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Entwicklung emotionaler Kompetenz im frühpädagogischen Bereich

©2006 Diplomarbeit 136 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Liebe und Hass, Freude und Wut, Stolz und Enttäuschung: Emotionen beeinflussen unser Denken und Handeln und sind ein wesentlicher Bestandteil des (menschlichen) Lebens. Sie machen es reich und vielfältig, intensiv und lebendig, aber auch anstrengend und schwer. Jüngere Kinder haben dabei ihre eigene Art, Emotionen unvermittelt und lebhaft auszudrücken. Wer jemals intensiver mit ihnen zu tun hatte, kennt die faszinierende Kraft ihres glücklichen Lachens und die Begeisterung, mit der Freude, Stolz und Zuneigung gezeigt werden. Er weiß aber auch, wie anstrengend das spontane und impulsive Ausleben ihrer negativen Emotionen sein kann.
Auch Schulkinder und Erwachsene können in außergewöhnlichen Situationen besonders starke Gefühle erleben: sie sind zuweilen hingerissen vor Freude, geraten außer sich vor Wut oder werden von panischer Angst gepackt. In der Regel werden Emotionen aber nicht mehr so häufig und intensiv wie bei jüngeren Kindern erlebt und gezeigt. Dies bedeutet nicht, dass Emotionen im Alltag nur noch eine untergeordnete Rolle spielen und ausschließlich „der Verstand Regie führt“. Moderne bildgebende Verfahren der Hirnforschung belegen, dass es so etwas wie einen „reinen, emotionslosen Gedanken nicht gibt“ und dass selbst banale Ereignisse vielfältige Emotionen auslösen können. Was sich im Laufe der Entwicklung des Menschen ändert ist vielmehr die Art und Weise des Umgangs mit Emotionen. Mit zunehmendem Alter sind Menschen in der Lage, sich nicht mehr ausschließlich von Emotionen leiten zu lassen, sondern das eigene Handeln willentlich zu kontrollieren und auf die Erreichung bestimmter Ziele ausrichten zu können.
Die Fähigkeit zur Emotionsregulation ist dabei aber nur ein Aspekt im Konzept der emotionalen Kompetenz. Die in den letzten Jahrzehnten zu verzeichnende „Renaissance“ der Emotionen in der Psychologie und in populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen hat auch zu einer verstärkten Beschäftigung mit der Frage geführt, „welche emotionalen Fähigkeiten gebraucht werden, um mit einer sich verändernden Umwelt in einer solchen Weise umzugehen, dass Menschen widerstandfähig, effektiv und zuversichtlich aus ihr hervorgehen“.
Emotionaler Kompetenz wird als „seelischem Fundament“ eine zentrale Bedeutung für die Alltags- und Lebensbewältigung zugesprochen. Zu lernen, mit den eigenen und fremden Gefühlen umzugehen, sich ihrer bewusst zu werden und ihnen mimisch und sprachlich Ausdruck zu verleihen, wird daher auch […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Susan Schellknecht
Entwicklung emotionaler Kompetenz im frühpädagogischen Bereich
ISBN-10: 3-8324-9805-2
ISBN-13: 978-3-8324-9805-4
Druck Diplomica® GmbH, Hamburg, 2006
Zugl. Fachhochschule Jena, Jena, Deutschland, Diplomarbeit, 2006
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© Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2006
Printed in Germany

1 Einleitung ... 1
2 Pädagogische Grundbegriffe... 4
2.1
Sozialisation... 4
2.2
Erziehung... 7
2.3
Frühkindliche Bildung... 9
2.4
Zusammenfassende Bewertung für die vorliegende Arbeit ... 11
3 Emotionale Kompetenz... 12
3.1
Was ist eine Emotion?... 12
3.1.1
Verschiedene Sichtweisen auf Emotionen... 13
3.1.2
Zwischenbilanz ... 17
3.2
Was bedeutet Kompetenz? ... 18
3.3
Was ist emotionale Kompetenz?... 19
3.3.1
Das Konzept der emotionalen Kompetenz nach Saarni ... 20
3.3.2
Abgrenzung von inhaltlich verwandten Begriffen ... 22
3.4
Kritik am Konstrukt emotionaler Kompetenz ... 25
3.5
Bedeutung emotionaler Kompetenz... 27
3.6
Zusammenfassende Bewertung für die vorliegende Arbeit ... 30
4 Meilensteine in der emotionalen Entwicklung des Kindes ... 31
4.1
Entwicklung des Emotionsausdrucks... 32
4.2
Entwicklung des Emotionsverständnisses... 36
4.2.1
Erkennen des mimischen Ausdrucksverhaltens ... 36
4.2.2
Verständnis situativer Einflüsse auf das emotionale Erleben... 38
4.2.3
Verständnis kognitiver Einflüsse auf das emotionale Erleben ... 40
4.2.4
Unterscheidung von subjektivem Erleben und Verhalten ... 41
4.3
Entwicklung der Emotionsregulation... 42
4.4
Entwicklung von Empathie und prosozialem Verhalten... 46
4.5
Zusammenfassende Bewertung für die vorliegende Arbeit ... 47

5 Familiäre Einflüsse auf den Erwerb emotionaler Kompetenz... 48
5.1
Kindliches Temperament und Elternverhalten ... 49
5.2
Kindliche Bindungserfahrungen ... 54
5.3
Kommunikation über Emotionen... 59
5.4
Familiäre emotionale Expressivität... 62
5.5
Empathie und prosoziales Verhalten... 64
5.6
Kindesmisshandlung ... 66
5.7
Zusammenfassende Bewertung für die vorliegende Arbeit ... 73
6 Institutionelle Einflüsse auf den Erwerb emotionaler
Kompetenz... 74
6.1
Die Bedeutung von Kindertagesstätten... 74
6.1.1
Kindertagesstätten als bedeutsame Sozialisationsinstanzen... 75
6.1.2
Der eigenständige Bildungsauftrag von Kindertagesstätten... 76
6.1.3
Prävention als Aufgabe von Kindertagesstätten ... 80
6.2
Förderliche Einflüsse auf den Erwerb emotionaler Kompetenz... 83
6.2.1
Strukturqualität in Kindertagesstätten ... 84
6.2.2
Pädagogische Prozessqualität in Kindertagesstätten... 93
6.2.3
Pädagogische Orientierungen und Aspekte der Elternarbeit ... 101
6.3
Zusammenfassende Bewertung für die vorliegende Arbeit ... 108
7 Fazit und Ausblick... 109
8 Literatur... 112
9 Anhang ... 121

1
1
Einleitung
Liebe und Hass, Freude und Wut, Stolz und Enttäuschung: Emotionen beeinflus-
sen unser Denken und Handeln und sind ein wesentlicher Bestandteil des
(menschlichen) Lebens. Sie machen es reich und vielfältig, intensiv und lebendig,
aber auch anstrengend und schwer. Jüngere Kinder haben dabei ihre eigene Art,
Emotionen unvermittelt und lebhaft auszudrücken. Wer jemals intensiver mit ih-
nen zu tun hatte, kennt die faszinierende Kraft ihres glücklichen Lachens und die
Begeisterung, mit der Freude, Stolz und Zuneigung gezeigt werden. Er weiß aber
auch, wie anstrengend das spontane und impulsive Ausleben ihrer negativen
Emotionen sein kann.
Auch Schulkinder und Erwachsene können in außergewöhnlichen Situationen
besonders starke Gefühle erleben: sie sind zuweilen hingerissen vor Freude, ge-
raten außer sich vor Wut oder werden von panischer Angst gepackt. In der Regel
werden Emotionen aber nicht mehr so häufig und intensiv wie bei jüngeren Kin-
dern erlebt und gezeigt. Dies bedeutet nicht, dass Emotionen im Alltag nur noch
eine untergeordnete Rolle spielen und ausschließlich ,,der Verstand Regie führt".
Moderne bildgebende Verfahren der Hirnforschung belegen, dass es so etwas wie
einen ,,reinen, emotionslosen Gedanken nicht gibt" und dass selbst banale Ereig-
nisse vielfältige Emotionen auslösen können (Hussendörfer 2006, S. 50). Was
sich im Laufe der Entwicklung des Menschen ändert ist vielmehr die Art und
Weise des Umgangs mit Emotionen. Mit zunehmendem Alter sind Menschen in
der Lage, sich nicht mehr ausschließlich von Emotionen leiten zu lassen, sondern
das eigene Handeln willentlich zu kontrollieren und auf die Erreichung bestimm-
ter Ziele ausrichten zu können.
Die Fähigkeit zur Emotionsregulation ist dabei aber nur ein Aspekt im Konzept
der emotionalen Kompetenz. Die in den letzten Jahrzehnten zu verzeichnende
,,Renaissance" der Emotionen
1
(Merten 2003, S. 9) in der Psychologie und in
populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen hat auch zu einer verstärkten Be-
schäftigung mit der Frage geführt, ,,welche emotionalen Fähigkeiten gebraucht
werden, um mit einer sich verändernden Umwelt in einer solchen Weise umzuge-
hen, dass Menschen widerstandfähig, effektiv und zuversichtlich aus ihr
hervorgehen" (Saarni 2002, S. 12).
1
Die Beschäftigung mit Emotionen wurde in der Wissenschaft lange Zeit vernachlässigt, vor
allem in den Hochzeiten des Behaviorismus.

2
Emotionaler Kompetenz wird als ,,seelischem Fundament" (Greine 2003, S. 7)
eine zentrale Bedeutung für die Alltags- und Lebensbewältigung zugesprochen
(u.a. Petermann et al. 2003, S. 11). Zu lernen, mit den eigenen und fremden Ge-
fühlen umzugehen, sich ihrer bewusst zu werden und ihnen mimisch und sprach-
lich Ausdruck zu verleihen, wird daher auch als bedeutende Entwicklungsaufgabe
der frühen Kindheit aufgefasst (Lewis 1998, zit. nach ebd.) und als Grundlage für
Gesundheit, Wohlbefinden und Lebensqualität und Bedingung für das Zu-
sammenleben in der Gruppe angesehen (u.a. Schneewind 2006, S. 32). Ein Man-
gel an emotionaler Kompetenz kann dagegen im Extremfall zu massiven
Kommunikationsproblemen und gewalttätigen Auseinandersetzungen führen. Im
emotionalen Bereich Kompetenzen zu entwickeln ist daher auch ein wichtiger
Grundstein der Gewaltprävention (u.a. Pfeffer 2004, S. 5; v. Salisch 2002, S. IX).
Entsprechend sind Entwicklung und Förderung emotionaler Fertigkeiten auch
Thema in der Pädagogik, ,,die sich mit den vielfältigen Prozessen der Erziehung,
der Bildung, des Lernens und mit dem Hineinwachsen in die Kultur und Gesell-
schaft (...) befasst" (Hierdeis et al. 1997, S. 112). Geleitet von der Frage, ,,welche
Wurzeln in der Kindheit zur Bewältigung der Zukunft angelegt werden müssen"
(Ellermann 2004, S. 23) steht auch der emotionale Bereich als wichtiges
Bildungs- und Entwicklungsfeld des Kindes im Mittelpunkt frühpädagogischer
Bemühungen.
Nun ist es eine Sache, in programmatisch-pädagogischen Texten vom Erwerb und
der Förderung emotionaler Kompetenz zu sprechen. Eine andere Sache ist es al-
lerdings, solche teils sehr allgemeinen und unklar formulierten, zugleich aber an-
spruchsvollen Zielvorstellungen in der Arbeit mit Kindern auch umzusetzen.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es daher, das Konstrukt emotionale Kompetenz
inhaltlich zu konkretisieren und relevante Erkenntnisse aus der Emotions- und
Entwicklungspsychologie sowie der Pädagogik zusammenzutragen. Dadurch soll
ein umfassendes Bild von der Entwicklung emotionaler Kompetenz und den viel-
fältigen Einflussfaktoren auf diesen Bereich bei Kindern von der Geburt bis zum
Schuleintritt entstehen. Die Betrachtung der frühen Kindheit
2
in dieser Arbeit be-
ruht dabei auf der Annahme, dass vor allem in diesem Altersbereich entschei-
dende (emotionale) Erfahrungen gesammelt und wichtige Weichen für den
Umgang mit Emotionen gestellt werden.
2
In Anlehnung an Fried et al. (2003) wird die Bezeichnung frühe Kindheit für die Alterspanne von
0 ­ 6 Jahren verwendet.

3
Der frühpädagogische Bereich, in dem das Kind diese wichtigen Erfahrungen
sammelt, umfasst dabei die gesamte der Einschulung vorausgehende Bildung und
Erziehung des Kindes (Hansel 2004, S. 73). Sowohl die Familie als auch
Kindertagesstätten stellen somit bedeutende Sozialisationsinstanzen dar, die auch
im emotionalen Bereich wichtige Bildungs- und Erziehungsaufgaben übernehmen
und entsprechend Einfluss auf den Erwerb emotionaler Kompetenz des Kindes
ausüben.
Was aber unter Sozialisation, Erziehung und Bildung verstanden wird, unterliegt
in der Literatur und im Alltagsverständnis der pädagogisch Handelnden durchaus
unterschiedlichen Interpretationen. Daher sollen diese wichtigen Begriffe der Pä-
dagogik zunächst näher erläutert und darauf aufbauend dargelegt werden, welches
Verständnis dieser Termini der vorliegenden Arbeit zugrunde liegt (Kapitel 2).
Kapitel 3 konkretisiert das Konzept der emotionalen Kompetenz. Zunächst
werden verschiedene Sichtweisen aus der Emotionspsychologie diskutiert und
deren Relevanz für das Konzept der emotionalen Kompetenz aufgezeigt.
Aufbauend auf allgemeinen Überlegungen zum Begriff der Kompetenz werden
anschließend wichtige emotionale Schlüsselfertigkeiten erläutert. Ebenso werden
die Bedeutung und auch kritisch zu sehende Aspekte dieses Konstruktes
diskutiert.
Kapitel 4 beschäftigt sich mit bedeutsamen Etappen in der emotionalen Entwick-
lung des Kindes. Ziel dieses Kapitels ist es vor allem, die frühe Kindheit als
wichtiges Zeitfenster für den Erwerb emotionaler Kompetenz darzustellen.
Die vielfältigen familiären und institutionellen Einflussfaktoren auf emotionale
Fertigkeiten des Kindes werden in den anschließenden beiden Kapiteln ausführ-
lich erläutert. Im Rahmen familiärer Einflüsse steht die emotionale Interaktions-
qualität zwischen Eltern und Kind im Vordergrund, wobei sowohl förderliche als
auch hemmende Einflussfaktoren aufgezeigt werden (Kapitel 5).
Im Rahmen institutioneller Einflüsse durch Kindertagesstätten wird dieser Blick-
winkel erweitert, indem hier auch strukturelle Rahmenbedingungen und pädago-
gische Orientierungen in ihrer Auswirkung auf die Interaktion zwischen pädago-
gischer Fachkraft und dem Kind beleuchtet werden (Kapitel 6).
Zum besseren Verständnis der vorliegenden Arbeit werden die jeweiligen Frage-
stellungen am Anfang jedes Kapitels aufgeführt und abschließend wesentliche
Erkenntnisse des Kapitels zusammengefasst.

4
2
Pädagogische Grundbegriffe
Obwohl die Termini Sozialisation, Erziehung und Bildung oft selbstverständlich
im Alltag, in der Fachliteratur und in pädagogischen Programmen verwendet wer-
den, ist ihre inhaltliche Bedeutung teils widersprüchlich und unklar. Die Vorstel-
lungen aber, die Eltern und berufliche Pädagogen als wichtigste Bezugspersonen
des Kindes von pädagogischem Handeln haben, prägen und bestimmen den
Umgang mit dem Kind und haben somit auch Auswirkungen auf dessen Ent-
wicklung. Daher wird sich dieses Kapitel zunächst mit den pädagogischen Grund-
begriffen Sozialisation, Erziehung und frühkindliche Bildung auseinandersetzen.
Ziel ist es aufzuzeigen, von welchem pädagogischen Verständnis in der vorlie-
genden Arbeit ausgegangen werden soll. Zusammenfassend sollen erste Erkennt-
nisse für die Entwicklung emotionaler Kompetenz des Kindes abgeleitet werden.
2.1
Sozialisation
Zunächst ist es sinnvoll sich zu vergegenwärtigen, dass der Begriff Sozialisation
ein soziales Konstrukt im Sinne eines Denkmodells und kein real beobachtbares
Phänomen ist. Mit Hilfe dieses wissenschaftlichen Denkmodells wird die Frage
behandelt, wie Menschen ihre Persönlichkeit entwickeln und welchen Einfluss die
sie umgebende Umwelt darauf hat. So kann man keine Aussagen darüber machen,
was Sozialisation ist, sondern nur darüber, was unter diesem Begriff verstanden
wird (Hagemann-White 2005, S. 830). Das jeweilige Verständnis von Sozialisa-
tion wird dabei entscheidend durch das bestehende gesellschaftliche Klima sowie
vorherrschender Normen- und Wertvorstellungen geprägt, wie die Betrachtung
der historischen Entwicklung des Sozialisationsbegriffes zeigt.
Der französische Soziologe Emile Durkheim, der den Begriff zu Beginn des 20.
Jahrhunderts erstmals verwendete, verstand unter Sozialisation die Anpassung des
Individuums an gesellschaftliche Rollen- und Verhaltensanforderungen
(Hurrelmann 1999, S. 481). Grundgedanke Durkheims war, dass die in einer
Gesellschaft lebenden Menschen geltende Normen, Wertvorstellungen und Rol-
lenerwartungen erlernt und verinnerlicht haben müssen, damit eine Gesellschaft
funktionieren kann. Aus dieser funktionalistischen Perspektive von Sozialisation
sah Durkheim gesellschaftliche Zwänge als notwendig an, ,,weil sich ein Mensch
triebhaft, egoistisch und asozial verhält und erst durch den Prozess der Sozialisa-
tion gesellschaftsfähig wird" (Durkheim 1972, zit. nach Hurrelmann et al. 2003,

5
S. 12). Ähnliche Gedankengänge finden sich auch in Talcott Parsons struktur-
funktionaler Theorie der 40er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, der Persön-
lichkeitsentwicklung als gesellschaftliche Formung von Bedürfnisdispositionen
verstand (Tillmann 1996, S. 112f). Im Rahmen des Sozialisationsprozesses sollen
die menschlichen Triebe kulturell überformt und das Bedürfnissystem dahinge-
hend geprägt werden, den verinnerlichten Werten und Rollenerwartungen zu ge-
nügen. Gesellschaftliche Konformität soll als subjektives Bedürfnis und Quelle
der Befriedigung erlebt werden. Abweichungen von vorgegebenen Erwartungen
wurden dementsprechend als unerwünscht und dysfunktional angesehen (ebd.).
Es erscheint problematisch, die Persönlichkeitsentwicklung des Menschen nur auf
den Aspekt der einseitigen Prägung und Anpassung an jeweils herrschende gesell-
schaftliche Erwartungen zu reduzieren. Fragwürdig ist zunächst die unreflektierte
Bezugnahme auf gegebene Normen und Werte. Diese werden zwar vielfach ak-
zeptiert, sind aber keineswegs als allgemein gültig und konsensfähig anzusehen.
Gesellschaftliche Erwartungen können auch einem rasanten Wandel unterliegen,
wie der bestehende Normen- und Wertepluralismus in unserer heutigen Gesell-
schaft beweist. Ebenso wenig wird in einer funktionalistischen Sicht auf Soziali-
sationsprozesse die Eigentätigkeit des Menschen bei der Gestaltung und Ent-
wicklung seiner Persönlichkeit und damit auch sein kreatives und innovatives
Handlungspotential ausreichend berücksichtigt (Geulen 2002, S. 84).
Unter dem Einfluss dieser Kritikpunkte hat sich seit den 70er Jahren des 20. Jahr-
hunderts interdisziplinär ein neues, auch als ,,emanzipatorisch" bezeichnetes
Sozialisationsverständnis durchgesetzt, bei dem die Entwicklung des Menschen
zum gesellschaftlich handlungsfähigen Subjekt und zur autonomen, gefestigten
Persönlichkeit im Vordergrund steht (Hurrelmann 1999, S. 481).
In der modernen Soziologie, Psychologie und Pädagogik besteht ein Konsens in
der Annahme, dass sich die Persönlichkeit eines Menschen in einem lebenslang
anhaltenden dynamischen Prozess des Wechselspiels zwischen Anlage und Um-
welt entwickelt, also zwischen der biophysischen Struktur des Kindes und seiner
gesellschaftlich vermittelten sozialen und dinglich materiellen Umwelt (ebd.).
Diese Sichtweise auf Sozialisation soll für die vorliegende Arbeit übernommen
werden.

6
Unter dem Begriff Persönlichkeit ,,wird das einem Menschen spezifische organi-
sierte
Gefüge
von
Merkmalen,
Eigenschaften,
Einstellungen
und
Handlungskompetenzen bezeichnet, das sich auf der Grundlage der biologischen
und psychischen Ausstattung als Ergebnis der Bewältigung von Lebensaufgaben
jeweils lebensgeschichtlich ergibt. Als Persönlichkeitsentwicklung lässt sich die
sequenzhafte und längerfristige Veränderung wesentlicher Elemente dieses Gefü-
ges (...) im Verlauf des Lebens bezeichnen" (ebd.). Entscheidend für die
Entwicklung einer stabilen und handlungsfähigen Persönlichkeit ist dabei die Ba-
lance zwischen persönlichen Bedürfnissen und der Anpassung an gesellschaftli-
che Anforderungen.
Hurrelmann et al. (2003, S. 16) konkretisieren die Begriffe Anlage und Umwelt
und sprechen von: ,,Sozialisation als produktive Verarbeitung von äußerer und
innerer Realität." Die Faktoren innerer und äußerer Realität werden in der
nachfolgenden Abbildung dargestellt:
Quelle: Sozialisation als produktive Verarbeitung von innerer und äußerer Realität, Hurrelmann et al. 2003, S. 16
Sowohl die äußere als auch die innere Realität beeinflussen die Persönlichkeits-
entwicklung des Menschen. Die Art und Weise, wie sich jedes Individuum mit
seinen gegebenen Anlagen und gesellschaftlichen Umweltbedingungen auseinan-
dersetzt und sie verarbeitet, ist dabei individuell und einzigartig. Dabei kann das
Ergebnis dieser produktiven Realitätsverarbeitung für die Persönlichkeitsent-
wicklung des Einzelnen sowohl positiv als auch negativ sein.

7
2.2
Erziehung
Während der Begriff Sozialisation alle Einflüsse auf die Persönlichkeitsentwick-
lung des Menschen umfasst, konzentriert sich Erziehung ,,auf den Teil der sozial
vermittelten Einflussnahme, der bewusst geplant und absichtlich gesteuert wird",
also auf ,,die absichtsvolle Interaktion zwischen Eltern / Pädagogen und Kindern
in Familie, Kindergarten und Schule" (Hurrelmann et al. 2003, S. 13). Erziehung
steht somit in enger Beziehung zum Begriff Sozialisation, ist aber eher als ein
Teilbereich davon zu verstehen. Liegle (2003, S. 16) erweitert diese Sichtweise
auf Erziehung, indem er unter diesem Begriff neben der absichtsvollen und ziel-
orientierten Interaktion des Erziehers mit dem Zu-Erziehenden (intentionale
Erziehung) auch ,,das gezielte Arrangement von Umwelten oder die Inszenierung
von Situationen und Beziehungen unter der Annahme, dass diese aus sich heraus
erzieherisch wirken (indirekte oder extensionale Erziehung)" versteht.
Erziehung ist einer der umstrittensten Begriffe innerhalb der Pädagogik. So wird
Erziehung einerseits in einer radikalen Auffassung als normative Formung des
Zu-Erziehenden auf Basis von Befehl und Gehorsam kritisiert und daher als Pro-
totyp von Herrschaft, Gewalt und Zwang verurteilt (Heitger 1999, S. 139). Erzie-
hung sei schädlich und daher abzulehnen, ,,weil sie Ausdruck ungerechtfertigter
und nicht legitimierbarer Machtausübung sei, den jungen Menschen unterdrücke
und dadurch seine natürliche Entwicklung verkümmern lasse" (ebd.). Demgegen-
über gab es bereits im 19. Jahrhundert Bestrebungen namenhafter Pädagogen
3
, die
weniger Anpassung, Zwang und Gehorsam, sondern vielmehr die Subjekthaftig-
keit des Kindes und die Entfaltung aller Kräfte des Kindes im Rahmen seiner Per-
sönlichkeitsentwicklung in den Vordergrund pädagogischen Handelns stellten und
eine Erziehung in diesem Sinne auch als nützlich und notwendig für die Ent-
wicklung des Kindes ansahen.
Eine andere Sicht betont seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts mit Bezug auf
systemtheoretische Überlegungen
4
die Auffassung, dass erzieherisches Handeln
durch ein Technologiedefizit gekennzeichnet ist (Galuske 2005, S. 57f). Im Kern
besagt diese These, dass es innerhalb erzieherischer Interventionen keine Sicher-
heiten geben kann. Pädagogen besitzen keine ,,Technologien", mit denen sie ein
vorab festgelegtes Ziel beim Kind auch sicher erreichen können.
3
u.a. Johann Heinrich Pestalozzi, Friedrich Fröbel und später auch Maria Montessori
4
diese beziehen sich insbesondere auf die Systemtheorie von Niklas Luhmann

8
Menschen ,,entziehen sich einer kalkulierbaren Input-Output-Logik, sie reagieren
überraschend, nicht immer gleich und von Situation zu Situation verschieden. Sie
wählen aus der komplexen Palette an Reaktionsmöglichkeiten eine aus, könnten
aber genauso gut auch andere Reaktionen an den Tag legen" (Galuske 2005, S.
59).
Als fragwürdig diskutiert wird Erziehung auch unter dem Aspekt, dass den Erzie-
henden in modernen Gesellschaften zunehmend Ziel- und Normvorstellungen
abhanden kommen und damit die Vermittlung verbindlicher Verhaltensvorschrif-
ten für die Zukunft schwierig wird. Andere sehen dagegen gerade in der heutigen
pluralistischen Gesellschaft die Notwendigkeit zur Erziehung begründet, um den
Zu-Erziehenden ein Mindestmaß an Orientierung und Halt zu vermitteln (Heitger
1999, S. 140).
Welches Verständnis von Erziehung soll nun für die vorliegende Arbeit über-
nommen werden? Sinnvoll erscheint eine Integration der verschiedenen Sichtwei-
sen. In der pädagogischen Literatur, aber auch juristisch wird heute von einem
,,Recht des Kindes auf Erziehung" gesprochen (§1 SGB VIII). Gemeint ist damit
das Recht des jungen Menschen ,,auf Förderung seiner Entwicklung und auf Er-
ziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit"
(§1 (1) SGB VIII). Gewalt im Sinne von körperlichen Bestrafungen, seelischen
Verletzungen und anderen entwürdigenden Maßnahmen werden als unzulässig
angesehen (§ 1631 (2) BGB), denn ,,Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie
Erziehung" (ebd.).
Auch unter heute veränderten Normen- und Wertvorstellungen und der Erkennt-
nis, dass es für vorab festgelegte Erziehungsziele keine Sicherheiten geben kann,
erscheint pädagogisches Handeln sinnvoll, wenn es der Persönlichkeitsentwick-
lung des Kindes dienlich ist. ,,Der Erziehungsbegriff (...) ist sicherlich nicht zu
verabschieden, sondern durchaus im Sinne eines kritischen, rationalen, planbaren
und verantwortbaren Handlungskonzeptes, das sich selbst seiner Grenzen bewusst
ist, aufrechtzuerhalten" (Marotzki 2004, S. 152). Daher soll für die vorliegende
Arbeit eine Sicht auf Erziehung übernommen werden, welche die ,,Ermöglichung,
Begleitung, Unterstützung und Anregung" der Entwicklung einer stabilen, auto-
nomen und widerstandsfähigen Persönlichkeit des Kindes im Blick hat und damit
auch die Subjekthaftigkeit des Kindes betont (Liegle 2003, S. 18).

9
Eine ähnliche Sichtweise formuliert auch Heitger (1999, S. 144). Sie begründet
,,die Notwendigkeit und Möglichkeit von Erziehung (...) im Subjektsein des
Menschen: als Zweck seiner selbst im Auftrag der Selbstbestimmung. Erziehung
ist kein Herrschaftsverhältnis, das diskriminiert, sondern hat sich im Prinzip des
Dialoges zu definieren. Der Mensch als Zweck seiner selbst und nicht sein
Gebrauch als bloßes Mittel für vorgegebene Zwecke bleibt als Ausdruck seiner
Würde der Grundwert aller Erziehung."
2.3
Frühkindliche Bildung
Im engen Zusammenhang mit Sozialisation und Erziehung kann auch Bildung
betrachtet werden. Obwohl Bildung eine über zweihundertjährige geisteswissen-
schaftliche Tradition hat und einen Zentralbegriff der deutschsprachigen Pädago-
gik darstellt, nennt Laewen (2002, S.16) Bildung ,,ein schweres Wort, das nicht
leicht auf seinen Begriff zu bringen ist."
Während im Alltagsdenken und -handeln der Bildungsgedanke auch mit
Belehrung, Wissensvermittlung oder auch ,,Bildung als Ware in der Wissensge-
sellschaft" verbunden ist, haftet seit Wilhelm von Humboldt dem Begriff Bildung
,,das Moment der Selbständigkeit, also des Sich-Bildens der Persönlichkeit
hartnäckig an" (v. Hentig 1996, zit. nach Laewen 2002, S.17). Somit steht der
moderne dynamische und ganzheitliche Bildungsbegriff ,,für den lebensbeglei-
tenden Entwicklungsprozess des Menschen, bei dem er seine geistigen, kulturellen
und lebenspraktischen Fähigkeiten und seine personalen und soziale Kompeten-
zen erweitert"(o.V. 2006, [1a]). Aus einer solchen Sicht kann Bildung nicht auf
Wissen reduziert werden. ,,Wissen ist nicht das Ziel der Bildung, aber sehr wohl
ein Hilfsmittel" (ebd.).
In der Frühpädagogik setzt sich zunehmend das Konzept der Selbstbildung durch,
also die Vorstellung eines aktiven, sich die Welt aus eigener Initiative und mit
eigenen Mitteln aneignenden Kindes. Nach Liegle (2003, S. 17) handelt es sich
bei frühkindlichen Bildungsprozessen ,,in erster Linie um unabsichtliche Selbst-
ausbildung in der Form von Wahrnehmung, Nachahmung und Erkundung und im
Medium des Spiels und anderer Ausdrucksformen des Kinderlebens." Gleichzeitig
wird betont, dass ,,das kleine Kind in ungleich höherem Maße sein eigener Lehr-
meister ist, als es später der Schüler sein wird" (v. Hentig 1996, zit. nach ebd.).

10
Selbstbildung des Kindes sollte allerdings nicht missverstanden werden als ein-
samer Bildungsakt eines ,,isoliert konstruierenden Kindes" (Hansel 2004, S. 80).
Dies könnte dazu verführen, das Kind auf Grund der vermeintlichen Naturhaftig-
keit seines Bildungsprozesses sich selbst zu überlassen oder pädagogisches Han-
deln als überflüssig zu betrachten. ,,Betont wird mit dem Begriff Selbstbildung
nicht eine individuelle Autonomie und Unabhängigkeit gegenüber personalen und
kulturellen Kontexten, betont wird die Bedeutung einer aktiven Umweltaneignung,
bei der das Tun und Deuten, die Auseinandersetzung mit Umweltgegebenheiten
und vor allem mit Menschen eine entscheidende Rolle spielt, durch die entschei-
dende Verstehenskonzepte konstruiert und im Austausch mit anderen ko-
konstruiert bzw. ko-produziert werden" (Leu 2004, S.132).
Kinder sind demnach von Geburt an damit beschäftigt, ihre Welt als handelnde
und denkende Personen zu ,,begreifen" und sich anzueignen (Colberg-Schrader
2003, S. 268), wobei frühkindliche Bildung auf den Erfahrungen beruht, die Kin-
der in ihren Lebenszusammenhängen machen. Sie entwickeln nach diesem Ver-
ständnis die Strukturen, mit denen sie ihre Welt erfassen, aus ihren Erfahrungen
heraus selbst. Dabei spielen soziale Erfahrungen zu anderen Personen und ver-
lässliche Bindungen eine besonders wichtige Rolle. Selbstbildung erfolgt daher in
erster Linie im Rahmen der Möglichkeiten, die dem Kind von außen zugetragen
werden.
Als erfolgreich wird der Prozess der Bildung dann angesehen, wenn in dessen
Verlauf ,,eine selbständige und selbsttätige, problemlösungsfähige und lebens-
tüchtige Persönlichkeit entstehen kann" (o.V. 2006, [1a]). Auch Hurrelmann et al.
(2003, S.13) betonen diesen Mündigkeitsaspekt, indem sie unter Bildung ,,den
Prozess und das erfolgreiche Resultat der Selbstentfaltung und Selbstbestimmung
eines Menschen" verstehen. Von einem Resultat von Bildung zu sprechen impli-
ziert allerdings nicht, Bildung als im Erwachsenenalter abgeschlossenen Prozess
zu betrachten. ,,Die Vollendung der Bildung, die Gebildetheit des Gebildeten,
besteht in Wahrheit darin, dass einer nicht fertig und angekommen ist, sondern
offen bleibt für neue Erfahrung und Selbsterfahrung" (Buck 1981, zit. nach Koch
1999, S. 83).

11
2.4
Zusammenfassende Bewertung für die vorliegende Arbeit
In diesem Kapitel wurden drei zentrale Termini der Pädagogik untersucht. Es
bleibt festzuhalten, dass sich Sozialisation, Erziehung und Bildung im hier
diskutierten Sinn unter verschiedenen Gesichtspunkten mit der Persönlichkeits-
entwicklung des Kindes auseinandersetzen. Sozialisation ist dabei als Oberbegriff
zu verstehen, der alle Einflüsse auf die Persönlichkeitsentwicklung umfasst, un-
abhängig davon, ob sie geplant oder unbeabsichtigt sind. Als Erziehung werden
dagegen alle gezielten und bewussten Impulse auf die Persönlichkeitsentwicklung
des Kindes bezeichnet. Erziehung kann also als vermittelnde Tätigkeit verstanden
werden. Frühkindliche Bildung im Sinne von Selbstbildung bezieht sich auf den
aktiven Eigenanteil des Kindes am Prozess seiner Entwicklung, meint also die
aneignende Tätigkeit des Kindes.
Welche Schlussfolgerungen lassen sich daraus für das Thema der vorliegenden
Arbeit ziehen? Auch die Entwicklung emotionaler Kompetenz soll nachfolgend
als Teil der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes verstanden werden, die sich
im Rahmen von Sozialisations-, Erziehungs- und Bildungsprozessen im Wechsel-
spiel zwischen der biophysischen Struktur des Kindes und seiner umgebenden
Umwelt entwickelt. Entscheidend sind dabei die Erfahrungen, die ein Kind in der
sozialen Interaktion gewinnt und aus denen es seine eigenen Wahrnehmungs-
muster und Handlungsstrategien bildet. Als wesentlich für eine gelungene Erzie-
hung - hier im Sinne der gelungenen ,,Vermittlung emotionaler Kompetenz" -
wird die Ermöglichung, Begleitung, Unterstützung und Anregung des Erwerbs
emotionaler Fähigkeiten im Sinne von ,,Entwicklungshilfe" verstanden
.
Diese hat
die Subjekthaftigkeit und den ,,Eigen-Sinn" kindlicher Bildungsprozesse zu be-
rücksichtigen und die Entwicklung des Kindes zur autonomen, gefestigten Per-
sönlichkeit zum Ziel.
Sicherlich wird eine solche Sichtweise nicht in jedem Erziehungsprozess von
Kindern realisiert. Einige Kinder dürften sogar weit davon entfernt sein, eine Er-
ziehung im beschriebenen Sinn zu erfahren. Umso notwendiger erscheint es da-
her, ein solches Verständnis zur Grundlage pädagogischen Handelns zu machen.
Emotionale Entwicklung der Persönlichkeit meint damit eben nicht die
unkritische Anpassung des Kindes an bestehende gesellschaftliche Konventionen
in diesem Bereich (z.B. im Bereich der Emotionsregulation), gleichzeitig kann
eine ,,autonome", d.h. selbständige und unabhängige Persönlichkeit nicht nur

12
persönliche Bedürfnisse berücksichtigen. Sie wird vielmehr durch eine gelungene
Sozialisation in die Lage versetzt, zwischen persönlichen und zugleich
wünschenswerten gesellschaftlichen Kriterien Balance zu halten und diese auch
kritisch zu reflektieren.
3
Emotionale Kompetenz
Der Erwerb emotionaler Fertigkeiten wird zunehmend bereits in der frühen Kind-
heit gefordert, um in allen Lebensphasen den Ansprüchen, die sich aus persönli-
chen Bedürfnissen und den Anforderungen der Umwelt ergeben, gewachsen zu
sein (u.a. Schneewind 2006, S. 32). Was unter emotionaler Kompetenz aber kon-
kret zu verstehen ist, bleibt vielfach unklar. Um dieses Konstrukt für Eltern und
Pädagogen aber nachvollziehbar und nutzbar zu machen, muss es genauer
bestimmt werden. Dieses Kapitel soll daher dazu dienen, das Konstrukt emotio-
nale Kompetenz inhaltlich zu konkretisieren. Dabei soll den Fragen nachgegangen
werden, was unter emotionaler Kompetenz zu verstehen ist, welche emotionalen
Fähigkeiten ein Mensch im Laufe seiner Entwicklung erwerben soll, worin die
Bedeutung emotionaler Kompetenz liegt und welche Aspekte auch kritisch zu
diskutieren sind. Ebenso wird emotionale Kompetenz von inhaltlich verwandten
Begriffen abgegrenzt.
Zunächst einmal erscheint es aber sinnvoll, sich mit den zwei grundlegenden Beg-
riffsteilen dieses Konstrukts ­ Emotion und Kompetenz - näher zu beschäftigen.
3.1
Was ist eine Emotion?
,,Emotion ist ein seltsames Wort. Fast jeder denkt, er versteht, was es bedeutet,
bis er versucht, es zu definieren. Dann behauptet praktisch niemand mehr, es zu
verstehen" (Hascher 1994, S. 13).
Auf den ersten Blick scheint die Frage, was Emotionen eigentlich sind, schnell
beantwortbar, handelt es sich doch um eine reine Begriffsklärung, also ein Defi-
nitionsproblem. Bei dem Versuch, eine allgemeingültige und allseits anerkannte
Emotionsdefinition zu finden, eröffnet sich allerdings ein sehr weites und unein-
heitliches Begriffsfeld. ,,Es scheint fast, als gäbe es kein weiteres Phänomen in
der Psychologie, über das so wenig Konsens in der Begriffsdefinition und
Theoriebildung herrscht" merkt Hascher (1994, S. 21) dazu an.

13
Eine Überblicksstudie zum Thema ,,Emotionsdefinitionen" mit fast hundert ge-
sammelten Definitionsvorschlägen der wissenschaftlichen Emotionsforschung der
letzten einhundert Jahre (Kleinginna et al. 1981,
zit. nach Otto et al. 2000, S. 15)
verdeutlicht die kontroversen Ansichten zum Phänomen ,,Emotion". Die Mehr-
zahl der aufgeführten Definitionen scheinen eher wesentliche Teilaspekte von
Emotionen zu beleuchten, weshalb Kleinginna et al. eine Arbeitsdefinition vor-
schlagen, die alle traditionell bedeutsamen Emotionsaspekte auf einen kleinsten
gemeinsamen Nenner bringt. Sie verstehen das Phänomen Emotion als ,,ein kom-
plexes Interaktionsgefüge subjektiver und objektiver Faktoren, das von neuronal /
hormonalen Systemen vermittelt wird, die:
§
affektive Erfahrungen wie Gefühle der Erregung oder Lust / Unlust bewirken
können,
§
kognitive Prozesse wie emotional relevante Wahrnehmungseffekte, Bewertun-
gen, Klassifikationsprozesse hervorrufen können,
§
ausgedehnte physiologische Anpassungen an die erregungsauslösenden
Bedingungen in Gang setzen können und
§
zu Verhalten führen können, welche oft expressiv, zielgerichtet und adaptiv
ist" (ebd.).
3.1.1
Verschiedene Sichtweisen auf Emotionen
Emotionen aus strukturalistischer Sicht
Im Widerstreit der Definitionen wird bis heute das Verhältnis von Struktur (Form)
und Funktion einer Emotion kontrovers diskutiert. Aus strukturalistischer Sicht
werden Emotionen als ,,angeborene Affektprogramme" definiert (Friedlmeier et
al. 2002, S. 230). Dabei steht der Formaspekt eine Emotion im Vordergrund, also
die Frage, anhand welcher Komponenten sich eine Emotion identifizieren lässt.
Eine Emotion wird als ein spezifischer psychischer Zustand gesehen, der eine Re-
aktion auf einen emotionsspezifischen Anlass darstellt und sich aus unterschiedli-
chen Emotionskomponenten zusammensetzt (Holodinsky et al. 2006, S. 11).
Schmidt- Atzert (1996, S. 21) definiert Emotion entsprechend als ,,(...) einen
qualitativ näher beschreibbarer Zustand, der mit Veränderungen auf einer oder
mehrerer der folgenden Ebenen einhergeht: Gefühl, körperlicher Zustand und
Ausdruck." Zwar variieren in strukturalistischen Emotionsdefinitionen Anzahl
und Art der herangezogenen Komponenten, die als charakteristisch für eine

14
Emotion angesehen werden sollen, nicht aber die Sichtweise, eine ,,Emotion als
angeborenes Programm einer spezifischen Konfiguration von Formen und
Strukturen" zu definieren (Holodinsky et al. 1999, S. 5). Als gesetzmäßig wird
angenommen, dass das subjektive Gefühl auf der internen Wahrnehmung der ob-
jektiven Emotionskomponenten (Körper- und Ausdruckskomponente) beruht
(ebd.).
Eine Vielzahl an Studien belegt allerdings die Schwierigkeit, notwendige und
hinreichende Anzeichen für einzelne Emotionen aufzuzeigen (u.a. Holodinsky et
al. 2006, S. 14) und sie damit eindeutig zu identifizieren. Vielmehr ergeben empi-
rische Befunde eine große Vielfalt und Variabilität an Komponenten für eine
Emotion. Weiterhin scheint es zwischen dem subjektiven Empfinden und der ob-
jektiven Emotionskomponente keine eindeutige Beziehung zu geben, womit un-
klar ist, inwiefern Ausdrucks- und Körperprozesse für das Gefühlserleben not-
wendig sind (ebd., S. 15).
Emotionen aus funktionalistischer Sicht
Die Schwierigkeiten, die Struktur einer Emotion eindeutig zu bestimmen, haben
zu einer stärkeren Analyse der Funktion von Emotionen geführt, welche nachfol-
gend kurz erläutert werden soll.
Innerhalb einer funktionalistischen Sichtweise von Emotionen wird die kognitive
Komponente gegenüber den eigentlichen emotionalen Verhaltensbereichen (kör-
perliche Veränderungen, Ausdrucksverhalten, subjektives Erleben) hervorgehoben
und als wesentlich für die Entstehung von Emotionen angesehen. Persönliche
Ziele des Menschen, positive oder negative Konsequenzen für diese Ziele und
daraus resultierende Handlungstendenzen spielen in diesem Zusammenhang eine
wesentliche Rolle.
Holodinsky et al. (1999, S. 9) nennen drei
Systemkomponenten innerhalb der in-
dividuellen Handlungsregulation, die für die Entstehung und Wirkung von Emoti-
onen bedeutsam sind, und zwar:
1.
die vorauslaufenden Bewertungsprozesse,
2.
die eigentlichen emotionalen Handlungsbereitschaften und
3.
die nachfolgenden Bewältigungshandlungen.

15
1. Der Prozess, der externe und interne Reize (reale oder vorgestellte Ereignisse,
Personen, Gegenstände) fortlaufend daraufhin überprüft, inwiefern sie für die Be-
friedigung der individuellen Motive oder Ziele förderlich, hinderlich oder abträg-
lich sind, wird kognitiver Bewertungsprozess genannt (Merten 2003, S. 13), was
nicht impliziert, dass diese Prozesse immer bewusst ablaufen, kontrollierbar und
rational sein müssen.
2. Diese vorauslaufenden Bewertungsprozesse lösen die eigentliche Emotion aus,
wenn die Ereignisse eine Motivrelevanz für das Individuum besitzen. Welche Art
der Emotion erlebt wird (Freude, Ärger, Frustration, Neid etc.) hängt somit von
der Bedeutung ab, die das Individuum dem aktuellen Ereignis in Bezug auf die
eigene Motivbefriedigung zuweist
5
(Holodinsky et al. 2006, S. 18).
3. Die durch die Bewertung ausgelöste Handlungsbereitschaft führt zur Auswahl
von geeigneten Verhaltensweisen (Bewältigungshandlungen), welche die Motiv-
befriedigung unter den gegebenen Kontextbedingungen sicherstellen sollen. Beim
Menschen bestehen diese Bewältigungshandlungen aus zielgerichteten Handlun-
gen, die er willkürlich wählen kann und die er im Laufe seiner Entwicklung er-
lernt (Holodinsky et al. 1999, S. 10f).
Bewältigungshandlungen können auf den situativen Kontext gerichtet sein, um ihn
den eigenen Zielen und Anliegen entsprechend umzugestalten. Eine Bewälti-
gungshandlung kann aber auch auf die eigene Emotion gerichtet sein und damit
Bewertungsprozesse z.B. in Form von Umdeutungen verändern.
6
Emotionen
beeinflussen also nicht nur die Handlungen von Menschen, sondern umgekehrt
können auch Emotionen durch die Handlungen von Menschen verändert werden.
Damit erhält der Mensch die Möglichkeit, selbst aktiv Einfluss auf die Wirkung
seiner Emotionen zu nehmen und ist ihnen nicht mehr nur passiv ausgeliefert.
Holodinsky et al. (1999, S. 14) bezeichnen diesen ,,interdependenten Charakter"
von Emotionen und Handlungen (also ihre Rückkopplungsmöglichkeit) als
,,Emotionsregulation". Der Begriff der Emotionsregulation spielt auch im Kon-
zept der emotionalen Kompetenz eine wesentliche Rolle.
5
So beinhaltet z.B. Ärger die Einschätzung, dass die Erreichung eines bedeutsamen Ziels
behindert ist.
6
Lazarus et al. (1984, zit. nach Holodinsky et al. 1999, S. 13) sprechen auch von
problembezogenem und emotionsbezogenem Coping.

16
Allerdings ist auch die Sichtweise, Emotionen in Abhängigkeit bzw. als Resultat
von vorausgegangenen Kognitionen zu betrachten, umstritten. Einige Autoren
betonen, dass Emotionen auch unabhängig von kognitiven Bewertungen erlebt
werden und nicht ,,a priori als postkognitiv bewertet werden können" (Bundschuh
2003, S. 90).
Emotionen aus sozial-konstruktivistischer Sicht
In den bisher aufgeführten Emotionsdefinitionen blieb die Analyse des Phäno-
mens ,,Emotion" auf eine intrapsychische Perspektive (Individuum und individu-
elle Handlungsregulation) beschränkt. In den letzen Jahren sind dagegen vermehrt
neue, sozial-konstruktivistische Denkansätze entstanden, welche die Bedeutung
des sozialen und kulturellen Kontextes in die Emotionsanalyse mit einbeziehen.
Aus einer radikalen konstruktivistischen Sicht werden Emotionen ausschließlich
als soziale Konstruktionen angesehen. Emotionen stellen ,,sozial definierte Skripts
oder Rollen dar, die durch Regeln definiert werden, welche die jeweils angemes-
senen Auslösebedingungen, Attributionen, Verhaltensweisen, Ausdrucksformen
und andere soziale Praktiken festlegen" (Weber 2000, S. 144). Diese emotional-
sozialen Rollen beinhalten also ,,sozial vorgeschriebene Antwortsets" (Battacchi
et al. 1997, S. 17), wobei das individuelle Verständnis dieser Rollen Leitcharakter
in sozialen Situationen hat und zu spezifischen Erwartungen führt.
Einen etwas gemäßigteren Ansatz beschreiben Holodinsky et al. (2006, S. 37).
Ihrer Ansicht nach sind Emotionen ,,keine ausschließlich personspezifischen Er-
fahrungen, sondern sie haben auch einen kulturellen Ursprung" und werden in
der zwischenmenschlichen Interaktion gemeinsam konstruiert. Mit Bezug auf die
soziale Interaktion als Vermittler kultureller Werte bekommen Erziehung und
Sozialisation eine stärkere Bedeutung im Rahmen der Emotionsanalyse. Das Er-
ziehungsverhalten von Eltern und anderen Erziehern wird von kulturellen Vor-
stellungen über Sozialverhalten, Normen und Werte mitbestimmt, sie reprä-
sentieren also ,,kulturspezifische Modelle" über Emotionen (Holodinsky et al.
1999, S. 20). Die damit verbundene Art und Weise des Umgangs mit Kindern,
also Reaktionen und Bewertungen der sozialen Umwelt, nehmen entsprechend
Einfluss auf die Emotionsentwicklung des Kindes und ihrer Bewältigungshand-
lungen und bestimmen deren Verlauf mit.

17
Das Kind übernimmt demzufolge in der sozialen Interaktion mit wichtigen
Bezugspersonen die ,,emotionsrelevanten Deutungs- und Reaktionsmuster einer
Kultur" (Holodinsky et al. 2006, S. 35). Holodinsky et al. (1999, S. 21) sprechen
zusätzlich von einer ,,externen Passung" als Funktion von Emotionen, einem
,,kulturspezifischen Erwartungshorizont, wie wann und wo Emotionen erlebt,
ausgedrückt und reguliert werden".
3.1.2
Zwischenbilanz
Die unterschiedlichen und teils widersprüchlichen Sichtweisen machen es not-
wendig, bereits an dieser Stelle Schlussfolgerungen für die vorliegende Arbeit zu
ziehen. Die Frage, was unter Emotionen zu verstehen ist, lässt sich auch aus heu-
tiger Forschungssicht nicht einheitlich und allgemeingültig beantworten. Die ein-
zelnen Sichtweisen scheinen eher wichtige Teilaspekte von Emotionen zu
beschreiben. Es erscheint daher sinnvoll, die verschiedenen Theorieansätze zu
verbinden und Emotionen als ,,multidimensionale und komplexe Phänomene" zu
beschreiben (u.a. Hascher 1994, S. 29). Emotionen haben sowohl einen Form- als
auch einen Funktionsaspekt, wobei auch dem soziokulturellen Kontext eine we-
sentliche Rolle bei der Entstehung und Entwicklung von Emotionen zugesprochen
wird.
Emotionsbegleitend treten meist körperliche Veränderungen auf, die durch bio-
chemische, physiologische und neurophysiologische Prozesse bedingt sind. Emo-
tionen zeigen sich teilweise im Gesichtsausdruck und im Verhalten und werden
oft mit bestimmten Handlungsabsichten in sozialen Interaktionen ausgedrückt.
Welche Art von Emotion erlebt wird, scheint im Laufe der Entwicklung immer
weniger durch angeborene Affekte, sondern vielmehr durch kognitive Bewer-
tungsprozesse ausgelöst zu werden. Somit ist der Mensch aktiv in der Lage, seine
Emotionen zu beeinflussen und entsprechende Bewältigungshandlungen zu wäh-
len.
Mögliche angeborene Reaktionen können dabei auch durch die Übernahme emo-
tionsrelevanter Deutungs- und Reaktionsmuster einer Kultur überformt und ver-
ändert werden, die in den Interaktionen des Kindes mit den Bezugspersonen
vermittelt werden. Dabei werden nicht nur Darbietungsregeln erworben, sondern
es werden auch Anlässe und Bewertungsprozesse vermittelt, die die emotionale
Entwicklung beeinflussen (Friedlmeier et al. 2002, S. 253).

18
3.2
Was bedeutet Kompetenz?
Erstmals in der Geisteswissenschaft verwendet wurde der Begriff Kompetenz
durch Noam Chomsky 1969 innerhalb seiner Theorie der Sprachkompetenz
(Burger 2005, S. 129). In dem dort vorgestellten Kompetenz-Performanz-Modell
unterscheidet Chomsky zwischen Kompetenz als universeller Fähigkeit zum
sprachlichen Ausdruck und der tatsächlichen Sprachausführung, die er als Per-
formanz bezeichnete. Dieses Verständnis von Kompetenz ist in der Psychologie
und Pädagogik übernommen worden. Dabei entspricht Kompetenz einem inneren
Potential, ein bestimmtes Verhalten zu zeigen, das aber nicht in jeder spezifischen
Situation in gleicher Weise wirken muss. Besitzt eine Person eine bestimmte
Kompetenz, so ist sie prinzipiell geeignet, ein entsprechend kompetentes Verhal-
ten zu zeigen.
Der Begriff Performanz im Sinne von Anwendung und Gebrauch der Kompetenz
kennzeichnet hingegen das konkrete Verhalten in einer spezifischen Situation. Je
nach Kontext kann ein und dasselbe Verhalten als kompetent oder auch als nicht
kompetent gelten, insofern ist kompetentes Verhalten ­ im Gegensatz zu den zu
Grunde liegenden Kompetenzen situationspezifisch (Kanning 2005, S. 4). Kom-
petenz und kompetentes Verhalten sind auch nicht wertneutral. So wird Kompe-
tenz in unserer Gesellschaft als etwas Positives und Wertvolles angesehen.
Gleichzeitig wird damit auch auf die kulturelle Kontextabhängigkeit des Kompe-
tenzbegriffs verwiesen, denn die Anforderungen dafür, was angemessen ist und
erwartet wird, um als kompetent bewertet zu werden, lassen sich nicht universell
definieren, sondern werden vom sozialen bzw. kulturellen Kontext bestimmt
(Friedlmeier et al. 2002, S. 256).
Kompetenz und kompetentes Verhalten sind auch nur aufgabenspezifisch zu ver-
stehen. Man ist nicht kompetent an sich, sondern immer kompetent für eine Auf-
gabe, einen Gegenstandsbereich oder für eine Sache.
Als internes Potential eines Menschen lässt sich Kompetenz auch nicht direkt er-
fassen. Nur aus der Beobachtung des Verhaltens über mehrere Situationen hinweg
kann auf die Kompetenz des Individuums geschlossen werden. Die Kompetenz
stellt somit eine Disposition im Sinne der prinzipiellen Verfügbarkeit von Wissen,
Fähigkeiten und Fertigkeiten dar, aber keinesfalls eine Garantie für kompetentes
Verhalten in jeder Situation (Burger 2005, S. 129).

19
In der Literatur wird zwischen grundlegenden Kompetenzbereichen (auch als
Basis-, Kern- oder Schlüsselkompetenzen bezeichnet) unterschieden, aus denen
sich alle weiteren Kompetenzen ableiten lassen.
In weitgehender Übereinstimmung werden unter Basiskompetenzen:
§
personale,
§
fachlich-methodische
7
und
§
sozial-kommunikative Kompetenzen differenziert (u.a. Erpenbeck et al. 2005,
S. XVI)
Alle Kompetenzbereiche zusammen bilden die Grundlage für die individuell
geformte Handlungskompetenz eines Menschen (Brödel 2004, S. 7). ,,Hand-
lungskompetenz wird verstanden als die allgemeine Fähigkeit des Menschen, sich
in beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Situationen sachgerecht, durch-
dacht, sowie individuell und sozial verantwortlich zu verhalten" (o.V. 2006, [2a]).
Handlungskompetenzen
charakterisieren
Handlungsmöglichkeiten
eines
Menschen, die mittelfristig stabil sind und dem Handeln dadurch eine gewisse
zeitliche Kontinuität verleihen (Burger 2005, S. 129).
Damit grenzt sich Kompetenz und darauf basierend kompetentes Handeln zum
einen von einmaligen Verhaltensweisen und Handlungsimpulsen ab, zum anderen
aber auch von sehr stabilen, ,,die individuelle Lebensdauer übergreifenden Per-
sönlichkeitsmerkmalen und Charakterzügen" (ebd., S. 130). In diesem Sinne
beschreiben Handlungskompetenzen Fähigkeiten, die nicht genetisch angeboren
sind oder als Produkt von Reifungsprozessen entstehen, sondern selbstorganisiert
im Laufe der Entwicklung erlern- und veränderbar sind und durch Erfahrungen
bei der Bewältigung von Anforderungen aus der Umwelt im Laufe der Entwick-
lung entstehen (Bundschuh 2003, S. 105).
3.3
Was ist emotionale Kompetenz?
Allgemein kann auch emotionale Kompetenz als eine Komponente von Hand-
lungskompetenz im Sinne eines inneren Potentials der Befähigung zur Bewälti-
gung von Anforderungen der Umwelt betrachtet werden.
Emotionale Fertigkeiten werden meist den personalen und sozial-kommunikativen
Basiskompetenzen zugerechnet, welche die Grundlage für körperliche und seeli-
sche Gesundheit, Wohlbefinden und Lebensqualität bilden, das Zusammenleben
7
Diese Kompetenzen werden oft auch als voneinander getrennte Aspekte betrachtet, obwohl sie
inhaltlich schwer zu trennen sind.

20
in Gruppen erleichtern, Vorbedingungen für Erfolg und Zufriedenheit darstellen
sowie zur Lebensbewältigung befähigen (Bildungs- und Erziehungsplan Hessen
2005, S. 47, [3a]).
Um welche Fähigkeiten und Fertigkeiten handelt es sich aber, die einen Menschen
emotional kompetent machen? Es existieren verschiedene Konzepte, die sich mit
Fähigkeiten zur emotionalen Kompetenz auseinandersetzen. Sucht man den
kleinsten gemeinsamen Nenner aller Konzepte emotionaler Kompetenz, beruhen
sie alle auf Fähigkeiten in vier Bereichen, die eng miteinander verknüpft sind:
1.
der Aufmerksamkeit der Person für ihre eigene emotionale Befindlichkeit
2.
ihrer Empathie mit ihren Mitmenschen
3.
ihrer Fähigkeit, befriedigende zwischenmenschliche Beziehungen einzugehen
4.
ihrem konstruktiven Umgang mit belastenden oder sozial problematischen
Gefühlen (v. Salisch 2002a, S. IX).
Somit umspannt das Konzept der emotionalen Kompetenz ,,die Entwicklung einer
balancierten Persönlichkeit, das den Erwerb von Beziehungsfähigkeit, Bewälti-
gungskompetenzen und Fähigkeiten zur Selbstregulation einschließt" (ebd., S. X).
3.3.1
Das Konzept der emotionalen Kompetenz nach Saarni
Für die vorliegende Arbeit scheint insbesondere das Konzept von Saarni auf-
schlussreich zu sein, das von einem angemessenen Einsatz emotionaler Fertigkei-
ten in Abhängigkeit von den Anforderungen der jeweiligen Umwelt spricht
(Saarni 2002, S. 10). Emotionales Wissen und emotionale Fertigkeiten werden in
Saarnis Konzept unter einer funktionalen Perspektive bezogen auf bestimmte Si-
tuationsanforderungen betrachtet (Bundschuh 2003, S. 99). Dabei lässt sie sich
grundlegend von der Frage leiten, ,,welche emotionsbezogenen Fähigkeiten ge-
braucht werden, um mit einer sich verändernden Umwelt in einer solchen Weise
umzugehen, dass Menschen widerstandfähig, effektiv und zuversichtlich aus ihr
hervorgehen" (Saarni 2002, S. 12).
Carolyn Saarni benennt Schlüsselfertigkeiten, die im Verlauf der Entwicklung
erworben werden können und erheblich vom familiären und kulturellen Umfeld
geprägt werden. Sie versteht das Kind eingebettet in soziale Beziehungen und
kulturelle Kontexte, in denen es die Fertigkeiten zur emotionalen Kompetenz er-
wirbt und anwendet. Damit betont sie ,,die transaktionale Natur emotionaler
Kompetenz" (v. Salisch 2002b, S. 36).

21
Saarni (2002, S. 13, hier in Verbindung mit Petermann et al. 2003, S.13) benennt
folgende acht Schlüsselfertigkeiten emotionaler Kompetenz, betont dabei aber,
dass diese Fertigkeiten nicht unabhängig voneinander wirken:
1.
Bewusstheit über den eigenen emotionalen Zustand
Dies schließt auch das Wissen darüber ein, dass man mehrere, widersprüchli-
che Gefühle gleichzeitig erleben kann und dass man sich aufgrund selektiver
Aufmerksamkeit seines Gefühlslebens nicht immer bewusst ist.
2.
Die Fähigkeit, die Emotionen anderer wahrzunehmen und zu verstehen
Hierzu zählt auch die Kenntnis von Situationen und Merkmalen des Aus-
drucksverhaltens, über die in der Kultur eine gewisse Übereinstimmung im
Hinblick auf ihre emotionale Bedeutung besteht.
3.
Die Fähigkeit, über Emotionen zu kommunizieren
Damit ist die Fähigkeit gemeint, das Vokabular der Gefühle und die Aus-
druckswörter zu benutzen, die in der eigenen Kultur verwendet werden.
4.
Die Fähigkeit zur Empathie
Dies ermöglicht, am emotionalen Erleben anderer Personen Anteil zu neh-
men.
5. Die Fähigkeit zur Trennung von emotionalem Erleben und emotionalem
Ausdruck
Die Erkenntnis also, dass ein innerlich erlebter emotionaler Zustand nicht
notwendigerweise dem nach außen gezeigten Ausdrucksverhalten entspricht,
und zwar sowohl bei sich selbst als auch bei anderen Menschen. Ebenfalls ist
damit die Fähigkeit gemeint, den Einfluss des eigenen emotionalen Aus-
drucksverhaltens auf andere abschätzen zu können und ihn bei der eigenen
Selbst-Präsentation zu berücksichtigen.
6. Die Fähigkeit, negative Emotionen und Stresssituationen adaptiv zu
bewältigen
Dies setzt die Kenntnis und Nutzung effektiver Selbstregulations- und
Problemlösestrategien voraus, welche die Intensität oder zeitliche Dauer
dieser emotionalen Zustände abmildern können.

22
7. Die Fähigkeit, sich der emotionalen Kommunikation in sozialen Beziehungen
bewusst zu sein
Dies beinhaltet das Wissen darüber, dass soziale Beziehungen zu anderen Per-
sonen von der Art und Weise geprägt sind, in der über Emotionen kommuni-
ziert wird.
8. Die Fähigkeit zur emotionalen Selbstwirksamkeit
Dies bedeutet, dass man sein eigenes emotionales Erleben akzeptiert, sich also
im Allgemeinen so fühlt, wie man sich fühlen möchte. Diese Akzeptanz geht
mit den Ansichten der Person darüber einher, was ein erstrebenswertes emoti-
onales Gleichgewicht darstellt. Empfindet man emotionale Selbstwirksamkeit,
dann lebt man sowohl in Übereinstimmung mit seiner eigenen Emotionstheo-
rie
8
als auch mit seinen eigenen moralischen Werten.
Wie emotionales Empfinden und Ausdrucksverhalten bewertet wird, hängt somit
auch von den Zielen eines Menschen ab (vgl. Kapitel 3.1.1). Die Ziele, die jemand
in einer Situation wählt, sind geprägt von seinen Werten und somit eine Frage
seiner moralischen Disposition (v. Salisch 2002b, S.37). Damit steht emotionale
Kompetenz für Saarni im engen Zusammenhang mit moralischen Tugenden wie
Toleranz, Gerechtigkeit und Reziprozität. Andernfalls könnten Fertigkeiten wie
das Erkennen der Gefühle eines anderen oder das strategische Verhalten beim
eigenen Emotionsausdruck zu moralisch zweifelhaften Zwecken verwendet wer-
den, etwa um andere zu hintergehen oder zu quälen (ebd.).
3.3.2
Abgrenzung von inhaltlich verwandten Begriffen
Emotionale Intelligenz
In der Literatur wird neben emotionaler Kompetenz häufig auch von emotionaler
Intelligenz gesprochen. Ob allerdings ein wirklich inhaltlicher Unterschied besteht
ist fraglich, daher werden beide Konstrukte oft auch synonym verwendet
9
.
Das Konstrukt emotionale Intelligenz entstammt der Intelligenzforschung (emoti-
onale Kompetenz dagegen der Entwicklungspsychologie) und wurde erstmals
8
Gemeint ist das System eigener Anschauungen und Erklärungen darüber, wie Emotionen
,,funktionieren". Saarni bezeichnet es auch als internes Arbeitsmodell über Emotionen.
9
So ,,jongliert" u.a. Westphal (2003) zwischen beiden Begriffen hin und her, ohne sie begrifflich
voneinander zu unterscheiden.

23
1990 von Salovey und Mayer erwähnt
10
(ausführlich dazu u.a. Bundschuh 2003,
S. 93f). Emotionale Intelligenz wird ebenfalls definiert ,,als Fähigkeit, Emotionen
bei sich und anderen wahrzunehmen, zu verstehen und zu bewältigen"
(Petermann et al. 2003, S.14). Die von Salovey und Mayer aufgeführten Bereiche
emotionaler Intelligenz lassen sich dabei im Großen und Ganzen in die acht
Schlüsselfertigkeiten von Saarni überführen.
Zu einem ,,Modebegriff" wurde emotionale Intelligenz allerdings erst 1995 durch
die Arbeiten des amerikanischen Psychologen Daniel Goleman. Sein Weltbest-
seller ,,Emotionale Intelligenz" (engl. Originaltitel: Emotional Intelligence. Why it
can matter more than IQ), stützt sich zwar inhaltlich auf das Konzept von Salovey
und Mayer, ergänzt es aber um ,,eine bunten Mischung unterschiedlichster Fähig-
keiten des Menschen" (Kanning 2005, S. 11), die Erfolg versprechend und ange-
sagt sind. Unter der provokanten und teils heftig umstrittenen These ,,was nützt
ein hoher Intelligenzquotient, wenn man ein emotionaler Trottel ist" (Goleman
1997, Umschlagseite) versucht Goleman zu beweisen, dass Erfolg im Leben
weniger von kognitiver Intelligenz, sondern von einem klugen Umgang mit
Gefühlen abhängt.
In der ,,emotionalen Intelligenzforschung" werden emotionale Kompetenzen auch
als ,,auf emotionaler Intelligenz beruhende erlernte Fähigkeiten" definiert (Go-
leman 1999, S. 36) und emotionale Intelligenz entsprechend als ,,grundlegende
Fähigkeit des Umgangs mit Emotionen" (Bundschuh 2003, S. 98) bezeichnet.
Diese Sichtweise scheint missverständlich emotionale Intelligenz als angeborene
Fähigkeit unter Begabungsperspektive zu betrachten. Dass es aber eine angebo-
rene Begabung zur emotionalen Intelligenz gibt, ist in der Literatur nicht erkenn-
bar. Vielmehr betonen auch Autoren, die den Begriff emotionale Intelligenz
bevorzugen, die Bedeutung des sozialen Kontextes als Bedingungsfaktor (u.a.
Meyer 2003). Die Bezeichnung Kompetenz erscheint gegenüber dem Begriff
Intelligenz geeigneter, um die Erlernbarkeit emotionaler Fähigkeiten und die
Bedeutung sozialer Einflussfaktoren auf die Entwicklung emotionaler Kompetenz
zu unterstreichen. Daher wird die Bezeichnung Kompetenz für die vorliegende
Arbeit favorisiert.
10
Dieses Konzept lehnt sich an Howard Gardners Vorstellungen multipler Intelligenzen an.
Gardner gibt neben der bekannten kognitiven Intelligenz sechs weitere ,,Intelligenzen" an, darunter
auch die interpersonale und die intrapersonale Intelligenz, aus denen Salovey und Mayer dann den
Begriff ,,emotionale Intelligenz" formen (v. Salisch 2002b, S. 33).

24
Soziale Kompetenz
Auch die soziale Kompetenz ist von emotionaler Kompetenz schwer abgrenzbar.
Emotionen werden überwiegend in sozialen Interaktionen gezeigt und auch
Saarnis Konzept betrachtet emotionale Kompetenz bezogen auf bestimmte (sozi-
ale) Situationsanforderungen. Kannings Definition sozialer Kompetenz und sozial
kompetenten Verhaltens verdeutlicht die unklare Trennschärfe dieser beiden Ter-
mini. Er definiert sozial kompetentes Verhalten als ,,Verhalten einer Person, das
in einer spezifischen Situation dazu beiträgt, die eigenen Ziele zu verwirklichen,
wobei gleichzeitig die soziale Akzeptanz des Verhaltens gewahrt wird" (Kanning
2005, S. 4). Auch emotionale Kompetenz könnte sich im Sinne der beschriebenen
,,Selbstwirksamkeit in emotionsauslösenden sozialen Transaktionen" (Saarni
2002, S. 10) in dieser Definition wieder finden, denn eine Balance zwischen sozi-
aler Anpassung und Selbstverwirklichung wird auch bezüglich emotionaler Kom-
petenz betont.
Eine Unterscheidung dieser beiden Konstrukte scheint nur dahingehend sinnvoll,
emotionale Kompetenz eingebettet in soziale Kompetenz zu verstehen. Während
sich soziale Kompetenz als Oberbegriff auf die Gesamtheit des Wissens, der Fä-
higkeiten und Fertigkeiten einer Person im Sozialverhalten bezieht, beinhaltet
emotionale Kompetenz nur einen spezifischen Teil davon, nämlich die (kognitive)
Verarbeitung emotionaler Reaktionen und die Steuerung emotionaler Prozesse
(Kanning 2005, S. 12). Jugert et al. (2001, S. 9) verstehen dementsprechend unter
sozialer Kompetenz ,,die Verfügbarkeit und Anwendung kognitiver, emotionaler
und motorischer Fertigkeiten, die in bestimmten Situationen zu einem langfristig
günstigen Verhältnis von positiven und negativen Konsequenzen führen."
Ist es sinnvoll, emotionale Kompetenz als isoliertes Konstrukt zu betrachten? Die
Trennung dieser beiden Kompetenzen kann nur als analytische verstanden wer-
den, praktisch wird oft von sozial-emotionalen Fertigkeiten gesprochen. So
werden im Rahmen sozialer Trainingsprogramme u.a. auch die Wahrnehmung
eigener und fremder Gefühle bearbeitet.
Ein eigenständiges Konzept emotionaler Kompetenz hat aber den Vorteil, die von
Jugert et al. formulierte Verfügbarkeit emotionaler Fertigkeiten zu präzisieren und
damit einer gewissen Beliebigkeit und Unschärfe vorzubeugen.

25
Indem erlernbare Fertigkeiten zur Bewältigung emotionsauslösender Anforderun-
gen aus der Umwelt formuliert werden, können sowohl die Entwicklung des Kin-
des in diesem Bereich als auch positive und schädliche Einflüsse auf den Erwerb
emotionaler Kompetenz genauer (auch empirisch zuverlässig) untersucht werden
und klarere Bildungs- und Erziehungssziele im emotionalen Bereich formuliert
werden.
3.4
Kritik am Konstrukt emotionaler Kompetenz
Obwohl emotionale Kompetenz in der pädagogischen und psychologischen Lite-
ratur einen überwiegend positiven Zuspruch erfährt, werden einige Punkte auch
kritisch diskutiert, mit denen sich an dieser Stelle auseinandergesetzt werden soll.
Friedlmeier et al. (2002, S. 253f) kritisieren, dass der Begriff bestimmte Fähig-
keiten suggeriere, die erlernt werden und danach situationsübergreifend stabil
sind. Aber nicht einmal die Fähigkeit zur Emotionsregulation ist kontextunabhän-
gig stabil. Ob eine angemessene Emotionsregulation gezeigt wird, hängt ebenso
von motivationalen Bedingungen ab, diese Fähigkeit auch einzusetzen.
Gleichzeitig muss nicht jede Intention zum gewünschten Ergebnis führen. So
kann eine Emotionsregulation auch scheitern, wenn z.B. erlebte negative Emotio-
nen zu heftig sind. Fraglich ist auch, ob die von Saarni definierten Fähigkeiten als
universelle Merkmale betrachtet werden können, die nur kulturspezifisch unter-
schiedlich geprägt sind, oder ob manche Merkmale in anderen Kulturen sogar
irrelevant sind und dafür bisher noch nicht berücksichtigte Merkmale hinzukom-
men. Emotionale Kompetenz kann somit als situationsspezifische und
kulturspezifische Form der Anpassung an Anforderungen mit emotionaler
Bedeutung verstanden werden, was nach Meinung von Friedlmeier et al. im Kon-
zept von Saarni zu wenig Beachtung findet (ebd., S. 254). In der vorliegenden
Arbeit ist dieser Aspekt daher bereits bei der allgemeinen Betrachtung von
Kompetenzen aufgegriffen worden.
Kritisch wird zum Teil auch die Vermittlung und Förderung emotionaler Kompe-
tenz bei Kindern betrachtet. So hinterfragt z.B. Göppel (1999, zit. nach v. Salisch
2002b, S. 46) die aus seiner Sicht ,,technokratische Gefühlserziehung" und
,,totale Kontrolle aller Gefühlsregungen." ,,Kinder sollen im Sinne zweifelhafter
Nützlichkeitserwägungen zu stromlinienförmigen, stets ausgeglichenen, penetrant
freundlichen und permanent einfühlsamen Menschen erzogen werden."

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783832498054
ISBN (Paperback)
9783838698052
DOI
10.3239/9783832498054
Dateigröße
976 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Ernst-Abbe-Hochschule Jena, ehem. Fachhochschule Jena – Sozialwesen
Erscheinungsdatum
2006 (September)
Note
1,0
Schlagworte
familie kindertagesstätte sozialisation erziehung bildung
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Titel: Entwicklung emotionaler Kompetenz im frühpädagogischen Bereich
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