zweiten Weltkrieg ein jähes Ende fand (Freyer 2001: 10).
Nach dem Krieg wurde der wirtschaftliche Aufschwung der westlichen Industrienationen zur
Vorraussetzung für den Massentourismus. Die Boomfaktoren (steigender Wohlstand, ein
Mehr an Freizeit, kürzere Arbeitszeiten, verbesserte Transport- und Kommunikationsmittel,
zunehmende Motorisierung und Mobilität, Verstädterung) machten den Tourismus zum Mas-
senphänomen (Freyer 2001: 9). Die alltäglichen Konsumbedürfnisse waren schnell gesättigt
und der gesellschaftliche Wunsch nach Differenzierung und Prestige wurde durch demonstra-
tiven Konsum und das Präsentieren von Statussymbolen erfüllt (Herdin/ Luger 2001: 3). Auch
im Reisen fand dies seinen Ausdruck. Immer größerer Bevölkerungskreise konnten verreisen.
Der Reisemarkt wurde entsprechend den Interessen und Reisemotiven v.a. seit den 1970ern
immer differenzierter und vielfältiger. Diese Entwicklung verlangte ein höheres Maß an Or-
ganisation, Institutionalisierung und Normierung im Tourismus. Die Reiseführerverlage ori-
entierten sich an den verschiedenen Reisezwecken und brachten immer speziellere Reisefüh-
rer heraus, die sich jedoch allesamt immer noch am Baedeker-Prinzip orientierten (Strauch
2003: 127).

2. Überblick über die historische Entwicklung des Mediums Reiseführer
9
Ende der 1960er, Anfang der 1970er trat der Reisetyp des Globetrotters als Gegenbewegung
zum Massentourismus in Erscheinung, der wiederum einen Wandel in der Reiseführerbranche
bewirkte. Aus der Szene heraus wurden Reiseführer für andere Globetrotter entwickelt und
geschrieben, die mit dem althergebrachten Bildungstourismus brachen (Rotpart 1995: 137,
Gohlis 1999: 20). Der lockere Schreibstil unterschied sich stark von dem der traditionellen
Reiseführer à la Baedeker (Rotpart 1995: 138). Die tradierten Muster der ,,Baedeker-
Reiseführer" wurden durch neue Texttypen ergänzt (Ende der 1970er, Anfang der 1980er),
die unter der Bezeichnung ,,anders", ,,alternativ" oder ,,richtig" reisen firmierten. Sie enthiel-
ten v.a. Tipps zum billigen Reisen und zu günstigen Unterkünften (Rotpart 1995: 137, Gohlis
1999: 20). Inhaltlich setzten sie neben der Beschreibung der Sehenswürdigkeiten besonders
auf Land und Leute (Wang 2003: 584). Zunächst wurden die Alternativführer im Selbstverlag
herausgebracht. Doch bald wurden sie immer professioneller und auch die etablierten Groß-
verlage entdeckten ihr Potential (Rotpart 1995: 138).
In den 1980er Jahren entstanden schließlich auch die sogenannten Pocketreiseführer, die v.a.
mit der Reiseführerreihe Marco Polo durchstarteten und durch ihre auffällige, bunte und kom-
pakte Aufmachung neue Reiseführerleser gewinnen konnten (Gohlis 1999: 20). Durch den
boomenden Tourismussektor stieg die Anzahl der Reiseführerverlage, der Reiseführerreihen
und der Reiseführer an sich immens an. Das an Reisemotiven und Zielen vielfältige Angebot
ist deshalb nur noch schwer zu überblicken (Strauch 2003: 127). Im Hinblick auf die weitere
Entwicklung der Reiseführer ist zu erwarten, dass diese sich weiterhin an den Trends des Tou-
rismus orientieren werden. In Kapitel 9 werden die aktuellen Trends im Tourismus und deren
mögliche Auswirkungen auf die Reiseführer angesprochen.

3. Definition des Begriffs Reiseführer
10
3. Definition des Begriffs Reiseführer
Obwohl der moderne Reiseführer bereits in der Mitte des 19. Jh. eingeführt wurde, gibt es
bisher keine einheitliche Definition des Begriffs ,,Reiseführer". Der moderne Reiseführer und
seine Vorläufer haben sich fortlaufend den (touristischen) Gegebenheiten des Reisens ange-
passt und weiterentwickelt. Dies führte zu einer starken Diversifizierung und Spezialisierung
und schließlich zu einer Vielzahl unterschiedlichster Reiseführer auf dem heutigen Buch-
markt, die sich in ihrer formalen und inhaltlichen Gestaltung z.T. stark voneinander unter-
scheiden. Zudem neigen viele Verlage dazu, neue Bezeichnungen für ihre Reiseführer ins
Spiel zu bringen, was den Markt noch unübersichtlicher und verwirrender erscheinen lässt
und die Begriffsbestimmung nicht einfacher macht (Steinecke 1988: 15, Scherle 2001a: 334).
Reiseführer lassen sich nur schwer von anderen Literaturformen abgrenzen, da sie oft ver-
schiedene Literaturarten miteinander kombinieren. Der Tourismuswissenschaftler Albrecht
Steinecke bezeichnet Reiseführer als eine Mixtur verschiedener Literaturformen, wie z.B.
Länderkunden, Kartenwerken, Bildbänden, Hotel- und Restaurantführern, Kochbüchern,
Kursbüchern und ähnlichem, deren Mischung bei jedem Reiseführer aufs Neue festgelegt
wird (Steinecke 1988: 13). Die Schwerpunkte sind immer unterschiedlich gesetzt. Während
der eine Reiseführer sein Augenmerk auf Unterkunft und Verpflegung richtet, kann dieser
Punkt bei einem anderen eine ganz untergeordnete Rolle spielen.
Unklar ist auch, ob Reiseführer als Teil der Reiseliteratur angesehen oder ob sie von ihr abge-
grenzt werden müssen. Das Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft beschreibt Rei-
seliteratur als ,,Text oder Textgattung, worin ,von unterwegs' berichtet (oder analog dazu fin-
giert) wird; in der Regel in Prosa. [...] Der Oberbegriff Reiseliteratur bezeichnet (1) pragmati-
sche Texte, welche den Ablauf einer Reise festhalten, und bezieht sich (2) in einer literari-
schen bzw. literaturwissenschaftlichen Verwendung auf die fiktionale Übernahme solcher
Modelle. Als deskriptive Form unterscheidet sich Reiseliteratur von normativen Gattungen,
wie sie in der frühneuzeitlichen Apodemik [...] oder auch in empfehlend-bewertenden Reise-
führern verstärkt seit dem 18. Jh. begegnen" (Jäger 2003: 258). Reiseführer werden hierin
aufgrund ihres normativen Charakters als Sachtext und Gebrauchsliteratur angesehen und von
der Reiseliteratur abgegrenzt.

3. Definition des Begriffs Reiseführer
11
Anna-Monika Putschögl-Wild (1978) und Ludwig Neunlinger (1982) grenzen ebenfalls Rei-
seführer durch ihre Betonung des praktischen Nutzens (Reisevorbereitung, Streckenplanung,
Nachschlagewerk vor Ort) von der Reiseliteratur ab, wenngleich sie auch anklingen lassen,
dass eine eindeutige Abgrenzung der Reiseliteraturarten nicht möglich scheint
(Strauch 2003: 127, Putschögl-Wild 1978: 19f, Neunlinger 1982: 14, Scherle 2000: 62f).
Das Literaturwissenschaftliche Lexikon hingegen sieht Reiseführer als der Reiseliteratur zu-
gehörig an: ,,Reiseliteratur ist der Oberbegriff für Darstellungen tatsächlicher oder fiktionaler
Reisen. Er umfasst zum einen die mehr sachorientierten Reisehandbücher, die nützliche In-
formationen für Reisende geben (Pilger-, Wallfahrtswegeführer, Reiseführer, Reisebücher)
sowie die wissenschaftliche Reisebeschreibung (Forschungsreise) [...]. Zum anderen zählen
die literarische Reisebeschreibung, der literarische Reisebericht, die Reiseerzählung und der
Reiseroman zur Reiseliteratur, in denen die tatsächlichen oder erfundenen Reiseerlebnisse
literarisch geformt werden" (Holdenried 1997: 283).
Auch die Literaturwissenschaftlerin Sabine Gorsemann sieht den Reiseführer als Teil der Rei-
seliteratur an, da sein ,,konstituierendes Moment die zu bereisende Region und die Reise
selbst sind" (Gorsemann 1995: 109). Sie erkennt dem Reiseführer neben dem praktischen
Nutzen/ Gebrauchswert eine Bildungsfunktion zu, da er den Reisenden über das für ihn frem-
de Reiseziel informiert (Gorsemann 1995: 109, 111). Auch Neunlinger und Putschögl-Wild
erwähnen eine Beratungs- und Unterrichtungsfunktion der Reiseführer (Strauch 2003: 127).
Gorsemann sieht Reiseführer hingegen nur ,,insofern [als] Sach- oder Gebrauchstexte an, als
sie ihren Gegenstand der Realität entnehmen und ihn literarisch reproduzieren" (Gorsemann
1995: 109) und damit zur nichtfiktiven Literatur gehören (Gorsemann 1995: 109, 111).
Ebenso ordnet Ulrike Pretzel (1995) Reiseführer der Gattung Reiseliteratur zu, innerhalb de-
rer sie diese von wissenschaftlichen Reisebeschreibungen sowie dichterisch ausgestalteten
Wiedergaben von persönlichen Reiseerlebnissen abgrenzt (Pretzel 1995: 19). Reiseführer
zeichnen sich laut Pretzel durch Sachlichkeit (jedoch nicht durch Wissenschaftlichkeit), leich-
te Nachvollziehbarkeit, einfache und kompakte Erklärungen und Darstellungen aus (Pretzel
1995: 22f).
Sie liefern dem Reisenden Informationen, die für ihn nicht auf den ersten Blick zu
erschließen sind (Land und Leute, Essen und Trinken, Fahrpläne etc.) und sollen ihn durch die
unbekannte Region führen (Pretzel 1995: 23). Damit spricht auch Pretzel sowohl den
Gebrauchswert als auch die Bildungsaufgabe als Kennzeichen der Reiseführer an.

3. Definition des Begriffs Reiseführer
12
Der Kulturgeograph Nicolai Scherle betont v.a. die interkulturelle Dimension der Reiseführer.
Er zitiert Maria Anna Hälker vom DuMont Buchverlag: ,,Es geht um den Versuch, Brücken
zu anderen Kulturen zu bauen, den Blick zu öffnen, die Wahrnehmung zu schärfen, unge-
wohnte Phänomene zu erklären, Einfühlung zu ermöglichen. [...] Das Eintauchen in andere
Welten und Zusammenhänge kann unerwartete Erlebnisse und geistige Bereicherungen brin-
gen, bei denen Reiseführer Anregungen bieten und Augen öffnen können" (Hälker 1999: 84-
85,
Hälker zit. n. Scherle 2001a: 335). Die interkulturelle Vermittlung ist ebenfalls zur Bil-
dungsaufgabe der Reiseführer zu zählen.
Laut Ann P. Strauch weisen die Definitionsansätze von Neunlinger, Putschögl-Wild und
Gorsemann gemeinsame Hauptmerkmale von Reiseführern auf (Strauch 2003: 127). Auch die
Ausführungen von Pretzel und Scherle unterstützen Strauchs These. Ein erstes wichtiges
Merkmal der Reiseführer ist ihr praktischer Nutzwert, ihre
Wegweiserfunktion durch die An-
gabe von Öffnungszeiten, Eintrittspreisen, Routenvorschlägen etc. Als weiteres wichtiges
Merkmal kristallisiert Strauch die Unterrichtungs- bzw. Bildungsfunktion (Beschreibung von
Sehenswürdigkeiten, Geschichte, Land und Leute etc.) heraus. Diese Merkmale ermöglichen
dem Leser die Orientierung in der Fremde sowie die Möglichkeit, die Fremde zu erfassen und
zu begreifen (Strauch 2003: 127). Aufgrund dieser Erkenntnis definiert sie ,,Reiseführer als
eine Publikation für die Beratung und Unterrichtung eines Touristen über sein Reiseziel"
(Strauch 2003: 128). Damit ist eine sehr weite Begriffsdefinition entstanden, die auf dem
kleinsten gemeinsamen Nenner der bisherigen Definitionen beruht. Der weitgefasste Begriff
entspricht wiederum dem umfangreichen Angebot an unterschiedlichsten Reiseführern. Des-
halb soll Strauchs Definition die Grundlage der weiteren Ausführungen sein.

4. Reiseführer-Typologie
13
4. Reiseführer-Typologie
Aufgrund des stark spezialisierten Angebots an Reiseführern ist es schwierig, eine Typisie-
rung zu erstellen, die sämtlichen Reiseführern gerecht wird. Eine Typisierung steht immer im
engen Zusammenhang mit den theoretischen Ausgangsüberlegungen (Popp 1997: 173).
Denkbar wäre eine Gliederung der Reiseführer nach Reisezielen/ geographischen Gesichts-
punkten (ein Land, mehrere Länder, Landesteile, Routen, Kontinente) oder Gegenstandsberei-
chen (Rotpart 1995: 148), so wie dies in vielen Reiseabteilungen der Buchhandlungen ge-
handhabt wird.
Laut Scherle haben sich (unter Verweis auf Untersuchungen von Popp 1994, Pinkau 1997 und
Scherle 2000) für inhaltsanalytische Untersuchungen von Reiseführern insbesondere Typisie-
rungen als praktikabel erwiesen, die hauptsächlich der konzeptionell-thematischen bzw. der
zielgruppenspezifischen Ausrichtung der Reiseführer folgen. Scherle stellt exemplarisch vier
Reiseführertypen vor, die sich bei einer qualitativen Inhaltsanalyse bewährt haben:
Einstei-
ger-, Generalist-, Alternativ- und Spezial-Reiseführer (Scherle 2001a: 341).
Tab. 1: Reiseführer-Typisierung nach ihrer konzeptionell-thematischen respektive zielgruppenspezifi-
schen Ausrichtung
Reiseführertyp
Charakteristika
Einsteiger-Reiseführer
-
dient primär zur ersten Information über das Ziel
-
die behandelten Aspekte sind kurz gehalten
-
zahlreiche tabellarische Darstellungen
-
touristische Höhepunkte werden vorgestellt
-
destinationsspezifische Hintergrundinformationen nehmen eher unterge-
ordneten Stellenwert ein
-
Konvergenz hinsichtlich Umfang, Preisniveau und manchmal auch Auto-
renschaft
-
z.B. Marco Polo Reiseführer
Generalist-Reiseführer
-
inhaltlich breites und tiefes Themenspektrum
-
möglichst umfassende Darstellung des Reiseziels: i.d.R. sehr ausführli-
cher allgemeiner und regionaler Teil plus reisepraktische Informationen
-
Aufmachung und Layout sind divergent
-
Klassische Reiseführer wie der Baedeker
Alternativ-Reiseführer
-
wendet sich an Reisende, die ihr Ziel selbständig kennenlernen wollen
-
Destinationen werden jenseits der ausgetretenen Pfade erschlossen
-
Reisepraktische Informationen haben wichtigen Stellenwert
-
Autoren verstehen sich als Insider; lassen oft persönliche Erfahrungen
einfließen
-
Erscheinen seit Ende der 1960er Jahre
Spezial-Reiseführer
-
ist auf eine vertiefte Behandlung eines Schwerpunktthemas beschränkt
oder an einer spezifische Zielgruppe ausgerichtet
-
z.B. Kunstreiseführer
(Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Scherle 2001a: 340).

4. Reiseführer-Typologie
14
Auf der Basis einer Befragung von Reiseführer-Verlagen stellte Steinecke bereits 1988 eine
Typologisierung nach Zielgruppen auf. Das Modell umfasst sechs Grundtypen von Reisefüh-
rern: Reiseführer
(1)
für alle, ohne genauere Spezifizierung einer Zielgruppe,
(2)
für soziodemographische Gruppen,
(3)
für Interessengruppen (von Kunst- bis Umweltinteressierten),
(4)
für Aktivitätsgruppen (von Wanderern bis Städtereisenden),
(5)
für Verkehrsmittelnutzer und
(6)
für Individual- und Veranstalterreisende (Steinecke 1988: 18-22).
Zudem entwickelte Steinecke 1988 ein weiteres, diesmal theoretisches Modell zur Typisie-
rung von Reiseführern nach ihren Funktionen. Dabei griff er auf ein älteres Modell des Sozio-
logen Erik Cohen aus dem Jahr 1985 zurück, der darin versuchte, Reiseleiter zu typologisie-
ren. Steinecke ging davon aus, dass Reiseführer eine entpersonifizierte Form von Reiseleitern
seien und übertrug Cohens Überlegungen auf die Bücher (Steinecke 1988:22). Dabei ging er
von zunächst zwei Kernaufgaben des Reiseführers aus: ,,Er muß dem Reisenden die Orientie-
rung in der Fremde ermöglichen (Orientierungsebene) und er muß ihm Kenntnisse über die
besuchte Region vermitteln (Vermittlungsebene). Beide Aufgaben lassen sich in einem weite-
ren Schritt noch unterteilen [...]" (Steinecke 1988: 23). ,,Die vermittelten Informationen [...]
werden danach beurteilt, ob sie sich nach außen (= touristische Umwelt) oder nach innen
(= Tourist) beziehen" (Rotpart 1995: 151). Daraus ergeben sich vier Funktionen bzw. Reise-
führertypen: der Wegweiser, der Organisator, der Animateur und der Interpret (siehe Tab. 2).
Nahezu jeder Reiseführer beinhaltet in unterschiedlichem Ausmaß alle vier Funktionen, je-
doch dominiert jeweils eine dieser Funktionen, so dass grundsätzlich jeder Reiseführer einem
der Typen zugeordnet werden kann (Steinecke 1988: 23). Obwohl das Modell Steineckes be-
reits aus dem Jahr 1988 stammt, bleibt es bis heute das gängigste, um sich einen Überblick
über die Reiseführerangebote zu verschaffen (Scherle 2001a: 338, Strauch 2003: 128, Popp
1997: 173). Zudem hat sich seit seiner Entwicklung an den Grundkonzepten der Reiseführer
nicht viel verändert (Strauch 2003: 128). Dennoch kann auch dieses Modell nicht ausschlie-
ßen, dass manche Bänder oder Reihen, die sich selbst als Reiseführer verstehen, von ihm aus-
gegrenzt werden (Lauterbach 1989: 214).

4. Reiseführer-Typologie
15
Tab. 2: Reiseführer-Typisierung nach ihren Funktionen
bezogen
auf die touristische Umwelt
bezogen
auf den Touristen
Orientierungsebene
Wegweiser
-
Richtung und Route
-
Zugang
Schwerpunkt:
Orientierung in der Fremde
Inhalte:
Reisevorbereitung, Routenbeschreibun-
gen, Fährverbindungen, Entfernungs-
angaben, Übernachtungsmöglichkeiten,
etc.
Beispiele:
Tourenführer, Wanderführer, Radwan-
derführer, Bergwanderführer, Skiwan-
derführer
Animateur
-
emotionale Sicherheit
-
touristische Treffpunkte
-
Animation/ Interessen
Schwerpunkt:
Verwirklichung eigener (Freizeit-) Inte-
ressen in der Fremde
Inhalte:
Angaben über Freizeitmöglichkeiten
(etwa Fahrradverleih, Discos), Ein-
kaufsmöglichkeiten, Restaurants, Adres-
sen von Gleichgesinnten
Beispiele:
Erlebnisführer, Szeneführer, Sportführer,
kulinarische Ratgeber
Vermittlungsebene
Organisator
-
Reiseorganisation
-
Transportmöglichkeiten
-
Verkehrsverbindungen
-
Unterkunft und Verpflegung
Schwerpunkt:
Organisation von Reise, Unterkunft und
Verpflegung in der Fremde
Inhalte:
Adressen von Unterkünften, Ein- und
Ausreisebestimmungen, Ferientermine,
Verkehrsverbindungen, Reise- und
Flugbüros
Beispiele:
Unterkunftsreiseführer, Reiseführer für
Pkw-Touristen
Interpret
-
Auswahl von Sehenswürdigkei-
ten
-
Detailinformation
-
Hintergrundinformation
-
Interpretation/ Kulturvermitt-
lung
Schwerpunkt:
Vermittlung von Wissen über die fremde
Kultur und Gesellschaft
Inhalte:
Hintergrundinformationen über Ge-
schichte, Geographie, Wirtschaft, Gesell-
schaft und Kultur; Detailwissen zu
Kunstgeschichte, Architektur, Natur;
Verhaltenshinweise zu Sitten und Ge-
bräuchen
Beispiele:
Land & Leute Führer, Kunstführer,
Themenführer
(Quelle: Steinecke 1994: 20)

5. Gestaltungskriterien für Reiseführer
16
5. Gestaltungskriterien für Reiseführer
Könnten auf der Suche nach dem idealen Reiseführer nicht einfach die Verkaufszahlen
zugrunde gelegt werden? Sind die meistverkauften auch die besten Reiseführer? Eine solche
Gleichsetzung von Quantität und Qualität wäre bei dem Produkt Reiseführer ebenso falsch
wie bei anderen Produkten. Qualität ist ein wichtiger Verkaufsfaktor, aber nicht der einzige.
In die Regale der Buchhandlungen gelangt vor allem das, was günstig bezogen werden kann,
z.B. durch Gewährung von Rabatten, durch Präsentationshilfen (z.B. Drehständer) sowie auf-
wendige Werbung seitens der Verlage. Viel hängt auch von den persönlichen Beziehungen
zwischen Buchhändler und Verlagsvertreter ab. Zudem fallen bei Warenbewirtschaftungssys-
temen einige Titel wegen aufwendiger Nachbestellung oft aus dem Programm (Huber 1999:
91f). Das, was nicht den Weg in die Regale findet, steht dem Kunden somit nicht zur Verfü-
gung bzw. ist unter Umständen schwierig zu bekommen ­ immer vorausgesetzt, dass der Rei-
sende überhaupt von dem Reiseführer weiß bzw. dessen Vorzüge kennt. Aus ökonomischen
Gründen werden dem Kunden Reiseführer vorenthalten, auch wenn sie seinen Interessen und
Ansprüchen evtl. viel stärker entgegen kommen. Die Verkaufszahlen sagen daher nicht zwin-
gend etwas über die Qualität des Produktes aus. Es müssen andere Wege gefunden werden,
um den Qualitätskriterien eines guten Reiseführers auf die Spur zu kommen.
Die zahlreichen Funktionen, die Reiseführer erfüllen und die vielen verschiedenen Zielgrup-
pen, an die sie sich richten, machen es schwer, allgemeingültige Aussagen über Konzept,
Aufbau, Inhalt und Gestaltung eines guten Reiseführers zu treffen (Steinecke 1988: 29). Je
nach Urlaubstyp und Urlaubsform unterscheiden sich Ansprüche und Anforderungen an Rei-
seführer (Strauch 2003: 128). Es scheint nahezu ausgeschlossen, einen gemeinsamen Nenner
für die verschiedenen Ansprüche zu finden. Müssen Anspruch und Realität daher zwangsläu-
fig auseinanderklaffen? Oder können grundlegende Qualitätskriterien definiert werden? In
verschiedenen Tests, Befragungen, Analysen und theoretischen Überlegungen wurde dieser
Frage nachgegangen. Sie sollen im Folgenden vorgestellt und bewertet werden.

5. Gestaltungskriterien für Reiseführer
17
5.1. Die Meinung der Experten
Die Stiftung Warentest hält grundsätzlich alle Waren und Dienstleistungen für testbar und
führte deshalb bereits mehrere Tests von Reiseführern durch. Die Tests erforderten eine glei-
che Anzahl von Experten und Laien, die die Bücher mit Hilfe eines standardisierten Fragebo-
gens bewerteten. Zunächst wurde festgestellt, ob die wichtigsten Sehenswürdigkeiten be-
schrieben wurden, ob die Texte ,,sachlich richtig, verständlich und ausführlich dargestellt"
(Murko 1999: 94) waren. Gleiches galt für die Rubriken ,,Geschichte, Aktuelle Situation,
Kunstgeschichte, Geographie/ Geologie, Klima, Wirtschaft, Regionale Küche, Demographie
und Sprachführer" (Murko 1999: 94). Bei Karten und Plänen kam es darauf an, dass sie gut
lesbar und genau waren, und dass sie zusätzliche Karten überflüssig machten. Bei den prakti-
schen Reisehinweisen musste die Darstellung von Apotheken, Banken, Camping, Einkaufs-
möglichkeiten, Feiertagen, Festen, Gesundheitshinweisen, Hotels, Informationsbüros, Notruf-
nummern, Post, Restaurants, Sportmöglichkeiten, Telefon, Unterhaltung, Veranstaltungen und
Verkehrsmitteln beurteilt werden (Murko 1999: 95). Außerdem wurden noch ,,Redakti-
onsschluß; Erscheinungsjahr und Auflage; Fotos und Illustrationen (Reichhaltigkeit, Informa-
tionswert, Textbezug, Qualität); Inhaltsverzeichnis; Register; weitere Orientierungshilfen; die
Informationssuche; Literaturhinweise und die Aufmachung des Buches (Layout, Papierquali-
tät, Bindung, Lesbarkeit, Handlichkeit)" (Murko 1999: 95) einer Prüfung unterzogen. Zusätz-
lich mussten die Tester erkennen, ob sich der Reiseführer an eine bestimmte Zielgruppe wen-
dete bzw. an welche. Zusammenfassend wurden schließlich noch einmal ,,der Umfang/ die
Vollständigkeit der Informationen, die sachliche Richtigkeit, die Praktikabilität der Empfeh-
lungen, die Aktualität, [und] die Verständlichkeit (Sprache, Stil)" (Murko 1999: 95) bewertet.
Ein abschließendes Gesamturteil wurde jedoch nicht veröffentlicht, da die Reiseführer zu we-
nig vergleichbar und die Erwartungen an sie zu unterschiedlich waren. In der Rubrik ,,Unser
Rat" wurden allerdings die aus Sicht der Redaktion besten Titel jeder Preisgruppe empfohlen
(Murko 1999: 94f).
Ähnlich verfuhr das bis ins Jahr 2002 erschienene Reisemagazin GLOBO. Es brachte jährlich
ein Extraheft mit der größten vergleichenden Marktübersicht von Reiseführern in Deutschland
heraus. Dazu wurden die Reiseführer in vier Kategorien eingeteilt:
-
in ,,Individualisten" (Reisen auf eigene Faust; besonders wichtig: genaue Recherche
von praktischen Infos (z.B. Fahrpläne) und Empfehlungen),
-
in ,,Preisgünstige" (geringer Umfang, max. 130 Seiten, unter 10 Euro, als erste Lektü-
re/ für kurze Städte- der Inseltrips/ zum Nachschlagen),

5. Gestaltungskriterien für Reiseführer
18
-
in ,,Allrounder" und
-
in ,,Aufwendige" (gut zur Reiseeinstimmung, Vor- und Nachbereitung).
Der Bewertungskatalog enthielt wiederum vier Hauptpunkte:
-
Fakten (Anzahl der Titel, Format, Preis, Gewicht);
-
Übersichtlichkeit (Gliederung/ Inhalt, Register, Kartographie, Fotos/ Layout);
-
Hintergrund (Geschichte/ Kultur, Geographie/ Natur, aktuelles Geschehen, Routen-
vorschläge zum Wandern, Rad- und Autofahren) und
-
Service (allgemeine Hinweise von Anreise bis Zeitunterschied, Tipps zu Unterkunft/
Hotels und Restaurants/ Essen/ Trinken).
Zum Schluss stand auch hier keine Gesamtnote, dafür aber ein Fazit, das die Besonderheiten
des Reiseführers, Angaben zur Zielgruppe oder zum Preis-Leistungsverhältnis sowie eine
persönliche Einschätzung des Autors enthielt (Herb 1999: 96f).
Die oben genannten Tests bewerten Reiseführer in verschiedenen vorgegebenen Kategorien.
Der Leser kann sich anhand der Auflistung heraussuchen, welche Kategorie ihm wichtig er-
scheint und wie die einzelnen Reiseführer darin abgeschnitten haben. Diese Tests sagen nichts
darüber aus, welche Kategorie den Lesern am wichtigsten ist. Sie liefern Kriterien, anhand
derer die Qualität eines Reiseführers überprüft werden kann.
Bei Gorsemanns Analyse ist dies
ebenso.
Diese führte 1995 eine Untersuchung von Island-Reiseführern durch. Dabei überprüfte sie die
Reiseführer anhand eines selbst entwickelten Kriterienkatalogs, ohne jedoch eine explizite
Gewichtung der Kriterien vorzunehmen, so dass keine Rückschlüsse auf deren Wichtigkeit
für die Leser möglich sind. Sie analysierte die Schwerpunkte der einzelnen Reiseführer und
konnte so herausfinden, für wen und für welche Zwecke der Reiseführer geeignet war.
Insgesamt ging Gorsemann von einem thematischen Basisprogramm aus, das üblicherweise
vier Hauptpunkte umfasst:
-
Übersichtlichkeit
-
Hintergrund (geographisches Grundwissen, Geschichte/ Kunst/ Religion, Politik/ So-
ziales/ Aktuelles)
-
Beschreibungen (spezielle Erklärungen zu Aspekten von Kunst, Kultur, Natur; Rou-
tenvorschläge)
-
Service (praktische Hinweise von A bis Z).
Dies sind ihre Minimalanforderungen an Reiseführer (Gorsemann 1995: 112f).

5. Gestaltungskriterien für Reiseführer
19
In bezug auf die Gegenständlichkeit des jeweiligen Buches wählte sie folgende technische
Kriterien aus:
-
Handhabbarkeit (handliches Format, Dicke, Gewicht),
-
Haltbarkeit (robuster Umschlag und Einband, Paperback, Papierqualität muss Witte-
rung standhalten),
-
Übersichtlichkeit (z.B. Karten (herausnehmbar, aufklappbar), praktische Reiseinfor-
mationen auf andersfarbigem Papier gedruckt),
-
Drucktechnik (Papiersorte, Wiedergabe von Fotos) (Gorsemann 1995: 123-126).
Hinsichtlich der formalen Organisation beachtete sie visuelle Mittel, die der optischen Her-
vorhebung dienen. Darunter fallen: Fettdruck, ,,Besternen", unterschiedliche Schriftart, Un-
terstreichung, Unterlegung von Textabschnitten, Piktogramme, Skizzen, Pläne, Tabellen, Fo-
tos, Vignetten und Verschiedenfarbigkeit. Dabei ging sie der Frage nach, ob diese Mittel
sinnvoll zur Strukturierung eingesetzt wurden. Wurde ein guter Ausgleich zwischen reinem
Text und optischer Überforderung gefunden? Als weitere formale Strukturelemente achtete
Gorsemann auf Verweise/ Abbildungsverweise, Register und die formale Sorgfalt (Recht-
schreibung, Grammatik, fehlende/ falsche Bezüge, Verwechslungen) (Gorsemann 1995: 126-
129).
Inhaltlich kam es ihr auf die Verständlichkeit, Übersichtlichkeit und Ästhetik des Textes an.
Übersichtlichkeit und Struktur wurden u.a. anhand des Inhaltsverzeichnisses bewertet, da In-
haltsverzeichnisse das Organisationsprinzip (Routen, Regionen, Alphabet) erkennen lassen.
Es wurde auch darauf geachtet, dass Kapitelüberschriften und Inhaltsverzeichnis überein-
stimmen. Erstaunlicherweise war dies nicht bei allen Büchern der Fall (Gorsemann 1995:
129-132). Zudem untersuchte Gorsemann den stilistischen Sprachgebrauch (episch, narrativ,
unterhaltend, wissenschaftlich etc.) (Gorsemann 1995: 133-148).
Eine Gewichtung der Qualitätskriterien ergab sich aus einer Umfrage unter Reiseführerverla-
gen, die Steinecke im Sommer 1987 durchführte. Die Verlage sollten angeben, was aus ihrer
Sicht die wichtigsten Merkmale eines guten Reiseführers sind. Die nachfolgende Tabelle führt
die Ergebnisse auf:

5. Gestaltungskriterien für Reiseführer
20
Tab. 3: Merkmale eines guten Reiseführers aus Sicht der Verlage
Frage: ,,Was sind nach Ihrer Meinung die wichtigsten Merkmale eines guten Reiseführers?"
Reiseführer-Verlage
n = 48
(Mehrfachnennungen)
Nennungen
in Prozent
Nennungen
Absolut
Übersichtlichkeit
14,4
23
Aktualität 11,3
18
Vermittlung von Land und Leuten
10,6
17
Tipps und Informationen
10,0
16
Zuverlässigkeit/ Ehrlichkeit
9,4
15
Kompetente Autoren
6,9
11
Handlichkeit 6,9
11
Exakte Karten
5,0
8
Lesbarkeit/ Verständlichkeit
3,8
6
Routen-/ Ortsbeschreibungen
3,8
6
Ausführlichkeit 3,1
5
Interesse/ Neugier wecken
2,5
4
Einfühlungsvermögen 2,5
4
Zielgruppenorientierung 2,5
4
Gute Fotos
1,9
3
Gutes Preis-Leistungs-Verhältnis
1,2
2
Preisangaben 1,2
2
Klare Themenbezogenheit
0,6
1
Orientierung vor und während der Reise
0,6
1
Gute Druckqualität
0,6
1
Gute Typographie
0,6
1
Haltbarkeit 0,6
1
Nennungen insgesamt
100,0
160
(Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Steinecke 1988: 30-36).
Hälker vom DuMont Buchverlag hält die Zielgruppenorientierung für den Erfolg von Reise-
führern für ausschlaggebend. Verleger müssen sich fragen: ,,Für welchen Reisenden mache
ich meine Bücher? Was genau will dieser Benutzer wissen, und welche Orientierungsinforma-
tion benötigt er?"
(Hälker 1999: 83). Im gleichen Maße wie für den Verleger gilt dies für die
Autoren. Des Weiteren kristallisiert Hälker Qualitätsmerkmale von Reiseführern heraus, de-
ren praktischer Nutzen sich messen und überprüfen lässt ­ unabhängig von Zielgruppe und
inhaltlichem Schwerpunkt. Dazu zählt sie die Aktualität der Adressen, den aktuellen For-
schungsstand bzgl. der Inhalte, Service-Infos (gezielte Zusammenstellung von Adressen,
Tipps, Auskünften), Karten (Vierfarbdruck, gegenstands-/ themenbezogene Aufbereitung,
Abstimmung mit dem Text) und übersichtliche Anordnung der Informationen. Übersichtlich-
keit wird am Inhaltsverzeichnis, dem Register und optischen Mitteln (Aufmacherseiten,
Sternchensysteme, farbige Griffleisten, Vernetzung von Karte und Text) festgemacht (Hälker
1999: 83f).
Im Juni 2005 prüfte der TÜV SÜD zum ersten Mal Reiseführer. Es wurden jedoch nicht wie
bei Stiftung Warentest und GLOBO Extra verschiedene Reiseführer gegenübergestellt, son-

5. Gestaltungskriterien für Reiseführer
21
dern lediglich die Reihe MERIANlive! begutachtet. Die Bücher wurden zunächst anhand von
über 400 Prüfkriterien einer formellen Untersuchung unterzogen. Dabei wurde auf kompaktes
Wissen (Beantwortung der wichtigen Anwenderfragen,
sinnvolle Informationstiefe in den
einzelnen Bereichen, korrekte Wiedergabe wichtiger Details (Öffnungszeiten, Sterne-
Kategorisierung etc.)), schnelle Orientierung (Lesefreundlichkeit, Übersichtlichkeit, Orientie-
rungssystem), aktuelle Inhalte (Umrechnungs-, Klimatabellen, Eintrittspreise, Rufnummern,
politische Verhältnisse etc.) geachtet. Anschließend mussten Probanden mit den Reiseführern
einen praktischen Anwendertest durchführen. Abschließend wurde ein Akzeptanztest durch-
geführt, der die subjektive gefühlte Qualität ermitteln sollte (Kamen die Leser mit dem Reise-
führer gut zurecht? Wie haben sie Layout, Bildauswahl und Optik wahrgenommen?). Ent-
scheidend für die Zertifizierung der MERIANlive!-Reiseführer durch den TÜV waren die
Aktualität der Hinweise, die Übersichtlichkeit sowie die ideale Informationstiefe. Bisher ist
der MERIANlive! der einzige TÜV SÜD geprüfte Reiseführer (o.V. 2005b: 1f).
Die Reiseführerautorin und Redakteurin des Informationsdienstes ,,TourismWatch" Ludmilla
Tüting richtet den Blick in eine moralisch-ethische Richtung und entwickelte 1986 vor dem
Hintergrund des Vorwurfs der Schönfärberei, Ignoranz und Intoleranz von Reiseführern und
im Zusammenhang mit dem Alternativtourismus in Dritte-Welt-Länder eine Tabu-Liste. Dar-
in heißt es, in Reiseführern sind ,,ausbeuterische Schnorrertipps (Reisen ohne Geld), illegale
Tipps (,,Obwohl verboten..."), Schwarzmarkt, Drogen, Waffen, Prostitutions-Tourismus, dis-
kriminierende Bezeichnungen wie Eingeborene, Neger, primitiv etc., Rassismus, Tips zum
Kauf von gefährdeten Tieren und Pflanzen (ausgestopft, Elfenbein, Froschschenkel, Schild-
kröten) oder echte Antiquitäten, jedweder Geheimtipp [sowie] Anreisetipps zu schutzbedürf-
tigen ethnischen Minderheiten" (Tüting 1986 zit. nach Steinecke 1988: 47 und Rotpart 1995:
179) tabu. Somit kann ein guter Reiseführer sich auch über das definieren, was er nicht ent-
hält. Tüting stellte zusätzlich eine Positiv-Liste für Reiseführer auf.
Tab. 4: Positiv-Liste von Tüting 1986
Respekt und Verantwortung gegenüber dem Gastland
Keine Missachtung der einheimischen Wertmaßstäbe (auch wenn sie uns unverständlich sind)
Die Menschen werden nicht in wenigen Sätzen abgehakt
Minderheiten, Stellung der Frau, Verletzung der Menschenrechte finden Beachtung
Ökologie
Angewandter Umweltschutz für Touristen (Abfall, Holzverbrauch, Artenschutzgesetz, Rücksicht und Geduld
gegenüber den ,,Bereisten")
Ausführliche Verhaltenstipps/ Gastfreundschaft
(Quelle: Rotpart 1995: 179)

5. Gestaltungskriterien für Reiseführer
22
Scherle wendet seinen Blick in dieselbe Richtung wie Tüting. Im Anschluss an eine Analyse
von Marokko-Reiseführern gibt Scherle Empfehlungen für Reiseführerautoren, insbesondere
im Hinblick auf Reiseführer als interkulturelles Medium.
In bezug auf Reiseführer sollten Autoren
-
sich für eine Begegnung und Verständigung zwischen Reisenden und Einheimischen
einsetzen,
-
konkrete Hilfestellung geben, um dem Reisenden das Eingewöhnen in die fremde Kul-
tur zu erleichtern,
-
die Sprache verantwortungsbewusst einsetzen,
-
die einheimische Bevölkerung zu Wort kommen lassen,
-
die touristischen Kulissen kritisch hinterfragen,
-
Kulturen auf neuen Wegen zugänglich machen,
-
sich thematisch beschränken können,
-
Hinweise auf weiterführende Literatur liefern (Scherle 2001b: 11f).
Auch Michael Rotpart weist darauf hin, dass das Ziel von Reiseführern nicht sein darf, den
Reisenden vollständig unabhängig von Informationen vor Ort zu machen. Reiseführer sollen
zwar der Orientierung dienen, sollen aber dennoch zur Kommunikation mit den Einheimi-
schen und zur weiteren Informationsaufnahme durch eigene Erlebnisse anregen. Die in den
Reiseführern wiedergegebene Sichtweise darf nicht als Doktrin verstanden werden (Rotpart
1995:180). Tüting, Scherle und Rotpart sprechen sich in gewisser Weise für eine ,,moralisch-
ethisch korrekte Erziehung" der Reisenden aus. Das Werben für einen korrekten Umgang mit
dem Gastland und seinen Gastgebern ist durchaus berechtigt und wichtig. Jedoch sollte darauf
geachtet werden, dass der Autor nicht als ,,Oberlehrer" (,,Ich weiß, was moralisch für euch gut
ist, also hört auf mich.") auftritt und dadurch womöglich nur das Gegenteil bewirkt. Der Leser
sollte sich nicht bevormundet fühlen, was das ,,richtige" Reisen betrifft.
Rotpart erläutert zudem, dass bei der Qualitätsbeurteilung eines Reiseführers auch der Zeit-
punkt seiner Nutzung eine Rolle spielt. Vor Reiseantritt sind v.a. allgemeine organisatorische
Informationen (Klima, Währung, Einreisebestimmung etc.) und eine Landeskunde (Land und
Leute, Geschichte etc.) von Bedeutung. Während der Reise kommt es insbesondere auf De-
tailinformationen (Sehenswürdigkeiten, Ausflugstipps, Unterkunft etc.) an. Nach der Reise
wird der Reiseführer meist nur zur Auffrischung der Erinnerung genutzt (Rotpart 1995: 178f).

5. Gestaltungskriterien für Reiseführer
23
Jürgen Huber bringt eine weitere Komponente ins Spiel und erklärt aus Sicht der Buchhänd-
ler, wie Buchhandlungen Reiseführer für ihr Sortiment auswählen. Da Buchhändler das anbie-
ten wollen, was sich verkauft, haben sie zumeist ein Gespür dafür bzw. einen Überblick dar-
über, was sich die Leser wünschen bzw. was sie kaufen. Von daher scheint es sinnvoll, auch
diese Einschätzung zu beachten. Huber gibt an, dass ca. 50% der Reiseführer (v.a. aus der
oberen Preisklasse) verschenkt werden. Für diese Käufer ist neben Farbfotos das Cover be-
sonders ausschlaggebend. Der Wunsch nach Detailgenauigkeit tritt demgegenüber in den Hin-
tergrund (Huber 1999: 91). Im Hinblick auf den Verkauf von Reiseführern spielen diese Kri-
terien sicherlich eine Rolle. Sie sagen in diesem Zusammenhang jedoch nichts (oder nicht
viel) über die Zufriedenheit der Nutzer mit der Qualität des Buches aus, sondern lediglich
über das Verhalten der Käufer.
5.2. Die Sicht der Käufer und Nutzer
Bislang wurde lediglich die Sicht der Experten dargestellt. Doch woran orientieren sich die
Nutzer und Käufer und wie schätzen sie die verschiedenen Qualitätskriterien eines Reisefüh-
rers ein? Stimmen die Meinungen von Experten und Nutzern überein?
Steinecke nahm neben seiner Befragung von Verlagsvertretern eine Auswertung von 102 Re-
zensionen von Reiseführern aus der FAZ aus dem Jahr 1986 vor. Sie sollten stellvertretend
die Meinung der Reiseführerleser repräsentieren. Daraus ergab sich eindeutig als zentrale
Funktion von Reiseführern, dass sie Verständnis für andere Kulturen und Länder wecken sol-
len, eine Meinung, die auch Tüting, Scherle und Rotpart teilen. Einhellig sprechen sich die
Rezensenten für kompetente Autoren mit umfassenden Landeskenntnissen aus. Diese machen
sie an längeren (beruflichen) Aufenthalten im entsprechenden Land, an Hochschulstudium,
journalistischen Erfahrungen, praktischen touristischen Erfahrungen oder Reiseerfahrungen
fest (Steinecke 1988: 36-38). Zudem sprechen sich in der Kategorie Ausstattung alle für ein
handliches Format, exakte Karten, anschauliche Bilder, weiterführende Literaturangaben, ein
Register sowie eine gute Druckqualität aus. Diese gehören zu den zentralen Ausstattungs-
merkmalen eines Reiseführers (Steinecke 1988: 45f). Mit Ausnahme der weiterführenden
Literaturangaben wurden diese Punkte auch von den Verlagsvertretern genannt. Handlichkeit,
Karten und Übersichtlichkeit/ Register stehen dabei an prominenter Stelle. Unterschiedliche
Meinungen zeigten sich hingegen bei den folgenden Punkten. So stehen Befürworter einer
ausgewogenen Darstellungsweise denjenigen gegenüber, die sich für eine deutliche Positio-
nierung des Autors aussprechen, wobei jedoch zugleich eine einseitige Informationsauswahl

5. Gestaltungskriterien für Reiseführer
24
vermieden werden muss. Enzyklopädische Vollständigkeit steht subjektiver Auswahl von
Sehenswürdigkeiten gegenüber, die sachliche Information dem atmosphärischen Bericht, der
eindeutige Reiseführercharakter einer Synthese verschiedener Literaturarten, der alphabeti-
sche Aufbau der inhaltlichen Ordnung, die detailreiche Beschreibung dem Aufzeigen von
Zusammenhängen und der nüchterne Schreibsteil der ,,flotten Schreibe", wobei jedoch von
allen ein einheitlicher Schreibstil gefordert wird (Steinecke 1988: 39-45). Inhaltliche Fragen
werden nicht behandelt. Ein Schwachpunkt dieser Umfrage dürfte darin zu sehen sein, dass
nicht ,,durchschnittliche Leser" sondern professionelle Leser bzw. Rezensenten befragt wur-
den und somit evtl. nicht die Meinung des normalen Nutzers wiedergegeben wurde. Zudem ist
die Umfrage recht alt. Die wiedergegebenen Ansichten haben sich möglicherweise inzwi-
schen geändert.
Jan-F. Kobernuß fand 1989 bei einer Befragung von Besuchern der Lüneburger Heide heraus,
dass ihnen in Reiseführern insbesondere Hintergrundinformationen sowie Tipps und Vor-
schläge wichtig sind, dicht gefolgt von dem Anspruch an eine gute Ausstattung der Reisefüh-
rer mit Übersichtskarten, Register etc. Diese Ergebnisse beschränken sich jedoch auf das
Zielgebiet der Lüneburger Heide (Kobernuß 1989: 99). Allerdings werden darin Kriterien
gefordert, die auch bei Steinecke eine wichtige Stellung einnehmen.
Jeanette de Pauli ermittelte in ihrer Befragung von Reiseführer-Nutzern aus dem Jahr 1993,
dass die Leser folgende inhaltliche Grundelemente erwarten:
Tab. 5: Inhaltliche Grundelemente von Reiseführern
Informationen über Land und Leute
100% der Befragten
Geschichte 99%
Beschreibung der Sehenswürdigkeiten
99%
Kapitel zu Kunst und Kultur
98%
Karten 97%
Allgemeine Reiseinformationen
95%
Tipps und Verhaltensregeln
94%
Sprachhilfen 66%
Essays 50%
(Quelle: eigene Darstellung nach de Pauli 1994: 54)
Je jünger die Käufer, desto wichtiger war ihnen das Thema Umwelt/ Ökologie im Reiseführer
(de Pauli 1994: 54). Gestützt auf all ihre Befragungsergebnisse charakterisiert de Pauli einen
idealen Reiseführer aus Sicht der Nutzer folgendermaßen:
Er muss übersichtlich gegliedert und die praktischen Reiseinformationen müssen nützlich und
prägnant sein. Der Reiseführer sollte Karten sowie (kommentierte) Hotel- und Restaurantvor-

5. Gestaltungskriterien für Reiseführer
25
schläge enthalten. Dabei müssen die Angaben auch den Ansprüchen von Individualtouristen
genügen. Deshalb sollte er umfassende Informationen bieten, dabei jedoch das Wesentliche
nicht aus den Augen verlieren. Inhaltlich sollte er das Spektrum Kunst, Kultur, Sehenswür-
digkeiten, Land & Leute, Freizeit- und Unterhaltungsmöglichkeiten sowie Routenvorschläge
abdecken, dabei aber handlich bleiben. Stilistisch ist der Reiseführer anregend zu schreiben.
Er muss gut lesbar und aufgelockert gestaltet sowie mit Farbabbildungen ausgestattet sein, so
dass das Zielgebiet lebendig präsentiert wird. Zuverlässigkeit, Genauigkeit, Ehrlichkeit und
Aktualität haben oberste Priorität. Der Reiseführer muss darüber hinaus ein übersichtliches
und nützliches Register enthalten. Die Haltbarkeit des verwendeten Materials muss den An-
forderungen des Reisens entsprechen. Schließlich wird von einem Reiseführer ein gutes
Preis-/ Leistungs-Verhältnis erwartet (de Pauli 1994: 60) .
Eckhard Zimmermann vom Polyglott Verlag verweist hinsichtlich eines idealen Reiseführers
genau wie Hälker
auf die Zielgruppen: Sind die Zielgruppen und deren Vorstellungen vom
idealen Reiseführer bekannt? Diesbezüglich stellt er verschiedene Thesen auf, die sich auf
eine Marktuntersuchung der Verlagsgruppe Langenscheidt aus dem Jahr 1997 beziehen. Er
weist darauf hin, dass seine Aussagen nur den Massenmarkt betreffen und nicht Special-
Interest-Gruppen. Die Mehrheit interessiert sich für kleinformatige, leichte und handliche
Bücher, die sich gut mitnehmen und einstecken lassen. Mit einem Umfang von einhundert
flexibel gebundenen Seiten sind die meisten zufrieden. Ihnen reichen diese kleinen Reisefüh-
rer auch zur Reisevorbereitung aus. Die Kunden interessieren sich immer weniger für Sozio-
kulturelles, Historisches und Kulturgeschichtliches. Tiefe, Dichte und Breite der Informatio-
nen werden immer seltener verlangt (Zimmermann 1999: 89).
Zimmermann bezweifelt, dass
der Schwerpunkt von Reiseführern immer noch die kulturelle Wissensvermittlung sein sollte.
Damit steht seine These den Aussagen de Paulis, Rotparts, Scherles, Tütings und Steineckes
entgegen. Zimmermann ergänzt weiter: Vielmehr fordern die Leser eine starke optische Glie-
derung. Diese wird durch kleine, kompakte und farbig abgesetzte Informationseinheiten er-
zielt. Dazu zählen Tabellen, kleine thematische Karten, kleine Fotos, vorgegebene Reiseein-
heiten sowie kurze, abgeschlossene Texte. Die Inhalte sollen gegenwarts- und nicht vergan-
genheitsorientiert sein, Tipps, Adressen und Telefonnummern liefern. Hintergrundinformatio-
nen, Bildungstiefe, kulturelle Wissensvermittlung und opulente Ausstattung liegen nicht mehr
im Interesse der Mehrheit (Zimmermann 1999: 89).

5. Gestaltungskriterien für Reiseführer
26
Vor dem Hintergrund der Erlebnisorientierung der Reisenden/ Gesellschaft, auf den Zimmer-
mann hingewiesen hat, betont Stephanie Mair-Huydts von Mairs Geographischer Verlag
2
die
Freude, die es bereitet, Reiseführer zu lesen und ihre Ratschläge zu befolgen. Dies ist nur
dann der Fall, wenn alle Angaben aktuell und richtig sind. Unter Berufung auf eine Marktun-
tersuchung des Mairs Geographischer Verlag schätzt sie die Kartographie als wichtigstes
sichtbares Kaufkriterium eines Reiseführers ein. Für 82% der Befragten ist laut dieser Studie
die Kartenausstattung kaufentscheidend. Ebenfalls wichtig für die Kaufentscheidung sind die
graphische Ausstattung und die Bilder, da diese Merkmale direkt überprüft werden können
(Mair-Huydts 1999: 87). Auch Huber hatte bereits auf die Bedeutung des Covers und der
Farbfotos beim Verkauf von Reiseführern als Geschenk hingewiesen (Huber 1999: 91). Bei
diesen Untersuchungsergebnissen ist es wichtig hervorzuheben, dass es sich um Kaufkriterien
und nicht um Qualitätskriterien allgemein handelt. Für die Gewichtung der Kriterien kann
dies einen Unterschied machen, da beim Kauf nicht sofort alle Ansprüche an den Reiseführer
überprüft werden können, so dass in dieser Situation einigen Kriterien möglicherweise eine
größere Rolle zukommt als dies bei einer Gesamteinschätzung aller Qualitätskriterien der Fall
wäre. Außerdem muss der Käufer nicht zugleich auch der Nutzer des Reiseführers sein.
In der ersten deutschen Reiseführeranalyse RFA 2001 von den Tourismusforschern Martina
Guthmann und H. Jürgen Kagelmann wurden Interessenten und potentielle Nutzer von Reise-
führern am Point of Sale befragt. Auch hier ging es hauptsächlich um die Kaufentscheidung.
Die Befragung ergab, dass der großen Mehrheit die Aktualität der Reiseführer wichtiger ist
als der Preis. Zudem wurde den Befragten der RFA 2001 ein Kaufentscheidungskriterienkata-
log vorgelegt, bei dem sie die einzelnen Kriterien je nach subjektiver Bedeutung für ihre
Kaufentscheidung mit Schulnoten von 1 (sehr wichtig) bis 5 (ganz unwichtig) beurteilen soll-
ten. Die wichtigsten Kaufkriterien waren danach Aktualität/ Erscheinungstermin, das Karten-
material, die Gliederung/ Struktur sowie der Informationsteil/ die Adressen (Guthmann/ Ka-
gelmann 2001: 8). De Pauli hatte in ihrer Studie aus dem Jahr 1993 herausgefunden, dass die
Aktualität nicht beim Kauf überprüft wird, sondern stillschweigend vorausgesetzt wird (de
Pauli 1994: 58). Die Befragten der RFA 2001 dagegen nennen die Aktualität als eines der
wichtigsten Kaufkriterien. Dies könnte evtl. darauf hindeuten, dass die Aktualität aufgrund
sich immer schneller ändernder Informationen weiter in den Vordergrund getreten ist. Hohe
Varianz, d.h. divergierende Meinungen über die Bedeutsamkeit für den Reiseführerkauf wie-
sen in der RFA 2001 die Punkte Reihe/ Verlag, Sprachführer, Titelbild/ Äußeres und Hitlisten
2
Seit 2005 heißt der Verlag MAIRDUMONT.

5. Gestaltungskriterien für Reiseführer
27
auf. Die geringste Bedeutung bei der Kaufentscheidung kam dem Autor zu. In Steineckes
Auswertungen wird dem kompetenten Autor dagegen eine recht hoher Rang beigemessen.
Die unterschiedlichen Einschätzungen könnten darauf zurückzuführen sein, dass die Leser die
Kompetenz der Autoren (Zuverlässigkeit, Schreibstil etc.) stillschweigend voraussetzen. Zu-
sätzlich wurden die Interviewpartner der RFA 2001 danach gefragt, was für sie das Aller-
wichtigste bei einem Reiseführer sei. Für 25% war dies der Infoteil/ die Adressen, 15% ent-
schieden sich für die Gliederung/ Struktur, 14% für die Aktualität/ den Erscheinungstermin,
für sämtliche anderen Kriterien entschieden sich jeweils weniger als 10% (Guthmann/ Ka-
gelmann 2001: 8).
Tab. 6: Kaufentscheidungskriterien
Kriterium
Alle Befragten
(n = 608) Mittelwert der
Bewertung
Erscheinungstermin/ Aktua-
lität
1,56
Kartenmaterial 1,86
Gliederung/ Struktur
1,86
Infoteil/ Adressen
1,89
Register 2,02
Geschichte/ Leute
2,11
Format 2,37
Stil/ Sprache
2,41
Geheimtipps 2,49
Umfang/ Dicke
2,51
Bebilderung/ Fotos
2,53
Routenvorschläge 2,54
Hitlisten
2,63
Preis 2,75
Titelbild/ Äußeres
3,20
Reihe/ Verlag
3,35
Sprachführer
3,35
Autor 4,30
(Quelle: Guthmann/ Kagelmann 2001: 8)
Darüber hinaus mussten die Interviewpartner erläutern, warum sie einige Reiseführer nicht
ausgewählt und sich für einen anderen entschieden hatten. Hier spielten offensichtliche inhalt-
liche Aspekte, eine schlechte Struktur, der allgemeine Aufbau, die Gliederung und die Über-
sichtlichkeit eine Rolle. Auch Format, Umfang und Dicke waren von Bedeutung, jedoch in
weitaus geringerem Ausmaß als inhaltliche Aspekte. Die Forscher fanden des Weiteren durch
ihre Befragung heraus, dass es den Kunden möglich ist, durch eine Negativ-Selektion die
Qualität der Reiseführer recht schnell vor Ort in der Buchhandlung zu beurteilen. Durch ,,key
looks" können die Interessenten rasch beurteilen, ob ein Reiseführer in die nähere Auswahl
gezogen wird. Solche ,,key looks" betreffen z.B. Karten ­ hier wird auf die Gestaltung des

5. Gestaltungskriterien für Reiseführer
28
Kartenmaterials, auf fehlende Karten, auf Metrokarten usw. geachtet ­ die Übersichtlichkeit
und Schwerpunkte des Inhaltsverzeichnisses und die Aktualität bzw. das persönliche Aktuali-
tätsempfinden der Interessenten. Gerade Aktualtät wird oft mit Qualität gleichgesetzt (Guth-
mann/ Kagelmann 2001: 9). Diese Ergebnisse bestätigen die Aussagen Mair-Huydts, die
ebenfalls von direkt überprüfbaren Merkmalen spricht (Mair-Huydts 1999: 87). Auch bei Hu-
bers Ausführungen spielen die ,,key looks" eine Rolle (Huber 1999: 91f). Zusammenfassend
halten Guthmann/ Kagelmann fest, dass Reiseführerkunden ein geringes Markenbewusstsein
haben, sehr preistolerant sind, beim Kauf aber Preis und Qualität intensiv abwägen. Daneben
wird die Qualität von Reiseführern anhand von guter Gliederung/ Struktur und sichtbarer Ak-
tualität bewertet. Dabei werden günstige Reiseführer an den gleichen Qualitätsstandards ge-
messen wie andere (Guthmann/ Kagelmann 2001: 8f).
5.3. Ein Blick in die Zukunft
Strauch stellte mittels einer Delphi-Umfrage unter Vertretern von Reiseführerverlagen (Ex-
pertenbefragung) 2003 eine Prognose zur Entwicklung des deutschen Reiseführermarktes bis
ins Jahr 2010 auf. In bezug auf inhaltliche und technische Merkmale stellte sie die Frage:
,,Wie beurteilen Sie die zukünftige Bedeutung folgender inhaltlicher Qualitätsmerkmale für
einen erfolgreichen Reiseführer?" (Strauch 2003: 143) Es ergab sich folgende Gewichtung:
Tab. 7: Die zukünftige Bedeutung inhaltlicher Qualitätsmerkmale
Von eher unwichtiger Bedeutung
Von eher wichtiger Bedeutung
Von wichtiger bis sehr wichtiger
Bedeutung
Ausführlichkeit
Vermittlung von touristischer Ethik
Einfühlungsvermögen
Darstellung von Land und Leuten
Objektivität
Kompetente Autoren
Ansprechender Schreibstil
Verständlichkeit
Tipps für Sport und Aktivitäten
Übersichtlichkeit
Aktualität
Tipps und Informationen
Zielgruppenorientierung
Zuverlässigkeit
Routen-/ Ortsbeschreibungen
(Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Strauch 2003: 147.)
Bei den Antworten kann aufgrund großer Übereinstimmung der Experten von einer hohen bis
sehr hohen Prognosesicherheit ausgegangen werden. Lediglich die Prognosesicherheit bezüg-
lich der Zielgruppenorientierung beläuft sich auf mittel bis hoch. Aus den Antworten leitet
sich ein Trend ,,zu einer kompakteren, auf die Fakten reduzierten Darstellung der Destinatio-
nen in Reiseführern" (Strauch 2003: 147) ab. Übersichtlichkeit wird der Ausführlichkeit vor-
gezogen. Der Zielgruppenorientierung wird aufgrund weiterer Diversifizierungen der Reise-
trends mehr Bedeutung zukommen. Diese Ergebnisse entsprechen den Aussagen Zimmer-

5. Gestaltungskriterien für Reiseführer
29
manns in bezug auf den Massenmarkt (Zimmermann 1999: 89). Die wachsende Konkurrenz
durch die neuen Medien (Internet) wird in der Beurteilung einiger Kriterien (Übersichtlich-
keit, Aktualität) sichtbar (Strauch 2003: 147). Die Bewertung der Vermittlung touristischer
Ethik steht den Einschätzungen Tütings, Rotparts, Steineckes und Scherles entgegen. Mit
Ausnahme Scherles (2001) sind diese Einschätzungen jedoch relativ alt. Dies deutet mögli-
cherweise darauf hin, dass dieser Anspruch seitdem bereits an Bedeutung eingebüßt hat und
zukünftig weiter verlieren wird.
Die Experten wurden darüber hinaus gefragt, wie sie die zukünftige Bedeutung folgender
technischer Qualitätsmerkmale für einen erfolgreichen Reiseführer beurteilen. Handlichkeit,
leserfreundliche Gestaltung, gutes Kartenmaterial, modernes Cover/ Styling, ansprechende
Fotos, Haltbarkeit, gutes Preis-/ Leistungsverhältnis werden als wichtige bis sehr wichtige
Qualitätskriterien genannt. Die Bedeutung von Handlichkeit und leserfreundlicher Gestaltung
belegen den Trend zur kompakten und übersichtlichen Information. Gute Karten und ein gutes
Preis-/ Leistungsverhältnis bieten Vorteile im Konkurrenzkampf mit anderen Reiseführern
und neuen Medien. Da Karten, Cover und Fotos schnell begutachtet werden können, spielen
sie bei der Kaufentscheidung eine besondere Rolle. Diese Ergebnisse stimmen z.T. mit denen
Guthmanns und Kagelmanns aus der RFA 2001 überein. Letztere stufen die Bedeutung der
Titelseite jedoch als nicht sehr wichtig ein, wobei bei der Erhebung allerdings eine hohe Vari-
anz verzeichnet wurde (Guthmann/ Kagelmann 2001: 8). Der Haltbarkeit kommt in Zukunft
zwar eine wichtige jedoch von allen Kriterien die geringste Bedeutung zu. Handlichkeit wird
bevorzugt. Dies untermauert den Trend weg von Langlebigkeit hin zu Aktualität. Die Progno-
sesicherheit dieser Ergebnisse ist sehr hoch (Strauch 2003: 149).
5.4. Ergebnis
Es hat sich gezeigt, dass einheitliche Kriterien zur Bewertung von Reiseführern kaum zu for-
mulieren sind. Dies erschwert einen Vergleich der verschiedenen Autoren und die Formulie-
rung einer Quintessenz. Zum einen liegen unterschiedliche Herangehensweisen vor. Ein Au-
tor gibt den Befragten beispielsweise verschiedene Antworten zur Auswahl vor, ein anderer
lässt sie offen. Zum anderen liegen die Erhebungen zeitlich z.T. weit zurück. Auch der be-
fragte Personenkreis variiert. Die einen befragen Experten, die anderen Nutzer, wiederum
andere Käufer, die jedoch nicht gleichzeitig die Nutzer sein müssen. Ein Autor interessiert
sich für Kaufkriterien, der andere versucht, die Qualität an sich zu erfassen. Manche Angaben
gelten lediglich für ein bestimmtes Zielgebiet, andere für den Massenmarkt. Eine klare Aus-

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783832498788
ISBN (Paperback)
9783838698786
DOI
10.3239/9783832498788
Dateigröße
3.5 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Leuphana Universität Lüneburg – Angewandte Kulturwissenschaften
Erscheinungsdatum
2006 (Oktober)
Note
1,3
Schlagworte
kultur tourismus wahrnehmung reiseliteratur fremde
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