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Wege zur Entwicklung durch fairen Handel

Die Bedeutung von Bildung und Kommunikation für die Kooperationsentwicklung indigener Kaffeebauern in Mexiko

©2006 Diplomarbeit 354 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Fairer Handel...und viele Fragen:
Keine Frage, der Faire Handel wird gesellschaftsfähig...was aber verbirgt sich hinter dem Begriff und ist der „faire Handel“ wirklich so fair, wie es die Darstellungen der Organisationen vermuten lassen? Was bedeutet Fairer Handel für die Produzenten und welchen Schwierigkeiten sehen sich diese gegenüber auf ihrem Weg in den Fairen Handel? Kann der Faire Handel tatsächlich als Alternative zur bislang propagierten marktwirtschaftlichen Entwicklung dienen und den Balanceakt zwischen einer Öffnung für die Weltwirtschaft einerseits und gleichzeitiger Wahrung kultureller Identitäten und Traditionen andererseits leisten?
Die Verwendung der Begrifflichkeit des „fairen Handelns“ weist in den vergangenen Jahren eine nahezu inflationäre Zunahme auf, „fair“ scheint zum Modewort geworden (und das nicht erst seit der Weltmeisterschaft) und in Funk und Fernsehen bewerben immer mehr Prominente die „faire Alternative“. Viele Städte haben ihren „fairen Kaffee/ Stadtkaffee“, Universitäten und Ämter trinken „fair“...
Die Suche nach Materialien und Literatur zum Fairen Handel verdeutlichte, dass dieser zwar in den Medien immer präsenter und gesellschaftlich immer populärer wird, die wissenschaftlichen Veröffentlichungen oder unabhängige Forschungen und Publikationen sich jedoch auf kaum ein Dutzend Werke beschränken, die überwiegend bereits in den 1990er Jahren verfasst wurden. Aktuelle Hintergrundinformationen oder übersichtliche Darstellungen sind außerhalb der Darstellungen der beteiligten Organisationen (wie TransFair oder gepa in Deutschland) nicht zu finden. Auch wenn noch Umsatz- und Absatzdaten für die Waren in Deutschland vorliegen, so fehlt es schließlich gänzlich an Literatur zu den Produzenten selbst, die über das Marketing der beteiligten Firmen hinausgehen.
Um Antworten auf die vielen offenen Fragen zu finden, habe ich meine Abschlußarbeit anhand der folgenden Forschungsschwerpunkte konzipiert:
1. Die Theorie eines alternaiven Handelskonzeptes: Fairer Handel- Was ist das eigentlich?
- Der Versuch einer allgemein Definition des Fairen Handels: welchen Zielen und Ansprüchen will dieser gerecht werden und was für Grundgedanken liegen ihnen zugrunde?
- Nach welchen Statuten und Richtlinien arbeiten die Beteiligten der fairen Märkte und wie angemessen sind diese in Bezug auf die Produzenten?
- Spurensuche: Aus welchen Wurzeln entstand der Faire Handel und welchen Ausdruck finden diese […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Mirja Christine Wuttke
Wege zur Entwicklung durch Fairen Handel
Die Bedeutung von Bildung und Kommunikation für die Kooperationsentwicklung
indigener Kaffeebauern in Mexiko
ISBN-10: 3-8324-9847-8
ISBN-13: 978-3-8324-9847-4
Druck Diplomica® GmbH, Hamburg, 2006
Zugl. Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg, Oldenburg, Deutschland,
Diplomarbeit, 2006
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte,
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http://www.diplom.de, Hamburg 2006
Printed in Germany

Mirja Wuttke
Von- Kobbe- Strasse 18
26129 Oldenburg
0441- 36106778
mastermirja@web.de
Geboren am: 17.04.1978 in Oldenburg (Oldb)
Familienstand: ledig
Tabellarischer Lebenslauf:
01. 09. 2006:
Diplom in der Interkulturellen Pädagogik, Carl-von-Ossietzky-
Universität Oldenburg, Abschlussnote: 1,0
Diplomarbeit zum Thema:
,,Wege zur Entwicklung durch Fairen Handel-
Die Bedeutung von Bildung und Kommunikation für die
Kooperationsentwicklung indigener Kaffeebauern in Mexiko"
Note: 1,0
09- 11/ 2005:
Datenerhebung im Rahmen der Diplomarbeit und Betreuung einer
Kooperative von Kaffeebauern in Mexiko im Rahmen der Bio-
Zertifizierung und dem Zugang zum Fairen Handel.
Zusammenarbeit mit der Universität Autónoma de Hidalgo, Pachuca,
Mexiko. Gefördert durch ein Stipendium des DAAD.
03/ 2005- 07/ 2006:
Erstellung der Diplomarbeit
08- 12/ 2004:
Praktikum in einem Entwicklungsprojekt in Südafrika:
Regionalentwicklung durch nachhaltigen Tourismus
02- 04/ 2003:
Studienbegleitendes
Praktikum in den USA (ökologische
Landwirtschaft zur Integration sozial benachteiligter junger Menschen)
27.02.2003:
Vordiplom Interkulturelle Pädagogik

10/ 2002- 02/2003:
Workshop: Management in der interkulturellen Zusammenarbeit
04- 08/ 2002: Studentische
Mitarbeiterin
bei Prof. Dr. Helge Peters,
Verhaltenssoziologie
10/ 2001:
Aufnahme des Studiums der Interkulturellen Pädagogik an der Carl
von Ossietzky Universität Oldenburg
Seit 04/2001:
Studienbegleitend und ­finanzierend: Arbeit als Fachkraft im
Biofachhandel (Biofrischmarkt Koopmann, Oldenburg)
04/1999- 09/2000: Studium
der
Ökologischen Landwirtschaft in Witzenhausen,
Gesamthochschule Kassel (Anlage), Studienabbruch mit dem Ziel einer
stärker sozial ausgerichteten Spezialisierung des Themas ,,Nachhaltige
Entwicklung" in der Interkulturellen Pädagogik in Oldenburg
08/ 1998­ 04/1999:
Arbeit auf Biolandhöfen in Norddeutschland
1995 ­ 1998: Liebfrauenschule
Oldenburg,
Schülersprecherin, Abitur 1998,
Abschlussnote: 1,8
1991 ­ 1995:
Gymnasium am Flötenteich, Oldenburg
1989 ­ 1991:
Orientierungsstufe am Flötenteich, Oldenburg
1985 ­ 1989:
Besuch der Grundschule Etzhorn, Oldenburg
Sprachen: Englisch, Spanisch, Französisch, Niederländisch
Studienschwerpunkte: Nachhaltige Entwicklung, interkulturelle Zusammenarbeit und
Kommunikation, Umweltpolitik

I. Abbildungsverzeichnis... 1
II. Verzeichnis fotographischer Abbildungen... 3
III. Abkürzungsverzeichnis... 4
IV. Maße und Gewichte... 6
1. Einleitung:... 7
1.2 Motivation und Ziele der Arbeit... 8
1.3 Aufbau ... 14
1.4 Methoden ... 16
1.5.1 Literaturrecherche ... 16
1.5.1.1 Auf der Suche nach dem Fairen Handel ... 16
1.5.1.2 Mexikanische Literatur... 18
1.5.1.3 Abbildungen ... 19
1.5.2 Interviews ... 19
1.5.3 Beobachtungen... 23
2. Fairer Handel... 31
2.1 Quellen... 32
2.2 Die Definition des Fairen Handels ... 33
2.2.1 Gemeinsame Grundsätze der Organisationen des FH... 35
2.3 Die Entwicklung des Fairen Handels... 36
2.3.1 Vom Ursprung der FairHandels-Idee... 37
2.3.2 Vom Alternativen zum Fairen Handel ... 40
2.3.3 Aktuelle Entwicklungen seit 2000 ... 46
2.4 Struktur und Organisation des Fairen Handels ... 51
2.4.1 Fairer Handel in Deutschland... 53
2.4.1.1 Die gepa ... 55
2.4.1.2 TransFair e.V. ... 59
2.4.1.3 Weltläden in Deutschland... 61
2.4.1.4 Der ATO-TÜV... 63
2.4.1.5 Wie entstehen die Preise für fair gesiegelte Waren in Deutschland?... 64
2.4.3 Europäische Dimensionen des Fairen Handels... 67
2.4.3.1 Die EFTA (European Fair Trade Association):... 68
2.4.3.2 NEWS! Das Network of European Worldshops ... 70
2.4.4 Internationale Verbände des Fairen Handels ... 70
2.4.5 Siegelinitiativen... 71
2.4.5.1 FLO: Fair Trade Labelling Organisation International ... 72

2.4.5.2 IFAT (International Fair Trade Association) ... 82
2.4.6 Überblick über die am Fairen Handel Beteiligten... 86
2.5 Die Bedeutung des internationalen Kaffeehandels für die weltweite Entwicklung ... 88
2.5.1 Kaffeeproduktion und Export... 88
2.5.2 Kaffeehandel... 90
2.5.2.1 Auswirkungen von Nachfrage und Konsumverhalten ... 95
2.5.3 Die Entwicklung der Regulierung des weltweiten Kaffeemarktes ... 97
2.5.4 Die Kaffeekrise ... 101
2.6 Kaffeeanbau in Mexiko ... 111
2.7 Die Bedeutung der Bildungsarbeit in der Vermittlung von biologischen
Produktionsmethoden und im Fairen Handel... 116
2.7.1 Biologische Produktion von Kaffee... 118
2.7.2 Biologische Produktion in Mexiko ... 123
2.7.3 Kaffee und Fairer Handel ... 126
2.7.4 Die Verknüpfung von Fairem Handel und biologischen Kaffee-Anbaumethoden
... 129
2.7.5 Bildungsarbeit und Wissensvermittlung im Rahmen des Fairen Handel und der
biologischen Produktion... 133
2.7.5.1 Wissensvermittlung in der biologischen Produktion ... 134
2.7.5.2 Bildungsarbeit im Fairen Handel... 135
2.7.5.3 Bildungschancen durch Fairen Handel für Produzenten?... 136
2.8 Produzentenbezogene Erfolge und Kritik des Fairen Kaffeehandels:... 139
2.8.1 Erfolge des Fairen Handels ... 139
2.8.1.1 Verbesserungen für Farmer und Familien... 140
2.8.1.2 Verbesserungen auf kommunaler und Organisationsebene... 143
2.8.2 Kritik am Fairen Handel: ... 148
2.8.3 Kritik an der FLO... 158
3. Exkurs: 15 Jahre Erfahrungen im Fairen Handel: Die Organisation Yeni Navan in
Oaxaca... 164
3.1 Die Kooperative Yeni Navan... 165
3.2 Kaffeevermarktung... 166
3.3 Erfahrungen mit dem FairHandels- System ... 167
3.4 Die Bedeutung von Bildung und Kommunikation für die Kooperative ... 170
3.5 Chancen für San Antonio?... 172
4. Fallbeispiel: Studienaufenthalt in San Antonio, Mexiko... 174

4.1 Grundlagen und Ziele der Untersuchung... 174
4.2 Das Projekt der Universidad Autónoma de Hidalgo ,,Organización de productores
indigenas para la producción de café orgánico bajo un esquema de comercio justo"... 177
4.2.1 Konzeption und Zielsetzung... 177
4.2.2 Umsetzung... 179
4.2.3 Aussichten... 180
4.3 Situation der Gemeinde Huehuetla, grundlegende Daten der Universität... 181
4.3.1 Soziale Situation... 181
4.3.2 Ökonomische Situation... 187
4.3.3 Geographische und ökologische Grundlagen ... 195
4.4 Ergebnisse des Studienaufenthaltes in San Antonio... 199
4.4.1 Bevölkerung und Soziales ... 200
4.4.1.1 Kultureller Hintergrund... 201
4.4.1.2 Politik, Organisationen und Machtstrukturen... 203
4.4.1.3 Soziale Strukturen und Kommunikation... 208
4.4.1.4 Gesundheit und Ernährung... 211
4.4.1.5 Migration ... 213
4.4.1.6 Zusammenfassung ... 215
4.4.2 Die Bedeutung der Bildung und der Rolle der Frauen in San Antonio... 216
4.4.2.1 Bildung... 216
4.4.2.2 Frauen in San Antonio... 219
4.4.2.3 Frauenbildungsarbeit... 222
4.4.2.4 Zusammenfassung ... 224
4.4.3 Ökonomische Situation San Antonios ... 225
4.4.3.1 Arbeitsmöglichkeiten und Einkommensverteilung ... 225
4.4.3.2 Infrastruktur und Dorfaufbau ... 228
4.4.3.3 Wohnverhältnisse... 229
4.4.3.4 Energie- und Wasserversorgung... 230
4.4.3.5 Kaffeeanbau... 232
4.4.3.6 Zusammenfassung ... 235
4.4.4 Ökologische Situation der Gemeinde ... 237
4.4.4.1 Naturraum: Vorhandene Biodiversität und Agrarprodukte ... 237
4.4.4.2 Schäden durch landwirtschaftliche Produktion und neue Anbaumethoden. 238
4.4.4.3 Wasserversorgung... 241
4.4.4.4 Einfluss der Kaffeeproduktion auf die ökologische Situation ... 242

4.4.4.5 Entsorgungsproblematik von Abwässern und Müll... 244
4.4.4.6 Verkehr und Transport... 245
4.4.4.7 Energienutzung und Gewinnung ... 245
4.4.4.8 Zusammenfassung ... 246
4.5 Evaluation des Projektes ... 247
4.5.1 Vorhandenes Wissen, Kapazitäten und Entwicklungschancen... 248
4.5.2 Schwierigkeiten im Projekt... 251
4.5.3 Resümee ... 254
5. Zusammenfassung und Fazit ... 259
Literaturliste ... 276
Inhaltsverzeichnis Anhang... 293
Anhang 1: Definition des Fairen Handels nach FINE 1999... 294
Anhang 2: IFAT Code of practice ... 295
Anhang 3: Fragebogen für Kaffeeproduzenten in San Antonio ... 299
Anhang 4: Beobachtungsleitfaden ... 304
Anhang 5: Der Aufbau der globalen Kaffeekette ... 306
Anhang 6: Kostenkalkulation konventioneller Kaffeepreise in Deutschland... 307
Anhang 7: Internationale FH- Organisationen und ihre Mitglieder in Europa: ... 308
Anhang 8: Starbucks Green Coffee Purchasing Guidelines... 309
Anhang 9: Fairtrade Standards for Coffee... 311
Anhang 10: Lizenzgebühren bei TransFair- Produkten... 323
Anhang 11: Empfehlungen für die Begleitung von kleinbäuerlichen Kooperativen auf
dem Weg in den Alternativen Handel... 324
1. Soziale Aspekte: ... 325
2. Ökonomische Aspekte: ... 332
3. Ökologische Aspekte:... 340
Zur Person... 343
Dank... 344
Selbständigkeitserklärung: ... 345

I. Abbildungsverzeichnis
Seite:
1.1
Schematische Darstellung des Beobachtungsfeldes in San Antonio
25
1.2
Altersstruktur der Mitglieder der Organisation Ra Café Ndo Yu
25
1.3
Schematische Darstellung verschiedener Rollen während der
29
Forschungsarbeit
2.1
TransFair Halbjahresbilanzen der Absätze 2004/2005
47
2.2
Geschätzte Marktanteile fair gehandelten Kaffees 2002/ 2003
48
2.3
Die Funktion von TransFair e.V./FLO
60
2.4
Kostenaufstellung für 500 g TransFair-gesiegelten Röstkaffee in
66
Deutschland, 2004
2.5
Kostenaufstellung für 500g gepa (Agenda 21-) Röstkaffee in
66
Deutschland, 2003
2.6
Übersicht der größten europäischen Importorganisationen des
69
Fairen Handels nach Umsatz in Millionen Euro, 2001
2.7
Internationale FairHandels-Organisationen und ihre Mitglieder
71
2.8
Aufgabenverteilung im internationalen Fairen Handel der FLO
73
2.9
Struktur der FLO
74
2.10
Absatz von FLO-gesiegelten Produkten 1997- 2003 in
75
Millionen Tonnen
2.11
FLO- Mindestpreise in US-Cents für ein englisches Pfund Kaffee
79
2.12
FLO-zertifizierte Kaffeeverkäufe in Mitgliedsstaaten in Tonnen,
81
2001- 2003
2.13
Überblick wichtiger Beteiligter des Fairen und Alternativen
87
Handelssystems und ihrer Aufgaben
2.14
Kaffeeproduktionsstaaten und ­mengen weltweit
89
2.15
Durchschnittliche Verdienstmöglichkeiten und Ertragsmengen
90
für konventionelle Kaffeeproduzenten in US-Dollar ($)
pro Hektar
2.16
Im Kaffeeanbau Beschäftigte der landwirtschaftlichen
91
Produktion in Mittelamerika, 2004
2.17
ICO-Rohkaffeepreise
92
2.18
Preise für Kaffeepflanzer in US-Cents/lb von 1998 bis 2003
93
2.19
Monatspreise auf dem New Yorker Kaffee-Terminmarkt
98
2.20
Prozentuale Anteile kaffeeverarbeitender Firmen am
99

2
Internationalen Markt
2.21
Wertschöpfungsanteile einzelner Teilnehmer des Kaffeemarktes
100
2.22
Anteil des Kaffees am Gesamtexporterlös einzelner Staaten,
104
1998-2002
2.23
Kaffeeproduktionsgebiete in Mexiko, Anbaufläche und
112
beschäftigte Produzenten
2.24
Mexikanische Produktion und Export von Kaffee, 1989-2000
114
2.25
Kommerzialisationswege von Kaffee in Mexiko
115
2.26
Unterschiede von alternativ und konventionell produzierten
117
und gehandelten Kaffees
2.27
Preisvergleich fair und konventionell gehandelten Kaffees von
127
1989 bis 2001 in US-Cents/lb
2.28
Exportkapazitäten und tatsächliche Absätze fair gehandelten
128
Kaffees in ausgewählten Staaten 2000 in Tonnen (t)
2.29
Zertifizierte US-Importe von fair gehandeltem Kaffee 1999- 2002
129
2.30
Nach TransFair USA geschätzter Mehrverdienst von Farmern
129
durch Verkäufe in den Fairen Handel 1999- 2002
2.31
Doppelt zertifizierte FairHandels- und Biokaffee-Exporte in
132
Tonnen, 1996- 2000
2.32
Importe fair gehandelten Röstkaffees in ausgewählte Länder
153
in Tonnen
4.1
Kaffeeanbaugebiete im Bundesstaat Hidalgo
182
4.2
Pyramide der Altersverteilung in der Region Otomí-Tepehua 2000
185
4.3
Bildungseinrichtungen und Lehrpersonal in der Gemeinde Huehuetla 186
4.4
Anteil der erwerbstätigen Bevölkerung nach Alter und Geschlecht
190
in der Gemeinde Huehuetla, 1999
4.5
Erwerbssektoren- und Einkommensverteilung in der Gemeinde
191
Huehuetla der ökonomisch aktiven Bevölkerung über 12 Jahren,
2000
4.6
Kaffeeproduktionsgebiete in Hidalgo
192
4.7
Lage Huehuetlas in der östlichen Sierra Madre, Mexiko
195
4.8
Anbaufläche der wichtigsten Feldfrüchte in der Region
196
Otomí-Tepehua und Huehuetla

3
II. Verzeichnis fotographischer Abbildungen
Seite:
1.1
Jesús Mondono Santiago in einer typischen Interviewsituation mit
20
einem der kaffeeproduzierenden Organisationsmitglieder auf
dessen Feld
4.1
San Antonio El Grande, Hidalgo, Mexiko
175
4.2
Der Rio Blanco unterhalb San Antonios
198
4.3
Altar zu Ehren der Tage der Toten
201
4.4
Kaffeebauer in typischer Kleidung
206
4.5
Frau bei der Wäsche an einer Quelle
207
4.6
Kaffeebäuerin, deren Mann emigriert ist, vor reicher eigener
210
Pflanzung
4.7
Typische Küche mit offener Feuerstelle in San Antonio
213
4.8
Vermögendere Frauen des Dorfes vor dem eigenen Betonhaus
220
4.9
Alte Kaffeebäuerin in traditioneller Kleidung
223
4.10
Junge Bäuerin bei der Orangenernte in der
226
familieneigenen Kaffeeplantage
4.11
Lebensmittelgeschäft in San Antonio
228
4.12
Einfache Behausung in San Antonio
229
4.13
Kaffeebauer mit seinem Sohn in eigener traditioneller Plantage mit
232
großem Artenreichtum
4.14
Versammlung der Mitglieder der Organisation Ra Café in der
234
Grundschule San Antonios
4.15
Erdrutsch in den Kaffeeplantagen nach schweren Regenfällen
240
4.16
Präsentation einer familieneigenen Wasserquelle
241
4.17
Tragende Pflanze mit noch grünen Kaffeekirschen
243
4.18
Wilde Müllhalde im Dorf
244
Quelle und Erstellungsort aller fotographischen Abbildungen: Mirja Wuttke, San
Antonio, Oktober, November 2005

4
III. Abkürzungsverzeichnis
A3WH
Arbeitsgemeinschaft Dritte Welt Handel
Abb.
Abbildung
ACPC
Association of Coffee Producing Countries
aej
Arbeitsgemeinschaft der evangelischen Jugend in Deutschland
AG
Aktiengesellschaft
Ag3WL
Arbeitsgemeinschaft der Dritte Welt Läden Deutschland (seit
April 1998: Weltladen ­Dachverband e.V.)
Anh.
Anhang
ATO
Alternative
Trade
Organisation:
Alternative
Handelsorganisationen
BDKJ
Bund deutscher katholischer Jugendlicher
BMZ
Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und
Zusammenarbeit
CCCC (4C)
Common Code for the Coffee Community
DED
Deutscher Entwicklungsdienst
DFID
Department for International Development (Großbritannien)
Dwp
Dritte Welt Partner Ravensburg
eed
Evangelischer Entwicklungsdienst
EFTA
European Fairtrade Association
e.V.
eingetragener Verein
EZA Österreich
Entwicklungszusammenarbeit mit der Dritten Welt GmbH,
FAO
Food
and
Agriculture
Organization
International:
Internationale Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation
der UN
ff
folgende
FINE
FLO- IFAT- NEWS!- EFTA
FLO
Fairtrade Labeling Organisations
FSC
Forest Stewardship Council, Siegel für Holz aus nachhaltiger
Forstwirtschaft
FH
Fairer Handel
FT
Fair Trade
FTRG
Fair Trade Research Group
Gatt
General Agreement on Tariffs and Trade

5
Gbr
Gesellschaft bürgerlichen Rechts
Gepa
Gesellschaft zur Förderung der Partnerschaft mit der Dritten
Welt
GmbH
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GTZ
Gesellschaft für technische Zusammenarbeit
ICA
International Coffee Agreement
ICO
International Coffee Organisation
IFAT
International Federation of Alternative Trade
(seit 2004: International Fair Trade Association)
IFOAM
International Federation of Organinic Agriculture Movements
ILO
International
Labour
Organisation:
Internationale
Arbeitsorganisation der UN
INMECAFÈ
Mexikanisches Kaffeeinstitut bis 1989
ISEAL
International Social and Environmental Accreditation
and Labeling Alliance
IWF
Internationaler Währungsfond
Kap.
Kapitel
LEH
Lebensmitteleinzelhandel
LIFFE
London International Financial Futures and Options Exchange
Ltd.
Limited: Gesellschaft mit beschränkter Haftung
MITKA
Mittelamerika Kaffee Im- und Export GmbH
NEWS!
Network of European Worldshops
NGO
Non Governmental Organisation: Nichtregierungsorganisation
NYBOT
New York Board of Trade
o.J.
ohne Jahr
Ppa
Projekt Partner Ausschuss
SA 8000
Social Accountability: Internationale Norm
für soziale Verantwortlichkeit von Unternehmen
s.
siehe
UCIRI
Union of Indigenous Communities of the Isthmus Region
UN
United Nations: Vereinte Nationen
usw.
und so weiter
vgl.
vergleiche
WTO
World Trade Organisation
z.B.
zum Beispiel

6
IV. Maße und Gewichte
1 Hektar (ha): 10.000 m²: 2,47 acres
1 Quintal (qq): 46 Kg : 100 pounds
1 Tonne (t): 2.205 pounds
1 Sack Kaffee: 60 Kg: 132,3 pounds
1 Tonne (t): 16,67 Säcke
1 lb: 1 englisches Pfund/ pound: 0,4536 kg
1 kg Röstkaffee: 1,19 kg Rohkaffee
1 kg Instantkaffee: 2,6 kg Rohkaffee
1 Euro: 13 Pesos (Stand: 01.10.05)
1 Peso: 0,077 Euro (Stand: 01.10.05)
1 US $: 0,81 (Stand: 23.04.06)
1 : 1,2346 US $ (Stand: 23.04.06)

7
1. Einleitung:
Wege zur Entwicklung durch Fairen Handel
Die Bedeutung von Bildung und Kommunikation für die Kooperationsentwicklung
indigener Kaffeebauern in Mexiko
,,Die Menschheit steht an einem entscheidenden Punkt ihrer Geschichte. Wir erleben eine
zunehmende Ungleichheit zwischen Völkern und innerhalb von Völkern, eine immer größere
Armut, immer mehr Hunger, Krankheiten und Analphabetentum sowie eine fortschreitende
Schädigung der Ökosysteme, von denen unser Wohlergehen abhängt. Durch eine Vereinigung
von Umwelt- und Entwicklungsinteressen und ihre stärkere Beachtung kann es uns jedoch
gelingen, die Deckung der Grundbedürfnisse, die Verbesserung des Lebensstandards aller
Menschen, einen größeren Schutz und eine bessere Bewirtschaftung der Ökosysteme und eine
gesicherte, gedeihlichere Zukunft zu gewährleisten. Das vermag keine Nation allein zu
erreichen, während es uns gemeinsam gelingen kann: In einer globalen Partnerschaft, die auf
eine nachhaltige Entwicklung ausgerichtet ist."
(Agenda 21, 1992, S. 1)
In der Einleitung der vorliegenden Arbeit soll nun zunächst in die allgemeinen
Fragestellungen eingeführt, und die zugrunde liegenden Motivationen und Ziele (Kap.
1.2) vorgestellt werden. Daran anschließen wird sich die Darstellung des Aufbaus der
Arbeit in Kapitel 1.3, welcher sich an den einzelnen inhaltlichen Schwerpunkten
orientieren wird. Die Einführung in die gewählten Methoden und Quellen soll den
Abschluss des ersten Kapitels bilden (Kap. 1.4).
In dieser Arbeit soll ein Zugang zur Thematik ,,Fairer Handel als
Entwicklungskonzept" gefunden werden, der die Diskussion der ökonomischen
Theorie um die Aspekte Bildung, ökologisch nachhaltige Produktionsweisen und die
Überprüfung der Erfolge des Fairen Handels
1
erweitert werden soll.
Der FH will als alternatives Handelskonzept zur nachhaltigen Entwicklung
benachteiligter Produzenten
2
weltweit beitragen. Seine Grundgedanken spiegeln die
1
Im Folgenden wird der Faire Handel als FH bezeichnet werden, um den Textfluss zu
erleichtern. Ausgenommen davon bleiben Überschriften um die Vermittlung der Inhalte
sicherzustellen.
2
Als solche werden im Fairen Handel Produzenten landwirtschaftlicher und handwerklicher
Produkte verstanden, die über geringste Einkommens- und Einflussmöglichkeiten verfügen.
Dies können Kleinbauern ebenso wie Angestellte handwerklicher Betriebe und in der Industrie

8
Überlegung der Präambel der Agenda 21, dass Entwicklung nicht einseitig stattfinden
kann, sondern nur als Partnerschaft der Beteiligten zu umfassenden Erfolgen führt.
Diese Zusammenarbeit kann nur dann erfolgreich umgesetzt werden, wenn bei allen
Beteiligten die Bereitschaft vorhanden ist, durch gegenseitigen Austausch immer neues
Wissen zu integrieren und sich weiter zu entwickeln. Erst durch gemeinsames Lernen
voneinander und miteinander können so Strukturen geschaffen werden, die zur
Schaffung einer gemeinsamen und faireren Zukunft beitragen können.
1.2 Motivation und Ziele der Arbeit
Fair scheint zum Modewort geworden zu sein, in Anzeigen und Werbeplakaten wird
,,Fair-Stärkung" gesucht, man geht zum ,,Fair-Shopping" oder kauft sich Schokoriegel
zum ,,Fair-gnügen". Die Bundesregierung unterstützt die ,,Faire Woche" und die
Euroteques kochen mit ,,fairen" Produkten.
Von den Anzeigen und Broschüren der Organisationen des FH lächeln glückliche
Kaffeebauern und Mangopflücker den deutschen Konsumenten an und verkünden die
frohe Botschaft der gerechten Welthandelsalternative.
Die zunehmende Medienpräsenz des FH Anfang dieses neuen Jahrtausends zeigt, dass
,,fair" gesellschaftsfähig wird. Doch was verbirgt sich hinter dem Begriff, kann es
überhaupt einen fairen Handel geben und was können diese Handelsbeziehungen
außerhalb des herkömmlichen Welthandels wirklich bewirken? Wie kann ,,fair"
überhaupt im Marktgeschehen definiert werden?
Die Enzyklopädie Wikipedia erklärt ,,fair" folgenderweise:
,,Fairness (...) geht als Begriff auf das englische Wort ,,fair" (eigentlich ,,schön") zurück.
Fairness lässt sich im Deutschen mit Billigkeit, Angemessenheit gleichsetzen und drückt
eine nicht gesetzlich geregelte Vorstellung von individueller Gerechtigkeit aus."
(Wikipedia, 2005, S. 134772)
Die Definition einer ,,individuellen Gerechtigkeit" setzt allerdings voraus, dass die an
ihr beteiligten Akteure auch gemeinsam festlegen können, was sie als gerecht
begreifen. Eingangs wurde diesbezüglich bereits erwähnt, das der gegenseitige und
gleichberechtigte Austausch von Wissen und Kompetenzen notwendige
Voraussetzung dafür ist, um gemeinsame Struktur aufzubauen, die sowohl für den
Kleinproduzenten als auch das internationale Unternehmen trag- und zukunftsfähig
sein. Sie sind häufig auch Mitglieder indigener Volksgruppen und leben in strukturschwachen
Räumen der Produktionsstaaten.

9
ist. Die Diskussion der Relevanz von Bildung und Kommunikation wird daher als
einer der beiden roten Fäden dieser Arbeit in den einzelnen Kapiteln diskutiert, und
soll besonders im Rahmen der Fallbeispiele erörtert werden, worauf weiter unten
genauer Bezug genommen wird.
Wie gleichberechtigt aber sind Akteure im internationalen Handel heute tatsächlich
und wer definiert die Spielregeln des ,,fairen" Marktes wirklich?
Ist der FH also eine Möglichkeit, ,,Politik mit dem Einkaufskorb" zu betreiben und hilft
er den produzierenden Kleinbauern tatsächlich zu einem selbstbestimmten, besseren
Leben? Oder erhält die Konzeption des alternativen Marktes bestehende Strukturen
der Ungerechtigkeit tatsächlich nur aufrecht oder verstärkt sie sogar?
Was, wenn der FH nur die Befriedigung des sozialen Gewissens der Konsumenten
darstellt und von der Realität ablenkt?
Wenn der FH eine Entwicklungsalternative darstellt, für wen ist sie dann tatsächlich
umsetzbar und welche Kompetenzen brauchen Kooperativen, um in diesem Markt
erfolgreich mitzuhandeln?
Wenn man den Selbstdarstellungen einiger Organisationen des FH Glauben schenkt,
dann ist der FH zumindest ein Schritt zur Lösung der Welthandelsproblematik. Wenig
Selbstkritisches findet sich in den Zeilen der Institutionen, die den FH propagieren,
wenig Kritisches überhaupt in der gesamten Literatur des FH. Gibt es also die ideale
Entwicklungschance und Handelsbeziehung oder wo liegt der Haken des FH?
Im Rahmen der Recherchearbeiten wurde deutlich, dass es nahezu unmöglich ist, eine
einfache Übersicht über das Funktionieren des FH zu finden, oder eine allgemeine
Definition, wodurch der erste Schwerpunkt dieser Arbeit entstand:
Die Definition des Fairen Handels, sein Aufbau, seine Strukturen und seine
Entwicklung
Die kritische Beschreibung und Diskussion des FH soll dem Leser einen neuen Zugang
zu einem Feld ermöglichen, das im Alltäglichen nahezu ausschließlich durch die
Werbekampagnen für den FH begriffen werden kann. Wer sich der Thematik FH
nähert, wird bald feststellen, dass es eine Unmenge an (Zeitungs-) Artikeln,
Selbstdarstellungen und Internetpräsentationen gibt. Diese sind trotz der gleichen
Thematik keineswegs immer deckungsgleich und widersprechen sich in ihren Inhalten
zum Teil sogar.

10
Anders als die medienwirksam vermittelten Botschaften will diese Arbeit daher auch
insbesondere solche Studienergebnisse integrieren, die eine kritische Sicht auf das faire
Konzept ermöglichen, seine Entstehung erklären und die Auseinandersetzung mit den
internationalen Strukturen des FH ermöglichen. Fehlende, beziehungsweise
oberflächliche Literatur zur Situation der Produzenten und zu den Problemen und
Schwierigkeiten des ,,Fairen Systems" führen zu weiterer Skepsis und damit zum
zweiten Schwerpunkt der Arbeit:
Die Überprüfung der tatsächlichen Auswirkungen der Mitgliedschaft der
Kaffeebauern im System des Fairen Handels
Viele der Studien der FH-Organisationen zeigen ständig steigende Umsatzzahlen,
rechnen vor, wie vielen Bauern geholfen werden konnte und werben für die gerechte
Alternative des FH. Was der Konsument nicht erfährt, sind die Hintergründe der
Handelsbeziehungen oder Zahlen darüber, was den Bauer tatsächlich erreicht und
welche Probleme es gibt. So wird in einer Studie, die für das britische Department for
international Development
erstellt wurde, festgestellt:
,,There is growing awareness that statements about the benefits of fair trade are often being
made without rigorous baselines in place or the necessary downstream data- beyond the
anecdotal- to demonstrate how benefits are distributed and how (or whether) this leads to
positive development impacts at local level."
(Bayley; Jones, 2000, S. 23)
Um die Diskussion anhand eines Anschauungsobjektes einzugrenzen und das
Verständnis der Marktmechanismen zu erleichtern, wurde eines der ältesten Produkte
des FH, der Kaffee, als Beispielprodukt gewählt. Von diesem hängen weltweit viele
Millionen Menschen in ihrer Existenz ab, auf welche die Marktentwicklung der
Rohstoffpreise der letzten Jahrzehnte zum Teil verheerende Auswirkungen zeigte. Die
Entwicklung des Kaffeepreises und ­marktes kann als symptomatisch für die
weltweite Entwicklung der Rohstoffe und Agrarprodukte gesehen werden. Sie
veranschaulicht stellvertretend die aktuelle Situation von Kleinproduzenten von
Agrarprodukten im Rahmen der Globalisierung.
An dem für viele Kleinbauern existenzbedrohenden Tief der Rohstoffpreise will der
FH ansetzen und Alternativen schaffen. Da die realen Auswirkungen des FH auf den
Kaffeebauern nur auf der Grundlage der Kenntnis der Kaffeeproduktionssituation
schlüssig nachvollzogen werden können, sollen diese und die mit ihr verknüpften
Folgen für die Produzenten im Folgenden behandelt werden:

11
Die Auswirkungen des Kaffeehandels auf den Produzenten
Die in der Präambel bereits erwähnte Bedeutung der ökologisch nachhaltigen
Produktion soll in der vorliegenden Arbeit gesondert dargestellt werden, da sie auch
im Rahmen des FH zunehmend an Bedeutung gewinnt. Sie wird daher, als Zweiter der
beiden roten Fäden dieser Arbeit, in den einzelnen Kapiteln immer wieder aufgegriffen
werden, wobei sie immer in Bezug gesetzt werden soll zum jeweiligen Schwerpunkt.
Die biologische Produktion soll als Möglichkeit des Erhalts traditioneller
Produktionssysteme verstanden werden, die in Verbindung mit moderner
Agrartechnik dazu beitragen kann, dem Produzenten eine eigenständige und
selbstbestimmte Entwicklung zu ermöglichen. Die jeweiligen Produktionsmethoden,
und damit der Umgang mit der Natur werden gleichzeitig als Ausdruck des
Verhältnisses der Bevölkerung zur Umwelt und deren Wertschätzung in der
Gesellschaft gesehen. Die Vermittlung und Vermarktung ökologisch tragfähiger
Anbaumethoden kann daher den Produzenten, wie auch den Konsumenten, dazu
anregen, sich bewusster mit der aktuellen Situation (monokultureller und
umweltschädigender Produktion) auseinander zu setzen.
Um den im Laufe der Recherche entstandenen Fragen nachzugehen, wurden für die
vorliegende Arbeit zwei Produzentengruppen in Mexiko besucht, von denen sich eine
auf eine Mitgliedschaft im FH vorbereitet, und die andere in diesem seit 15 Jahren
aktiv ist. Mexiko eignet sich besonders gut für Forschungen über den FH, da sich dort
vor zwanzig Jahren die ersten Produzenten mit sozialen und kirchlichen Initiativen aus
den Industriestaaten
3
zusammentaten, um alternativ gehandelten Kaffee im größeren
Maßstab zu produzieren und zu vermarkten. Diese ersten Kontakte haben schließlich
auch zur Geburt des modernen FH geführt.
Der direkte Kontakt mit den Menschen im mexikanischen Dorf San Antonio, und die
Begleitung der entstehenden Organisation verdeutlichte viele Probleme, die, aus
Deutschland betrachtet, nicht offensichtlich waren: Welche Schwierigkeiten zum
Beispiel durch korrupte politische Strukturen oder negative Vorerfahrungen entstehen
können, wurde erst dort ebenso klar, wie der Einfluss des Bildungsstandes und der
vorhandenen Kommunikationsmöglichkeiten auf die Entwicklung der Organisation.
3
Industriestaat: Technisch hochentwickeltes Land mit einer bedeutenden eigenen industriellen
Produktion, nach der Einteilung der Weltbank die Mitgliedsländer der OECD ohne
Griechenland, Portugal, Spanien und Türkei (nach: Wikipedia 2005, S. 213.128 f)

12
In der Begleitung des Projektes in Mexiko wurde wiederholt die Erfahrung gemacht,
dass bestehende Organisationen oder Experten bereits ähnliche Entwicklungsschritte
durchlaufen hatten, wie die besuchte Kooperative
4
. Deren Wissen wurde jedoch weder
wahrgenommen, noch nachgefragt und zu vermeidende Problemquellen konnten erst
durch eigene Erfahrungen und Fehlversuche der Gruppe identifiziert werden. Als
Antwort auf diese Situation, soll daher in dieser Arbeit ein Leitfaden konzipiert
werden (siehe Anhang 11), um die Essenz der Erfahrung vor Ort mit den vorhandenen
Studien anderer Institutionen zum FH zu bündeln und verfügbar zu machen.
In der Erarbeitung dieses Leitfadens wurde insbesondere der Frage nachgegangen,
welche Informationen und Kompetenzen für die Bauern von zentraler Bedeutung sind
und welche Fähigkeiten idealer Weise vorhanden sein oder vermittelt werden
müssten, um den Weg zum FH zu erleichtern.
Während des Mexikoaufenthaltes wurde deutlich, dass insbesondere die geringe
(schulische) Bildung und fehlende Kommunikation zwischen einzelnen Kaffeebauern,
Experten und Organisationen hindernde Faktoren in der Entwicklung von
Kooperativen darstellen. Weit verbreiteter Analphabetismus trägt so zum Beispiel
dazu bei, dass die Produzenten keinen Zugang haben zu relevanten Daten des
internationalen Marktes, was ihre Verhandlungsposition mit Händlern, Regierung und
Organisationen stark schwächt. Die Produzenten können sich nur dann erfolgreich in
die Kommunikation mit den FH-Organisationen einbringen, wenn sie über
entsprechende marktrelevante Kompetenzen verfügen, wie die Beherrschung von
Lesen und Schreiben oder die Fähigkeit und Möglichkeit, das Internet zu nutzen und
eigene (Markt-) Informationen zu sammeln. Im Rahmen der Betrachtung der FH-
Beziehungen soll daher ebenfalls untersucht werden, wie und mit welchen Wirkungen
Kommunikation innerhalb der Kooperativen, zwischen Organisationen und die
Vermittlung von spezifischem Wissen und Kompetenzen im FH und in den
Kooperativen stattfindet.
Die Diskussion der Auswirkungen von Bildung und Kommunikation stellt so einen
Schwerpunkt der Arbeit dar:
4
Kooperative: Eine K. im Rahmen des FH ist ein Zusammenschluss unabhängiger Kleinbauern,
die sich selbst demokratisch organisieren und verwalten. Die Größen der K. variieren von
weniger als zehn bis zu mehreren Tausend Mitgliedern. K. sind rechtlich anerkannte juristische
Personen, und ermöglichen dadurch die Teilhabe am Austausch mit weiteren Institutionen (wie
NGOs oder Regierungen). Sie haben die wirtschaftliche Förderung ihrer Mitglieder zum Ziel,
womit im FH weitere ökologische und soziale Kriterien verknüpft werden.

13
Die Relevanz von Bildung und Kommunikation
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird das folgende Verständnis von Bildung und
Kommunikation zugrunde gelegt werden:
Bildung:
Bildung wird verstanden als lebenslanger Entwicklungsprozess, der sich sowohl auf
den Erwerb kultureller, geistiger und praktischer Fähigkeiten eines Menschen, wie
auch auf seine sozialen und umgebungsbezogene, regionsspezifischen Kompetenzen
bezieht. Die Bildung ist damit eine Grundkonstante in der Entwicklung eines
Individuums, die bis zu seinem Tod permanent stattfindet. Der verwendete Bildungs-
Begriff geht damit über die reine Vermittlung schulischen Wissens weit hinaus. Er
bezieht sich vielmehr auf alle Aspekte seines Lebens und wird als aktiver Prozess
verstanden. Diese verschiedenen Arten des Wissens und die schulische Erziehung
werden alle als Teile der Bildung behandelt. Friedrich Hebbel beschreibt dies treffend:
,,Bildung ist ein durchaus relativer Begriff. Gebildet ist jeder, der das hat, was er für seinen
Lebenskreis braucht."
(F. Hebbel in: Wikipedia, 2005, S. 51.471)
Für die Entwicklung der Bauernorganisationen ist insbesondere die Betrachtung des
Teilaspektes ,,Wissen" und dessen Facetten (lokales, schulisches, landwirtschaftliches
Wissen, etc.) von zentraler Bedeutung. Der Grad, in wie weit vorhandenes Wissen
genutzt, neues integriert und mit bestehendem verknüpft werden kann, trägt erheblich
zu den Entwicklungschancen der Kooperative bei.
Kommunikation:
Kommunikation bezeichnet den wechselseitigen, intentionalen Austausch zwischen
mindestens zwei Beteiligten, die jeweils als Sender wie auch als Empfänger fungieren.
Sie kann sowohl zwischen Individuen wie zwischen Organisationen und Medien
(Massenkommunikation) stattfinden. Im Rahmen der Kommunikation tauschen diese
Informationen in Sprache, Schrift, Verhalten und Bild aus. Die erfolgreiche
Vermittlung von Informationen ist abhängig davon, wie sie von den Beteiligten codiert
(verschlüsselt), dann übermittelt und schließlich decodiert (entschlüsselt) werden
können. Je verschiedener dabei die zugrunde liegende Kodierung, desto mehr kann die
Intention des Senders von der Interpretation des Empfängers abweichen.
In Bezug auf die untersuchte Thematik ist die Kommunikation dadurch von
besonderer Bedeutung, dass sie einerseits die Grundlage des Austausches zwischen
den einzelnen Beteiligten des FH bildet und andererseits insbesondere in Prozessen

14
der
Wissensvermittlung
zum
Tragen
kommt.
Kommt
es
hier
zu
Kommunikationsproblemen, wirken sich diese zum Teil erheblich auf die
Entwicklungschancen der Kooperativen aus.
1.3 Aufbau
Die vorliegende Arbeit wird sich in ihrem Aufbau an den oben genannten
Schwerpunkten orientieren. Sie wird sich dabei aus einem theoretischen Teil über den
FH, die Situation der Kaffeeproduzenten und den Kaffeehandel und einem
praxisbezogenen Anwendungsbeispiel einer Kooperative in Mexiko zusammensetzen.
Zunächst soll das theoretische Fundament der Arbeit in Kapitel 2 vorgestellt werden,
in dem der FH beschrieben und diskutiert wird. Im Rahmen dessen wird der Frage
nachgegangen werden, wie sich der FH entwickelt hat und wo seine gesellschaftlichen
Ursprünge zu finden sind. Hierfür sollen seine drei Entwicklungsstadien erläutert, und
der Bezug zur aktuellen Situation hergestellt werden. Die aus der Geschichte
entstandenen Strukturen und Organisationen werden daran anschließend beschrieben,
um ihre Einordnung in das Feld des FH und eine allgemeine Übersicht darüber zu
ermöglichen. Ausgehend von den nationalen Initiativen sollen die europäischen
Organisationen vorgestellt werden, die von den internationalen Verbänden ergänzt
werden.
Um die Problematik des FH genauer zu untersuchen, soll dann das Produktbeispiel
Kaffee eingehender vorgestellt, und die Problematik des Kaffeehandels, die Funktion
des Marktes und die Krise des internationalen Kaffeehandels erläutert werden.
Auf Mexiko wird in seiner Rolle als kaffeeproduzierender Staat genauer eingegangen
werden. Die Auswirkungen und das Konzept der häufig mit dem FH verknüpften
biologischen Produktion werden hier vorgestellt und auf die Situation Mexikos
übertragen werden, was zum Anwendungsbeispiel führen wird:
Für die vorliegende Arbeit wurden Studien bei mexikanischen Kaffeebauern
durchgeführt, die auf dem Weg zum FH von einem Projekt der Universidad
Autónoma del Estado de Hidalgo
in Pachuca begleitet wurden (Kapitel 4).
Der Kontakt zur Universität von Pachuca war im Rahmen der Recherchearbeiten zum
FH über das Internet zustande gekommen. An der Hochschule ist das Projekt
,,Organización de productores indigenas para la producción de café orgánico bajo un
esquema de comercio justo"
entwickelt worden, im Rahmen dessen indigene
Kaffeekleinbauern auf dem Weg zur Vermarktung ihres Kaffees im Fairen und

15
biologischen Handel unterstützt werden sollen. Auf Einladung der verantwortlichen
Professoren, Dr. Lydia Raesfeld und Dr. Sócrates López Pérez, fand im Oktober und
November 2005 ein siebenwöchiger Aufenthalt in Mexiko statt.
In seinem Rahmen konnten die bis dahin vorliegenden Ergebnisse der Projektstudien
eingesehen und mit den Experten der Universität diskutiert werden. Diese
Diskussionen ermöglichten es insbesondere auch, mexikanische Sicht- und
Funktionsweisen zu erfragen (von der Politik bis zum universitären Arbeiten) und
eigene Verständnisfragen zu klären.
Daneben war es möglich, durch zwei Aufenthalte im Projektdorf San Antonio die
Entwicklung der Organisation aus der Perspektive der Bauern zu erleben und vor Ort
zu begleiten. In offenen Interviews, die vielfach auf den Produktionsflächen selbst
stattfanden, konnten die Meinungen der Produzenten erfasst und hinterfragt werden.
Aus den Ergebnissen dieser Studien entstand so schließlich ein umfassenderes Bild der
Lebenswirklichkeit der FH-Produzenten, als Veröffentlichungen von FH-
Organisationen es ermöglichen. Besonderer Schwerpunkt des Aufenthaltes war die
Untersuchung des Einflusses von Kommunikations- und Bildungskompetenzen der
Kooperationsmitglieder auf die Entwicklung der Organisation.
Ergänzend zu der Begleitung der Studien in San Antonio wurde die Kooperative Yeni
Navan
im südlichen Mexiko für ein Interview besucht. Im dritten Kapitel wird dieses
für das erste Produzentenbeispiel ausgewertet werden. Die Organisation arbeitet seit
vielen Jahren mit europäischen Alternativen Importorganisationen zusammen und
ermöglicht durch ihre Erfahrungen im FH eine kritische Auseinandersetzung mit der
Thematik.
Der Abschluss der Arbeit wird sich aus drei Teilen zusammensetzen:
-
Resümee der Fallstudie San Antonio
: Zunächst soll in Kapitel 4.5 eine
Abschlussbetrachtung der Studienergebnisse von San Antonio die
Entwicklungschancen und Probleme des dortigen Projektes diskutieren.
-
Praktische Umsetzungsmöglichkeit
: Im Anhang 11 findet sich der aus den
Ergebnissen der Studien erarbeitete allgemeine Leitfaden für die Unterstützung
von bäuerlichen Kooperationen, die wie die untersuchte Organisation Ra Café
Ndo Yu
im Entstehen begriffen sind und ihren Weg in die alternativen Märkte
suchen. Die Empfehlungen sollen die Erfahrungen der Projektbegleitung mit
den für diese Arbeit genutzten wissenschaftlichen Studien zusammenbringen,

16
und so eine Übertragbarkeit und praktische Anwendung auf weitere Projekte
ermöglichen.
-
Schlussbetrachtung
: Zum Schluss sollen in Kapitel 5 die Ergebnisse der
verschiedenen Teilaspekte zusammengefasst werden. Die einleitenden
Fragestellungen werden im Verlauf der Arbeit diskutiert worden sein und
abschließend in einem Fazit zusammengeführt werden.
1.4 Methoden
Für die Erstellung dieser Arbeit wurden, bedingt durch die unterschiedlichen
Erfordernisse der beiden Schwerpunkte ,,Fairer Handel" und die Erfassung der
Situation der Kaffeebauern, verschiedene Methoden des wissenschaftlichen Arbeitens
kombiniert.
Für das zweite Kapitel, das Bezug nimmt auf die Thematiken FH und den
internationalen Kaffeehandel, wurde umfangreiche Internet- und Literaturrecherche
betrieben.
Die anschließenden Fallbeispiele Yeni Navan und San Antonio wurden mit Hilfe
unterschiedlicher Interview- und Beobachtungstechniken begleitet und ausgewertet,
welche im Folgenden vorgestellt werden sollen.
1.5.1 Literaturrecherche
1.5.1.1 Auf der Suche nach dem Fairen Handel
,,Obwohl schon dreißig Jahre praktiziert, gibt es bisher nur vereinzelte und durchweg
sehr begrenzte Untersuchungen über die Wirkungen des Fairen Handels in
Deutschland und bei den Produzenten im Süden. Und es gibt viele Fragen, die schon
länger kritisch an den Fairen Handel gerichtet, aber nur selten überzeugend
beantwortet werden."
(Misereor, 2000, S. 8)
Die Aussagen der Misereor-Studie wurden im Verlauf der Studien für die vorliegende
Arbeit mehrfach bestätigt gefunden. Neben einer Vielzahl von Zeitungsberichten,
Reportagen und Werbeplakaten, die im Jahr 2005 stetig an Zahl zunahmen, ergab die
Literaturrecherche in Bibliotheken und Verbundkatalogen nur einige wenige Werke
zum Thema FH, die sich vielfach durch ein Alter von zehn bis zwanzig Jahren
auszeichneten.

17
Durch die dynamische Entwicklung des FH seit seiner Entstehung spiegeln diese zwar
die zur Zeit der Veröffentlichung aktuelle Sichtweise der Thematik wider, können
jedoch nicht auf die aktuelle Situation übertragen werden. Die Studien dienten daher
dazu, das Entstehen des FH nachzuvollziehen und daraus Rückschlüsse auf die
heutigen Gegebenheiten zu ziehen. So wurde für die vorliegende Arbeit unter
anderem mit den Werken ,,Zum Beispiel Fairer Handel" von Brigitte Pilz aus dem
Jahre 1996 oder der Dissertation ,,Verbraucherverhalten bei fair gehandeltem Kaffee,
Ergebnisse theoretischer Ableitungen und empirischer Untersuchungen" von Taciana
Valio- Ottowitz aus dem Jahr 1997 gearbeitet, die ihrem jeweiligen
Veröffentlichungsdatum entsprechende Meinungen und Wissensstände spiegeln.
Aktuelle Literatur zum Thema findet sich überwiegend im Internet, wo besonders die
Organisationen des FH mit ihren Selbstdarstellungen und Internetplattformen präsent
sind. Eine Übersicht über die deutschsprachigen Veröffentlichungen im Internet
verdeutlicht,
dass
diese
überwiegend
aus
(entwicklungs-)politischen
Zusammenhängen stammen und diese Studien auch dazu genutzt werden, um Partei
für den FH zu ergreifen.
Welthandelskritische Verfasser, vielfach mit sozialkritischen und/oder ökologischen
Hintergründen, finden sich verbreitet in der vorhandenen Literatur. Neben politischen
Argumenten liefern viele dieser Berichte aber auch nützliche Daten und Fakten, die
genutzt werden, um die Aussagekraft der Texte zu unterstreichen. (vgl. z.B.:
www.dwp.de
) Die von ihnen verwendeten Daten stammen überwiegend von
allgemein anerkannten Organisationen oder Instituten (wie die Studien der Colorado
State
University,
vgl.:
URL
http://www.colostate.edu/Depts/Sociology/FairTradeResearchGroup
,
oder
Veröffentlichungen der Weltbank, des Internationalen Kaffeeverbandes und anderer
großer Institutionen), so dass diese sich nach einem Abgleich mit anderen Texten als
durchaus wertvoll für diese Arbeit erwiesen.
Durch die Aktualität des Themas FH und seine kontroverse Diskussion, die stark von
der politischen Ausrichtung des Verfassers abhängt, war es immer wieder notwendig,
die einzelnen Texte der Ideologie ihrer Autoren nach einzuordnen, um eine möglichst
objektive Erfassung zu ermöglichen. Eine sehr gute Ressource für Literatur zum FH
stellten die Homepages internationaler FH- und Kaffeeorganisationen dar, in deren
Auftrag verschiedene Studien durchgeführt worden sind (wie die International Coffee
Organisation (ICO),
die Fairtrade Labeling Organisations International (FLO) oder
die FH- Organisation OXFAM, siehe Literaturverzeichnis).

18
Allgemeine Begriffsdefinitionen wurden aus der Internet- Enzyklopädie Wikipedia
(
www.wikipedia.de
) und deren DVD-Ausgabe ,,Wikipedia Frühjahr 2005" (Direct
Media Publishing GmbH, 2005) entnommen. Gekennzeichnet sind die jeweiligen
Quellen der Definitionen durch die zugehörige Internetadresse im Literaturverzeichnis
oder mit der entsprechenden Seitenzahl der DVD- Ausgabe. Als weiteres
Nachschlagewerk wurde die Encarta Standard Enzyklopädie von Microsoft genutzt
(Microsoft Encarta, 2003).
1.5.1.2 Mexikanische Literatur
An der Universität von Pachuca konnten für die Arbeit sämtliche vorhandenen Studien
eingesehen werden, die im Rahmen des Projektes ,,Organización de productores
indigenas para la producción de café orgánico bajo un esquema de comercio justo"
bisher erhoben und universitätsintern veröffentlicht wurden.
Außerdem standen verschiedene themenbezogene Werke zur Verfügung, wie Studien
zum Kaffeeanbau, staatliche Erhebungen und frühere Forschungsarbeiten zur Region.
Sämtliche Literatur wurde freundlicherweise von Dr. López Pérez von der Universität
von Pachuca zur Verfügung gestellt, ebenso wie unveröffentlichte persönliche Daten
und Vorträge von ihm. Sprachliche Probleme gab es in der Verarbeitung der auf
Spanisch verfassten wissenschaftlichen Literatur keine.
In der Vorbereitung auf die Aufenthalte in San Antonio war durch das bestehende
Projekt der Universität Pachuca die Möglichkeit gegeben, Einblick in die Ergebnisse
umfassender quantitativer Umfragen zu erhalten, die 2004 von Studenten der
Universität mit den Bewohnern des Dorfes durchgeführt wurden. Diese Studien
wurden nicht ausschließlich mit den Teilnehmern der Organisation, sondern mit der
Mehrheit der Dorfbevölkerung durchgeführt. Sie sind daher nur als allgemeine
Orientierung zur Situation zu sehen, da die Kaffeebäuerinnen und ­bauern einen
eigenen Ausschnitt der Bevölkerung darstellen.
Die im Voraus an der Universität einsehbaren Informationen zur Situation der
Gemeinde werden im Kapitel 4.3 vorgestellt, während das Projekt und die Studien vor
Ort anschließend an diesen Abschnitt beschreiben werden sollen. Durch die
vorhandenen Projektdaten und eingehende Gespräche mit den universitären
Koordinatoren und Mitgliedern des Projektes konnte ein umfassendes Bild der
Gesamtsituation erarbeitet werden, das während des Aufenthaltes im Dorf hinterfragt
und erweitert werden konnte.

19
1.5.1.3 Abbildungen
Zur Verdeutlichung und Illustration von Sachverhalten wurden einige graphische
Elemente in den Text integriert. Diese sind zum Teil eigenständig entwickelt worden
und dann als solche gekennzeichnet (Wuttke, Jahr). Wurden Darstellungen und
Tabellen aus Quelltexten übernommen, wurden diese, so möglich, mit den Daten
weiterer Institutionen auf ihre inhaltliche Richtigkeit abgeglichen. Dies ist
insbesondere bei bildhaften Elementen von Bedeutung, da selbst die gleichen Zahlen
durch eine entsprechende Darstellungsform oder das Verändern von Größeneinheiten
im Sinne der jeweilige Autoren eingesetzt werden können. Die für diese Arbeit
gewählten Abbildungen stellen die möglichst wertfreie Form der Daten dar.
Eigene Fotographien, die während der Studien in San Antonio entstanden, wurden
ebenfalls eingesetzt, um durch die Aussagen der Fotographien die Situation der
Produzenten zu illustrieren und Problematiken zu unterstreichen. Alle
fotographischen Abbildungen wurden in den Monaten Oktober und November in San
Antonio persönlich angefertigt.
1.5.2 Interviews
Für die Studien in Mexiko war es notwendig, verschiedene Formen der qualitativen
Forschung zu wählen, die der jeweiligen Situation angemessen sein sollten. Daher
wurden personen- und situationsabhängig qualitative Interviews durchgeführt, die
von Beobachtungen vor Ort begleitet und ergänzt wurden.
Die Interviewpartner setzten sich zusammen aus den Bewohnern San Antonios,
Experten des Universitätspersonals der Universidad Autónoma del Estado de Hidalgo
in Pachuca, Regierungsvertretern, wie den Vorsitzenden der Kaffeebehörde und des
Frauenministeriums des Bundesstaates Pachuca und dem Repräsentanten der
Kooperative Yeni Navan.
Für die vorliegende Arbeit wurde außerdem im Dorf San Antonio in
Gruppendiskussionen mit den Kaffeeproduzenten deren Lage erörtert und ergänzend
dazu mit einzelnen Bauern weitergehende Interviews geführt. Ergänzend dazu fanden
an der Universität von Pachuca und auch außerhalb des universitären Betriebs
aufschlussreiche Gespräche mit Experten und Arbeitsgruppenteilnehmern statt. Die
meisten Interviews in San Antonio entstanden im Rahmen der Besuche auf den
Feldern der Kaffeebauern zusammen mit dem Vorsitzenden der Organisation Jesús

20
Mondono Santiago. Eine typische Interviewsituation zeigt die Fotographie 1.1 weiter
unten. Die Interviews dauerten durchschnittlich 30 bis 60 Minuten.
Die im Rahmen der Interviews mit den Produzenten oftmals zugewiesene ,,höhere"
Position entsprechen nicht der Realität der Situation. Vielmehr sind die Kaffeebauern
die ,,Experten", da sie seit Jahren, und in seiner oder ihrer Familie zum Teil seit
Generationen, Kaffee in diesem Gebiet anbauen, pflegen und ernten. Um ,,technische"
Schranken abzubauen, wurde auf Hilfsmittel wie Aufnahmegeräte, die eine
höhergestellte (,,technisch entwickeltere") Position weiter unterstrichen hätten,
vollkommen verzichtet und die Gespräche im Nachhinein
schriftlich in Stichworten
festgehalten.
Fotographie 1.1: Jesús Mondono Santiago in einer
typischen Interviewsituation mit einem der kaffee-
produzierenden Organisationsmitglieder auf dessen Feld
Einen zunächst entwickelten
Fragebogen (vgl. Anhang 3)
wurde ebenfalls nicht mit auf die
Felder
genommen,
sondern
offene,
problemzentrierte
Interviews durch freies Fragen
und Erzählen unterstützt. In
sechs Fällen wurden daran
anschließend die Ergebnisse der
Interviews im Rahmen des
vorgegebenen
Fragebogens
festgehalten,
da
sie
als
repräsentativ für die Gruppe
gesehen werden können.
Als Einstieg in die Interviews
dienten überwiegend die Fragen
des begleitenden Jesus Santiago Mondono, dem Vorsitzenden der Kooperative, der im
Rahmen der gemeinsamen Feldbesuche den Zustand der Felder auf ihre
Übereinstimmung mit den Biorichtlinien überprüfte. Es wurden außerdem allgemeine
Fragen zur Kaffeeproduktion (Menge, Absatz, Preise in den vergangenen Jahren) oder
Familiensituation (Arbeitskräfte auf den Feldern, Migration, Kinder, etc.) mit

21
eingebracht. Durch die Begleitung von Herrn Mondono Santiago war ein Übersetzer
vorhanden, der die Gespräche aus dem Otomí ins Spanische übersetzen konnte.
In den Gesprächen, die mit den Bäuerinnen und Bauern geführt wurden, lag der
Schwerpunkt darin, zu erfragen, welche Veränderungen am dringendsten notwendig
seien und welche Belastungen als am schwersten empfunden wurden. Dadurch sollte
einerseits ihre Situation besser verstanden und die möglichen Vorteile durch einen
Verkauf in den FH erfasst werden. Andererseits dienten die Erfahrungen in der
Begleitung der Kooperative dazu, im Nachhinein einen Leitfaden zu erarbeiten, der auf
Organisationen in ähnlichen Situationen angewendet werden kann (vgl. Anhang 11).
Interviews mit Frauen, die alleine auf Spanisch durchgeführt werden konnten, wurden
dadurch unterstützt, dass sich ihnen gegenüber offen eigenen Rolle als Frau durch
Erzählungen aus dem eigenen Land und Berichten von eigenen Erfahrungen geäußert
wurde. Dadurch sollte den interviewten Frauen die Chance geben werden, die
,,Fremde" besser einschätzen zu können und die Entfernung abzubauen. Umgekehrt
dienten diese Gespräche auch dazu, sich ,,von außen" an das weibliche
Selbstverständnis der Frauen von San Antonio anzunähern.
Ziel dieser Unterhaltungen war es insbesondere, ein Umfeld zu schaffen, das weniger
von Unterschieden als von Gemeinsamkeiten geprägt war und zu entspannteren
Gesprächen führen würde. Alle Gespräche fanden in einer freundschaftlichen
Atmosphäre statt, was sich mit der Zeit, die in San Antonio verbracht wurde, und den
Informationen, die beiderseits bekannt waren, noch zunehmend lockerer und
tiefgehender gestaltete. Häufig fanden die Gespräche mit den Frauen in Gruppen mit
drei bis sechs Frauen statt. Interviews mit älteren Frauen, die ausschließlich Otomí
sprechen, waren ohne Hilfe leider nicht möglich, weshalb diese zusammen mit Herrn
Mondono Santiago durchgeführt wurden. Den Gesprächspartnerinnen wurde
versichert, in der Mitschrift und Auswertung der Gespräche keine Angaben von
Namen zu machen, was bei einzelnen Themen wie Gewalt in Familien oder
Alkoholmissbrauch auch immer wieder direkt von den Frauen nachgefragt wurde.

22
Angewandte Interviewformen:
-
Durch die permanente räumliche Nähe zu den Interviewpartnern ergaben sich
vielfach spontane rezeptive Interviews
6
(vgl. Lamnek, 1995, S. 82 ff), deren
aufschlussreiche Ergebnisse im Nachhinein als Postskripte aufgezeichnet wurden.
- Problemzentrierte Interviews:
Diese Interviewform wurde besonders bei den persönlichen Befragungen der
Kaffeebauern San Antonios gewählt, da es durch seine offene Konzeption dem
Interviewten ermöglicht, den Gesprächsfluss zu bestimmen. Der Interviewer geht in
dieser Interviewform ,,zwar mit einem theoretischen Konzept ins Feld, wobei aber die
Dominanz der Konzeptgenerierung durch den Befragten erhalten bleibt
." (Lamnek, 1995, S.
78 ff). Die theoretischen Vorkenntnisse des Interviewers werden im Rahmen des
problemzentrierten Interviews modifiziert und geprüft und dem Interviewten wird die
Rolle des Experten zugewiesen. Diese Form eignete sich besonders, da vorhandenes
Wissen über den biologischen Landbau sich als fruchtbarer Einstieg in die Gespräche
erwies.
Da die Interviews in den meisten Fällen auf den Pflanzungen der Produzenten
stattfanden, wurden keine technischen Hilfsmittel zur Aufzeichnung der Daten
benutzt, sondern so bald wie möglich daran anschließend Gedächtnisprotokolle
angefertigt.
- Gruppendiskussionen:
Im Rahmen der wöchentlichen Versammlungen der Organisationsteilnehmer, die
durchschnittlich drei Stunden dauerten, fanden Diskussionen in der Gruppe statt, die
von mir zum Teil als Moderatorin begleitet wurden. Es wurden
organisationsspezifische Themen wie Absatzchancen oder Organisationsstruktur
diskutiert. In diesen Gesprächen zeichneten sich besonders die organisationsinternen
Machtstrukturen durch die unterschiedliche Beteiligung einzelner (Gruppen) an der
Gesprächsführung ab. Die Aufzeichnung der Versammlungen fand begleitend in
Stichworten statt, die im Nachhinein ausgewertet wurden.
6
,, Spontan rezeptive Interviews: Kommen rezeptive Interviews durch spontane Mitteilungen zustande,
so nimmt der ,,Interviewer" die Rolle des aktiven Zuhörers ein, der durch sporadische, positiv-
unerstützende Bemerkungen dafür sorgt, dass die Kommunikation nicht abreißt."
(Lamnek, 1995, S. 87)

23
1.5.3 Beobachtungen
,,Instrumente der Beobachtung sind ja weitgehend die Forscher selbst. Sie stehen oft mitten im
sozialen Feld, das sie beobachten sollten, wobei ihre Beobachtung nicht voraussetzungslos
geschehen kann."(
Attestlander in: Lamnek, 1995, S. 276)
Beobachtungen finden entsprechend keineswegs einseitig statt. Sie werden vielmehr
beeinflusst von der Wahrnehmung und den Einstellungen des Beobachtenden vom
Beobachteten, der wiederum seine eigene Konzeption vom Beobachter hat und sich
entsprechend verhält. Die tatsächliche Komplexität dieser Interaktionsverhältnisse zu
erfassen geht jedoch weit über den Wahrnehmungshorizont des (fremden) Einzelnen
hinaus, wie weiter in Lamnek zitiert wird: ,,Wir glauben nur, was wir sehen- leider sehen
wir nur, was wir glauben wollen."
(ebd.)
Es soll daher davon ausgegangen werden, dass die gemachten Beobachtungen ebenso
subjektiv sind, wie die daraus gezogenen Schlüsse in bezug auf die Bedürfnisse der
Organisation und der Produzenten. Die größtmögliche Offenheit für, und das
wiederholte Hinterfragen der Situation sollen jedoch zumindest eine umfassende
Darstellung gewährleisten. Die Wahl der Gesprächs- und Interviewpartner, die von
hohen Regierungsvertretern über Kleinbauern bis zu universitärem Personal reichte,
fand bewusst statt, um die eigene Wahrnehmung durch immer neue Aspekte und
Sichtweisen zu erweitern.
Beobachtungsformen
Die teilnehmende Beobachtung wurde in San Antonio neben dem Interview als
qualitative Forschungsmethode gewählt. Durch diese offene Beobachtungsform bleibt
dem Forschenden die Möglichkeit erhalten, immer wieder neu auf die sich ergebenen
sozialen Situationen einzugehen. Dies geschieht, ohne dass deren Variabilität und
Komplexität von vorn herein durch vorgegebene Abfolgen oder enge Schemata
eingegrenzt werden müssen. Außerdem ermöglicht sie, vorhandene (Grund-)
Kenntnisse im Rahmen der Beobachtungen zu erweitern und zu hinterfragen.
Als Orientierung der Beobachtung diente der in Anhang 4 zu findende
Beobachtungsleitfaden, anhand dessen regelmäßig die verschiedenen Themen
(Soziales, Ökologisches, Ökonomisches) bearbeitet wurden.
Neben diesen Orientierungspunkten wurden keine genaueren Fragestellungen im
Vorfeld aufgestellt, um die möglichen Beobachtungsergebnisse nicht durch begrenzte
und im universitären Umfeld entstandene Projektionen der eigenen Sichtweise zu
beschränken. Die größtmögliche Offenheit der Forschung sollte dazu dienen, auch

24
neuen Ergebnissen und Aspekten gegenüber offen zu bleiben, was sich im Verlauf der
Studien mehrfach als sehr sinnvoll erwies. Die Datensammlung in San Antonio fand
im Rahmen von zwei Aufenthalten statt, die im Oktober und November 2005
durchgeführt wurden und insgesamt 18 Tage dauerten.
Aufgezeichnet wurden die Beobachtungen in einem Beobachtungstagebuch so bald
wie möglich nach der Datenerhebung, wenigstens jedoch einmal täglich am Abend
nach den Feldbesuchen. Während der Zeit in San Antonio fanden alle drei bis vier
Tage telefonische oder Internet-Kontakte mit dem universitären Leiter des Projektes
statt, so Elektrizität vorhanden war.
Das Beobachtungsfeld
7
Das Beobachtungsfeld dieser Studie sind die Kaffeebauern und -bäuerinnen San
Antonios, die sich zu der Organisation Ra Café Ndo Yu
5
zusammengeschlossen haben,
um in Zusammenarbeit mit der Universität von Pachuca ökologischen Kaffee zu
produzieren und im FH zu verkaufen.
Die Beschreibung ihrer Situation soll dazu dienen, den Ausgangspunkt des Projektes
besser erfassen zu können und ein differenziertes Bild der Lage der
kaffeeproduzierenden Kleinbauern im Allgemeinen zu gewinnen. Ziel war es, daraus
Schlüsse auf die Entwicklungschancen der Organisation als Produzenten im FH zu
ziehen und mögliche Schwierigkeiten besser zu begreifen. Im abschließenden
Leitfaden (Anhang 11) wurden diese Erfahrungen dann umgesetzt in Anregungen für
Organisationen in ähnlichen Situationen.
Wie die folgende Abbildung zeigt, stellen die Mitglieder der Kooperative Ra Café
einen Ausschnitt der Gesamtbevölkerung San Antonios und dessen Kaffeebauern dar.
Es wird deutlich, dass an der Organisation, im Vergleich zur Gesamtheit der
Kaffeebauern, auffallend mehr Frauen teilhaben.
7
Beobachtungsfeld: ,,Der räumliche und/oder soziale Bereich, in dem beobachtet werden
soll."
(Friedrichs/Lüdtke,
1973:
Teilnehmende
Beobachtung,
Einführung
in
die
sozialwissenschaftliche Feldforschung, S. 42, zitiert in: Lamnek, 1995, S. 270)
5
Ra Café Ndo Yu: Otomí für: Kaffee aus San Antonio, kurz: Ra Café

25
Abbildung 1.1: Schematische Darstellung des Beobachtungsfeldes in San Antonio
Quelle: Eigene Darstellung, Wuttke, 2006
Die Offenheit des beobachteten Feldes ,,Ra Café Ndo Yu" ist in bezug auf weitere
Interaktionsräume innerhalb der Dorfgemeinschaft sehr hoch. Ständiger Austausch
mit, sowie die Zugehörigkeit zu weiteren Gruppen (als Mutter, Familienvorstand oder
Pferdebesitzer, etc.) charakterisieren das Untersuchungsfeld.
Stellen die untersuchten Organisationsmitglieder von außen betrachtet die homogene
Einheit der Kaffeebauern eines kleinen Dorfes dar, so wird das Bild immer
differenzierter, je genauer der Einzelne ins Blickfeld der Forschung kommt. Es zeigt
sich nun, dass die Gruppe tatsächlich in sich ausgesprochen heterogen ist. Die 67
Teilnehmer setzen sich zusammen aus 37 Frauen und 32 Männern, deren
Altersverteilung in der folgenden Abbildung dargestellt wird:
Abbildung 1.2: Altersstruktur der Mitglieder der Organisation Ra Café Ndo Yu
9
12
11
0
9
17
6
5
0
5
10
15
20
Anzahl der
Mitglieder
Männer
Frauen
Altersverteilung
20 - 39
40 - 59
60 - x
unbekannt
Quelle: Eigene Darstellung, Wuttke, 2005
Bevölkerung
San Antonio
Männer
Frauen
Kaffeebauern
Ra Café
Ndo Yu

26
Die Beobachtungen bezogen neben den Produzenten deren Familienangehörige und
soziale Interaktionen außerhalb der Organisation ebenfalls mit ein. Hierarchische
Strukturen ließen sich innerhalb der Produzentengemeinschaft nur gering ausgeprägt
feststellen.
Der Kaffeeproduzent an sich hat in der Dorfgemeinschaft kein spezifisches Ansehen,
da nahezu jede Familie einige Pflanzungen im Nebenerwerb bewirtschaftet. Die
Machtstellung des Einzelnen definiert sich vielmehr aus dem Besitz der Familie und
weiteren wahrgenommenen Aufgaben in der Dorfgemeinschaft.
Die mächtigsten Personen des untersuchten Feldes sind einerseits die gewählten
Führungspersonen der Organisation (Vorsitzender, Schatzmeister, Sekretär).
Andererseits verfügen jene Mitglieder über mehr Einflussmöglichkeiten, die sich im
Dorf dadurch auszeichnen, dass sie noch weitere Ämter oder Verdienstmöglichkeiten
innehaben. Dazu zählen der Schuldirektor der Grundschule, der ebenfalls Sekretär der
Gemeinschaft ist, der Inhaber des dörflichen Schreibwarenladens und Vertreter
politischer Parteien. Auf der anderen Seite stehen die ärmsten Bauern, die neben dem
Kaffeeanbau keine weiteren Einkommensquellen haben, vielfach weiblich, über 45
Jahre und alleinstehend sind und deren Familien von Abwanderungsbewegungen
betroffen sind. Die Mehrheit der Frauen der Organisation gehören zu den (Macht-)
ärmeren, da sie in Vertretung ihrer Männer beigetreten sind, die auf Suche nach Arbeit
emigriert sind. Die fehlenden ökonomischen Mittel und Arbeitskraft der Männer
schränken ihre Entwicklungschancen in der (eher patriarchalisch ausgerichteten)
Dorfstruktur stark ein.
Die Kommunikation im Beobachtungsfeld kann als weitestgehend offen und ehrlich
beschrieben werden. Die demokratische Struktur der Gemeinschaft ermöglicht
innerhalb dieser Dialoge, die auch immer wieder explizit von den Führungspersonen
angeregt wurden.
Zentrale Orte der Datenerhebung
Hauptsächlich wurden Daten an vier Orten und Zusammenhängen erhoben:
1. Im Rahmen der Besuche der Bauern auf ihren Feldern. Bei diesen Besuchen
wurden auch die Interviews durchgeführt.
2. Während der wöchentlich stattfindenden Treffen der Mitglieder der
Organisation.
3. In der beherbergenden Familie und bei Besuchen von Produzenten in ihren
Häusern. Auch hier wurden teilweise Interviews durchgeführt.

27
4. Beobachtungen im Dorfalltag
Rollenzuschreibungen und Forschungsphasen
Die Beobachtungen wurden mit der Absicht durchgeführt, einen möglichst
umfassenden Eindruck der Situation des Dorfes zu erfassen. Die Subjektivität dieses,
wenn auch im Rahmen wissenschaftlicher Forschung erarbeiteten Bildes, steht dabei
außer Frage.
Gerade in der persönlichen und aktiven Teilhabe am Geschehen liegt jedoch die
besondere Chance, ein unvoreingenommeneres Bild der Lage zu zeichnen, das sich
nicht auf einzelne Forschungsaspekte beschränkt, sondern neben den offensichtlichen
Tatsachen auch ermöglicht, untergründige Hindernisse und Schwierigkeiten zu
erkennen. Im persönlichen Austausch wurden Strukturen und Probleme deutlicher
und die soziale Nähe ermöglichte einen Zugang zu Hintergrundinformationen, die
von Bedeutung für die Entwicklung der Organisation sind. Der aktive Austausch
durch die permanente Präsenz und Teilhabe an allen Aktivitäten des Dorfes
ermöglichten im Verlauf des Aufenthaltes auch zunehmend ein Vertrauensverhältnis
und dadurch den Zugang zu Hintergrundinformationen über das Dorf und seine
Bewohner. Dies konnte besonders dadurch zustande kommen, dass durch den
persönlichen Austausch Vorurteile und Rollenbilder abgebaut und relativiert wurden,
die zunächst entstanden waren.
In Abhängigkeit vom jeweiligen persönlichen Hintergrund und den Erfahrungen des
Einzelnen wurden mir verschiedene Rollen zugeschrieben (siehe Abbildung 1.3).
Umgekehrt war auch meine Wahrnehmung geprägt von eigenen Vorerfahrungen und
Rollenverständnissen (von Frauen, Männern, Kaffeebauern und anderen), welche zum
Teil zur Diskussion gestellt werden konnten.
Brüche meinerseits mit den Konzepten der mir von Dorfbewohnern zugedachten
Rollen führten öfters zu allgemeiner Erheiterung oder auch Bestürzung. So irritierte die
Kaffeeproduzenten zunächst die Tatsache, dass ich sie auf ihren Feldern besuchte.
Später wurde in Gesprächen deutlich, dass alle erwartet hatten, dass ich, wie frühere
Besucher der Universität, im Dorf bleiben würde und auch nicht dazu in der Lage
wäre, überhaupt zu den Kaffeegebieten zu wandern. Diese unerwartete Aktion führte
zu einem sehr positiven Gesprächsklima mit den Kaffeebauern, die hoch
,,anrechneten", dass der Weg zu ihnen und ihren Plantagen zurückgelegt zu wurde.

28
Auch das Wasserholen vom Manantial
6
erwies sich als ,,Sensation" im Dorf, über die
herzlich gelacht wurde aufgrund der Absurdität der Aktion in den Augen der
Dorfbewohner.
Die ,,frauenspezifischen" Aufgaben wie Kochen, Waschen oder Putzen konnten jedoch
kaum übernommen werden, da die Rolle des ,,Gastes" dies in den Augen der
Gastgeber unmöglich machte, beziehungsweise Konflikte hervorrief, wenn der
Wunsch geäußert wurde, mitarbeiten zu wollen.
Trotz dieser nicht übernommenen Arbeiten wurde ich grundsätzlich als Frau in
verschiedenen Rollen und von unterschiedlichen Gruppen wahrgenommen, was den
Zugang zu einzelnen Gruppen erleichterte, den Kontakt zu anderen jedoch erschwerte.
So entstand, wie bereits erwähnt, die Möglichkeit, direkt in Kontakt mit den Frauen
des Ortes zu kommen und sehr aufschlussreiche Gespräche zu führen, während ein
Besuch der Cantinas
7
nicht möglich gewesen wäre.
Durch die vorausgehenden Besuche anderer Studentinnen und einzelner jungen
Frauen des Dorfes, die in größeren Städten ihr Studium aufnehmen, war die Rolle der
,,Studentin" oder ,,Wissenschaftlerin" bekannt und wurde zunächst vielfach genutzt,
um meine Person zu definieren. Damit wurde mir eine ,,hohe" Stellung im Rahmen der
Dorfbevölkerung und insbesondere innerhalb der Organisation zugewiesen.
Vertreter der Universitäten oder Studenten genießen allgemein ein hohes Ansehen in
San Antonio, was nach meiner Ansicht durch die ,,akademische" Wissensdiskrepanz
zur Dorfbevölkerung entsteht, die zu großen Teilen analphabetisch ist. Teilweise
wurde von Mitgliedern der Produzentenorganisation auch eine Haltung
eingenommen, die man als ,,Heilserwartung" bezeichnen könnte, dass universitäre
Vertreter alles wissen und irgendwie alle Probleme ins Lot bringen würden.
Demgegenüber stehen jedoch auch viele Organisationsmitglieder, die, besonders durch
ihre Vorerfahrungen, durch ein sehr selbstbewusstes und kritisches Hinterfragen aller
geplanten Schritte sehr zur Anpassung des Konzeptes an die Verhältnisse in San
Antonio beigetragen haben.
Einen Ausschnitt der von mir übernommenen und mir zugewiesenen Rollen, die
während des Aufenthaltes deutlich wurden, soll die folgende Graphik darstellen:
6
Manantial: Natürliche artesische Quelle, vielfach in der Umgebung des Ortes vorhanden
7
Cantina: Kneipe, in der alkoholische Getränke ausgeschenkt werden, und die nur von
Männern besucht wird.

29
Abbildung 1.3: Schematische Darstellung verschiedener Rollen während der Forschungsarbeit
Quelle: Eigene Darstellung, Wuttke, 2006
Quelle: Eigene Darstellung, Wuttke, 2006
Mit der im Dorf verbrachten Zeit änderten sich der Austausch und die Verhältnisse der
Mitglieder der Organisation zu mir. Deutliche Unterschiede lassen sich feststellen im
Vergleich der wahrgenommenen Rollen und Zuweisungen zwischen den beiden
Besuchen:
1. Aufenthalt:
·
Ankommen und Vorstellung meinerseits vor der Gruppe im Rahmen einer
Vollversammlung der Organisationsmitglieder. Vorstellung als Mitglied der
Arbeitsgruppe der Universität Pachuca und in bezug auf die Kenntnis
biologischer Anbaumethoden.
·
Gast der Familie des Vorsitzenden der Organisation
·
Begleitung der Kontrollbesuche der Felder
·
Rollenzuschreibungen von Seiten der Dorfbevölkerung als:
Universitätsmitarbeiterin, Expertin
·
,,Gringa"
8
8
La Gringa: Stereotyp der weißen US-Amerikanerin, der zugeschrieben wird, nicht freiwillig zu
laufen, körperliche allgemeine Schwäche, verwöhnt, charakterschwach
Autorin
,,
Gringa
"
Vertreterin der
Universität
Junge
Frau
,,
Weiße
"
Freundin von
Chúcho
Expertin für
Bio-
produktion
,,Frau aus dem
Norden"

30
·
Junge, gebildete Frau
2. Aufenthalt:
·
Stärkerer Einbezug in gesellschaftliche Aktivitäten, wie eine Geburtstagsfeier,
eine Beerdigung, eine Namensgebung, hinterfragen meiner Person.
·
Die Rolle der ,,Frau" wird wichtig in persönlichen Gesprächen über häusliche
Probleme mit anderen Frauen in San Antonio
·
Weniger ,,Gast", Mithilfe bei Alltagsaufgaben wird geduldet
·
Die stete Begleitung des Vorsitzenden Jésus Mondono Santiago (Chúcho)
führt dazu, dass ich als seine Freundin gesehen wird.
·
Betonung seitens der Dorfbevölkerung Fremden gegenüber, dass ,,die
Weiße" keine ,,Gringa" ist.
Abschließend betrachtet ergaben die durchgeführten Beobachtungen und Interviews
ein umfassendes Bild der Situation in San Antonio, das sich im Forschungsverlauf
dynamisch weiterentwickelte und immer weiter differenzierte. Die Offenheit der
Forschung erwies sich als gewinnbringend für die Studien, da sie ermöglichte, direkt
am Alltagsgeschehen teilzunehmen und in der Organisation mitzuarbeiten.
Es war sehr bereichernd, mit immer neuen Menschen aus verschiedensten
gesellschaftlichen Hintergründen in Kontakt zu kommen. Die Bewohner San Antonios
erwiesen sich immer wieder als hervorragende Gastgeber und bereitwillig, ihr Wissen
mitzuteilen. Die lebendigen Unterhaltungen mit ihnen habe ich als sehr bereichernd
und manchmal auch nachdenklich stimmend empfunden und sie trugen dazu bei,
viele
eigene
Bilder
zu
hinterfragen
und
neu
zu
zeichnen.

31
2. Fairer Handel
Angesichts der Bandbreite der am FH beteiligten internationalen Organisationen und ihrer
unterschiedliche Standards, Voraussetzungen und Funktionen fällt es zunächst schwer,
einen klaren Überblick über die ,,Landschaft" des FH zu bekommen.
Im ersten Teil des nun folgenden zweiten Kapitel soll daher die Möglichkeit geschaffen
werden, eine Übersicht über den FH, seinen Ursprung und seine Entwicklung, Richtlinien,
Ziele und Institutionen zu erhalten. Damit soll auch die Arbeitsgrundlage skizziert werden,
die dem Studienaufenthalt in Mexiko zugrunde lag und auf der die vorliegende Arbeit und
ihre Fragestellungen aufgebaut wurde.
Anschließend daran werden im zweiten Teil des Kapitels die theoretischen Grundlagen des
FH übertragen werden auf das Fallbeispiel des Kaffees, der ein typisches Produkt des FH
darstellt. Die für diese Arbeit gewählte Definition des FH wird in 2.2 einführend vorgestellt
werden. Um deren ideologische und gesellschaftliche Wurzeln und die des heute
praktizierten FH besser nachvollziehen zu können, soll darauf folgend im Abschnitt 2.3 die
geschichtliche Entwicklung des alternativen Handelskonzeptes verfolgt werden.
Diese reicht vom Alternativen Handel der 1970er Jahre über die ersten FH-Initiativen Ende
der 1980er Jahre, zur aktuellen Entwicklung des FH und hat zur heute vorhandenen Vielzahl
an Organisationen geführt. Mit der Expansion des FH in den konventionellen Handel und
dem Entstehen der internationalen Verbände zu Beginn der 1990er Jahre begannen diese,
ihre Kriterien aneinander anzugleichen. Je größer und damit auch unübersichtlicher der
Markt des FH wurde, als desto notwendiger erwies sich eine einheitliche und klare
Festlegung dessen, was FH ist.
Der FH ist zu einem Teil des gesamtgesellschaftlichen Trends der Integration ethischer
Grundsätze in Produktion und Handel geworden, auf den auch konventionelle
Unternehmen durch ,,Codes of Conduct"
9
, Selbstverpflichtungen und eigene (zum Teil
abenteuerlich-kreative) Siegel reagiert haben. Um die einzelnen Verbände und Akteure
einordnen zu können, sollen die FH-Organisationen und ihre Verknüpfungen unter 2.4
dargestellt werden. Dabei wird der FH auf der Ebene der Nationalstaaten beginnend
9
Codes of conduct: Verhaltenskodizes von Unternehmen oder Unternehmensverbänden in bezug auf
die
Einhaltung
sozialer,
menschenrechtlicher,
arbeitsmedizinischer
oder
ökologischer
Mindeststandards in der Produktion. Häufig sind diese orientiert an den Richtlinien international
anerkannter Organisationen wie ILO, WWF oder IFOAM. Diese Selbstverpflichtungen sind rein
freiwilliger Art und werden für gewöhnlich nicht kontrolliert.

32
zunächst in Deutschland beschrieben werden. Anschließend wird die Darstellung der
Verknüpfungen der nationalen Initiativen auf europäischer Ebene folgen und schließlich die
Beschreibung der internationalen Dachverbände des Fairen und Alternativen Handels die
Vorstellung abschließen. Daran anknüpfend soll in 2.4.6 eine schematische Darstellung
(siehe Abb. 2.13) der am FH Beteiligten einen Überblick über den Aufbau des ,,fairen
Systems" ermöglichen.
Um sich ein Bild darüber machen zu können, wie die Idee des FH umgesetzt wird, soll das
Handelsgut Kaffee dazu dienen, das abstrakte Konzept in seiner Anwendung zu verfolgen
und zu bewerten. Die Kenntnis von Aufbau und Funktion des internationalen Kaffeemarktes
ist dabei Voraussetzung, um überhaupt verstehen zu können, an welchen Missständen der
FH ansetzt und welche Erfolge ihm tatsächlich zugebilligt werden können.
Im Kapitel 2.6 soll auf die Situation des Kaffeeanbaus in Mexiko eingegangen werden, bevor
anschließend unter 2.7 auf den aktuellen Trend der Verknüpfung der Spezialitätenmärkte
,,Fair" und ,,Bio" eingegangen werden wird. Dies soll besonders deshalb Beachtung finden,
weil die besuchte Kaffee-Kooperative Ra Café Ndo Yu die biologische Zertifikation, und
damit einen Platz in diesem Markt, anstrebt.
Die alternativen Handels- und Entwicklungskonzepte der fairen und biologischen
Produktion stellen spezifische Herausforderungen an Produzenten und ihre Handelspartner
dar. Sie suchen nach ,,faireren" Alternativen zum konventionellen Markt und haben den
Anspruch, sowohl bei den Konsumenten als auch bei den Produzenten Bildungs- und
Bewusstseinsarbeit zu leisten. Zum Abschluss des Kapitels 2.7 soll daher die Umsetzung
dieses Anspruches und die Relevanz von Bildung und Wissensvermittlung insbesondere bei
den Produzenten kritisch geprüft werden.
Um den einführenden Teil über den FH und die spezielle Situation der Kaffeebauern
schließlich zusammenzubringen, soll in Kapitel 2.8 zusammengefasst werden, welche
Veränderungen bisher tatsächlich durch den FH festgestellt werden können und wie
erfolgreich die zugrunde liegende Ideologie umgesetzt werden konnte.
2.1 Quellen
Wie schon unter 1.3.1 erwähnt, findet sich in der Literatur zum FH wenig wissenschaftliches,
dafür aber eine Fülle organisationsbezogenes Material. Das organisationsspezifische Material
wurde auf der Grundlage der Studien unabhängiger Institute (Universitäten, Verbände)
ausgewertet und verglichen. Die vorhandenen Studien, die im wissenschaftlichen Umfeld
anzusiedeln sind, wurden als Basis der Arbeit gewählt und zu den entsprechenden Kapiteln

33
zusammengesetzt, um eine möglichst umfassende Betrachtung der einzelnen Aspekte zu
ermöglichen. Besonders erwähnenswert sind hier die Arbeiten der Fair Trade Research
Group
(FTRG) der Colorado State University, USA, sowie die Studie von Anne Milford
,,Coffee, Co-operatives and Competition: The Impact of Fair Trade", die Ergebnisse der
Misereor-Studie ,,Fairer Handel, wohin?", sowie verschiedene Veröffentlichungen von
Oxfam
und des IFOAM.
Für die Daten über den internationalen Kaffeehandel dienten die Zahlen der internationalen
Börsen und Kaffeeverbände (Deutscher Kaffeeverband, International Coffee Organisation)
als Grundlage. Ebenfalls wurden die Ergebnisse der Weltbankstudie ,,Coffee markets, new
paradigms in global supply and demand" als wichtige Ressource mit einbezogen.
Die Feldstudien in Mexiko ermöglichten schließlich, die theoretischen Daten der
Organisationen in einen Realitätsbezug zu stellen und kritisch zu hinterfragen.
2.2 Die Definition des Fairen Handels
FH ist kein geschützter Begriff, der eine allgemeingültige Definition seines Inhalts möglich
macht. Vielmehr besteht ein weites Spektrum von Initiativen, Unternehmen und
Institutionen, die den FH nach eigenen Grundsätzen definieren und ihre Produkte
entsprechend kennzeichnen.
Auch politisch gibt es keine klare Festlegung des Begriffes, allerdings wird zur Zeit in der
europäischen Regierung daran gearbeitet, eine einheitliche Definition, ähnlich des ,,Bio-
Siegels
10
", zu finden. Dies wird forciert durch die stetig zunehmende Popularität des
Prinzips, welche eine allgemeine und kontrollierbare Definition immer unabdingbarer
werden lässt. Unter anderem wurde die Thematik in den letzten Jahren im Rahmen der
Konferenz ,,Fairer Handel- Ein Beitrag für eine nachhaltige Entwicklung?" des Europäischen
Parlaments
2004 in Brüssel diskutiert.
Um innerhalb des FH der Notwendigkeit einer klareren Definition nachzukommen, haben
die vier größten internationalen FH-Organisationen IFAT, FLO, NEWS! und EFTA im
Rahmen der von ihnen gegründeten Arbeitsgruppe FINE 1999 allgemeine Ziele und
Richtlinien entwickelt (s.u.).
Der ,,Code of Practice" (siehe Anhang 2) der IFAT beschreibt die heute im Rahmen des
zertifizierten FH geltenden grundlegenden Prinzipien. Jede einzelne der Gruppen führt
10
Bio-Siegel: Auch EU-Bio-Siegel: Von unabhängigen Kontrollstellen vergebenes Siegel für
Produzenten, wenn sie nach den Kriterien der EU-Bioverordnung produzieren. Es lehnt sich in seinen
Auflagen an die Richtlinien der Bio-Verbände wie Demeter oder Bioland in abgeschwächter Form an.

34
daneben auf der Grundlage dieses kleinsten gemeinsamen Nenners eigene Schwerpunkte
genauer in ihren Richtlinien aus.
Dieser Arbeit liegt das Verständnis der vier Verbände als Definition des FH zugrunde,
weshalb diese sowie deren allgemeingültigen Ziele und Richtlinien zunächst vorgestellt
werden sollen.
Wie bereits erwähnt, findet seit Beginn der 1990er Jahre eine zunehmende Ausweitung fairer
Handelsprinzipien in den konventionellen Handel statt. Sie spiegelt das wachsende
Bewusstsein in der Bevölkerung für ethische Fragen in Handel und Produktion. Dieser
Trend schließt sich damit an die zunehmende Integration biologischer Kriterien in der
landwirtschaftlichen Produktion an, die in den 1980er Jahren ihren Anfang genommen hat
und mittlerweile auf eine breite gesellschaftliche Akzeptanz stößt. Konventionelle
Handelsunternehmen reagieren auf diesen Trend zum ,,sozialen" Wirtschaften, um
einerseits Teil am Wachstum des Marktes der ,,ethischen" Produkte zu haben und um
andererseits auf Kritik durch NGOs und öffentlichen Druck zu reagieren. Als Resultat dieser
Bewegung
entstanden
seit
Mitte
der
1990er
Jahre
daher
verschiedenste
Unternehmenscodizes, Richtlinien und Wortkreationen, die das soziale Gewissen des
Käufers beruhigen und dadurch zum Konsum anregen sollen.
Diese vorhandene Vielfalt birgt die Gefahr, insgesamt unglaubwürdig zu werden und eher
zu Verwirrung und Skepsis des Konsumenten beizutragen als zum Kaufen zu verführen. Die
Vielzahl der Richtlinien erschwert oder verhindert außerdem den (internationalen)
Austausch von Waren, die Kommunikation der Beteiligten und eine glaubwürdige und
einheitliche politische Repräsentanz.
Im Rahmen der Arbeitsgruppe FINE einigten sich die vier größten internationalen Verbände
daher 1999 auf die folgende Definition:
"Fair Trade is an alternative approach to conventional international trade. It is a trading
partnership which aims for sustainable development of excluded and disadvantaged producers.
It seeks to do this by providing better trading conditions, by awareness raising and by
campaigns".
(FINE, April 1999 in: EFTA 2001, S. 5-6)
Daneben definiert die FINE auch die Ziele der fairen Handelspartnerschaften:
1. "To improve the livelihoods and well being of producers by improving market access,
strengthening producer organisations, paying a better price and providing continuity in the
trading relationship.
2. To promote development opportunities for disadvantaged producers, especially women and
indigenous people, and to protect children from exploitation in the production process.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783832498474
ISBN (Paperback)
9783838698472
DOI
10.3239/9783832498474
Dateigröße
10.2 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg – Erziehungs- und Bildungswissenschaften, Bildung und Kommunikation in Migrationsprozessen
Erscheinungsdatum
2006 (September)
Note
1,0
Schlagworte
handel entwicklung globalisierung projektentwicklung
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