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Determinanten des chinesischen Kapitalmarkts

©2006 Diplomarbeit 131 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Der Systemwandel in der Volksrepublik China vollzieht sich seit den 1970er Jahren schrittweise von einer kommunistischen Planwirtschaft nach sowjetischem Vorbild zu einem neuen System. Maßgeblich beteiligt an diesem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel ist die Sozialstruktur der Volksrepublik, die einerseits dazu beiträgt, den Systemwandel zu beeinflussen, andererseits aber auch durch eben diesen Wandel selbst verändert wird. Der Systemwandel ist somit kein vollkommen neues Konzept auf den Ruinen des sozialistischen Systems, sondern vielmehr ein Konzept, das aus Bestandteilen des alten Systems entsteht.
Mit ihrer 1,3 Milliarden Menschen umfassenden Bevölkerung und einem jährlichen Wirtschaftswachstum von über neun Prozent gilt die Volksrepublik China als einer der attraktivsten Märkte für westliche Unternehmen. Niedrige Lohnkosten und ein scheinbar unerschöpflicher Vorrat an günstigen Arbeitskräften führen zu einem bisher stetig steigenden Strom an ausländischen Direktinvestitionen, die im Jahre 2004 erstmals die Marke von US$ 50 Millionen überschritten und auf insgesamt US$ 61 Millionen stiegen.
Die These, dass eine boomende chinesische Wirtschaft die Kapitalmärkte ebenso beflügelt, ist in den vergangenen Jahren jedoch von den chinesischen Börsenstandorten deutlich widerlegt worden. Die Indizes an den Standorten Shanghai und Shenzhen verloren im Zeitraum 2001 bis 2005 annähernd ein Viertel ihres Wertes. Gründe für die geringe Leistungsfähigkeit sind neben der mangelnden Transparenz und fehlender Corporate Governance der an den chinesischen Börsen notierten Unternehmen ebenso die Ungewissheit über den Einfluss von Regierung und Partei auf die privatisierten Staatsunternehmen (SOE). Nach wie vor befinden sich ca. zwei Drittel aller Unternehmensanteile in staatlicher Hand und Unternehmenskader stammen aus der politischen Nomenklatura.
Mit dem Beitritt zur Welthandelsorganisation (WTO) im Jahre 2001 hat sich die chinesische Regierung verpflichtet, ihre Kapital- und Finanzmärkte für ausländische Investoren vollkommen zu öffnen und von sämtlichen Beschränkungen zu befreien. Durch die Wiedereingliederung Hongkongs im Jahre 1997 erhielt die Volksrepublik neben einem der größten Kapitalmarktstandorte Asiens das Fachwissen und den Zugang zu internationalem Kapitalmarktverkehr.
Derzeit befinden sich weltweit Finanzaktiva mit einem Volumen von ca. US$ 118 Billionen im Umlauf. Falls der aktuelle Trend bestehen bleibt, […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Lutz Timmen
Determinanten des chinesischen Kapitalmarkts
ISBN-10: 3-8324-9745-5
ISBN-13: 978-3-8324-9745-3
Druck Diplomica® GmbH, Hamburg, 2006
Zugl. Universität Konstanz, Konstanz, Deutschland, Diplomarbeit, 2006
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http://www.diplom.de, Hamburg 2006
Printed in Germany

D
ANKE
Frau Prof. Dr. Knorr Cetina und Herrn PD Dr. Becker für die Betreuung dieser Diplomarbeit,
der Baden-Württembergischen China Gesellschaft, insbesondere Herrn Prof. Dr. Sund, für
die finanzielle Unterstützung bei der Durchführung dieses Projekts,
meinen drei chinesischen Interviewpartnern für den tiefen und vielschichtigen Blick in die
chinesische Gesellschaft,
all den Freunden und Bekannten in China, Deutschland, der Schweiz und Singapur für ihre
vielfältige Hilfe bei der Beschäftigung mit dieser Arbeit,
insbesondere meinen Eltern für jegliche Form der Unterstützung während des gesamten
Studiums und in der letzten heißen Phase.
Inhaltsverzeichnis
Seite
English Summary
1
Einleitung
2
1.1. Das Konzept der Social Embeddedness nach Granovetter
6
1.1.1. Formalismus versus Substantivismus
7
1.1.2. Konzepte des menschlichen Handelns
9
1.1.3. Effekte der Einbindung auf wirtschaftliches Handeln
10
1.1.4. Einbindung, Vertrauen und Fehlverhalten im Wirtschaftsleben 15
1.1.5. Erklärung von Vertrauen und Fehlverhalten mit der Embeddedness
18
1.1.6. Soziale Konstruktion ökonomischer Institutionen
21
1.2. Die Embeddedness des globalen Kapitalmarkts
23
1.2.1. Ausweitung des Handelsvolumens durch Digitalisierung
24
1.2.2. Formalisierung und Institutionalisierung des globalen Kapitalmarkts durch
Interaktion mit nationalstaatlichen Regulierungsbehörden
26
1.2.3. Räumliche Konzentration trotz Digitalisierung
27
1.2.4. Der Nutzen von räumlicher Konzentration
28
- ii -

1.2.5. Die Eingebundenheit von Staat und globalem Kapitalmarkt
29
1.3. Die Architektur des globalen Markts
30
1.3.1. Netzwerke versus globale Formen der Koordination
31
1.3.2. Der globale Kapitalmarkt als Flow Market
33
1.3.3. Die Ausbildung einer Flow Architektur durch das GRS
34
1.4. Hypothesen und Operationalisierung
35
1.5. Methodische Vorgehensweise
36
2.1. Das politische System in China und die Auswirkungen auf die Wirtschaft
2.1.1. Die Situation vor den wirtschaftlichen Reformen 1979
38
2.1.2. Zwei Konzepte der politischen Führung zur Lösung der
wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Defizite
39
2.1.3. Die Entwicklung vom Plan zum Markt
41
2.1.3.1. Beginn der Reformen in der Landwirtschaft
42
2.1.3.2. Schaffung eines Markts für Arbeitskräfte
44
2.1.3.3. Bildung eines Markts für Industrieunternehmen
45
2.1.4. Reform der Staatsunternehmen ­ Der Kern der wirtschaftlichen Reform
46
2.1.5. Chinas Privatisierungsprogramm der staatseigenen Betriebe
49
Exkurs: Die WTO-Grundprinzipien und Verpflichtungen Chinas
50
2.2. Infrastruktur
2.2.1. Herausforderungen des chinesischen Arbeitsmarkts
52
2.2.2.
Das
Angebotsparadox
54
2.2.3. Politische Loyalität der akademischen Elite
57
2.3. Chinas nationale Reaktion auf die Globalisierung der Märke
2.3.1.
Netzwerk-Praktiken
in
China
59
2.3.2. Zusammenspiel chinesischer Kulturwerte und wirtschaftlicher Netzwerke
61
2.3.3. Die Entwicklung einer Interessen basierten Sozialordnung
62
2.3.4. Auswirkungen der Interessen basierten Sozialordnung
auf die politische Ordnung
64
2.3.5.
Chinesische
Netzwerke
und
Korruption
66
2.4. Bankensystem, -struktur und Beteiligungen westlicher Banken in VR China
2.4.1. Das Bankensystem bis zu Beginn der Reformen im Jahre 1979
71
2.4.2. Aufbau eines zweistufigen Bankensystems ab 1979
72
2.4.3. Bankreformen ab 1995 und die gegenwärtige Struktur
74
2.4.3.1. Struktur und Pläne der Staatsbanken
76
- iii -

2.4.3.2. Universalbanken - Türöffner des chinesischen Bankenmarkts
79
2.4.3.3.
Städtische
Geschäftsbanken 79
2.4.3.4. Joint Venture Banken und Kreditkooperativen
80
2.4.4. Entwicklung der Gesellschaftsformen ausländischer Banken in China
80
2.4.5. Wirtschaftspolitik gegenüber ausländischen Finanzinstituten
82
2.4.6.
Defizite
der
Bankenreform
84
2.4.7. Aufsichtsbehörden des Finanzmarkts
2.4.7.1. Die China Banking Regulatory Commission (CBRC)
86
2.4.7.2. Die China Securities Regulatory Commission (CSRC)
87
2.5. Entwicklung eines Kapitalmarkts in der Planwirtschaft
88
2.5.1. Entwicklung und Problematiken bei der Effektenemission
88
2.5.2.
Entwicklung
des
Aktienmarkts
89
2.5.2.1. Entwicklung und Problematik des Sekundärmarkts
90
2.5.3. Der chinesische Kapitalmarkt am Vorabend des Inkrafttretens
der WTO-Verpflichtungen
2.5.3.1. Die Transformation eines SOE in eine Aktiengesellschaft
92
2.5.4..
Fragmentierter
Aktienmarkt
in
China
93
2.5.4.1.
Standorte
der
Wertpapierbörsen
95
2.5.5.
OTC-Handelsplattformen
96
2.5.6.
Strukturelle
Probleme
des
Wertpapiermarkts
96
2.6. Integration des Finanzsystems Hongkong ab 1997
97
Exkurs:
Besuch
der
Shanghai
Stock
Exchange
98
3. Konklusion
100
Appendix A
Ausländische Beteiligungen an Banken der Volksrepublik China
107
Korruptionsindizes
108
Major Macro-Economic Indicators
108
Qualified Foreign Institutional Investors
109
Appendix B
Interview 1
110
Interview 2
112
Interview 3
115
Literaturübersicht
118
- iv -

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abb.1: Die Stärke schwacher Verbindungen nach Granovetter
S. 13
Abb.2: Strukturelle Löcher nach Burt
S. 14
Abb.3: Regional composition of global financial stock
S. 25
Abb.4: Informations- und Handlungsabläufe in der Flow-Architektur...
S. 32
Abb.5:
Guanxi
und
Guanxiwang
S.
60
Abb.6: Resultate aus der Schnittmenge...
S. 61
Abb.7: Finanzsystem Chinas bis 1978
S. 72
Abb.8: Finanzsystem Chinas von 1984-1994
S. 74
Abb.9: Finanzsystem Chinas seit 1995
S. 75
Abb.10: Consumer Loans as a Share of Total Commercial Bank Assets
S. 85
Abb.11: Capital Raised from Domestic and Overseas Share Issuances...
S. 94
Tab.1: Die Rolle der Landwirtschaft in der Entwicklung ...
S. 42
Tab.2:
Die
Entwicklung
des
Privatsektors...
S.
63
Tab.3: Gesellschaftlicher Hintergrund von Privatunternehmen in der VRC
S. 65
Tab.4: Korruptionsentwicklung führender Kader von 1993 bis 1999
S. 68
Tab.5:
Pro-Kopf-Jahreseinkommen
in
China S.
70
Tab.6:
Führende
Banken
Chinas
S.
75
Tab.7: Schlüsselindikatoren der Großen Vier
S. 77
Tab.8: Leistungsfähigkeit der börsennotierten Universalbanken
S. 79
Tab.9: Zeitplan für die Öffnung des Finanzsektors unter WTO-Auflagen
S. 81
- v -

Abkürzungsverzeichnis
SOE
= State owned Enterprise
WTO
= World Trade Organization
TVE
= Town and Village Enterprise
HCC
= High Cadre Children
GRS
= Global Reflexive System
OTC
=
Over
the
Counter
SWZ
=
Sonderwirtschaftszonen
IPO
= Initial Public Offer
CBEX
= China Beijing Equity Exchange
SASAC
= State-Owned Assets Supervision and Administration Commission
GATT
= General Agreement on Tariffs and Trade
GATS
= General Agreement on Trade in Services
TRIPS
= Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights
TRIMS
= Trade Related Investment Measures
TBT
= Technical Barriers to Trade
PBC
= Peoples' Bank of China
CCB
= China Construction Bank
BOC
= Bank of China
ABC
= Agricultural Bank of China
CIB
= China Investment Bank
ICBC
= Industrial and commercial Bank of China
ROA
= Return on Assets
KMU
= Kleine und mittelständische Unternehmen
RMB
=
Renminbi
Yuan
CBRC
= China Banking Regulatory Commission
CSRC
= China Securities Regulatory Commission
SAIC
= State Administration for Industry and Commerce
CLGFE
= Central Leading Group for Finance and Economics
STAQS
= Securities Trading Automated Quotations System
CESR
= Commission for Economic System Restructuring
QFII
= Qualified Foreign Institutional Investors
SAFE
= State Administration of Foreign Exchange
IFAS
= International Financial Accounting Standards
HKSE
= Hong Kong Stock Exchange
ADR
= American Depository Receipts
- vi -

SHSE
= Shanghai Stock Exchange
SZSE
= Shenzhen Stock Exchange
NETS
= National Electronic Trading System
P/E
=
Price/
Earning
HKMA
= Hong Kong Monetary Authority
- vii -

English Summary
This master thesis focuses on the determinants of the Chinese capital market. Based
on Mark Granovetter's social embeddedness theory as well as Karin Knorr Cetina's flow
architecture concept, the author analyzes the position of the Chinese stock exchanges Hong
Kong, Shanghai, and Shenzhen in a national context as well as in an international
framework. With his hypothesis, the author assumes on the one hand an increasing focus of
capital market activities in Shanghai. On the other hand, he expects and international
marginalization of Chinese financial markets.
To prove these assumptions, the changes in Chinese economic policies will be
described at the very beginning of chapter two. Starting with the late 1970's the author
demonstrates the economic liberalisation and tendency towards a socialistic market
economy with Chinese characteristics. Chinese characteristics in this context mean a strong
position of the political nomenklatura to drive and guide economic flows. The author further
describes the Chinese labour market. It is an important characteristic that, apparently due to
strong social relations, the academic elite consists nearly totally out of party members. This
creates a strong loyalty of students towards the party and the ideology. How this loyalty looks
like is, described in the third part of chapter two. A strong emphasis lies on the description of
Chinese network cultures. The results drive directly to the question whether corruption in
western societies' understanding corresponds to the Chinese meaning of a social and a
business network as well as close personal relationships within the latter. This part closes
with an inside view of how the early economic reforms created private spaces which in turn
pushes pressure towards the political leadership to go further for otherwise they might loose
political legitimacy.
Since financial institutions are core actors in capital markets, the author put a strong
emphasis on how these institutions developed in China. A detailed description of how the
financial market changed since 1979 is provided as well as investment opportunities and
legal difficulties for foreign banks. An in depth analysis of the Chinese stock markets and the
integration of the Hong Kong financial system into the mainland Chinese one will conclude
this chapter. Further information is given by two additional parts ­ one is focussing on the
Chinese WTO accession whereas in the second part, the author describes what he
discovered through a visit of the Shanghai stock exchange in early 2006.
In the concluding third part, the key elements of the analysis are emphasized again
together with additional sources beyond the models in chapter one to support the authors'
hypothesis.
- 1 -

Einleitung
Der Systemwandel in der Volksrepublik China vollzieht sich seit den 1970er Jahren
schrittweise von einer kommunistischen Planwirtschaft nach sowjetischem Vorbild zu einem
neuen System, ,,which all have developed increasingly capitalist social structures based on
the growing dominance of privat property and market integration, above all in capital and
labor market" (King und Szelényi 2005: 205). Maßgeblich beteiligt an diesem wirtschaftlichen
und gesellschaftlichen Wandel ist die Sozialstruktur der Volksrepublik, die einerseits dazu
beiträgt, den Systemwandel zu beeinflussen, andererseits aber auch durch eben diesen
Wandel selbst verändert wird. Der Systemwandel ist somit kein vollkommen neues Konzept
auf den Ruinen des sozialistischen Systems, sondern vielmehr ein Konzept, das aus
Bestandteilen des alten Systems entsteht.
Mit ihrer 1,3 Milliarden Menschen umfassenden Bevölkerung und einem jährlichen
Wirtschaftswachstum von über neun Prozent
1
gilt die Volksrepublik China als einer der
attraktivsten Märkte für westliche Unternehmen. Niedrige Lohnkosten und ein scheinbar
unerschöpflicher Vorrat an günstigen Arbeitskräften führen zu einem bisher stetig
steigenden Strom an ausländischen Direktinvestitionen, die im Jahre 2004 erstmals die
Marke von US$ 50 Millionen überschritten und auf insgesamt US$ 61 Millionen stiegen
2
. Die
These, dass eine boomende chinesische Wirtschaft die Kapitalmärkte ebenso beflügelt, ist in
den vergangenen Jahren jedoch von den chinesischen Börsenstandorten deutlich widerlegt
worden. Die Indizes an den Standorten Shanghai und Shenzhen verloren im Zeitraum 2001
bis 2005 annähernd ein Viertel ihres Wertes
3
. Gründe für die geringe Leistungsfähigkeit sind
neben der mangelnden Transparenz und fehlender Corporate Governance der an den
chinesischen Börsen notierten Unternehmen ebenso die Ungewissheit über den Einfluss von
Regierung und Partei auf die privatisierten Staatsunternehmen (SOE). Nach wie vor befinden
sich ca. zwei Drittel aller Unternehmensanteile in staatlicher Hand und Unternehmenskader
stammen aus der politischen Nomenklatura.
Mit dem Beitritt zur Welthandelsorganisation (WTO) im Jahre 2001 hat sich die
chinesische Regierung verpflichtet, ihre Kapital- und Finanzmärkte für ausländische
Investoren vollkommen zu öffnen und von sämtlichen Beschränkungen zu befreien. Durch
die Wiedereingliederung Hongkongs im Jahre 1997 erhielt die Volksrepublik neben einem
der größten Kapitalmarktstandorte Asiens das Fachwissen und den Zugang zu
internationalem Kapitalmarktverkehr.
1
vgl. hierzu: Organization for Economic Co-operation and Development (2005
2
vgl. hierzu: Prasad und Shang-Jin (2005)
3
vgl. hierzu: o.V.(2006)
- 2 -

Derzeit befinden sich weltweit Finanzaktiva mit einem Volumen von ca. US$ 118
Billionen im Umlauf. Falls der aktuelle Trend bestehen bleibt, wird sich dieses Volumen auf
über US$ 200 Billionen im Jahre 2010 gesteigert haben
4
. Seit 1980 ist der Wert dieser
Finanzaktiva somit dreimal stärker gewachsen als das weltweite Bruttosozialprodukt ­
ausgehend von einer identischen Größe im Jahre 1980. Doch mit den USA, der Euro-Zone,
Großbritannien und Japan betreuen lediglich vier Finanzstandorte über 80 Prozent des
weltweiten Finanzkapitals.
Der Kapitalmarkt ist als globaler Markt ein wesentliches Element der Wirtschaftspolitik
eines jeden Staates und nimmt an Bedeutung immer weiter zu. Vor diesem Hintergrund ist
die Entwicklung von Börsenstandorten sowohl im nationalen als auch im internationalen
Kontext aufschlussreich um die zukünftige Stellung und Leistungsfähigkeit eines Staates zu
ermitteln.
Da sich die Volkswirtschaft Chinas in einem Umwandlungsprozess befindet und das
politische System weitgehend unangetastet bleibt, nimmt das Verhältnis zwischen
Regierung, staatlichen Aufsichts- und Vollzugsorganen sowie einer zunehmend
kapitalisierten und liberalisierten Gesellschaft an Bedeutung zu.
Die Literatur ist uneins darüber, wohin sich China entwickeln wird. Der vollständigen
Umwandlung in ein kapitalistisches marktwirtschaftliches System wie es Nee (1989) vertritt,
setzt Walder (1995) entgegen, dass Umverteilung in China nicht funktioniert, indem
marktwirtschaftliche Elemente bestimmte bisherige zentralistischen Planelemente ersetzen.
Vielmehr findet eine politisch angeordnete Dezentralisierung auf die unterste administrative
Ebene statt und ein Machtgleichgewicht zwischen der politischen Führung und der
Technokratie ist entstanden.
Die Monopolstellung der kommunistischen Führung, fehlende Transparenz im
Privatisierungsprozess, sowie privatisierte aber immer noch staatlich gelenkte Betriebe
veranlassen King dazu, über China von einer ,,socialist mixed economy" (King 2005: 206) zu
sprechen, in der Kapitalismus von unten (ibid.) aufgebaut wird. Die Schaffung von privatem
Eigentum, Märkten, Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit beginnt auf der Mikroebene.
Sie steht anfangs im Schatten der sozialistischen Planwirtschaft, so dass sich als Resultat in
der Volksrepublik mit Beginn der wirtschaftlichen Reformen 1978 eine hybride
Wirtschaftsstruktur entwickelt hat, die der politischen Führung der kommunistischen Partei
durch Legitimitätsgewinn einen vergrößerten Machtspielraum schafft. Es ist jedoch sichtbar,
dass kapitalistische Elemente zunehmend an Bedeutung gewinnen, so dass die politische
Führung vom Kapitalismus strukturell abhängig wird, da er gesellschaftlich einen solchen
Einfluss gewinnt, dass die bisherige Ideologie nicht mehr kompatibel ist.
4
vgl. hierzu: Farrel (2005)
- 3 -

Auf Grund der Dezentralisierung profitierten in der Anfangszeit der wirtschaftlichen
Liberalisierung nicht die politischen Führungskader, sondern insbesondere die lokale
politische und administrative Führung von diesen Schritten. Nee (1989) macht deutlich, dass
die Kader in den von staatlicher Seite zugelassenen dörflichen und kleinstädtischen
Kollektive-Betrieben (den sog. Town and Village Enterprises (TVE)) die Fäden in der Hand
halten. Nichtsdestotrotz konnten jedoch auch einfache Privatleute in diesem Sektor
erfolgreiche Unternehmen gründen. Erst in einer späteren Phase der Liberalisierung
beginnen sich auch politische Führungskader, in die Privatisierungen großer
Staatsunternehmen zu involvieren. Ihre Kontakte zu den Führungszirkeln in den
Unternehmen und Universitäten nutzen sie z.B. um ihre Nachkommen (sogenannte HCC:
high cadre children) an verantwortungsvolle Schlüsselpositionen zu setzen
5
. Dies führt zu
einem ,,hybrid capitalist system where small and medium private (and mixed property)
enterprises coexist with state-owned enterprises" (King 2005: 211).
Die Entwicklung kapitalistischer Strukturen erfolgte in der Volksrepublik in zwei
Phasen. Die erste Phase ab Beginn der wirtschaftlichen Reformen bis in die frühen 1990er
Jahre war gekennzeichnet durch Privatisierungen in den Bereichen außerhalb des
Machtgleichgewichts zwischen kommunistischen Führungskadern und der Technokratie. In
dieser Zeit lag das Hauptaugenmerk der Regierung auf Machterhalt und Schutz der SOE.
Dementsprechend waren es vor allem Bevölkerungsschichten jenseits der politischen
Führung, die von der Privatisierung profitierten. Mit beginnender Privatisierung der SOE ab
Anfang der 1990er Jahre fanden sich immer mehr Führungskader der SOE sowie
Familienangehörige der Nomenklatura als eigenständige Unternehmer der schrittweise
privatisierten SOE wieder. Trotz dieser theoretisch nach westlichem Vorbild organisierten
Wirtschaftsstruktur hatten viele Relikte aus der sozialistischen Planwirtschaft weiterhin
Bestand, wie Steinfeld (1998) in einer Studie herausfindet. So fand bspw. wie in Zeiten vor
der Privatisierung ein Produktaustausch zwischen den SOE und bereits privatisierten
Unternehmen statt, der ohne monetären Transfer vonstatten ging. Dieser Produktaustausch
beruht auf einem bereits in planwirtschaftlichen Zeiten entstandenen Netzwerk, das durch
neuen wirtschaftliche Elemente dennoch nicht zerbricht. Stattdessen häuften sie sog.
intercorporate debts (King 2005: 221) an. Auf Unternehmerseite blieb der Respekt vor dem
staatlichen bzw. politischen Hierarchiegefüge weiterhin bestehen, benötigten erstere doch
deren Zustimmung für Investitionen, die Einstellung von Mitarbeitern und die Zulassung
bestimmter Dokumente. Chinesische Parteikader füllen nach wie vor eine wichtige
funktionale Rolle als Intermediär zwischen Privatunternehmen und Staat aus. Sie verfügen
über ein wichtiges und großes Netzwerk und können somit die Transaktionskosten für die
5
vgl. hierzu: Naughton (1995)
- 4 -

Privatunternehmer erheblich reduzieren
6
. Mittels Offshore-Geschäften wandeln
Parteifunktionäre Staatsvermögen in privates Eigentum um und transferieren politisch
gewollte Kredite und Subventionen für SOE auf private Konten. Dieses Verhalten ist
eingebettet in ein ,,political-economic system by which a class of scholar-officials [...]
transferred surpluses from the various producer classes (peasants, petty capitalists,
laborers) to themselves by means of direct extraction as tribute, taxes, corvée, hereditary
labor duties, and the like" (Hertz 1998: 13).
Es bleibt abzuwarten welche Struktur China erhalten wird, wenn sämtliche
Staatsunternehmen privatisiert sind. Zwar gibt es nicht zuletzt durch den WTO-Beitritt eine
Hinwendung zum Kapitalismus, doch dürften die vollkommen unterschiedlichen kulturellen
Wurzeln ein Indiz dafür sein, dass sich in China nicht ein System nach vollkommen
westlichem Vorbild entwickeln wird. Vielmehr liegt der Schluss nahe, dass ,,the command
system and newly emerged market mechanisms are both incorporated and embedded in
local socio-cultural networks" (King 2005: 221). Dennoch bewegt sich die Volksrepublik in
Richtung Kapitalismus; die als Kollektivunternehmen getarnten TVE sind nichts anderes als
Privatunternehmen, deren Spitze sich häufig aus dem Umfeld lokaler Parteikader
zusammensetzt. Die ausländischen Direktinvestitionen insbesondere aus kulturverwandten
Kreisen wie Hongkong oder Taiwan nehmen nach wie vor einen hohen Stellenwert ein und
auch bestehende SOE bemühen sich immer mehr, auf die Wünsche ihrer Kunden
einzugehen ­ nicht zuletzt weil sie mittlerweile mit privaten Wettbewerbern konkurrieren
müssen.
Diese wirtschaftlichen Veränderungen haben auch politische Konsequenzen: Die
kommunistische Partei verliert ihre ideologische Grundeinstellung zwar nicht, doch muss sie
mit der Schaffung eines Privatsektors diese Ideologie zunehmend in der Bevölkerung
legitimisieren.
Der Verfasser unternimmt eine Bestandsaufnahme der drei chinesischen
Finanzstandorte Shanghai, Shenzhen und Hongkong und erstellt eine Prognose für die
Zukunft dieser Standorte auf nationaler sowie auf internationaler Ebene. Eine reine Analyse
von Finanzmarktdaten greift jedoch insofern zu kurz, als Vertreter aus Wirtschafts- und
Sozialwissenschaften erkennen, dass sich das Verhalten der Marktakteure nicht als
Eigeninteresse maximierendes und streng rationales Verhalten analysieren lässt, sondern
dass marktexterne Faktoren einen erheblichen Einfluss auf die Entscheidungen haben. Der
Rückgriff auf Mark Granovetters Embeddedness-Theorie bietet an dieser Stelle die
Möglichkeit, die Einbindung der Akteure in ein soziales Netzwerk im Hinblick auf die
nationale Standortpolitik des chinesischen Kapitalmarkts zu untersuchen.
6
vgl. hierzu: Wank (1999)
- 5 -

Karin Knorr Cetina argumentiert in ihrem Konzept der Flow-Architektur, dass
internationale Kapitalmärkte aufgrund des permanenten Flusses von Informationen unter
verschiedenen Akteuren zur gleichen Zeit
mittlerweile nicht mehr durch geografische
Netzwerke eingebunden sind. Sie sind vielmehr losgelöst und entkoppelt von geografischen
und zeitlichen Beschränkungen und befinden sich in einem permanenten Fluss. Die
Teilnahme an diesem Markt findet über sog. Brückenkopfzentren statt. Der Verfasser
analysiert bspw. an Hand der Qualifizierung und Mobilität der chinesischen Bevölkerung
sowie auch an Hand der gesetzlichen Regelungen für den nationalen Kapitalmarkt, ob die
drei Börsenstandorte der Volksrepublik China eine solche Brückenkopffunktion erfüllen.
Anhand eines historischen Abrisses über die Wirtschaftspolitik sowie einer intensiven
Analyse des chinesischen Bankenmarktes soll gezeigt werden, dass die Politik der
Volksrepublik eine stark intervenierende und lenkende Variable in das Leben der
Gesellschaft darstellt und dass sich trotz des WTO-Beitritts Chinas ein internationales
Engagement auf dem nationalen Kapitalmarkt China sowie ein Engagement der
chinesischen Finanzinstitutionen auf internationalem Parkett in naher Zukunft als sehr
schwierig und bisweilen mit internationalen Konzepten inkompatibel erweist. Da Banken in
Knorr Cetinas Konzept der Flow-Architektur das zentrale Medium in den Brückenkopfzentren
sind, wird der chinesischen Bankenlandschaft in dieser Arbeit ein besonderes Augenmerk
zuteil. Eine Analyse der Wirtschaftspolitik seit den späten 1970er Jahren dient dazu,
Sozialstrukturen und Netzwerke im ökonomischen Kontext zu stellen. Der Verfasser bemüht
sich, normative Werte der westlichen Welt aus seiner Argumentation weitgehend
herauszuhalten. Dementsprechend maßt er sich nicht an, im Sinne von ,gutem' und
,schlechtem' Verhalten zu argumentieren, da hinter all den Handlungen in der chinesischen
Politik ein vollkommen anderer soziokultureller Kontext steht.
1.1. Das Konzept der Social Embeddedness nach Granovetter
Mark Granovetter setzt sich in seinem Konzept der Social Embeddedness mit der
sozialtheoretischen Frage auseinander, wie soziale Beziehungen ökonomische Handlungen
und Institutionen beeinflussen. Er vertritt die Ansicht, dass die Wirtschaftssoziologie in der
Lage ist, weitergehende Erklärungen für wirtschaftliches Handeln und die Herausbildung von
Institutionen zu liefern als bisherige neoklassische Ansätze der Ökonomie. Drei Gründe sind
dafür verantwortlich
7
:
1. Die Verfolgung wirtschaftlicher Ziele geht einher mit der Verfolgung nicht-
wirtschaftlicher Ziele wie z.B. Status, Macht und Anerkennung.
7
vgl. hierzu: Granovetter (1992)
- 6 -

2. Wirtschaftliches Handeln ist sozial eingebunden (= embedded) und kann nicht
ausschließlich durch individuelle Handlungsmotive erklärt werden. Es ist in Netzwerke
eingebunden und nicht atomisiert.
3. Ökonomische Institutionen entstehen nicht automatisch aufgrund externer Umstände.
Sie sind ­ wie Institutionen insgesamt ­ sozial konstruiert und beruhen auf der der
sozialen Strukturen immanenten Dynamik.
Insgesamt betrachtet er die wirtschaftliche Sphäre im Gegensatz zur neoklassischen
Ökonomie nicht per se autonom und von anderen sozialen Sphären begrenzt, sondern in
eine Sozialstruktur eingebettet.
Aus empirischer Sicht sind die ersten beiden Gründe für Granovetter miteinander
verbunden. Einerseits streben Individuen auch im Rahmen von wirtschaftlichen
Transaktionen nach nicht-wirtschaftlichen Zielen wie Macht, Anerkennung, Status und
Geselligkeit. Diese Ziele erreichen sie innerhalb eines Netzwerks aus persönlichen
Beziehungen. Andererseits liegt der Grund, weshalb Akteure wirtschaftliche Transaktionen
durch ihr Netzwerk aus persönlichen Beziehungen leiten und organisieren, darin, dass eben
diese nicht-wirtschaftlichen Ziele zentrale Motive des menschlichen Handelns sind. Da
dieses wirtschaftliche Handeln jedoch ein Großteil des Lebens dieser Akteure bestimmt, ist
es kaum möglich, diesen Teil auf einem gesonderten Feld zu spielen, das dem Erreichen
ihrer nicht-wirtschaftlichen Ziele nicht entgegenkommt. Somit ist es ,,common for economic
relations that begin in a neutral, impersonal way to develop noneconomic content as people
try actively to prevent economic and noneconomic aspects of their lives from being
separated" (Granovetter 1992: 26). Die Grundlage nicht-wirtschaftlicher Motive führt direkt zu
der Frage nach der Eingebundenheit in soziale Strukturen, denn nur in solchen dynamischen
Strukturen können diese nicht-wirtschaftlichen Ziele erreicht werden. Einher mit der Frage,
ob und inwiefern wirtschaftliches Handeln in Netzwerken aus persönlichen Beziehungen
verankert ist, geht die klassische Frage der Sozialtheorie, wie Verhalten und Institutionen
von sozialen Beziehungen überhaupt beeinflusst werden. Zweifelsohne steht fest, dass
,,[m]arkets exist and so does rational behavior, but both only in the context of what should be
specifiable social an cultural conditions" (Barber 1995: 389).
1.1.1. Formalismus versus Substantivismus
Anfangs stellt Granovetter den formalistischen und den substantivistischen Ansatz
gegenüber
8
, die als extreme Positionen auf die Frage nach dem Einfluss sozialer
Beziehungen auf wirtschaftliches Handeln und Institutionen betrachtet werden können.
8
vgl. hierzu: Granovetter (1985)
- 7 -

Der substantivistische Ansatz lehnt sich stark an die substantivistische Schule
Polanyis an. Er negiert die Unabhängigkeit sozialer bzw. wirtschaftlicher Beziehungen und
betont vielmehr eine extrem starke Eingebundenheit von Verhalten und Institutionen in
permanente Prozesse der Sozialstruktur. Es ist nach diesem Ansatz ein Missverständnis,
soziale Beziehungen losgelöst von ihrem Kontext zu betrachten. In der vor-
marktwirtschaftlichen Zeit war wirtschaftliches Handeln sehr viel stärker in soziale
Beziehungen eingebettet als heute. In der modernen Gesellschaft jedoch hat mit
zunehmender Ausbreitung von Markt-Elementen eine Zäsur stattgefunden. Der Markt
separierte sich immer mehr und im Gegensatz zu früher ist die traditionelle Rolle von
sozialen Beziehungen und Wirtschaft insofern umgekehrt, als soziale Beziehungen nicht
mehr wirtschaftliches Handeln determinieren, sondern lediglich eine Begleiterscheinung des
Markts sind.
Das Argument eines Bruchs bzw. eines geringer werdenden Einflusses der
Einbindung wirtschaftlichen Handelns in soziale Beziehungen seit der marktwirtschaftlichen
Entwicklung fand geringe Akzeptanz. Demgegenüber entwickelte sich daher der
formalistische und utilitaristische Ansatz, der auf der These beruht, dass wirtschaftliches
Verhalten schon in der vor-marktwirtschaftlichen Zeit nur in geringem Maße abhängig von
sozialen Beziehungen war und die geringe Intensität dieser Abhängigkeit in der modernen
Gesellschaft fortgeführt wird. Dieser Ansatz geht von einem rationalen, Eigeninteressen
verwirklichenden Akteur aus, der bereits in Thomas Hobbes' Naturstaat Erwähnung findet.
Die Eingebundenheit von wirtschaftlichem Handeln ist sowohl in der vor-
marktwirtschaftlichen Zeit als auch in der modernen Gesellschaft äußerst gering, somit ist
wirtschaftliches Handeln als Resultat von rationalen Individuen zu begreifen. Ähnlich
begründen Vertreter der neuen Institutionenökonomie, dass die Herausbildung von
Institutionen ausschließlich auf der Maximierung des Eigeninteresses atomisierter Individuen
beruht
9
.
Granovetter kommt zu dem Schluss, dass keiner der beiden Ansätze die
Eingangsfrage hinreichend erklärt. Er behauptet, dass eingebundenes wirtschaftliches
Handeln bereits in vor-marktwirtschaftlichen bzw. ,,nonmarket societies" (Granovetter 1985:
482) weniger stark ausgeprägt war, als von Vertretern des substantivistischen Ansatzes
behauptet und es mit zunehmender Marktausprägung keinen Bruch in diesem Prinzip gab.
Dementsprechend hat sich das Verhältnis von Handeln und Institutionen weniger stark
gewandelt als angenommen. Gleichzeitig misst er ihnen aber insgesamt einen essentiellen
Einfluss zu, der deutlich stärker ist als vom formalistischen und neoklassischen
ökonomischen Standpunkt vertreten.
9
vgl. hierzu: North und Thomas (1973)
- 8 -

1.1.2. Konzepte des menschlichen Handelns
Der Handlungslogik des Utilitarismus folgend betrachtet die neoklassische Ökonomie
menschliches Handeln zunächst in einem untersozialisierten Kontext. Sozialstruktur und
soziale Beziehungen nehmen in einem perfekten Markt aufgrund von vollständigen
Informationen für Anbieter und Nachfrager im Hinblick auf Produktion, Verteilung und
Konsum von Gütern keinen Einfluss. Diese vollständigen Informationen machen soziale
Kontakte weitgehend überflüssig, da ,,[u]nder perfect competition there is no room for
bargaining, negotiation, remonstration or mutual adjustment" (Hirschmann 1982: 1473).
Perfekter Wettbewerb bedingt wirtschaftliches Handeln also in einer Art, die das Individuum
nicht mehr beeinflussen kann, sondern lediglich folgen lässt. Eine Betrachtungsweise dieses
Konzepts setzt soziale Atomisierung als notwendige Bedingung für perfekten Wettbewerb
voraus, da nur so die eigentliche Ausführung des Handelns störungsfrei und ohne
zusätzliche Transaktionskosten, die durch einen intervenierenden Intermediär verursacht
würden, ablaufen kann.
Das
übersozialisierte Konzept entwickelte sich aus der Beobachtung, dass soziale
Einflüsse das Verhalten der Marktteilnehmer sehr wohl beeinflussen. Es baut als Korrektiv
auf dem utilitaristischen Konzept auf. Hier manifestiert sich die Idee, dass Individuen
überdurchschnittlich stark und sensibel auf Meinungen ihres Umfelds reagieren und einem
durch ihre Sozialisation verinnerlichten Rahmen aus Normen und Werten bedingungslos
folgen. Das Individuum reagiert sensibel auf die Meinungen des Umfelds, so dass es
automatisch gemeinsame Normen in sein Verhalten internalisiert.
10
Das übersozialisierte
Konzept argumentiert jedoch mechanisch, insofern bei Kenntnis eines Indikators wie der
sozialen Klasse oder dem Arbeitsmarktsektor das gesamte weitere Verhalten aufgrund der
Sozialisierung automatisch abläuft. Der soziale Einfluss wird als externe Kraft betrachtet, die
Ideen, Handlungsabläufe und Entscheidungen in die Köpfe der Akteure projiziert.
Das Nicht-Vorhandensein des perfekten Wettbewerbs führt in der neoklassischen
Ökonomie zu einer Übernahme von Teilen dieses Konzepts, in dem ihre Vertreter
behaupteten, ,,that people act in certain ways because to do so is customary, or an
obligation, or the 'natural thing to do,' or right and proper, or just and fair" (Granovetter 1985:
485)
11
. Soziale Einflüsse werden in diesem Falle als Norm betrachtet und laufen somit
Gefahr, übersozialisiert wahrgenommen zu werden.
Beide Handlungskonzepte gehen trotz ihres unterschiedlichen Ansatzes von einem
Handlungs- und Entscheidungskonzept eines atomisierten Individuums aus und von einer
,,conception of action uninfluenced by peoples' existing social relations" (Granovetter 1992a:
6). Im Konzept der Untersozialisierung resultiert Atomisierung aus der utilitaristischen
10
vgl. hierzu: Wrong (1961)
11
vgl. hierzu: Phelps-Brown (1977)
- 9 -

Verfolgung der eigenen Interessen, wohingegen das Konzept der Übersozialisierung von der
Tatsache ausgeht, dass Verhaltensmuster internalisiert werden und sich soziale
Verbindungen auf das eigentlich Verhalten kaum auswirken. In der modernen Ökonomie
beachten Vertreter soziale Einflüsse häufig im übersozialisierten Kontext, bleiben aber eine
Erklärung schuldig, wie sich diese Einflüsse auswirken und woher sie resultieren. Darüber
hinaus sind diese Konzepte standardisiert, insofern das soziale Umfeld des Akteurs seine
weiteren Entscheidungen automatisch determiniert. Das übersozialisierte Konzept führt somit
durch die Betonung auf Grund des schematischen Verhaltens, das von ihrem Umfeld
geprägt wird, zu einer untersozialisierten und atomisierten Betrachtungsweise. Die
Konvergenz von über- und untersozialisiertem Konzept im Hinblick auf die atomisierte
Betrachtungsweise des Akteurs führt jedoch dazu, dass soziale Beziehungen der Individuen
zueinander nicht betrachtet werden.
Weiter entwickelte Ansätze sind weniger stark übersozialisiert und analysieren soziale
und kulturelle Einflüsse nicht schematisch, sondern als kontinuierlichen, sich wandelnden
Prozess der Interaktion. Somit bedingt nicht nur die Umwelt die Individuen, sondern analog
die Individuen auch ihre Umwelt
12
. Analysen von kulturellen und sozialen Einflüssen zeigen,
dass ,,culture is not a once-and-for-all influence but an ongoing process, continuously
constructed and reconstructed during interaction" (Granovetter 1992: 31).
Grundsätzliche Kritik Granovetters an diesen Konzepten gilt eben dieser
Atomisierung ­ sowohl in der Über- als auch in der Untersozialisierung; Akteure verhalten
sich weder wie ein isoliertes Atom ohne sozialen Kontext, noch folgen sie blind einem
Schema, das ihnen ihre soziale und kulturelle Umwelt oktroyiert. Eine Analyse des
wirtschaftlichen Handelns von Akteuren erfordert demzufolge eine Vermeidung der in beiden
Konzepten angenommen atomisierten Betrachtungsweise von Akteuren, da sie weder
außerhalb eines sozialen Kontext Entscheidungen fällen, noch einem strikten Plan folgen,
der innerhalb ihrer soziokulturellen Kategorie das Verhalten vorgibt. Barber unterstützt hier
Granovetters Kritik, indem er sagt, ,,[t]he concepts and propositions of mainstream economic
analysis are a magnificent intellectual creation, to be admired no less for their elegance than
for their considerable power in understanding an controlling the economic structures and
processes of the real world" (Barber 1995: 388)
1.1.3. Effekte der Einbindung auf wirtschaftliches Handeln
Granovetter unterscheidet zwischen drei unterschiedlichen Arten von
Einbindungseffekten. Sie wirken auf die individuelle wirtschaftliche Handlung, ökonomische
12
vgl. hierzu: Cole (1979)
- 10 -

Resultate und Institutionenbildung. Unterschieden werden muss grundsätzlich ,,between an
actor's immediate connections" ,der relationalen Einbindung, ,,and her more distant ones"
(Swedberg 2003: 36), der strukturellen Einbindung
13
. Erstere bezieht sich auf die dyadischen
Verbindungen der Akteure, wohingegen letztere die Struktur des Gesamtnetzwerks von
Verbindungen einbezieht. Der strukturelle Aspekt übernimmt eine tragende Funktion, um
eine reduktionistische dyadische Atomisierung
14
und eine zeitlich reduktionistische Sicht
15
zu
vermeiden.
Die relationale Einbindung hat direkte Auswirkungen auf individuelles ökonomisches
Handeln. Die Interaktion von Arbeitnehmer und Vorgesetztem wird einerseits technisch
durch das berufliche Anforderungsprofil geprägt, andererseits jedoch auch persönlich durch
ihr Verhältnis zueinander, welches wiederum durch bereits vorangegangene Interaktionen
determiniert wird. Somit entsteht durch das Verhalten der Akteure zueinander eine
gegenseitige Erwartungshaltung, die gleichzeitig festigendes Element der Beziehung
zwischen ihnen ist. Doch nicht ausschließlich eine bestimmte Beziehung, sondern der
aggregierte Einfluss aller Beziehungen, das heißt die Bindung zu anderen Akteuren, hat
Einfluss auf das Handeln und Verhalten so dass bspw. ,,the noneconomic value of such
attachments partly explains the tendency of employers to recruit from among those they
know, even in the absence of purely economic advantages to doing so" (Granovetter 1992:
35).
Strukturelle Einbindung hat weniger direkte Einflüsse auf wirtschaftliches Handeln.
Hier handelt es sich vielmehr um die Struktur des Netzwerks insgesamt, das bei geringer
Kohäsion eine Informationsisolierung einzelner Akteure hervorrufen kann oder aber bei
hoher Kohäsion bzw. einer hohen Netzwerk-Dichte Informationen schnell verbreitet, aber
auch ein gemeinsames normatives, symbolisches und kulturelles Wertesystem schafft. Die
strukturelle Einbindung betrifft das Verhalten eines Akteurs auch im Hinblick auf die
Verfügbarkeit und Art der Information. So kann bspw. die Frage eines beruflichen Wechsels
nicht nur von den direkten sozialen dyadischen Bindungen abhängen, sondern auch von der
grundsätzlichen Frage, ob Informationen über alternative berufliche Einsätze überhaupt
verfügbar sind und ob die Mobilität gegeben ist (s. hierzu 2.2.). Grundsätzlich hängt also die
Art der verfügbaren Information von der Struktur des sozialen Netzwerks ab. Ob dieses
Wissen dem einzelnen Akteur verfügbar gemacht wird, hängt somit von den Informationen
13
vgl. hierzu: Swedberg (2003)
14
vgl. hierzu: Becker (1976): Hier besteht die Gefahr, dyadische Verbindungen als atomisierte
Entscheidungsfindung zwischen zwei Parteien zu verstehen, insofern als beide Akteure aus ihren
sozialen Kontext herausgelöst werden. Das Verhalten ist dann atomisiert, wenn ihr Verhalten
gegenüber Akteuren aus früheren Verbindungen nicht betrachtet wird.
15
Da Akteure bei einer Transaktion immer auch Prozesse der Vergangenheit in die Entscheidung mit
einfließen lassen, ist es für Granovetter wichtig, diese zeitlich reduktionistische Betrachtungsweise zu
vermeiden.
- 11 -

innerhalb des Netzwerkes ab und von der Einflussnahme auf die Verfügbarkeit dieser
Information
16
.
Akkumuliertes wirtschaftliches Handeln von individuellen Akteuren kann zu einem
größeren Resultat führen und in einer Institution münden. Welche Form sie hat und ob es
überhaupt zu ihrer Gründung kommt, hängt erheblich von der sozialen Struktur der
Netzwerke ab, in die das Handeln eingebunden ist. Baker findet bspw. heraus, dass die
Preisvolatilität eines Marktes mit zunehmender Größe nicht etwa abnimmt und zum
Gleichgewichtspreis tendiert, sondern im Gegenteil zunimmt
17
. Das hängt mit der maximalen
Anzahl an Handelsbeziehungen zusammen, die ein Händler ausführen kann. Diese nehmen
im Gegensatz zur zunehmenden Größe des Markts nicht zu. In einem größeren Netzwerk ist
es vielmehr schwieriger, sämtliche Handelsbeziehungen zu überblicken. Der
Informationsfluss ist durch die Netzwerkgröße reduziert und innerhalb des Netzwerks findet
eine Fragmentierung statt. Die Fokussierung auf einen Gleichgewichtspreis wird somit
schwieriger. Deutlich wird, ,,that fragmentation of network structure will reduce the
homogeneity of behavior, a principle that applies to the formation of norms as well a to
uniformities with less normative content, such as the gravitation to a particular price"
(Granovetter 1992: 36). Das Prinzip ist insofern rein strukturell als es nicht vorhersagt,
welches Netzwerkfragment sich welchem Preis annähert. Allgemein lässt sich also für
strukturierte Einbindung formulieren, dass Marktpreise häufig von der Anzahl der bereits
stattgefundenen Transaktionen zwischen den Akteuren beeinflusst werden. Somit ist die
Embeddedeness wirtschaftlicher Handlungen so strukturiert, dass sie individuelles Handeln
fördert und gleichzeitig unterbindet. Das führt dazu, dass diese individuellen Handlungen
sich nicht in einem größeren Resultat akkumulieren bzw. sich zu solchen Handlungen
erweitern, die die Grenzen von Unternehmen und Netzwerken überschreiten.
Sozialstruktur in Form von sozialen Netzwerken beeinflusst ökonomische Ergebnisse
aus dreierlei Gründen. Erstens beeinflusst sie den Fluss und die Qualität der Information, da
Akteure dazu tendieren, unpersönlichen oder unbekannten Quellen weniger Glauben zu
schenken. Zweitens schaffen Netzwerke eine Form von Belohnung und Bestrafung, deren
Ausmaß wiederum vergrößert wird, je intensiver sich die Akteure kennen und miteinander
verbunden sind, und drittens schafft die Sozialstruktur eine Vertrauensbasis, dass die
Teilnehmer des Netzwerks das richtige Verhalten im Netzwerkkontext wählen werden, trotz
möglicher Anreize, sich anders zu verhalten. Granovetter leitet aus diesen Gründen vier
Kernprinzipien für die Interaktion innerhalb des sozialen Netzwerks ab.
16
Als konkretes Beispiel kann hier die subjektive Wahrnehmung von Löhnen durch Arbeitnehmer
herangezogen werden. Die Frage ob der Lohn ,gerecht' ist, hängt von der Vergleichsgruppe ab, die
jedoch nicht nur auf einer branchenspezifischen Auswahl beruht, sondern auch nicht-wirtschaftlich
bedingt wird durch soziale Netzwerke außerhalb des beruflichen Umfelds.
17
vgl. hierzu: Baker (1984)
- 12 -

Die Normen und die Netzwerk-Dichte zeigt, dass Normen innerhalb der Sozialstruktur
deutlicher hervortreten, umso dichter das Netzwerk ist. Dieser Zusammenhang resultiert
daraus, dass sich innerhalb eines dichten Netzwerks einzigartige Wege der Informations-,
Idee- und Einflussverbreitung ausgebildet haben. Das in kollektiven Handlungen
vorkommende Trittbrettfahrerproblem wird in einem dichten Netzwerk reduziert, da die
Akteure Normen stärker und intensiver internalisieren, die von diesem Problem abhalten und
Vertrauen schaffen. Zu betonen ist in diesem Zusammenhang, dass große Gruppen eine
geringere Netzwerkdichte haben. Maßgeblich dafür sind die kognitiven, emotionalen,
geografischen und zeitlichen Grenzen der Akteure und die Anzahl der sozialen
Verbindungen, die sie überhaupt unterhalten können.
Die Stärke der schwachen Verbindungen resultiert daraus, dass individuellen
Akteuren neue Informationen eher durch schwache als durch starke Verbindungen zufließen.
Starke Verbindungen wie Freundschaften innerhalb eines Netzwerks bewegen sich eher in
einem identischen Umfeld, so dass sich das Informationsspektrum häufig überschneidet.
Lose Verbindungen wie Bekanntschaften führen hingegen dazu, dass hier die
Interaktionspartner andere Wissensbezugsquellen haben, insofern sie sich in einem anderen
Umfeld bewegen. Andererseits führen die starken Verbindungen, in denen enge Freunde
eines Akteurs auch miteinander bekannt sind, zu einer Cliquenbildung. Daraus resultieren
Vorteile im Hinblick auf die Vertrauensbildung und die Anspruchsabgrenzung bei der
Konstruktion sozialer Institutionen. Dennoch entstehen nur durch schwache Verbindungen
Brücken zu anderen Netzwerken (s.Abb.1).
Die Stärke schwacher Verbindungen nach Granovetter
,,The Strenghts of Weak Ties"
Q: Eigene Darstellung
Starke Verbindung
Schwache Verbindung
Abb. 1
- 13 -

Der Einfluss struktureller Löcher basiert auf dieser Idee und fügt hinzu, dass nicht die
Qualität der einzelnen schwachen Verbindung, sondern vielmehr die Art der Verbindung
verschiedener Netzwerke zentral ist. Burt (1992) betont den strategischen Vorteil ,,that may
be enjoyed by individuals with ties into multiple networks that are largely separated from one
another" (Granovetter 2005: 35). Stellen sie die einzige Möglichkeit des Informations- oder
Ressourcenflusses zwischen zwei Netzwerken dar, so haben sie hier ein strukturelles Loch
ausgeschöpft. Der Akteur in Abb. 2 erzielt den größten Nutzen und hat das größte
Informationspotential, da er die einzige Verbindung zu vollkommen unterschiedlichen
Netzwerken darstellt. Welche qualitative Struktur diese Verbindungen haben, ist für das
Ausschöpfen struktureller Löcher sekundär.
Strukturelle Löcher nach Burt
,,Structural Holes"
Q: Eigene Darstellung
Akteur
Abb. 2
Die wechselseitige Beeinflussung von wirtschaftlicher und nicht-wirtschaftlicher
Handlung als viertem Aspekt zeigt auf, dass sich soziale Beziehungen um ein nicht-
wirtschaftliches Spielfeld gruppieren. Die Verbindung wirtschaftlicher und nicht-
wirtschaftlicher Handlungen im Rahmen der sozialen Einbindung führt dazu, das Kosten und
verfügbare Verfahren für wirtschaftliches Handeln von nicht-ökonomischen Motiven
beeinflusst werden wie das am Beispiel der Volksrepublik deutlich wird (s. hierzu 2.3.). Da
Akteure Ressourcen außerhalb der Wirtschaft für wirtschaftliches Handeln einsetzen, stellt
sich die Frage, ,,how the economy interacts with other social institutions" (Granovetter 2005:
35).
Dieser Ressourceneinsatz ähnelt stark dem Arbitrage-Prinzip, in dem Ressourcen
innerhalb eines Kontextes günstig eingekauft werden, um in einem zweiten Kontext mit Profit
verkauft zu werden. Da Arbitrage zwei vorher getrennte Märkte verbindet, unterscheidet es
- 14 -

sich von dem Einsatz nicht-wirtschaftlicher Ressourcen für wirtschaftliches Handeln zur
Verbesserung der wirtschaftlichen Effizienz insofern, als die Lücke zwischen Wirtschaft und
sozialem Leben nicht zwangsläufig geschlossen wird und häufig sogar Normen entwickelt
werden, die eben diesen Lückenschluss und die Verschmelzung beider Kontexte verhindern.
1.1.4. Einbindung, Vertrauen und Fehlverhalten im Wirtschaftsleben
Vertrauen und Vertrauen schaffendes Verhalten sind notwendig, um die alltägliche
Funktion wirtschaftlichen Handelns und wirtschaftlicher Institutionen zu gewährleisten. Da
eine zeitversetzte Transaktion zwischen zwei Akteuren zwangsläufig Vertrauenselemente
beinhaltet, wirft dieser Bestandteil die Frage auf, wie sich das erforderliche Verhalten
entwickelt. Der Ansatz der klassischen und neoklassischen Ökonomie, Akteure als
atomisierte Maximierer von Eigeninteressen zu betrachten, greift hier insofern zu kurz, als er
implizite und sich teils widersprechende Annahmen voraussetzt, wie z.B. jene, dass auf
einem Markt mit vollkommenem Wettbewerb Betrug oder Macht eliminiert werden, da der
Wettbewerb die Handelsbedingungen diktiert. Einzelne Akteure sind in diesem Kontext
lediglich Preisnehmer und haben keine Möglichkeit zu manipulieren. Falls sich dieses
Verhalten bei einem Akteur dennoch manifestieren sollte, kann ein Markthändler aufgrund
seiner vollständigen Informationen mit einem anderen Akteur in Kontakt treten, um seinen
Handel zu tätigen. Fehlverhalten wird somit durch den Wettbewerbsdruck verhindert
18
.
Nach Granovetter ähnelt diese These ebenso stark einem untersozialisierten Konzept
wie die Annahme, dass ein Markthändler nur so lange faire Transaktionen vollzieht, wie es
für sein Eigeninteresse relevant ist. Bereits in der klassischen Ökonomie konnte dieses
Konstrukt nur mittels weiterer Hilfsannahmen aufrechterhalten werden.
Hirschmanns Einteilung in Leidenschaften und Interessen
19
hingegen definiert
wirtschaftliches Handeln als Verhalten, das von Rationalität, Gelassenheit und Wohlwollen
geprägt ist. Die eigentliche Handlung beruht demzufolge auf ,anständigen' Absichten und
setzt moralische Anreize als Handlungsabsicht voraus. Diese übergeordneten Anreize
sprechen für ein übersozialisiertes Konzept und greifen ebenso zu kurz, da dem Akteur die
Internalisierung bestimmter Normen und Moralvorstellungen unterstellt wird, die
rechtswidriges Verhalten in wirtschaftlichen Transaktionen a priori verhindert oder eliminiert.
In Anbetracht von Informationsasymmetrien und einem offensichtlich imperfekten
tatsächlichen Markt stellte sich die Frage, wie das alltägliche Wirtschaftsleben überhaupt
Bestand hat, ohne in Misstrauen und rechtswidrigem Verhalten unterzugehen. Vertreter der
neuen Institutionenökonomie argumentieren, dass ein Fehlverhalten wegen institutioneller
Arrangements zu kostenintensiv sei. Diese Arrangements haben Instrumente geschaffen, die
18
vgl. hierzu: Williamson (1975)
19
vgl. hierzu: Hirschmann (1977)
- 15 -

zwar primär keine wirtschaftliche Intention haben, aber dennoch die Attraktivität von
rechtswidrigem Verhalten bei wirtschaftlichen Transaktionen schmälern. Beispielhaft nennt
Granovetter hier nachgelagerte Gehaltszahlungen als implizites Arrangement, das den
Diebstahl von Betriebseigentum vereiteln soll. Diese Verhaltensweisen sind insofern
untersozialisiert, als sie nicht beschreiben, inwiefern neben institutionellen Arrangements
ebenso konkrete persönliche Beziehungen und die damit einhergehenden Verpflichtungen
rechtswidriges Fehlverhalten eindämmen. Institutionelle Arrangements ausschließlich als
Vertrauenssubstitut zu betrachten, würde dazu führen, dass ein rationales Individuum sich
bemühte, Wege zu finden, um eben diesen Maßnahmen zu entweichen. Allein diese
Täuschungsversuche würden das Wirtschaftsleben erheblich beeinträchtigen.
Zwar können solche Instrumente Misstrauen reduzieren, dennoch reichen
institutionelle Arrangements und ihre Anreizstruktur nicht aus, um Betrug und
Druckausübung zu vermeiden oder gar Fehlverhalten und Misstrauen abzuschaffen. In einer
solchen Situation drängt die Frage des moralischen Einflusses erneut an die Oberfläche und
Ökonomen stellen fest, ,,that morality is economically valuable" als ,,lubricant of a social
system" (Granovetter 1992a: 41). Hier von einer allgemeinen Moral zu sprechen, läuft laut
Granovetter jedoch in die falsche Richtung, da allgemein Moral als Basis für sämtliche
wirtschaftliche Transaktionen einem übersozialisierten Konstrukt entspräche. Allen
moralischen Grundideen zum Trotz funktionieren eben diese Transaktionen nicht nach
einem automatischen und generalistischen Prinzip sondern stets individuell.
Nach Granovetter kann der homo oeconomicus gar nicht ausschließlich die
abgeschottete eindimensionale Befriedigung des Eigeninteresses verfolgen, sondern ist mit
externen Verhaltensweisen wie Zwang und Betrug konfrontiert ­ Eigenschaften, die in einem
perfekten Markt nicht vorkommen. Trotz ihres Auftretens wird das Wirtschaftsleben nicht von
Misstrauen oder grundsätzlichem Fehlverhalten dominiert. Vertreter des Konzepts der
Untersozialisierung argumentieren, dass soziale Institutionen, ,,previously thought to bet he
adventitious result of legal, historical, social or political forces are better viewed as the
efficient solution to certain economic problems" (Granovetter 1985: 488). Wirtschaftliche
Probleme haben sich evolutionär herausgebildet. Dementsprechend sind soziale
Institutionen die evolutionäre Antwort mit der einzigen Aufgabe, sich diesem Problem zu
widmen, um es zu lösen bzw. einzudämmen. Fehlverhalten kommt in diesem Konzept nicht
vor, weil es bereits durch eine Institution eingedämmt wurde oder es wird a priori verhindert,
da auf Grund der institutionellen Arrangements ein solches Verhalten rechtswidrig ist und die
mit dem Fehlverhalten verbundenen Kosten zu hoch sind.
Vertrauen ist im untersozialisierten Konzept nicht vorgesehen. Vielmehr produzieren
soziale Institutionen ein funktionales Substitut, das Vertrauen ersetzt. Es wird durch explizite
und implizite Verträge ersetzt.
- 16 -

Selbst wenn zwischenmenschliches Vertrauen als Additiv zu institutionellen
Arrangements vorausgesetzt wird, um Zwang und Betrug im Wirtschaftsleben zu
unterbinden, ist nicht eindeutig, worauf dieses Vertrauen beruht. Aus der Perspektive eines
übersozialisierten Konzepts greift zwar die Argumentation, dass Gesellschaften in ihrer
Evolution bestimmte implizite Vereinbarungen füreinander getroffen haben, die ihr Überleben
und ihr reibungsloses Verhalten sichern. Hier aber besteht wiederum die Gefahr, von einem
sozialisierten Automatismus auszugehen, der geradezu reflexartig auf ein bestimmtes
wirtschaftliches Verhalten mit einer moralischen Antwort reagiert. Im Hinblick auf ein
Wirtschaftsleben, das de facto nicht standardisiert abläuft, stellen automatisierte moralische
Handlungsweisen keine Lösung dar.
Insgesamt kritisiert Granovetter die Vernachlässigung der Sozialstruktur und betont
mit seinem Konzept der Social Embeddedness die Rolle konkreter und persönlicher
Beziehungen und Strukturen bei der Konstruktion von Institutionen. Diese Netzwerke sind
essentiell für die Vertrauensbildung und Eindämmung von Fehlverhalten. Interaktion mit
einem Individuum, dessen Reputation bekannt ist, impliziert hier, dass der Handelnde sich
weder auf allgemeine Moralvorstellungen noch institutionelle Arrangements als
vertrauensbildende Maßnahmen einlassen muss. Eine allgemeine Reputation des
Interaktionspartners als Maßnahme ist schwächer als die Information, dass ein Bekannter
mit eben diesem Interaktionspartner bereits eine erfolgreiche Transaktion abgewickelt hat.
Unübertroffen im Hinblick auf die Vertrauensbildung im Wirtschaftsleben bleiben allerdings
eigene Erfahrungen mit diesem Interaktionspartner, die aus früheren Handlungen herrühren.
Die in letzterem Falle gewonnenen Informationen sind günstig zu erhalten und in höchstem
Maße vertrauenswürdig. Kontinuierliche Transaktionen haben ein wirtschaftliches Interesse
beider Seiten generiert, die entstandene Vertrauensbasis nicht zu zerstören, um zukünftige
Handlungen nicht zu gefährden. Ferner führen kontinuierliche wirtschaftliche Transaktionen
auf beiden Seiten zu einer sozial strukturierten Haltung, in der Vertrauen gegeben und
erwartet wird. Die konkrete persönliche Beziehung zwischen Wirtschaftspartnern überwindet
das in einer solchen Situation häufig entstehende Gefangenendilemma, da das Verhalten für
beide Akteure bis zu einem gewissen Grad vorhersehbar wird.
Zwar scheinen nach Granovetter persönliche Beziehungen einen höheren Grad an
Vertrauensbildung im Wirtschaftsleben zu generieren als institutionelle Arrangement oder
allgemeine Moralvorstellungen, dennoch sind sie ,,not sufficient to guarantee these [trust and
trustworthy behaviour] and may even provide occasion and meant for malfeasance and
conflict on a scale larger than in their absence." (Granovetter 1985: 491). Somit betont er,
dass persönliche Beziehungen eben nicht verallgemeinerbar sind, sondern zeigt auf, dass
- 17 -

sie in der individuellen Konstellation sogar die Verhaltensweisen hervorrufen können, die sie
einzudämmen versuchen.
Ein Grund hierfür ist die stärkere Versuchung zu wirtschaftlichem Fehlverhalten.
Veruntreuung als rechtswidrige Verhaltensweise wird überhaupt erst durch den Aufbau einer
auf Vertrauen basierenden persönlichen Beziehung möglich. Hier gilt als Regel, dass mit
zunehmendem Umfang des Vertrauens der mögliche individuelle Gewinn durch
Fehlverhalten zunimmt. Ganz ähnlich verhält es sich mit der Ausübung von Druck und
Betrug. Diese Verhaltensweisen werden von sich intern vertrauenden Netzwerken am
effizientesten manifestiert. Dementsprechend beruht sowohl die Ausbildung von Vertrauen
als auch von Fehlverhalten auf persönlichen Beziehungen. Der Viehhandel in der
Landwirtschaft wird nach wie vor häufig per Handschlag besiegelt. Eine solche Transaktion
ist jedoch nur möglich ,,because it is not atomized from other transactions but embedded in a
close-knit community" (Granovetter 1985: 492) von Händlern, die ihr Verhalten permanent
gegenseitig beobachten. Somit entstehen ein interner Verhaltenskodex und eine
Netzwerkstruktur, die Fehlverhalten innerhalb dieses Netzwerks sehr zügig an die anderen
Teilnehmer kommunizieren.
Granovetter betrachtet sein Konzept der Einbindung im Hinblick auf Vertrauen und
Ordnung im Wirtschaftsleben als alternative Option, um die Insuffizienzen der über- und
untersozialisierten Konzepte zu kompensieren. Im Gegensatz zu den Postulaten der
allgemeinen Moral sowie der institutionellen Arrangements mit standardisierten sozialen
Handlungsmustern entwirft Granovetter mit seinem Konzept keine globalen Vorhersagen
über das Wirtschaftsleben. Vielmehr determinieren die Einzelheiten der Sozialstruktur
Handlungsweisen der Individuen und spielen eine zentrale Rolle bei der Institutionenbildung.
1.1.5. Erklärung von Vertrauen und Fehlverhalten mit der Embeddedness
Auf der individuellen Ebene des Akteurs gibt es drei Gründe für gegenseitiges
Vertrauen und vertrauenswürdiges Verhalten. Die ersten beiden Gründe ­ erstens ihr
wirtschaftliches und/oder soziales Interesse, zweitens ihr Glaube in die moralische
Richtigkeit ihres Handelns ­ korrespondieren mit dem über- und untersozialisierten Konzept.
Granovetter bezeichnet diese Konzepte nicht als falsch, sondern lediglich als unvollständig
und negiert dementsprechend ihre Begründungen nicht. Allerdings fügt er als dritten Grund
hinzu, dass die wirtschaftlich handelnden Akteure eine persönliche Beziehung mit dem
Transaktionspartner eingehen. Infolgedessen nehmen sie das von ihnen erwartete Verhalten
nicht als moralisch-generalistische Handlungslogik wahr, sondern viel eher als
wechselseitige und eingebundene Erwartungshaltung, die aus dem Prozess des
Beziehungsaufbaus resultiert. Institutionelle Arrangements sowie moralische Prinzipien
- 18 -

spielen innerhalb dieses Prozesses insofern eine wichtige Rolle, als sie ebenfalls in eine
soziale Struktur eingebettet sind, ,,that is, such arrangements and principles are also socially
constructed, rather than being alternatives to a social constructionist account" (Granovetter
1992a: 42).
Mit dem Embeddedness-Ansatz versucht Granovetter jedoch nicht, die extremen
Fragen nach der generellen Aufrechterhaltung von Ordnung zu beantworten, sondern
subsumiert viel eher grundsätzlich, dass die generelle Frage ,,of under what social structural
circumstances one may expect to see trust and trustworthy behavior or mistrust an
malfeasance" (Granovetter 1992a: 42). Der Ansatz führt somit weiter als die über- und
untersozialisierte Konzepte, da die Möglichkeit von Misstrauen, Opportunismus und
Unordnung als Phänomen weder negiert noch als allgegenwärtig betrachtet wird. Sein
Konzept räumt ihr mögliches Auftreten ein und orientiert sich somit eher am realen
Wirtschaftsleben.
Vertrauenswürdiges Verhalten als wechselseitige Erwartung ist ein direkter Effekt der
relationalen Einbindung und erklärt, warum wirtschaftliche Akteure bevorzugt Transaktionen
mit ihnen bekannten Partnern vollziehen. Die Information über den Handelspartner ist
günstig zu erhalten, detailliert und genau. Kontinuierliche Beziehungen bieten somit einen
hohen Anreiz zu vertrauensbildenden Maßnahmen, um die Möglichkeit zukünftiger
Transaktionen zu stabilisieren. Neben dieser aus wirtschaftlicher Sicht Interessen
maximierenden Perspektive erfüllt eine kontinuierliche Wirtschaftsbeziehung auch einen
sozialen Zweck, da die entstandene Nähe das Verhalten des Transaktionspartners
vorhersagbar macht.
Auf der anderen Seite jedoch steigert eben dieses Vertrauen, das auf persönlichen
Beziehungen basiert, die Gelegenheit zu Fehlverhalten. So sind bestimmte Phänomene der
Wirtschaftskriminalität wie Veruntreuung und Unterschlagung erst durch eben diese
persönlichen Beziehungen und die daraus entstandene Sozialstruktur möglich. Hier gilt, dass
der potentielle Gewinn durch Fehlverhalten mit der Tiefe des Vertrauens zunimmt. Ob es zu
diesem Fehlverhalten letztlich kommt, hängt von der Art des persönlichen Verhältnisses ab.
Sowohl die Anreizstrukturen als auch die moralischen Prinzipien werden von der Art der
Beziehung gesteuert. Sie werden jedoch auch durch die strukturelle Einbindung als Element
der sozialen Struktur um das Verhältnis der Transaktionspartner herum determiniert. Als
Beispiel führt Granovetter die Intensität des Verdrusses an, der bei Betrug durch einen
langjährigen Transaktionspartner entsteht. Diese Intensität steigert sich, wenn der
Bekanntenkreis davon erfährt. Die höchste Stufe der Unerträglichkeit ist jedoch erreicht,
wenn beider Transaktionspartner Bekanntenkreis diesen Betrug herausfinden und
verbreiten. Ob diese Prozesse jedoch überhaupt ablaufen, hängt von Art der dyadischen
Beziehungen des gemeinsamen Bekanntenkreises zum einzelnen Transaktionspartner ab.
- 19 -

Hier formuliert Granovetter als Faustregel, dass die Dichte und Intensität des Netzwerks eine
solche Kommunikation fördert. Analog ist der Druck zu tadellosem Verhalten in einem
dichten Netzwerk bedeutend höher als in einer losen Sozialstruktur. Mit diesem Druck als
Anreizinstrument sind direkte soziale und wirtschaftliche Kosten verbunden. Neben diesem
direkten Sanktionsfaktor haben intensive Gruppen mit hoher Kohäsion effiziente Prozesse
entwickelt, Normen, Symbole und kulturelle Verhaltensweisen innerhalb ihrer Gruppe zu
etablieren und somit gar nicht erst die Idee zum Betrug aufkommen zu lassen. Dieser
situative Aspekt normativer Einflüsse auf das Verhalten resultiert aus der strukturellen
Einbindung sozialer Handlungen.
Zusammenfassend hängt also bei individuellen Handlungen der Anreiz zu tadellosem
und vertrauenswürdigem oder rechtswidrigem Verhalten erheblich von der Sozialstruktur
bzw. den persönlichen Beziehungen ab.
Auf der institutionellen Ebene können Macht und Betrug am effizientesten von Teams
ausgeübt werden, wobei innerhalb dieser Teams eine Vertrauensstruktur vorliegen muss,
die typischerweise auf bereits bestehenden Beziehungslinien aufsetzt. Trotzdem versuchen
die beteiligten Akteure, diese Netzwerkstruktur so entkoppelt wie möglich zu gestalten,
indem sie das Netzwerk fragmentieren und direkte Kommunikation der einzelnen Akteure
verbieten. Die Möglichkeit, das gesamte Netzwerk von außen zu durchdringen, wird somit
stark minimiert. Illegale Aktivitäten können innerhalb der Teilnehmer eines solchen
Netzwerks neutralisiert werden, indem sie eine Aura der Normalität projizieren. Als Resultat
verfahren auch neu eintretende Teilnehmer in das Netzwerk so, wie sie die Struktur
vorgefunden haben.
Rechtswidriges Verhalten ebenso wie wirtschaftliches Handeln insgesamt funktioniert
am effizientesten, wenn der Ansatzpunkt ein bereits bestehendes Netzwerk ist. Hier ist die
Chance der Verbreitung innerhalb der sozialen Beziehungen sehr groß. Als zentraler Punkt
ist in seinem Konzept relevant, inwiefern die Akteure von Netzwerken ihre privaten
Interessen auf Kosten allgemeiner Interessen fördern. Preisabsprachen von Akteuren in
privatem Umfeld und Lobbyismus jenseits der offiziellen politischen Bühne in einem
vollkommenen, atomisierten und unpersönlichen Wettbewerbsmarkt führen dazu, dass
,,group activites in pursuit of private interests as malfeacance against the common weal"
(Granovetter 1992a: 46) betrachtet werden. Die von Adam Smith beschriebene Kraft der
unsichtbaren Hand des Marktes scheint in einem solchen Umfeld zu versagen. Die
Verfolgung eigener Interessen durch Akteure in Netzwerkbeziehungen statt als isoliertes
Individuum konterkariert die Vorstellung des vollkommenen Marktes, ist jedoch im realen
Wirtschaftsleben umfangreich existent.
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Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783832497453
ISBN (Paperback)
9783838697451
DOI
10.3239/9783832497453
Dateigröße
1.1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Konstanz – Politik- und Verwaltungswissenschaft
Erscheinungsdatum
2006 (August)
Note
1,0
Schlagworte
china kapitalmarkt bank embeddedness architecture
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Titel: Determinanten des chinesischen Kapitalmarkts
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