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Die mobile Generation

Eine Untersuchung zum Umgang von Jugendlichen mit Mobiltelefonen

©2006 Diplomarbeit 64 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die mobile Kommunikation ist aus unserer Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Seit große Teile der Bevölkerung über ein Mobiltelefon verfügen, findet Kommunikation nicht mehr nur in geschützten Räumen wie Wohnhäusern und Büros statt, sondern immer mehr im öffentlichen Raum. Überall auf der Straße, in der U-Bahn oder auf dem Sportplatz sieht man Menschen mit einem Handy am Ohr.
Sie vereinbaren Termine, geben ihren augenblicklichen Standort durch, teilen mit, wie der Tag gelaufen ist oder wann sie nach Hause kommen. Dabei scheint es sie nicht zu stören, dass sie Geschäftliches, Privates oder gar Intimes öffentlich machen. Dieser Freizügigkeit trägt auch der größte deutsche Telefonanbieter Rechnung: Die geschlossene Telefonzelle gehört der Vergangenheit an, nur noch nach allen Seiten offene Telefonsäulen werden installiert.
Vor allem bei Jugendlichen ist das Handy beliebt. Nach der aktuellen Jugend-Information, Multi-Media-Studie, kurz JIM-Studie 2005, des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest (mpfs) besitzen heute 92 Prozent der 12- bis 19-Jährigen ein Mobiltelefon. Dabei sind die weiblichen Jugendlichen mit 94 Prozent etwas besser ausgestattet als ihre männlichen Altersgenossen mit 90 Prozent. Bei den 12- bis 13-Jährigen verfügen 84 Prozent über ein Handy.
Am liebsten versenden die Jugendlichen mit ihren Handys kurze Textnachrichten über den Short Message Service (SMS). Dass sich dieser Dienst steigender Beliebtheit erfreut, belegen die Statistiken der Bundesnetzagentur zum Versenden von SMS: Lag die Zahl der versendeten SMS 1998 noch bei 600 Millionen, so waren es sieben Jahre später, 2005, bereits 20,6 Milliarden.
Besitzer aktueller Handymodelle können viel mehr als nur Textbotschaften versenden und Telefonate führen. Wer ein UMTS-fähiges Handys besitzt, kann dank der schnellen Datenübermittlung von bis zu 384 Kilobit pro Sekunde (kbit/s)
Videotelefonate führen oder Fernsehprogramme auf dem Handydisplay anschauen. Er kann mit der eingebauten Kamera Fotos mit einer Auflösung von mehr als drei Megapixeln schießen und diese sogleich mit dem Multimedia Messaging Service (MMS) an Freunde verschicken.
Die Möglichkeiten wachsen auch mit den immer größer werdenden Speicherkapazitäten der Handys. So ist in die neuen Mobiltelefone oft ein MP3-Player für die Lieblingsmusik und ein Radio für die neuesten Nachrichten vom Tage integriert. Ausstattungsmerkmale wie Kalender, Telefonbuch, Wecker, Internetbrowser und […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Rainer Schuh
Die mobile Generation
Eine Untersuchung zum Umgang von Jugendlichen mit Mobiltelefonen
ISBN-10: 3-8324-9972-5
ISBN-13: 978-3-8324-9972-3
Druck Diplomica® GmbH, Hamburg, 2006
Zugl. Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg, Bonn, Deutschland, Diplomarbeit, 2006
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© Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2006
Printed in Germany

Vorwort
2
Vorwort
Von dem Maler Edgar Degas (1834-1917) erzählt Paul Valéry in ,,Tanz, Zeich-
nung und Degas" die folgende Anekdote: Ein Freund Valérys, der sich schon
vor der Wende vom 19. zum 20. Jh. in seinem Haus ein Telefon einrichten ließ,
wollte Degas mit dieser zu der Zeit noch seltenen Neuerung überraschen. Er
lud also Degas zum Mittagessen ein, nachdem er mit einem Bekannten ver-
abredet hatte, dass dieser ihn zur Essenszeit anrufe. Der Anruf kam, Valérys
Freund ging ans Telefon, sprach kurz mit dem Anrufer und kehrte voller Stolz
zu Degas zurück, in der Erwartung, dieser würde sich nun sicherlich höchst er-
staunt über diese sensationelle Erfindung äußern. Doch Degas meinte nur: ,,So,
das ist also das Telefon ­ man klingelt Ihnen und Sie rennen hin."
Heute muss niemand mehr irgendwohin rennen, um zu telefonieren. Das Tele-
fon ist zum Benutzer gekommen, es ist mobil geworden.

Inhaltsverzeichnis
3
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ... 2
Inhaltsverzeichnis... 3
Abbildungsverzeichnis ... 5
Abkürzungsverzeichnis ... 6
Kurzfassung ... 7
1
Einleitung ... 8
2
Die Entwicklung des Mobiltelefons zum Massenmedium ... 10
3
Stand der Forschung ... 16
3.1
SMS in den Massenmedien... 16
3.2
SMS und Wissenschaft ... 17
3.3
Handy und SMS aus Sicht der Kommunikationswissenschaft ... 17
3.4
SMS und Sprachwissenschaft... 18
3.5
Die ,,konzeptionelle Mündlichkeit" der Kurznachricht... 20
3.6
Funktionen von SMS ... 21
3.7
Handy im Alltag Jugendlicher ... 22
4
Ziel der Untersuchung ... 23
5
Jugendliche machen mobil ... 26
5.1
Das Handy als persönliches Medium ... 26
5.2
SMS als Hauptfunktion ... 27
5.2.1
Auswertung der Kurzbotschaften ... 29
5.2.2
160 Zeichen reichen ... 30
5.2.3
Die Geheimsprache der jugendlichen Simser ... 30
5.3
Nutzung der Zusatzfunktionen... 31
5.4
Medienbesitz ... 34
6
Der gekonnte Umgang mit dem Mobiltelefon oder: man muss ,,höllisch
aufpassen" ... 35
6.1
Einrichten des Handys... 35
6.2
Akzeptanz von ,,T9" ... 36
6.3
Direkt ins Netz ... 36

Inhaltsverzeichnis
4
6.4
SAR-Werte ... 37
6.5
Übertragungstechniken ... 38
6.6
Bekanntes und Bewährtes... 38
6.7
Bescheidene Innovationswünsche ... 39
6.8
Hilfe bei Schwierigkeiten mit dem Handy ... 40
7
Lernen durch das Handy ... 41
7.1
Kostenbewusstsein bis 70 Euro ... 41
7.2
Mobilfunknetzbetreiber ... 42
7.3
Von Klingeltönen, Abos und Logos ... 42
7.4
Die Jugend wählt Design... 43
7.5
Umwelt und Handy ... 45
7.6
Handy und Schule ... 46
7.7
Schulprojekt Mobilfunk ... 47
7.8
Polly und Fred ... 48
7.9
www.handysektor.de ... 50
7.10
Handy-Dialog mit den Eltern... 51
8
Zusammenfassung... 52
Quellenverzeichnis ... 56
Abbildungsnachweis... 62

Abbildungsverzeichnis 5
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: A-Netz Autotelefon Typ B 72, 1961... 11
Abb. 2: Power für das Mobiltelefon, 1996... 14
Abb. 3: Musik auf dem Handy, 2006... 32
Abb. 4: Designhandy RAZR V3, 2004 ... 44
Abb. 5: Mobiler Strahlungsmesskopf ... 48
Abb. 6: Immer auf Empfang: Krake Polly und Brieftaube Fred... 49
Abb. 7: Fußball live auf dem Handy... 54

Abkürzungsverzeichnis 6
Abkürzungsverzeichnis
et al.
et alii, und andere
FWU
Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht
GPRS
General Packet Radio Service
GPS
Global Positioning System
GSM
Global System for Mobile communications, Groupe Spéciale Mobile
IZMF Informationszentrum Mobilfunk e.V.
kbit/s
Kilobit pro Sekunde
Mbit/s
Megabit pro Sekunde
MHz Megahertz
MMS
Multimedia Messaging Service
mpfs
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest
LfM
Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen
OKS
Gymnasium Otto-Kühne-Schule in Bad Godesberg
RSB
Realschule Beuel der Stadt Bonn
SAR Spezifische
Absorptionsrate
SMS
Short Message Service
UMTS
Universal Mobile Telecommunications Systems
WAP Wireless Application Protocol
W/kg
Watt pro Kilogramm
WLAN
Wireless Local Area Network
WWW
World Wide Web

Kurzfassung
7
Kurzfassung
Das Mobiltelefon spielt im Leben von Jugendlichen eine immer größere Rolle.
Schon mehr als 90 Prozent der Jugendlichen zwischen 13 und 19 Jahren be-
sitzen ein eigenes Handy. Für viele ist der Verlust des Handys geradezu eine
Katastrophe, sind auf dem Handy doch alle wichtigen Kontakte zur Umwelt ge-
speichert. Neben dem Short Message Service (SMS) gewinnen der eingebaute
Fotoapparat und der MP3-Player zunehmend an Bedeutung. Klingeltöne und
Logos werden weit weniger heruntergeladen, als uns die Dauerwerbung auf
VIVA und MTV glauben machen will. Die Kenntnisse der jungen Leute über die
technischen Voraussetzungen des mobilen Telefonierens lassen allerdings zu
wünschen übrig. Nur wenige kennen
z. B.
den Mobilfunkstandard UMTS. Was
bei den jungen Menschen vor allem zählt ist, dass die Geräte ansprechend im
Design sind. Sie zahlen zwischen 7.50 Euro und 70 Euro an monatlichen Ge-
bühren. Die Erhebung eines Textkorpus von 100 SMS ergab, dass die Jugend-
lichen im Zusammenhang mit den Kurznachrichten keine Geheimsprache ent-
wickelt haben und auch Akronyme nur selten verwendet werden.
Gefragt sind neue Ansätze zur Vermittlung von technischer und allgemeiner
Medienkompetenz bei Kindern und Jugendlichen, die dem Handy einen wich-
tigen Platz einräumen. Wie dies spielerisch gelingen kann, zeigt
z. B.
eine neue
Lernsoftware des Institutes für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht
(FWU).

1 Einleitung
8
1 Einleitung
Die mobile Kommunikation ist aus unserer Gesellschaft nicht mehr wegzu-
denken. Seit große Teile der Bevölkerung über ein Mobiltelefon verfügen, findet
Kommunikation nicht mehr nur in geschützten Räumen wie Wohnhäusern und
Büros statt, sondern immer mehr im öffentlichen Raum. Überall auf der Straße,
in der U-Bahn oder auf dem Sportplatz sieht man Menschen mit einem Handy
1
am Ohr. Sie vereinbaren Termine, geben ihren augenblicklichen Standort
durch, teilen mit, wie der Tag gelaufen ist oder wann sie nach Hause kommen.
Dabei scheint es sie nicht zu stören, dass sie Geschäftliches, Privates oder gar
Intimes öffentlich machen. Dieser Freizügigkeit trägt auch der größte deutsche
Telefonanbieter Rechnung: Die geschlossene Telefonzelle gehört der Ver-
gangenheit an, nur noch nach allen Seiten offene Telefonsäulen werden instal-
liert.
Vor allem bei Jugendlichen ist das Handy beliebt. Nach der aktuellen Jugend,
Information, (Multi-) Media-Studie, kurz JIM-Studie 2005, des Medienpädago-
gischen Forschungsverbundes Südwest (mpfs) besitzen heute 92 Prozent der
12- bis 19-Jährigen ein Mobiltelefon. Dabei sind die weiblichen Jugendlichen
mit 94 Prozent etwas besser ausgestattet als ihre männlichen Altersgenossen
mit 90 Prozent. Bei den 12- bis 13-Jährigen verfügen 84 Prozent über ein
Handy (mpfs: JIM-Studie 2005, S. 48). Am liebsten versenden die Jugendlichen
mit ihren Handys kurze Textnachrichten über den Short Message Service
(SMS)
2
. Dass sich dieser Dienst steigender Beliebtheit erfreut, belegen die
Statistiken der Bundesnetzagentur zum Versenden von SMS: Lag die Zahl der
versendeten SMS 1998 noch bei 600 Millionen, so waren es sieben Jahre
1
Die Bezeichnung Handy für das Mobiltelefon hat sich nur in Deutschland eingebürgert. Im
Englischen spricht man vom mobile oder cellular phone. Die Italiener sprechen vom telefoni-
no, die Niederländer vom mobieltje und die Schweden vom ficktelefon (Taschentelefon).
2
SMS: Short Message Service, dt. Kurznachrichtendienst. Ein Mobilfunkdienst, mit dem kurze
Textnachrichten (maximal 160 Zeichen) an Mobilfunkteilnehmer gesendet werden können;
auch die Nachricht selbst wird so genannt. (Brockhaus 2006a)

1 Einleitung
9
später, 2005, bereits 20,6 Milliarden (Bundesnetzagentur: SMS Entwicklung
2005).
Besitzer aktueller Handymodelle können viel mehr als nur Textbotschaften ver-
senden und Telefonate führen. Wer ein UMTS
3
-fähiges Handys besitzt, kann
dank der schnellen Datenübermittlung von bis zu 384 Kilobit pro Sekunde
(kbit/s) Videotelefonate führen oder Fernsehprogramme auf dem Handydisplay
anschauen. Er kann mit der eingebauten Kamera Fotos mit einer Auflösung von
mehr als drei Megapixeln schießen und diese sogleich mit dem Multimedia
Messaging Service (MMS)
4
an Freunde verschicken. Die Möglichkeiten wach-
sen auch mit den immer größer werdenden Speicherkapazitäten der Handys.
So ist in die neuen Mobiltelefone oft ein MP3-Player für die Lieblingsmusik und
ein Radio für die neuesten Nachrichten vom Tage integriert. Ausstattungs-
merkmale wie Kalender, Telefonbuch, Wecker, Internetbrowser und Spiele ge-
hören heute zur Grundausstattung.
3
UMTS: Universal Mobile Telecommunication System. Nachfolger des GSM-Standard. UMTS
zeichnet eine flexible Bandbreite, 8 kbit/s bis 2 Mbit/s, bei der Datenübermittlung auf Mobil-
telefone aus (Bergmann et al. 2003, S. 360). Sendefrequenz: 2.100 MHz.
4
MMS: Mit dem Multimedia Message Service können Bilder, Videoclips oder MP3-Musikstücke
übertragen werden. MMS findet sich meist in Handys mit einem Fotoapparat wieder.

2 Die Entwicklung des Mobiltelefons zum Massenmedium
10
2
Die Entwicklung des Mobiltelefons zum
Massenmedium
Laut dem Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht (FWU) be-
saßen Ende 2003 1,3 Milliarden Menschen auf der Welt ein Handy; das be-
deutet, dass jeder fünfte Weltbürger mobil telefonieren konnte. Im Jahr 2004
wurden weltweit ,,715 Millionen Handys ausgeliefert" (http://www.heise.de).
Der Jahresbericht der Bundesnetzagentur weist für Deutschland im Jahr 2005
einen Bestand von 79,2 Millionen Handyvertragsverhältnissen aus. Im Jahr
2004 hatte Deutschland 82,42 Millionen Einwohner
(Brockhaus 2006b), d.h.
vom Baby bis zur 110 Jahre alten Rentnerin Irmgard von Stephani
(http://www.wikipedia.org) besitzt, rein statistisch gesehen, fast jeder Bundes-
bürger ein Handy. Bei der angegebenen Vertragszahl sind Nutzer mit Mehr-
fachverträgen jedoch nicht gesondert ausgewiesen. Im Großen und Ganzen ist
aber davon auszugehen, dass die Penetration des deutschen Handymarktes
bald an seine natürlichen Grenzen stößt.
Dass Mobiltelefonieren einmal für jedermann erschwinglich sein würde, hätte
man sich vor fast 50 Jahren nicht einmal träumen lassen. 1958 ging in Deutsch-
land das erste Mobilfunknetz, das A-Netz, an den Start. Betrieben wurde es von
der Deutschen Bundespost mit einer Trägerfrequenz von 160 Megahertz (MHz).
Ein Verbindungsaufbau war damals ,,nur ausgehend von einem Mobiltelefon
möglich und auf Handvermittlung angewiesen"
(Schiller 2003, S. 27). Die frühen
Mobiltelefone waren in Autos eingebaut, da sie aufgrund ihrer klobigen Bau-
weise in Röhrentechnik viel Platz benötigten und ein hohes Maß an elektrischer
Energie verbrauchten. Das Gewicht der Sende- und Empfangsanlage betrug
16 Kilogramm (kg).
Damals musste man für das ,,Autotelefon Typ B 72" (Abb. 1, S. 11) der Firma
Süddeutsche Telefonapparate-, Kabel- und Drahtwerke AG stolze 15.000 Deut-
sche Mark (DM) (rund 7.500 Euro) bezahlen. Die monatliche Grundgebühr be-
trug 60 DM (rund 30 Euro), hinzu kamen noch die Gesprächskosten
(Mu-
seumsstiftung Post und Telekommunikation, ,,B 72"). Zum Vergleich: Zu dieser

2 Die Entwicklung des Mobiltelefons zum Massenmedium
11
Zeit lag das monatliche Bruttomonatsverdienst eines Bundesbürgers bei 462
DM (rund 231 Euro) (Statistisches Bundesamt Deutschland).
So waren die Vertragsverhältnisse beim ersten mobilen Netz mit ,,ca. 11.000
Kunden" (Schiller, S. 27) 1971 noch gut überschaubar. Die Monopolstellung der
Deutschen Bundespost, die keinen Wettbewerb auf dem Telekommunikations-
markt zuließ, und dazu die hohen Anschaffungspreise und die hohe monatliche
Grundgebühr im Vergleich zu den relativ niedrigen Einkommen standen damals
einer massenhaften Verbreitung des mobilen Telefonierens entgegen.
Abb. 1: A-Netz Autotelefon Typ B 72, 1961
Erste technische Verbesserungen gab es 1972 durch das B-Netz. Ab diesem
Zeitpunkt war es möglich, Anrufe aus dem Festnetz auf den mobilen Teil-
nehmer weiterzuleiten. Voraussetzung hierfür war allerdings, dass der Anrufer
den momentanen Standort des mobilen Teilnehmers kannte. Eine Übergabe
von einer Zelle auf die Nächste war allerdings noch nicht möglich. Der Zellen-
radius betrug 30 bis 50 Kilometer (Brockhaus 2006c). Ende der siebziger Jahre
verbuchte die Bundespost ,,ca. 13.000 Kunden" (Schiller, S. 27). Für die breite
Bevölkerung sowie für Jugendliche war an mobiles Telefonieren vor allem des-
halb nicht zu denken, weil die Deutsche Bundespost die monatliche Grund-

2 Die Entwicklung des Mobiltelefons zum Massenmedium
12
gebühr 1972 noch einmal kräftig anhob: von 60 DM auf 270 DM (rund 135
Euro) pro Monat.
,,Das erste populäre Mobilfunknetz"
(Brockhaus 2006c) wurde 1986 mit dem C-
Netz in Betrieb genommen. Bei dem A- und B-Netz betrug die Trägerfrequenz
noch 160 MHz. Mit dem neuen C-Netz änderte sich die Trägerfrequenz auf 450
MHz. Dadurch konnte eine größere Menge an Daten versendet werden. Damit
war außer der analogen Sprachübertragung auch das Verschicken von Faxen
und E-Mails möglich. Möglich wurde jetzt auch die automatische Lokalisierung
eines Teilnehmers im gesamten Mobilfunknetz mittels einer codierten Magnet-
karte. Diese Karte enthielt die Zugangsberechtigung für das C-Netz sowie einen
persönlichen Identifizierungscode. Die Funktion dieser Magnetkarte lässt sich
mit der heute eingesetzten SIM-Karte in Handys vergleichen. Diese Technik
ermöglichte nun auch die automatische Gesprächsübergabe von einer Funk-
zelle zur nächsten. Dank dieser attraktiven Neuerungen stieg die Zahl der
Mobiltelefonierer auf ,,800.000" (Brockhaus 2006c) an. Es blieb aber weitest-
gehend einer finanzstarken Oberschicht, vor allem Geschäftsleuten, vorbe-
halten, diese neue Technik zu nutzen.
Anfang der neunziger Jahre beginnt eine neue Ära des Mobilfunks. Die Euro-
päer einigen sich auf den ersten digitalen Mobilfunkstandard: auf das ,,Global
System for Mobile communication" (GSM)
5
. Fortan werden die neuen digitalen
D- und E-Mobilfunknetze flächendeckend mit den Trägerfrequenzen 900 MHz
und 1.800 MHz betrieben. In den USA verbreitet sich GSM auf 1900 MHz. Mo-
biltelefone, mit denen man auf allen drei GSM-Frequenzen telefonieren kann,
heißen Tri-Band-Handys. Mit diesen Geräten sind internationales Roaming
6
,
automatische Teilnehmer- und Geräteerkennung sowie Datendienste mit einer
Bandbreite von 9,6 Kilobit pro Sekunde (kbit/s) in aller Welt möglich. Außerdem
wird ein Kurznachrichtendienst, der Short Message Service, eingeführt. Das
Kuriose: ,,Die kurzen Textnachrichten wurden ursprünglich von den Mobilfunk-
5
GSM: Global System for Mobile Communications. Volldigitaler Mobilfunknetz-Standard für
Telefonie, leitungsvermittelte und paketvermittelte Datenübertragung sowie Kurzmitteilungen
(SMS). Nachfolger der analogen Systeme der ersten Generation (,,1G") und weltweit der am
meisten verbreitete Mobilfunk-Standard (,,2G").
6
Roaming: Verbindungsübergabe zwischen zwei unterschiedlichen Mobilfunknetzen bzw. ver-
schiedenen Netzbetreibern. Nationales Roaming erlaubt den Wechsel zwischen zwei ver-
schiedenen Netzbetreibern eines Landes, internationales Roaming auch den Übergang in
ausländische Netze.

2 Die Entwicklung des Mobiltelefons zum Massenmedium
13
netzbetreibern verwendet, um den Kunden Nachrichten zu schicken"
(Androutsopoulos/Schmidt 2001, S. 2). Dass vor allem Jugendliche sich eines
Tages dieses Dienstes zum Austausch von Botschaften milliardenfach be-
dienen würden, ahnte damals noch niemand, auch die Netzbetreiber nicht.
Als 1992 die ersten digitalen Netze nach der GSM-Norm in Deutschland star-
ten, ist das mobile Telefonieren im D1-Netz der deutschen Telekom AG und im
D2-Netz von Mannesmann Mobilfunk (heute Vodafone) immer noch ein teures
Vergnügen. Die ersten GSM-Handys kosten zwischen 2.500 DM und 3.200 DM
(rund 1.250 Euro und 1.600 Euro). Für die monatliche Grundgebühr zahlt der
Nutzer 75 DM (rund 37,50 Euro). Eine Gesprächsminute schlägt mit 1,50 DM
(rund 0,75 Euro) zu Buche (Chronik der Telekommunikation, Teil 2). Im ersten
Jahr verzeichnen die Netzbetreiber zusammen ,,273.000 Teilnehmer" (Bundes-
netzagentur, Jahresbericht 2005, S. 45) in den Mobilfunknetzen.
Mit der Liberalisierung des deutschen Telekommunikationsmarktes kommt Mitte
der neunziger Jahre das E-Netz des neuen Anbieters E-Plus hinzu. Die Zahl
der Mobilfunkteilnehmer in den digitalen D- und E-Netzen steigt 1995 auf ,,3,8
Millionen" (Bundesnetzagentur, Jahresbericht 2005, S. 45). 1997 kommt ein
weiteres digitales Netz des Mobilfunkanbieters Viag Interkom (heute O
2
) hinzu.
Mit dem E2-Netz steigt die Zahl der Mobilfunkteilnehmer auf ,,8,3 Millionen"
(Bundesnetzagentur, Jahresbericht 2005, S. 45) an.
Für eine stärkere Durchdringung des Marktes sorgt auch die rasche Weiter-
entwicklung der Mobiltelefone,
z. B.
des ,,Siemens S4 power" (Abb. 2, S. 14). So
schrumpft die Abmessung des ,,S4 power" mit einer Höhe von 18 Zentimeter
(cm), einer Breite von 5 cm und einer Tiefe von 4 cm auf ein handliches Maß
zusammen. Eine neue Generation von Lithium-Ionen-Akkus ermöglicht Ge-
sprächszeiten von bis zu zehn Stunden und eine Standbyzeit von bis zu 70
Stunden ­ und das bei einem Gewicht von 235 Gramm (Museumsstiftung Post
und Telekommunikation ,,S4 power"). Zur Erinnerung: das erste ,,mobile" Auto-
telefon wog 16 kg.
Mobiltelefone werden nun auch für breitere Bevölkerungsschichten erschwing-
lich. So kostet das ,,S4 power" ohne Vertrag 988 DM (rund 494 Euro).
Außerdem bringen die Netzbetreiber 1997 eine Alternative zu den Mobilfunk-
verträgen mit langer Laufzeit auf den Markt: die so genannten Prepaid-Karten.
Die anfallenden Kosten werden im Unterschied zu den Laufzeitverträgen nicht
nachträglich in Rechnung gestellt, sondern bereits beim Kauf vorab bezahlt; die
monatliche Grundgebühr entfällt. T-Mobile bot ein so genanntes ,,XtraPaket" mit
einem Handy, einer D1-Karte und 50 DM (rund 25 Euro) Startguthaben für

2 Die Entwicklung des Mobiltelefons zum Massenmedium
14
Mobilfunkeinsteiger an. Auch Mitbewerber wie E-Plus (Free&Easy-Karte) oder
der Service-Provider debitel (CallYa-Karte) bringen Handys mit Prepaid-Karten
auf den Markt. Erklärte Zielgruppe sind junge Menschen unter 21 Jahren, die an
das mobile Telefonieren herangeführt werden sollen (vgl. Gneiting).
Abb. 2: Power für das Mobiltelefon, 1996
Ab 1999 werden die Mobiltelefone auch internetfähig. Mit dem speziell für Han-
dys entwickelten Wireless Application Protocol (WAP)
7
wird es möglich, Inter-
netseiten auf das Display eines Mobilgerätes zu übertragen. Zudem wird der
Funktionsumfang des Handys immer größer: Im Telefonbuch,
z. B.
des Nokia
7710 können jetzt bis zu ,,1.000 Namen mit jeweils drei Rufnummern" (Mu-
seumsstiftung Post und Telekommunikation) gespeichert werden, im Kalender
sind bis zu ,,250" Einträge möglich und das Eingeben von Text beim Short Mes-
sage Service erleichtert nun eine Schreibhilfe namens ,,T9".
Das mobile Telefonieren wird dank niedriger Gerätepreise, günstiger Tarife,
kleinerer Geräte und höherer Datenraten durch den General Packet Radio Ser-
vice (GPRS)
8
zum Ende des letzten Jahrtausends endgültig zum Massen-
phänomen. Von 1999 bis 2000 hat sich die Zahl der abgeschlossenen Mobil-
7
,,Bei WAP-Anwendungen wird die Seitenbeschreibungsprache Wireless Markup Language
verwendet. Dabei ist eine Reduzierung des Informationsgehaltes der WWW-Seiten auf die
Darstellungsmöglichkeiten von WAP-Anwendungen zwingend erforderlich." (Bergmann et al.
2003, S. 360)
8
GPRS: General Packet Radio Service. Ein paketvermittelter Datendienst in GSM-Netzen mit
bis zu 115,2 Kilobit pro Sekunde (Bergmann et al. 2003, S. 359)

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783832499723
ISBN (Paperback)
9783838699721
DOI
10.3239/9783832499723
Dateigröße
513 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg – Elektrotechnik, Technikjournalismus
Erscheinungsdatum
2006 (November)
Note
1,7
Schlagworte
handy umgang medium jugendlich schule
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Titel: Die mobile Generation
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