Sozialrechtliche Folgen von Aufhebungs- bzw. Abwicklungsverträgen
©2006
Diplomarbeit
110 Seiten
Zusammenfassung
Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
In der derzeitigen öffentlichen Debatte um die nötigen Reformen des Kündigungsschutzes wird von den Arbeitgebern konstatiert, das geltende Recht enthalte zu viele Regelungen, welche die Arbeitnehmer vor der einseitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Arbeitgeber schütze. Zahlreiche Arbeitnehmer genießen allgemeinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz, oder besonderen Kündigungsschutz, als gesteigert schutzbedürftige Arbeitnehmer.
Oftmals sehen sich Arbeitgeber aufgrund der gesetzlichen Regelungen daran gehindert, schnelle Personalanpassungen im verschärften internationalen Wettbewerb durchzuführen. Im Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes müssen Arbeitgeber oftmals eine Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer nach sozialen Gesichtspunkten durchführen. Möchte man sich jedoch von einem speziellen Mitarbeiter trennen, ist dies nicht ohne weiteres durch eine Kündigung möglich.
Arbeitgeber suchen daher nach Wegen, sich von Mitarbeitern zu trennen, ohne eine Kündigung auszusprechen, welche der Arbeitnehmer gerichtlich auf ihre Wirksamkeit überprüfen lassen könnte.
Dieses Ziel kann durch den einvernehmlichen Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit dem Arbeitnehmer realisiert werden. Hierbei müssen keinerlei kündigungsschutzrechtliche Bestimmungen eingehalten werden, insbesondere kann die Trennung sofort, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist, erfolgen.
Doch auch der Arbeitnehmer kann ein Interesse an einem Aufhebungsvertrag haben. Will er schnell einen Arbeitsplatzwechsel vollziehen, muss er die Kündigungsfrist nicht beachten und sich so keinen Schadensersatzforderung des Arbeitgebers aussetzen. Wird der Aufhebungsvertrag zur Vermeidung einer ansonsten auszusprechenden, arbeitgeberseitigen Kündigung geschlossen, kann er sich weiterhin als ungekündigt bezeichnen und vermeidet somit Nachteile bei der folgenden Arbeitssuche.
Die Auflösung des Arbeitsvertrages durch Aufhebungsvertrag kann jedoch auch erhebliche Nachteile mit sich bringen. Hat der Arbeitnehmer nicht sofort einen Anschlussarbeitsplatz, ist er auf die sofortige Zahlung von Arbeitslosengeld angewiesen. Dem kann jedoch das Eintreten einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe gem. § 144 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB III entgegenstehen. Auch kann das Arbeitslosengeld wegen der vereinbarten Abfindung gem. § 143 a SGB III oder wegen weitergehenden Entgeltansprüchen gem. § 143 SGB III ruhen. Meldet sich der Arbeitnehmer nicht rechtzeitig gem. § 37 b […]
In der derzeitigen öffentlichen Debatte um die nötigen Reformen des Kündigungsschutzes wird von den Arbeitgebern konstatiert, das geltende Recht enthalte zu viele Regelungen, welche die Arbeitnehmer vor der einseitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Arbeitgeber schütze. Zahlreiche Arbeitnehmer genießen allgemeinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz, oder besonderen Kündigungsschutz, als gesteigert schutzbedürftige Arbeitnehmer.
Oftmals sehen sich Arbeitgeber aufgrund der gesetzlichen Regelungen daran gehindert, schnelle Personalanpassungen im verschärften internationalen Wettbewerb durchzuführen. Im Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes müssen Arbeitgeber oftmals eine Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer nach sozialen Gesichtspunkten durchführen. Möchte man sich jedoch von einem speziellen Mitarbeiter trennen, ist dies nicht ohne weiteres durch eine Kündigung möglich.
Arbeitgeber suchen daher nach Wegen, sich von Mitarbeitern zu trennen, ohne eine Kündigung auszusprechen, welche der Arbeitnehmer gerichtlich auf ihre Wirksamkeit überprüfen lassen könnte.
Dieses Ziel kann durch den einvernehmlichen Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit dem Arbeitnehmer realisiert werden. Hierbei müssen keinerlei kündigungsschutzrechtliche Bestimmungen eingehalten werden, insbesondere kann die Trennung sofort, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist, erfolgen.
Doch auch der Arbeitnehmer kann ein Interesse an einem Aufhebungsvertrag haben. Will er schnell einen Arbeitsplatzwechsel vollziehen, muss er die Kündigungsfrist nicht beachten und sich so keinen Schadensersatzforderung des Arbeitgebers aussetzen. Wird der Aufhebungsvertrag zur Vermeidung einer ansonsten auszusprechenden, arbeitgeberseitigen Kündigung geschlossen, kann er sich weiterhin als ungekündigt bezeichnen und vermeidet somit Nachteile bei der folgenden Arbeitssuche.
Die Auflösung des Arbeitsvertrages durch Aufhebungsvertrag kann jedoch auch erhebliche Nachteile mit sich bringen. Hat der Arbeitnehmer nicht sofort einen Anschlussarbeitsplatz, ist er auf die sofortige Zahlung von Arbeitslosengeld angewiesen. Dem kann jedoch das Eintreten einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe gem. § 144 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB III entgegenstehen. Auch kann das Arbeitslosengeld wegen der vereinbarten Abfindung gem. § 143 a SGB III oder wegen weitergehenden Entgeltansprüchen gem. § 143 SGB III ruhen. Meldet sich der Arbeitnehmer nicht rechtzeitig gem. § 37 b […]
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Fabian Probst
Sozialrechtliche Folgen von Aufhebungs- bzw. Abwicklungsverträgen
ISBN-10: 3-8324-9793-5
ISBN-13: 978-3-8324-9793-4
Druck Diplomica® GmbH, Hamburg, 2006
Zugl. Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, Mannheim, Deutschland,
Diplomarbeit, 2006
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Printed in Germany
1
Abstract
Ein Arbeitsverhältnis kann auf verschiedene Arten beendet werden. Erfolgt
die Beendigung einseitig durch Kündigung des Arbeitgebers, gelten eine
Vielzahl von gesetzlichen Bestimmungen, welche die Kündigung erschwe-
ren. Von den Arbeitsvertragsparteien wird deshalb häufig eine einver-
nehmliche Lösung angestrebt. Durch den Abschluss von Aufhebungs- und
Abwicklungsverträgen kann schnell Rechtsklarheit und Rechtssicherheit
geschaffen werden.
Jedoch können diese vertraglichen Beendigungsinstitute weit reichende
sozialrechtliche Konsequenzen haben. Insbesondere in der Arbeitslosen-
versicherung können diese zu unterschiedlich nachteiligen Folgen für den
Arbeitnehmer führen.
Das vorliegende Werk erläutert die wesentlichen gesetzlichen Bestim-
mungen und deren für den Arbeitnehmer nachteiligen Rechtsfolgen. An-
hand von Fallbeispielen werden die Problempunkte aufgezeigt und gleich-
zeitig Lösungsmöglichkeiten angeboten.
2
INHALTSVERZEICHNIS
Seite
Abstract... 1
Inhaltsverzeichnis ... 2
Vorwort... 5
Abkürzungsverzeichnis ... 6
Abbildungsverzeichnis ... 8
Tabellenverzeichnis ... 9
1
Einleitung ... 10
2
Arbeitsrechtliche Grundlagen... 13
2.1
Begründung von Arbeitsverhältnissen ... 14
2.1.1 Arbeitsvertrag ... 15
2.1.2 Faktisches Arbeitsverhältnis... 15
2.1.3 Gesetzliche Begründung, einseitige Erklärung... 16
2.2
Beendigung von Arbeitsverhältnissen ... 17
2.2.1 Anfechtung ... 18
2.2.1.1
Anfechtungsgründe ... 18
2.2.1.2
Wirkung der Anfechtung... 19
2.2.2 Befristung und Bedingung ... 20
2.2.2.1
Ablauf der Befristung... 20
2.2.2.2
Auflösende Bedingung ... 21
2.2.2.3
Erreichen der Altersgrenze ... 21
2.2.3 Abänderung in ein Altersteilzeitverhältnis... 22
2.2.4 Gerichtliche Auflösung ... 24
2.2.5 Tod des Arbeitnehmers ... 25
2.2.6 Kündigung ... 25
2.2.6.1
Begriff und Form... 26
2.2.6.2
Ordentliche Kündigung... 26
2.2.6.3
Außerordentliche Kündigung... 28
2.2.6.4
Kündigungsschutz ... 29
2.2.6.5
Geltendmachung des Kündigungsschutzes... 33
2.2.7 Gesetzlicher Abfindungsanspruch gem. § 1 a KSchG... 34
2.2.7.1
Inhalt und Zweck ... 34
2.2.7.2
Rechtsnatur ... 35
3
2.2.7.3
Entstehen und Höhe der Abfindung ... 36
2.2.8 Aufhebungsvertrag ... 36
2.2.8.1
Allgemeines... 36
2.2.8.2
Begriff ... 37
2.2.8.3
Rechtsnatur ... 38
2.2.8.4
Form ... 38
2.2.8.5
Formulierungsbeispiele ... 39
2.2.8.6
Interessenslagen ... 40
2.2.8.7
Hinweispflichten des Arbeitgebers ... 41
2.2.9 Abwicklungsvertrag ... 41
2.2.9.1
Begriff und Entstehungsgeschichte... 41
2.2.9.2
Zustandekommen und Formen ... 43
2.2.9.3
Formulierungsbeispiele ... 44
2.2.9.4
Rechtsnatur ... 45
2.2.9.5
Wirkungen des Klageverzichtsvertrages... 46
2.3
Fazit ... 46
3
Sozialrechtliche Folgen ... 48
3.1
Einführung ... 48
3.1.1 Allgemeines... 48
3.1.2 Das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis... 49
3.2
Frühzeitige Meldung gem. § 37 b SGB III ... 51
3.2.1 Überblick ... 51
3.2.2 Regelungsinhalt... 52
3.2.2.1
Meldung... 52
3.2.2.2
Kenntnis zur Meldung... 52
3.2.3 Rechtsfolgen ... 53
3.2.3.1
Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung ... 53
3.2.3.2
Minderung der Anspruchsdauer... 54
3.2.3.3
Erlöschen des Anspruches ... 54
3.2.4 Auswirkungen bei Aufhebungsverträgen... 54
3.2.5 Auswirkungen bei Abwicklungsverträgen ... 55
3.2.6 Mitwirkungspflichten und Schadensersatz des Arbeitgebers ... 56
3.2.7 Fazit ... 57
3.3
Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe... 57
3.3.1 Einführung ... 58
3.3.2 Begriff und Regelungszweck ... 58
3.3.3 Regelungsinhalt... 59
3.3.3.1
Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses durch ,,Lösen" ... 59
3.3.3.2
Kausalität... 61
3.3.3.3
Verschulden ... 62
3.3.3.4
wichtiger Grund ... 63
3.3.4 Aufhebungsvertrag ... 65
4
3.3.4.1
Lösen... 65
3.3.4.2
Verschulden und Kausalität ... 66
3.3.4.3
wichtiger Grund ... 66
3.3.4.4
Fazit... 69
3.3.5 Abwicklungsvertrag ... 70
3.3.5.1
Lösen durch Abwicklungsvertrag ... 70
3.3.5.2
Ermittlungen von Amts wegen und Beweislast ... 73
3.3.5.3
Verhältnis zur Abwicklung nach § 1 a KSchG... 74
3.3.5.4
Fazit... 75
3.3.6 Eintritt, Beginn und Dauer der Sperrzeit... 76
3.3.7 Rechtsfolgen ... 78
3.3.7.1
Ruhen des Anspruches auf Arbeitslosengeld bei Sperrzeit... 78
3.3.7.2
Minderung der Anspruchsdauer... 79
3.3.7.3
Erlöschen des Anspruches ... 81
3.3.8 Auswirkungen auf andere Teile der Sozialversicherung... 82
3.3.8.1
Kranken- und Pflegeversicherung... 82
3.3.8.2
Rentenversicherung ... 83
3.3.9 Zusammenfassung... 83
3.4
Ruhen des Arbeitslosengeldes bei Erhalt von Arbeitsentgelt
und Urlaubsabgeltung gem. § 143 SGB III ... 84
3.4.1 Regelungsinhalt... 84
3.4.2 Rechtsfolgen ... 85
3.4.3 Auswirkungen auf Aufhebungs- und Abwicklungsverträge... 86
3.5
Ruhen des Arbeitslosengeldes bei Entlassungsentschädi-
gung gem. § 143 a SGB III... 87
3.5.1 Regelungsinhalt... 87
3.5.2 Rechtsfolgen ... 89
3.5.3 Auswirkungen auf Aufhebungs- und Abwicklungsverträge... 90
3.6
Auswirkungen auf den Bezug von Arbeitslosengeld II ... 91
3.6.1 Absenkung des Arbeitslosengeldes II gem. § 31 Abs. 4
Nr. 3 a SGB II ... 92
3.6.2 Ersatzanspruch gem. § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II... 93
4
Schlussbetrachtung und Ausblick ... 95
Literaturverzeichnis ... 97
Anhang ... 106
Erklärung... 107
5
VORWORT
Diese Arbeit wurde vom Fachbereich Arbeitsverwaltung der Fachhoch-
schule des Bundes für öffentliche Verwaltung als Diplomarbeit angenom-
men. Das Manuskript wurde im März 2006 abgeschlossen. Hinsichtlich
Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur befindet sich die vorliegen-
de Arbeit auf diesem Stand. Spätere Änderungen konnten nicht mehr be-
rücksichtigt werden.
Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Hans-Dieter Braun und Herrn
VOAR Lothar Rieder für ihre freundliche Unterstützung und die fruchtba-
ren Anregungen.
Die in dieser Arbeit verwendeten Bezeichnungen sind jeweils ge-
schlechtsneutral zu verstehen. Aus sprachlichen Gründen, insbesondere
zur besseren Lesbarkeit, wurde auf die gleichzeitige Formulierung in femi-
niner und maskuliner Form verzichtet.
Schwäbisch Gmünd, im April 2006
Fabian Probst
6
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
AGB Allgemeine
Geschäftsbedingungen
AuB
Arbeit und Beruf
AÜG Arbeitnehmerüberlassungsgesetz
ArbRB Der
Arbeitsrechtsberater
ArbSchG Arbeitsschutzgesetz
ATG Altersteilzeitgesetz
BA
Bundesagentur für Arbeit
BAG Bundesarbeitsgericht
BB Betriebs-Berater
BBiG Berufsbildungsgesetz
BErzGG Bundeserziehungsgeldgesetz
BetrVG Betriebsverfassungsgesetz
BPersVG Bundespersonalvertretungsgesetz
BSHG Bundessozialhilfegesetz
BSG Bundessozialgericht
BUrlG Bundesurlaubsgesetz
BVG Bundesverfassungsgericht
DA Dienstanweisung
der
Bundesagentur für Arbeit
DB Der
Betrieb
ders. derselbe
DStrR Deutsches
Steuerrecht
ebd. ebenda
ErfK
Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht
EzA
Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht
FraktE Fraktionsentwurf
GG Grundgesetz
GmbH
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
HGB Handelsgesetzbuch
InsO Insolvenzordnung
i.S. im
Sinne
7
i.V.m
in Verbindung mit
MittAB
Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
MüKo BGB
Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch
MünchArbR
Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht
NJW
Neue Juristische Wochenschrift
NJW Spezial Neue Juristische Wochenschrift Spezial
NZA
Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht
NZS
Neue Zeitschrift für Sozialrecht
RdA
Recht der Arbeit
REGAM
Regulierung des Arbeitsmarktes, Projekt des WSI
SozR
Sozialrecht, Entscheidungssammlung, bearbeitet von der
Richtern des BSG
WSI
Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Forschungsinsti-
tut in der Hans-Böckler-Stiftung
ZIP
Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
8
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abbildung 1: Beendigungsgründe des Arbeitsverhältnisses ... 17
Abbildung 2: Erwerbsstatus vor Beginn der Altersrente... 22
Abbildung 3: Anteil der Kündigungen an allen Beendigungsarten ... 25
Abbildung 4: Verbreitung von Aufhebungsverträgen in Unternehmen ... 37
Abbildung 5: Abwicklungsvertrag und Aufhebungsvertrag... 43
9
TABELLENVERZEICHNIS
Tabelle 1: Gesetzliche Kündigungsfristen gem. § 622 Abs. 2 BGB ... 27
Tabelle 2: Minderung der Anspruchsdauer gem. § 128 Abs. 1
Nr. 4 SGB III ... 80
Tabelle 3: Zu berücksichtigender Anteil der Abfindung i.S.d.
§ 143 a SGB III ... 88
10
1 Einleitung
In der derzeitigen öffentlichen Debatte um die nötigen Reformen des Kün-
digungsschutzes wird von den Arbeitgebern konstatiert, das geltende
Recht enthalte zu viele Regelungen, welche die Arbeitnehmer vor der ein-
seitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Arbeitgeber schütze.
Zahlreiche Arbeitnehmer genießen allgemeinen Kündigungsschutz nach
dem Kündigungsschutzgesetz, oder besonderen Kündigungsschutz, als
gesteigert schutzbedürftige Arbeitnehmer.
Oftmals sehen sich Arbeitgeber aufgrund der gesetzlichen Regelungen
daran gehindert, schnelle Personalanpassungen im verschärften internati-
onalen Wettbewerb durchzuführen. Im Geltungsbereich des Kündigungs-
schutzgesetzes müssen Arbeitgeber oftmals eine Auswahl der zu kündi-
genden Arbeitnehmer nach sozialen Gesichtspunkten durchführen. Möch-
te man sich jedoch von einem speziellen Mitarbeiter trennen, ist dies nicht
ohne weiteres durch eine Kündigung möglich.
Arbeitgeber suchen daher nach Wegen, sich von Mitarbeitern zu trennen,
ohne eine Kündigung auszusprechen, welche der Arbeitnehmer gerichtlich
auf ihre Wirksamkeit überprüfen lassen könnte.
Dieses Ziel kann durch den einvernehmlichen Abschluss eines Aufhe-
bungsvertrages mit dem Arbeitnehmer realisiert werden. Hierbei müssen
keinerlei kündigungsschutzrechtliche Bestimmungen eingehalten werden,
insbesondere kann die Trennung sofort, ohne Einhaltung einer Kündi-
gungsfrist, erfolgen.
Doch auch der Arbeitnehmer kann ein Interesse an einem Aufhebungsver-
trag haben. Will er schnell einen Arbeitsplatzwechsel vollziehen, muss er
die Kündigungsfrist nicht beachten und sich so keinen Schadensersatzfor-
derung des Arbeitgebers aussetzen. Wird der Aufhebungsvertrag zur
Vermeidung einer ansonsten auszusprechenden, arbeitgeberseitigen Kün-
digung geschlossen, kann er sich weiterhin als ungekündigt bezeichnen
und vermeidet somit Nachteile bei der folgenden Arbeitssuche.
Die Auflösung des Arbeitsvertrages durch Aufhebungsvertrag kann jedoch
auch erhebliche Nachteile mit sich bringen. Hat der Arbeitnehmer nicht
sofort einen Anschlussarbeitsplatz, ist er auf die sofortige Zahlung von
Arbeitslosengeld angewiesen. Dem kann jedoch das Eintreten einer
Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe gem. § 144 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB III ent-
gegenstehen. Auch kann das Arbeitslosengeld wegen der vereinbarten
Abfindung gem. § 143 a SGB III oder wegen weitergehenden Entgeltan-
sprüchen gem. § 143 SGB III ruhen. Meldet sich der Arbeitnehmer nicht
rechtzeitig gem. § 37 b SGB III nach den Vertragsverhandlungen bei der
Agentur für Arbeit arbeitsuchend, droht ihm eine einwöchige Sperrzeit.
11
Um diese negativen sozialrechtlichen Folgen von Aufhebungsverträgen zu
vermeiden, wurde das Konstrukt des Abwicklungsvertrages geschaffen. Er
bietet genauso wie der Aufhebungsvertrag Rechtssicherheit und Rechts-
frieden. Weil der Beendigungstatbestand hier jedoch nicht die einver-
nehmliche Beendigung ist, sondern eine arbeitgeberseitige Kündigung,
welche der Arbeitnehmer gegen eine Abfindungszahlung lediglich vertrag-
lich hinnimmt, erhofft man sich keine ,,Sanktionen" in der Arbeitslosenver-
sicherung durch die BA.
Dieser schon länger bekannten Vertragsgestaltung ist in jüngster Zeit der
§ 1 a KSchG hinzugetreten. Diese ,,Option" hat Gemeinsamkeiten mit dem
Abwicklungsvertrag. Kündigt ein Arbeitgeber aus dringenden betrieblichen
Gründen und erhebt der Arbeitnehmer daraufhin nicht innerhalb der 3-
Wochen-Frist nach § 4 S. 1 KSchG Kündigungsschutzklage, hat der Ar-
beitnehmer mit dem Ablauf der Kündigungsfrist einen Anspruch auf eine
Abfindung.
Bislang konnten auch Arbeitgeber finanzielle Nachteile durch den Ab-
schluss von Aufhebungs- und Abwicklungsverträgen erleiden. Vor allem
wenn diese mit älteren Arbeitnehmern geschlossen wurden, musste häufig
das von der BA gezahlte Arbeitslosengeld und die geleisteten Sozialversi-
cherungsbeiträge gem. § 147 a SGB III erstattet werden. Bei einer An-
spruchsdauer von bis zu 32 Monaten waren dies nicht unerhebliche Kos-
ten.
Diese Erstattungspflicht fällt jedoch ab dem 01.02.2006 weg. Ab dann
können ältere Arbeitnehmer Arbeitslosengeld nur noch für die Dauer von
bis zu 18 Monaten beanspruchen. Damit entfalle nach der Ansicht des
Gesetzgebers die ursprünglich der Erstattungspflicht zu Grunde liegende
Begründung. Für Arbeitgeber besteht gem. § 434 l Abs. 4 SGB III ab dann
keine Erstattungspflicht mehr, sodass hierauf in der vorliegenden Arbeit
nicht mehr eingegangen wird.
Die nachfolgende Darstellung soll einen Überblick und Hilfestellung für die
Beantwortung von Fragen im Zusammenhang mit der einvernehmlichen
Beendigung von Arbeitsverhältnissen geben. Ohne Rechtsprechungs-
sammlung oder eine kompakte Aufarbeitung der herrschenden Meinung
zu sein, sollen die sozialrechtlichen Folgen aufgezeigt werden, die mit
dem Abschluss von Aufhebungs- bzw. Abwicklungsverträgen verbunden
sein können.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Beantwortung der Frage, welche sozial-
rechtlichen Folgen der Abschluss von Aufhebungs- bzw. Abwicklungsver-
trägen haben kann. Zu diesem Zweck werden die beiden Rechtsinstitute
zunächst erläutert, um im Anschluss daran die Vor- und Nachteile dieser
arbeitsrechtlichen Verträge miteinander zu vergleichen. Dabei liegt der
Schwerpunkt auf den Konsequenzen in der Arbeitslosenversicherung
nach dem SGB III.
12
Die Arbeit ist thematisch in zwei Teile gegliedert. Zuerst werden die
Grundlagen des Arbeitsrechts erläutert. Der Autor zeigt die Möglichkeiten
auf, wie Arbeitsverhältnisse überhaupt begründet werden können und
welche Arten der Beendigung in Frage kommen. Neben der Kündigung
und den Grundlagen des Kündigungsschutzes werden die Rechtsinstitute
des Aufhebungs- und des Abwicklungsvertrages ausführlich vorgestellt
und erläutert. Diese Ausführungen vermitteln notwendiges, basales
Grundwissen, um die Diskussion im zweiten Teil um die sozialrechtlichen
Folgen verstehen zu können.
Im zweiten Teil werden die Vor- und Nachteile und damit die sozialrechtli-
chen Konsequenzen der beiden Rechtsinstitute dargestellt, miteinander
verglichen und abgewogen. Dem Leser werden die einschlägigen Rege-
lungen des Arbeitsförderungsrechts anhand von typischen Fallbeispielen
nahe gebracht.
13
2 Arbeitsrechtliche Grundlagen
Bevor man sich mit Arbeitsverhältnissen und den sozialrechtlichen Folgen
nach deren Beendigung durch verschiedene Rechtsinstitute auseinander-
setzt, sollte zunächst geklärt werden, auf welchen Rechtsgebieten man
sich hierbei bewegt, nämlich dem Arbeitsrecht und dem Sozialrecht.
Es gibt in der Literatur keine einheitliche Definition des Arbeitsrechts.
Stellvertretend für die Vielzahl der Begriffsbestimmungen soll hier die
Summe der Rechtsnormen, welche sich auf die in abhängiger, weisungs-
gebundener Tätigkeit geleistete Arbeit beziehen, das Arbeitsrecht sein.
1
Das Arbeitsrecht gilt für Arbeitsverhältnisse und deren Vertragsparteien,
die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer. Auch für diese beiden letztgenann-
ten zentralen Begriffe des Arbeitsrechts gibt es keine einheitlichen Defini-
tionen.
Der Begriff des Arbeitnehmers ist bislang in der deutschen Gesetzgebung
nicht legal definiert worden. Aus diesem Grund gab und gibt es in der
rechtswissenschaftlichen Literatur eine Vielzahl von Begriffsbestimmun-
gen und Erläuterungen zu der Arbeitnehmereigenschaft. Die klassische
Definition des Arbeitnehmerbegriffes stammt jedoch von Alfred Hueck.
Nach dieser sind alle Personen Arbeitnehmer, welche aufgrund eines
privatrechtlichen Vertrages oder eines ihm gleichgestellten Rechtsverhält-
nisses im Dienst eines anderen zur Arbeit verpflichtet sind.
2
Diese typologisierende Definition
3
beruht auf den Teilelementen
- Vertrag
- privatrechtlich
- Dienstvertrag
- ,,Arbeit" als Vertragsgegenstand und
- abhängige Arbeit
und ist von der Rechtsprechung übernommen worden. Sie bildet die
Grundlage für eine seit vielen Jahren ständige Rechtsprechung.
Zur Definition des Arbeitgebers wird vielfach die Legaldefinition des § 2
Abs. 3 ArbSchG herangezogen, wonach Arbeitgeber derjenige ist, wel-
cher mindestens einen Arbeitnehmer beschäftigt. Der Arbeitgeberbegriff
ist also das Korrelat des Arbeitnehmerbegriffs
4
. Er erfährt diese Definition
aufgrund seiner Rolle als Vertragspartei des Arbeitnehmers.
5
Auf die
Rechtsform des Arbeitgebers kommt es hierbei nicht an, so dass sowohl
natürliche als auch juristische Personen Arbeitgeber sein können. Die
1
Brox, S.2
2
Arbeitsrecht/Kittner, § 5 Rn. 6
3
ebd., § 5 Rn. 23
4
vgl. Kündigungsschutzrecht/Kittner, Rn. 54
5
Arbeitsrecht/Kittner, § 6 Rn. 1
14
Grundlage des Arbeitsverhältnisses muss jedoch ein privatrechtlicher Ver-
trag sein, so dass zum Beispiel eine Behörde, als juristische Person des
öffentlichen Rechts, kein Arbeitgeber i.S. des Arbeitsrechts ist, sofern sie
Beamte beschäftigt.
Wenn hier im Folgenden die sozialrechtlichen Folgen der arbeitsrechtli-
chen Aufhebungs- und Abwicklungsverträge erörtert werden, so wirken
sich diese im Recht der Sozialversicherung, nämlich in der Krankenversi-
cherung, Pflegeversicherung, Rentenversicherung und in der Arbeitslo-
senversicherung aus.
Da sich die weitreichendsten Auswirkungen dieser Verträge hauptsächlich
auf das im SGB III normierte, materielle Arbeitsförderungsrecht erstre-
cken, stehen diese im Fokus dieser Arbeit.
2.1 Begründung von Arbeitsverhältnissen
Ein Arbeitsverhältnis ist das auf einem Arbeitsvertrag beruhende
Rechtsverhältnis zwischen den Vertragsparteien Arbeitnehmer und Ar-
beitgeber.
Der Arbeitsvertrag ist nach herrschender Meinung ein privatrechtlicher,
schuldrechtlicher, gegenseitiger Austauschvertrag, durch den sich der Ar-
beitnehmer zur Leistung abhängiger Arbeit und der Arbeitgeber zur Zah-
lung einer Arbeitsvergütung verpflichtet.
6
Ihm liegt der Grundtypus des Dienstvertrages gem. § 611 BGB zugrunde.
Das Dienstvertragsrecht des BGB (§§ 611 ff. BGB) gilt sowohl für den
,,freien Dienstvertrag" als auch für den Arbeitsvertrag.
7
Von dem Dienstvertrag unterscheiden sich der Werkvertrag gem. §§ 631
ff. BGB und der Auftrag:
- Bei einem Werkvertrag wird ein bestimmter rechtlicher Erfolg ge-
gen Entgelt geschuldet, z.B. ein Hausbau oder ein Haarschnitt und
keine Dienste.
- Der Auftrag ist kein Dienstvertrag da er unentgeltlich erledigt wird.
Der Arbeitsvertrag ist also ein Unterfall des Dienstvertrages. Das ergibt
sich nicht nur aus §§ 621 ff. BGB, sondern vor allem aus logischen Erwä-
gungen. Typischerweise sind Arbeitsverträge entgeltliche Verträge, so
dass bereits der Auftrag ausscheidet. Bei einem Werkvertrag wird, wie
oben beschrieben, ein rechtlicher Erfolg geschuldet. Wer aber nach Wei-
6
Schaub, S.23
7
Hromadka, § 1 Rn. 5
15
sungen eines anderen arbeitet kann keinen Erfolg garantieren. Deshalb
bleibt nur der Dienstvertrag als Grundtypus des Arbeitsvertrages übrig.
8
Zur Unterscheidung zwischen dem Dienstvertrag und dem Unterfall Ar-
beitsvertrag dient die Weisungsgebundenheit: Im Arbeitsvertrag räumt der
Arbeitnehmer dem Arbeitgeber das Recht ein, die Leistungspflicht nach
seinen Bedürfnissen zu konkretisieren, die Dienste also weisungsgebun-
den auszuüben.
9
Der Leistungsverpflichtete bei einem ,,freien Dienstver-
trag" ist nicht an Weisungen des Auftraggebers gebunden. So wäre es
z.B. undenkbar, dass ein Patient seinem Zahnarzt im ,,Behandlungsver-
trag" Weisungen erteilt, mit welchen Geräten und Methoden dieser eine
Zahnfüllung vorzunehmen hat.
Arbeitsverhältnisse können grundsätzlich auf drei verschiedenen Arten
zustande kommen:
2.1.1 Arbeitsvertrag
Üblicherweise werden sie durch den Abschluss von Arbeitsverträgen be-
gründet.
Der Arbeitsvertrag kommt wie jeder andere schuldrechtliche Vertrag durch
Angebot und Annahme zweier in Bezug aufeinander abgegebenen Wil-
lenserklärungen zustande (vgl. § 151 S.1 1. HS BGB).
10
Es finden die Regeln des Allgemeinen Teils des BGB Anwendung.
11
Das bedeutet dass auch Arbeitsverträge von Anfang an nichtig sein kön-
nen, wenn diese gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) verstoßen,
sittenwidrig oder Wuchergeschäfte gem. § 138 Abs. 1, Abs. 2 BGB sind
oder von einem Minderjährigen mit mangelnder oder beschränkter Ge-
schäftsfähigkeit eingegangen wurden.
Erfolgreich angefochtene Arbeitsverträge führen ebenfalls zu der Nichtig-
keit des Arbeitsvertrages von Anfang an (ex tunc).
2.1.2 Faktisches Arbeitsverhältnis
Wenn man nun das Bereicherungsrecht des BGB zur Rückabwicklung
bereits ausgetauschter Leistungen heranzöge, würden Unbilligkeiten auf-
treten: Die Herausgabe der bereits erbrachten Leistung (Arbeit) wäre nicht
mehr möglich.
Aus diesem Grund ist die Lehre vom ,,faktischen Arbeitsverhältnis" entwi-
ckelt worden. Sie besagt, dass auch ein nichtiger Arbeitsvertrag, der durch
die tatsächliche Arbeitsaufnahme in Vollzug gesetzt wurde, zumindest für
8
ebd., § 1 Rn. 22
9
ebd., § 1 Rn. 23
10
ebd., § 5 Rn. 62
11
Wollenschläger, Rn. 128
16
die Vergangenheit als wirksam behandelt wird, so dass die beteiligten Ar-
beitnehmer und Arbeitgeber quasivertragliche Ansprüche gegeneinander
haben, die den im nichtigen Arbeitsvertrag vereinbarten Rechten und
Pflichten entsprechen.
12
Entscheidend hierbei ist der Gedanke des Arbeitnehmerschutzes, dem
nicht ausreichend Rechnung getragen würde, wenn der Arbeitnehmer
Lohn- und Fürsorgeansprüche nur als Posten eines Bereicherungsan-
spruchs gem. §§ 812 ff BGB geltend machen könnte.
13
2.1.3 Gesetzliche Begründung, einseitige Erklärung
Ausnahmsweise kann ein Arbeitsverhältnis auch aufgrund eines Gesetzes
oder durch ein einseitiges Rechtsgeschäft begründet werden. Es bedarf in
solchen Fällen also nicht zweier übereinstimmender Willenserklärungen,
die auf die Begründung eines Arbeitsverhältnisses gerichtet sind. Die Er-
füllung der Tatbestandsvorrausetzungen eines Gesetzes reicht aus, um
das Arbeitsverhältnis entstehen zu lassen.
Solche Tatbestände sind zum Beispiel in § 10 AÜG, §§ 87 a Abs. 2, 102
Abs. 5 BetrVG sowie den §§ 9 Abs. 2, 79 Abs. 2 BPersVG enthalten, auf
welche aber im Rahmen dieser Arbeit nicht weiters eingegangen werden
kann.
12
ebd., Rn. 131
13
MüKo BGB/Kramer, Rn. 74
17
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Einseitig
1. Anfechtung
gem.
§§ 119 ff. BGB
2. Kündigung
· ordentlich
· außerordent-
lich,
§ 626 BGB
3. Kündigung
mit
Abfindungsan-
spruch nach
§ 1 a KSchG
Beiderseitig, einvernehm-
lich
1. Aufhebungs-,
bzw.
Abwicklungsvertrag,
§ 311, § 623 BGB
2. Befristung, § 620 Abs.
1 BGB
3. Zweckerledigung,
§ 620 Abs. 2 BGB
4. auflösende
Bedingung,
§ 158 Abs. 2 BGB
5. Erreichen der Alters-
grenze, § 41 Abs. 4 S.
3 SGB VI
6. Abänderung
des
Ar-
beitsverhältnisses in
ein Altersteilzeitverhält-
nis
1. Auflösung nach
§ 9 KSchG
2. Tod des Arbeit-
nehmers
rechtsgeschäftlich
kraft Gesetzes
2.2 Beendigung von Arbeitsverhältnissen
Das Arbeitsverhältnis ist ein auf Dauer angelegtes schuldrechtliches Aus-
tauschverhältnis.
14
Wie jedes Schuldverhältnis ist es beendbar.
Einen Überblick der Beendigungsgründe gibt Abbildung 1.
Abbildung 1: Beendigungsgründe des Arbeitsverhältnisses
15
Es kommen rechtsgeschäftliche und gesetzliche Beendigungsgründe in
Betracht. Die rechtsgeschäftlichen Beendigungsgründe lassen sich in ein-
seitige und in zweiseitige, also einvernehmliche, differenzieren.
Da das Arbeitsverhältnis ein Dauerschuldverhältnis ist, kommt der Kündi-
gung als einseitiges Gestaltungsrecht die größte Bedeutung zu:
16
14
Arbeitsrecht/Appel, § 87, Rn. 1
15
Quelle: Wollenschläger, Rn. 360
18
Von den insgesamt 574.644 Klagen, die von den Arbeitsgerichten im Jahr
2000 im Urteilsverfahren erledigt wurden, waren 258.877 (45%) Be-
standsstreitigkeiten nach § 61 a ArbGG. Im Jahr 2004 waren es bereits
328.635 (53,7%) Bestandtandsstreitigkeiten von insgesamt 611.678 erle-
digten Urteilsverfahren.
17
2.2.1 Anfechtung
Rechtsgeschäfte sind wegen Irrtum, Drohung, oder arglistiger Täuschung
anfechtbar (vgl. §§ 119 ff. BGB).
18
Auch Arbeitsverträge als gegenseitig verpflichtende Rechtsgeschäfte
kommen wie oben beschrieben durch Abgabe von Willenserklärungen zu-
stande, welche mit Willensmängeln behaftet sein können oder nur auf-
grund einer widerrechtlichen Drohung oder Täuschung abgegeben worden
sind.
Folgende Anfechtungsgründe kommen in Frage:
2.2.1.1 Anfechtungsgründe
· Anfechtbarkeit wegen arglistiger Täuschung oder Drohung
§ 123 Abs. 1 Alt. 1 BGB setzt voraus, dass ein Vertragspartner (hier meis-
tens der Arbeitgeber) durch eine arglistige Täuschung des anderen (Ar-
beitnehmer) zur Abgabe der Willenserklärung bestimmt worden ist.
Das BAG verlangt in seiner gefestigten Rechtssprechung, dass, entgegen
dem Wortlaut des Gesetzes, die arglistige Täuschung zudem widerrecht-
lich gewesen sein muss. Die Widerrechtlichkeit ist nur zu bejahen, wenn
der Arbeitnehmer bei der Einstellung auf eine zulässige Frage des Arbeit-
gebers falsch geantwortet hat.
Zur Abgrenzung zwischen zulässigen und unzulässigen Fragen des Ar-
beitgebers und zu den Offenbarungspflichten der Vertragsparteien hat das
BAG eine umfangreiche Kasuistik entwickelt, auf welche in der vorliegen-
den Arbeit nicht näher eingegangen werden kann.
Hinsichtlich der Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung gem. § 123
Abs. 1 Alt. 2 BGB sind keine arbeitsrechtlichen Besonderheiten zu beach-
ten, sodass darauf nicht näher eingegangen wird.
16
Wollenschläger, Rn. 361
17
http://www.arbeitsgerichtsverband.de/Statistik%20ArbGe.htm, 15.02.06
18
Arbeitsrecht/Appel, § 87, Rn. 13
19
· Anfechtung wegen Irrtum
Für die Anfechtung wegen eines Irrtums bei Abgabe einer Willenserklä-
rung gilt § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB, wenn der Erklärende keine Erklärung
diesen Inhalts abgeben wollte (Erklärungsirrtum) oder § 119 Abs. 1 Alt. 2
BGB, wenn der Erklärende über die rechtliche Bedeutung seiner Erklärung
irrte (Inhaltsirrtum). Insoweit bestehen keine arbeitsrechtlichen Besonder-
heiten.
19
In der arbeitsrechtlichen Realität kommen auch Anfechtungen wegen ei-
nes Eigenschaftsirrtums gem. § 119 Abs. 2 BGB vor. Der Arbeitgeber
muss sich hiernach über die verkehrswesentlichen Eigenschaften des Ar-
beitnehmers geirrt haben. Problematisch ist der unbestimmte und somit
auslegungsbedürftige Rechtsbegriff der Verkehrswesentlichkeit. Die
Rechtsprechung hat z.B. vorhandene Vorstrafen, besonders schwerwie-
gende Erkrankungen oder ehemalige Stasi-Angehörigkeit als verkehrswe-
sentlich angesehen. Ungenügend für eine Anfechtung wegen eines Ei-
genschaftsirrtums sind aber auf jeden Fall Fehleinschätzungen des Ar-
beitgebers, insbesondere über die Leistungsfähigkeit des Arbeitneh-
mers.
20
2.2.1.2 Wirkung der Anfechtung
Ist das Arbeitverhältnis nach wirksamer Anfechtung tatsächlich noch nicht
vollzogen worden, hat also der Arbeitnehmer noch nicht gearbeitet und
auch kein Entgelt erhalten, so ist der Arbeitsvertrag gem. § 142 Abs. 1
BGB als von vornherein nichtig anzusehen.
Durch wirksame Anfechtung wird die Willenserklärung vernichtet und so-
mit der Arbeitsvertrag rückwirkend beseitigt.
Sofern das Arbeitsverhältnis jedoch bereits vollzogen ist, der Arbeitneh-
mer also tatsächlich schon gearbeitet hat und vergütet worden ist, so gel-
ten für die Rückabwicklung dieses Vertragsverhältnisses die Regeln über
das faktische Arbeitsverhältnis.
21
Die Anfechtung beseitigt hiernach das Arbeitsverhältnis als solches nicht
rückwirkend. Es kann nur für die Zukunft, also mit ex nunc Wirkung, aufge-
löst werden.
22
19
vgl. Wollenschläger, Rn. 193
20
vgl. ebd., Rn. 194
21
vgl. 2.1.2; Arbeitsrecht/Appel, § 87 Rn. 13
22
Wollenschläger, Rn. 188
20
2.2.2 Befristung und Bedingung
2.2.2.1 Ablauf der Befristung
Aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit folgt, dass ein Arbeitsverhältnis
nicht nur unbefristet, sondern auch für eine bestimmte Dauer, also befris-
tet, eingegangen werden kann.
23
Der Arbeitsvertrag kann entweder seiner Dauer nach kalendermäßig be-
stimmt sein (kalendermäßig befristet) oder sich nach Art, Zweck oder Be-
schaffenheit der Arbeitsleistung (Zweckbefristung) ergeben.
24
Ein kalendermäßig befristetes Arbeitverhältnis endet gem. § 620 Abs. 1
BGB mit dem Ablauf der Zeit für die es eingegangen ist. Es bedarf also
nicht extra einer Kündigung.
Das zweckbefristete Arbeitsverhältnis endet mit dem Eintritt des von den
Arbeitsvertragsparteien als gewiss (der Zeit nach aber ungewiss) angese-
henes Ereignisses. Ein zweckbefristetes Arbeitsverhältnis wäre z.B. eine
Einstellung zur Krankheits- oder Urlaubsvertretung oder zur Abarbeitung
von Rückständen. Zum Schutz des Arbeitnehmers vor der Beendigung
des Arbeitsverhältnisses von einem Tag auf den anderen, gilt jedoch die
Auslauffrist des § 15 Abs. 2 TzBfG. Hiernach endet das Arbeitsverhältnis
frühestens zwei Wochen nach der schriftlichen Unterrichtung des Arbeit-
nehmers durch den Arbeitgeber über den Zeitpunkt der Zweckereichung.
25
Auch hier ist also keine Kündigung notwendig.
Für befristete Arbeitsverhältnisse ist gem. § 630 Abs. 3 BGB das TzBfG-
zu beachten. Nach diesem Arbeitnehmerschutzgesetz sind derzeit Befris-
tungen nur noch bei Vorliegen eines sachlichen Grundes (vgl. § 14 Abs. 1
S. 1 TzBfG) zulässig. Ausnahmsweise ist eine Befristung auch ohne Vor-
liegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig
(vgl. § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG).
Ferner gibt es für neu gegründete Unternehmen die Möglichkeit auf maxi-
mal vier Jahre befristete Arbeitsverträge abzuschließen (vgl. § 14
Abs. 2 a S. 1 TzBfG).
Um der anhaltend hohen und weiter steigender Arbeitslosigkeit von älte-
ren Arbeitnehmern entgegenzuwirken und deren Beschäftigungsmöglich-
keiten zu verbessern, wurde die Befristungsmöglichkeit für diese Perso-
nengruppe verbessert:
Derzeit ist es zulässig, Arbeitnehmer welche das 52. Lebensjahr vollendet
haben, ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes befristet einzustellen
(vgl. § 14 Abs. 3 S. 1 u. S. 4 TzBfG).
23
Arbeitsrecht/Appel, § 87, Rn. 11
24
ebd./Lakies, § 133, Rn. 12
25
Personalbuch 2005/Röller, Rn. 5
21
Für diese Arbeitnehmer gilt auch nicht die maximale Befristungsdauer von
2 Jahren.
26
2.2.2.2 Auflösende Bedingung
Vom kalendermäßig- oder zweckbefristeten Arbeitsverhältnis zu unter-
scheiden ist das auflösend bedingt geschlossene Arbeitsverhältnis. Hier-
bei ist der Endtermin abhängig gemacht von einem von den Parteien als
ungewiss angesehenen Ereignisses (§ 158 Abs.2 BGB).
27
Durch § 21 TzBfG sind auflösend bedingte Arbeitsverträge weitestgehend
den befristeten gleichgestellt. Insbesondere muss auch hier ein sachlicher
Grund die auflösende Bedingung rechtfertigen.
Zur Wirksamkeit bedarf es nach § 21 i.V.m. § 15 Abs. 2 TzBfG und der
gefestigten Rechtsprechung, dass dem Arbeitnehmer der Zeitpunkt der
Zweckerreichung frühzeitig erkennbar ist, d.h. vom Arbeitgeber rechtzeitig
angekündigt wird.
28
2.2.2.3 Erreichen der Altersgrenze
Das Erreichen des 65. Lebensjahres ist eine Voraussetzung für den An-
spruch auf die Regelaltersrente gem. § 35 SGB VI.
Arbeitsrechtlich hat das Erreichen dieses Alters grundsätzlich keine Aus-
wirkung.
Üblicherweise wird jedoch einzelvertraglich oder kollektivrechtlich verein-
bart, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Erreichen einer Altersgrenze en-
det, ohne dass es einer Kündigung oder einer einvernehmlichen Aufhe-
bung bedarf.
29
Es war zunächst streitig, ob eine solche Vereinbarung als
kalendermäßige Befristung aufgefasst werden kann, oder ob hierin eine
auflösende Bedingung liegt. Da die Parteien den Eintritt des vereinbarten
Alters regelmäßig als gewiss ansehen, hat das BAG folgerichtig entschie-
den, dass diese Vertragsgestaltung eine kalendermäßige Höchstbefris-
tung darstellt.
30
Nach Inkrafttreten des TzBfG mit Wirkung ab 01.01.2002
ist die Zuordnung für die Praxis ohnehin belanglos geworden, denn für
beide Varianten ist ein sachlicher Grund nötig (§§ 14 Abs. 1, 21 TzBfG).
31
Befristungen auf einen Zeitpunkt vor Vollendung des 65. Lebensjahres, zu
dem ein Arbeitnehmer Altersrente beantragen kann, gelten grundsätzlich
gem. § 41 S. 2 SGB VI als auf die Vollendung des 65. Lebensjahres ab-
geschlossen.
32
26
Arbeitsrecht/Lakies, § 133, Rn. 224
27
Personalbuch 2005/Kania, Arbeitsrecht Rn. 7
28
Arbeitsrecht/Lakies, § 133 Rn. 14
29
Wollenschläger, Rd. 381
30
vgl. MüKo/Hesse, § 3 TzBfG Rn. 10; ebd. § 14 Rn. 59
31
vgl. Bauer, S. 36 Rn. 100
32
Hromadka, § 4 Rn. 13
22
2.2.3 Abänderung in ein Altersteilzeitverhältnis
Bereits seit dem 01.08.1996 ist es möglich, auf der Basis des bereits
mehrfach geänderten ATG, ein vorzeitiges, sozialverträgliches Ausschei-
den aus dem Arbeitsverhältnis für ältere Arbeitnehmer zu realisieren. Ziel
des ATG ist es, Arbeitnehmern einen gleitenden Übergang in den Ruhe-
stand zu ermöglichen
33
. Hierzu gewährt die BA Zuschüsse an den Arbeit-
geber, um die bisherige Praxis, Frühpensionierungen über den Weg der
Arbeitslosigkeit herbeizuführen, zu verhindern.
34
Das bestehende Arbeitsverhältnis kann einvernehmlich als befristetes Al-
tersteilzeitarbeitsverhältnis fortgeführt werden.
35
Der Abschluss eines Al-
tersteilzeitarbeitvertrages beendet das Arbeitsverhältnis insofern nicht
unmittelbar. Im Unterschied zum Aufhebungsvertrag führt die Altersteilzeit
nicht zu einer kurzfristigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses, sondern
kann die Beendigung frühestens in zwei Jahren herbeiführen.
Arbeitsrechtlich ist das Arbeitsteilzeitverhältnis ein echtes Teilzeitarbeits-
verhältnis.
36
Den steigenden Anteil der in Altersteilzeit Beschäftigten lässt sich aus fol-
gender Abbildung ableiten: (Quelle: Alterssurvey, Replikationsstichprobe
2002, gewichtet)
72
3
18
7
74
4
14
8
71
11
11
7
63
19
9
9
53
23
12
12
0%
20%
40%
60%
80%
100%
An
te
ile in
Pro
zen
t
1917-22
1923 -27
1928-32
1933-37
1938-42
Geburtenjahrgänge
Übergang in die Altersrente
aus:
sonstigem Status
Tätigkeit als Hausfrau/-mann
Arbeitslosigkeit / Vorruhestand
Erwerbstätigkeit:
Abbildung 2: Erwerbsstatus vor Beginn der Altersrente
37
33
vgl. § 1 Abs. 1 ATG
34
vgl. Bauer, S. 417 Rn. 1
35
Wollenschläger, Rn. 372
36
ebd.
37
Quelle: Der Alterssurvey Aktuelles auf einen Blick, Deutsches Zentrum für Altersfra-
gen, in: http://www.dza.de/download/Erwerb.pdf, 19.02.06
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Originalausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2006
- ISBN (eBook)
- 9783832497934
- ISBN (Paperback)
- 9783838697932
- DOI
- 10.3239/9783832497934
- Dateigröße
- 698 KB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung - Fachbereich Arbeitsverwaltung und Bundeswehrverwaltung Mannheim – Arbeitsverwaltung
- Erscheinungsdatum
- 2006 (August)
- Note
- 1,7
- Schlagworte
- aufhebungsvertrag arbeitslosengeld bundesagentur arbeit abwicklungsvertrag sperrzeit
- Produktsicherheit
- Diplom.de