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Frauen in der Werbung

Realismus vs. Idealismus – Wie sieht sich die Zielgruppe lieber?

©2006 Diplomarbeit 202 Seiten

Zusammenfassung

Der Kosmetikkonzern "Dove" präsentiert in seiner Werbekampagne normale bzw. molligere Frauen als Testimonials und sorgt damit für angeregte Diskussionen - sowohl unter den weiblichen als auch unter den männlichen Konsumenten. Die Kampagne von "Dove" kann durchaus als Pioniertätigkeit auf dem Gebiet der Realismus-Werbung angesehen werden, da in der Werbung nach wie vor Bilder von Frauen dominieren, die nach dem Schema "schlank, hübsch und jung" dem 90-60-90-Ideal entsprechen.
Ziel dieser Arbeit ist es festzustellen, wie sich die weibliche Zielgruppe zwischen 14 und 24 Jahren lieber in der Werbung repräsentiert sieht: als idealisiertes Model oder als realistische Frau?
Ausgehend von einem theoretischen Grundgerüst, welches den ersten Teil der vorliegenden Arbeit darstellt, folgen im zweiten Teil die Ergebnisse der durchgeführten empirischen Studie. Mit Fokus auf die Forschungsfrage wurde eine Zielgruppenbefragung unter 14- bis 24-jährigen Frauen durchgeführt. Entsprechend dem Titel der Arbeit lautete die Forschungsfrage: "Wie sieht sich die Zielgruppe lieber?"
Das Ergebnis der schriftlichen Befragung liefert die Antwort auf die forschungsleitende Frage: Der überwiegende Teil der befragten Frauen spricht sich für den Realismus in der Werbung aus. Diese Antwort ist allerdings nur ein Teilaspekt der Studienergebnisse. Zusätzlich haben sich weitere signifikante soziodemografische Besonderheiten herauskristallisiert, die für die Werbewirtschaft von großer Bedeutung sind, da sie neue Aspekte und wertvolle Anregungen für zukünftige Werbemaßnahmen liefern.
Die Arbeit besteht aus einem theoretischen und einem empirischen Teil. Mit dem Ziel, alle Aspekte abzudecken, die für das Verständnis der Forschungsfrage relevant sind, liegt der Fokus der Arbeit auf der Testimonialwerbung. Unter dem Begriff Testimonial wird eine Person verstanden, die für ein Produkt Werbung macht. Diese Person spricht über die Vorzüge des Produktes oder sie gibt an, dass sie das beworbene Produkt selbst verwendet. Ein Testimonial tritt in der Werbung somit als Bürge oder Fürsprecher auf, um auf das Produkt aufmerksam zu machen. Dies ist immer dann der Fall, wenn das Produkt von einer Person präsentiert wird und die Werbestrategie nicht auf der reinen Produktpräsentation basiert. Diese erste Definition des Begriffs Testimonial sollte den in der Arbeit verwendeten Terminus vorerst ausreichend erklären.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis
Ulrike Kohlweiß | mm021038
Diplomarbeit
V
Inhaltsverzeichnis
1
EINLEITUNG ____________________________________________ 1
2
FRAUEN IN DER WERBUNG _______________________________ 6
2.1
Historischer Rückblick: ,,...und ewig lockt das Weib"... 7
2.2
Werbewirkung: Warum funktioniert das ,,Wunschbild-Schema"? ... 12
2.2.1
Der Mensch als soziales Wesen ... 13
2.2.2
Modelle zur sozialen Orientierung... 17
2.2.3
Ziel: Absatzsteigerung. Maßnahme: Wunschvorstellungen schüren ... 19
2.2.4
Das Bedürfnis nach Prestige und Status ... 21
2.3
Der Idealismus und das Faszinosum Schönheitsideal ... 23
2.3.1
Heidi Klum und die starken Männer ... 24
2.3.2
,,Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die schönste im ganzen Land?" .. 24
2.3.3
Auf der Suche nach der Schönheitsformel... 26
2.3.3.1
Beauty Index (BI) ... 26
2.3.3.2
Waist-to-Hip-Ratio (WHR)... 27
2.3.3.3
Body Mass Index (BMI)... 27
2.3.4
Veränderung des Körpergewichts bei Models ... 30
2.3.5
,,Schönheit ist..." sagt die Studie ... 31
2.3.6
Schönheit = Perfektion vom Haaransatz bis in die Zehenspitzen?... 32
2.3.7
Realismus-Ruby als Alternative zur Idealismus-Barbie ... 35
2.4
Wie wirkt Schönheit in der Werbung? ... 37
2.4.1
Zerstörerischer Effekt auf das Selbstbild von Frauen ... 38
2.4.2
Die Macht der Situation ... 39
2.5
Die Darstellung der Frau in der Werbung ... 42
2.5.1
Psychogramm: Darstellung der Frau in der Werbung... 43
2.5.1.1
Beruf... 43
2.5.1.2
Nicht berufliche Rollen / Aktivitäten ... 44
2.5.1.3
Umgebung / Setting ... 44
2.5.1.4
Autorität ... 44
2.5.1.5
Alter ... 45
2.5.1.6
Psychische Gesundheit... 46
2.5.1.7
Erotisierung ... 47
2.5.1.8
Gleichsetzung der Frau mit dem Produkt ... 49
2.5.1.9
Die Frau als groteskes Anti-Ideal ... 50
2.5.1.10
Mimik und Gestik... 51
2.5.2
Rollentypologie: Zwischen Hausfrau und Superfrau ... 52
2.5.2.1
Tüchtige Hausfrau und liebende Mutter... 53
2.5.2.2
Makellose Schönheit / Objekt der Begierde... 56
2.5.2.3
Sportliche Amazone ... 59
2.5.2.4
Karrierefrau ... 61
2.5.2.5
Multitasking-Wunder ... 63
2.6
Der ,,Petersilieneffekt" und primär weiblich besetzte Werbekampagnen ... 66
2.6.1
Primär weiblich besetzte Werbekampagnen... 67
2.6.2
Der ,,Petersilieneffekt"... 69

Inhaltsverzeichnis
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Diplomarbeit
VI
3
FRAUENDARSTELLUNG AUSSERHALB DER WERBUNG _____ 71
3.1
Einflussfaktor Printmedien: eine weibliche Magazinlandschaft ... 74
3.1.1
Frauen- und Männermagazine im Vergleich ... 75
3.1.2
Orientierung am Alpha-Weibchen aus den Printmedien ... 78
3.2
Einflussfaktor Fernsehen: Debatte um ,,Germany's Next Topmodel"... 80
3.2.1
Eckdaten zur TV-Show... 80
3.2.2
Mageres Österreich, fettes Österreich: Essstörungen im Fokus ... 82
4
START: WERBUNG IM ALLGEMEINEN _____________________ 84
5
ZIEL: TESTIMONIALWERBUNG IM SPEZIELLEN _____________ 90
5.1
Kategorisierung der Testimonialwerbung... 91
5.1.1
Die Komödie unterhält ... 91
5.1.2
Die Ästhetik emotionalisiert ... 92
5.1.3
Der Experte erklärt ... 93
5.1.4
Das Testimonial bürgt ... 93
5.2
Definition Testimonial... 96
5.3
Celebrity Testimonials (=Idealismus)... 98
5.3.1
Definition... 99
5.3.2
IMAS PromiMeter ... 101
5.3.3
Charakteristiken ... 102
5.3.4
Vorteile und Risiken ... 105
5.3.5
Kampagnenbeispiele... 109
5.4
Real People-Testimonials (=Realismus) ... 116
5.4.1
Definition... 117
5.4.2
Charakteristiken ... 117
5.4.3
Vorteile und Risiken ... 118
5.4.4
Kampagnenbeispiele... 121
6
EMPIRISCHE STUDIE: REALISMUS VS. IDEALISMUS - WIE SIEHT
SICH DIE ZIELGRUPPE LIEBER? _________________________ 129
6.1
Ausgangslage... 130
6.2
Methodische Vorgangsweise... 130
6.2.1
Forschungsfrage ... 130
6.2.2
Art der empirischen Sozialforschung ... 130
6.2.3
Zielgruppe... 130
6.2.4
Klassifizierung ... 131
6.2.5
Fragebogen ... 131
6.2.6
Pretest ... 132
6.2.7
Grundgesamtheit ... 132
6.2.8
Stichprobengröße ... 133
6.2.9
Feldzugang... 133
6.2.10
Sample Points ... 133
6.2.11
Befragungsgebiete ... 134
6.2.12
Erhebungsmethode ... 134
6.2.13
Erhebungszeitraum ... 135
6.2.14
Forschungsziel ... 137

Inhaltsverzeichnis
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Diplomarbeit
VII
6.3
Forschungsergebnisse... 138
6.3.1
Soziodemografische Angaben zur Zielgruppe der Studie... 139
6.3.2
Gesamtauswertung: Heidi Klum vs. natürliche Frauen ... 145
6.3.3
Gesamtauswertung: Kampagnensujet Realismus vs. Idealismus ... 150
6.3.4
Gesamtauswertung: Werbung und Medien allgemein ... 153
6.3.5
Gesamtauswertung: Wie sieht sich die Zielgruppe lieber? ... 156
6.3.6
Signifikante soziodemografische Besonderheiten ... 158
6.3.6.6
Differenzierte Studienergebnisse nach Alter bzw. Reife... 158
6.3.6.7
Differenzierte Studienergebnisse nach Figur-Typen ... 162
6.3.6.8
Sympathie als Kriterium für zugesprochene Glaubwürdigkeit ... 164
6.3.6.9
Zusammenhang zwischen Körperzufriedenheit und Körper-Typ... 166
7
SCHLUSSWORT _______________________________________ 168
8
LITERATURVERZEICHNIS ______________________________ 177
9
WEITERE QUELLEN____________________________________ 182
10
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ____________________________ 183
11
ABBILDUNGSVERZEICHNIS _____________________________ 184
12
GRAFIKVERZEICHNIS __________________________________ 186
13
TABELLENVERZEICHNIS _______________________________ 189
14
ANHANG _____________________________________________ 190


Ulrike Kohlweiß | mm021038
Diplomarbeit
1
1 Einleitung
,,Wer fragt, ist ein Narr für fünf Mi-
nuten. Wer nicht fragt, bleibt ein
Narr für immer"
Chinesisches Sprichwort; zit. n. Duden,
2002b, S. 718

Einleitung
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Diplomarbeit
2
,,Sind das die Plakate mit den fetten Frauen?"
1
In der Werbung dominieren nach wie vor Bilder von Frauen, die dem Schema
,,schlank, hübsch und jung" entsprechen. Die Darstellung von normalen und mollige-
ren Frauen, wie dies beispielsweise in den Anzeigen des Kosmetikkonzerns ,,Dove"
der Fall ist, fällt im Einheitsbrei der ,,schönen" Werbung besonders auf und führt zu
kontroversen Ansichten. Zeigen Werbesujets normale Frauen, die nicht dem 90-60-
90-Schönheitsideal entsprechen, sind Diskussionen vorprogrammiert. ,,Revolutionä-
re" Anti-Schönheitsideal-Kampagnen sind bis dato noch als Gehversuche auf einem
relativ neuen Terrain zu werten, weil die Akzeptanz in der Zielgruppe noch nicht klar
definiert ist. Mit der vorliegenden Arbeit soll die diesbezüglich bestehende For-
schungslücke geschlossen werden.
Unter dem Titel ,,Frauen in der Werbung: Realismus vs. Idealismus ­ Wie sieht sich
die Zielgruppe lieber?" liegt der Fokus der Arbeit auf der Darstellung der Frauen in
der Werbung. Konkret geht es um den in der Werbung gezeigten Realismus und den
Idealismus und wie sich die weibliche Zielgruppe im Alter von 14 bis 24 Jahren in
der Werbung lieber repräsentiert sieht: als idealisiertes Model oder als realistische
Frau?
Dabei wird die Frauendarstellung in der Werbung bewusst auf die Aspekte Realismus
und Idealismus reduziert. In das Schema ,,Realismus" fallen Frauen, die sich in der
Werbung natürlich und authentisch präsentieren. Dies impliziert, dass die Realismus-
Werbefrau vom geltenden Schönheitsideal abweicht, eventuell molliger oder älter ist
und den einen oder anderen ,,Schönheitsfehler" hat. Als aktuelles und bekanntes Bei-
spiel für Realismus in der Werbung sei die Werbekampagne von ,,Dove" angeführt.
In das Schema ,,Idealismus" fallen Frauen, die optisch scheinbar perfekt sind. Hüb-
sches Gesicht, ein schlanker und makelloser Körper ­ die Idealismus-Werbefrau be-
sticht durch ihre Schönheit, Jugendlichkeit und Perfektion und entspricht damit dem
1
Diese Frage bezieht sich auf die aktuelle Werbekampagne des Kosmetikkonzerns ,,Dove" und
stammt aus Gesprächen, die die Autorin im Rahmen ihrer Recherchen geführt hat.

Einleitung
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Diplomarbeit
3
90-60-90-Schönheitsideal, dem viele Frauen nacheifern. Vielfach ist die Idealismus-
Werbefrau prominent bzw. hängt die optische Perfektion mit dem Beruf der Frau zu-
sammen. So setzen Werbefachleute bevorzugt Models, Schauspielerinnen oder Sport-
lerinnen in der Werbung ein. Als Beispiel für Idealismus in der Werbung sei die
Werbetätigkeit des Topmodels Heidi Klum für ,,Stiefelkönig" angeführt.
Zu diesen beiden konträren Formen der Frauendarstellung in der Werbung (Realis-
mus vs. Idealismus) gibt es nach aktuellem Forschungsstand keine definitive und un-
abhängige Untersuchung darüber, womit sich die weibliche Zielgruppe der 14- bis
24-Jährigen lieber identifizieren möchte: mit den schlanken, perfekten Models oder
mit der normalen Durchschnittsfrau?
Von Bedeutung ist das Thema der vorliegenden Arbeit insbesondere für die Praxis:
Die Autorin sprich sämtliche Branchen an, deren deklarierte Zielgruppe weiblich und
zwischen 14 bis 24 Jahre alt ist. Für Marketingfachleute und Werbestrategen ist es
von großem Interesse, mit welcher Werbestrategie die konsumfreudige junge Ziel-
gruppe bestmöglich angesprochen werden kann. Denn, wer weiß, was sich die Ziel-
gruppe wünscht, kann seine Maßnahmen darauf abstimmen. Dadurch können Streu-
verluste weitgehend reduziert werden und ein Maximum an Akzeptanz in der Ziel-
gruppe erzielt werden. Die in der empirischen Studie präsentierten Ergebnisse liefern
der Werbewirtschaft neue Aspekte und Anregungen für zukünftige Werbemaßnah-
men.
Gleichzeitig ist das Thema der Arbeit ein Beitrag zur immer wieder aufflammenden
Diskussion über den Effekt des präsentierten Frauenbildes in Werbung und Medien.
Aktuell wird diese Diskussion durch die Darstellung von Mager-Models im deut-
schen Fernsehen wieder angeheizt.
Die Motivation und Begeisterung für das Thema begründet die Autorin mit dem per-
sönlichen Interesse an der Werbung im Allgemeinen und dem Bedürfnis nach der
Beantwortung der Forschungsfrage im Speziellen. Was will die anvisierte Zielgruppe
der 14- bis 24-Jährigen, zu der sich die Autorin der Arbeit auch selbst zählt?
Die Arbeit besteht aus einem theoretischen und einem empirischen Teil. Unter Be-
rücksichtigung der Forschungsfrage nähert sich die Arbeit über den Theorieteil an

Einleitung
Ulrike Kohlweiß | mm021038
Diplomarbeit
4
den empirischen Teil heran. Dabei liefert der Theorieteil das wissenschaftliche Fun-
dament, auf dem die empirische Studie aufbaut. Der Theorieteil der Arbeit gliedert
sich in vier Kapitel:
Im ersten Kapitelabschnitt (,,Frauen in der Werbung", ab Seite 6) wird ein kurzer his-
torischer Einblick auf die Anfänge der Frau in der Werbung gewährt. Es folgen psy-
chologische Aspekte zur Identifikation und Modelle zur Werbewirkung. In Ausrich-
tung auf den Idealismus folgt eine Auseinandersetzung mit dem Begriff Schönheit
sowie Studien zur Wirkung von Schönheit in der Werbung. Die Darstellung der Frau
in der Werbung wird durch ein Psychogramm ergänzt und einer Einteilung in Rollen-
typen auf den Punkt gebracht. Abschließend zeigen primär weiblich besetzte Werbe-
kampagnen die Produktspezifität im Zusammenhang mit Frauen in der Werbung auf.
Im zweiten Kapitelabschnitt (,,Frauendarstellung außerhalb der Werbung", ab Seite
71) wird die Darstellung der Frau in den Printmedien und im Fernsehen untersucht,
um eventuelle Querverbindungen aufzustellen.
Der dritte Kapitelabschnitt (,,Start: Werbung im Allgemeinen", ab Seite 84) bildet
den Ausgangspunkt für den darauf folgenden letzten Kapitelabschnitt und fördert das
allgemeine Verständnis für die Arbeit: Ausgehend von der Definition von Werbung
trägt das Kapitel dazu bei, dass das nachfolgende letzte Kapitel in einen größeren Ge-
samtzusammenhang eingeordnet werden kann.
Im vierten und letzten theoretischen Kapitelabschnitt dieser Arbeit wird das Ziel er-
reicht: Die ,,Testimonialwerbung im Speziellen" (ab Seite 90). Zunächst erfolgt eine
fachspezifische Einordnung der Testimonialwerbung, bevor der Terminus näher defi-
niert wird. Schließlich werden die in der Arbeit fokussierten Formen der Testimoni-
alwerbung (Real People-Testimonials und Celebrity Testimonials) in Ausrichtung auf
die forschungsleitende Frage charakterisiert und durch Kampagnenbeispiele veran-
schaulicht.
Der zweite Teil der Arbeit umfasst die empirische Studie inklusive Beantwortung der
forschungsleitenden Frage (ab Seite 129). Der empirische Part der Arbeit setzt sich
aus drei Teilbereichen zusammen. Zu Beginn wird kurz die Ausgangslage zur Studie
skizziert, darauf folgt eine Beschreibung der methodischen Vorgangsweise. Im letz-
ten Teil werden die Forschungsergebnisse sowie signifikante soziodemografische
Besonderheiten präsentiert.

Einleitung
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5
Erklärtes Ziel dieser Arbeit ist die Beantwortung der zentralen Fragestellung: Rea-
lismus vs. Idealismus ­ Wie sieht sich die Zielgruppe lieber?
Mit dem Ziel, alle Aspekte abzudecken, die für das Verständnis der Forschungsfrage
relevant sind, liegt der Fokus der Arbeit auf der Testimonialwerbung. Unter dem
Begriff Testimonial wird eine Person verstanden, die für ein Produkt Werbung macht.
Diese Person spricht über die Vorzüge des Produktes oder sie gibt an, dass sie das
beworbene Produkt selbst verwendet. Ein Testimonial tritt in der Werbung somit als
Bürge oder Fürsprecher auf, um auf das Produkt aufmerksam zu machen. Dies ist
immer dann der Fall, wenn das Produkt von einer Person präsentiert wird und die
Werbestrategie nicht auf der reinen Produktpräsentation basiert. Diese erste Definiti-
on des Begriffs Testimonial sollte den in der Arbeit verwendeten Terminus vorerst
ausreichend erklären. Eine detaillierte Definition wird in Kapitel 5 nachgereicht, das
die Testimonialwerbung im Speziellen behandelt.
In der vorliegenden Arbeit wird der Realismus in der Werbung gleichgesetzt mit Real
People-Testimonials. Der Idealismus in der Werbung wird gleichgesetzt mit Celebrity
Testimonials.
2
Die Einschränkung auf diese beiden Formen der Testimonialwerbung
wurde bewusst vorgenommen, da die Erörterung aller Testimonial-Arten keinen effi-
zienten Beitrag zur Beantwortung der Forschungsfrage leisten würde und außerdem
den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde.
Zur Unterstützung der Lesefreundlichkeit wurde für Personenbezeichnungen der Ein-
fachheit halber nur eine Form verwendet (z.B.: die Konsumentin). Da die vorliegende
Arbeit die weibliche Zielgruppe in den Mittelpunkt der Untersuchung stellt, sei aus-
drücklich darauf hingewiesen, dass im Zweifelsfall ­ um jede Form der Diskriminie-
rung auszuschließen ­ jeweils auch die männliche Form ausdrücklich mit einge-
schlossen ist.
2
Diese Gleichsetzung (Realismus = Real People-Testimonial, Idealismus = Celebrity Testimonial)
wurde aus Gründen des besseren Verständnisses von der Autorin vorgenommen.

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2 Frauen in der Werbung
,,Man kann nicht nicht kommunizie-
ren."
Paul Watzlawick (geb. 1921), österr. Psycho-
therapeut; zit. n. Watzlawick/Beavin/Jackson,
1969, S. 53

Frauen in der Werbung | Historischer Rückblick
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2.1 Historischer Rückblick: ,,...und ewig lockt
das Weib"
3
Die Geschichte der Frauen in der Werbung ist eng verknüpft mit der Geschichte der
Werbung selbst. Seit dem Aufkommen der kommerziellen Werbung in der zweiten
Hälfte des 18. Jahrhunderts spielen Frauen eine bedeutende Rolle.
4
Ausgehend von
London und Paris erkannten die Werbetreibenden schon früh, dass das Ansehen und
die Schönheit der Frauen als ,,Lockmittel" dienen können. Dementsprechend wurden
Frauen als Fürsprecher für Produkte und Dienstleistungen eingesetzt.
Aus der Vielzahl an Beispielen wurden im Folgenden einige herausgegriffen, die aus
dem für diese Arbeit relevanten deutschen Sprachraum stammen. Die Verfasserin
weist darauf hin, dass mit der Auswahl kein Anspruch auf zeitliche und/oder histori-
sche Vollständigkeit erhoben wird. Die exemplarische Auswahl aus der deutschen
Werbehistorie soll einen Einblick in den frühen Einsatz von Frauen in der Werbung
vermitteln und gleichzeitig erste Bezüge zu den gesellschaftlichen Wertvorstellungen
und Idealen der jeweiligen Epoche aufzeigen:
5
Einer der ersten, der die Bedeutung von weiblichen Testimonials erkannte,
war der Berliner ,,Mantelkönig" Herman Gerson. Der Verkaufserfolg seiner
Maßkleidung von der Stange stützte sich auf eine wirkungsvolle, wenn auch
heute alltägliche Methode: Herman Gerson ließ seine Kollektionen 1851
von Mannequins vorführen und sorgte dafür, dass darüber in Tages- und
Wochenzeitschriften berichtet wurde.
3
Originaltitel des Films ,,Et Dieu...créa la femme"; F/I 1956; Regie: Roger Vadim; Hauptdarsteller:
Brigitte Bardot, Curd Jürgens.
4
vgl. Wischermann, 2001, S. 40
5
vgl. Schäfer, 2001, S. 14 ff.

Frauen in der Werbung | Historischer Rückblick
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1875 machte sich die Koblenzer Firma ,,Deinhardt & Co" die Besuche von
Kaiserin Augusta zunutze: Sie warben mit den Besuchen der Kaiserin für ih-
re Sekt- und Weinkellerei.
In der Weimarer Republik (1919 - 1933
6
) traten vermehrt Filmschauspiele-
rinnen als prominente Testimonials auf, die ­ ebenso wie die aristokrati-
schen Frauen ­ für Massenartikel wie Seifen, Make-up und Zigaretten war-
ben.
Das weibliche Schönheitsideal in den 1920er Jahren verkörperten Film-
schauspielerinnen wie Bette Davis, Joan Crawford und Pola Negri. Am
deutschen Markt wirbt ,,Unilever" 1951 mit dem Slogan ,,Filmstarseife ­
Luxor-Schönheit jetzt auch für Sie." Ein weiterer klassischer Slogan aus den
1950er Jahren kam vom amerikanischen Kosmetikkonzern ,,Max Factor
Hollywood": ,,Das Make-up der Stars und auch für Sie". Damit wurde be-
wusst auf den Glamour der Filmwelt gesetzt, um die weibliche Zielgruppe
mit der Botschaft zu ködern, dass die Durchschnittsfrau ebenso aussehen
kann wie die perfekt erscheinenden Leinwandheldinnen.
Der Trend, berühmte Frauen in der Werbung einzusetzen, wurde fortgesetzt
von der Wäschefirma ,,Triumph" sowie der ,,Rössler Feinstrumpfwirkerei".
So warben 1953 u.a. auch Romy Schneider und Hildegard Knef für die Ny-
lonstrümpfe.
Sehr früh wurde die Macht der weiblichen Schönheit entdeckt und mit ihr experimen-
tiert. Werber setzen auf prominente weibliche Gesichter, um die Produkte an die Frau
zu bringen. Weibliche Testimonials werden damals wie heute zwar bevorzugt bei
,,typischen" Frauenprodukten (z.B. Mode- oder Kosmetikartikel) eingesetzt, dennoch
beschränkte sich der Einsatz von Frauen in der Werbung auch zu Beginn des 20.
6
Anger/Volkert, 1991, S. 270

Frauen in der Werbung | Historischer Rückblick
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Jahrhunderts nicht ausschließlich auf so genannte ,,weibliche" Produkte. Dies zeigt
die Anzeige eines Automobilherstellers aus 1928:
Abbildung 1: Anzeige von ,,General Motors" aus 1928. Quelle: Rösgen, 2001, S. 43
,,Gräfin Maria Esterhazy ist eine der vielen vornehmen Cadillac-Besitzerinnen": Mit
diesem Claim und dem Porträt der Gräfin Maria Esterhazy wirbt ,,General Motors" in
seiner Anzeige aus dem Jahr 1928 für ,,Cadillac". Der Automobilhersteller setzt bei
seiner prestigeträchtigen Limousine auf die weiblichen Attribute und die gesellschaft-
lich gut situierte Position des prominenten Testimonials. ,,Die reizende junge Gräfin
aus den ersten Kreisen der Gesellschaft" [Anzeigentext] wirbt um die Gunst der Kon-
sumenten, indem die kommerzielle Botschaft in ein Bild verpackt wird. Ein Bild, das
durch den Status der Gräfin mit dem Wunsch nach Reichtum, gesellschaftlichem An-
sehen und Luxus aufgeladen wird. Die ,,distinguierte Persönlichkeit" [Anzeigentext]
Maria Esterhazy strahlt Ansehen, Schönheit und Reichtum aus und soll diese Attribu-
te auf das Produkt ,,Cadillac" übertragen.

Frauen in der Werbung | Historischer Rückblick
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Das menschliche Verlangen einem bestimmten Ideal zu entsprechen, dieselben Pro-
dukte wie prominente Schauspielerinnen zu benutzen, einer bestimmten Gesellschaft
anzugehören oder den Lebensstil von gut situierten Persönlichkeiten leben zu können
­ die Wunschliste der Sehnsüchte ist lang. Um genau diese Sehnsüchte in der weibli-
chen Zielgruppe anzusprechen, werden die Produkte von prominenten Frauen präsen-
tieren, die die entsprechende Vorbildwirkung haben. Diese Vorbildwirkung kann sich
auf die Schönheit, die Charakterzüge, den Lebensstil, materiellen Besitztum oder das
soziale Ansehen beziehen. Verkörpert die in der Werbung gezeigte Frau ein Ideal, das
in einem bestimmten Aspekt als erstrebenswert gilt, so kann dadurch der Kaufanreiz
in der Zielgruppe verstärkt werden.
Nach diesem Muster der Identifikation (,,Ich möchte auch so sein wie die Frau in der
Werbung") funktionieren viele Werbespots und Anzeigen. Der Konsument soll die
Werbefigur bewundern und sich mit ihr identifizieren. Die Zielgruppenbefragung
(siehe Kapitel 6) liefert Aufschluss darüber, ob sich Frauen eher mit ,,idealisierten"
oder mit ,,realistischen" Werbefiguren identifizieren wollen. In der Werbung können
­ je nach Zielgruppe ­ sowohl berühmte Persönlichkeiten als auch natürli-
che/unbekannte Personen eine Identifikationsfläche für Konsumenten bieten.
Für den Psychoanalytiker Sigmund Freud zählt die Identifikation zu den Abwehrme-
chanismen
7
des ,,Ich". Nach dem freudschen Ansatz haben alle Menschen Triebe,
,,die nicht annehmbar sind und deshalb benutzen sie in einem gewissen Ausmaß diese
Abwehrmechanismen."
8
Freud geht von einer ,,Erhöhung des Selbstwertgefühls durch
Identifikation einer Person oder Institution von hohem Rang" aus.
Gemäß dieser Definition ist davon auszugehen, dass sich die Zielgruppe in der Wer-
bung lieber im Idealismus repräsentiert sieht, sich also lieber mit den jungen, hüb-
schen und schlanken Frauen in der Werbung identifizieren möchte. Die Identifikation
als Abwehrmechanismus ist nach Freud ,,überlebenswichtig für die psychische An-
7
Neben der Identifikation führt Freud u.a. auch Fantasie, Kompensation, Rationalisierung oder Ver-
drängung als weitere Abwehrmechanismen des ,,Ich" an.
8
Zimbardo/Gerrig, 1999, S. 534

Frauen in der Werbung | Historischer Rückblick
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passung einer Person an die miteinander in Konflikt stehenden Anforderungen von
Es, Über-Ich und äußerer Realität."
9
Er bezeichnet ,,Es"
10
und ,,Über-Ich"
11
als ,,Un-
ruhestifter, die dem ,Ich' das Leben schwer machen".
12
Mittels psychologischer Tak-
tiken wird der Zielgruppe die Identifikation ermöglicht. Zu diesen psychologischen
Taktiken können die in der Werbung präsentierten Frauenbilder gezählt werden. Idea-
listische oder realistische Frauenbilder in der Werbung enthalten Wunschbilder, mit
der sich die Zielgruppe identifizieren möchte bzw. kann. Diese Identifikationsfläche
gestattet es einer Person, ,,ein positives Selbstbild aufrecht zu erhalten."
13
Der folgende Abschnitt beschäftigt sich mit den Mechanismen, die dafür verantwort-
lich sind, dass sich Menschen seit jeher an Idealen, Vor- und Wunschbildern orientie-
ren.
9
Zimbardo/Gerrig, 1999, S. 533
10
Das ,,Es" wird von Freud als Sitz der primären Triebe gesehen. Es ist der primitive, unbewusste Teil
der Persönlichkeit, der irrational arbeitet und impulsgetrieben auf die unmittelbare Befriedigung dieser
Triebe drängt.
11
Das ,,Über-Ich" ist das Gewissen, das Gute, das Wahre, das Schöne, der Sitz der Werte und der in
der Gesellschaft geltenden moralischen Regeln und Normen.
12
Nicolaus, 2006, S. 63
13
Zimbardo/Gerrig, 1999, S. 533

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2.2 Werbewirkung: Warum funktioniert das
,,Wunschbild-Schema"?
,,Wünschen war immer Torheit."
William Shakespeare (1564-1616), engl. Dich-
ter und Dramatiker; Antonius und Cleopatra
IV, 13; zit. n. Fischer, 2002, S. 373

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2.2.1
Der Mensch als soziales Wesen
Der Mensch ist ein soziales Wesen und hat als solches soziale Bedürfnisse. Abraham Mas-
low führt in seiner Pyramide der menschlichen Bedürfnisse an dritter Stufe das Bedürfnis
des sozialen Zusammenhangs (Sozialbedürfnis) an. Sind die Grund- und Sicherheitsbe-
dürfnisse erfüllt, tritt das nächste Motiv in den Vordergrund: das Sozialbedürfnis. Laut
Maslow sucht der Mensch nach Zugehörigkeit (z.B. zu einer Gruppe) und strebt danach,
geliebt zu werden.
Grafik 1: Maslow-Pyramide: Hierarchie der Bedürfnisse nach Maslow
14
Zu den sozialen Bedürfnissen zählt auch, dass der Mensch nicht alleine sein will, sich an-
deren Menschen anschließen oder zu einer Gruppe gehören möchte. Diese Bedürfnisse
14
vgl. Kotler, 2003, S. 316 sowie Lechner/Egger/Schauer, 2001, S. 130
Sicherheitsbedürfnis:
Schutz vor Willkür und Armut im Alter
Grundbedürfnis:
Hunger, Durst, Wohnung
Sozialbedürfnis:
Zugehörigkeitsgefühl, geliebt werden
Anerkennungsbedürfnis:
Selbstwertgefühl, Anerkennung, Status
Bedürfnis nach
Selbstverwirkli-
chung:
Selbstentwicklung,
und Selbstfindung

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führen dazu, dass sich der Mensch in eine Gruppe einordnet und die dort herrschenden
Verhaltensregeln beachtet.
15
Orientiert der Mensch seinen eigenen Handlungsablauf an
anderen, so spricht Max Weber von ,,sozialem Handeln"
16
. Darunter wird ein Verhalten
verstanden, das mit einem ,,subjektiven Sinn" versehen ist und ,,auf das Verhalten anderer
bezogen wird." Diese Orientierung am anderen ist wichtig für den Vergleich. Wir können
erst unsere eigene Situation einschätzen und bewerten, wenn wir wissen, wie andere im
Vergleich dazu abgeschnitten haben (z.B. bei sportlichen Wettkämpfen). Der Vergleich
mit anderen Menschen ,,trägt nicht zuletzt dazu bei, Unsicherheit abzubauen: Häufig löst
jemand Entscheidungsprobleme, indem er sich genauso wie die anderen verhält."
17
Damit
ist der Mensch auf andere Menschen angewiesen, um die eigenen Bedürfnisse zu befriedi-
gen. Es entsteht somit eine Abhängigkeit, die zur Folge hat, dass andere Menschen das
eigene Verhalten steuern und beeinflussen können. Jedoch haben nicht alle Menschen den
gleichen Einfluss auf das eigene Verhalten. Maßgeblich hierfür sind so genannte Bezugs-
gruppen oder Bezugspersonen.
18
Hyman
19
definierte ,,Bezugsgruppen" erstmals 1942 und versteht darunter ,,Gruppen, nach
denen sich ein Mensch richtet: Die Bezugsgruppen bestimmen die Art und Weise, wie das
Individuum seine Umwelt und sich selbst wahrnimmt und beurteilt, und sie liefern die
Normen für sein Verhalten. [...] Bezugspersonen erfüllen für den einzelnen zwei wichtige
Funktionen:
sie setzen Verhaltensnormen
und liefern Vergleichsmaßstäbe."
20
,,Manche Menschen neigen dazu, sich mit anderen zu vergleichen, die ihnen ähnlich sind,
und lassen sich dadurch beeinflussen, wie Menschen wie sie selbst ihr Leben gestalten.
Aus diesem Grund setzen viele Werbestrategen ,normale' Menschen ein, deren Konsumtä-
15
vgl. Kroeber-Riel/Meyer-Hentschel, 1982, S. 126
16
Weber, 1964, S. 1
17
Kroeber-Riel/Meyer-Hentschel, 1982, S. 126
18
vgl. ebd. S. 126-127
19
Hyman, 1942, zit. n. Kroeber-Riel/Meyer-Hentschel, 1982, S. 127
20
Kroeber-Riel/Meyer-Hentschel, 1982, S. 127

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15
tigkeit informatorischen sozialen Einfluss ausüben können."
21
Diese Strategie zielt auf den
Realismus in der Werbung, wie dies beispielsweise in der ,,Dove"-Kampagne der Fall ist.
Der Einsatz von Bezugspersonen wird als universelle Technik eingesetzt, um in der Wer-
bung wichtige soziale Bedürfnisse anzusprechen. Die Werbestrategie soll an zwei Punkten
ansetzen:
Zunächst muss ein soziales Bedürfnis aktiviert und gegebenenfalls in seiner Bedeutung
verstärkt werden.
Dann muss verdeutlicht werden, dass dieses Bedürfnis durch das beworbene Produkt
(Marke) befriedigt werden kann.
22
Besonders dominant wird das soziale Bedürfnis in Anzeigen für Kosmetik- oder Gesund-
heitsprodukte aktiviert, wo es grundsätzlich darum geht, sein äußeres Erscheinungsbild zu
optimieren bzw. auch das innere Wohlbefinden zu steigern. An diesem Punkt hebt
Schmerl
23
hervor, dass die meisten Anzeigen, die an Frauen gerichtet sind, sich mit ,,Fi-
gurproblemen" befassen. Den Frauen wird suggeriert, dass sie ein Problem mit ihrer Figur
haben und dass sie es beseitigen müssen. Damit wird die Vorstellung gefestigt, nicht der
vorgegebenen Norm zu entsprechen und gleichzeitig wird vermittelt, dass diese Norm mit
Mühe und verschiedenen Produkten erreichbar ist.
In der Aktivierung der Empfänger sieht Kroeber-Riel eine notwendige Voraussetzung für
den Werbeerfolg, denn ,,Werbung, die nicht in einem bestimmten Ausmaß aktiviert, bleibt
wirkungslos".
24
Aktivierende Wirkung kann sowohl der Vergleich mit ,,normalen" Men-
schen (also jenen, die uns ähnlich sind) haben, als auch der Vergleich mit idealisierten
Menschen. Werden idealisierte Personen (erfolgreiche Geschäftsfrauen, Sportlerinnen,
Models, Schauspielerinnen oder Sängerinnen) in der Werbung dargestellt, wird von aspi-
ratorischen Bezugsgruppen
25
gesprochen. Diese sollen Menschen ansprechen, die genauso
21
Solomon/Bamossy/Askegaard, 2001, S. 318
22
Kroeber-Riel/Meyer-Hentschel, 1982, S. 129
23
vgl. Schmerl, 1992, S. 29
24
Kroeber-Riel, 1992, S 95 f.
25
vgl. Solomon/Bamossy/Askegaard, 2001, S. 319

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16
erfolgreich, hübsch, schlank sein wollen, wie die in der Werbung dargestellten Rollenmo-
delle. Mit Hilfe dieser Rollenmodelle ist laut Bergler
26
die Werbung bestrebt, ,,Spiegelbild
der Werte und Bedürfnisse einer Gesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt" zu sein.
Diese Auffassung steht im Widerspruch zu den Aussagen von Kroeber-Riel/Meyer-
Hentschel
27
, die anführen, dass Bezugspersonen nicht nur die Befriedigung von sozialen
Bedürfnissen fördern, sondern auch soziale Bedürfnisse auslösen und verstärken können.
Auch Schmerl spricht sich dezidiert gegen den Glaubenssatz ,,Werbung ist ein Spiegel der
Gesellschaft" aus: ,,Wenn Werbung überhaupt etwas spiegelt, dann die Hirninhalte ihrer
Macher. Zweitens sind die Frauen-Bilder in der Werbung keine Frauen, auch keine Spie-
gelbilder von Frauen, sondern Bilder."
28
Laut Schmerl gilt es klarzustellen, dass Bilder
einen speziellen, hochgradig künstlichen Ursprung haben und dass ein Bild nicht die Per-
son/die Sache selbst ist. Ein Bild ist demnach nie ,,Natur" oder gar ,,Realität". Als Beispiel
führt die Autorin das Werk von Magritte an, der unter sein Bild von einer Pfeife schrieb:
,,Ceci n'est pas une pipe"
29
.
In Anbetracht der unterschiedlichen sozialen Milieus innerhalb eines Landes und der Un-
terschiede im Entwicklungsstatus einzelner Länder (ganz besonders im Ländervergleich!),
kann hier nicht von einem ,,Spiegelbild der Werte und Bedürfnisse in der Werbung" nach
Bergler ausgegangen werden. Meines Erachtens kreiert Werbung auch bzw. erst Werte und
Bedürfnisse in der Gesellschaft, indem sie neue Vergleichsmaßstäbe ansetzt. Wird erkannt,
dass die eigenen Werte und Bedürfnisse noch höher angelegt werden können, gilt es, die-
ses Ideal auch zu erreichen. Die Werbung verstärkt diese Tendenz, indem sie suggeriert,
dass bestimmte Ideale zu Ansehen und Prestige führen und mit dem Konsum bestimmter
Produkte zusammenhängen bzw. durch den Konsum erreicht werden können.
26
vgl. Bergler et al., 1992, S. 19
27
vgl. Kroeber-Riel/Meyer-Hentschel, 1982, S. 129
28
Schmerl, 1992, S. 8
29
Ceci n'est pas une pipe = Das hier ist keine Pfeife (Übersetzung aus dem Französischen von der Verfasse-
rin). René François Magritte (1898-1967, belgischer Maler des Surrealismus), der selbst als Werbemaler tätig
war, kritisiert dadurch bereits die Werbeästhetik.

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Laut Schmerl wird ,,der Geschmack für das, was als schön gilt, durch Vorbilder, Anschau-
ung und Instruktion erworben."
30
Kroeber-Riel/Meyer-Hentschel führen in diesem Zu-
sammenhang als Beispiel das Konsumverhalten der Oberschicht an, das für die Mittel-
schicht oft der Bezugspunkt für die Einstellungen und Konsumwünsche ist. Diesen Aspekt
führt Kroeber-Riel als eine Funktion der Werbung anhand der Modelle zur sozialen Orien-
tierung weiter aus.
2.2.2
Modelle zur sozialen Orientierung
Die Unterteilung der Funktionen der Werbung aus Konsumentensicht nach Kroeber-Riel
31
entspricht großteils den Funktionen der Massenmedien, da der Ursprung der Werbung in
den Funktionen der Massenmedien begründet ist.
32
Neben Unterhaltung, emotionalen Konsumerlebnissen und Information definiert Kroeber-
Riel
33
als vierte Funktion der Werbung die Modelle zur sozialen Orientierung. Demnach
ahmen die Konsumenten im Kaufprozess die in der Werbung vermittelten Normen und
Verhaltensmuster unbewusst nach. Diese Nachahmung basiert auf dem Faktum, dass der
Entscheidungsprozess vom Konsumenten aufgrund der vordefinierten Normen als verein-
facht wahrgenommen wird. Mit dem Modell zur sozialen Orientierung wird die Tatsache
begründet, dass medial geprägte Normen vom Konsumenten eher gesucht als abgelehnt
werden.
30
Schmerl, 1992, S. 28
31
Kroeber-Riel nennt 4 Funktionen der Werbung für den Konsumenten:
1.) Unterhaltung
2.) Emotionale Konsumerlebnisse: Die emotional aufgeladenen und anregenden Werbemotive rufen
beim Konsumenten automatisch und unbewusst emotionale Erlebnisse hervor
3.) Information: Wenn der Konsument am Produkt interessiert ist, kommt es zur aktiven
Informationsaufnahme über die Produkteigenschaften, den Preis, die Beschaffenheit und die
Vorteile des Produkts
4.) Normen und Modelle für das (Konsum-)verhalten kennen lernen
32
vgl. Burkart, 2002, S. 387
33
vgl. Kroeber-Riel/Weinberger, 1999, S. 583 ff.

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Die beschriebenen Modelle zur sozialen Orientierung erklären das Muster der Identifikati-
on: Das Bestreben von Frauen bzw. der Menschen im Allgemeinen, sich mit anderen iden-
tifizieren zu wollen (,,Ich möchte auch so sein, wie die Frau in der Werbung"). Die Vor-
bildwirkung und der Wunsch, einem vorgegebenen Ideal zu entsprechen, führen zu einer
verstärkten Orientierung an medial geprägten Normen. Begünstigt wird die soziale Orien-
tierung durch spezielle Präsentationsformen
34
in der Werbung:
der Einsatz von Sympathieträgern,
die Ausübung von sozialem Druck, sowie
die Image-Generierung durch Lifestyle-Angebote
Die Funktion der sozialen Orientierung realisiert sich über den Werbekontext nach einer
,,Wenn-dann-Verknüpfung". Das bedeutet, dass der Konsument den in der Werbung vorge-
führten (Image-)Vorteil gewinnt, wenn er das Produkt konsumiert. Andererseits enthält
dieses Versprechen der sozialen Integration auch eine Drohung. So kann der Nicht-
Konsum des Produktes zum Imageverlust und zum Stigma der Mittelmäßigkeit führen.
Besonders anschaulich ist diese Wirkung des Imageverlusts bei Jugendlichen in Bezug-
nahme auf Markenkleidung. Innerhalb der Gruppe ist die soziale Orientierungsfunktion
von maßgeblicher Bedeutung für die Identifikation mit und die Stellung innerhalb der Be-
zugsgruppe.
35
34
vgl. Wilk, 2002, S. 113
35
vgl. ebd. S. 114 f.

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19
2.2.3
Ziel: Absatzsteigerung. Maßnahme: Wunschvorstellungen
schüren
Die Werbung reagiert auf das menschliche Bestreben sich mit anderen zu messen und zu
vergleichen, indem die Wünsche und Sehnsüchten der Konsumenten aufgegriffen und in
der Werbung gespiegelt werden. So setzen Werbetreibende Trends und geben dabei Ideale
vor, um letztendlich ein absatzwirtschaftliches Ziel zu verfolgen: die Produkte und Dienst-
leistungen zu verkaufen. Neben der reinen Absatzförderung werden auch außerökonomi-
sche (kommunikative) Werbeziele verfolgt (z.B. Bekanntmachung von neuen Produkten,
Information der Bedarfsträger, Steigerung des Bekanntheitsgrades von bereits eingeführten
Produkten, Beeinflussung der Konsumenteneinstellungen, Differenzierung von Konkur-
renzprodukten, Schaffung eines einzigartigen Produkt- bzw. Unternehmensimages, Gene-
rierung von produkt- und unternehmensbezogenen Präferenzen beim Konsumenten
36
). Mit
diesen kommunikativen Werbezielen wird ein übergeordnetes Ziel verfolgt, nämlich die
Erreichung der ökonomischen Werbeziele (Absatzförderung).
37
Aus diesem Grund werden
die kommunikativen Werbeziele als solches im Verlauf der vorliegenden Arbeit nachran-
gig behandelt.
Kotler
38
formuliert, dass Werbung eingesetzt wird, ,,um spezifische Informationen über die
Organisation, ihre Produkte und Dienstleistungen oder ihre Verhaltensweise gegenüber
einer definierten Zielgruppe zu übermitteln, mit dem Ziel, dort eine Reaktion auszulösen.
Die erstrebte Reaktion kann eine gewollte Meinungsäußerung sein [...]. Die erwünschte
Reaktion kann ebenso gut ein gewolltes Verhalten sein: Endverbraucher sollen bestimmte
Produkte kaufen oder ihren Verbrauch bei diesen Produkten erhöhen."
36
vgl. Nieschlag/Dichtl/Hörschgen, 2002, S. 1061
37
vgl. ebd. S. 1061
38
Kotler, 2003, S. 896

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Lechner/Egger/Schauer definieren das Ziel der Werbung einzig
,,in der Erhöhung der abzusetzenden Mengen."
39
Um dieses
Werbeziel zu erreichen, kommen jene Mechanismen zum Ein-
satz, die die Ansprüche des AIDA-Modells
40
erfüllen: ,,to captu-
re attention, to maintain interest, to create desire and to get ac-
tion"
41
heißt es in den Worten von Lewis. Das populäre Stufen-
modell der Werbewirkung aus dem Jahr 1898 findet seine Um-
setzung auch in der Werbung mit Frauen:
In jeder Gesellschaft gibt es bestimmte Idealvorstellungen, die als erstrebenswert angese-
hen werden. Durch die Abbildung solcher Ideale (meist in vereinfachter Klischee-Form),
gelingt es, die Zielgruppe anzusprechen. Die Illustrationen vom Idealbild der Frau wecken
die Aufmerksamkeit der Konsumentinnen, weil sie dieses Ideal für erstrebenswert halten
(Attention). Ist die Aufmerksamkeit hergestellt, und scheint das Produkt durch die Werbe-
botschaft für die Konsumentin interessant (Interest), löst dies in der Zielgruppe in weiterer
Folge die Sehnsucht aus, ebenso aussehen zu wollen wie das idealisierte Werbebild. Da
Spots und Anzeigen darauf ausgerichtet sind, den Frauen zu suggerieren, dass durch die
Verwendung des Produktes das abgebildete Ideal erreicht werden kann, löst dies in der
Zielgruppe den Wunsch aus, die Produkte besitzen zu wollen (Desire). Im günstigsten Fall
gelingt dem Werbetreibenden das, was mit der Werbeeinschaltung beabsichtigt wurde: der
Wunsch äußert sich in der Handlung der Rezipienten, die das Produkt letztendlich kaufen
(Action).
Durch die in der Werbung präsentierten Wunschbilder kann mit dem Kauf des Produktes
eine Kompensation des Wunsches erzielt oder zumindest eine Pseudo-Erfüllung erreicht
werden: ,,Weil ich dasselbe Produkt wie xy benutze, fühle ich mich ebenso hübsch, reich,
modern, cool usw."
39
Lechner/Egger/Schauer, 2001, S. 485
40
Lewis beschreibt die einzelnen Stufen der Werbewirkung im Idealfall wie folgt:
A ­ Attention (Aufmerksamkeit erregen), I ­ Interest (Interesse wecken), D ­ Desire (Wunsch auslösen: ,,Ich
möchte das Produkt auch besitzen"), A ­ Action (die Kaufhandlung).
41
Jacobi, 1972, S. 55
Abbildung 2: AIDA-Modell
nach Lewis
A
I
D
A
ttention
nterest
esire
ction

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2.2.4
Das Bedürfnis nach Prestige und Status
Als soziales Wesen strebt der Mensch nach Wertschätzung und Anerkennung innerhalb
seines Umfeldes. Der Verhaltensforscher Eibl-Eibesfeldt
42
hält das menschliche Streben
nach Rang und Status für ein angeborenes Bedürfnis und geht in dieser Hinsicht von einem
biologisch vorprogrammierten Menschen aus.
In der Werbung werden die Bedürfnisse nach Prestige und Status
43
umgesetzt, indem Pro-
dukte zum Statussymbol erhoben werden. Damit spricht die Werbeindustrie zwei Arten
von Konsumenten an:
Konsumenten, die bereits einen bestimmten sozialen Status innehaben, weil sie sich
angesprochen oder verpflichtet fühlen, das in der Werbung gezeigte und mit dem Sta-
tus verbundene Produkt zu besitzen, und
Konsumenten, die diesen vorgegebenen Status anstreben.
44
Den Prestigewert eines Produktes (u.a. gekennzeichnet durch einen hohen Preis, exklusi-
ven Verwenderkreis und vornehmes Image) lernt der Konsument durch Beobachtung sei-
ner Bezugsgruppe aber auch durch die Werbung kennen.
45
Die Beispiele aus der Vergan-
genheit und aktuelle Kampagnen beweisen, dass die folgenden Werbetechniken ihre Wir-
kung in der konsumbereiten Gesellschaft nicht verfehlen:
Aufladen von Produkten mit Prestige und Status
Schüren von Wunschvorstellungen bezüglich Status/Prestige/Schönheit
Präsentation von sozialen Modellen zur Orientierung.
Der Rückblick auf die Anfänge der Werbung dokumentiert, dass die weiblichen Attribute
in der Werbung schon immer als Lockmittel und Aufmerksamkeitsfaktor eingesetzt wur-
42
vgl. Eibl-Eibesfeldt, 1973, S. 101 f.
43
,,Prestige" wird im Duden mit ,,Ansehen/Geltung" gleichgesetzt. Als ,,Status" gilt laut Duden der Stand/die
Stellung in der Gesellschaft oder innerhalb einer Gruppe. vgl. Duden, 2002a, S. 803, S. 946
44
vgl. Rosenstiel, 1973, S. 263
45
vgl. Kroeber-Riel/Meyer-Hentschel, 1982, S. 148

Frauen in der Werbung | Werbewirkung
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den. Seit ewig lockt also das Weib. Und während der Fokus in Zeiten der Aristokratie vor-
rangig auf die Verkörperung von Luxus, Prestige und dem gesellschaftlichen Status gelegt
wurde, wird in den nachfolgenden Jahrzehnten vermehrt auf die Schönheit der Frauen ge-
setzt. Eine Trendwende ist nicht zuletzt durch die ,,Dove"-Kampagne eingeleitet worden,
die auf Realismus setzt und natürliche Frauen präsentiert. Nach wie vor regiert jedoch der
Idealismus das Werbebild. Die kontinuierliche Darstellung der vollkommenen, perfekten
Frau prägt das Schönheitsideal in der Gesellschaft. Die idealistische Präsentation von
Frauen in den Medien und der Werbung führt dazu, dass dieses Idealbild in den Köpfen der
Konsumenten verankert wird: ,,Das ist das Ideal, diesem möchte ich auch entsprechen".
Das anschließende Kapitel befasst sich mit der Definition von Schönheit sowie den damit
verbundenen Kriterien und Idealvorstellungen.

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23
2.3 Der Idealismus und das Faszinosum
Schönheitsideal
,,Schönheit ist ewig nur eine,
doch mannigfach wechselt das
Schöne. Daß es wechselt, das
macht eben das eine nur schön."
Friedrich von Schiller (1759-1805), dt.
Dichter; zit. n. Schiller, 1998, S. 425

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24
2.3.1
Heidi Klum und die starken Männer
In der Werbung dominierten lange zwei zentrale Geschlechterrollen:
Schöne Frauen und
starke Männer.
Während der ideale Mann in der Werbung stark, frei, draufgängerisch und unab-
hängig à la Marlboro-Man auftritt, setzen Werbefachleute bei Frauen auf die äu-
ßeren Reize. Die Zauberformel in der Werbung mit Frauen lässt sich in vielen
Fällen einzig und allein auf das Attribut Schönheit reduzieren.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage ,,Realismus vs. Idealismus ­
Wie sieht sich die Zielgruppe lieber?". Da der Begriff ,,Idealismus" in dieser Ar-
beit gleichgesetzt wird mit dem Streben nach dem derzeit gültigen Schönheitside-
al, gilt es zunächst, den Begriff ,,Schönheit" näher zu betrachten.
2.3.2
,,Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die schöns-
te im ganzen Land?"
46
Wer oder was ist schön?
In der Aufklärung sowie in der Klassik ging man von der Erziehbarkeit des Men-
schen zum Guten aus. Das erklärte Ziel war Humanität, die menschlichen Werte
standen über alle anderen Werte. In der wahren Menschlichkeit lag also das Gute,
das Wahre und auch das Schöne.
47
46
Paulsen, 2003, S. 229
47
vgl. Anger/Volkert, 1991, S. 831

Frauen in der Werbung | Faszinosum Schönheitsideal
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25
Nunmehr wird Schönheit weniger über die inneren Werte definiert, sondern pri-
mär über die optische Erscheinung. Eine allgemeine Definition für Schönheit per
se ist schwer festzulegen, da Schönheit von jedem Betrachter selbst definiert und
interpretiert wird. Das bedeutet mitunter, dass die subjektive
48
Definition von
Schönheit durchaus vom Standard abweichen kann.
,,Schön ist eigentlich alles, was man mit Liebe betrachtet."
49
Christian Morgenstern, deutscher Dichter (1871-1914)
,,Die Schönheit einer Frau besteht in dem Grad des Verlangens,
das sie bei einem Mann auslöst."
50
Italo Svevo, eigentl. Ettore Schmitz, italienischer Schriftsteller (1861-1928)
Ein viel genannter Aspekt im Zusammenhang mit Schönheit ist die Attraktivität.
Im Duden wird ,,attraktiv" mit ,,gut aussehend" gleichgesetzt. Weiters beschreibt
der Duden, dass attraktive Menschen aufgrund eines ansprechenden Äußeren eine
Anziehung auf andere ausüben.
51
Was für den einen das Maß an Attraktivität ist,
findet ein anderer möglicherweise nur durchschnittlich oder gar nicht attraktiv.
Existiert eine allumfassende Formel für Schönheit?
48
Eine subjektive Sichtweise impliziert laut Duden Voreingenommenheit, Befangenheit und Un-
sachlichkeit, da sie von persönlichen Gefühlen, Interessen und Vorurteilen bestimmt wird.
vgl.
Duden, 2002a, S. 957
49
Duden, 2002b, S. 846
50
http://de.wikiquote.org/wiki/Sch%C3%B6nheit
, Stand: 17.03.2006
51
vgl. Duden, 2002a, S. 102

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26
2.3.3
Auf der Suche nach der Schönheitsformel
Wissenschafter auf der ganzen Welt beschäftigen sich mit dem Faszinosum
Schönheit. Im Rahmen der Forschungstätigkeit wird versucht, eine Formel zu ent-
wickeln, die den Begriff ,,Schönheit" ein für alle mal und unmissverständlich
mathematisch definieren sollen.
2.3.3.1
Beauty Index (BI)
Der amerikanische Professor Steven M. Hoeffling entwickelte das aktuellste und
zugleich komplizierteste Rechenmodell für Schönheit. Der Schönheitschirurg aus
Los Angeles erarbeitete 1998 den so genannten Beauty Index (BI). Mittels um-
fangreicher Rechenoperationen aus über einem Dutzend Schönheitspunkten im
Gesicht errechnet der als ,,Doc Hollywood" berühmt gewordene Schönheitschi-
rurg wie schön das Gesicht ist. In mehreren Rechenschritten, in denen Winkel
(beispielsweise wie schräg die Augen stehen) und Kurven (von Wangen, Lippen
und Kinn) miteinbezogen werden, kommt der Professor dann auf einen Beauty
Index mit zwei Kommastellen. Nur Gesichter mit einem BI von 1,00 bis 1,30 gel-
ten nach Hoeffling als wirklich schön.
52
Abbildung 3: Kate Moss' Gesicht ist nach einer mathematischen Berechnung in der ,,Vogue" perfekt.
Quelle: Woman, Nr. 6 vom 17. März 2006, S. 35
52
vgl. Kneissler, 2001, S. 40-47

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27
2.3.3.2 Waist-to-Hip-Ratio
(WHR)
Wissenschafter auf der ganzen Welt fanden heraus, dass Männer solche Frauen
besonders schön finden, deren Körper kurvig wie eine Sanduhr ist: großer Busen,
schmale Taille, breite Hüften. Als internationale Maßeinheit für weibliche Schön-
heit hat sich die ,,Waist-to-Hip-Ratio" (WHR) durchgesetzt. Die Zauberformel für
Attraktivität basiert darauf, dass Taillenweite durch Hüftumfang dividiert wird.
Liegt das Ergebnis bei 0,7 oder darunter gilt die Person als schön. Errechnet man
die Waist-to-Hip-Ratio von dem in der Modebranche gängigen Idealmaß 90-60-
90, so ergibt dies eine WHR von 0,67 (60:90) und gilt damit als perfekt. Wissen-
schaftlich begründet wird das Ideal einer schmalen Taille und breiten Hüften wie
folgt: Männer deuten dies als Signal für ausreichend weibliche Hormone. Darin
sehen Wissenschafter nichts anderes als eine Werbebotschaft, die von den Frauen
ausgeht: ,,Mir geht's gut, ich bin fähig, Kinder zu bekommen, und ich werde eine
gute Mutter sein."
53
2.3.3.3
Body Mass Index (BMI)
Der vielfach verwendete Body Mass Index definiert Schönheit über das Verhältnis
von Körpergewicht zu Körpergröße. Nach dem Ernährungsbericht 1992 der DGE
(Deutsche Gesellschaft für Ernährung) errechnet sich der BMI wie folgt:
53
vgl. Kneissler, 2001, S. 40-47
BMI =
Körpergewicht in kg
(Körpergröße in m)²

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28
Der ,,wünschenswerte" BMI ist geschlechts- und altersabhängig (laut DGE, Er-
nährungsbericht 1992):
54
Tabelle 1 und
Tabelle 2
: Der ,,wünschenswerte" BMI ist nach DGE-Ernährungsbericht 1992 ge-
schlechts- und altersabhängig
Für die folgenden Rechenbeispiele wurden die Maße von Teilnehmerinnen der
Model-Castingshow ,,Germany's Next Topmodel" auf Pro7 gewählt.
Rechenbeispiel A:
Die Teilnehmerin Lena G. gewann die Wahl zu ,,Germany's Next Topmo-
del". Laut Steckbrief-Angaben auf
www.prosieben.de
bringt die 17-
Jährige bei einer Körpergröße von 1,78 m 55 kg auf die Waage (90-66-89:
Brust-, Taillen-, Hüftumfang).
55
Dies entspricht einem BMI von 17,36 [=55 : (1,78)²].
Laut DGE fällt ein BMI mit 17,36 bereits in die Kategorie ,,Unterge-
wicht".
54
Liebig/Universität Hohenheim, 08.03.2006, Verzeichnis-Nr. 1, Interaktives BMI (body mass
index),
http://www.uni-hohenheim.de/wwwin140/info/interaktives/bmi.htm
55
Englert/SevenOne Intermedia GmbH, 17.03.2006, Verzeichnis-Nr. 2, Steckbrief Lena G. ­ die
Bodenständige,
http://www.prosieben.de/lifestyle_magazine/topmodel/models/artikel/20961/
Alter
BMI
19 ­ 24 Jahre
19 ­ 24
25 ­ 34 Jahre
20 ­ 25
35 ­ 44 Jahre
21 ­ 26
45 ­ 54 Jahre
22 ­ 27
55 ­ 64 Jahre
23 ­ 28
über 64 Jahre
24 ­ 29
BMI nach Geschlecht
Klassifikation
m
w
Untergewicht <
20
<
19
Normalgewicht
20 ­ 25
19 ­ 24
Übergewicht
25 ­ 30
24 ­ 30
Adipositas (= Fettsucht)
30 ­ 40
30 ­ 40
massive Adipositas
> 40
> 40

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Rechenbeispiel B:
Die 19-jährige Irina, die ebenfalls auf einen Modelvertrag und auf den
Titel der gleichnamigen TV-Castingshow ,,Germany's Next Topmodel"
hoffte, wurde mit ihren 52 kg verteilt auf eine Körpergröße von 1,76 m
von einem Jurymitglied der Modelshow mit dem Urteil ,,Zu dick!" raus
gewählt (84-67-87: Brust-, Taillen-, Hüftumfang).
56
Dies entspricht einem BMI von 16,79 [=52 : (1,76)²].
Laut DGE fällt dieser BMI mit 16,79 deutlich in die Kategorie ,,Unter-
gewicht".
Laut europäischem Forschungsprojekt Essstörungen der Universität Wien wird
bei einem BMI unter 17,5 bereits die Diagnose Magersucht (Anorexia nervosa)
gestellt.
57
Obwohl die 19-jährige Castingshow-Teilnehmerin Irina deutlich unter-
gewichtig ist und bereits als magersüchtig eingestuft werden kann, entspricht sie
nicht den Idealmaßen der Modebranche. Haute-Couture-Schneider fordern von
den Models eine Mindestgröße von 1,78 m und die Maße 90-60-90, um die Klei-
der auf dem Laufsteg präsentieren zu können.
Hätte der BMI im Laufe der Jahrzehnte angepasst werden sollen oder haben sich
die Vorgaben für das ,,Schönheitsideal" so sehr gewandelt, dass Frauen, die die
angebliche Idealfigur besitzen, laut BMI als magersüchtig eingestuft werden?
56
Englert/SevenOne Intermedia GmbH, 17.03.2006, Verzeichnis-Nr. 3, Steckbrief Irina,
http://www.prosieben.de/lifestyle_magazine/topmodel/models/artikel/20945/
57
Universität Wien, 15.03.2006, Verzeichnis-Nr. 4, Essstörungen,
http://www.univie.ac.at/essstoerungen/content/essstoerungen.html

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2.3.4
Veränderung des Körpergewichts bei Models
Zahlen zur Veränderung des Körpergewichts bei Models liefert eine amerikani-
sche Studie. Die Studie zeigt, dass sich das Gewicht eines Models im Vergleich
zum Gewicht einer durchschnittlichen amerikanischen Frau innerhalb von 34 Jah-
ren deutlich verringerte. 1965 wog ein Model ca. 8 Prozent weniger als die durch-
schnittliche amerikanische Frau. Bis zum Jahr 1999 hat sich der Gewichtsunter-
schied zwischen Models und der durchschnittlichen amerikanischen Frau deutlich
verstärkt: nunmehr wiegen Models 23 Prozent weniger als die amerikanische
Durchschnittsfrau.
58
Dies impliziert entweder, dass Models im Laufe der Zeit
dünner wurden oder, dass die weibliche Bevölkerung Amerikas insgesamt an Ge-
wicht zugelegt hat.
Umgerechnet auf den BMI
59
beträgt der Gewichtsunterschied im Jahr 1965 zwi-
schen einem Model und einer Durchschnittsfrau 5,2 kg. 1999 beträgt der Ge-
wichtsunterschied immerhin 14,95 kg.
Der BMI (Body Mass Index) kann alleine wohl nicht als Maß betrachtet werden,
wenn es darum geht, jemanden als ,,schön" oder ,,nicht schön" zu klassifizieren.
Auch in Anbetracht der subjektiven Sichtweise, der die Schönheit unterworfen ist,
kann es keine allgemeingültige Formel für Schönheit geben. Wissenschaftliche
58
vgl. Posch, 1999, S. 48
59
Diese Angaben stützen sich auf folgende Hypothese: Bei einer Körpergröße von 1,75 m und
einem Gewicht von 65 kg beträgt der BMI 21,22 [65 : (1,75)²] und liegt damit laut DGE Ernäh-
rungsbericht 1992 im Bereich des Normalgewichts. Daraus errechnet sich das Gewicht von Mo-
dels, das 1965 um 8 Prozent unter dem der Durchschnittsfrau liegt. 1965 beträgt das Gewicht eines
Models somit 59,8 kg (entspricht einem BMI von 19,53 -> klassifiziert laut DGE als Normalge-
wicht). 1999 beträgt das Gewicht eines Models unter Berücksichtigung der 23 Prozent Differenz
50,05 kg (entspricht einem BMI von 16,34 -> klassifiziert laut DGE als Untergewicht). So gelangt
man zur Gewichtsdifferenz zwischen Models und Durchschnittsfrauen von 5,2 kg (im Jahr 1965)
bzw. 14,95 kg (im Jahr 1999).

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Berechnungen mit dem Ziel, das Phänomen Schönheit in eine Formel zu packen
und zu erklären, können ­ solange es Subjektivität gibt ­ lediglich als For-
schungsansätze betrachtet werden.
Neben der Suche nach der Schönheitsformel wurden zahlreiche Untersuchungen
durchgeführt, um herauszufinden, worauf es beim Thema Schönheit ankommt.
Die Ergebnisse sind vielschichtig, ergänzen sich aber immer wieder gegenseitig.
2.3.5
,,Schönheit ist..." sagt die Studie
Wissenschafter einer Universität in Schottland
60
führten einen Test durch, der
Auskunft darüber geben sollte, welche Personen auf das andere Geschlecht eine
hohe Anziehungskraft ausüben. Den Testpersonen wurden tausende im Computer
gespeicherte Gesichter gezeigt und deren Wirkung anhand mathematischer Ver-
fahren erklärt. In der schottischen Studie konnte festgestellt werden, dass vor al-
lem jene Personen als besonders attraktiv eingestuft wurden, die im Gesicht be-
stimmte Asymmetrien (=Ungleichmäßigkeiten) aufwiesen. Diese asymmetrischen
Gesichter erzielten in der Bewertung meist mehr Punkte als die von Visagisten
bearbeiteten Gesichter von Fotomodellen.
Amerikanische Forscher kamen zu dem Schluss, dass Schönheit von den inneren
Werten abhängig ist. Dabei mussten die Probanden eines Experiments sechs Wo-
chen in einem Camp miteinander verbringen. Zuvor wurden die Teilnehmer an-
gehalten, anhand eines Fotos eine Bewertung der anderen Teilnehmer vorzuneh-
men. Nach den sechs Wochen im Camp wurde die zweite Bewertung durchge-
führt. Fazit: die Ergebnisse unterschieden sich teilweise sehr deutlich, da ein lie-
benswertes Wesen oder sympathische Charaktereigenschaften einen positiven
Einfluss auf die Attraktivität haben.
61
60
vgl. Manola/ORF Online und Teletext GmbH, 22.01.2006, Verzeichnis-Nr. 5, Das Wissen um
die Schönheit,
http://oe1.orf.at/32215.html
61
vgl. ebd.

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Auch die ,,Dove Beauty-Studie"
62
kommt zu einem ähnlichen Ergebnis wie die
amerikanischen Kollegen: Für 80 Prozent der Befragten zählt der Charakter mehr
als die Traumfigur. Schöne Menschen besitzen demnach eine tolle Ausstrahlung,
finden 95 Prozent der befragten Frauen. Es kommt weniger auf die ,,richtigen"
Maße an als auf Natürlichkeit, Selbstbewusstsein und Lebensfreude. 94 Prozent
der Befragten finden sogar, dass Schönheit in unserer Gesellschaft überbewertet
wird.
63
Laut den Ergebnissen der ,,Dove Beauty Studie" (Basis: Forsa-omninet-
Umfrage vom Januar 2004) müsste unser heutiges Schönheitsideal dem Ideal im
alten Griechenland entsprechen, das körperliche und geistige Einheit als erstre-
benswertes Ideal festlegte. Zumindest scheint dies die implizite Forderung der 600
befragten deutschen Frauen und Männer zu sein. Nach einem Blick auf Frauen in
Werbespots, in Anzeigen oder Schmuckbildern, müsste die These zu weiblicher
Schönheit wie folgt formuliert sein:
2.3.6
Schönheit = Perfektion vom Haaransatz bis in die Ze-
henspitzen?
Sei es die Abbildung einer Frau in einem ,,Hofer"-Werbeprospekt, die Dame in
der Tageszeitung, die als ,,Aufputz" für einen Artikel über Fastenkuren dient, Fo-
tos von Modestrecken in Frauenmagazinen oder Anzeigen für Mobiltelefone: so
unterschiedlich die Beiträge auch sind, sie scheinen alle durch eine gemeinsame
Konstante verbunden zu sein: die Beiträge sind geschmückt mit Bildern von über-
durchschnittlich hübschen Frauen.
62
Befragt wurden 600 deutsche Frauen und Männer in einer Forsa-omninet-Umfrage im Januar
2004
63
vgl. Rehder/Unilever Deutschland, 16.11.2005, Verzeichnis-Nr. 6, Dove Beauty Studie,
http://www.initiativefuerwahreschoenheit.de/uploadedFiles/de/Dove_Beauty_Studie.pdf

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Abbildung 4: Abbildung in einem Arti-
kel über Fastenkuren, Kleine Zeitung, 4.
März 2006, Seite 41
Abbildung 5: Anzeige von Handyproduzent
,,LG"
Abbildung 6: Diskonter ,,Hofer" setzt ebenfalls auf den weiblichen Idealkörper

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Die in den Medien gezeigten Frauenbilder führen zu einer Liste
64
an optischen
Attributen, die das aktuelle weibliche Schönheitsideal beschreiben sollen:
Groß (ab 1,70 m, in der Modelbranche ab 1,78 m)
Jung (unter 30 Jahre)
Schlanke bis sportliche Figur
90-60-90 (Brust, Taille, Hüfte; gemäß dem Ideal der Modebranche)
Konfektionsgröße 36 und darunter
Langes, glänzendes Haar
Anliegende, kleine Ohren
Symmetrische Gesichtszüge
Gesunde und faltenlose Haut
Frischer, rosiger Teint
Große, ausdrucksvolle Augen
Lange Wimpern
Hohe Wangenknochen
Zierliche, schmale Nase
Volle Lippen
Gerade, strahlend weiße Zähne
Dezentes Kinn
Leicht muskulöse Arme
Zarte Hände
Gepflegte Nägel
Praller, hoch sitzender Busen
Schmale Taille
Straffer Bauch
Knackiger Po
Schlanke Oberschenkel und Fesseln
Wohlgeformte, lange Beine
Kleiner, zierlicher Fuß
Makellose, glatte, straffe und enthaarte Haut
Sympathische Ausstrahlung
64
Die in der Liste angeführten Attribute beruhen auf der Medienrezeption und Beobachtungen der
Autorin. Diese subjektiven Variablen dienten in der vorliegenden Arbeit auch zur näheren Be-
stimmung des Begriffs ,,Schönheitsideal".

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Die in der Werbung und den Medien abgebildeten Frauen verfügen größtenteils
über diese oben genannten optischen Eigenschaften. Dieser idealistischen Darstel-
lung von Frauen steht jedoch das realistische Bild der Durchschnittsfrau gegen-
über.
2.3.7
Realismus-Ruby als Alternative zur Idealismus-Barbie
Mit einer Kampagne versuchte ,,The Body Shop" in den 1990er Jahren auf diesen
Konflikt (Realismus vs. Idealismus) aufmerksam zu machen. So warb der Kon-
zern mit Ruby Evangelista Rubensiana, einer Puppe, die mit ihre Körperfülle ganz
und gar nicht dem Barbie-Ideal entsprach. ,,The Body Shop"-Begründerin Anita
Roddick wollte Ruby als Gegen-Ideal zur ,,Barbie"-Puppe positionieren und der
Frauenwelt ein realistischeres Bild zeigen. Auch wenn Ruby nicht dem propagier-
ten Ideal entspricht, so gleicht ihre Figur der von mehr als drei Milliarden Frauen
weltweit. Warum sollten sich mehr als drei Milliarden Frauen an den acht Frauen
orientieren, die so aussehen wie Supermodels? Die Botschaft der Galionsfigur
Ruby richtete sich an alle Frauen ­ unabhängig von Körperumfang oder Gewicht:
,,Be yourself. Know your mind. Love your body".
Abbildung 7: Ruby Evangelista Rubensiana
von ,,The Body Shop" als Sinnbild für weib-
liche Natürlichkeit und Selbstbewusstsein
Abbildung 8: Der Gegensatz zur Rea-
lismus-Ruby: die ,,Idealfigur" von Bar-
bie

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Dass ,,Barbie"-Produzent ,,Mattel" mit einer Klage drohte und die Werbeplakate
mit Ruby in Japan sogar verboten wurden, ist eine andere Geschichte...
65
Um die Polemik zum Thema Schönheit abzurunden, ist abschließend festzuhalten,
dass Schönheit keine Frage des Gewichts, des Alters und auch keine Frage der
Haarfarbe oder des Taillenumfanges ist. Schönheit ist subjektiv, facettenreich,
verbal schwer zu erfassen und dem ständigen Wandel unterworfen. Nicht nur die
Schönheitsideale der jeweiligen Epoche ­ angefangen bei der Venus von Willen-
dorf über Altertum, Mittelalter, Renaissance, Barock, Rokoko und Klassizismus
bis hinein ins 21. Jahrhundert ­ sondern auch die Ideale der letzten Jahrzehnte
illustrieren die Wandelfähigkeit des Schönheitsideals und demonstrieren die
Dehnbarkeit des Begriffs Schönheit. Schönheit ist abhängig von der Zeit, in der
wir leben, sie ,,hängt immer vom sozialen Kontext ab. Was zählt, ist nicht die Er-
scheinung, das Aussehen einer Person selbst, sondern wie es von der jeweiligen
Gesellschaft bewertet wird. Denn Schönheit ist Ansichtssache."
66
Schönheit ist vielleicht die Summe dessen, was einen Menschen für einen anderen
Menschen attraktiv wirken lässt. In der Werbung stellt sich aber nicht nur die Fra-
ge, WAS Schönheit ist, sondern WIE Schönheit wirkt.
65
vgl. Mühlen-Achs, 2003, S. 80
66
Posch, 1999, S. 14

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2.4 Wie wirkt Schönheit in der Werbung?
,,Das Schöne tut seine Wirkung
schon bei der bloßen Betrach-
tung, das Wahre will Studium."
Friedrich von Schiller (1759-1805), dt.
Dichter; zit. n. www.aphorismen.de

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783832497965
ISBN (Paperback)
9783838697963
DOI
10.3239/9783832497965
Dateigröße
21.5 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Fachhochschule St. Pölten – Medienmanagement
Erscheinungsdatum
2015 (Oktober)
Note
1,0
Schlagworte
identifikation schönheitsideal testimonial celebrity real-people
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