Deutsche Telenovelas
Ein Unterhaltungsformat im öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehen
©2006
Magisterarbeit
165 Seiten
Zusammenfassung
Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
Mit dem Begriff der Telenovela weiß in Deutschland bis vor ungefähr zwei Jahren noch fast niemand etwas anzufangen. Seit dem 01.11.04, dem Sendestart von Bianca Wege zum Glück im ZDF, ist dies anders geworden: Die Telenovela ist in aller Munde und wird in den Medien sowie unter den Zuschauern wie selbstverständlich immer wieder verwendet. Nach dem erfolgreichen Start der ersten Telenovela im ZDF folgen schnell weitere Projekte anderer Sender, u.a. von Sat.1. Im Februar 05 startet schließlich die erste private Telenovela, Verliebt in Berlin. Auch diese Sendung erzielt schon nach kurzer Zeit sehr hohe Einschaltquoten.
Die Erfolgswelle, die durch die ersten beiden deutschen Telenovelas ausgelöst wird, führt zu einem regelrechten Boom des neuen Formats, verdeutlicht in weiteren Planungen anderer Sender sowie mehreren Neustarts in der ARD und im ZDF. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Arbeit existieren sechs verschiedene deutsche Telenovelas, weitere sind bereits in Planung. Diese Situation bildet die Ausgangsbasis für die Untersuchungen in der vorliegenden Arbeit.
Der aktuelle Telenovela-Boom in Deutschland wirft zahlreiche Fragestellungen auf und kann von unterschiedlichen Perspektiven aus betrachtet und analysiert werden. Dieser Arbeit liegen insbesondere die folgenden zwei Fragestellungen zugrunde:
Wodurch zeichnen sich die deutschen Telenovelas aus und welche Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten lassen sich in einem Vergleich auf mehreren Ebenen feststellen? Auf welche Ursachen sind diese zurückzuführen? Worin sind die Ursachen für den plötzlichen Telenovela-Boom in Deutschland zu sehen?
Betrachtet man die Tatsache, dass die Übernahme von lateinamerikanischen Sendungen in den 80er und 90er Jahren keinen Erfolg erzielt hat, so stellt sich die Frage, weshalb die Telenovelas zum heutigen Zeitpunkt eine so immense Publikumsakzeptanz erreichen können. Diese Fragestellung ist aus zwei Gründen gerechtfertigt: Zum einen werden Telenovelas im öffentlichen Diskurs immer wieder als qualitativ mangelhafte und übertrieben kitschige Geschichten verurteilt.
Zum anderen kann man im deutschen Fernsehen in den letzten Jahren eine Entwicklung weg von der Fiktion hin zu mehr Realität beobachten. Dies drückt sich beispielsweise in einer zunehmenden Anzahl an Gerichtsshows, Doku-Soaps, Reality-Shows usw. aus. Die Einführung der Telenovelas als fiktionales Unterhaltungsangebot steht völlig im Gegensatz zu dieser Entwicklung. […]
Mit dem Begriff der Telenovela weiß in Deutschland bis vor ungefähr zwei Jahren noch fast niemand etwas anzufangen. Seit dem 01.11.04, dem Sendestart von Bianca Wege zum Glück im ZDF, ist dies anders geworden: Die Telenovela ist in aller Munde und wird in den Medien sowie unter den Zuschauern wie selbstverständlich immer wieder verwendet. Nach dem erfolgreichen Start der ersten Telenovela im ZDF folgen schnell weitere Projekte anderer Sender, u.a. von Sat.1. Im Februar 05 startet schließlich die erste private Telenovela, Verliebt in Berlin. Auch diese Sendung erzielt schon nach kurzer Zeit sehr hohe Einschaltquoten.
Die Erfolgswelle, die durch die ersten beiden deutschen Telenovelas ausgelöst wird, führt zu einem regelrechten Boom des neuen Formats, verdeutlicht in weiteren Planungen anderer Sender sowie mehreren Neustarts in der ARD und im ZDF. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Arbeit existieren sechs verschiedene deutsche Telenovelas, weitere sind bereits in Planung. Diese Situation bildet die Ausgangsbasis für die Untersuchungen in der vorliegenden Arbeit.
Der aktuelle Telenovela-Boom in Deutschland wirft zahlreiche Fragestellungen auf und kann von unterschiedlichen Perspektiven aus betrachtet und analysiert werden. Dieser Arbeit liegen insbesondere die folgenden zwei Fragestellungen zugrunde:
Wodurch zeichnen sich die deutschen Telenovelas aus und welche Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten lassen sich in einem Vergleich auf mehreren Ebenen feststellen? Auf welche Ursachen sind diese zurückzuführen? Worin sind die Ursachen für den plötzlichen Telenovela-Boom in Deutschland zu sehen?
Betrachtet man die Tatsache, dass die Übernahme von lateinamerikanischen Sendungen in den 80er und 90er Jahren keinen Erfolg erzielt hat, so stellt sich die Frage, weshalb die Telenovelas zum heutigen Zeitpunkt eine so immense Publikumsakzeptanz erreichen können. Diese Fragestellung ist aus zwei Gründen gerechtfertigt: Zum einen werden Telenovelas im öffentlichen Diskurs immer wieder als qualitativ mangelhafte und übertrieben kitschige Geschichten verurteilt.
Zum anderen kann man im deutschen Fernsehen in den letzten Jahren eine Entwicklung weg von der Fiktion hin zu mehr Realität beobachten. Dies drückt sich beispielsweise in einer zunehmenden Anzahl an Gerichtsshows, Doku-Soaps, Reality-Shows usw. aus. Die Einführung der Telenovelas als fiktionales Unterhaltungsangebot steht völlig im Gegensatz zu dieser Entwicklung. […]
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Simone Spaniol
Deutsche Telenovelas
Ein Unterhaltungsformat im öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehen
ISBN-10: 3-8324-9968-7
ISBN-13: 978-3-8324-9968-6
Druck Diplomica® GmbH, Hamburg, 2006
Zugl. Universität Trier, Trier, Deutschland, Magisterarbeit, 2006
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Printed in Germany
Inhaltsverzeichnis I
Inhaltsverzeichnis
INHALTSVERZEICHNIS...I
TABELLENVERZEICHNIS ... V
ABBILDUNGSVERZEICHNIS ...VI
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS... VII
1. EINLEITUNG ... 1
1.1 A
USGANGSSITUATION
... 1
1.2 F
RAGESTELLUNGEN
... 2
1.3 G
LIEDERUNG DER
A
RBEIT
... 5
2. DIE TELENOVELA... 6
2.1 D
EFINITION DER
T
ELENOVELA
... 6
2.2 G
ESCHICHTE DER
T
ELENOVELA IN
L
ATEINAMERIKA
... 7
2.2.1 Mexiko... 9
2.2.2 Brasilien ... 11
3. THEMEN, FIGUREN UND AUFBAU ... 13
3.1 T
HEMEN IN EINER
T
ELENOVELA
... 13
3.2 D
IE
F
IGUREN
... 15
3.2.1 Die Heldin ... 16
3.2.2 Der Held... 17
3.2.3 Der oder die Böse... 18
3.2.4 Die Nebenfiguren ... 18
3.3 D
ER
A
UFBAU
... 20
3.3.1 Beispiel Bianca Wege zum Glück... 22
Inhaltsverzeichnis II
4. EINORDNUNG UND ABGRENZUNG ZU ANDEREN FORMATEN ... 24
4.1 D
AS
F
EUILLETON
... 24
4.2 D
AS
M
ÄRCHEN
... 25
4.3 D
AS
M
ELODRAMA
... 26
4.4 D
IE
S
OAP
O
PERA
... 27
4.5 Z
UORDNUNG ZU EINEM
F
ORMAT
... 31
4.6 G
ENREEINORDNUNG
... 33
5. TELENOVELAS IM DEUTSCHEN FERNSEHEN ... 35
5.1 E
XPORTE AUS
L
ATEINAMERIKA
... 35
5.2 D
IE DEUTSCHEN
T
ELENOVELAS
... 38
5.2.1 Bianca Wege zum Glück... 39
5.2.1.1 Handlung...
39
5.2.1.2 Charaktere ...
40
5.2.1.3 Darstellung
und Besonderheiten ...
41
5.2.2 Verliebt in Berlin... 42
5.2.2.1 Handlung...
42
5.2.2.2 Charaktere ...
43
5.2.2.3 Darstellung
und Besonderheiten ...
44
5.2.3 Sturm der Liebe... 45
5.2.3.1 Handlung...
45
5.2.3.2 Charaktere ...
46
5.2.3.3 Darstellung
und Besonderheiten ...
46
5.2.4 Julia Wege zum Glück... 47
5.2.4.1 Handlung...
48
5.2.4.2 Charaktere ...
48
5.2.4.3 Darstellung
und Besonderheiten ...
49
5.2.5 Sophie Braut wider Willen ... 50
5.2.5.1 Handlung...
50
5.2.5.2 Charaktere ...
51
5.2.5.3 Darstellung
und Besonderheiten ...
52
5.2.6 Leben für die Liebe... 53
5.2.6.1 Handlung...
53
5.2.6.2 Charaktere ...
54
5.2.6.3 Darstellung
und Besonderheiten ...
54
Inhaltsverzeichnis III
6. DIE PRODUKTIONSSEITE ... 56
6.1 D
ER DEUTSCHE
F
ERNSEHMARKT
... 56
6.1.1 Konkurrenzsituation... 56
6.1.2 Eigenproduktion vs. Kaufproduktion ... 59
6.2 D
IE
T
ELENOVELA
-P
RODUKTION
... 61
6.2.1 Die Produktion der Telenovelas in Lateinamerika ... 61
6.2.2 Die Produktion der deutschen Telenovelas... 63
6.2.2.1
Bianca Wege zum Glück...
64
6.2.2.2
Verliebt in Berlin...
64
6.2.2.3
Sturm der Liebe ...
65
6.2.2.4
Julia Wege zum Glück ...
66
6.2.2.5
Sophie Braut wider Willen ...
66
6.2.2.6
Leben für die Liebe...
67
6.3 T
ELENOVELAS IM ÖFFENTLICH
-
RECHTLICHEN UND IM PRIVATEN
F
ERNSEHPROGRAMM
... 67
6.3.1 Programmplanung ... 67
6.3.2 Die deutschen Telenovelas im Fernsehprogramm ... 71
6.3.2.1
Bianca Wege zum Glück und Julia Wege zum Glück ...
71
6.3.2.2
Verliebt in Berlin...
72
6.3.2.3
Sturm der Liebe ...
74
6.3.2.4
Sophie Braut wider Willen ...
75
6.3.2.5
Leben für die Liebe...
76
7. DIE REZEPTIONSSEITE ... 78
7.1 M
ARKTANTEILE UND
E
INSCHALTQUOTEN DER DEUTSCHEN
T
ELENOVELAS
... 78
7.1.1 Bianca Wege zum Glück... 79
7.1.2 Verliebt in Berlin... 81
7.1.3 Sturm der Liebe... 82
7.1.4 Julia Wege zum Glück... 84
7.1.5 Sophie Braut wider Willen ... 86
7.2 D
AS
T
ELENOVELA
-P
UBLIKUM
... 88
7.2.1 Bianca Wege zum Glück... 88
7.2.2 Sturm der Liebe... 90
7.2.3 Verliebt in Berlin... 90
7.3 F
ASZINATION
T
ELENOVELA
... 92
7.3.1 Themen und Aufbau... 92
7.3.2 Ausstrahlungsrhythmus ... 93
7.3.3 Frauen in handlungsbestimmenden Rollen ... 94
7.3.4 Göttinnenperspektive... 94
Inhaltsverzeichnis IV
7.3.5 Interpersonale Kommunikation... 94
7.3.6 Folgekommunikation... 94
7.3.7 Emotionale Intensität und parasoziale Funktionen ... 95
7.3.8 Unterhaltung ... 96
7.3.9 Identifikation ... 97
7.3.10 Eskapismus... 98
7.3.11 Lebensbedingungen... 98
8. FAZIT UND DISKUSSION ... 100
8.1 Z
IELSETZUNGEN DER ÖFFENTLICH
-
RECHTLICHEN UND DER PRIVATEN
F
ERNSEHSENDER
... 100
8.2 V
ERGLEICH DER DEUTSCHEN
T
ELENOVELAS NACH
I
NHALT
,
D
ARSTELLUNG
UND
C
HARAKTEREN
... 103
8.2.1 Hauptperson... 103
8.2.2 Handlungsort und Zeit ... 104
8.2.3 Darstellung und Anmutung ... 105
8.2.4 Außenaufnahmen... 105
8.2.5 Aufbau und Ausstrahlungsrhythmus ... 106
8.2.6 Titelsong... 107
8.2.7 Fazit ... 107
8.3 V
ERGLEICH DER DEUTSCHEN
T
ELENOVELAS AUF DER
P
RODUKTIONSSEITE
... 108
8.3.1 Produktionsfirma und Herstellungsort... 108
8.3.2 Besondere Drehbedingungen ... 109
8.3.3 Konkurrenzsituation... 110
8.3.4 Planungsstrategien der Sender ... 110
8.3.5 Rolle der Werbung ... 112
8.3.6 Fazit ... 114
8.4 V
ERGLEICH DER DEUTSCHEN
T
ELENOVELAS AUF DER
R
EZEPTIONSSEITE
... 115
8.4.1 Einschaltquoten zu Beginn und im weiteren Verlauf ... 115
8.4.2 Zusammensetzung der Zuschauer nach Alter und Geschlecht... 120
8.4.3 Demografische Merkmale der Zuschauer ... 120
8.4.4 Fazit ... 121
8.5 D
EUTSCHE
T
ELENOVELAS ALS
U
NTERHALTUNGSFORMAT IM
ÖFFENTLICH
-
RECHTLICHEN UND PRIVATEN
F
ERNSEHEN
... 123
8.6 D
IE
Z
UKUNFT DER DEUTSCHEN
T
ELENOVELAS
... 126
LITERATURVERZEICHNIS ...VIII
ANHANG... XVII
Tabellenverzeichnis V
Tabellenverzeichnis
Tabelle
1 Übersicht über Telenovelas im deutschen Fernsehen.
... 37
Tabelle 2 Typische Beschaffungsstruktur deutscher Fernsehsender
... 59
Abbildungsverzeichnis VI
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 Idealer Spannungsbogen einer Telenovela (nach Gisela Klindworth)... 22
Abbildung 2 Bianca-Hauptdarstellerin Tanja Wedhorn und das Logo der Telenovela... 39
Abbildung 3 VIB-Hauptarstellerin Alexandra Neldel und das Logo der Telenovela. ... 42
Abbildung 4 SDL-Hauptdarsteller Henriette Richter-Röhl und Greogory B. Waldis
und das Logo der Telenovela... 45
Abbildung 5 Julia-Hauptdarsteller Susanne Gärtner und Roman Rossa und das Logo
der Telenovela. ... 47
Abbildung 6 Sophie-Hauptdarstellerin Yvonne Catterfeld und das Logo der Telenovela. ... 50
Abbildung 7 LFDL-Hauptdarsteller Eva-Maria Grein und Oliver Boysen und das
Logo der Telenovela. ... 53
Abbildung 8 Entwicklung der Marktanteile von Bianca Wege zum Glück vom
01.11.04 bis 05.10.05. ... 80
Abbildung 9 Entwicklung der Marktanteile von VIB vom 28.02.05 bis 16.12.05.... 81
Abbildung 10 Entwicklung der Einschaltquoten von VIB vom 28.02.05 bis 16.12.05 ... 82
Abbildung 11 Entwicklung der Einschaltquoten von Sturm der Liebe vom 26.9.05
bis 16.12.05 ... 83
Abbildung 12 Entwicklung der Marktanteile von Sturm der Liebe vom 26.9.05
bis 16.12.05 ... 84
Abbildung 13 Entwicklung der Einschaltquoten von Julia Wege zum Glück vom
06.10.05 bis 16.12.05 ... 85
Abbildung 14 Entwicklung der Marktanteile von Julia Wege zum Glück vom 06.10.05
bis 16.12.05 ... 85
Abbildung 15 Entwicklung der Einschaltquoten von Sophie Braut wider Willen vom
08.11.05 bis 16.12.05 ... 87
Abbildung 16 Entwicklung der Marktanteile von Sophie Braut wider Willen vom
08.11.05 bis 16.12.05 ... 87
Abbildung 17 Zuschauerverteilung von Bianca Wege zum Glück nach Alter und
Geschlecht ... 89
Abbildung 18 Zuschauerverteilung von Sturm der Liebe nach Alter und Geschlecht ... 90
Abbildung 19 Zuschauerverteilung von Verliebt in Berlin nach Alter und Geschlecht ... 91
Abbildung 20 Zuschauerzahlen der jeweils ersten Folgen aller deutschen Telenovelas ... 115
Abbildung 21 Durchschnittliche Einschaltquoten der deutschen Telenovelas im
Dezember 05 (Ausnahme: Bianca) ... 117
Abbildung 22 Vergleich der Marktanteile ab 3 Jahren von Julia, SDL und Sophie vom
01.11.05 bis zum 16.12.05. ... 118
Abbildung 23 Vergleich der Marktanteile der 14-49-Jährigen von Julia, SDL, Sophie
und VIB vom 01.11.05 bis zum 16.12.05... 118
Abkürzungsverzeichnis VII
Abkürzungsverzeichnis
GZSZ Gute Zeiten, schlechte Zeiten
LFDL Leben für die Liebe
SDL Sturm der Liebe
VIB
Verliebt in Berlin
1
Einleitung 1
1. Einleitung
1.1 Ausgangssituation
In vielen Ländern, vornehmlich lateinamerikanischen sowie spanisch- und portugie-
sischsprachigen, nehmen Telenovelas seit langem eine herausragende Position im Fern-
sehprogramm ein.
1
Besonders hervorgehoben wird in diesem Zusammenhang immer
wieder der immense Einfluss, den die Sendungen in diesen Ländern auf das private und
auch auf das öffentliche Leben haben. In den privaten Haushalten bilden die Telenove-
las mittlerweile einen festen Bezugspunkt, nach dem die Zuschauer ihren Alltag organi-
sieren und an dem sie ihre Aktivitäten ausrichten. Einen ähnlichen Einfluss üben die
Telenovelas aber in einigen Ländern auch in öffentlichen Institutionen aus. In Portugal
wird beispielsweise eine Parlamentssitzung verschoben, weil sie zeitgleich zur Aus-
strahlung einer dort sehr berühmten Telenovela stattfinden soll.
2
In Deutschland weiß bis vor ungefähr anderthalb Jahren noch fast niemand etwas mit
dem Begriff der ,,Telenovela" und damit diesem neuen romantischen Format anzufan-
gen. Zwar werden auch hierzulande in den 80er und 90er Jahren einige lateinamerikani-
sche Telenovelas ausgestrahlt, doch dies eher in den Randstunden des Fernsehpro-
gramms und demzufolge auch wenig erfolgreich. Die einzige Telenovela, die im deut-
schen Fernsehen erfolgreich angenommen wird, ist im Jahr 1986 Die Sklavin Isaura in
der ARD. Seit dem 01.11.04, dem Sendestart von Bianca Wege zum Glück im ZDF,
ist der Begriff der Telenovela in aller Munde und wird in den Medien sowie unter den
Zuschauern wie selbstverständlich immer wieder verwendet. Mittlerweile existieren
sechs verschiedene deutsche Telenovelas, weitere sind bereits in Planung.
3
Dass die
erste deutsche Telenovela ausgerechnet im ZDF startet, ist darüberhinaus kein Zufall.
Der öffentlich-rechtliche Sender ist ohnehin für sein ,,Gefühlsfernsehen" bekannt und
bestätigt diesen Ruf auch immer wieder, wie zum Beispiel mit dem Traumschiff oder
dem ZDF-Sonntagsfilm, in dem Stoffe aus Romanen von Rosamunde Pilcher, Barbara
Wood und anderen Autoren verfilmt werden. Der Erfolg ebendieser Sendungen bezeugt
bereits, dass die Nachfrage nach gefühlvollen und romantischen Fernsehgeschichten in
1
Anm: ,,Jeder Tag ist Novela-Tag, wenn man will 10 Stunden hintereinander". Vgl. Günther, Klaus D.
Telenovelas: in denen Träume wahr werden... Quelle:
www.brasilienportal.ch/index.cfm?nav=12,580,581,735 (letzter Zugriff 09.01.06).
2
Vgl. Klindworth, Gisela. ,,Ich hab` so schön geweint": Telenovelas in Mexiko. Saarbrücken: Verlag für
Entwicklungspolitik, 1995, S. 7.
3
Anm: Bianca Wege zum Glück, Julia Wege zum Glück, Leben für die Liebe (alle ZDF), Sturm der
Liebe, Sophie Braut wider Willen (alle ARD), Verliebt in Berlin (Sat.1).
1
Einleitung 2
Deutschland vorhanden ist. Unter diesen Voraussetzungen ist das ZDF prädestiniert für
die Ausstrahlung der ersten deutschen Telenovela. Dass diese letztendlich zu einem
riesigen Publikumserfolg wird, hat weitere Gründe, die im Verlauf der vorliegenden
Arbeit herausgearbeitet werden. Nach dem erfolgreichen Start von Bianca Wege zum
Glück im ZDF folgen schnell weitere Projekte anderer Sender, u.a. von Sat.1. Im Febru-
ar 05 startet schließlich die erste private Telenovela, Verliebt in Berlin. Auch diese Sen-
dung erzielt schon nach kurzer Zeit sehr hohe Einschaltquoten. Die Erfolgswelle, die
durch die ersten beiden deutschen Telenovelas ausgelöst wird, führt zu einem regelrech-
ten Boom des neuen Formats, verdeutlicht in weiteren Planungen anderer Sender sowie
mehreren Neustarts in der ARD und im ZDF. Die oben beschriebene Situation bildet die
Ausgangsbasis für die Untersuchungen in der vorliegenden Arbeit, die sich mit ausge-
wählten Aspekten des Phänomens Telenovela beschäftigt. Bei der Beschäftigung mit
dem Thema stößt man auf zweierlei Schwierigkeiten. Da dieses Format hierzulande eine
Neuheit darstellt, lässt sich einerseits bislang nur sehr wenig wissenschaftliche Literatur
zu den deutschen Telenovelas finden. Aus diesem Grund stützen sich die Aussagen die-
ser Arbeit im Wesentlichen auf vorhandene Literatur zu lateinamerikanischen Telenove-
las, neuere, teilweise wissenschaftliche Publikationen und Zeitungsartikel zu den deut-
schen Telenovelas sowie auf eigene Beobachtungen und Analysen der Verfasserin. An-
dererseits vollzieht sich die Entwicklung der Telenovelas im deutschen Fernsehen mo-
mentan in einer derartigen Geschwindigkeit, dass täglich neue Informationen hinzu-
kommen. Aufgrund der zeitlichen Beschränkung, die dieser Arbeit zugrunde liegt, kön-
nen aktuelle Ereignisse und Informationen, zum Beispiel zu Einschaltquoten, zu neuen
Entwicklungen und Projekten sowie zu Neustarts von Telenovelas, nur bis zu einem
bestimmten Zeitpunkt dargestellt werden. In dieser Arbeit werden die Ereignisse und
Entwicklungen bis zum 16.12.05 einbezogen. Alle zu einem späteren Zeitpunkt statt
findende Ereignisse werden entweder lediglich vorausschauend bzw. nicht mehr be-
rücksichtigt.
1.2 Fragestellungen
Der aktuelle Telenovela-Boom in Deutschland wirft zahlreiche Fragestellungen auf und
kann von unterschiedlichen Perspektiven aus betrachtet und analysiert werden. Dieser
Arbeit liegen insbesondere die folgenden zwei Fragestellungen zugrunde:
Wodurch zeichnen sich die deutschen Telenovelas aus und welche Unterschiede bzw.
Gemeinsamkeiten lassen sich in einem Vergleich auf mehreren Ebenen feststellen?
Auf welche Ursachen sind diese zurückzuführen?
Worin sind die Ursachen für den plötzlichen Telenovela-Boom in Deutschland zu
sehen?
1
Einleitung 3
Betrachtet man die Tatsache, dass die Übernahme der lateinamerikanischen Sendungen
in den 80er und 90er Jahren keinen Erfolg erzielt hat, so stellt sich die Frage, weshalb
die Telenovelas zum heutigen Zeitpunkt eine so immense Publikumsakzeptanz errei-
chen können. Diese Fragestellung ist aus zwei Gründen gerechtfertigt: Zum einen wer-
den Telenovelas im öffentlichen Diskurs immer wieder als qualitativ mangelhafte und
übertrieben kitschige Geschichten verurteilt.
4
Zum anderen kann man im deutschen
Fernsehen in den letzten Jahren eine Entwicklung weg von der Fiktion hin zu mehr Rea-
lität beobachten. Dies drückt sich beispielsweise in einer zunehmenden Anzahl an Ge-
richtsshows, Doku-Soaps, Reality-Shows usw. aus. Die Einführung der Telenovelas als
fiktionales Unterhaltungsangebot steht völlig im Gegensatz zu dieser Entwicklung.
Dennoch scheinen die Programmverantwortlichen damit den Nerv der Zeit getroffen zu
haben. In diesem Zusammenhang lassen sich mehrere mögliche Ursachen überprüfen.
Zum einen kann man die These aufstellen, dass sich die interkulturellen Aspekte der
betroffenen Länder im Vergleich zum damaligen Zeitpunkt aneinander angenähert ha-
ben. Das würde bedeuten, dass die Übernahme des Formats der Telenovela nach
Deutschland auch ein Anzeichen für eine Konvergenz der kulturellen Hintergründe und
damit möglicherweise auch der jeweiligen Lebensbedingungen darstellt. Führt man die-
se Überlegung fort, dann ergibt sich daraus die Frage, ob die deutschen Telenovelas im
Umkehrschluss auch in Lateinamerika bzw. in anderen Ländern mit ähnlichem kulturel-
lem Hintergrund erfolgreich ausgestrahlt werden könnten. Bei diesen Betrachtungen
darf jedoch nicht vergessen werden, dass die deutschen Telenovelas nicht bloß Über-
nahmen von bereits bestehenden Geschichten darstellen, sondern eigenproduzierte Sen-
dungen sind, die eine eigene und für die deutsche Kultur charakteristische Handschrift
aufweisen. Deshalb kann hier ebenso der Fall vorliegen, dass lediglich ein Format als
Rahmen übernommen und mit eigenen kulturspezifischen Inhalten gefüllt wird. Die
Frage nach den interkulturellen Eigenschaften und Gemeinsamkeiten des Formats ist
jedoch nur schwer eindeutig zu beantworten und wird in dieser Arbeit keine weitere
Erwähnung finden. Die weitaus wichtigeren Erfolgsfaktoren für den Telenovela-Trend
lassen sich aber in Vorteile auf der Rezeptionsseite und auf der Produktionsseite auftei-
len. Auf der Rezeptionsseite liegen die Bedingungen für die hohen Einschaltquoten in
bestimmten äußeren Gegebenheiten sowie Eigenschaften der Telenovela selbst und den
erzählten Geschichten. Diese Eigenschaften werden in der vorliegenden Arbeit benannt
und mit daraus entstehenden Funktionen für die Zuschauer verknüpft.
4
Vgl. Klindworth, 1995, S. 8.; Telenovelas: Kitsch und Knochenjob. Quelle:
www.freenet.de/freenet/film_und_musik/tv/bianca_telenovela/index.html (letzter Zugriff 23.01.06).
1
Einleitung 4
Aber nicht nur bei den Zuschauern, auch bei den Fernsehsendern und damit den Produ-
zenten erfreut sich die Telenovela wachsender Popularität. Für diese Tatsache sind
hauptsächlich ökonomische und rationale Vorteile verantwortlich. Welchen ökonomi-
schen Profit die Sender aus den Telenovelas im Gegensatz zu anderen Sendungen zie-
hen, wird in der vorliegenden Arbeit ebenso erläutert. Wie man an dieser Aufteilung
bereits erkennen kann, stehen insbesondere die Produktions- und die Rezeptionsseite im
Fokus der Beobachtungen. Diese Aufteilung wird bei dem Vergleich der Telenovelas
untereinander konsequent eingehalten. Die Notwendigkeit und damit die Legitimation
eines Vergleichs zwischen den deutschen Telenovelas ergibt sich vor allen Dingen aus
einer auffälligen Tatsache: Das Format der Telenovela entsteht in Lateinamerika ur-
sprünglich als kommerzielles Format, das hauptsächlich dazu dient, Zuschauer zu bin-
den und auf diese Weise Werbezeit zu verkaufen.
5
Betrachtet man die Verteilung der
deutschen Telenovelas auf die einzelnen Sender, so fällt auf, dass fünf der sechs Tele-
novelas von öffentlich-rechtlichen, und damit nicht-kommerziellen, Fernsehanstalten
gesendet werden , wohingegen lediglich eine auf einem privaten Sender ausgestrahlt
wird. Als Folge dieser Beobachtung lassen sich mehrere Fragen formulieren:
Welche Differenzen, aber auch Gemeinsamkeiten lassen sich zwischen den deutschen
Telenovelas, insbesondere zwischen den öffentlich-rechtlichen und der einen priva-
ten Telenovela, feststellen?
Welche Ziele und Strategien verfolgen sowohl öffentlich-rechtliche als auch private
Fernsehsender mit der Konzeption und Ausstrahlung der deutschen Telenovelas und
inwiefern unterscheiden bzw. ähneln sich diese?
Lassen sich die beobachteten Unterschiede auf allgemeine Unterschiede in der Orga-
nisation und den Zielsetzungen zwischen den öffentlich-rechtlichen und den privaten
Sendern zurückführen?
Führen die beobachteten Differenzen zu dem Schluss, dass die Telenovelas unter-
schieden werden müssen nach einem öffentlich-rechtlichen und einem spzifisch pri-
vaten Format oder stellen alle Telenovelas ein und dasselbe Format in lediglich un-
terschiedlicher Ausrichtung auf verschiedene Zuschauergruppen dar?
Wie bereits erwähnt, stehen bei dem Vergleich der deutschen Telenovelas untereinander
Produktions- und Rezeptionsseite im Mittelpunkt. Dennoch werden auch ästhetische
und dramaturgische Aspekte des Inhalts und der Darstellung mit einbezogen. Die de-
skriptive Beschreibung geht jedoch nicht weiter in die Tiefe von Detailanalysen einzel-
ner Folgen, sondern betrachtet die Geschichten und Darstellungen der Telenovelas als
5
Vgl. Braun, Rainer. Nichts Neues am Novela-Himmel. Öffentlich-rechtliche Nachmittags-Schmonzetten
bestechen durch historische Missverständnisse und Ideenlosigkeit. Frankfurter Rundschau. Artikel
vom 28.12.05.
1
Einleitung 5
Ganzes und im Überblick. Diese etwas oberflächliche Perspektive ist zur Beantwortung
der formulierten Fragestellungen durchaus ausreichend. Zudem existieren hinsichtlich
des Aufbaus und der erzählten Geschichten deutliche formale Vorgaben der lateiname-
rikanischen Vorbilder, die zwar auf unterschiedliche Arten ausgelegt und umgesetzt
werden können, gleichzeitig aber mit großer Wahrscheinlichkeit zu lediglich geringen
Differenzen führen. Die Handlungsoptionen auf der Produktions- und Planungsseite
sind demgegenüber weit vielfältiger, so dass sich Unterschiede zwischen den öffentlich-
rechtlichen und den privaten Sendern in diesen Bereichen möglicherweise deutlicher
manifestieren werden und damit auch unterschiedliche Auswirkungen auf den Rezepti-
onssektor ausüben. Ob diese zunächst als These formulierte Ansicht wirklich zutrifft,
wird im Verlauf der vorliegenden Arbeit ebenso näher betrachtet werden wie die formu-
lierten und an das Phänomen der deutschen Telenovela geknüpften Fragen. Anhand
dieser Vorgaben ergibt sich für die vorliegende Arbeit der im Folgenden in Kürze erläu-
terte Aufbau.
1.3 Gliederung der Arbeit
Die Arbeit gliedert sich in mehrere Abschnitte, die in sinnvoller Verknüpfung zu einer
Untersuchung der oben entwickelten Fragestellungen hinführen und an deren Ende eine
abschließende Bewertung steht. In einem ersten Abschnitt werden die geschichtlichen
und theoretischen Hintergründe des Formats der Telenovela beschrieben (Kap. 2, 3 und
4). Darauf aufbauend erfolgen die Bestandsaufnahme von lateinamerikanischen Teleno-
velas im deutschen Fernsehen sowie ein Überblick über die aktuellen deutschen Tele-
novelas nach Handlung, beteiligten Personen und weiteren besonderen Merkmalen
(Kap. 5). Der anschließende Abschnitt gliedert sich entsprechend der Fokussierung in
die zwei großen Bereiche der Produktions- und der Rezeptionsseite (Kap. 6 und 7). Zu-
nächst werden die Produktionsbedingungen der einzelnen deutschen Telenovelas be-
schrieben. Im Anschluss daran wird die Planung und Positionierung der Telenovelas im
deutschen Fernsehprogramm nach unterschiedlichen Aspekten analysiert. Damit in ei-
nem direkten Ursache-Wirkungs-Zusammenhang steht die Rezeption der Telenovelas.
In diesem Abschnitt werden der Verlauf und die Verteilung der Einschaltquoten darge-
stellt und die Zusammensetzung des Publikums analysiert. Am Ende dieses Kapitels
wird die Frage beantwortet, welche äußeren Umstände und welche charakteristischen
Eigenschaften die Faszination an dem neuen Format der Telenovelas begründen. In ei-
nem letzten Abschnitt werden schließlich die Ergebnisse aller Beobachtungen zusam-
mengetragen und in einem Vergleich auf verschiedenen Ebenen gegenübergestellt (Kap.
8). Dabei werden die zugrundeliegenden Fragestellungen wieder aufgegriffen und einer
abschließenden Bewertung zugeführt. Am Ende dieser Arbeit steht schlussendlich ein
Ausblick in die mögliche Zukunft der deutschen Telenovelas.
2
Die
Telenovela 6
2. Die Telenovela
In diesem Kapitel wird zunächst eine Definition des Formats der Telenovela vorge-
nommen (Kap. 2.1). Da die Telenovelas quasi zeitgleich mit dem Aufkommen des
Fernsehens entstanden sind, wird im Anschluss an die Definition die geschichtliche
Entwicklung in Lateinamerika, insbesondere in den wichtigsten Herkunftsländern Brasi-
lien und Mexiko, nachvollzogen (Kap. 2.2).
2.1 Definition der Telenovela
Bislang existiert keine eindeutige und einheitliche Definition der Telenovela. Verschie-
dene Autoren gehen in ihren Werken von Eigendefinitionen aus, wie zum Beispiel Gise-
la Klindworth:
Die Telenovela kann auf der formalen Ebene also allgemein als eine in Lateinamerika pro-
duzierte, mit Werbung unterbrochene, täglich ausgestrahlte Fernsehserie charakterisiert
werden, deren Kapitelenden offen sind und die nach einigen Monaten in der Regel mit ei-
nem Happy-End aufhört.
6
Auch diejenigen deutschen Fernsehanstalten, die mittlerweile Telenovelas senden, ver-
suchen sich in einer Definition des Formats:
Die Telenovela ist von vorneherein auf eine bestimmte Anzahl von Folgen - meist zwischen
180 und 200 - begrenzt. Der Hauptcast besteht zwar aus 10-20 Darstellern aber es gibt eine
zentrale Hauptfigur, von deren Schicksal und Entwicklung der Haupthandlungsstrang er-
zählt. Im Gegensatz zur Daily Soap dreht sich die Handlung der Telenovela nicht um eine
Familie sondern um ein Liebespaar, das seine Liebe gegen externe und interne Angriffe zu
verteidigen versucht. Dabei ist nur einer von ihnen beiden Held bzw. Heldin der Telenovela.
Die Handlung basiert
also auf dem Kampf der Hauptperson um ihre große Liebe. Die Fa-
milienbande spielen eine tragende Rolle, denn nicht selten sind die Verwandten die Haupt-
barriere zum Liebesglück der Helden. Neben dem Haupthandlungsstrang gibt es in der Te-
lenovela immer mehrere Stränge, die aber alle mit dem Hauptstrang eng verbunden sind.
Die Geschichte wird durch große Ereignisse vorangetrieben. Die Charaktere unterteilen
sich klar nach Gut oder Böse - Held und Feind.
7
Im Internet finden sich ebenfalls verschiedene Definitionen der Telenovela:
6
Klindworth, Gisela. Mexikanische Telenovelas ihre Produktion und Struktur. In: Rundfunk und Fern-
sehen, 41. Jahrgang, 1993/4, S. 537.
7
Telenovela Daily Soap Serie. Auszug aus der ZDF-Pressemappe zu Bianca Wege zum Glück.
Quelle: www.presse-partner.de/start.cfm?pageid=638&articleid=1749&type=detail (letzter Zugriff
19.01.06).
2
Die
Telenovela 7
Die Telenovela (wörtlich: TV-Roman, spanisch für Seifenoper) ist eine spezielle Form der
Fernsehserie, die in Lateinamerika konzipiert wurde und seit den 1990er Jahren auch in
anderen Regionen der Welt ausgestrahlt wird, vor allem in Osteuropa und Nordafrika.
8
Den Eigendefinitionen der Sender und anderer Internetbeiträge muss man allerdings
kritisch gegenüberstehen, da sie nicht wissenschaftlich sind und nicht immer die Fakten
richtig darstellen.
9
Anhand der obigen Zitate wird allerdings bereits deutlich, dass die
Definitionen der Telenovela hauptsächlich bestimmte charakteristische Eigenschaften
enthalten. Dazu gehören nicht nur die geografische und ideologische Entstehungsge-
schichte, sondern auch der Aufbau, die Inhalte und die Figuren. Demzufolge kann die
Telenovela beschrieben werden als ein Fernsehformat, deren direkte Vorläufer die Ro-
manhefte, Feuilletonromane und Fortsetzungsgeschichten des 19. Jahrhunderts sind.
Entwickelt hat sie sich Mitte des letzten Jahrhunderts in Lateinamerika, vornehmlich
Kuba, Argentinien, Venezuela, Mexiko und Brasilien, aus den amerikanischen Radio-
Soaps und den lateinamerikanischen Radionovelas. Der Hauptcast umfasst ca. zwischen
10 und 25 Charakteren, die stark polarisiert in ,,die Guten" und ,,die Bösen" eingeteilt
werden können. Im Zentrum steht die Geschichte einer Frau, meist der weiblichen
Hauptperson, und eines Mannes, die sich ineinander verlieben und viele Hindernisse
überwinden müssen, bis sie am Ende glücklich vereint sind. Dieser Haupthandlungs-
strang wird parallel begleitet von mehreren Nebenhandlungssträngen, die aber alle mit
der Haupthandlung verbunden sind. Die einzelnen Kapitel zeichnen sich durch ein offe-
nes Ende mit einem Cliffhanger aus, d.h. sie enden am Höhepunkt der Spannung. Der
Cliffhanger wird in der Regel zu Beginn der nächsten Folge aufgelöst.
10
Weitere struk-
turelle Eigenschaften sind die abgeschlossene Handlung, die nach ca. 150 bis 250 Fol-
gen zu einem Happy End gelangt, die tägliche Ausstrahlung sowie die Unterbrechung
durch Werbung. Die zuvor erläuterte Eigendefinition dient als Grundlage für die vorlie-
gende Arbeit und wird im Folgenden näher ausgeführt.
2.2 Geschichte der Telenovela in Lateinamerika
Die Geschichte der Telenovela in Lateinamerika lässt sich auf zwei Entwicklungsströme
zurückführen. Zum einen werden ihnen Romanhefte und Feuilleton als direkte Vorläu-
fer bescheinigt, zum anderen weisen sie ebenso Merkmale der amerikanischen Radio-
Soaps bzw. Soap Operas auf. Der Verfasserin erscheint eine Kombination aus beiden
Hypothesen am wahrscheinlichsten. Mit Sicherheit kann jedoch davon ausgegangen
8
Definition der Telenovela. Quelle: www.de.wikipedia.org/wiki/Telenovela (letzter Zugriff 06.01.06).
9
Anm. zur Definition aus www.wikipedia.de: Die Telenovela wird nicht erst seit den 90er Jahren in an-
deren Ländern ausgestrahlt, sondern bereits ab den 60ern.
10
Anm.: Zur Definition des Cliffhangers vgl. Weiß, Nikola. Daily Soaps. Das Geheimnis deutscher
Seifenopern. Düsseldorf: VDM-Verlag, 2004, S. 20.
2
Die
Telenovela 8
werden, dass sich die Telenovelas Anfang der 50er Jahre aus den Radionovelas entwi-
ckelt haben. Diese Form des seriellen Erzählens geht zurück auf die Feuilletonromane
des 19. Jahrhunderts, die somit als direkte Vorläufer gelten können. Seit den 40er Jah-
ren werden die Feuilletonromane für das Radio adaptiert und in Hörspiele umgesetzt.
11
Die erste Radionovela wird 1948 im kubanischen Radio gehört: El Direcho de Na-
ce/The Right to Be Born.
12
Diese Entwicklung fällt zeitlich zusammen mit Expansions-
aktivitäten amerikanischer Firmen in den lateinamerikanischen Ländern. Diesen kom-
merziellen Firmen ist ein ähnliches Format, die Radio-Soap, bereits aus ihrer Heimat
bekannt.
13
Wahrscheinlich ist, dass sich die Radionovelas in ihrer Form an den Radio-
Soaps in den USA orientieren. Wie diese werden die Radionovelas hauptsächlich von
den nordamerikanischen Waschmittelfirmen gesponsert, die auf diese Weise Werbung
für ihre Produkte machen. Noch bis Ende der 50er Jahre tragen die Novelas deshalb
häufig den Namen der produzierenden Firma, zum Beispiel Triangolu Palmolive, die
für Sendezeit, technische Ausstattung und häufig auch das Personal bezahlen und da-
durch einen immensen Einfluss auf die ausgestrahlten Geschichten ausüben.
14
Aufgrund
der aufgezeigten Einflüsse aus unterschiedlichen Richtungen sollte die Entstehung der
Radionovela bzw. der Telenovela nicht als einseitiger Prozess dargestellt werden.
Anfang der 50er Jahre finden die Radionovelas schließlich den Weg auf den Bild-
schirm. Zu Beginn sind die Produktionen mit 15 bis 20 Folgen noch recht begrenzt, erst
im Laufe der Zeit werden sie auf ihre heutige Folgenanzahl zwischen ca. 150 und 250
ausgeweitet. Zunächst werden die Fernsehgeschichten lediglich einmal pro Woche mit
einer Dauer von 15 bis 30 Minuten ausgestrahlt. Da es noch keine Möglichkeit zur Auf-
zeichnung gibt, wird die Handlung live gespielt und von der Kamera in Szene gesetzt.
In den Anfängen ahmt die Kamera den weiten Blick auf eine Theaterbühne nach. Diese
Perspektive ändert sich erst im Lauf der Zeit, so dass mehr Nahaufnahmen hinzukom-
men. Aufgrund der Orientierung der Regie am Theater und der unmittelbaren Übertra-
gung werden die ersten Novelas als ,,Teleteatro" bezeichnet. Sie charakterisieren sich
durch oberflächliche Handlungen sowie improvisierte Kulissen und Garderobe.
15
Mit
der Einführung des Videotapes im Jahr 1958 wird es möglich, die Novelas täglich aus-
zustrahlen. Die Serie Senda Prohibida markiert den Beginn der täglichen Ausstrahlung
und prägt den Begriff der Telenovela.
16
In den 60er Jahren gehen die Sender dazu über,
11
Vgl. Rogers, Everett; Antola, Livia. Telenovelas: A Latin American Success Story. In: Journal of
Communication 35, 4/1985, S. 26.
12
Vgl. Matelski, Marylin J. Soap Operas worldwide. Cultural and serial realities. Jefferson, North Caro-
lina: McFarland & Company Inc., 1999, S. 27.
13
Vgl. Frey-Vor, Gerlinde. Charakteristika von Soap operas und Telenovelas im internationalen Ver-
gleich. In: Media Perspektiven, Vol. 8, 1990, S. 493.
14
Vgl. Klindworth, 1995, S. 58.
15
Vgl. ebd., S. 59.
16
Vgl. ebd., S. 60.
2
Die
Telenovela 9
ihre Sendungen in größerem Umfang selbst zu produzieren, was einen enormen Anstieg
der Anzahl an Telenovelas bewirkt. In den 80er Jahren führt die steigende Konkurrenz
auf dem Fernsehmarkt zu einer zunehmenden Nationalisierung, Modernisierung und
Diversifizierung der Telenovela-Produktionen. Die Sendungen werden inhaltlich und
strukturell nicht nur stärker auf bestimmte Publikumsgruppen, zum Beispiel Jugendli-
che, ausgerichtet, sondern es werden mehr und mehr nationale Elemente und Gegeben-
heiten mit aufgenommen. Zudem wird die Produktion differenziert und spezialisiert.
Die erfolgreichsten Telenovela-Produktionen stammen heute aus den Ländern Mexiko
und Brasilien. Aus diesem Grund wird die Entstehung des Formats in den beiden Län-
dern im Folgenden näher betrachtet.
2.2.1 Mexiko
In Mexiko entstehen die ersten drei Fernsehstationen in den Jahren 1950/51 und fusio-
nieren relativ schnell, im Jahr 1955, zu Telesistema Mexicano, dem Vorläufer Televi-
sas. Diese ist heute die erfolgreichste mexikanische Fernsehanstalt und besitzt durch
ihren machtvollen Einfluss auf dem mexikanischen Fernsehmarkt somit ein Quasi-
Monopol. Bereits 1952 werden im mexikanischen Fernsehen die ersten Telenovelas
ausgestrahlt.
17
Zunächst dominieren importierte Sendungen aus den USA bzw. anderen
lateinamerikanischen Ländern, die vor dem eigenen kulturellen Hintergrund variiert
werden. Ab den 60er Jahren stellt Televisa vermehrt Eigenproduktionen her. Die an-
fängliche Waschmittel-Werbesendung wird zunehmend zu einem eigenen nationalen
Produkt, was sich auch in steigenden Zuschauerzahlen niederschlägt. Seit 1961 besitzt
Televisa zudem eine eigene Exportfirma, die sich um die Vermarktung der Telenovelas
in anderen Ländern kümmert. Der Export gehört bis heute zu einem wichtigen Ge-
schäftsbereich, durch den Televisa beträchtliche Zusatzeinnahmen erwirtschaftet.
Im Laufe der 60er Jahre professionalisiert Televisa seine Produktion. Dies geschieht
durch die Beschäftigung eines festen Stamms an Personal und den beiden erfahrenen
Produzenten Ernesto Alonso und Valentin Pimstein. Mit ihnen beginnt die massenhafte
Produktion der Sendungen. Die Inszenierung der Telenovelas wird nun stärker an mo-
derne Filmästhetik angelehnt und orientiert sich am sogenannten ,,Cine de Oro".
18
Der
Einsatz von Close-Ups und Nahaufnahmen gilt heute als Charakteristikum der Teleno-
velas. In den 70er Jahren mehrt sich die Kritik an den Telenovelas. Sie werden als ent-
fremdend bezeichnet, mit schlechten Inhalten, die zu konservativ, zu fern, zu konsu-
17
Vgl. ,,Es ist immer das gleiche, aber wir sehen sie alle" Mexikanische Telenovelas zwischen Ge-
wohnheit und Faszination. In: Ibroamericana, 4/1995, S. 89-110. Quelle: www.tele-
novela.de/faszination.htm (letzter Zugriff 14.11.05).
18
Anm.: Das ist der Begriff für das mexikanische Kino der erfolgreichen dreißiger, vierziger und fünfzi-
ger Jahre. Vgl. ebd.
2
Die
Telenovela 10
mistisch und zu liberal sind. Vor allem für Jugendliche stellen sie nach Ansicht der Kri-
tiker eine Gefahr dar. In ihren Augen verleiten Telenovelas zu Delinquenz, Drogensucht
und sexuellen Ausschweifungen.
19
In der Folge wird die Produktion sogenannter ,,bil-
dender Telenovelas" in den 70er Jahren ausgeweitet, jedoch bleiben diese Sendungen in
der Unterzahl. Die wachsende internationale Konkurrenz zwingt Televisa dazu, ihre
Erzählungen in den 80er Jahren mit stärkerem Bezug zu nationalen Eigenheiten und
nationaler Volkskultur zu versehen. Gleichzeitig werden die einzelnen Produktions-
schritte modernisiert und spezialisiert. In Bezug auf die Inhalte findet ebenfalls eine
Diversifizierung statt. Ziel dessen soll sein, auch die Zuschauer anzusprechen, die bisher
noch keine Telenovelas sehen. Der Nachmittag bleibt dabei mit den traditionellen und
romantischen Liebesgeschichten den Hausfrauen und den Kindern vorbehalten. Die
Abendnovelas dagegen werden filmtechnisch anspruchsvoller gestaltet und auf ein jün-
geres Publikum ausgerichtet. Dementsprechend herrschen auch jugendliche Themen
vor:
Probleme, die aufgrund des Zusammenlebens verschiedener Generationen entstehen, Kon-
flikte in Liebes- und Freundschaftsbeziehungen werden auf die Lebensrealität der Jugendli-
chen zugeschnitten und ihre Vorbereitung auf das Berufsleben wird behandelt (z.B. Traum
von der Karriere als Sport- oder Musikstar).
20
Die Telenovelas am späten Abend werden mehr auf ein männliches Publikum ausge-
richtet, indem Elemente von Sexualität, Verbrechen sowie männliche Identifikationsfi-
guren eingebracht werden. Trotz aller Diversifizierungen und inhaltlichen Spezifizie-
rungen bleibt das Hauptthema der Novelas dennoch die Liebe und die romantischen
Verwicklungen zwischen Mann und Frau. Bis in die 90er Jahre hinein kann Televisa
nahezu konkurrenzlos den mexikanischen Fernsehmarkt beherrschen. 1991 gilt der
Sender mit 18.000 Stunden Programmproduktion pro Jahr als größtes spanischsprachi-
ges Fernsehprogramm der Welt.
21
Die Telenovelas sind dabei das gewinnbringendste
Produkt: Pro Jahr werden von Televisa zwischen zwölf und fünfzehn neue Telenovelas
produziert.
22
Seit 1993 hat Televisa Konkurrenz durch den Sender TV Azteca bekom-
men, der sich ebenfalls in der Produktion von Telenovelas versucht. Nicht zuletzt um
sich gegen diese Konkurrenz zu behaupten, verstärkt Televisa Anfang der 90er Jahre die
Anstrengungen, Kooperationen mit anderen Fernsehanstalten, v.a. in den USA, zu ver-
einbaren. Zusätzliche Ursache für diese Entwicklung ist der Anstieg der hispanischen
Bevölkerung in den USA. 1993 schließen sich Televisa und die amerikanische News
19
Vgl. ,,Es ist immer das gleiche, aber wir sehen sie alle" Mexikanische Telenovelas zwischen Ge-
wohnheit und Faszination. In: Ibroamericana, 4/1995, S. 89-110. Quelle: www.tele-
novela.de/faszination.htm (letzter Zugriff 14.11.05).
20
Ebd.
21
Vgl. Klindworth, 1993, S. 531.
22
Vgl. ebd., S. 533.
2
Die
Telenovela 11
Corporation zusammen, um gemeinsam die Produktion von 500 Stunden bilingualem
Fernsehmaterial zu sichern. Ein Jahr später kooperiert Televisa mit Fox Network, um
die erste englischsprachige Telenovela, Empire, zu produzieren.
23
Seit 1997 ist mit der
Telenovela Love without boundaries eine neue Ära in der Telenovela-Produktion an-
gebrochen. Als erste bilinguale Sendung beschreibt die Novela die Schwierigkeiten von
Hispanos in den USA.
24
2.2.2 Brasilien
Der größte Konkurrent für Televisa ist zur heutigen Zeit der Sender TV Globo aus Bra-
silien. Auch dort entwickelt sich das Format der Telenovela Mitte des letzten Jahrhun-
derts. Die erste Telenovela wird dort 1950 ausgestrahlt.
25
Erst 1961 gelingt es jedoch,
die Telenovela täglich zu senden. Allgemein lassen sich in Brasilien drei Phasen der
Entwicklung der Telenovela unterscheiden.
26
In der ersten Phase vom Entstehen der
Novelas bis 1965 werden hauptsächlich Übersetzungen und Adaptationen von argenti-
nischen, kubanischen und auch mexikanischen Sendungen ausgestrahlt. Diese erinnern
wie in Mexiko noch an schlecht inszenierte Theaterstücke und lehnen sich an Radiono-
velas und Romane an. Um es mit den Worten des Diplom-Theologen und wissenschaft-
lichen Mitarbeiters für Systematische Theologie an der Gesamthochschule Kassel, Her-
mann-Josef Große-Kracht, zu sagen:
In den ersten Jahren des Novela-Zeitalters, von 1964 bis 1969, beherrscht die argentinisch-
kubanische Schnulzennovela das brasilianische Fernsehen.
27
Auch Textvorlagen amerikanischer Seifenopern werden umgearbeitet und exportiert.
Die Produktion ist zunächst noch sehr stark von größeren kommerziellen Unternehmen
mitbestimmt. Erst 1967 wechselt die TV Globo verstärkt zur Eigenproduktion und dis-
tanziert sich allmählich von den großen Konzernen. Allerdings kann sich die Telenovela
in den ersten Jahren nicht durchsetzen und stößt nur auf eine schwache Resonanz beim
Publikum. Ein Grund hierfür liegt darin, dass die Zuschauer sich mit den Übersetzungen
und Adaptationen ausländischer Texte nicht identifizieren können. Erst nachdem die
Sendungen umgeschrieben und um brasilianische Elemente erweitert werden, finden sie
auch stärkeren Anklang beim Publikum. Die zweite Phase von 1965 bis 1969 startet mit
dem großen Erfolg der Sendung O direito de nascer/The right to be born des Senders
23
Vgl. Matelski, 1999, S. 29.
24
Vgl. ebd., S. 50.
25
Anm.: Sua vida me pertence. Vgl. Große-Kracht, Hermann-Josef. Die allmächtige Telenovela: der
grenzenlose Erfolg eines lateinamerikanischen Fernsehgenres. In: Communicatio socialis, J. 25, Nr.
4, 1992, S. 326.
26
Vgl. Klagsbrunn, Marta Maria. Telenovela, abendliche Faszination. Mettingen: Brasilienkunde-Verlag,
1987, S. 22.
2
Die
Telenovela 12
TV Tupi.
28
Dieser Erfolg veranlasst alle brasilianischen Fernsehanstalten, ihre Produkti-
on von Telenovelas zu verstärken. Mehr und mehr finden brasilianische Geschichte und
Wirklichkeit Eingang in die Telenovelas.
29
Auch die dritte Phase von 1969 bis heute
wird durch den Erfolg einer bestimmten Telenovela eingeläutet: Beto Rockefeller, die
wie O direite de nascer von der TV Tupi produziert wird.
30
Sie steht stellvertretend für
die zunehmende Nationalisierung und Brasilianisierung der Telenovelas. Das Alltagsle-
ben der brasilianischen Bevölkerung bildet nun den realen Hintergrund für die Ge-
schichten, was sich auch in der Angleichung der Sprache an ein alltägliches Niveau ver-
deutlicht. Außerdem werden satirische und komödiantische Elemente in die melodrama-
tische Grundkonstellation eingearbeitet. Dennoch bleiben das Streben nach Liebe,
Reichtum und Sozialprestige die grundsätzlichen Beweggründe der Handlung. Auch in
der Darstellung werden Änderungen vorgenommen. Die weiterentwickelte Videotech-
nik erlaubt nun auch Außenaufnahmen, und die Kamera gewinnt durch die Schnitttech-
nik mehr Bewegungsraum und kann vorteilhafter zur Bildgestaltung eingesetzt werden.
Insgesamt lässt sich also eine deutliche Qualitätssteigerung in den Telenovelas feststel-
len, ausgelöst durch die Telenovela Beto Rockefeller, die deshalb auch als ,,erster realer
Archetyp der modernen brasilianischen Telenovela" bezeichnet wird.
31
Durch die mitt-
lerweile erreichte Vormachtstellung hat TV Globo ähnlich wie Televisa in Mexiko heu-
te ein Quasi-Monopol auf dem brasilianischen Markt. Die Einschaltquoten für deren
Telenovelas liegen zwischen 75% und 90%. Das Gesamtangebot wird mittlerweile zu
80% von nationalen Produktionen bestimmt.
32
Neben der erfolgreichen Ausstrahlung im eigenen Land nimmt auch der Export der TV-
Globo-Sendungen eine bedeutende Stellung ein. Seit Ende der 70er Jahre engagiert sich
die TV Globo intensiv im Exportgeschäft. Bis heute exportiert Brasilien seine Teleno-
velas in über 128 Länder auf der ganzen Welt.
33
Die Auszeichnung von Hermann-Josef
Große-Kracht ist demnach mehr als berechtigt:
(Telenovelas sind) die das Land und den Kontinent beherrschende Erzählform der Gegen-
wart. [...] das wichtigste kulturelle Phänomen im Brasilien der Gegenwart.
34
27
Große-Kracht, 1992, S. 327.
28
Anm.: Übernahme der kubanischen Radionovela. Vgl. ebd., S. 328.
29
Vgl. ebd.
30
Vgl. ebd.
31
Vgl. ebd., S. 329.
32
Vgl. ebd., S. 323.
33
Vgl. ebd., S. 337.
34
Ebd., S. 323.
3 Themen, Figuren und Aufbau 13
3. Themen, Figuren und Aufbau
Auf der Grundlage der in Kapitel 2.1 festgelegten Definition der Telenovela beschäftigt
sich das folgende Kapitel mit den charakteristischen Eigenschaften. Kapitel 3.1 be-
schreibt thematische Vorgaben, die immer für eine Telenovela gelten, und gibt außer-
dem einen Überblick an möglichen Themen, die in den Geschichten verarbeitet werden
können. In Kapitel 3.2 werden die wichtigsten Figuren mit ihren äußeren und wesensty-
pischen Eigenschaften vorgestellt. Kapitel 3.3 schließlich beschäftigt sich mit dem dra-
maturgischen Aufbau einer Telenovela. Zur Verdeutlichung wird die deutsche Sendung
Bianca Wege zum Glück als Beispiel herangezogen.
3.1 Themen in einer Telenovela
Eine erste thematische Besonderheit der Telenovelas besteht darin, dass die Autoren nur
sehr selten eigene Geschichten erfinden. Meist greifen sie auf bereits bewährte und er-
folgreiche Geschichten zurück, deren Ursprung vor allem im Feuilletonroman und im
Melodrama sowie auch im Märchen liegt. Dennoch lässt sich das Format Telenovela
nicht ausschließlich auf etablierte und traditionelle Erzählformen reduzieren. Wichtige
Merkmale für Telenovelas, v.a. auch im deutschen Fernsehen, sind Aktualität und All-
täglichkeit. Die Geschichten stehen stets in Bezug zu den Alltagserfahrungen und
zeichnen sich durch die Verwendung aktueller Sprache sowie die Darstellung aktueller
Themen und Lebenswelten aus.
In Bezug auf den thematischen Rahmen legt Marta Maria Klagsbrunn die sogenannten
,,Goldenen Regeln des Genres" fest:
Es ist die Geschichte von einem Mann und einer Frau, die sich ineinander verlieben. Um
diese Liebe zu verwirklichen, müssen viele Hindernisse überwunden werden. Die Hauptper-
sonen gehören meist zwei ökonomisch und sozial grundsätzlich verschiedenen Familien an:
die eine ist reich, die andere arm. Die Familien bilden den Kern von entsprechenden sozia-
len Kreisen, mit Verwandten, Freunden, Nachbarn, Hausangestellten usw. Eine der Haupt-
figuren kämpft darum, ein Geheimnis aufzudecken, fast immer eine Enträtselung um die ei-
genen Eltern oder z.B. auch darum, den Schuldigen für den Ruin der Familie zu entlarven.
Zwei Männer konkurrieren um die Liebe einer Frau oder zwei Frauen um die eines Mannes.
Das Ganze entwickelt sich in einer Fülle von Missverständnissen, unerwarteten Gescheh-
nissen, Intrigen und Machenschaften.
35
35
Klagsbrunn, 1987, S. 65/66.
3 Themen, Figuren und Aufbau 14
Mit diesen Goldenen Regeln ist bereits ein weites Spektrum an Themen abgedeckt.
Gleichzeitig lässt der Rahmen genug Raum, um auch aktuelle Probleme zu behandeln.
Da das Hauptthema der Telenovela sich stets um menschliche Beziehungen bzw. deren
Störung dreht, kann sie auch als Beziehungsdrama bezeichnet werden. Die dargestellten
Beziehungsstörungen sind dabei außergewöhnlich stark und häufig. Das regt die morali-
sche und emotionale Bewegung über einen möglichst langen Zeitraum an und bindet die
Zuschauer an die Sendung. Dennoch spielen sich die Konflikte durchaus im Alltag ab.
Wie sich das Unglück jeweils gestaltet, variiert allerdings im Rahmen der jeweiligen
Sendung. Doch das Motiv bleibt stets das Gleiche, wie mit den Goldenen Regeln zuvor
beschrieben. Aus diesen Beschreibungen lässt sich erkennen, dass Telenovela-Themen
traditionell eher Frauen ansprechen. Anders als in Lateinamerika beinhalten die deut-
schen Telenovelas jedoch von Beginn an eine Vielfalt an Themenkomplexen und rich-
ten sich damit nicht ausschließlich an Frauen.
Wie ebenfalls an den Goldenen Regeln ersichtlich wird, ist der grundlegende Hand-
lungsstrang dem sogenannten ,,Schneewittchen- oder Aschenputtel-Plot" nachempfun-
den. Dabei kann die Handlungen meist ziemlich eindeutig einem der folgenden The-
menkomplexe zugeordnet werden: Liebesdreieck, Liebesvieleck, getrennte Zwillinge
oder Geschwister, Waise auf der Suche nach seinen Eltern, falsches Testament, unmög-
liche Liebe wegen (scheinbarer) Klassenschranken, verlorener Sohn, verlorene Tochter,
Identitätsvertauschung, Identitätstausch, Wiederkehr Totgeglaubter, gerechte Rache,
verfolgte Unschuld, mysteriöse Herkunft.
36
Natürlich gehören nicht nur Liebe und mit
ihr Sexualität zu den behandelten Themen, sondern auch die Familie und das Zugehö-
rigkeitsgefühl zu derselben. Auch allgemeine aktuelle Probleme wie Drogen, Umwelt-
verschmutzung, die Gefahr einer Aids-Erkrankung sowie Alkoholismus werden in Te-
lenovelas behandelt. Schließlich gehört auch die Kriminalität in all ihren Facetten - In-
trigen, Betrug, Raub, Körperverletzung und Mord zu den vorrangig dargestellten
Themenkomplexen. Und nicht zuletzt wird auch die Jugend mit spezifischen Themen
angesprochen, wie zum Beispiel den Problemen im Zusammenleben verschiedener Ge-
nerationen.
Neben der Störung der menschlichen Beziehungen besteht ein weiterer Konflikt in Te-
lenovelas im Kampf zwischen Arm und Reich: Die Liebesgeschichte zwischen den bei-
den Hauptpersonen ist auch dadurch charakterisiert, dass zwischen ihnen bestimmte
Standesgrenzen stehen. Meist stammt die weibliche Heldin aus einer niedrigeren gesell-
schaftlichen Schicht als der Held. Viele weibliche Hauptpersonen sind sogar als
Dienstmädchen im Haus ihres Geliebten angestellt.
37
Ein zusätzliches Zeichen für den
36
Vgl. Große-Kracht, 1992, S. 327.
37
Anm.: Dies ist der Fall in Bianca Wege zum Glück, Sturm der Liebe und Julia Wege zum Glück.
3 Themen, Figuren und Aufbau 15
vorhandenen Reichtum und Luxus wird in dem dargestellten Haupthandlungsort deut-
lich. Die meisten Telenovelas spielen auf einem großen, vornehmen Gut, welches fast
schon einem Schloss nachempfunden ist. Bestes Beispiel hierfür sind die deutschen Te-
lenovelas: Handlungsort von Bianca Wege zum Glück ist das Gut Wellinghoff, Julia
Wege zum Glück spielt in der Villa Gravenberg, Sophie Braut wider Willen auf Gut
Ahlen und Sturm der Liebe in dem edlen Hotel Fürstenhof.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass grundsätzlich alle Themen in einer Tele-
novela vorkommen können. Es existieren jedoch unterschiedliche Schwerpunktsetzun-
gen, die sich auch an der Zielgruppe der jeweiligen Sendung orientieren. Da es das Ziel
einer Telenovela ist, ein Massenpublikum anzusprechen, müssen die Themen generell
für ein breites Publikum geeignet und interessant sein.
,,... auf eine Weise denke ich, dass wir alle gleich sind. Deshalb achten wir darauf, dass die
Telenovelas, die wir schreiben, in erster Linie romantisch sind, denn wir sind romantisch
und die Liebe existiert immer."
38
Dieses Zitat einer Televisa-Mitarbeiterin drückt aus, welche Eigenschaft ein Telenove-
la-Thema haben muss: Es muss universell und weltweit beliebt sein.
Die Anziehungskraft von Sendungen wie der Telenovela erklärt sich nicht zuletzt aus der
Behandlung der uralten, bekannten und immer wieder neu bewährten Themen. Telenovela
befasst sich mit den universellen Grundthemen... In der Telenovela stehen Liebe und Fami-
lie im Mittelpunkt des Geschehens.
39
Folglich werden die universellen Themen der Unterhaltungskunst auch zum Thema der
Telenovela: Liebe, Macht, Reichtum, Prestige.
40
3.2 Die Figuren
Ebenso wichtig wie die Handlung einer Telenovela sind die beteiligten Figuren. Ihre
Charaktere und die Interaktion zwischen ihnen sind die Träger der Handlung und trei-
ben sie voran. Dabei finden sie sich stets in Liebesbeziehungen oder familiären Bezie-
hungen verstrickt, innerhalb derer sie ihre Probleme und Konflikte mit anderen Charak-
teren besprechen. Bei den deutschen Produktionen variiert der Hauptcast an Figuren
zwischen 16 (Leben für die Liebe) und 23 (Verliebt in Berlin) Personen. Für die latein-
amerikanischen Sendungen ist dagegen eine Anzahl zwischen 30 und 60 Figuren üb-
38
Interview mit einer Televisa-Mitarbeiterin. Vgl. Klindworth, Gisela. Das ist ja wie in der Telenovela.
Lateinamerikanische Serien als Märchen der modernen Welt. Jahrbuch Lateinamerika, Band 28,
2004, S. 88.
39
Klindworth, 1995, S. 141.
40
Vgl. Klagsbrunn, 1987, S.103.
3 Themen, Figuren und Aufbau 16
lich.
41
Die Figuren repräsentieren unterschiedliche Altersklassen, vom Teenager- bis
zum Rentenalter. Sie gehören allen gesellschaftlichen Klassen an, Schwerpunkt ist je-
doch die Zugehörigkeit zur Mittelschicht. Auf diese Weise können sich die Zuschauer
am besten mit den Figuren identifizieren. Die Charaktere zeichnen sich durch eine ober-
flächliche Darstellung aus, deren Inneres vom Äußeren ablesbar ist. Meist kann der Zu-
schauer die Personen anhand ihres Äußeren als gut oder böse einstufen. Die Polarisie-
rung in zwei Gruppen, ,,die Guten" und ,,die Bösen", ist ein weiteres Merkmal der Cha-
raktere in Telenovelas. Dabei sind die Personen auf eine moralische Position festgelegt,
die sie während der Handlung in aller Regel nicht verändern können. In den Telenovelas
spielen überwiegend weibliche Personen eine Rolle. Auch wenn es scheint, als wären
die weiblichen Hauptpersonen abhängig von ihrer Liebe zu einem Mann, so stellen sie
sich doch im Endeffekt als starke und selbstbewusste Persönlichkeiten heraus. Die
männlichen Figuren zeichnen sich dagegen durch eine besondere Feinfühligkeit gegen-
über ihren Frauen aus, auf deren Bedürfnisse sie immer wieder eingehen.
42
Die Frauen
aus der Oberschicht gehen meistens keiner geregelten beruflichen Tätigkeit nach
wenn doch, dann sind sie als Beraterinnen ihres Mannes in dessen Firma tätig oder be-
schäftigen sich mit weiblichen Stereotypen wie Mode, Kosmetik oder sonstiger Pflege.
Beispiele hierfür sind Ariane Wellinghoff (Bianca Wege zum Glück), die sich teilwei-
se in der Bank ihres Mannes engagiert, und Sophie von Brahmberg (Verliebt in Berlin),
die als ehemaliges Model ihr Wissen immer wieder in die Geschehnisse der Modefirma
,,Kerima Moda" einbringen möchte. Einige von ihnen engagieren sich auch ehrenamt-
lich, wie beispielsweise Charlotte Saalfeld (Sturm der Liebe), die nach einer eigenen
Krebserkrankung eine Krebsstiftung gegründet hat. Im Detail folgt die Figurenkonstel-
lation dem typisch melodramatischen Muster mit Heldin, Held und den Bösen. Ihnen
werden einige Nebenfiguren zur Seite gestellt, die aber nicht dieselbe Bedeutung erlan-
gen.
43
3.2.1 Die Heldin
Die weibliche Hauptperson vereint im Allgemeinen viele positive Eigenschaften in sich.
Sie ist makellos schön, moralisch rein und wird von allen Männern begehrt.
44
Sie ist
süß, sympathisch, weiblich, anziehend, unschuldig, selbstbewusst und opferbereit.
45
41
Vgl. Klindworth, 1993, S. 539.
42
Vgl. Petz, Sandra. Telenovela kulturelle Identität. Diplomarbeit im Fach Mediendokumentation,
Hochschule der Medien, Stuttgart, 2002, S. 10.
43
Vgl. Klindworth, 1995, S. 132.
44
Anm.: Natürlich existieren auch Ausnahmen, wie zum Beispiel die eher unattraktive und unscheinbare
Figur der Lisa Plenske in Verliebt in Berlin. Aber auch sie wird mit großer Wahrscheinlichkeit am
Ende eine Wandlung hin zu einer attraktiven Frau erfahren.
45
Vgl. Klindworth, 1995, S. 133.
3 Themen, Figuren und Aufbau 17
Gleich zu Beginn der Geschichte verliebt sie sich in den Helden bzw. aufgrund einer
Täuschung in den Schurken. Da sie noch unwissend und vertrauensselig ist, ist sie dem
oder der Bösen wehrlos ausgeliefert, die sie verfolgen und betrügen. So gerät sie gut-
gläubig und unschuldig in ihr Unglück, das sie zunächst in tiefe Trauer und Verzweif-
lung stürzt. Allerdings ist die Heldin niemals ausschließlich das passive Opfer, sondern
sie ist eine aktive und mutige Kämpferin, die sich stark für ihre guten moralischen Vor-
sätze einsetzt. Sie beginnt, aktiv um ihr Glück und für Gerechtigkeit zu kämpfen. Dieser
Kampf wird schließlich auch belohnt. Am Ende erreicht sie mit ihrem Helden den Hö-
hepunkt des Glücks.
Die weibliche Heldin einer Telenovela ist also sowohl die aktiv Handelnde als auch das
passive und wehrlose Opfer und wird damit zu einer Identifikationsfigur für die Zu-
schauer.
3.2.2 Der Held
Der männliche Held ist in der Telenovela die einzige Person, die die Heldin wirklich
glücklich machen kann. Er zeichnet sich zunächst durch seine überaus attraktive äußer-
liche Erscheinung aus. Darüber hinaus ist er auch intelligent, ernst, arbeitsam, zielstre-
big, aufrecht, stark, idealistisch, verständnisvoll, verantwortungsbewusst und gerecht.
46
Allerdings kann er auch zuweilen wegen unterschiedlicher Ereignisse gereizt reagieren.
Eine solche übertriebene Reaktion wird ihm aufgrund seiner sympathischen Ausstrah-
lung vom Zuschauer allerdings schnell wieder verziehen. Der Held steht meistens in
einem Liebesdreieck, wie zum Beispiel Alexander Saalfeld (Sturm der Liebe): Er ist mit
seiner Jugendliebe Katharina Klinker-Emden verlobt und möchte sie heiraten, als er auf
die Heldin der Serie, Laura Mahler, trifft und sich sofort in sie verliebt. Häufig wird der
Held das Opfer eines Betruges der Bösen. Die Heldin erkennt dies und möchte ihn ret-
ten. Obwohl der Held treu zu seiner Geliebten steht, kann es vorkommen, dass er sich
schwach zeigt und sich von der Bösen verführen lässt. So passiert es, dass er seiner Ge-
liebten nicht mehr vertraut und sich von ihr trennen lässt.
Der Held ist einerseits selbst Opfer, aber er ist auch edel und stark. Am Ende zeigt er
Reue über die Täuschung durch die Böse und kehrt zu seiner Heldin zurück, um mit ihr
glücklich zu werden.
46
Vgl. Klindworth, 1995, S. 134.
3 Themen, Figuren und Aufbau 18
3.2.3 Der oder die Böse
Die Figur des Schurken stellt den eigentlichen Motor der Geschichte dar, denn ohne sie
würde es keine Intrigen und Unordnung geben. Er oder sie ist schlau, hinterhältig, listig,
aggressiv, voller böser Energie, maßlos, hochmütig und von krankhafter Leidenschaft
beherrscht.
47
In den meisten Fällen wird die böse Figur durch eine Frau verkörpert. Sie ist entweder
die Mutter, die Stiefmutter, die Schwiegermutter oder auch die Schwester des Helden.
Ein Beispiel hierfür ist die Figur der Annabelle Gravenberg, Daniels Mutter, in Julia
Wege zum Glück. Aber es gibt auch Ausnahmen: Die Böse in Sturm der Liebe wird ver-
körpert durch Cora Franke, die als PR-Managerin im Hotel Fürstenhof arbeitet und eine
Affäre mit Werner Saalfeld unterhält, aber keine sonstigen verwandtschaftlichen Bezie-
hungen zur Familie hat. In Bianca Wege zum Glück müssen die beiden Hauptpersonen
gleich mit zwei Schurken zu Recht kommen, Olivers Halbbruder Pascal Wellinghoff
und Katy Neubauer, Biancas Cousine. Der oder die Böse ist eine aggressive und macht-
volle Person. Meistens wird sie jedoch nicht als böse erkannt, sondern im Gegenteil von
den anderen Personen noch als nett empfunden. Die Motive dieser Figur sind nicht im-
mer erkennbar. Sie handelt aus grundlosem Hass, egoistischen Interessen und oftmals,
wenn es sich um eine Frau handelt, aus Konkurrenz um einen Mann. Die Beschreibung
Gisela Klindworths trifft den Charakter der Bösen genau auf den Punkt:
Sie erfährt alles, ist meistens reich und verfügt damit über alle Mittel, die sie zur Verwirkli-
chung ihrer Pläne braucht und ist immer einen Schritt vor dem Guten. Sie nutzt Unwissen-
heiten aus, fälscht Dokumente, lügt und sorgt für Missverständnisse. Sie betrügt, droht, de-
mütigt und ermordet ihre Opfer oder greift sie in anderer Form aggressiv an. Sie bringt
Menschen unschuldig ins Gefängnis und sät Streit zwischen Freunden und Liebenden. Sie
ist Teil eines Liebesdreiecks oder trägt aus anderen Gründen zur Trennung eines Paares
bei.
48
3.2.4 Die Nebenfiguren
Auch die Nebenfiguren spielen für den Fortgang der Handlung eine wichtige Rolle. Sie
lassen sich unterscheiden in die KomplizInnen, die MittäterInnen und die passiven, gu-
ten Opfer.
Die KomplizInnen gehören zum Kreis der Bösen und haben wie sie ein Interesse am
Elend der Heldin. In Julia Wege zum Glück beispielsweise steht der Bösen, Daniels
Mutter Annabelle Gravenberg, ihre Tochter und Daniels Schwester Patrizia als Kompli-
47
Vgl. Klindworth, 1995, S. 134.
48
Ebd., S. 133.
3 Themen, Figuren und Aufbau 19
zin zur Seite. Oftmals werden die Nebenfiguren als hartherzig dargestellt, auch wenn sie
manchmal lediglich aus Schwäche oder Abhängigkeit zum Komplizen der Bösen wer-
den. Die männlichen Komplizen halten sich häufig im direkten Umfeld der Heldin auf
und belügen, betrügen und täuschen sie. Allerdings wird ihr böses Spiel am Ende genau
wie das der Bösen durchschaut, und nicht selten sterben die Komplizen sogar.
49
Den MittäterInnen kommt in der Handlung eine leicht tragische Rolle zu. Denn sie ha-
ben nur indirekt an bösen Taten Anteil, oftmals ohne dass sie es selbst wissen. Später
kann es ihnen passieren, dass sie selbst zu Opfern werden. Aber sie können auch Reue
zeigen und nehmen am Ende die moralische Bewertung der Bösen vor.
50
Die Rolle der
Mittäterin kommt beispelsweise in Bianca Wege zum Glück der ehemaligen Geliebten
des Vaters des Helden, Maren Heilmann, zuteil. Sie wird von Pascal und Katy unschul-
dig in deren Intrigen hineingezogen, kann sich aber später daraus befreien und hilft der
Familie Wellinghoff anschließend bei ihrem Kampf gegen die Beiden.
Die passiven, guten Opfer erscheinen oftmals nur kurz innerhalb der Geschichte oder
treten als Zeugen auf. Dennoch haben sie ein großes Gewicht in der Gesamthandlung,
denn durch ihre Aussagen können sie ein Ereignis in einem völlig anderen Licht er-
scheinen lassen. Diese Rolle wird häufig von Müttern oder Vätern des Helden bzw. der
Heldin übernommen.
51
Für die deutschen Telenovelas kann in Anlehnung an Dietmar Hammer, Dramaturg an
der Hamburger Autorenschule, auch eine Aufteilung nach der Wichtigkeit in A-, B- und
C-Figuren vorgenommen werden. Zu den ca. sechs A-Figuren gehören der Held, die
Heldin und ein oder mehrere Böse sowie weitere für die Geschichte bedeutende Figu-
ren. Daneben gibt es ebenfalls ca. sechs B-Figuren und ca. acht C-Figuren. Die C-
Figuren dienen laut Aussage Hammers dazu, soziale und wirtschaftliche Aspekte zu
erzählen. Dazu gehört zum Beispiel der Betreiber einer Kneipe, in der sich die Personen
treffen.
52
49
Vgl. Klindworth, 1995, S. 136.
50
Vgl. ebd.
51
Vgl. ebd., S. 137.
52
Vgl. Kals, Ursula. Aschenputtels Erben: Drehbuchschreiben für die Telenovelas/Solides Handwerk und
viel Süßstoff. Frankfurter Allgemeine Zeitung. Artikel vom 19.11.05. Quelle: www.faz-archiv.de (letz-
ter Zugriff 20.01.06).
3 Themen, Figuren und Aufbau 20
3.3 Der Aufbau
Das Handlungsschema der Telenovela ist folgendermaßen aufgebaut: In eine anfängliche
Ordnung tritt das Böse und versetzt die Guten in einen Zustand der Ohnmacht. HerlferIn-
nen der Heldin durchschauen das Spiel, doch die SchurkIn ist immer einen Schritt voraus.
Schließlich hilft das Schicksal und bringt das Böse zu Fall.
53
Dieses von Gisela Klindworth allgemein beschriebene Handlungsschema kann einen
Orientierungsrahmen für den Aufbau einer Telenovela darstellen. Allerdings ist für den
Aufbau einer Telenovela nicht nur der Haupterzählstrang von Bedeutung. Die lange
Laufzeit von durchschnittlich neun Monaten (in den deutschen Telenovelas zum Teil
sogar deutlich über einem Jahr) und die tägliche Ausstrahlung machen es notwendig,
neben der Hauptgeschichte viele kleine Einzelgeschichten zu erzählen. So ergibt sich
die Struktur aus einer Haupthandlung und zahlreichen damit verknüpften Nebenhand-
lungen. Mehrere Geschichten laufen in einer Folge parallel zueinander ab, berühren sich
an verschiedenen Punkten und verzweigen sich erneut. Allerdings muss die Haupthand-
lung sich sozusagen als Leitmotiv stets deutlich innerhalb aller Geschichten abzeichnen.
Diese Art, viele Geschichten zu erzählen, ohne das Publikum zu verwirren, wird auch
als ,,Multiplot" bezeichnet.
54
Im Unterschied zu anderen Formaten, wie zum Beispiel
der Soap Opera, folgt die Telenovela einem streng linearen Handlungsfortgang.
55
Das
bedeutet, die Erzählungen werden nicht ineinander verschachtelt, sondern folgen der
Logik des Nacheinander bzw. des Nebeneinander. Der lineare Ablauf darf höchstens
durch kurze Rückblendungen unterbrochen werden. Die strenge Ordnung der Erzählun-
gen wird durch plötzliche Handlungs- und Stimmungswechsel aufgelockert, die so den
Eindruck der Bewegung erzeugen. Auch die Werbeunterbrechungen tragen ihren Teil
zu den abrupten Änderungen bei. Krisensituationen werden dadurch mit harmonischen
abgewechselt, Leid wird unterbrochen durch die bunte und fröhliche Konsumwelt der
Werbung. Multiplot und Werbung versetzen den Zuschauer in starke emotionale Wech-
sel.
56
Diese Wechsel sind Teil der Strategie, um die Spannung der Zuschauer über einen
möglichst langen Zeitraum aufrecht zu erhalten. Die Spannung entwickelt sich haupt-
sächlich aus der Erwartung einer Auflösung der dargestellten Konflikte und dem Fort-
gang der Handlung. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die richtige Verteilung von
Konfliktentwicklung und Konfliktauflösung. Die Höhepunkte eines Konfliktes stehen
idealerweise neben der Einführung eines neuen Konfliktes, so dass der Zuschauer gar
nicht erst in einen Zustand des Spannungsabfalls gerät. Hilfreich ist auch die Konstruk-
tion von Geheimnissen, die über eine weite Strecke nicht gelüftet werden. Hier bieten
53
Klindworth, 1995, S. 116.
54
Vgl. Was ist eine Telenovela? Quelle: www.tele-novela.de/was.htm (letzter Zugriff 20.01.06).
55
Anm.: die Unterschiede zwischen Telenovelas und Soap Operas werden unter 4.4
näher betrachtet.
56
Vgl. Klindworth, 1993, S. 539.
3 Themen, Figuren und Aufbau 21
sich zwei Möglichkeiten an: Der Zuschauer kann einerseits selbst im Ungewissen gehal-
ten werden, oder er erfährt ein Geheimnis, das eine Figur der Telenovela noch nicht
weiß, und kann seinen Wissensvorsprung entsprechend genießen. Durch das Hinauszö-
gern der Auflösung eines Geheimnisses kann die Spannung weiter erhöht und ausge-
dehnt werden. Da der Handlungsfluss durch Werbung oder auch das Ende einer Folge
immer wieder unterbrochen wird, müssen die einzelnen Szenen nach bestimmten Mus-
tern mit offenen Enden versehen werden. Üblicherweise enden Szenen vor einer Wer-
beunterbrechung und am Ende einer Folge mit einem Höhepunkt, dem Cliffhanger.
Daneben existieren auch Szenen ohne Spannungshöhepunkt, die zur Erklärung von wei-
teren Ereignissen dienen.
Der komplette Handlungsverlauf einer Telenovela lässt sich in drei Akte einteilen.
57
Der erste Akt dient als Einführung. In ihm werden die Personen und die Handlung vor-
gestellt. Erste Konflikte treten auf und werden nach und nach entwickelt. Der erste Akt
einer Telenovela ist gezeichnet von viel Spannung und Dynamik.
Etwa zwischen dem 30. und dem 50. Kapitel vollzieht sich der Übergang zum zweiten
Akt. Hier gipfelt das Geschehen in der entscheidenden Krise. Die krisenhafte Situation
wird von den Produzenten so lange wie möglich ausgedehnt. Ein Mittel dazu ist das
Einbauen beliebig vieler Erzählschleifen. Gleichzeitig ist der sogenannte ,,Bauch" der
Telenovela auch der kritischste Punkt, da für manche Zuschauer die Handlung zu sehr
ausgedehnt sein könnte und sie dadurch die Lust am Schauen verlieren. Aus diesem
Grund zeichnet sich der zweite Akt auch durch die Einführung mehrerer neuer Personen
aus, durch überraschende Charakterwandlungen und durch die sorgfältige Kreation der
Nebenhandlungen.
58
Im dritten Akt, der ca. 30 Folgen vor dem Ende beginnt, wenden sich die Geschehnisse
langsam zum Guten. Die Konflikte beginnen sich aufzulösen, zerstrittene oder entfernte
Personen nähern sich an und die Bösen werden entlarvt. In den letzten fünf Kapiteln
lösen sich alle restlichen Sorgen auf und dem Happy End steht nichts mehr im Wege.
59
Das ist der Punkt, an dem alle Fäden der Geschichte zusammen laufen.
Das letzte Kapitel schließlich stellt eine Art Epilog dar, in dem alle Einzelschicksale
noch einmal Erwähnung finden und dargestellt werden. Auch wenn im zweiten Akt ein
temporärer Spannungshöhepunkt statt findet, so gipfelt die eigentliche Spannung in den
letzten Kapiteln, in denen die wichtigsten Enthüllungen vorkommen. Eine von Gisela
57
Vgl. Klindworth, 1995, S. 116ff.
58
Vgl. Armbruster, Claudius. Endloses, alltägliches Erzählen in der brasilianischen Telenovela. In:
Rundfunk und Fernsehen, 34. Jg., 1986/3, S. 336.
59
Vgl. Klindworth, 1995, S. 116ff.
3 Themen, Figuren und Aufbau 22
Klindworth entwickelte Grafik kann den Spannungsverlauf einer Telenovela sehr an-
schaulich verdeutlichen (siehe Abb. 1).
60
Dabei geht sie exemplarisch von einer Teleno-
vela mit 170 Folgen aus. Statt in drei Akte teilt Klindworth die Folgen in drei Phasen,
was jedoch an der eigentlichen Struktur nichts ändert.
Abbildung 1 Idealer Spannungsbogen einer Telenovela (nach Gisela Klindworth)
3.3.1 Beispiel Bianca Wege zum Glück
Bianca Wege zum Glück ist ein Beispiel für die Erfüllung der Drei-Akt-Struktur, die
im Folgenden in Kürze dargestellt wird. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Haupthand-
lung, so dass gewisse Nebenhandlungen vernachlässigt werden. Als Einschränkung
muss darauf hingewiesen werden, dass statt der von Klindworth angegebenen 170 Fol-
gen hier 224 Folgen vorliegen, so dass eine leichte Verschiebung der Übergänge zwi-
schen den einzelnen Akten durchaus verständlich ist.
Im ersten Akt (bis Folge 62) kommt Bianca, die vier Jahre lang unschuldig im Gefäng-
nis war, als Hausmädchen auf das Gut Wellinghoff, um dort ein neues Leben anzufan-
gen. Sie lernt Oliver Wellinghoff, den Sohn des Hauses, kennen. Die beiden verlieben
sich ineinander. Während Bianca erfahren muss, dass Oliver eine Verlobte hat, muss er
mit ihrer Vergangenheit im Gefängnis klarkommen. Olivers Verlobte Judith kehrt un-
terdessen aus Afrika zurück und gesteht ihm ihre Schwangerschaft. Die beiden wollen
heiraten, doch Oliver kann Bianca nicht vergessen. Gleichzeitig kehren auch Olivers
Halbbruder Pascal und Biancas Bruder Heiko aus unterschiedlichen Teilen der Welt
aufs Gut zurück.
Im zweiten Akt (Folge 63 bis Folge 183) werden die bestehenden Konflikte durch wei-
tere Verwicklungen ausgedehnt: Judith und Oliver heiraten, während Bianca zunächst
60
Vgl. Klindworth, 1995, S. 116ff.
Kap. 50
Kap. 100
Kap. 150 Kap. 170
Phase 1
Phase 2
Phase 3
3 Themen, Figuren und Aufbau 23
Pascals Heiratsantrag annimmt. Dennoch zieht es Bianca und Oliver immer wieder zu-
einander hin. Alexander Wellinghoff setzt durch seine Affären seine Ehe aufs Spiel,
seine Frau wird zur Alkoholikerin. Pascal verlässt Bianca und liiert sich mit ihrer intri-
ganten Cousine Katy. Zusammen wollen sie die Wellinghoff-Bank an sich reißen. Bian-
ca und der Chauffeur Eddie verlieben sich ineinander. Katy und Pascal schmieden eine
Intrige und überfahren Judith, die daraufhin erst ihr Baby verliert und dann stirbt. Bian-
ca wird für verantwortlich gehalten und kommt erneut unschuldig ins Gefängnis. Ob-
wohl Katy und Pascal immer kurz davor stehen, entdeckt zu werden, gelingt es ihnen,
weitere Intrigen zu spinnen. Oliver ist in Trauer um Judith und verwirrt von seinen Ge-
fühlen für Bianca und flieht vom Gut in die Einsamkeit.
Der dritte Akt beginnt nach einem Jahr, das in der Serie völlig ausgelassen wird (ca. 40
Folgen vor dem Ende). Alle Personen sind zurück. Ariane Wellinghoff hat ihre Alko-
holsucht besiegt. Dann wird Alexander Wellinghoff wegen Pascals und Katys Intrigen
in seiner Bank verhaftet. Alexanders ehemalige Geliebte Maren kehrt zurück und hilft
ihm gemeinsam mit Oliver, alles aufzuklären. Bianca will Eddie heiraten. Oliver und
Maren entlarven Pascal und Katy als die Bösen, die daraufhin fliehen und sich vor der
Polizei verstecken. Bianca und Oliver entdecken, dass sie immer noch Gefühle fürein-
ander haben und wollen heiraten. Eddie und die gesamte Familie geben ihnen ihren Se-
gen. Auf der Flucht vor der Polizei kommen Pascal und Katy ums Leben.
4 Einordnung und Abgrenzung zu anderen Formaten 24
4. Einordnung und Abgrenzung zu anderen Formaten
Die Telenovela ist nicht nur aus bestimmten literarischen Formen entstanden, sondern
sie hat im Verlauf ihrer Entwicklung Elemente aus weiteren Formaten eingearbeitet.
Durch Einflüsse aus dem Feuilleton (Kap. 4.1), dem Märchen (Kap. 4.2), dem Melo-
drama (Kap. 4.3) und nicht zuletzt der Soap Opera (Kap. 4.4) hat die Telenovela zu ih-
rer heutigen Form gefunden. Dieses Kapitel untersucht Ähnlichkeiten und Unterschiede
zu den genannten Formaten. Am Ende wird die Frage beantwortet werden, ob die Tele-
novela formal zu den Soap Operas gehört oder ob sie einem anderen Format zugerech-
net werden muss (Kap. 4.5). Zusätzlich wird eine kurze Genreeinordnung vorgenom-
men (Kap. 4.6).
4.1 Das Feuilleton
In der Literatur werden Telenovelas häufig als ,,Feuilletonromane des Fernsehzeitalters"
bezeichnet.
61
Die Ursache für diese Bezeichnung liegt in ihrer historischen Entwicklung:
Die Feuilletonromane des 19. Jahrhunderts gelten als direkte Vorläufer der Radionove-
las und damit auch der Telenovelas. Die Fortsetzungsgeschichten der damaligen Zeit
bilden eine Mischung aus Unterhaltung und Information und enthalten aktuelle Zeit-
probleme, vermischt mit traditionellen, volkstümlichen Erzählungen.
62
Für Telenovelas aus Lateinamerika lässt sich deutlich feststellen, inwieweit sie die
Thematiken des Feuilletons für ihre aktuellen Geschichten übernehmen. Im Zentrum
beider Formate stehen die Probleme der Unübersichtlichkeit und des sozialen Überle-
bens in der Großstadt. Diese Probleme bestehen nicht in gleichem Ausmaß für die deut-
sche Gesellschaft, weshalb dieses charakteristische Merkmal des Feuilletons in den
deutschen Telenovelas nicht im selben Maß aufgegriffen wird. Was jedoch die deut-
schen Sendungen mit dem Feuilletonroman des 19. Jahrhunderts gemeinsam haben,
sind der Rückgriff auf melodramatische Elemente und den Einsatz des Cliffhangers.
Sowohl Feuilletonromane als auch Telenovelas sind aufgrund der langen Erzähldauer
auf Strategien angewiesen, die in jedem Kapitel einerseits eine gewisse Neugierde be-
friedigen, andererseits aber auch ein neues Interesse am Fortgang der Handlung entfa-
chen. Beide Formate überraschen ihre Zuschauer bzw. Leser mit plötzlichen Wendun-
gen und spannenden Momenten, eingebettet in die Dauer und die Kontinuität der fort-
laufenden Handlung. Auch eingebaute Erzählschleifen, die immer wieder zurück zu den
61
Vgl. Große-Kracht, 1992, S. 332.
62
Vgl. Petz, 2002, S. 3.
4 Einordnung und Abgrenzung zu anderen Formaten 25
Hauptpersonen führen, können die Spannung über längere Zeit aufrechterhalten. Trotz
der Überraschungsmomente folgt die Haupthandlung dabei stets dem klassischen Ver-
lauf von Krise, Klimax und Auflösung.
63
Inhaltlich orientieren sich Feuilleton und Telenovela stark an aktuellen Ereignissen. Die
Realität wird hierbei mit dem Außeralltäglichen verknüpft, zum Beispiel indem die
Handlung in der für einen Großteil des Publikums ,,fernen" Welt der Reichen und des
Adels spielt.
4.2 Das Märchen
Auf den ersten Blick mag es weit hergeholt erscheinen, Telenovelas mit Märchenerzäh-
lungen zu vergleichen. Bei näherer Betrachtung lassen sich allerdings einige Gemein-
samkeiten feststellen. Besonders die Ähnlichkeit einiger Figuren mit vorhandenen Mär-
chenfiguren wird ersichtlich. Wie bereits erwähnt, bedient sich die Telenovela klassi-
scher Märchenmotive wie dem Aschenputtel- oder dem Schneewittchenmotiv. Die Hel-
dinnen können deshalb mit Prinzessinnen verglichen werden, die in den Prinzen verliebt
sind und um ihre Liebe kämpfen müssen. Die bösen Figuren dagegen zeichnen sich
durch Macht und Reichtum aus, oftmals wohnen sie in einem herrschaftlichen Anwe-
sen, das an ein Schloss erinnert. Allerdings muss an dieser Stelle einschränkend be-
merkt werden, dass nicht alle Figuren einer Telenovela ihr Pendant im Märchen finden.
Die Beschreibung der Figuren im Märchen wie in der Telenovela bleibt eher flächen-
haft. Gleiches gilt für die Situationen: Die elementarsten Erlebnisse des Lebens werden
meist in stark polarisierter Form ausgedrückt, zum Beispiel in Gegensätzen wie Not-
Glück, Tod-Geburt, Einsamkeit-Partnerschaft oder auch Hass-Liebe.
64
Weiterhin teilen beide Formate ähnliche Erzählstrukturen, wie sie Klindworth be-
schreibt:
Die Handlung in Märchen und Telenovela wird aus einer Ruhesituation heraus durch einen
Mangel in Gang gebracht, der eine Aufgabe bzw. einen Kampf auslöst, dem Glück folgt.
65
Das Glück steht am Ende einer linearen Erzählung und bildet eine Form der Unsterb-
lichkeit. Die Liebenden sind für immer vereint.
Trotz aller Gemeinsamkeiten existieren aber auch wesentliche Unterschiede zwischen
dem Märchen und der Telenovela. Der Hauptunterschied besteht darin, dass im Mär-
chen nur selten Gefühle zur Sprache kommen, während diese in der Telenovela ständig
im Mittelpunkt stehen. Die Märchenhelden können ohne weiteres als grausam geschil-
63
Vgl. Klindworth, 1995, S. 115.
64
Vgl. ebd., S. 108.
65
Ebd., S. 107.
4 Einordnung und Abgrenzung zu anderen Formaten 26
dert werden, eine moralische Bewertung bleibt jedoch aus. Deshalb werden das Gute
oder das Böse an sich außer Acht gelassen. Im Mittelpunkt steht v.a. die Situation, die
aus dem Bösen oder Guten hervorgeht und der sich die HeldInnen stellen müssen. In der
Telenovela dagegen herrscht keine Gleichgültigkeit gegenüber den emotionalen Folgen
eines Ereignisses. Hier stellen zum Beispiel das richtige Gefühl oder auch die Bewah-
rung der persönlichen Würde wichtige Antriebskräfte für den Weg zum Ziel dar.
66
Auch
wenn in beiden Erzählungen das Böse am Ende dem Guten unterliegt, so lässt es sich
die Telenovela nicht nehmen, eine moralische Bewertung des Bösen vorzunehmen.
Ein weiterer Unterschied besteht in der Darstellung des Schicksalshaften. Sowohl im
Märchen als auch in der Telenovela führen Zufälle und ,,wunder-bare" Ereignisse zu
überraschenden Wendungen und helfen den Helden, das Böse zu besiegen. Während
das Wunderbare allerdings im Märchen als selbstverständlich gilt und damit des Öfteren
die Gesetze der Wahrscheinlichkeit außer Acht setzt, wird in den Telenovelas mehr
Wert auf eine realistische Darstellung gelegt. Zwar geschehen auch hier ,,wunder-bare"
Dinge, aber sie bleiben immer im Bereich des Möglichen, zum Beispiel in Form von
Zufällen oder guten Freunden, die auftauchen um zu helfen.
67
4.3 Das Melodrama
Vom Melodrama hat die Telenovela insbesondere die melodramatische Grundstruktur
und die Dramatisierung des Alltäglichen übernommen. Beides gewährleistet Massen-
wirksamkeit. Die Erzählungen teilen das Motiv des durch glückliche Umstände oder
eine Liebesbeziehung in eine höhere soziale Schicht aufsteigenden Helden bzw. der
Heldin.
68
Dieses Motiv wird eingebettet in aneinandergereihte, kurze Einzelsituationen
mit Spannungshöhepunkten in einer linearen Handlung. Die einzelnen Situationen wer-
den durch Gespräche und zufällige Ereignisse miteinander verknüpft. Zwischen einzel-
nen Szenen kann es extreme Wechsel von Spannung und Entspannung geben. Insge-
samt kann die Darstellung als überspitzt charakterisiert werden sowie mit außergewöhn-
lichen spektakulären Elementen versehen.
Ähnlich wie im Märchen sind auch im Melodrama die Figuren nur flächenhaft gezeich-
net. Sie entsprechen den gängigen Vorurteilen von verschiedenen Personentypen und
ihre moralischen Eigenschaften sind stark polarisiert zwischen gut und böse. Sowohl im
Melodrama als auch in der Telenovela werden die jeweiligen Ausprägungen sowie die
Bestrafung der Bösen und die Belohnung der Guten ausführlich geschildert.
66
Vgl. Klindworth, 1995, S. 108.
67
Vgl. ebd.
68
Vgl. Frey-Vor, 1990, S. 493.
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Originalausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2006
- ISBN (eBook)
- 9783832499686
- ISBN (Paperback)
- 9783838699684
- DOI
- 10.3239/9783832499686
- Dateigröße
- 1.2 MB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Universität Trier – II, Studiengang Medienwissenschaft
- Erscheinungsdatum
- 2006 (November)
- Note
- 1,0
- Schlagworte
- telenovela daily soap serie verliebt berlin
- Produktsicherheit
- Diplom.de