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Vergleich christlicher und nichtreligiöser Partnerschaften - eine Fragebogenstudie

©2004 Diplomarbeit 112 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die gesellschaftliche Einstellung zu Partnerschaft und Ehe hat sich in den letzten 30 Jahren stark geändert. Das derzeitig bestehende Modell für die Ehe, in welche die meisten subjektiv glücklichen Partnerschaften auch heute noch münden, setzte das Christentum in unserer westlichen Welt im 12. Jh. durch.
Die zu damaliger Zeit damit verknüpften Gebote von Unauflöslichkeit und Monogamie verlieren allerdings jüngst immer mehr an Bedeutung. Dieser Trend setzt sich fort, obwohl wissenschaftliche Untersuchungen die negativen Auswirkungen von Scheidungen auf die psychische und körperliche Gesundheit für die Betreffenden und ihrem nahen verwandtschaftlichen Umfeld belegen und zur Lösung von Partnerschafts- bzw. Eheproblemen zahlreiche Ratgeber und Hilfen theoretischer und praktischer Art zur Verfügung stehen (z.B. hatte amazon.de am 07.12.04 allein 1495 Partnerschaftsratgeber im Verkaufangebot).
Diese Entwicklung ist nicht nur für Einzelpersonen von Interesse, sie hat ebenso höchste gesellschaftspolitische Bedeutung. Die Leistungen, die im Rahmen familiärer Beziehungen erbracht werden, sind ebenso unverzichtbar für alle anderen Gesellschaftsbereiche. Begründen die einen die Ursachen dieser Entwicklung z.B. durch die Individualisierungsthese, sehen andere eine Überlastung der Institution Ehe bzw. Überforderung der Paarbeziehung u.a. durch die strukturelle Rücksichtslosigkeit anderer Gesellschaftsbereiche, wie z.B. Wirtschaft und Staat. Auf die Gefahr von Stress und seine Auswirkungen auf Partnerschaften verweisen auch psychologische Studien.
Betont werden vom Bundesministerium außerdem die Bedeutung kultureller Identität von Familien und die Vermittlung bestimmter Wertvorstellungen durch die Gesellschaft, die die Verhaltensweisen zwischen Mann und Frau bestimmen. Hier wird u.a. auch auf die Verantwortung der Kirche hingewiesen. Dabei bleibt offen, ob diese dem Trend wirklich etwas entgegenzusetzen hat. Dass Konfessionszugehörigkeit tatsächlich scheidungshemmend wirkt ist nachgewiesen. Aber sind die Menschen deswegen auch zufriedener in ihren Ehen bzw. Partnerschaften?
Problemstellung:
Die vorliegende Arbeit basiert darauf, dass in jeder Ehe und Partnerschaft Belastungen, Konflikte und Spannungen auftreten. Diese werden jedoch je nach Erfahrung, Überzeugungen und Werten sowie mit Hilfe sozialer Unterstützung verschieden gelöst und beeinflussen die Partnerschaftszufriedenheit dadurch in unterschiedlich starkem Maße.
Diese […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Klaus Westhäuser-Rüttinger
Vergleich christlicher und nichtreligiöser Partnerschaften - eine Fragebogenstudie
ISBN: 978-3-8366-0252-5
Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2007
Zugl. Universität Hamburg, Hamburg, Deutschland, Diplomarbeit, 2004
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© Diplomica Verlag GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2007
Printed in Germany

Vergleich christlicher und nichtreligiöser Partnerschaften. Eine Fragebogenstudie.
Inhalt
1 EINLEITUNG... 4
2 PARTNERSCHAFT HEUTE... 6
2.1 Der Scheidungstrend - Erklärungsansätze... 6
2.2 Theoretische und empirische Ansätze zur Partnerschaft...9
2.2.1 Sternbergs trianguläres Modell der Liebe... 10
2.2.2 Die gelungene Gestaltung von Partnerschaften... 13
2.2.3 Zusammenfassung...21
2.3 Soziale Unterstützung... 22
3 DIE AN DER UNTERSUCHUNG BETEILIGTEN GRUPPEN... 27
3.1 Die Nichtreligiösen...28
3.1.1 Allgemeines...28
3.1.2 Ehe und Partnerschaft... 31
3.2 Die Christen... 32
3.2.1 Allgemeines...32
3.2.2 Ehe und Partnerschaft... 34
3.3 Das Unterstützungsnetzwerk der beiden Gruppen... 37
4 HYPOTHESEN UND FRAGESTELLUNGEN... 40
5 METHODE DER UNTERSUCHUNG... 43
5.1 Vorüberlegungen zur Wahl der Forschungsmethode... 43
5.2 Die Rekrutierung der Versuchspersonen... 44
5.3 Der Fragebogen ...44
6 AUSWERTUNG... 49
7 ERGEBNISSE...53
7.1 Soziodemographische Angaben... 53
7.2 Hypothesenkomplex 1 (abhängige Variable: ,,Partnerschaftszufriedenheit") ... 55
7.3 Hypothesenkomplex 2 (abhängige Variable: ,,Soziale Unterstützung")...61
7.4 Hypothesenkomplex 3 (abhängige Variable: ,,Einstellungsskala")... 72
8 DISKUSSION UND INTERPRETATION DER ERGEBNISSE... 79
2

Vergleich christlicher und nichtreligiöser Partnerschaften. Eine Fragebogenstudie.
9 ZUSAMMENFASSUNG...89
10 LITERATURLISTE ...91
11 ANHANG... 97
3

Vergleich christlicher und nichtreligiöser Partnerschaften. Eine Fragebogenstudie.
1 Einleitung
Die gesellschaftliche Einstellung zu Partnerschaft und Ehe hat sich in den letzten 30
Jahren stark geändert. Das derzeitig bestehende Modell für die Ehe, in welche die
meisten subjektiv glücklichen Partnerschaften auch heute noch münden, setzte das
Christentum in unserer westlichen Welt im 12. Jh. durch (Thatcher, 1999). Die zu
damaliger Zeit damit verknüpften Gebote von Unauflöslichkeit und Monogamie verlieren
allerdings jüngst immer mehr an Bedeutung. Dieser Trend setzt sich fort, obwohl
wissenschaftliche Untersuchungen die negativen Auswirkungen von Scheidungen auf die
psychische und körperliche Gesundheit für die Betreffenden und ihrem nahen
verwandtschaftlichen Umfeld belegen (Bochmann, 2004) und zur Lösung von
Partnerschafts- bzw. Eheproblemen zahlreiche Ratgeber und Hilfen theoretischer und
praktischer Art zur Verfügung stehen (z.B. hatte amazon.de am 07.12.04 allein 1495
Partnerschaftsratgeber im Verkaufangebot).
Diese Entwicklung ist nicht nur für Einzelpersonen von Interesse, sie hat ebenso höchste
gesellschaftspolitische Bedeutung. Die Leistungen, die im Rahmen familiärer
Beziehungen erbracht werden, sind ebenso unverzichtbar für alle anderen
Gesellschaftsbereiche (Bundesministerium für Familie, Frauen, Senioren und Jugend,
1995). Begründen die einen die Ursachen dieser Entwicklung z.B. durch die
Individualisierungsthese (Beck & Beck-Gernsheim, 2000), sehen andere eine
Überlastung der Institution Ehe bzw. Überforderung der Paarbeziehung u.a. durch die
strukturelle Rücksichtslosigkeit anderer Gesellschaftsbereiche, wie z.B. Wirtschaft und
Staat (Kaufmann, 1990). Auf die Gefahr von Stress und seine Auswirkungen auf
Partnerschaften verweisen auch psychologische Studien (z.B. Bodenmann & Cina,
2003).
Betont werden vom Bundesministerium außerdem die Bedeutung kultureller Identität von
Familien und die Vermittlung bestimmter Wertvorstellungen durch die Gesellschaft, die
die Verhaltensweisen zwischen Mann und Frau bestimmen. Hier wird u.a. auch auf die
Verantwortung der Kirche hingewiesen (Bundesministerium für Familie, Frauen, Senioren
und Jugend, 1995, S.XXXIV). Dabei bleibt offen, ob diese dem Trend wirklich etwas
entgegenzusetzen hat. Dass Konfessionszugehörigkeit tatsächlich scheidungshemmend
wirkt ist nachgewiesen (vgl. z.B. Diefenbach, 2000; Hartmann, 2003). Aber sind die
Menschen deswegen auch zufriedener in ihren Ehen bzw. Partnerschaften?
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Vergleich christlicher und nichtreligiöser Partnerschaften. Eine Fragebogenstudie.
Die vorliegende Arbeit basiert darauf, dass in jeder Ehe und Partnerschaft Belastungen,
Konflikte und Spannungen auftreten. Diese werden jedoch je nach Erfahrung,
Überzeugungen und Werten sowie mit Hilfe sozialer Unterstützung verschieden gelöst
und beeinflussen die Partnerschaftszufriedenheit dadurch in unterschiedlich starkem
Maße. Diese Arbeit beschäftigt sich mit bekennenden christlich bzw. nichtreligiös
orientierten Menschen und ihren Partnerschaften, mit dem Ziel, Unterschiede und
Gemeinsamkeiten in verschiedenen Aspekten von Partnerschaft aufzuzeigen. Es wird
den Fragen nachgegangen, wie die Partnerschaftszufriedenheit verteilt ist, welche
Auswirkung dabei die Unterstützung durch das nahe soziale Umfeld auf die
Partnerschaftszufriedenheit haben kann und welche Vorstellungen in den einzelnen
Gruppen in Partnerschaftsfragen vertreten werden.
Aufgrund bereits existierender Forschungsarbeiten ist anzunehmen, dass es
Unterschiede zwischen diesen beiden Gruppen und auch innerhalb der christlichen
Gruppe je nach Stärke der Bindung an christliche Glaubensgemeinschaften bzw. nach
Ausmaß der christlichen Orientierung gibt. Allerdings dürften diese nicht zu stark
ausfallen bzw. sollte es auch viele Gemeinsamkeiten geben, da christlich orientierten
Menschen der heutigen Zeit keine komplett von den allgemeingesellschaftlichen
Einflüssen isolierte Gruppe darstellen und zum anderen nichtreligiös orientierte
Menschen unserer Gesellschaft noch maßgeblich durch das christliche Kulturerbe
mitgeprägt sind.
Im theoretischen Teil werde ich die Entwicklung heutiger Partnerschaften bzw. Ehen und
deren Interpretationen genauer analysieren, im Folgenden die psychologischen Befunde
zur Gestaltung gelungener Partnerschaften vorstellen, um dann näher auf die Gruppen
der Nichtreligiösen und Christen einzugehen.
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Vergleich christlicher und nichtreligiöser Partnerschaften. Eine Fragebogenstudie.
2 Partnerschaft heute
2.1 Der Scheidungstrend - Erklärungsansätze
Verfolgt man in den Medien jüngste Forschungsergebnisse, Umfragen und Berichte,
entsteht leicht ein düsteres Bild, was das Glück und den Erfolg heutiger Partnerschaften
angeht. Die derzeitige Scheidungsrate liegt bei ca. 50% - Tendenz steigend (Bochmann,
2004). Wie die Zahlen der Ehescheidungen ansteigen, nimmt proportional ebenso die
Anzahl unehelicher Lebensgemeinschaften bzw. gemeinsam geführter Haushalte immer
mehr zu (siehe Tabelle 1). Im Jahr 2003 wurden sogar schon 214 000 Ehescheidungen
registriert (Graupner, 2004). Der Trend ist eindeutig: es ist immer schwerer eine
dauerhafte, erfolgreiche Ehe zu führen, nichteheliche Lebensgemeinschaften und das
Single-Dasein werden zunehmend als alternative Lebensform akzeptiert.
Tab. 1: Veröffentlichungen des statistischen Bundesamtes (2003)
Jahr
Eheschließungen
Ehescheidungen
Nichtehel.
Lebensgemein-
schaften
1995
430 534
169 425
1 741 000
1997
422 776
187 802
1 904 000
1998
417 420
192 416
1 982 000
1999
430 674
190 590
2 054 000
2000
418 550
194 408
2 113 000
2001
389 591
197 498
2 185 000
2002
391 963
204 214
2 276 000
Sozialwissenschaftler sind sogar der Auffassung, das traditionelle Bild von Ehe und
Familie für die nahe Zukunft als allgemeines Modell nicht mehr standhalten wird (Willi
2002). Selbst in kirchlichen Kreisen mehren sich kritische Stimmen gegen das Dogma
,,Ehe" (Czell, 1995), denn auch hier scheint die Tendenz nicht anders zu liegen: ,,Die
Scheidungsrate in der Gemeinde scheint sich der Scheidungsrate in der
Gesamtbevölkerung immer mehr anzugleichen." (Bochmann & Treek, 2000, S.25).
1
Als subjektive Gründe für Scheidungen werden nach Bodenmann & Cina (2003)
Unzufriedenheit mit dem Partner, Kommunikationsschwierigkeiten, sexuelle Probleme,
außereheliche Beziehungen, geringe emotionale Bindungen an den Partner sowie
1
Diese Schlussfolgerung ist aufgrund von Daten aus der Gemeinde der Siebenten-Tags-Adventisten
getroffen worden - offizielle Daten der Scheidungsrate in anderen Denominationen liegen leider nicht vor.
6

Vergleich christlicher und nichtreligiöser Partnerschaften. Eine Fragebogenstudie.
Gewalt, Alkohol und Drogenmissbrauch angegeben. Doch das sagt noch wenig darüber
aus, wie es im Einzelnen dazu kommt.
Es gibt eine Vielzahl psychologischer, soziologischer und ökonomischer Theorieansätze,
die sich mit Scheidungsursachen auseinandersetzen. Die Modernisierungstheorie geht
von einem Funktionswandel der Familie aus. Der moderne Mensch löst sich aus der
traditionellen Familie, die lange Zeit Grundlage von Stabilität und Identität waren. Dies
beinhaltet die Chance, aber auch die Herausforderung einer freien und
eigenverantwortlichen Lebensgestaltung, deren Dynamik allerdings auf eine
personenbezogene Stabilität zusteuert. Das Bedürfnis, dem Leben Sinn und
Verankerung zu geben, sowie die eigene Identität auszubilden, wird auf die
Zweierbeziehung gerichtet (Beck & Beck-Gernsheim, 2000, S.71). Dies bewirkt eine
affektiv-emotionale Überfrachtung dieser Institution und belastet die Partnerschaft
aufgrund der hohen Erwartung, dass sie glücklich machen und die Entwicklung des
Individuums unterstützen muss. Gefördert wird diese Idealisierung der Partnerschaft
auch durch das Bild, das die Medien davon zeichnen. Auf die Gefahr falscher
Vorstellungen von Partnerschaft verweisen einige Autoren und sehen hier einen
bedeutenden Grund für das Scheitern von Beziehungen (z.B. Gottman & Silver, 2002;
Hybels, 1997; Prince, 1993; Sternberg, 1998b; Thurman, 1998)
Im Zuge der gesellschaftlichen Modernisierung verändert sich auch die weibliche
Normalbiografie, ausgelöst durch die ökonomische Unabhängigkeit der Frau. Dies stellt
ebenfalls eine Herausforderung für die Partnerschaft dar, da es die Notwendigkeit
hervorruft, zwei (Berufs-) Biografien aufeinander abzustimmen und somit das
Konfliktpotential und die Gefahr einer Destabilisierung von Ehe und Familie erhöht (Beck
& Beck-Gernsheim, 2000).
Möller (2002) ist der Meinung, dass es den Paaren in der modernen Gesellschaft an Zeit
für sich selbst und damit zur Kommunikation fehlt. Er sieht drei Bereiche, die sich durch
das rasante Tempo der ,,psychosozialen Beschleunigung" stark verändern und ihren
Einfluss auf die heutige Partnerschaftsgestaltung geltend machen:
1.) Die wirtschaftliche Entwicklung, die immer mehr Leistung vom Arbeitnehmer
einfordert und Leben (und Lieben) als Privatsache deklariert,
2.) die Massenmedienkultur, die Beziehungslosigkeit forciert, weil man nicht mit den
Medien kommunizieren kann und zudem die Kommunikation untereinander
blockiert sowie
3.) der fundamentale Wandel seelischer Entwicklungsbedingungen, bei dem es einen
Trend zum ,,Narzissmus" gibt, hervorgerufen durch die überlastete Mutter in einer
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Vergleich christlicher und nichtreligiöser Partnerschaften. Eine Fragebogenstudie.
vaterlosen Gesellschaft. Möller (2002) sieht einen Wechsel von den neurotischen
zu den narzisstischen Störungen seit dem letzten Weltkrieg, welche durch eine
Uneinfühlbarkeit (Einfühlung sieht er als Eigenschaft der Beziehung, nicht der
Person) bedingt ist sowie durch einen rapiden Beziehungsverlust der ersten
Kindheitsjahre:
,,Kleinstfamilie, Vaterentzug, Geschwisterlosigkeit".
Die
überforderte, selbst an Beziehungsarmut leidende und enttäuschte Mutter wird
später bei jedem intensiveren Paarleben als sogenannte negative Mutter
wechselseitig übertragen. Diese Aktualisierung ist kaum vermeidbar und macht die
Beziehung unwirtlich und beschwerlich. Auch sie lässt die Zweierkommunikation
veröden.
Diese theoretischen Positionen spiegeln auch Teile der diskutierten und zumindest für
Westdeutschland nachgewiesenen intergenerationalen Transmissionshypothese wieder
(Diefenbach, 2000), bei der davon ausgegangen wird, dass das Ehescheidungsrisiko im
Sinne einer ,,intergenerationalen Vererbung" von den Eltern auf die Kinder übertragen
wird. Die bisher besonders im anglo-amerikanischen Sprachraum ermittelten Erklärungen
zur Scheidungstransmission beinhalten folgende Faktoren:
(1) soziales Lernen sowie Lernen am Modell,
(2) größere Bereitschaft zur Ehescheidung,
(3) ökonomische Deprivation infolge elterlicher Scheidung,
(4) unzureichende soziale Kontrolle infolge elterlicher Scheidung,
(5) schwächere Bindung an bzw. geringere Investitionen in die Ehe,
(6) Selektivität durch spezifische Subkulturen, Persönlichkeitsmerkmale oder
genetische Vererbung,
(7) Stress infolge kritischer Lebensereignisse.
Diefenbach (2000) prüfte diese Erklärungen für den deutschen Raum und kam zu dem
Ergebnis, dass sie unabhängig voneinander zu betrachten sind, also in keinem
Konkurrenzverhältnis zueinander stehen. Außerdem greifen sie teilweise zu
unterschiedlichen Zeitpunkten im Leben eines Kindes und können sich kumulativ
ergänzen.
Gesellschaftskritisch äußert sich Czell (1995), der Strukturen, Interessen und
Bedingungen unserer Gesellschaft, die das Zusammenleben von Paaren und Familien
negativ beeinflussen oder sogar unmöglich machen, als Ursachen benennt. Hierzu
zählen für ihn bspw.:
·
Mangel an angemessenen Ausbildungs- und Arbeitsplätzen,
8

Vergleich christlicher und nichtreligiöser Partnerschaften. Eine Fragebogenstudie.
·
Mangel an angemessenen Verbindungswegen zwischen Lebens- und Wohnraum
sowie Kindertagesstätten, Schulen, Arbeitsplätzen,
·
Mangel an ausreichenden Plätzen in Kindertagesstätten sowie
·
Mangel an mütter- und väterfreundlichen Arbeitszeiten und Organisationsformen.
,,Und hierzu gehören ganz offensichtlich die zentralen Werte einer durch und durch
ökonomisierten Gesellschaft: Konsum, Wechsel, Verbrauchen, Wegwerfen." (Cell, 1995,
S.339)
Offensichtlich sind viele Menschen mit Stresssituationen aus dem Umfeld konfrontiert,
die sich auch auf die Partnerschaft übertragen. Bodenmann & Cina (2003) schlussfolgern
aus ihren Studien, dass eine gute Kommunikation unter Stress zusammenbricht.
,,Gestresste Partner reagieren zurückweisender, ein Austausch findet immer seltener
statt, die Interaktionen sind oft geprägt durch Gehässigkeit, Genervtheit, Ungeduld,
Abwertung, Kritik, Vorwürfe und längerfristig durch Rückzug."(Bodenmann & Cina, 2003,
S.25). Scheidungspaare sind seiner Meinung nach darin überfordert, offen miteinander
zu kommunizieren, kompetent Probleme zu lösen und mit Stresssituationen umzugehen.
Zusammenfassend ist zu sagen: Keiner dieser Faktoren wirkt allein oder ist ein
ausreichendes Kriterium. Die derzeitige Entwicklung ist als multikausal anzusehen, was
obige Erläuterungen verdeutlichen und die Geschichtswissenschaft bestätigt (vgl. Weber-
Kellermann, 1981): Die Gestaltung von Partnerschaften steht in starker Abhängigkeit
zum jeweiligen familiären, kulturellen und moralischen Umfeld sowie den individuellen
Persönlichkeiten. Die obigen Ausführungen lassen erkennen: Die heutigen Bedingungen
stellen eine relativ große Belastung für Ehe und Partnerschaft dar.
2.2 Theoretische und empirische Ansätze zur Partnerschaft
Die Feststellung, dass immer mehr Paare so unzufrieden miteinander sind, dass ihre
Verbindung nicht für eine lebenslange Gemeinschaft geeignet scheint (s.o.), hat in den
letzten Jahren viele Therapeuten und Wissenschaftler bemüht, sich mit der Funktionalität
von Partnerschaft auseinander zu setzen. In diesem Abschnitt sollen ihre Erfahrungs-
und Forschungsergebnisse zur Beantwortung von Fragen zur Interaktion der Partner
aufgezeigt werden. Welche Bedingungen beeinflussen die Partnerschaft positiv bzw.
negativ? Was lässt eine Partnerschaft gelingen?
9

Vergleich christlicher und nichtreligiöser Partnerschaften. Eine Fragebogenstudie.
2.2.1 Sternbergs trianguläres Modell der Liebe
Allgemein wird auch heute die Liebe als Grundmotiv für Partnerschaften angegeben.
Deswegen soll zum besseren Verständnis in diesem Kapitel auf dieses Konstrukt näher
eingegangen werden, denn das Wort ,,Liebe" ist heutzutage bei der Allgemeinheit
ziemlich verschlissen. Über die Liebe wird ,,...entweder gespottet, oder sie wird in
strahlendem, kitschigem Glanz dargestellt." (Lauster, 2001, S.60). Über ihre
psychologischen Hintergründe erfährt der ,,Laie" so gut wie nichts. Auf die Frage, warum
dieses Wort trotzdem so oft in aller Munde ist, antwortet Jaeggi: ,,...weil in unserer Zeit
nichts wichtiger ist als die Liebe, weil Liebe unser Leben so sehr bestimmt wie nie zuvor
­ und zwar Liebe in jeder Form, auch in solcher, die normalerweise nicht ,,Liebe" genannt
wird." (Jaeggi, 1999, S.1).
Es gibt eine Reihe empirischer Untersuchungen, bei denen geeignete Messinstrumente
zur Überprüfung der theoretischen Konzepte der Liebe entwickelt und eingesetzt wurden
(vgl. Übersicht bei Bierhoff & Grau, 1999). Aus der Fülle des Materials möchte ich mich
im Rahmen dieser Arbeit auf das trianguläre Modell der Liebe von Sternberg (1986,
1998a) beschränken, da sein Konzept umfangreichen, auch neueren Überprüfungen
standgehalten hat (vgl. Übersicht Freudenfeld, 2002).
Intimität
Leidenschaft Entscheidung/
Verbindlichkeit
Abb. 1: Das Dreieck der Liebe nach Sternberg (1998a)
In der psychologischen Forschung geht man mehrheitlich von einem vielschichtigen
Konstrukt der Liebe aus. Sie findet ihren Niederschlag in Einstellungen, Gefühlen und
Verhaltensweisen einer Person gegenüber einer anderen und wird von jedem Menschen,
zu jeder (Ziel-) Person und in verschiedenen Situationen (auch vom Beziehungszeitpunkt
bzw. der -dauer abhängig) anders erlebt. Dabei liegen diese Unterschiede im Erleben in
10

Vergleich christlicher und nichtreligiöser Partnerschaften. Eine Fragebogenstudie.
qualitativer und ebenso quantitativer Form vor. Nach Sternbergs 1986 erstmalig
veröffentlichter Theorie unterteilt er drei Komponenten der Liebe (Sternberg, 1998a), die
er in einem Dreieck darstellt, wobei jede Ecke eine Komponente abbildet: Intimität,
Leidenschaft und Verbindlichkeit (siehe Abbildung.1).
Die emotionale Komponente der Liebe umfasst die Gefühle, die in einer Liebesbeziehung
zu dem Erleben von Nähe, Vertrautheit und Zusammengehörigkeit führen. Sternberg
fasst sie unter den Begriff der Intimität. Faktorenanalytische Untersuchungen von
Sternberg & Grajek (1984) ergaben zehn Merkmale von Intimität (Sternberg, 1998a):
(1) den Wunsch, zur Förderung des Wohlergehens der geliebten Person
(2) in der Gegenwart des Partners glücklich sein
(3) den geliebten Menschen hoch zu achten
(4) Verlässlichkeit, wenn man den Partner braucht,
(5) gegenseitiges Verständnis
(6) sich selbst und seinen Besitz mit dem anderen zu teilen
(7) emotionale Unterstützung von der geliebten Person zu erhalten und
(8) sie ihr auch zu gewähren
(9) intime Kommunikation und
(10) den anderen als wichtigen Teil des Lebens zu schätzen.
Es ist dabei nicht notwendig, dass all diese Elemente in einer Beziehung vorhanden sind,
um Intimität zu erleben, da ihre Mindestanzahl persönlichkeitsabhängig ist. Intimität
entsteht aus stabiler, regelmäßiger und vielseitiger Interaktion zwischen den Partnern,
welche das Vertrauen schafft, sich dem Partner mit allen guten und schlechten Seiten
der eigenen Persönlichkeit zu zeigen. Der Aufbau von Intimität geht folglich mit einem
Abbau von Fassaden einher.
Die Leidenschaft umfaßt hauptsächlich den Ausdruck des Verlangens und der
Bedürfnisse (wie z.B. Selbstachtung, Zugehörigkeit, Versorgung, Dominanz,
Unterwerfung und die sexuelle Erfüllung), welche sich in unterschiedlicher
physiologischer und psychologischer Erregung manifestieren. Sie ist bei Sternberg
(1998a) also nicht, wie gemeinhin angenommen, auf die sexuelle Leidenschaft
beschränkt. Vielmehr kann danach alles, was eine psychophysiologische Reaktion
auslöst, auch Leidenschaft erzeugen.
Willentlich beeinflussen läßt sich am ehesten die dritte Komponente: die
Entscheidung/Verbindlichkeit. Sie hat vor allem kognitiven Charakter und besteht zum
11

Vergleich christlicher und nichtreligiöser Partnerschaften. Eine Fragebogenstudie.
einen aus der kurzfristigen Entscheidung, jemanden zu lieben und beinhaltet als zweiten
Aspekt die Absicht, eine langfristige Bindung einzugehen. Diese Komponente der Liebe
wirkt vor allem in den Tiefen einer Beziehung und hält sie durch diese Zeit zusammen.
Die Verbindlichkeit kann essentiell sein und lebt dabei vom Vertrauen und von der
Hoffnung, die harten Zeiten durchzustehen und zu den besseren zurückzukehren.
Diese drei Komponenten können einzeln oder in Kombination bei den Liebenden
auftreten. Ist die jeweilige Liebe durch alle drei Komponenten charakterisiert, bezeichnet
Sternberg sie als vollkommen. In Kombination ergeben sich sieben Möglichkeiten, die
jeweils einen bestimmten Liebestyp bezeichnen (siehe Abbildung 2). Die Form spiegelt
die Balance der einzelnen Komponenten durch die entsprechenden Seitenlängen wider,
die sich aus der Gewichtung der einzelnen Komponenten ergeben.
Zuneigung
(nur Intimität)
Romantische Liebe Freundschaftliche Liebe
(Intimität+Leidenschaft) (Intimität+Verbindlichkeit)
Verliebtheit Leere Liebe
(nur Leidenschaft) (nur Verbindlichkeit)
Närrische Liebe
(Leidenschaft+Verbindlichkeit)
Abb. 2: Liebestypen entsprechend ihrer Kombination nach Sternberg (1998a)
Wie eingangs bereits erwähnt, unterliegt die Liebe einer gewissen Dynamik, der
Sternberg auch in seinem Modell gerecht wird. Dabei wird die Liebe meist mit der
Leidenschaft entfacht, die schon zu Beginn sehr schnell eine starke Ausprägung
erreichen kann, aber auch die Tendenz besitzt, relativ schnell wieder abzufallen.
Innerhalb der Beziehung mäßigt und transformiert sie sich, was nicht unbedingt mit
weniger Zufriedenheit einhergeht.
Die Intimität dagegen entwickelt sich langsam und steigt theoretisch unbegrenzt und
kontinuierlich an. Daraus resultiert eine ebenfalls steigende gegenseitige Verbundenheit,
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Erfüllte Liebe
(Intimität+Leidenschaft+
Verbindlichkeit)

Vergleich christlicher und nichtreligiöser Partnerschaften. Eine Fragebogenstudie.
die manchmal sogar nicht mehr wahrnehmbar ist
2
. Daraus entsteht die Schwierigkeit,
eine wirklich enge Beziehung von der Beziehungslosigkeit zu unterscheiden.
Die Entscheidung/Verbindlichkeit beginnt, wenn sich zwei Menschen kennen lernen, und
steigt allmählich an, bis die beiden Menschen übereinkommen, den Versuch zu starten,
eine gemeinsame Zukunft aufzubauen. Zu diesem Zeitpunkt erreicht die
Entscheidung/Verbindlichkeit annähernd ihr maximales Niveau. Dies kann sich im Falle
von Zweifel oder Revision in seiner Ausprägung verändern, wobei selbst die
erfolgreichsten Partnerschaften hier ihre Ups and Downs haben.
Die Ausprägungen der einzelnen Bahnen von Intimität, Leidenschaft und Verbindlichkeit
differieren dadurch, dass es individuelle Unterschiede in engen Beziehungen gibt, die die
Partner in die Beziehung mit einbringen. Durch die unterschiedlichen Bahnen der
einzelnen Komponenten und somit ihrer unterschiedlichen Gewichtung ist jede
Beziehung auch ständiger Veränderung der Liebestypen unterworfen. Sternberg (1998a)
weist hier abschließend auch darauf hin, dass die Entwicklung der Liebe kein
Selbstgänger ist, sondern ständiger Pflege bedarf (vgl. z.B. auch Beck & Beck-
Gernsheim, 2000; Moeller, 2002). Überlässt man sie sich selbst, so zerfällt sie. Wie diese
Pflege aussieht, was also notwendig ist, um die Liebe am Leben zu erhalten und
wachsen zu lassen, soll im Folgenden Abschnitt erläutert werden.
2.2.2 Die gelungene Gestaltung von Partnerschaften
Die Ausführungen in diesem Abschnitt sollen sich auf Erkenntnisse über die Interaktion
eines bereits bestehenden Paares beschränken. Wie oben schon angedeutet, existiert
auf dem deutschen Buchmarkt eine Vielzahl von Ratgebern, die Anleitungen für glücklich
geführte Partnerschaften und Ehen zum Inhalt haben. Die wenigsten Autoren
argumentieren dabei auf wissenschaftlicher Grundlage, sondern begründen ihre Theorien
mit Beispielen aus der therapeutischen Praxis. In der Auswahl der für diese Arbeit
verwendeten Materialien beschränke ich mich weitestgehend auf wissenschaftliche oder
populär-wissenschaftliche Publikationen. Ihre Aktualität aber auch der Bekanntheitsgrad
der Autoren waren dabei ebenfalls hilfreiche Filter.
Sind zwei Menschen zu der Überzeugung gelangt, dass sie sich lieben und
partnerschaftlich zusammenkommen wollen, beginnt im Miteinander der Partner ein
besonders relevanter Prozess der Erschaffung einer neuen gemeinsamen Wirklichkeit.
2
Von Sternberg (1998a) als ,,hidden intimicy" bezeichnet
.
13

Vergleich christlicher und nichtreligiöser Partnerschaften. Eine Fragebogenstudie.
Willi (2002) nennt sie das ,,Dyadische Konstruktsystem" (Willi, 2002, S.67), das durch
verbale Kommunikation (Austausch von Sichtweisen, Gedanken und Gefühlen) sowie
durch gemeinsame Erlebnisse und Erfahrungen aufgebaut wird. Wie oben schon
erwähnt, wird heute davon ausgegangen, dass ein hohes Engagement (,,Liebesarbeit"
(Moeller 2002, S.114)) in die Partnerschaft eingebracht werden muss, damit Liebe und
damit eine auf Dauer angelegte Partnerschaft gelingen kann.
Wodurch sich die Interaktion zwischen Partnern gelungener Partnerschaften
auszeichnet, evaluierte Christine Schmid-Fahrner (1997):
·
Sie gehen entspannt, wohlwollend und interessiert miteinander um.
·
Sie sehen sich an, können sich zulächeln und spontan berühren,
·
nehmen Anteil an allem, was der andere empfindet, sei es Freude oder auch Leid
oder Ärger.
·
Bei Konflikten verletzen sie nie die Grenze der persönlichen Würde.
·
Die Kritik am anderen ist nie vernichtend, sondern speziell und sie betonen auch bei
Zerwürfnissen die positiven Seiten des anderen.
·
Sie bemühen sich, einander zu verstehen, nehmen sich Zeit für ehrliche Gespräche
in angenehmer Atmosphäre.
·
Sie stehen fürsorglich und pflegerisch füreinander ein und sind finanziell großzügig
zueinander.
·
Geben und Nehmen hat eine gute Balance.
·
Sie möchten, dass es dem anderen gut geht, können aber auch für sich selbst sorgen
und es sich allein gut gehen lassen.
Grundlage dafür ist die Anerkennung der prinzipiellen Getrenntheit vom Partner. Das
bedeutet, ihn in seinem Anderssein wahrnehmen und akzeptieren zu können (Schmid-
Fahrner, 1997). Hilgers (2001) sieht darin große Vorteile, weil es das Paar immer wieder
vor neue Überraschungen stellt. Es erweitert die eigene Identität und erhöht die erotische
Spannung, da diese von der Distanz zum anderen lebt. Willi (2002) meint sogar, dass
sich die Verwirklichung der Liebe gerade erst in dem Spannungsbogen zwischen
symbiotischem Verliebtsein und dem Leiden an der Einsamkeit und dem Getrenntbleiben
in der Liebe vollzieht. ,,Diese Spannung ist nicht zu beklagen oder zu pathologisieren,
sondern bleibt die bleibende Kraft in der Liebe." (Willi, 2002, S.346). Diese Spannung
veranlasst die Partner, einander zu suchen und sich gegenseitig zu erklären, so Willi
(2002). Das fördert dadurch Selbsterkenntnis und Selbstwerdung in der Liebe.
14

Vergleich christlicher und nichtreligiöser Partnerschaften. Eine Fragebogenstudie.
Moeller (2002) verweist ebenfalls auf die Bedeutung der Akzeptanz der Andersartigkeit
des Partners und setzt sie als erste von fünf Bedingungen einer guten Beziehung. ,,Um
uns geborgener zu fühlen unterschlagen wir die Andersartigkeit des anderen." (Moeller,
2002, S.156), aber erst die offene Andersartigkeit und Formulierung von Bedürfnissen
macht seiner Meinung nach einen befriedigenden Kompromiss möglich.
Die zweite Bedingung ist die Erkenntnis, dass es ein gemeinsames, unbewusstes
Zusammenspiel zwischen den Partnern gibt: ,,Diese Einsicht heißt: was immer ich erlebe,
tue und träume, es ist nicht nur von mir, es ist ebenso von Dir." (Moeller, 2002, S.163).
Durch diese Einsicht ist der Boden für Vorwürfe und Selbstvorwürfe innerhalb der
Beziehung genommen und verweist andererseits auf die eigene Verantwortung dem
Partner gegenüber, aber auch auf die gegenseitige Abhängigkeit.
Der dritte Punkt hebt die Bedeutung der regelmäßigen Gespräche der Partner
miteinander hervor. Sie führen dazu, dass sich die Partner selbst besser wahrnehmen
und sich wechselseitig zu intensiverer Entwicklung befähigen. Neues wird dadurch von
Anfang an gemeinsam geschaffen und stärkt die Beziehung, da Bedürfnisse abgestimmt
werden, Konflikten vorgebeugt wird und man erkennt, dass man bestenfalls sich selbst,
aber nie den anderen ändern kann.
Wie beschrieben, sind die verbale Kommunikation und die gemeinsamen Erlebnisse
Grundlage des Aufbaus einer gemeinsamen Wirklichkeit. Moeller (2002) verbindet beide
Komponenten in seiner vierten Bedingung, da der Austausch anhand von Bildern
gemeinsamer Erlebnisse die Chance erhöht, sich in die Unterschiedlichkeit des Erlebens
des Partners einzufühlen.
Die letzte Bedingung einer guten Beziehung ist die Aufforderung ,,...eigenständig zu
handeln, selbstverantwortlich zu sein, bei sich zu bleiben und zu sich zu stehen."
(Moeller, 2002, S. 202). Im Gespräch findet dies durch die Offene Ich-Aussage und der
aktiven Gestaltung der Partnerschaft seinen Ausdruck, denn Passivität ,,...lässt schlechte
Bedingungen bestehen und führt dazu, sich letztlich abrackern zu müssen, weil nichts
sich richtig abstimmen kann: ich mich mit mir nicht und schon gar nicht mit Dir." (Moeller,
2002, S.208).
Die verbale Kommunikation besteht folglich daraus, sich selbst mit seinen momentanen
Gedanken, Gefühlen und Bedürfnissen mitzuteilen, aber auch empathisch Zuzuhören.
Das wiederum setzt voraus, dass die eigenen Grenzen klar wahrgenommen werden: ,,In
einer Liebesbeziehung funktioniert wechselseitige Empathie nur, wenn der rasche
Wechsel zwischen Einfühlung in den Partner mit zeitweiliger Aufgabe der Selbstgrenzen
und anschließender Rückkehr zu eigenem Empfinden und Erleben gelingt. (...) Wer
sicher sein kann, dass sich dabei die eigene Identität nicht auflöst, kann sich gefahrlos
auf andere einstellen." (Hilgers 2001, S.54f). Ist dies der Fall, fördern die Zwiegespräche
15

Vergleich christlicher und nichtreligiöser Partnerschaften. Eine Fragebogenstudie.
durch gegenseitige Kenntnis und Akzeptanz die Intimität (Revenstorf, 1999), die der
stärkste Prädiktor für Partnerschaftszufriedenheit ist (Hassebrauck & Fehr, zit. nach
Felser, 2003; Lemieux & Hale, 1999; Sternberg, 1997).
Der verbale Austausch ist also ein bedeutender Teil in der Interaktion des Paares, bei
dem sich die Partner wechselseitig nicht nur in ihrem Verhalten, sondern auch in der
Selbstwahrnehmung, dem Selbstwertgefühl und in den verinnerlichten Erfahrungen (als
Teile des persönlichen Konstruktsystems) beeinflussen. Passen persönliche Konstrukte
eines oder beider Partner nicht mehr mit dem dyadischen Konstruktsystem zusammen,
kann es zu Krisen oder Phasen sich aufdrängender Veränderung kommen. Eine
konstruktive Bewältigung dieser Veränderungsprozesse durch gegenseitige
Beeinflussung wird von Willi (2002, S.217) als Ko-evolution bezeichnet. Willi (2002) zeigt
dabei einige notwendige Bedingungen auf, die nötig sind, damit dieser Prozess
konstruktiv verlaufen kann und zur Partnerschaftszufriedenheit beiträgt. Dabei sollte:
·
zu einem gewissen Teil eine Kompatibilität der Konstruktsysteme beider Partner
vorhanden sein (Integration und Organisation der Konstrukte zu innersten
Überzeugungen, Wertvorstellungen und Leitbildern, welche das Gerüst des
jeweiligen Weltbildes ausmachen);
·
in der Beziehung eine altruistische Grundtendenz vorliegen;
·
eine Gerechtigkeits- und Gleichwertigkeitsbalance bestehen (gekennzeichnet durch
ein Klima von Gerechtigkeit, Fairness, Verlässlichkeit, Vertrauenswürdigkeit,
gegenseitiger Verfügbarkeit und persönlichem Einsatz sowie einem ausgewogenen
Selbstwertgefühl zwischen den Partnern);
·
auch eine gezielte gegenseitige Beeinflussung stattfinden, durch Unterstützen (mit
der Wahrung größtmöglicher Autonomie und Selbstverantwortlichkeit), Begrenzen,
Konfrontieren (als absolute Notwendigkeit) und Herausfordern (mit Hilfe von
Aufmuntern, Bitten, Konfrontieren), wobei die gezielte Beeinflussung das ,,Loslassen"
können als wichtige Bedingung voraussetzt (es verzichtet auf ein Muss der
Beeinflussung und respektiert Selbstbestimmung und Eigenverantwortlichkeit des
Partners);
·
eine Identifikation mit dem Partner vorhanden sein (zeigt sich im Gemeinsinn, im Wir-
Gefühl), bei der die Partner sich als unaustauschbar, kostbar und lebenswichtig
wahrnehmen;
·
die Eigenverantwortlichkeit als Voraussetzung für gute Auseinandersetzungen
verstanden werden.
16

Vergleich christlicher und nichtreligiöser Partnerschaften. Eine Fragebogenstudie.
Nach Gräser, Brandtdtädter & Felser (2001) sind Unterschiede und längsschnittliche
Veränderungen in der individuellen Ehezufriedenheit vor allem mit der erlebten
Unterstützung eigener Entwicklungsziele durch den Partner in Verbindung zu bringen. Je
größer dabei die wahrgenommene Unterstützung, umso zufriedener wurde die
Beziehung eingeschätzt. Gibt es Änderungswünsche an den Partner, so ergeben sich
negative Effekte auf den Zufriedenheitsstatus, während sich günstige Wirkungen auf den
Verlauf andeuten. Kritik und Unzufriedenheit könnten ihrer Meinung nach möglicherweise
auch Ausdruck von regulatorischen Prozessen sein, die langfristig zu Kohäsion und
Koorientierung innerhalb des Beziehungssystems beitragen.
Spielt während dieser regulatorischen Prozesse Angst beim Veränderungswilligen eine
bedeutende Rolle, kann es bei den Auseinandersetzungen zu radikalem und
unerbittlichem Kampf gegen den Partner kommen. Hier besteht die Gefahr, die Chancen
zu verpassen, die Bewältigung des Emanzipationsprozesses als Paar zu durchlaufen.
Die Partner steigern sich dann in eine destruktive Machtspirale, dessen Eskalation zur
Scheidung bzw. Trennung führt (Willi 2002).
Ähnliche Beobachtungen machte die Arbeitsgruppe um Gottman & Silver (2002). Sie
untersuchten in ihrem Laborexperiment besonders das Konfliktverhalten von Paaren und
konnten aufgrund ihrer empirischen Ergebnisse feststellen, dass die Art und Weise, wie
Auseinandersetzungen ausgetragen werden, ausschlaggebend für die Stabilität und
Qualität einer Ehe sind und nicht, wie oftmals angenommen, die Häufigkeit der Konflikte
(siehe auch Hilgers, 2001). Scheidungsgefährdete Paare weisen seinen Beobachtungen
zufolge typische Zeichen auf, die es ihm sogar möglich machten, 91% der
Scheidungspaare richtig vorherzusagen (Gottman & Silver, 2002, S.10). Diese Zeichen
sind:
1. Grober Auftakt der Diskussion: Dies beinhaltet negative oder anklagende,
verachtende Kritik bzw. sarkastische Bemerkungen, mit denen eine Diskussion
begonnen wird und diese mit größter Wahrscheinlichkeit zu einem negativen,
verletzenden Ende führen.
2. Die ,,Vier Apokalyptischen Reiter": Kritik, Verachtung, Rechtfertigung und
Mauern. Kritik greift den Charakter oder die Persönlichkeit an und macht
Schuldzuweisungen, während seine positive Form, die Beschwerde, einfach auf
ein vermeintliches Fehlverhalten fokussiert bleibt. Verachtung findet seinen
Ausdruck in Sarkasmus und Zynismus, Verfluchen, Augenrollen, Verhöhnen und
respektlosen, abschätzigen Humor und führt unvermeidlich zur Demütigung des
Partners und somit zum Konflikt anstelle einer Bereinigung der Situation.
Verachtung ist der Gefährlichste, der vier Reiter. Rechtfertigung ist oft die Antwort
17

Vergleich christlicher und nichtreligiöser Partnerschaften. Eine Fragebogenstudie.
auf einen persönlichen Angriff, bringt aber nur selten den gewünschten Erfolg, da
es in Wirklichkeit die Beschuldigung zurück gibt und den Konflikt eskalieren läßt.
Mauern ist meist das Resultat eines scheinbar endlosen Kreisens im Rad von
Kritik, Verachtung und Rechtfertigung, bei dem sich einer der Partner aus der
Diskussion ausklinkt, weil die erzeugte Negativität zu überwältigend wird.
3.
Überflutung: Bezeichnet die Überwältigung durch die Negativität und der Suche
nach Schutz durch emotionale Distanz zum Partner. Je häufiger sie auftritt, umso
gefährdeter ist auch die Beziehung.
4.
Körpersprache: Überflutung führt zu zahlreichen körperlichen Reaktionen: Puls
steigt, hormonelle Schwankungen, Ausstoß von Adrenalin, der Blutdruck steigt.
Das führt wiederum zu eingeschränkter Informationsaufnahme und -vermittlung,
welche das Problemlöseverhalten einschränkt.
5.
Gescheiterte Rettungsversuche (Rettungsversuch = jede Botschaft oder
Handlung, die versucht, Spannung aus der Situation zu nehmen): Je
verachtender und rechtfertigender sich die Partner verhalten, desto größer ist die
Gefahr der Überflutung und desto schwieriger ist es, einen Rettungsversuch
wahrzunehmen oder darauf zu reagieren. Das Scheitern von Rettungsversuchen
ist ein deutliches Zeichen für eine unglückliche Zukunft.
6.
Schlechte Erinnerungen: Paare, die in einer negativen Wahrnehmung von sich
und ihrer Partnerschaft verhaftet sind, neigen dazu, ihre Vergangenheit zum
Schlechteren umzuschreiben und Negatives hervorzuheben.
Ausschlaggebend für den Zustand einer Partnerschaft ist nach Gottman & Silver (2002)
folglich die Balance zwischen interpersonaler Kommunikation, Wahrnehmungsmustern
und psychophysiologischen Prozessen. Wird eine Relation von 5:1 des Verhältnisses von
positiver zu negativer Kommunikation unterschritten, kippt die Wahrnehmung der
gesamten Beziehung zur negativen Seite und Konflikte führen in diesem Zustand zu
einer massiven psychophysiologischen Erregung, die sich wiederum negativ auf die
Wahrnehmung und das Kommunikationsverhalten auswirken. Aus ursprünglich situativen
Wahrnehmungen entwickeln sich stabile Wahrnehmungs- und Attributionsmuster.
Eheprobleme werden nun als sehr schwerwiegend betrachtet und es erscheint immer
sinnloser, Dinge durchzusprechen. Die Partner versuchen allein die Probleme zu lösen,
distanzieren sich immer mehr und beginnen nebeneinander und nicht mehr miteinander
zu leben. Das Gefühl der Einsamkeit verstärkt sich und führt schließlich zur Trennung
des Paares (Gottman & Silver, 2002).
Nach Gottman & Silver (2002) ist trotz alledem nicht das Beibringen von Streitfähigkeit
der Schlüssel, sondern wie glückliche Ehen funktionieren, das heißt, wie man sich
18

Vergleich christlicher und nichtreligiöser Partnerschaften. Eine Fragebogenstudie.
einander gegenüber verhält, wenn man nicht streitet. Oberste Priorität ist für ihn dabei,
die Freundschaft zu stärken, die er als ,,...das Herz einer jeden Ehe..." bezeichnet
(Gottman & Silver, 2002, S.64).
Gottman & Silver (2002) entwickelten anhand ihrer Daten, von über 640 beobachteten
und untersuchten Paaren, 7 Strategien, die es einem Paar ermöglichen sollen, eine
glückliche Ehe zu führen. Diese Strategien sollen im Folgenden kurz erörtert werden.
1. Partner-Landkarte auf neuesten Stand bringen
Glückliche Paare sind vertraut mit der Welt des anderen. Gegenseitige Aufmerksamkeit,
dem unbewussten Kümmern darum, was der andere denkt und fühlt hilft erheblich bei
den Herausforderungen des Lebens. Einander zu kennen und zu verstehen erzeugt nach
Gottman & Silver (2002) bei den Partnern in bedeutendem Maße Freude und erleichtert
es, den Kontakt zueinander zu bewahren.
2. Zuneigung und Bewunderung füreinander pflegen
Das Gefühl von Respekt verringert die Gefahr, sich ablehnend seinem Partner
gegenüber zu verhalten. Zuneigung und Bewunderung sind für Gottman & Silver (2002)
daher auch zwei der wichtigsten Bestandteile einer erfüllten und langwährenden
Beziehung. Tägliches Lob und Anerkennung heben die Beziehungszufriedenheit in Ehe
und Partnerschaft und erhöhen die Chance einer glücklichen Zukunft.
3. Sich einander zu- , nicht abwenden
Hier verweisen Gottman & Silver (2002) auf die Bedeutung von Gesten und Situationen,
die zeigen, dass das Paar einander gern seine Aufmerksamkeit, Zuneigung, den Witz
oder die Unterstützung schenkt. Sie nennen es ,,ein Angebot machen" (Gottman & Silver,
2002, S.102). Dies wirkt stabilisierend und ist die Grundlage für eine emotionale
Verbindung, Romantik, Leidenschaft und ein gutes Sexualleben. Jedes angenommene
Angebot dient als Rücklage für schlechtere Zeiten, bei schweren Lebensproblemen oder
Konflikten. Entstehen Konflikte, verweisen die Autoren darauf, dass die Paare sich
einzugestehen haben, dass sie selbst auch immer eine Rolle bei der Entstehung des
Problems gespielt haben.
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Vergleich christlicher und nichtreligiöser Partnerschaften. Eine Fragebogenstudie.
4. Sich vom Partner beeinflussen lassen
In einer guten Freundschaft stellen Meinungsverschiedenheiten niemals die Beziehung in
Frage, weil ein Machtgleichgewicht besteht. Sich einander zu ehren und zu respektieren
lässt es leichter gelingen, die Meinung des anderen zu akzeptieren, auch wenn sie
anders ist. Sind die Partner in der Lage, sich gegenseitig in ihre Entscheidungsfindungen
mit einzubeziehen und aktiv nach einer gemeinsamen Lösung zu suchen, so sind diese
Partnerschaften auf lange Sicht die glücklichsten und stabilsten. Gottman & Silver (2002)
sehen die Ursache in der größeren Wahrscheinlichkeit, eine Lösung für konträre
Situationen zu beiderseitiger Befriedigung zu finden.
5. Lösen lösbarer Probleme
Nach Gottman & Silver (2002) lassen sich Partnerschaftskonflikte in zwei Kategorien
einteilen. Es gibt die lösbaren und die ewigen Probleme, wobei der Anteil der letzteren
sich ihrer Meinung nach auf bis zu 69% beläuft. Im Umgang mit lösbaren Problemen geht
es in erster Linie um das Wie der Auseinandersetzungen. Konstruktiv verlaufen solche
Konflikte, wenn:
a) sie mit sanftem Ton beginnen,
b) Rettungsversuche unternommen und angenommen werden,
c) versucht wird, sich selbst zu beruhigen,
d) Kompromisse eingegangen werden,
e) die Fehler des anderen toleriert werden.
Die häufigsten und sensibelsten Bereiche aus denen sich lösbare Probleme ergeben sind
Beruf, Schwiegereltern, Geld, Sex, Hausarbeit und Kinder.
6. Pattsituationen überwinden
Pattsituationen sind ein Zeichen für ewige Probleme, die durch harte Fronten und
meistens auch die ,,vier Reiter" gekennzeichnet sind. Diese können minimiert werden,
indem die Partner einander helfen ihre Träume und persönlichsten Hoffnungen
Wirklichkeit werden zu lassen. Ein derartiges Beziehungskonzept trägt dazu bei, die
Partnerschaft zu bereichern und zu bewahren. Es schränkt die Beziehungsqualität nicht
zwangläufig ein, wenn diese ewigen Probleme nicht gelöst sind. Als Bedingung
verweisen die Autoren auf die deutliche Botschaft der Akzeptanz der anderen
Persönlichkeit, der grundsätzlichen Zuneigung und des Respekts aber auch die Erlaubnis
des Mitteilens der auftretenden Gefühle, wie Wut, Gereiztheit, Enttäuschung und
Verletztheit.
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Vergleich christlicher und nichtreligiöser Partnerschaften. Eine Fragebogenstudie.
7. Einen gemeinsamen Sinn schaffen
Partnerschaft kann auch eine spirituelle Dimension haben mit einem Sinn für miteinander
verbindende Rollen und Ziele. Konflikte treten dadurch nicht so stark hervor und ewige
Probleme führen mit größerer Wahrscheinlichkeit nicht zu Pattsituationen. Je häufiger
man respektvoll und freundlich miteinander redet, umso wahrscheinlicher ist nach
Meinung der Autoren eine Annäherung in der Vorstellung von Sinnhaftigkeit.
2.2.3 Zusammenfassung
Die Ehe hatte in der früheren Geschichte rein pragmatische Funktionen. Ab dem
späteren 18. Jh. waren Eheglück und eheliche Liebe, also affektiv-emotionale Faktoren
immer mehr das Leitmotiv eines bürgerlichen Ehe- und Familienlebens. Der Grund,
warum Partnerschaften eingegangen werden, ist auch heute ein Sich-Sehnen nach
Zärtlichkeit, Akzeptanz, Verstandenwerden, nach Verwöhnung, Umsorgung oder
Bestätigung. Sternberg (1998a) vereint diese Facetten in seinem Dreiecksmodell in den
Komponenten Intimität, Leidenschaft und Verbindlichkeit, welches auch der Tatsache
gerecht wird, dass die Liebe einer gewissen Dynamik in seinem Entwicklungsverlauf
unterliegt. Damit die Liebe sich entwickeln kann, bedarf es in der Partnerschaft bzw. Ehe
in der heutigen Zeit eines hohen Engagements ­ nicht nur aufgrund fehlender
Beziehungskompetenzen, die nach Schneewind & Wunderer (2003) erlernbar sind,
sondern auch aufgrund der gesellschaftlichen Anforderungen an die Paare.
Je größer die von den Partnern mit eingebrachte ,,emotionale Intelligenz" (Gottman &
Silver, 2002, 12), um so wahrscheinlicher ist, dass sich im Alltag eine Dynamik
entwickelt, die verhindert, dass die negativen Gedanken und Gefühle (die es bei allen
Paaren gibt) die positiven überdecken und um so wahrscheinlicher ist eine beiderseitige
Zufriedenheit bis ans Lebensende. Hohe emotionale Intelligenz ermöglicht ein hohes
Maß an Akzeptanz der befremdlichen Seiten des Partners und ein Eingehen darauf mit
Fürsorge, Zuneigung und Respekt, wodurch Konflikte und Krisen genutzt werden
können, sich wechselseitig zu intensiver Entwicklung zu befähigen und die Partnerschaft
zu vertiefen. Grundlage ist eine tiefe Freundschaft. Eine steigende Vertrautheit mit den
Vorlieben, Abneigungen, persönlichen Eigenarten, Hoffnungen und Träumen des
Partners fördert eine Identifikation mit ihm, ein Wir-Gefühl und die Freude an gemeinsam
verbrachter Zeit bzw. gemeinsamer Unternehmungen.
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Vergleich christlicher und nichtreligiöser Partnerschaften. Eine Fragebogenstudie.
Konflikte entstehen durch das Zusammenspiel beider Partner, was die Einsicht in
Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit herausfordert. Gegenseitige Verletzungen
werden dadurch minimiert, dass bei Auseinandersetzungen die Kritik gegenüber dem
Partner die Grenzen der persönlichen Würde nicht überschreitet. Das trägt auch zu einer
ausgewogenen Gerechtigkeits- und Gleichwertigkeitsbalance bei, die es dem Paar leicht
macht, bei wichtigen Fragen gemeinsame Entscheidungen zu treffen. Geben und
Nehmen haben in zufriedenen Partnerschaften eine Balance, wobei mit steigender
Partnerschaftszufriedenheit auch eine größere altruistische Tendenz der Partner zu
verzeichnen ist.
Nicht zuletzt ist auch eine befriedigende Sexualität Ausdruck einer gelungenen
Paarbeziehung. Das zentrale Geschehen für eine gute Erotik ist die Entwicklung der
Beziehung: Gewinn an Intimität, befriedigende Kompromisse, größere Vertrautheit,
vielfältige Eigenbefähigung, größere Kooperationsbereitschaft und gegenseitige
Wertschätzung.
2.3 Soziale Unterstützung
Bisher wurden nur Komponenten der Interaktion des Paares miteinander und deren
Auswirkungen auf die Partnerschaft aufgezeigt. Weiterhin hat auch das soziale Netzwerk
des Paares Einfluss auf deren Partnerschaft. Obwohl den sozialen Beziehungen sowie
dem sozio-normativen Umfeld besonders im Bereich der Sozialwissenschaften eine
große Bedeutung beigemessen wird und deren allgemeine gesellschaftliche sowie im
Speziellen deren familiäre Ausgestaltung sich in den letzten Jahrzehnten verändert
haben, wurde ihnen in der Partnerschaftsforschung bisher eine untergeordnete Rolle
zugeschrieben (Bodenmann, 2000; Hartmann, 2003).
Bis heute gibt es weder zum sozialen Netzwerk noch zur sozialen Unterstützung
allgemein akzeptierte Begriffsstrukturen (Geser, 2000). Eine grobe Beschreibung für das
soziale Netzwerk liefert z.B. Laireiter (1993). Danach ist es ein komplexes soziales
System, das sich aus unterschiedlichen Formen sozialer Beziehungen und sozialer
Kontakte zusammensetzt. Ein Teil davon bildet das Unterstützungsnetzwerk. Nach Geser
(2000) beschreibt dieses die Menge an Personen, die einem Individuum bei
Alltagsproblemen oder größeren Belastungen als Unterstützer zur Verfügung stehen
würde bzw. steht oder gestanden hat. Studien von Laireiter & Baumann (1992) haben
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Vergleich christlicher und nichtreligiöser Partnerschaften. Eine Fragebogenstudie.
gezeigt, dass dabei vor allem die nahestehendsten Personen (wie Partner, enge
Freunde, Verwandte) von zentraler Bedeutung sind.
Die Frage der sozialen Unterstützung ist besonders im Kontext stressreicher und
krisenhafter Zeiten von großer Wichtigkeit. Nach Reicherts (1993) hat sie dabei eine
problem- und situationszentrierte Funktion, indem sie hilft, Stress aufzuheben oder zu
mindern. Andererseits hat sie ebenso eine emotionszentrierte Funktion durch
bereitgestellte Möglichkeit persönlichen Kontakts sowie von Zuspruch oder
Wertschätzung. In diesem Sinne wird in der Unterstützungsforschung zwischen
instrumenteller und psychologischer Unterstützung unterschieden, die sich aufgrund der
Ergebnisse mehrerer Studien (vgl. Übersicht Laireiter, 1993) in folgende Komponenten
systematisieren lassen (Laireiter, 1993):
·
Emotionale Unterstützung, gekennzeichnet durch emphatisches Verstehen und
Einfühlung, Ermöglichen von Gefühlsausdruck,
·
Selbstwertstützung, die Validierung von Gefühlen, Stärkung des Selbstwerts und
Vermittlung von Verständnis beinhaltet,
·
kognitive und evaluative Unterstützung mit Informationen zum Umgang mit
Belastung, Aufklärung, Sinngebung und Sinnerklärung,
·
problemlösungsbezogene Unterstützung durch Ermunterung zu und Verstärkung
von Selbsthilfe und eigenständigen Problemlöseversuchen,
·
Merkmale der Beziehung und Haltung mit bestenfalls offener, nicht fordernder,
anteilnehmender Haltung und warmer Beziehungsgestaltung.
Tritt also eine Belastung auf, die nach Perkonigg (1993, S.119) dann vorliegt, "...wenn
das Ereignis als bedrohlich, schädigend oder beeinträchtigend erlebt wird und eine
Störung der Homöostase darstellt.", beeinflusst die wahrgenommene verfügbare
Unterstützung bei der Situationseinschätzung die emotionalen Reaktionen und die
Entwicklung von Zielen zur Wiederherstellung der gestörten Homöostase. Dabei können
die betroffenen Personen sich bewusst um Unterstützung bemühen, oder die
Unterstützungspersonen greifen ohne Aufforderung in die Belastungsverarbeitung ein,
wenn sie das Ereignis, die emotionalen Reaktionen oder das Bewältigungsverhalten der
Person wahrnehmen. Das Bewältigungsverhalten und die möglicherweise erhaltene
Unterstützung können dann die gestörte Homöostase wiederherstellen.
Das soziale Netzwerk stellt somit ein Potential an Unterstützung zur Verfügung, abhängig
von der jeweiligen sozialen Integration der Person, welche als wichtige Voraussetzung
23

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2004
ISBN (eBook)
9783956360732
ISBN (Paperback)
9783836602525
Dateigröße
926 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Hamburg – Psychologie
Erscheinungsdatum
2007 (März)
Note
1,0
Schlagworte
partnerschaft religion soziologie sozialpsychologie religiösität
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Titel: Vergleich christlicher und nichtreligiöser Partnerschaften - eine Fragebogenstudie
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