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Theoretischer Zugang zum Snoezelen und Aspekte der Gestaltung von räumlichen Bedingungen in einer integrativen Kindertagesstätte

©2004 Magisterarbeit 398 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Im Zentrum unserer wissenschaftlichen Arbeit werden im Verlauf der nachfolgenden Abhandlung, im Wesentlichen zwei Fragestellungen zum heilpädagogischen Angebot, dem Snoezelen, skizziert und erörtert.
In den ersten Kapiteln steht die Betrachtung folgender Fragestellung im Vordergrund: Welche Möglichkeiten bestehen, unter der Nutzung internationaler Erfahrungen zu den materiellen und räumlichen Bedingungen des Snoezelens, an einer kommunalen integrativen Kindertagesstätte, geeignete Vorraussetzungen für die Implementierung eines adäquaten heilpädagogischen Angebotes zu schaffen?
Im empirischen Teil erfolgt eine differentielle Betrachtung. Es wird versucht, folgende Fragestellung zu klären:
Welche Einflüsse haben die Snoezeleneinheiten auf das Verhalten von behinderten und nicht behinderten Kindern, unter besonderer Berücksichtigung der differentiellen und individuellen Reaktionsweisen? Diesen Fragestellungen ordnen sich die nachfolgenden Kapitel unter.
In Kapitel 2 erfolgt eine theoretische Abhandlung des heilpädagogischen Angebotes Snoezelen. Zunächst soll anhand einer historischen Skizze die Entstehung des Snoezelens dargestellt werden. Des Weiteren erfolgt ein Versuch, den Begriff des Snoezelens mittels unterschiedlicher Definitionsansätze annähernd einzugrenzen. Die nachfolgenden Teilkapitel befassen sich mit einer Diskussion, die der Frage nachgeht, ob das Snoezelen als therapeutische Maßnahme oder als ein reines Freizeitangebot verstanden werden sollte. Um diese Diskussion abzuschließen, erfolgt eine kritische Auseinandersetzung der unterschiedlichen Auffassungen bezüglich des Snoezelens. Der letzte Abschnitt des zweiten Kapitels beinhaltet eine theoretische Zuordnung des Snoezelens, resultierend aus der Annahme, dass das Snoezelen als heilpädagogische Fördermaßnahme angesehen wird.
Das Kapitel 3 befasst sich mit der Darstellung der einzelnen Sinnessysteme und ihrer Wahrnehmung. Beim Snoezelen geht es vorrangig um Entspannung und Sinneswahrnehmung. Aufgrund dessen soll in diesem Kapitel eine differenzierte Vorstellung der einzelnen, am Snoezelen beteiligten Sinnessysteme, erfolgen.
Kapitel 4 behandelt die unterschiedlichen Vorgehensweisen beim Snoezelen. Während zunächst die verschiedenen Rahmenbedingungen und das Setting erläutert werden, erfolgt im Anschluss eine Darstellung der unterschiedlichen Raumkonzepte des Snoezelens.
Das Kapitel 5 umfasst die Vorstellung des Untersuchungsfeldes. Im ersten Teil wird auf […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Katrin Malina/Tanja Klose
Theoretischer Zugang zum Snoezelen und Aspekte der Gestaltung von räumlichen
Bedingungen in einer integrativen Kindertagesstätte
ISBN-10: 3-8324-9810-9
ISBN-13: 978-3-8324-9810-8
Druck Diplomica® GmbH, Hamburg, 2006
Zugl. Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Magdeburg, Deutschland,
Magisterarbeit, 2004
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© Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2006
Printed in Germany

1
Einleitung
7
2
Theoretischer
Zugang
zum
Snoezelen
2.1
Historische
Skizze
9
2.2
Begriffsannäherung
11
2.2.1
Definitionsansätze
des
Snoezelens
12
2.2.2
Zur
Zielgruppe
14
2.2.3 Wesentliche Prinzipien der Anwendung und Ziele des Snoezelens
15
2.2.4
Vorraussetzungen
16
2.2.5 Snoezelen: Entspannung oder Therapie
18
2.2.6 Snoezelen: Fördermaßnahme oder
Therapie
20
2.2.6.1 Snoezelen als Therapie
21
2.2.6.2 Snoezelen als therapeutisch- orientierte Maßnahme
22
2.2.6.3 Snoezelen als pädagogische Fördermaßnahme
23
2.2.6.4
Snoezelen
als
freies
Angebot
24
2.2.7
Kritik
25
2.2.7.1 Fehlende zugrunde liegende Theorien
25
2.2.7.2 Die ,,universalen Prinzipien heilpädagogischer Förderung" nach
Theunissen
26
2.2.7.3 Der
fehlende
Alltagsbezug
27
2.2.8 Theoretische Zuordnung des Snoezelens
29
3 Die Sinnessysteme und ihre Wahrnehmung
3.1
Das
taktile
System
32
3.2
Das
vestibuläre
System
34
3.3
Das
kinästhetische
System
36
1

3.4
Das
gustatorische
System
38
3.5
Das
olfaktorische
System 39
3.6
Das
visuelle
System
41
3.7
Das
auditive
System
43
4 Vorgehensweisen beim Snoezelen
4.1
Rahmenbedingungen/Setting
45
4.1.1 Der Snoezelenraum als Tast- und Fühlraum
45
4.1.2
Der
Snoezelenraum
als
Hörraum
48
4.1.3 Ein Raum für die visuelle Stimulation
50
4.1.4 Ein Raum für die Geschmacks- und Geruchsstimulation
53
4.2
Raumkonzepte
54
4.2.1
Minisnoezelen
54
4.2.2
Maxisnoezelen
56
4.3
Die
Rolle
des
Begleiters
57
5 Vorstellung des Untersuchungsfeldes
5.1 Das Konzept der integrativen Kindertagesstätte ,,Regenbogen"
5.1.1
Vorstellung
der
Einrichtung
59
5.1.2 Pädagogische Ziele und pädagogischer Ansatz der Einrichtung
60
5.1.3
Stellenwerte
der
Erziehung
61
5.1.4 Inhalte und Ziele der pädagogischen Arbeit - das Spiel als Haupttätigkeit 62
5.2 Die Umsetzung der Bildungsbereiche in der Praxis
5.2.1
Der
soziale
Bereich
63
5.2.2
Der
emotionale
Bereich
63
5.2.3
Der
kreative
Bereich
63
5.2.4
Der
motorische
Bereich
64
5.2.5
Der
kognitive
Bereich
64
5.2.6 Der kommunikative Bereich
65
2

5.3
Pädagogische
Angebote
66
5.4
Heilpädagogische
Förderung
67
6 Der Arbeitsprozess
68
6.1 Die finanziellen und räumlichen Bedingungen
69
6.2 Die Auswahl der Geräte und Gestaltung des Snoezelenraumes
70
6.2.1
Die
Kuschelecke
71
6.2.2 Die Blubbersäule und die Spiegelkugel
72
6.2.3
Das
Schwarzlicht
73
6.2.4
Das
Bällchenbad
74
6.2.5 Der Leuchtsandkasten, die Ufolampe und der Leuchtball
75
6.2.6
Der
Wasserfall
76
6.2.7
Weitere
Elemente
des
Snoezelenraumes
77
6.3
Die
empirischen
Untersuchungen
6.3.1
Die
angewandten
Methoden
78
6.3.1.1
Die
teilnehmende
Beobachtung
78
6.3.1.2
Das
Leitfadeninterview
81
6.3.2
Die
Orientierungsphase
83
6.3.3
Vorstellung
des
ausgewählten
Klientel
84
6.3.3.1
Jennifer
85
6.3.3.2
Dennis
90
6.3.3.3
Leon
W.
94
6.3.3.4
Nico
95
6.3.3.5
Leon
A.
98
6.3.3.6
Anne
99
6.3.3.7
Alexander
100
6.3.3.8
Steven
104
6.3.3.9
Berfin
107
3

7 Ergebnisse der empirischen Untersuchung
7.1
Die
Längsschnittbetrachtung
7.1.1
Jennifer
110
7.1.2
Dennis
114
7.1.3
Leon
W.
116
7.1.4
Nico
119
7.1.5
Leon
A.
121
7.1.6
Alexander 124
7.1.7
Steven
126
7.1.8
Berfin
131
7.2
Die
Querschnittbetrachtung
133
7.2.1 Die Gruppe der körperbehinderten Kinder
133
7.2.2 Die Gruppe der geistig behinderten Kinder
134
7.2.3 Die Gruppe der hyperaktiven Kinder
135
7.2.4
Die
Gruppe
der
Regelkinder
136
8 Die Einschätzung der Betrachtungen bezüglich der
vorangestellten
Fragestellungen
137
9 Literatur
139
Anhang
1 Transkription der Interviews
1.1
Interview
mit
Frau
Mertens
3
1.2
Interview
mit
Frau
A.
22
4

2
Das
Beobachtungstagebuch
2.1
Protokolle
der
Orientierungsphase
2.1.1
Montag,
24.05.2004
32
2.1.2
Dienstag,
25.05.2004
35
2.1.3
Mittwoch,
26.05.2004
37
2.2 Protokolle zu den ausgewählten Klienten
2.2.1
Jennifer
38
2.2.2
Dennis
74
2.2.3
Leon
W.
92
2.2.4
Nico
119
2.2.5
Leon
A.
154
2.2.6
Alexander 176
2.2.7
Steven
182
2.2.8
Berfin
216
2.2.9
Anne
239
3 Förderpläne der beobachteten Kinder
3.1
Jennifer
242
3.2
Dennis
245
3.3
Nico 247
3.4
Alexander 250
3.5
Steven
252
3.6
Berfin
254
5

Abbildungsverzeichnis (Stand: Mai 2004)
Abb.
1
Die
Kuschelecke
71
Abb. 2
Die Blubbersäule und die Spiegelkugel mit beweglichem
Farbrad
72
Abb. 3
Das Schwarzlicht mit fluoreszierenden Neonfäden
73
Abb.
4
Das
Bällchenbad
74
Abb. 5
Die Ufolampe und der Leuchtball auf dem Glaskasten
75
Abb. 6
Der Wasserfall
76
Abb. 7
Der Kuschelwurm auf der Kuschelmatte
77
Abb. 8
Die Taststrecke
77
Abb. 9 Der
Leuchtschlauch
77
6

1 Einleitung
Im Zentrum unserer wissenschaftlichen Arbeit werden im Verlauf der nachfolgenden
Abhandlung, im Wesentlichen zwei Fragestellungen zum heilpädagogischen Angebot,
dem Snoezelen, skizziert und erörtert.
In den ersten Kapiteln steht die Betrachtung folgender Fragestellung im Vordergrund:
Welche Möglichkeiten bestehen, unter der Nutzung internationaler Erfahrungen zu den
materiellen und räumlichen Bedingungen des Snoezelens, an einer kommunalen
integrativen Kindertagesstätte, geeignete Vorraussetzungen für die Implementierung eines
adäquaten heilpädagogischen Angebotes zu schaffen?
Im empirischen Teil erfolgt eine differentielle Betrachtung. Es wird versucht, folgende
Fragestellung zu klären:
Welche Einflüsse haben die Snoezeleneinheiten auf das Verhalten von behinderten und
nicht behinderten Kindern, unter besonderer Berücksichtigung der differentiellen und
individuellen Reaktionsweisen?
Diesen Fragestellungen ordnen sich die nachfolgenden Kapitel unter.
In Kapitel 2 erfolgt eine theoretische Abhandlung des heilpädagogischen Angebotes
Snoezelen. Zunächst soll anhand einer historischen Skizze die Entstehung des Snoezelens
dargestellt werden. Des Weiteren erfolgt ein Versuch, den Begriff des Snoezelens mittels
unterschiedlicher Definitionsansätze annähernd einzugrenzen. Die nachfolgenden
Teilkapitel befassen sich mit einer Diskussion, die der Frage nachgeht, ob das Snoezelen
als therapeutische Maßnahme oder als ein reines Freizeitangebot verstanden werden
sollte. Um diese Diskussion abzuschließen, erfolgt eine kritische Auseinandersetzung der
unterschiedlichen Auffassungen bezüglich des Snoezelens. Der letzte Abschnitt des
zweiten Kapitels beinhaltet eine theoretische Zuordnung des Snoezelens, resultierend aus
der Annahme, dass das Snoezelen als heilpädagogische Fördermaßnahme angesehen
wird.
Das Kapitel 3 befasst sich mit der Darstellung der einzelnen Sinnessysteme und ihrer
Wahrnehmung. Beim Snoezelen geht es vorrangig um Entspannung und
Sinneswahrnehmung. Aufgrund dessen soll in diesem Kapitel eine differenzierte
Vorstellung der einzelnen, am Snoezelen beteiligten Sinnessysteme, erfolgen.
7

Kapitel 4 behandelt die unterschiedlichen Vorgehensweisen beim Snoezelen. Während
zunächst die verschiedenen Rahmenbedingungen und das Setting erläutert werden,
erfolgt im Anschluss eine Darstellung der unterschiedlichen Raumkonzepte des
Snoezelens.
Das Kapitel 5 umfasst die Vorstellung des Untersuchungsfeldes. Im ersten Teil wird auf
das Konzept der integrativen Kindertagesstätte ,,Regenbogen" eingegangen, in der Ziele
und Inhalte der pädagogischen Arbeit der Einrichtung näher betrachtet werden. Im
zweiten Teil des fünften Kapitels soll die Umsetzung der Bildungsbereiche in der Praxis
dargelegt werden.
Das sechste Kapitel beinhaltet unseren gesamten Arbeitsprozess, welches in zwei
Teilgebieten abhandelt wird. Zum einen geht es um die Gestaltung des
Snoezelenraumes in der Kindertagesstätte und zum anderen werden unsere empirischen
Untersuchungen erörtert. Zur Implementierung dieses adäquaten heilpädagogischen
Angebotes werden sowohl der Bereich der finanziellen und räumlichen Bedingungen,
als auch die Auswahl der Geräte sowie die endgültige Gestaltung des Snoezelenraumes
beleuchtet. Im zweiten Teil des sechsten Kapitels erfolgt eine Darstellung der von uns
angewandten empirischen Methoden, wie die teilnehmende Beobachtung und das
Leitfadeninterview. Des Weiteren steht die Vorstellung der ausgewählten Klientel im
Mittelpunkt unserer Betrachtung.
Im siebenten Kapitel werden die Ergebnisse unserer durchgeführten Beobachtungen in
einer Längsschnitt- sowie einer darauf aufbauenden Querschnittbetrachtung
zusammengefasst.
Im Anhang befindet sich eine Transkription zweier Interviews. Diese Interviews liefern
uns Informationen zur Klärung von Fragen, welche während des Schreibens der
Magisterarbeit aufgetreten sind. Weiterhin befinden sich im Anhang die Protokolle der
einzelnen Snoezeleneinheiten, sowie die Förderpläne der ausgewählten Kinder.
8

2 Theoretischer Zugang zum Snoezelen
2. 1 Historische Skizze
Die erste ,,Mikro- Theorie" zur Umsetzung von Sinnesräumen ist schon Mitte der 70iger
Jahre zu finden. Die beiden amerikanischen Psychologen C.C. Cleland und C.M. Clark
hatten bereits 1966 in ihren Untersuchungen über Möglichkeiten der
Entwicklungsförderung, der verbesserten Kommunikation, des Beziehungsaufbaus und
der Verhaltensänderung durch ausgewählte Sinnesangebote bei entwicklungsverzögerten,
hyperaktiven, geistig behinderten und autistischen Menschen berichtet.
In der Idee eine so genannte ,,Sensory Cafeteria" zu schaffen, sahen sie den ersten Schritt,
den sensorischen Prozess anzuregen und zu steuern. Schwerstmehrfach oder geistig
behinderte Menschen sollten hier die Möglichkeit haben, in entsprechend gestalteten
Räumlichkeiten verschiedene Sinneserfahrungen zu erleben. Hier hatten sie die
Gelegenheit, Erfahrungen in den Sinnesbereichen Sehen, Hören, Riechen und Fühlen zu
sammeln sowie eine Stimulation der Kinästhesie zu erreichen. Dies sollte über die
Anregung der sinnlichen Wahrnehmung geschehen (Cleland/Clark, 1966/67, S.213ff.).
Ad Verheul und Jan Hulsegge, zwei Zivildienstleistende der Abteilung ,,Entspannung" in
der niederländischen Anstalt ,,Haarendael" in Haaren, nahmen dieses Interesse der beiden
Amerikaner als Anstoß für ihre Idee, spezielle Sinnesreize als so genannte ,,spontane
Aktivität" bei schwerstmehrfach behinderten Menschen in ihrer Freizeit einzusetzen.
Ein erstes Projekt und zugleich auch die Bezeichnung ,,Snoezelen" entstanden 1974 in
dieser Anstalt. Im Bereich der Bewegungserziehung überlegte man hier, wie den
Bewohnern der Einrichtung, als Ausgleich zur körperlichen Anstrengung, Möglichkeiten
zur Entspannung geboten werden könnten.
Zu dieser Zeit wurde man in den holländischen Anstalten für Geistigbehinderte immer
stärker mit den Problemen der Schwerstbehinderten konfrontiert. Für diese Gruppe von
Menschen gab es kein ausreichendes Aktivitätsangebot, welches ihren Bedürfnissen und
Möglichkeiten angemessen war. Die bisherigen Beschäftigungs- und Freizeitangebote
konnten nur von Menschen mit einer leichten geistigen Behinderung genutzt werden. Für
Schwerstbehinderte waren diese eher weniger von Bedeutung. Aus den verschiedensten
Bemühungen um Spielzeug und Beschäftigungsmöglichkeiten für die Gruppe der
9

Schwerstbehinderten, entstand einerseits das ,,aangepast materiaal", also Spielmaterial,
das in Form, Größe und Funktion dieser Behindertengruppe gerecht zu werden versuchte
und andererseits das ,,Snoezelen" (vgl. Mertens/Verheul, 2003, S.19). Daraufhin
entstanden die ersten Snoezelenräume.
Snoezelen heißt, eine Welt so zu gestalten, dass sie harmonisch und ganzheitlich erlebt
werden kann. Auf der Grundlage dieser Prinzipien wird dem Besucher eine
,,sensorische Cafeteria" geboten, ein vielseitiges Angebot für sinnliche Erfahrungen und
zum kreativspielerischen Verweilen (vgl. C. Brehmer, 1997, S. 376f.).
Unsere Umwelt ist für viele schwerstmehrfach behinderte Menschen voller Reize, die sie
kaum verarbeiten können. Sie haben Probleme diese unterschiedlichen Reize richtig
einzuordnen, voneinander zu unterscheiden oder überhaupt bewusst wahrzunehmen.
Snoezelen kann ihnen da entgegenkommen. Der Mensch hat beim Snoezelen die
Möglichkeit, sich auf einzelne Sinne zu konzentrieren ohne durch eine andere
Sinneswahrnehmung abgelenkt oder gestört zu werden. Um dies zu ermöglichen, versucht
man die Reize selektiv anzubieten und gleichzeitig überflüssige Reize zu reduzieren, um
eine Reizüberflutung zu vermeiden.
Neben der bereits erwähnten Anstalt ,,Haarendael" in Haaren, unternahmen auch das
Zentrum für geistig behinderte Menschen ,,Piusoord" in Tilburg und die Anstalt
,,De Hartenberg" erste Versuche im Bereich des Snoezelens. Auch hier ging es
ausschließlich um die Idee einer Freizeitaktivität (vgl. Hulsegge/Verheul, 2000, S.6).
Nach den ersten Erfahrungen in den Niederlanden wurde das Snoezelen etwa seit 1980 in
Großbritannien, Schweden, Kanada und Deutschland beachtet. Seit den Neunziger Jahren
kann man von einer weltweiten Verbreitung sprechen. Neben den oben genannten
Ländern kommt das Snoezelen auch in Dänemark, Belgien, Norwegen, Australien, Japan,
in den USA und in einigen Ostblockstaaten zum Einsatz (vgl. Mertens, 2002, S. 9).
Das Snoezelen erfährt zunehmend eine multilaterale Nutzung. War das Snoezelen
ursprünglich für Menschen mit einer schweren geistigen Behinderung gedacht, findet es
nun auch immer mehr im Bereich der Altenpflege, in psychiatrischen Kliniken, in der
Rehabilitation und an Sonderschulen statt. Snoezelen findet aber auch bei Menschen,
die keine Störsymptome aufweisen, großen Anklang. So ist das Snoezelen in vielen
Bereichen der sozialen Arbeit verbreitet, wie in der sonderpädagogischen
Frühförderung oder in diversen Kindertagesstätten.
10

2.2 Begriffsannäherung
Der Begriff Snoezelen ist in keinem niederländischen Wörterbuch zu finden. Snoezelen
ist eine Wortschöpfung, die sich aus der Kombination der beiden holländischen Verben
,,snuffelen" und ,,doezelen" ergibt. ,,Snuffelen" bedeutet soviel wie schnüffeln,
schnuppern und ,,doezelen" steht für dösen, schlummern. Außerdem erinnert es an das
englische Wort ,,to snooze" für ,,dösen" (vgl. Hulsegge/Verheul, 2000, S.6).
Diese beiden Verben charakterisieren die Grundprinzipien des Snoezelens: ,,niets moet,
alles mag" - man muss nichts, man kann tun was man mag (vgl. C. Brehmer, 1997,
S.376f.).
,,Snuffelen" steht dabei für das Prinzip der Freiheit. Jeder kann das tun was er mag und so
lange er möchte. ,,Hier bin ich ein Mensch, hier darf ich´ s sein" (vgl. C. Brehmer, 1994,
S.29). Auch die Teilnahme am Snoezelen bleibt jedem selbst überlassen. Snoezelen kann
als vorsichtiges Erkunden der Umgebung verstanden werden, bei dem weder
Leistungsanforderungen, noch irgendwelche Erwartungen an die Besucher eines
Snoezelenraumes gestellt werden.
,,Doezelen" steht für das Prinzip der Entspannung, vor allem für die Akzeptanz,
emotionale Geborgenheit und zwischenmenschlichen Beziehungen.
Für das Snoezelen gibt es keine genaue Definition.
,,Snoezelen", so meinte Jan Hulsegge scherzhaft, ,,kann man nicht erklären, man muss es
erfahren. Am besten lässt man das Wort langsam mit geschlossenen Augen auf der Zunge
zergehen. Dann hat man einen Vorgeschmack" (vgl. C. Brehmer, 1994, S.28).
Snoezelen kann man nur eingrenzend umschreiben, indem man mehrere schlüssige
Definitionen sucht (vgl. Hulsegge/Verheul, 2000, S.36).
11

2.2.1 Definitionsansätze des Snoezelens
Nach Hulsegge und Verheul muss man Snoezelen erleben, um es zu verstehen.
Das Phänomen des Snoezelens lässt sich demnach nur schwer in Worte fassen. Am
Besten man erklärt es anhand einer bildlichen Darstellung:
,,Auf einer Wiese liegen. An einem Grashalm kauen. Wir sehen die Wolken an uns
vorbeiziehen. Wir liegen bequem, der Lärm der Motoren ist weit von uns weg, nur das
Quaken der Frösche im Graben und das Rauschen des Windes in den Halmen ist zu
hören. Ein Duft von frischem Gras. Wir fühlen uns herrlich entspannt. Es ereignet sich
nichts, bis die Samen von ausgeblühten Pusteblumen, fortgetrieben vom sanften Wind,
unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Wir versuchen einige dieser Fallschirmchen zu
erhaschen. Bald darauf pflücken wir so einen reifen Löwenzahn und blasen die Samen
in die Luft, um ihnen dann so lange wie möglich mit unseren Blicken zu folgen. Danach
dösen wir wieder vor uns hin, wieder etwas weg von diesem Schnüffeln an Gras und
Wiesenblumen. Herrlich, so am Mittag zu snoezelen." (vgl. Hulsegge/Verheul, 2000,
S.37)
Krista Mertens führt in ihrem Buch ,,Snoezelen - Eine Einführung in die Praxis" zwei
gängige Definitionen des Snoezelens an.
Die folgende, nach Krista Mertens ,,Freizeit- und Erlebnispädagogisch orientierte
Definition" des Snoezelens, soll die ursprüngliche Grundidee, wie sie von den Vätern des
Snoezelens, Jan Hulsegge und Ad Verheul, entworfen worden ist, verdeutlichen:
,,Unter Snoezelen wird das bewusst ausgewählte Anbieten primärer Reize in einer
angenehmen Atmosphäre verstanden. Snoezelen, eine primäre Aktivierung schwer
geistig behinderter Menschen, vor allem auf sinnliche Wahrnehmung und sinnliche
Erfahrung gerichtet, mit Hilfe von Licht, Geräuschen, Gefühlen, Gerüchen und den
Geschmackssinn. Snoezelen ist das Schaffen authentischer Erlebnismöglichkeiten von
Umwelt für die, die anders sind." (vgl. Mertens, 2002, S. 10f.)
12

Der nachfolgende Definitionsansatz der Deutschen SNOEZELEN Stiftung weist eine
deutliche Entwicklung und Erweiterung des ursprünglichen Ansatzes des Snoezelens auf:
,,Snoezelen ist eine ausgewogen gestaltete Räumlichkeit, in der durch harmonisch
aufeinander abgestimmte steuerbare multisensorische Reize, Wohlbefinden und
Selbstregulationsprozesse bei den Anwesenden ausgelöst werden. Durch speziell auf
den Nutzer hin orientierte Raumgestaltung werden sowohl therapeutische und
pädagogische Interventionen, als auch Beziehung zwischen Anleiter und Nutzer
gefördert. Snoezelen kann im Kranken-, Behinderten- und Nichtbehindertenbereich
wirksam angewandt werden." (vgl. Mertens, 2002, S. 10f.)
Nach unserer Auffassungen, entfernen sich diese weiterentwickelten Konzepte jedoch
mehr und mehr von der ursprünglichen Idee des Snoezelens, wie sie von Hulsegge und
Verheul konstruiert worden ist.
Snoezelen wird nicht mehr nur als reines Freizeitangebot für Menschen mit einer
schweren geistigen Behinderung angesehen. Snoezelen gilt nun vielmehr als
multifunktionales, pädagogisches und therapeutisches Grundkonzept, welches gezielt zur
Wahrnehmensförderung, der strukturierten, pädagogischen und therapeutischen Arbeit
eingesetzt wird. Dabei soll auch bei den erweiterten Snoezelenkonzepten der
,,Freizeitansatz" nicht verloren gehen.
13

2.2.2 Zur Zielgruppe
Snoezelen stellt besonders für schwerstbehinderte Menschen, die aufgrund ihrer
Behinderung wenig andere Aktivitäten nutzen können, sondern den größten Teil des
Tages in ihrer Wohngruppe verbringen, ein spezielles Freizeitangebot dar. Durch das
Snoezelen haben sie die Möglichkeit, in andere Räumlichkeiten zu gelangen, um dort
völlig andere Erfahrungen zu sammeln, als es in der Wohngruppe möglich ist.
Bei dieser Gruppe behinderter Menschen kann man, laut Hulsegge und Verheul, davon
ausgehen, dass sie zum Erfahren ihrer Umwelt auf primäre Sinneseindrücke über
entsprechende begleitende Gefühle und Bewegungen angewiesen sind. Diese können
aber im Alltag oft nicht richtig erlebt und verarbeitet werden. Die Welt muss ihnen
demnach wie ein ,,Chaos" erscheinen, wo alles kompliziert und undurchschaubar ist und
wo sie nicht in der Lage sind, auf diese Reize einzugehen, sie zu ordnen und verstehen
zu lernen, wie es für Nichtbehinderte selbstverständlich ist. Der Alltag kann so
bedrohlich und beängstigend auf sie wirken, dass sie zu fremd- bzw. autoaggressivem
Verhalten neigen (vgl. Hulsegge/Verheul, 2000, S.8).
Ein schwerstbehinderter Mensch ist oft nicht imstande seine Erfahrungswelt
Außenstehenden zugänglich zu machen. Es fällt ihm schwer, seine Gefühle mit Worten
mitzuteilen. Er versucht diese stattdessen in subtilen Körperreaktionen, wie
Gesichtsmimik oder Berührung, auszudrücken. Nach Hulsegge und Verheul leben fast
alle geistig schwerstbehinderten Menschen in einer ausschließlich körpergebundenen
Erfahrungsphase. Die Welt besteht für sie aus Dingen, die man nur körperlich konkret
erfahren kann, wenn man sich an und mit ihnen bewegt, sie riecht, kostet, sieht und
hört. Sie sind offenbar nicht in der Lage, ihre Umwelt zu assoziieren oder zu
strukturieren (vgl. Hulsegge/Verheul, 2000, S.9).
Snoezelen ist aber nicht nur für schwer geistig behinderte Menschen eine bedeutsame
Aktivität. Auch über das Arbeitsfeld mit geistig Behinderten hinausgehende Bereiche,
vor allem in der Psychiatrie und im Bereich der Altenpflege und Altenhilfe für demente
Menschen, haben das Snoezelen bereits entdeckt.
14

2.2.3 Wesentliche Prinzipien der Anwendung und Ziele des Snoezelens
Snoezelen ist, in seinem Ursprung, ein Freizeitangebot für Schwerstbehinderte, bei dem
sie ruhig werden und zu sich selbst finden können. Dazu ist eine Umgebung nötig, in der,
im Gegensatz zum Alltag, die Sinne nicht komplex angesprochen werden, sondern in der
man sich nur auf einzelne Sinneswahrnehmungen konzentrieren kann. Die Sinne sollen
nicht in der Breite, sondern in der Tiefe angesprochen werden. Um dieses Ziel zu
ermöglichen werden die Reize selektiv angeboten und unnötige Reize reduziert. Das
Reizangebot soll so ausgelegt sein, dass es dem schwerstbehinderten Menschen
angenehme Sinneswahrnehmungen ermöglicht und ihm eine besondere Erfahrung bietet,
die er im Alltag nicht machen könnte. Da schwerstbehinderten Menschen der übliche
,,Reizefilter" fehlt, muss man ihnen eine strukturiertere ,,Reizumwelt" anbieten (vgl.
Hulsegge/Verheul, 2000, S.10).
Als Prinzip gilt dabei, dem Behinderten soweit wie möglich Freiraum und Zeit zu lassen,
selbst auszuwählen, anzuzeigen, welche Reize er als angenehm empfindet, worauf er sich
länger konzentrieren oder womit er sich beschäftigen möchte.
Dabei soll die Motivation der Behinderten nicht von den Mitarbeitern, sondern von den
Dingen im Raum selbst ausgehen. Material und Umgebung müssen so anregend sein, dass
schwerstbehinderte Menschen aktiviert werden. Zugleich muss die Umgebung die nötige
Ruhe ausstrahlen, um eine Entspannung überhaupt erst zu ermöglichen (vgl.
Hulsegge/Verheul, 2000, S.10).
Ein weiteres Prinzip beim Snoezelen ist ,,Niets moet, alles mag", das heißt, ,,Nichts muss
gemacht werden, alles ist erlaubt". Der Schwerstbehinderte soll hier ganz er selbst sein
dürfen und machen können was er möchte. Eine freie Beschäftigung mit den zum
Snoezelen bereitgestellten Materialien ist hier erwünscht. Bei der Freiwilligkeit des
Angebotes handelt es sich nicht um eine Auswahl an Materialien die systematisch
erfahren werden müssen, sondern um ein stimmungsvolles vielfältiges Angebot an
Sinneseindrücken, das freiwillig und gerne genutzt werden soll (vgl. Hulsegge/Verheul,
2000, S.11f.).
Oberstes Prinzip beim Snoezelen ist es, den zwischenmenschlichen Kontakt zum
schwerstbehinderten Menschen zu erhalten (vgl. Hulsegge/Verheul, 2000, S. 12).
15

2.2.4 Vorrausetzungen
Will man Snoezelenaktivitäten für geistig Behinderte und andere Zielgruppen optimal
einsetzen, dann müssen nach Hulsegge und Verheul folgende Vorraussetzungen gegeben
sein:
1. Richtige Atmosphäre
Vor allem weiches, gedämpftes Licht und ein ruhiger Geräuschehintergrund stellen beim
Snoezelen eine angenehme Atmosphäre her. Gleichzeitig trägt ruhiges Sprechen dazu bei.
Zur Vervollständigung dient noch eine angenehme Sitz- und Liegewiese.
2. Eigene Entscheidung
Die Wahl der Aktivität liegt beim Besucher des Raumes, nicht bei dessen Begleiter. Beim
Snoezelen wird das ,,für ihn", also alle therapeutischen Maßnahmen, durch ,,von ihm"
ersetzt. Die Initiative geht einzig und allein vom Besucher aus. Der Begleiter sollte sich
nach den Besuchern orientieren und sich ihnen anpassen.
3. Eigenes Tempo
Der Besucher muss Zeit haben, Reize aufzunehmen, Wahrnehmungen zu machen und
sich Erfahrungen zu erschließen. Das alles muss in seinem eigenen Tempo geschehen.
Der Begleiter hat die Aufgabe, den Besuchern genügend Zeit beim Aufnehmen der
unterschiedlichen Reize zur Verfügung zu stellen. Der Respekt vor dem Tempo des
Besuchers ist eine wichtige Vorraussetzung, um optimal snoezelen zu können.
4. Richtige Zeitspanne
Wie beim Beginn, muss man auch beim Ende der Snoezelenphase für Ruhe sorgen. Eine
stimmungsvolle Aktivität darf nicht abrupt abgebrochen werden. Durch ein bestimmtes
Auftreten wird deutlich gemacht, dass man nun wieder in den Alltag umschalten möchte.
Beispielsweise werden die großen Lampen langsam wieder angeschaltet, die
Hintergrundmusik wird abgedreht und der Vorhang aufgezogen.
Die Zeitspanne für das Snoezelen hängt einzig und allein von den Reaktionen des
Besuchers ab. Wenn er sich beginnt zu langweilen, muss dies als eine Art Schlusssignal
gesehen werden.
5. Wiederholung
Ein geistig Behinderter wird beim Entdecken und Verarbeiten der Erfahrungen der
gebotenen Reize länger verharren, als ein Nichtbehinderter. Der Begleiter darf während
des Snoezelens nicht viel eingreifen, den Besuchern nicht zu häufig mit Blick auf das
16

,,normale" Erleben korrigieren. Wie oft und auf welche Weise gesnoezelt werden sollte
lässt sich nicht festlegen. Die Reaktion der einzelnen Besucher ist maßgebend.
6. Ausgewählte Reizangebote
Oft wird die Welt für geistig Behinderte als reizüberflutet und somit von ihnen als
chaotisch empfunden. Der Begleiter ist verpflichtet die Situation so zu verändern, dass sie
weniger bedrohlich und reizärmer auf den Besucher wirkt. Unerwünschte Reize müssen
ausgeschalten, reduziert und gezielt dosiert werden. Während des gesamten
Snoezelengeschehens ist ein ausgewähltes Reizangebot gefordert.
7. Richtige (Grund-)Einstellung
Zu der Grundhaltung bei der Arbeit mit geistig Behinderten gehört unbedingt dazu,
kritisch mit sich selbst zu sein. Die eigenen Gefühle wie Freude, Wärme und Zuneigung
sind entscheidend für die Geduld, die man im Umgang mit Behinderten aufbringen sollte.
Auch Gefühle wie Ärger, Gereiztheit und Ungeduld sind für den Umgang
mitbestimmend.
8. Richtige Betreuung
Beim Snoezelen muss der Betreuer von seinen bisherigen alltäglichen
Betreuergewohnheiten und -normen Abstand gewinnen.
Der Besucher muss sich beim Snoezelen sicher fühlen, das gilt auch für den Begleiter.
Die Umgebung muss Ruhe ausstrahlen, die zur Aktivierung und zum Entspannen einlädt.
Greift der Begleiter zu oft ein, dominiert er das Geschehen, wie gewöhnlich im Alltag.
Die mögliche Folge ist Verkrampfung. Der Besucher muss spüren, dass von ihm keinerlei
Leistung verlangt wird. Dies steht im Gegensatz zum Alltagsgeschehen.
Das Snoezelen bietet Möglichkeiten in sich, anders sein zu dürfen. Vor allem Riechen,
Schmecken, Fühlen und Sich- Bewegen, einfach weil man es schön findet, nicht um eine
Information zu gewinnen, um davon zu lernen oder sich zu entwickeln, sind Aktivitäten,
die viel besser zu den Möglichkeiten und den Bedürfnissen der schwer geistig
Behinderten passen (vgl. Hulsegge/Verheul, 2000, S.39ff.).
17

2.2.5 Snoezelen: Entspannung oder Therapie
Nach Hulsegge und Verheul kann Snoezelen sowohl Mittel als auch Zweck sein.
Snoezelen soll als ein Geschehen betrachtet werden, welches die Entspannung in den
Vordergrund setzt. Entspannung soll hier nicht im Sinne von Freizeit und Erholung
verstanden werden, sondern eher als ein beruhigendes Element (vgl. Hulsegge/Verheul,
2000, S.158f.).
Von der Atmosphäre und den zum Snoezelen gebrauchten Materialien selbst, geht eine
mehr oder weniger stark aktivierende Wirkung aus. Allein die Anwesenheit des Begleiters
aktiviert. Dies kann den Besucher einladen, spontan und primär zu reagieren, was
wiederum zum Erkunden der Umgebung anregt. Der Snoezelenraum und alle Materialien
müssen einladend wirken, der Besucher bestimmt selbst, was er inhaltlich dabei erleben
möchte. Beim Snoezelen wird ein Gleichgewicht zwischen Aktivierung und Entspannung
angestrebt. Der Begleiter greift nur wenn nötig in das Geschehen mit ein. Beim Snoezelen
können sich therapeutische Situationen andeuten oder ergeben (vgl. Hulsegge/Verheul,
2000, S.159).
Verfolgt man beim Snoezelen ein bestimmtes Programm bedeutet das, vorab festzulegen,
was in den Snoezelensitzungen geschehen soll. Wenn ein Programm angeboten wird,
zielt es beispielsweise auf die Entwicklung der Sinnesorgane ab. Man muss wissen,
welchen Reiz man anbietet, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Wenn ein
therapeutisches Ziel angestrebt wird, muss man sich fragen, welche Snoezelenaktivität
am Effektivsten sein wird (vgl. Hulsegge/Verheul, 2000, S.159).
Besucher zeigen im Snoezelenraum oft ein anderes Verhalten als im Alltag. Besucher mit
einem sonst problematischen Verhalten geben sich hier oft total anders, weil sie von den
Aktivitätsangeboten, der Atmosphäre und den Effekten überrascht werden, verfallen sie
nicht in ihre alltäglichen Verhaltensweisen. Hulsegge und Verheul zufolge, ist es jedoch
nicht die Absicht vom Snoezelen, Förderung und Therapie in den Mittelpunkt zu stellen.
Snoezelen kann entwicklungsgerichtet, aktivitätsgerichtet und selbst therapeutisch
eingesetzt werden. Dabei werden allerdings keine Ziele formuliert. Snoezelen ist somit
eine völlig offene Sache (vgl. Hulsegge/Verheul, 2000, S.159). Wenn man beim
Snoezelen überhaupt von Zielen sprechen kann, dann sind es das Erleben der direkten
Umgebung, das ,,Einfach - Auf - Sich ­ Wirken - Lassen" und das angenehme passive
Genießen (vgl. Hulsegge/Verheul, 2000, S. 10).
18

Beim Snoezelen handelt es sich nach Hulsegge und Verheul nicht um eine neue
,,Therapie". Auch ist Snoezelen nicht ein auf bisher unbekannten wissenschaftlichen
Erkenntnissen beruhendes ,,Förderprogramm". Im Gegensatz zu zielorientierten
pädagogischen Vorgehen, versucht Snoezelen in der grundlegenden Anregung der fünf
Sinne neue Zugangswege zu Menschen zu finden, die aufgrund ihrer schweren geistigen
Beeinträchtigung meist nicht mehr selbstständig artikulieren können (vgl.
Hulsegge/Verheul, 2000, S.1).
Nach Brehmer stehen im Umgang mit schwer geistig behinderten Menschen weder
Fördergedanken noch Leistungsanforderungen im Vordergrund. Snoezelen ist demnach
frei von jeglichen Förder- oder Therapievorstellungen, jedoch können kleine
therapeutische Nebenwirkungen entstehen (vgl. C. Brehmer, 1997, S. 376ff.).
In Deutschland begann man jedoch früh damit, den Snoezelenraum auch therapeutisch zu
nutzen. Nach Krista Mertens ist diese Variante des Snoezelens die zweitgrößte Strömung
neben der Freizeit- und Erlebnisorientierten. Sie begreift Snoezelen allerdings nicht als
eigenständige Therapieform, sondern eher als eine therapeutische Umgebung, in der man
verschiedene Anwendungen und Interventionen ermöglichen kann.
Taktile- kienästhetische Stimulationen, strukturierte Bewegungsanreize, den Geruchs-,
Hör- oder Sehsinn ansprechende Sinneswahrnehmungen, die in einem Snoezelenraum
ermöglicht werden, fördern Lernprozesse, die der kindlichen Persönlichkeitsentwicklung
im sensorischen, motorischen, affektiv- sozialen und kognitiven Bereich dienen.
Eine Umgebung gestalten bedeutet, dass man künstlich Einfluss auf die Raumplanung
nimmt. Der Begriff des Snoezelens soll auf entsprechend eingerichtete Innenräume
eingegrenzt sein, um pädagogische und therapeutische Interventionsmöglichkeiten
kontrollieren und beeinflussen zu können (vgl. Mertens, 2003, S.11).
19

2.2.6 Snoezelen: Fördermaßnahme oder Therapie
Die Entscheidung, ob beim Snoezelen gelenkt werden sollte oder ob man den
angenehmen Raum mit den unterschiedlichen Elementen ohne Einfluss eines Begleiters
zur Entspannung und zum Wohlfühlen zur Verfügung stellt, beeinflusst die Wahl von
Inhalten, Methoden und Organisationsformen.
Nach Mertens hat der Pädagoge die Aufgabe, den behinderten Menschen zu fördern,
wobei die Definition des Begriffes Förderung oft unterschiedlich ausgelegt wird.
Die Förderung zielt, Mertens zufolge, auf Menschen mit und ohne Behinderungen ab und
meint eine allgemeine Entwicklungs- und Intelligenzförderung oder eine Maßnahme, die
den ,,Fortschritt der Persönlichkeit durch Erweiterung der Handlungskompetenz"
unterstützt (vgl. Mertens, 2003, S.27).
In der pädagogischen Arbeit wird von Fördermaßnahmen gesprochen, wenn diese der
Verbesserung der Lebensumstände und -situation mit dem Ziel der Lebensbewältigung
dienen. Der Begriff der Förderung ist somit mehr perspektivisch und oft übergreifend und
meint allgemein Entwicklungsförderung und Persönlichkeitsentfaltung (vgl. Mertens,
2003, S.27).
Der aus dem griechischen abgeleitete Begriff der Therapie bedeutet im übertragenen
Sinne Dienen, Pflegen, Heilen und meint die Beseitigung eines Krankheitszustandes bzw.
die Beeinflussung eines Krankheitsverlaufs. Therapeutische Maßnahmen unterliegen
umfassenden theoretisch und empirisch legitimierten Konzepten. Unter dem Begriff
Therapie ordnen sich verschiedenste Interventionsformen. Therapie kann Förderung sein,
Förderung kann aber auch Therapie sein (vgl. Mertens, 2003, S.28).
Je nach Absicht, Zielgruppe und beruflicher Qualifikation wird das Snoezelen eine andere
Struktur aufweisen. Nach den Auffassungen von Mertens können demzufolge vier
Anwendungsbereiche des Snoezelens unterschieden werden. Der erste Bereich der
Anwendung ist das Snoezelen als Therapie, der zweite Anwendungsbereich ist als
Snoezelen als therapeutisch- orientierte Maßnahme beschrieben, der dritte
Anwendungsbereich umfasst das Snoezelen als pädagogische Fördermaßnahme und das
vierte Gebiet der Anwendung wird von Mertens als das Snoezelen als freies Angebot
bezeichnet.
20

2.2.6.1 Snoezelen als Therapie
Nach Krista Mertens kann man beim Snoezelen von einer ,,Bewegungstherapie auf
neuropsychologischer Grundlage" sprechen, das bedeutet dass das Snoezelen vom Arzt
verordnet und von staatlich geprüften und anerkannten Snoezelentherapeuten
durchgeführt wird. Snoezelen kann demnach nicht als Therapie verschrieben werden, da
keine fundierten Forschungsarbeiten zu den Wirkungsweisen des Snoezelens vorliegen.
Ergo- und Physiotherapeuten integrieren das Snoezelen in ihr Therapie- und
Behandlungskonzept und ordnen es den Interventionsmethoden sensorischer Integration
oder Mototherapie zu (vgl. Mertens, 2003, S.29).
Snoezelen zeigt, Mertens zufolge, gute Ergebnisse bei einer Wahrnehmensförderung, bei
der Förderung von Ruhe und Entspannung, von Fantasie und Kreativität, der sozialen
Bezüge, der Kommunikation sowie der Gedächtnisleistung. Sowohl die therapeutisch als
auch die therapeutisch- orientierten Maßnahmen bedingen ein Konzept, welches auf seine
Effizienz hin überprüft werden muss. Aufgrund fehlender einheitlicher Therapien, ist es
notwendig, Beobachtungsdaten über möglichst viel Variablen zu sammeln und diese zu
analysieren. Hierfür bieten sich zu Beginn der Therapie die Bedingungs- und
Verhaltensanalysen an. Neben der Anamnese sollte auch festgestellt werden, unter
welchen Umständen ein verändertes Verhalten bei der am Snoezelen beteiligten Person
auftreten. Wichtige Vorraussetzungen für die Therapie sind Planmäßigkeit, also ein
gezieltes Vorgehen, Wiederholbarkeit, die Übertragbarkeit auf andere Personen und
Variierbarkeit, das Verändern von Ort und Umgebung des Vorgehens (vgl. Mertens,
2003, S.29). Die Ausgangslage kann über verschiedene diagnostische Verfahren in den
Bereichen der Wahrnehmung, der Konzentration und in dem Bereich des Sozialverhaltens
und technischen Messverfahren, wie Puls, Blutdruck, Atemfrequenz und Blickkontrolle,
erfasst werden. Man kann das Verhalten auch über Video verfolgen. Weitere
Beobachtungen und ergänzende Befragungen zu möglichen Problemen in der psychisch-
emotionalen Befindlichkeit, im Arbeitsverhalten und im Sozialverhalten ergänzen die
Bilder. Anschließend wird sämtliches Material ausgewertet. Die Ergebnisse beeinflussen
die Inhalte der nachfolgenden Snoezeleneinheiten (vgl. Mertens, 2003, S.30).
21

2.2.6.2 Snoezelen als therapeutisch- orientierte Maßnahme
Von einer ,,therapeutisch- orientierten Maßnahme" des Snoezelens kann man sprechen,
wenn durch eine fachspezifisch ausgebildete Kraft, ein Pädagoge mit einer
Zusatzqualifikation Snoezelen, Snoezelen als Intervention zur Verbesserung,
Kompensation oder Beseitigung primärer oder sekundärer Beeinträchtigung in den
unterschiedlichen zu diagnostizierenden Bereichen angewandt wird. Vorraussetzung ist
eine klare Ausgangsdiagnose mit Erfassung des Ist- Zustandes, die zielgerichtete
Anwendung der Methode und das Festhalten des Endzustandes (vgl. Mertens, 2003,
S.30).
Das Snoezelen dient hier der Kompensation bzw. der Bewältigung von Auffälligkeiten
und Störungen. Durch entsprechende Angebote wird die Selbstwahrnehmung intensiviert,
der Körper bewusst erfahren und generell die Erlebnis-, Handlungs- und
Aktivitätsfähigkeit erweitert. Inhalte, Methode, Ziele und Wirksamkeit müssen in
Hinblick auf wissenschaftliche Ansprüche noch genauer überprüft werden (vgl. Mertens,
2003, S.30).
22

2.2.6.3 Snoezelen als pädagogische Fördermaßnahme
Pädagogische Fördermaßnahmen dienen der Unterstützung von Erziehungs- und
Bildungsprozessen. Sie beziehen sich auf die verschiedenen Entwicklungsbereiche wie
Wahrnehmung, Emotionalität, Kognition, Kommunikation oder Motorik. Ziele des
Snoezelens sind, nach Mertens, die allgemeine Aktivierung zur Förderung von
Entwicklungs- und Lernprozessen, die Erweiterung von Umwelterfahrung, die intensive
Aufnahme basaler Reize, die Konzentration der Reize auf engem Raum und über ein
dosiertes Angebot, die Integration in soziale Strukturen, der Aufbau elementarer
Beziehungen, unter anderem durch nonverbale Kommunikationsmöglichkeiten, die
Vermittlung von Lebensfertigkeiten und die Entspannung (vgl. Mertens, 2003, S.30).
Wenn man die pädagogische Förderung in den Vordergrund stellt, so muss, laut Mertens,
eine Effizienz nicht zwingend nachgewiesen werden (vgl. Mertens, 2003, S.31).
Das Snoezelen zeichnet sich, unter dem pädagogischen Aspekt, durch die besondere
Freiheit und Selbstbestimmung bei der Auswahl der gewünschten Tätigkeiten aus. Der
Begleiter führt den Besucher zwar, dies widerspricht dennoch nicht den eigentlichen
Zielsetzungen der freien Wahl. Aufgabe eines Pädagogen ist es, sich vor jeder
Übungseinheit Gedanken über den Verlauf der Stunde zu machen. Denn vielen Besuchern
fällt es schwer, über einen längeren Zeitraum ohne Anleitung in einem Raum konzentriert
zu verweilen (vgl. Mertens, 2003, S.31).
Brehmer beschreibt die Wirkungen des Snoezelens als Anstieg der Fähigkeit, sich zu
entspannen und abzuschalten, als Abnahme aggressiven und autoaggressiven Verhaltens,
als Zunahme der Ausdauer, bei bestimmten Aktivitäten zu verharren, als größere
Eigenaktivität/-initiative, als erhöhte Spontaneität, als bessere Kontaktfähigkeit und als
ein Anstreben eines Gleichgewichtes zwischen Aktivierung und Entspannung (vgl. C.
Brehmer, 1994, S.29 und C. Brehmer, 1997, S.376ff.).
Snoezelen als Freizeit- und Entspannungsangebot bietet mehr Freiraum. Der Begleiter
setzt lediglich Impulse, beobachtet und greift nur bei Gefahren ins Geschehen ein. Eine
Lenkung ist somit weitgehend aufgehoben (vgl. Mertens, 2003, S.31).
Snoezelen dient, nach der Auffassung von Krista Mertens, allgemein der
Entwicklungsförderung und wird präventiv oder kompensatorisch stabilisierend
eingesetzt. Ein Snoezelraum schafft die Atmosphäre für die Selbstregulierung und ein
Gegengewicht zu dem alltäglichen Stress (vgl. Mertens, 2003, S.31).
23

2.2.6.4 Snoezelen als freies Angebot
Ein solcher Raum dient der Ruhe und der Erholung und sollte unter bestimmten
Vorraussetzungen ein Angebot für jedermann sein. Die Regeln zur Nutzung müssen
vorher festgelegt sein. Der Begleiter stellt die unterschiedlichen Reize, ob optische,
akustische, olfaktorische, gustatorische oder auch taktil- haptische, zur Auswahl und kann
sie je nach Wunsch verändern (vgl. Mertens, 2003, S.31f.).
Um Gefahren zu vermeiden, sollte die Besucher, nach Aussagen von Mertens, in
Abständen über ihre Meinungen bzw. ihr Wohlbefinden befragt werden. Sie können ihre
Eindrücke auch schriftlich in einem ausgelegten Logbuch oder in einem
Befindlichkeitsfragebogen festhalten.
In der pädagogischen Fachliteratur spricht man auch von so genannten offenen
Angeboten, die ein solches individualisierendes und differenzierendes Vorgehen
ermöglichen. Vorraussetzung ist, die Selbstständigkeit und Eigenkontrolle der Besucher.
Beim Snoezelen bestimmt der Besucher die Dauer und den Zeitpunkt des Besuches.
Die Teilnehmer suchen den Raum auf, um abzuschalten, sich zu entspannen und sich
wohl zu fühlen. Der Oberbegriff ,,Entspannungsverfahren" umfasst all jene
psychologischen Behandlungsverfahren, die eine physische und psychische Beruhigung
bzw. Deaktivierung zum Ziel haben und zu Veränderungen des neurovegetativen Systems
führen (vgl. Mertens, 2003, S.32f.).
Als physiologische Kennzeichen können nach regelmäßiger und längerer Anwendung der
verschiedenen Verfahren unter anderem die Senkung des Muskeltonus, Verlangsamung
und Gleichmäßigkeit der Atmung und Absinken der Herzschlagfrequenz nachgewiesen
werden (vgl. Mertens, 2003, S.33).
Mit diesem harmonischen Zustand gehen, Mertens zufolge, Veränderungen des Befindens
und Erlebens einher, die im Allgemeinen durch das Gefühl zunehmender körperlicher und
seelischer Gelöstheit und durch Indifferenz gegenüber Außenreizen gekennzeichnet sind.
24

2.2.7 Kritik
Wie in den vergangenen Kapiteln bereits erwähnt, findet das Snoezelen neben der
ursprünglichen Intention als Freizeitangebot für Menschen mit schwerer geistiger
Behinderung immer häufiger Anwendung als Therapie- und Förderkonzept.
Kritische Ansätze warnen jedoch davor, das Snoezelen als ,,Allheilmittel" und
Therapieform anzusehen. Es sollte vielmehr als ausgleichendes Freizeitangebot betrachtet
werden, worin auch der ursprüngliche Grundgedanke der ,,Begründer" Hulsegge und
Verheul liegt. Snoezelen erhält immer mehr Einzug in die verschiedensten Bereiche der
Arbeit mit behinderten Menschen.
Nach der Auffassung von Prof. Andreas Fröhlich, ist die Anwendung des Snoezelens
dennoch in mehreren Punkten als kritisch zu betrachten, da einerseits dem Ansatz des
Snoezelens keine Theorie zugrunde liegt, andererseits die durch Theunissen aufgestellten
,,universalen Prinzipien heilpädagogischer Förderung" beim Snoezelen nur unzureichend
Beachtung finden. Des Weiteren fehlt es beim Snoezelen an jeglichem Alltagsbezug (vgl.
C. Nikolay/U. Hilsamen, 2004).
2.2.7.1 Fehlende zugrunde liegende Theorien
Das Snoezelen wurde nicht von einem therapeutischen Konzept abgeleitet, sondern ist
aus den Bedürfnissen von Menschen mit einer geistigen Behinderung entstanden.
Brehmer zufolge, gibt es keine theoretische Fundierung des Snoezelens, da sich
einerseits die ,,andere Welt" des Snoezelens rational nicht hinreichend erfassen lässt,
zum anderen fürchtet man, dass eine theoretische Einengung die kreative Offenheit des
Snoezelens beeinträchtigt wird (vgl. C. Brehmer, 1997, S.176 ff.).
Auch Fröhlichs Auffassungen zufolge, gibt es keine Theorie, die dem Snoezelen einen
wissenschaftlichen Unterbau geben könnte. Hulsegge und Verheul lehnen eine
Theoriebildung generell ab, aus der Befürchtung heraus, dass diese die angestrebte und
als Prinzip zugrunde liegende Offenheit sämtlicher Handlungen gefährden könnte.
Gleichzeitig stellen sie theoretische Mutmaßungen an, die sie jedoch nicht
wissenschaftlich untermauern (vgl. C. Nikolay/U. Hilsamen, 2004).
Im Wesentlichen beruht das heilpädagogische Angebot des Snoezelens auf
allgemeinmenschlichen Erfahrungen, die jedoch nicht weiter hinterfragt und begründet
werden. Die möglichen Wirkungen des Ansatzes bleiben vage und unbestimmt. Die
25

eigentliche Intention des Snoezelens in seiner ursprünglichen Konzeption ist die
Entspannung, das heißt, Aspekte wie sich wohler und sich sicherer fühlen.
2.2.7.2 Die ,,universalen Prinzipien heilpädagogischer Förderung" nach Theunissen
Im Folgenden sind die Prinzipien heilpädagogischer Förderung nach Theunissen
dargestellt. Des Weiteren zeigen wir eine Überprüfung dieser Prinzipien bezüglich dessen
Erfüllung beim Snoezelen als Förderkonzept nach Dr. Andreas Fröhlich auf (vgl. C.
Nikolay/U. Hilsamen, 2004).
Unter dem Prinzip der Subjektzentrierung versteht Theunissen, dass Förderung immer
von der Individualität, der Lebenswirklichkeit und den subjektiven Bedürfnissen des
jeweiligen Menschen auszugehen und darauf aufzubauen hat.
Snoezelen ist hinsichtlich dieser Forderung als kritisch zu betrachten, da es häufig als
vorgefertigtes Konzept angesehen wird, das generell auf jedes Individuum anwendbar ist
und somit die eigene Unfähigkeit hinsichtlich des Begleiters bezüglich nachdrücklicher
Auseinandersetzung mit dem betreffenden Menschen kompensieren soll.
Theunissen fordert als Grundlage für jegliche fördernde Maßnahme eine tiefe,
partnerschaftliche, kooperative und von Empathie geprägte Beziehung zwischen dem
behinderten Menschen und seiner Bezugsperson, wie es dem Prinzip der Ich -Du-
Beziehung entspricht. Hierzu bietet das Snoezelen im Prinzip, Fröhlich zufolge, eine gute
Grundlage, jedoch nur wenn es frei von Förder- und damit verbundenen
Leistungserwartungen ist.
Mit dem Prinzip der Ganzheitlichkeit ist gemeint, das bei einer Förderung zum einen alle
Sinne eines Individuums angesprochen werden sollen, zum anderen aber auch an den
Menschen mit seiner subjektiven Lebenswelt und den darin gemachten (Vor-)
Erfahrungen angeknüpft werden soll.
Die ,,Ganzheitlichkeit" umfasst im Wesentlichen sieben ,,Hauptentwicklungsbereiche",
wie Wahrnehmung, Sozialerfahrung, Gefühle, Körpererfahrung, Bewegung, Kognition
und Kommunikation. Diese stehen stets in Beziehung zueinander und wirken aufeinander
ein. Die Gefahr beim Snoezelen besteht darin, dass durch eine Überakzentuierung der
Sinnesstimulierung die anderen Bereiche in den Hintergrund treten. Zudem stellt der
Snoezelenraum als künstliche Welt keinerlei Bezug zur realen Alltagswelt des Besuchers
26

dar. Somit ist es dem Betroffenen nicht möglich, an bereits gemachten Vorerfahrungen
anzuknüpfen, was nach dem ,,Prinzip der Ganzheitlichkeit" gefordert wird.
Das Prinzip der Entwicklungsgemäßheit fordert eine ständige Orientierung an dem
Entwicklungsstand des jeweiligen Besuchers durch eine Förderdiagnostik, die sowohl den
Entwicklungsstand als auch die subjektiven komplexen Lebenserfahrungen und -
bedingungen berücksichtigt. Diese Forderung kann im Snoezelenraum nicht
berücksichtigt werden, da er alle Besucher mit demselben Angebot bezüglich der
Ausstattung konfrontiert. Hulsegge und Verheul selbst lehnen eine Orientierung an
entwicklungpsychologischen Denkweisen ab.
Beim Snoezelen finden Aspekte des lern- und neuropsychologische Prinzips keine
Beachtung. Allerdings werden massive geistige Behinderungen oftmals von einer
Funktionsstörung des Gehirns begleitet, und man muss darauf achten, dass eine
Förderung angesetzt wird, die effizient und sinnvoll erscheint.
Bei Hulsegge und Verheul finden wichtige Punkte des lernpsychologischen Prinzips, z.B.
größtmögliche Entscheidungsauswahl bei der Selektion von Angeboten zwar Beachtung,
allerdings nicht im Hinblick auf die Förderung.
2.2.7.3 Der fehlende Alltagsbezug
Nach Fröhlich stellt der Snoezelenraum eine künstlich geschaffene ,,Welt" dar, die es dem
Behinderten ermöglichen soll, seine Welt und damit sein Leben zu strukturieren. Durch
den fehlenden Alltagsbezug der Situation beim Snoezelen zur real erlebten Welt wird es
allerdings schwierig, im Snoezelenraum erlebte Situationen auf den Alltag zu übertragen.
Dem Besucher werden zwar viele Angebote, aus denen er selbst auswählen und die er
selbst steuern kann, gemacht, wobei er auch individuelle Erfahrungen sammeln kann, die
er allerdings nicht dazu verwenden kann, seinen Alltag gemäß seinen individuellen
Bedürfnissen zu strukturieren und Problemlösungsstrategien zu entwickeln. Es erscheint
sinnvoller, Situationen im realen Alltag zu erschaffen, die es der entsprechenden Person
ermöglichen, ihr Bedürfnis nach einer von ihr durchschaubaren und steuerbaren Umwelt
konkret und nicht in einer irrealen Welt zu befriedigen.
Fröhlich zufolge, sollte das Konzept des Snoezelens nicht als Therapie- oder
Förderkonzept eingesetzt werden. Nach seiner Auffassung wird dies durch die fehlenden
theoretischen Grundlagen, einer unzureichenden Abdeckung der von Theunissen
27

geforderten ,,universalen Prinzipien heilpädagogischer Förderung" und den oftmals
fehlenden Bezug zur realen Lebenswelt des Besuchers verdeutlicht.
Der Snoezelenraum kann demzufolge begleitend genutzt werden, um
Entspannungsphasen und Phasen der Auflockerung zu bieten. Hierin spiegelt sich auch
der Grundgedanke des Snoezelenkonzeptes wieder, nämlich als reines Freizeitangebot
verstanden zu werden.
28

2.2.8 Theoretische Zuordnung des Snoezelens
Wie in den vorherigen Kapiteln erkennbar ist, hat sich die Idee des Snoezelens
zunehmend zu einem (heil-) pädagogischen Freizeitangebot weiterentwickelt. In der
(Sonder-) Pädagogik stehen Begleitung und Förderung des Menschen an erster Stelle.
Demzufolge soll auch beim Snoezelen der behinderte Mensch begleitet und gefördert
werden, eine gewisse Lenkung ist damit erforderlich. Man versucht eine Diagnostik
durchzuführen, einen IST- Stand zu erfassen. Genau diesen Ansatz vertrat bereits in den
Anfängen Jan Hulsegge. Er ist im Gegensatz zu Ad Verheul ein Sonderpädagoge und sah
schon seinerzeit im Snoezelen einen pädagogischen Ansatz (vgl. Anhang Interview Krista
Mertens, S.3ff.). Auf dieser Grundlage wollen wir nun im folgenden Kapitel zeigen, wie
nach Christian Brehmer, die ganzheitlichen Wirkungen des Snoezelens theoretisch
eingeordnet werden können. Hierfür bietet sich der Rahmen der humanistischen
Psychologie an.
Grundlegend für die humanistische Psychologie ist ein optimistisches Menschenbild.
Sie begreift den Menschen als ein zur Selbstverwirklichung strebendes Wesen. Zur vollen
Entfaltung seines Potentials ist vor allem ein unverändertes Selbstbewusstsein notwendig.
Die humanistischen Theorien sind gekennzeichnet durch das besondere Interesse an der
Integrität der individuellen Persönlichkeit, an bewusster Erfahrung und am
Entwicklungspotential des Einzelnen. Sie versucht, dem Menschen in seiner
,,Voll- Menschlichkeit" (,,full - humanes") gerecht zu werden. Der Mensch sollte in seiner
Ganzheitlichkeit gesehen werden, mit all seinen Stärken und Schwächen. Man muss ihn
so nehmen, wie er ist (vgl. C. Brehmer, 1997, S.383). Das Ziel der humanistischen
Psychotherapie ist es, die Diskrepanz zwischen idealem und realem Selbstbild abzubauen
und so das Selbstverstehen des Klienten zu unterstützen. Therapieziel ist nicht dessen
Anpassung an seine Umwelt, sondern die Entfaltung seiner Gestaltungskraft.
Ein Vertreter der Humanistischen Psychologie mit einem eigenen Therapieansatz ist
Carl R. Rogers, bei dem der Mensch ein autonomes Wesen ist. Das der
klientenzentrierten Gesprächstherapie zugrunde liegende Menschenbild ist aus der
therapeutischen Arbeit von Carl Rogers entstanden. Genauso entwickelte sich auch
Snoezelen aus den Bedürfnissen von Menschen mit einer geistigen Behinderung heraus
und wurde nicht von einem pädagogischen Konzept abgeleitet. Brehmer ist der Ansicht,
dass auch das Snoezelen sich an der von der humanistischen Psychologie entworfenen
29

,,Landkarte" orientiert. Sie beruht auf der Erforschung der biologisch begründeten inneren
Natur des Menschen. ,,An ihr können wir uns orientieren, um uns auf den Weg zu
machen, ohne uns zu binden" (C. Brehmer, 1997, S.385).
In dem klientenzentrierten Ansatz hilft der Therapeut dem Klienten sich selbst zu
erforschen. Die zugrunde liegende Vermutung ist, dass der Klient seine Probleme selbst
bewältigen kann, wenn es ihm gelingt, sich von der Angst vor der genauen
Problemerkennung und von der Selbsttäuschung zu befreien. In der Gesprächstherapie
spricht der Klient über die emotionalen Konflikte, die seine Selbstverwirklichung
blockieren. Mit Hilfe bestimmter therapeutischer Techniken, wie z.B. das Widerspiegeln
der Emotionen durch den Therapeuten, wird daraufhin ein Prozess in Gang gesetzt, in
dem sich der Klient über bestimmte Gefühle und Gedanken Klarheit verschaffen kann,
diese akzeptieren sollte, um sie dann in sein Selbstkonzept zu integrieren. Dieses
erweiterte Selbstkonzept ermöglicht dem Klienten schließlich Verhaltensänderungen
vorzunehmen, die aber nicht Gegenstand der klientenzentrierten Gesprächstherapie sind.
In diesem Prozess der Selbsterkenntnis und Selbstbefreiung übernimmt der Therapeut
eine unterstützende Funktion. Sein einfühlsames Verstehen (Empathie), sowie seine
Wertschätzung und Echtheit sind Vorraussetzungen zur Selbsterfahrung, an denen sich
der Klient orientieren kann, ohne sich an ihnen zu binden. Diese Vorraussetzungen
erleichtern es dem Klienten, stärker auf das erlebende Selbst zu vertrauen. Die Beziehung
zwischen dem Therapeuten und dem Klienten ist hier überaus wichtig. Der Klient sollte
diese Beziehung dazu nutzen, den Verlauf der Therapie zu steuern. Mit dieser
,,Landkarte" werden die Probleme zwar nicht analysiert, aber in ein anderes Licht gerückt.
Ebenso wie die klientenzentrierte Gesprächstherapie, schafft auch das Snoezelen
verschiedene Vorraussetzungen zur Selbsterfahrung, für jeden Menschen entsprechend
seiner Konstitution. Allerdings zählt hier nicht nur die durch die Präsenz der Betreuer
geschaffene Atmosphäre (Landkarte), sondern der Schwerpunkt liegt auf der sensorischen
Landschaft, in der Begleiter und Behinderter aufleben. Der Begleiter übernimmt hier die
Rolle eines Wegbereiters, das heißt, er räumt Steine aus dem Weg, um das zu
ermöglichen, was von Natur aus nach Gesundheit und Verwirklichung drängt. Er wird,
nach Carl Rogers, zum ,,Facilitator" (englisch: to facilitate = erleichtern), indem er für das
Wohlbefinden des Besuchers eines Snoezelenraumes sorgt und durch seine wohlwollende
Präsenz wirkt (vgl. Mertens/Verheul, 2003, S.149ff.).
30

Rogers spricht von der ,,Selbstaktualisierungstendenz", als einem Grundmerkmal der
menschlichen Natur. Diese Tendenz ist ein Basiskonzept der klientenzentrierten
Psychotherapie. Sie bewirkt beim Individuum Wachstum, Reife und eine Bereicherung
des Lebens. Die Freude am Snoezelen und der möglicherweise eintretende
,,therapeutische Prozess" werden durch die in jedem Menschen, behindert oder nicht
behindert, vorhandene ,,Aktualisierungstendenz" verständlich (vgl. C. Brehmer, 1997,
S.384).
,,Wohl- Sein", ,,Erleben" und ,,Selbsterfahrung", drei Begriffe aus der humanistischen
Psychologie, helfen uns Snoezelen als Freizeitangebot mit einer therapeutischen Wirkung
besser zu verstehen. ,,Wohl- Sein", das sind snuffelen und doezelen, also Freiheit und
Geborgenheit. ,,Erleben", das ist der sanfte Bewusstwerdungsprozess, der sinnliche
Eindrücke zu Wahrnehmungen intensiviert. Und schließlich ,,Selbsterfahrung" ist das was
jedem, da wo er steht, bewusst oder unbewusst, dabei hilft, seine ,,Inkongruenz"
abzubauen, um zu werden, der er ist (vgl. C. Brehmer, 1997, S.385). Sich selbst im Sein
erfahren, ist ein Erlebnis von innerer Freiheit. Erst wenn der Mensch frei ist von
Blockaden, alltäglichen Zwängen und Konditionierungen, erreicht er einen Zustand des
,,Wohl- Seins". Er ist in Harmonie mit sich selbst und seiner Umwelt (vgl.
Mertens/Verheul, 2003, S.156).
31

3 Die Sinnessysteme und ihre Wahrnehmung
3.1 Das taktile System
Zu den körpernahen Sinnen gehört das taktile System, welches bereits vor der Geburt
vollständig ausgebildet ist. Das taktile System umfasst den Körper mit seiner gesamten
Hautoberfläche. Taktile Informationen bilden die Basisinformationen für die
Interpretation anderer Sinneseindrücke. Über Berührung und Druck werden hier die
Informationen an die verschiedenen Rezeptoren weitergeleitet, sodass Druck und Zug,
Temperatur und Schmerz wahrgenommen werden können. In unserer heutigen
Gesellschaft gehört der Tast- und Berührungssinn zu den weniger akzeptierten
Sinnesbereichen. Wir leben in einer Art ,,Rühr- mich- nicht- an" Gesellschaft, obwohl der
Tastsinn als eine Grundlage der sozialen Existenz gesehen wird.
Die Nerven in der Haut dienen dem Aufbau eines intra- psychischen Körpergefühles und
somit der Identitätsbildung. Berührungsreize sind lebensnotwendige Sinnesinformationen
und dienen zum Aufbau von Beziehungen bzw. zur Persönlichkeitsentwicklung.
Ebenso wichtig ist der taktile Sinn für die Entwicklung des Kindes. Auf dieser
Kommunikation baut die verbale Kommunikation erst auf. Kinder müssen Dinge
anfassen und berühren können, sie müssen sich mit ihnen vertraut machen, um sie im
alltäglichen Leben anzuwenden. Im Laufe der Entwicklung erhält ein Kind durch das
taktile System eine immer genauere Vorstellung von seinem eigenen Körper und lernt, die
unterschiedlichen Oberflächenqualitäten zu unterscheiden. Bei Dingen die wir berühren
können, suchen wir stets nach einer Bestätigung. Die Haut wird also zum Subjekt, selber
wahrnehmend, und ebenso zum Objekt, wenn sie wahrgenommen bzw. berührt wird (vgl.
Zimmer, 2002, S.98ff.).
Berührungen können sowohl aktiv als auch passiv erfolgen. Bei einer passiven Berührung
mit einem Gegenstand oder Druckwellen sind die Eindrücke weniger intensiv und
einprägsam als bei einer aktiven Berührung.
Für das Snoezelen ist es interessant, dass die Druckrezeptoren Vibrationen aufnehmen,
die durch Musik bis zu 800 Hertz erzeugt werden. Basstöne werden besonders intensiv
gespürt (vgl. Mertens, 2003, S.19).
32

Ein Bereich der taktilen Perzeption ist die Berührungswahrnehmung.
Über den Tastsinn nehmen wir passiv mit Hilfe mechanischer Reize Berührungen wahr,
gleichzeitig findet jedoch auch eine aktive Erkennungswahrnehmung statt. Hierbei
werden die Reize nicht einfach aufgenommen, sondern quasi sich selber zugefügt.
Berührungsreize werden bewusst wahrgenommen, wenn der Reiz stark genug ist, um die
Aufmerksamkeit ganz gezielt auf den Teil des Körpers zu richten, der gerade berührt
wird. Aktives Berühren zum Zwecke des Erkundens ermöglicht sowohl den Gewinn von
Informationen über den Gegenstand, als auch die Möglichkeit mit ihm etwas zu tun
(vgl. Zimmer, 2002, S.100ff.).
Weitere taktile Wahrnehmungsbereiche sind die Erkundungswahrnehmung, die
Temperaturwahrnehmung sowie die Schmerzwahrnehmung.
33

3.2 Das vestibuläre System
Ein weiterer körpernaher Sinn ist das vestibuläre System. Zusammen mit dem taktilen
System gehört das vestibuläre System zu den entwicklungsgeschichtlich ältesten
Sinnesmodalitäten. Es ist das Sinnessystem, welches auf Schwerkraft und Bewegungen
reagiert.
Durch den Gleichgewichtssinn erhält der Mensch Informationen über die Lage
seines Körpers im Raum. Man unterscheidet bei dem vestibulären System zwischen dem
Lage- und Bewegungssinn sowie dem Drehbewegungssinn. Der Lage- und
Bewegungssinn reagiert auf lineare Bewegungen und regelt das Gleichgewicht. Der
Drehbewegungssinn hingegen reagiert auf Kopfbewegungen und regelt die
Bewegungskoordination, indem bei Drehungen des Kopfes und des Körpers die
Außenwelt als statisch empfunden wird. Das entsprechende Sinnesorgan sind die
vestibulären Rezeptoren, welche im Labyrinth des Innenohrs zu finden sind. Mittels
dieser Rezeptoren können wir unsere Stellung im Raum wahrnehmen Dadurch erfahren
wir, wo oben und unten ist, ob wir uns drehen oder im Raum bewegen. Die
Informationen, die über das vestibuläre System gewonnen werden, sind sehr wichtig für
die Anpassung des Menschen an seine Umwelt. Im Snoezelenraum beispielsweise gibt es
viele unterschiedliche Sitz- und Liegemöglichkeiten, wie z.B. das Wasserbett, den
Sitzsack, das Bällchenbad und die Hängematte. Um sich diesen unterschiedlichen
Sitzmöglichkeiten anpassen zu können, muss das Gleichgewichtsorgan aktiv sein, sowohl
vor der Einnahme der Sitzposition, als auch danach. Beim Snoezelen werden drei große
Funktionskreise aktiv. Zum einen der afferente Kreis des Sinnessystems, in welchem die
Reize aus der Außenwelt und des Körperinneren in das Analysesystem des Großhirn
geleitet werden. Im integrativen Kreis werden die einzelnen Teilergebnisse zu einem für
das Individuum verstehbaren Ganzen zusammengebaut. Und schließlich der efferente
Kreis, in welchem die Energie für die Reaktionen des vegetativen und motorischen
Systems bereitgestellt wird (vgl. Mertens, 2003, S.19ff.).
Der Gleichgewichtssinn ist eng mit der kinästhetischen Wahrnehmung verbunden.
Lage- und Bewegungssinn und Stellungs- und Spannungssinn bilden sie Sensoren in dem
System der Haltungs- und Bewegungsregelung des menschlichen Körpers. Sie sind
unmittelbar mit der Aktivität des Körpers verknüpft (vgl. Zimmer, 2002, S.123ff.).
34

Aber auch das Erlernen der Sprache, die Anordnung der Buchstaben, das Stabilisieren
der Augenfolgebewegungen beim Lesen und die Durchführung von
Handlungssequenzen stehen im engen Zusammenhang zum Gleichgewichtssinn. Nur
wenn das Gleichgewichtssystem richtig funktioniert, können mit den Augen Objekte
fixiert werden. So kann die Lernfähigkeit gefördert werden.
Bei der vestibulären Perzeption unterscheidet man vier Wahrnehmungsbereiche.
Der erste Bereich ist das statische Gleichgewicht. Hiermit ist die Fähigkeit gemeint, dass
Gleichgewicht im Stand halten zu können.
Das dynamische Gleichgewicht umfasst jegliche Versuche, dass Gleichgewicht in der
Fortbewegung aufrechtzuerhalten, z.B. während einer Drehbewegung.
Besonders schwierig ist es, dass Gleichgewicht auf verschiedenartigem Untergrund zu
halten. Das Objektgleichgewicht beinhaltet das Balancieren von Materialien in
Verbindung mit statischem und dynamischem Gleichgewicht (vgl. Zimmer, 2002,
S.128ff.).
35

3.3 Das kinästhetische System
Mit dem kinästhetischen System ist unser Bewegungssinn gemeint. Man bezeichnet ihn
auch als Tiefensensibilität oder propriozeptives System. Das Sinnesorgan sind die Sehnen
und Muskeln, in denen sich die Spannungsrezeptoren sowie Sehnen- und Muskelspindeln
befinden, welche die entsprechenden Reize aufnehmen.
Die Tiefensensibilität ermöglicht die Wahrnehmung des eigenen Körpers durch
Rezeptoren in den Muskeln und Gelenken, die Dehnungszustände der Muskeln bzw.
Sehnen und Beugungswinkel der Gelenke an das Gehirn weiterleiten.
Muskelanspannungen, die Stellung der Gelenke und unsere eigene Stellung im Raum
werden dadurch vermittelt und verhelfen uns zu unserem Körperschema.
Um Handlungsabläufe zweckmäßig planen zu können, ist die Fähigkeit, tiefensensible
Reize in angemessener Form wahrnehmen zu können, von großer Bedeutung.
,,Kinästhesie" bedeutet die Wahrnehmung der Raum-, Zeit-, Kraft- und
Spannungsverhältnisse der eigenen Bewegung. Die Rezeptoren nehmen hier keine Reize
aus der Umwelt auf, sondern solche, die im eigenen Körper, z.B. durch Bewegung,
entstehen. Durch diese Propriozeptoren erhalten wir also Informationen aus dem
Körperinneren.
Die Bezeichnung Tiefensensibilität bedeutet, dass die Sinneszellen sich im tiefer
gelegenen Gewebe des Körpers befinden. Durch die Tiefensensibilität erhalten wir
Kenntnis über die Stellung der Glieder zueinander. Sie gibt uns Rückmeldung über die
Muskelkoordination, den Spannungsgrad der Muskulatur und jegliche Art von
Bewegung. Dieses Wahrnehmungssystem ist also für die Kontrolle der Eigenbewegung
wichtig. Es bestimmt die unwillkürlichen und die willkürlichen Bewegungen.
Kinästhetische Erfahrungen tragen auch zur Entwicklung von genaueren
Bewegungsvorstellungen bei und unterstützen das Bewegungsgedächtnis (vgl. Zimmer,
2002, S.112ff.).
Die kinästhetische Wahrnehmung läuft im Allgemeinen meist unbewusst im Körper ab.
Normalerweise denkt der Mensch nicht darüber nach, wie er sich bewegt oder wie die
Gliedmaßen und Körperteile zueinander stehen.
Man unterscheidet beim kinästhetischen System vier Wahrnehmungsbereiche.
Der Stellungssinn ermöglicht, dass der Mensch im Dunkeln die Lage der einzelnen
Glieder und die Stellung der Gelenke zueinander wahrnehmen kann.
36

Ändert man ohne visuelle Kontrolle eine Gelenkstellung, dann nimmt man sowohl die
Richtung als auch die Geschwindigkeit der Bewegung wahr. Diese Qualität der
Tiefensensibilität bezeichnet man als Bewegungssinn.
Der Kraftsinn beinhaltet das Abschätzungsvermögen für das Ausmaß an Muskelkraft,
welches man aufwenden muss, um eine Bewegung durchzuführen oder um gegen einen
Widerstand eine Gelenkstellung einzuhalten.
Der Spannungssinn gibt Informationen über den Grad der Muskelspannung und schafft
damit auch die Vorraussetzung für die willentliche Beeinflussung des Spannungsgrades
der Muskulatur. Bei Entspannungsübungen ist diese bewusste Regulation notwendig, um
den Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung herbeiführen zu können.
Das propriozeptive System ist eng mit dem taktilen und dem vestibulären System
verbunden. Die passive taktile Wahrnehmung, z.B. durch das ,,Berührtwerden", vermittelt
ohne Ausführung einer Bewegung meist nur wenige Informationen. Erst das aktive
Berühren, das Ergreifen eines Gegenstandes und das Abtasten seiner Oberfläche,
vermitteln Erkenntnisse über seine Eigenschaften und Konsistenz. Ohne
Bewegungshandlung könnten wir nicht einmal erkunden, ob ein Objekt hart oder weich
ist. So ist die taktile Wahrnehmung meist mit aktiver Bewegung verbunden. Aber auch
die Lageempfindungen des Körpers sind in Bezug zur Schwerkraft zu sehen. Die taktil-
kinästhetisch-vestibuläre Sinneswahrnehmungen wird daher als Grundlage der
menschlichen Entwicklung angesehen (vgl. Zimmer, 2002, S.116ff.).
37

3.4 Das gustatorische System
Der letzte körpernahe Sinn ist der Geschmackssinn, welcher auch als gustatorisches
System bezeichnet wird. Vier verschiedene Rezeptortypen sind für die
Geschmacksqualitäten süß, sauer, salzig und bitter zuständig (vgl. Wendt, 1989, S.178).
Durch den Geschmackssinn ist es uns möglich, Nahrung erst zu genießen und ähnlich
aussehende Nahrungsmittel voneinander zu unterscheiden. Die biologische Bedeutung
des Geschmackssinnes liegt darin, die Nahrung vor dem Verzehr auf Genießbarkeit zu
prüfen (vgl. Zimmer, 2002, S.142).
Die Geschmacksknospen reagieren mit unterschiedlicher Intensität. Die so genannten
Botenreize sprechen stark die Empfindungen und Gefühle, wie Lust und Unlust an, und
werden wie auch in den übrigen Sinnessystemen in Form von Assoziationsketten im
Großhirn gespeichert.
Neben den Geruchsrezeptoren, sind auch die Wärme-, Kälte- und Tastrezeptoren im
Mund an der Geschmackswahrnehmung beteiligt (vgl. Wendt, 1989, S.178).
Das gustatorische System ist ebenso am Würge- und Brechreflex beteiligt.
38

3.5 Das olfaktorische System
Neben den körpernahen Sinnen gibt es auch so genannte körperferne Sinne. Der
Unterschied liegt darin, dass bei den Nahsinnen ein unmittelbarer Kontakt des Körpers
mit der Reizquelle besteht, während bei den Fernsinnen die Reizquelle vom Körper
entfernt ist, aber dennoch wahrgenommen wird.
Einer dieser Fernsinne ist der Geruchssinn oder auch olfaktorisches System genannt. Er
spricht auf chemische Substanzen an, die in gasförmigen Zustand durch die Luft
verbreitet werden. Der Geruchsinn hat wichtige biologische Bedeutungen. Er gibt dem
Menschen bedeutende Informationen über den eigenen Körper und über die Umwelt. Die
Verknüpfung von Geruchs-, Tast-, und Geschmackssinn fungiert als Warnsystem. Durch
ihr Zusammenwirken werden verschiedene Substanzen leichter erkannt (vgl. Deutsche
SNOEZELEN Stiftung, 2000, S.82).
Der Mensch kann Tausende von Duftstoffen unterscheiden, er kann jedoch keine
Klassifikation vornehmen. Versuche Gerüche zu klassifizieren gab es schon sehr früh.
Carl von Linne versuchte bereits 1756 Gerüche zu klassifizieren. Er gliederte die
Grundgerüche in die Nuancen aromatisch, wohlriechend, ambrosisch (= moschusartig),
lauchartig (wie Knoblauch), kaprylisch (wie ein Ziegenbock), widerlich und ekelhaft (vgl.
Wendt, 1989, S.176).
Das in der Literatur weit verbreitete ,,Geruchsprisma" von Henning (1916), wird der
Realität eher nicht gerecht. Die sechs Grundgerüche, blumig, würzig, faulig, brenzlig,
fruchtig und harzig, sollten sich entlang der Kanten des Prismas kombinieren lassen.
Dadurch sollten sich entlang der Kanten Zwischengerüche ergeben (vgl. Wendt, 1989,
S.177).
Der Geruchssinn beinhaltet neben Schutzfunktionen auch Erkennungs-, Erinnerungs- und
Kommunikationsfunktionen. Bei der Geruchswahrnehmung kommt es zu verschiedenen
Assoziationen, die bis in die frühste Kindheit zurückreichen können und das menschliche
Verhalten beeinflussen. Beispielsweise werden mit Hilfe des Geruchssystems über
Sympathie oder Antipathie entschieden, was besonders in der körpernahen Arbeit beim
Snoezelen berücksichtigt werden sollte (vgl. Mertens, 2003, S.17ff.).
39

Der Wirkung von Duftstoffen wird heute wieder eine besondere Funktion beigemessen.
Gewürzen und Kräutern werden beispielsweise heilende Kräfte zugeschrieben.
Ätherische Öle hingegen sollen beruhigend oder auch anregend wirken, sie können die
Konzentration fördern und schließlich sogar zur Stimmungsverbesserung beitragen (vgl.
Zimmer, 2002, S.136f.).
40

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2004
ISBN (eBook)
9783832498108
ISBN (Paperback)
9783838698106
DOI
10.3239/9783832498108
Dateigröße
1.8 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg – Fakultät für Geistes-, Sozial- und Erziehungswissenschaften
Erscheinungsdatum
2006 (September)
Note
1,3
Schlagworte
behindertenpädagogik heilpädagogik snuseln hulsegge verheul
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Titel: Theoretischer Zugang zum Snoezelen und Aspekte der Gestaltung von räumlichen Bedingungen in einer integrativen Kindertagesstätte
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