Lade Inhalt...

Möglichkeiten und Grenzen der Balanced Scorecard für das qualitative Rating von Unternehmen im Bekleidungseinzelhandel

©2003 Diplomarbeit 92 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Problemstellung:
Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht veröffentlichte im Januar 2001 das zweite Konsultationspapier zur neuen Eigenkapitalvereinbarung (Basel II). Dieses Abkommen, das voraussichtlich Ende 2006 in Kraft treten wird, beinhaltet die grundlegende Änderung der Eigenkapitalunterlegung der Kreditausfallrisiken bei Banken. Die Eigenkapitalausstattung der mittelständischen Unternehmen in Deutschland ist sehr gering.
Daraus resultieren niedrige Eigenkapitalquoten, die darauf zurückzuführen sind, dass vom deutschen Steuer-, Bilanz- und Insolvenzrecht starke Anreize zur Fremdfinanzierung ausgehen. Deshalb sind die Mittelständler von den künftigen Eigenkapitalregeln besonders betroffen, da diese Unternehmensform in hohem Maße über Fremdkapital resp. Bankkredite finanziert wird. Vor allem für die kleineren mittelständischen Unternehmen wird der Bankkredit in näherer Zukunft die Hauptquelle für Fremdkapital sein, da alternative Formen der Unternehmensfinanzierung, wie z.B. der Gang an die Börse, eher den Großunternehmen vorbehalten sein werden.
Es wird somit zu einem Wettbewerb der kleineren Unternehmen um den Zugang zu Fremdkapital kommen, da die Aufrechterhaltung der Liquiditätsversorgung eng an die strengeren Bedingungen von Basel II geknüpft sein wird. Das Ergebnis ist eine „risiko-adäquate Unterlegung der Kreditrisiken mit Eigenkapital“, d.h., es bekommen nicht wie bisher alle Kredite die gleichen Konditionen (à gute Kredite subventionieren die schlechten), sondern die Banken machen ihre Konditionen von einer Risikoklassifizierung des Kreditnehmers abhängig. Daraus ergibt sich für ein mittelständisches Unternehmen die Problematik, eine adäquate Darstellung seiner Performance, d.h. eine „Abschätzung zur Beurteilung von Leistungspotentialen“, bzgl. des nachhaltigen Erfolges des Unternehmens gewährleisten zu müssen. In Deutschland ist besonders der mittelständische Einzelhandel durch sehr schwache Eigenkapitalquoten gekennzeichnet.
Außerdem liegt der Einzelhandel bei einem Vergleich der Kreditausfallquoten nach Branchen mit einer Quote von 7,3% direkt hinter dem Gast- und Baugewerbe (8,3% bzw. 8,2%). Da in Zukunft voraussichtlich alle Unternehmen des Mittelstandes im Vorfeld einer Kreditvergabe ein Ratingverfahren durchlaufen müssen, ist also gerade für den Einzelhandel die Auseinandersetzung mit dieser Form der Beurteilung unerlässlich. Der deutsche Textileinzelhandel, der größtenteils durch den Bekleidungseinzelhandel […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Zur Notwendigkeit der Darstellung guter Performance für den Bekleidungseinzelhandel der Zukunft
1.1 Einführung in die Problemstellung
1.2 Gang der Untersuchung

2 Grundlagen zur Bestimmung der Performance im Bekleidungseinzelhandel
2.1 Der Bekleidungseinzelhandel
2.1.1 Einführung in die Gegebenheiten
2.1.2 Branchenspezifische Besonderheiten
2.1.3 Erfolgsfaktoren des Bekleidungseinzelhandels
2.2 Das Rating
2.2.1 Aufgaben und Ziele
2.2.2 Bestandteile und Aufbau
2.2.3 Das qualitative Rating
2.3 Die Balanced Scorecard als Instrument zur Unternehmenssteuerung
2.3.1 Die Besonderheiten der Balanced Scorecard - nicht nur ein Kennzahlensystem
2.3.2 Der Aufbau einer Balanced Scorecard

3 Der Einsatz einer Balanced Scorecard für das qualitative Rating unter Berücksichtigung der Gegebenheiten des Bekleidungseinzelhandels
3.1 Ziele und Potentiale beim Einsatz einer Balanced Scorecard für ein qualitatives Rating
3.1.1 Die Kommunikation der Kreditwürdigkeit gegenüber dem Kapitalgeber
3.1.2 Steigerung der Transparenz in allen Unternehmensbereichen
3.1.3 Schaffung eines Informationsinstrumentariums für das Management
3.1.4 Zur ganzheitlichen Betrachtung der Zielsetzungen
3.2 Konzeption einer Balanced Scorecard für das qualitative Rating im Bekleidungseinzelhandel
3.2.1 Die Konzeption des Ablaufs
3.2.2 Der Aufbau
3.2.2.1 Festlegung der Perspektiven
3.2.2.2 Festlegung der Erfolgsfaktoren und Ziele
3.2.2.3 Festlegung der Kennzahlen
3.2.2.3.1 Die Kennzahlen der Kundenperspektive
3.2.2.3.2 Die Kennzahlen der Lieferantenperspektive
3.2.2.3.3 Die Kennzahlen der Mitarbeiterperspektive
3.2.2.3.4 Die Kennzahlen der Perspektive der internen Geschäftsprozesse
3.3 Gegenüberstellung der Potentiale und Grenzen der Balanced Scorecard für das qualitative Rating im Bekleidungseinzelhandel
3.3.1 Möglichkeiten des Einsatzes der Balanced Scorecard
3.3.2 Grenzen beim Einsatz der Balanced Scorecard

4 Zusammenfassung und Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Darstellung der Betriebsformen im textilen Einzelhandel

Abbildung 2: Erfolgsfaktoren im Handel

Abbildung 3: 4 Kategorien von Erfolgsfaktoren im Bekleidungseinzelhandel

Abbildung 4: Zielgruppen eines Ratings für den Mittelstand

Abbildung 5: Struktur des EASY-Ratings von Ernst & Young

Abbildung 6: Beispiele für qualitative Ratingkriterien

Abbildung 7: Die 4 Perspektiven des Kennzahlensystems der BSC

Abbildung 8: Die 4 Perspektiven des Managementsystems der BSC

Abbildung 9: Modifizierte Balanced Scorecard

Abbildung 10: Kennzahlen der Kundenperspektive

Abbildung 11: Kennzahlen der Lieferantenperspektive

Abbildung 12: Kennzahlen der Mitarbeiterperspektive

Abbildung 13: Kennzahlen der Perspektive der internen Geschäftsprozesse

Abbildung 14: Eignung der BSC für das qualitative Rating am Beispiel ausgewählter Kriterien des EASY- Ratings (nach Ernst & Young)

1 Zur Notwendigkeit der Darstellung guter Performance für den Bekleidungseinzelhandel der Zukunft

1.1 Einführung in die Problemstellung

Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht veröffentlichte im Januar 2001 das zweite Konsultationspapier zur neuen Eigenkapitalvereinbarung (Basel II).[1] Dieses Abkommen, das voraussichtlich Ende 2006 in Kraft treten wird, beinhaltet die grundlegende Änderung der Eigenkapitalunterlegung der Kreditausfallrisiken bei Banken.[2] Die Eigenkapitalausstattung der mittelständischen Unternehmen in Deutschland ist sehr gering.[3] Daraus resultieren niedrige Eigenkapitalquoten, die darauf zurückzuführen sind, dass vom deutschen Steuer-, Bilanz- und Insolvenzrecht starke Anreize zur Fremdfinanzierung ausgehen.[4] Deshalb sind die Mittelständler von den künftigen Eigenkapitalregeln besonders betroffen, da diese Unternehmensform in hohem Maße über Fremdkapital resp. Bankkredite finanziert wird.[5] Vor allem für die kleineren mittel­ständischen Unternehmen[6] wird der Bankkredit in näherer Zukunft die Hauptquelle für Fremdkapital sein, da alternative Formen der Unternehmensfinanzierung, wie z.B. der Gang an die Börse, eher den Großunternehmen vorbehalten sein werden.[7] Es wird somit zu einem Wettbewerb der kleineren Unternehmen um den Zugang zu Fremdkapital kommen, da die Aufrechterhaltung der Liquiditätsversorgung eng an die strengeren Bedingungen von Basel II geknüpft sein wird. Das Ergebnis ist eine „risiko-adäquate Unterlegung der Kreditrisiken mit Eigenkapital“,[8] d.h., es bekommen nicht wie bisher alle Kredite die gleichen Konditionen (à gute Kredite subventionieren die schlechten), sondern die Banken machen ihre Konditionen von einer Risikoklassifizierung des Kreditnehmers abhängig.[9] Daraus ergibt sich für ein mittelständisches Unternehmen die Problematik, eine adäquate Darstellung seiner Performance, d.h. eine „Abschätzung zur Beurteilung von Leistungspotentialen“,[10] bzgl. des nachhaltigen Erfolges des Unternehmens gewährleisten zu müssen. In Deutschland ist besonders der mittelständische Einzelhandel durch sehr schwache Eigenkapitalquoten gekennzeichnet.[11] Außerdem liegt der Einzelhandel bei einem Vergleich der Kreditausfallquoten nach Branchen mit einer Quote von 7,3% direkt hinter dem Gast- und Baugewerbe (8,3% bzw. 8,2%).[12] Da in Zukunft voraussichtlich alle Unternehmen des Mittelstandes im Vorfeld einer Kreditvergabe ein Ratingverfahren[13] durchlaufen müssen,[14] ist also gerade für den Einzelhandel die Auseinandersetzung mit dieser Form der Beurteilung unerlässlich. Der deutsche Textileinzelhandel, der größtenteils durch den Bekleidungseinzelhandel repräsentiert wird,[15] ist traditionell sehr stark mittelständisch strukturiert.[16] Aufgrund von Basel II werden daher auch die meisten Unternehmen im Bekleidungseinzelhandel dazu gezwungen sein, gegenüber ihren Kapitalgebern eine gute Performance zu präsentieren und somit Kreditwürdigkeit zu kommunizieren. Die Kreditqualität eines Unternehmens muss durch ein positives Ergebnis in Form eines Ratings signalisiert werden.[17] Es stellt sich somit für die betroffenen Unternehmen die Frage, wie ein solches Resultat erreicht bzw. forciert werden kann. Der Bekleidungseinzelhandel ist in erster Linie von qualitativen Erfolgsfaktoren geprägt.[18] Bei einem Rating im Bekleidungseinzelhandel ist daher von einer schwerpunktmäßigen Beurteilung dieser Faktoren auszugehen. Allerdings existiert hier das Problem, dass bislang kaum einheitliche Bewertungsgrundlagen in Bezug auf diese qualitativen Aspekte vorliegen.[19] In diesem Kontext muss die Frage gestellt werden, ob sich das Unternehmen überhaupt gezielt auf mögliche Anforderungen eines Ratings vorbereiten kann. Wenn dem so ist, könnte es daher sinnvoll sein, eine optimale Bearbeitung der entscheidenden Faktoren anzustreben, durch die das Unternehmen seine Performance verbessern könnte, was dann im Rahmen der Beurteilung kommuniziert werden müsste. In jedem Fall stellt sich die Frage, mit welchem Instrument der Bekleidungseinzelhandel die Qualität seines Handelns gezielt bearbeiten könnte, um diese gegenüber Banken als Indiz für Kreditwürdigkeit darzustellen. Die Balanced Scorecard, die in Abschnitt 2.3 erläutert wird, könnte ein geeignetes Instrument sein, da sie neben den üblichen finanziellen Größen in besonderem Maße qualitative Aspekte in die Darstellung einbezieht.

1.2 Gang der Untersuchung

Nach der Einführung in die Problemstellung in Kapitel 1, wird im Grundlagenteil (Kapitel 2) zunächst auf die Gegebenheiten des Bekleidungseinzelhandels eingegangen. Insbesondere werden die für diesen Bereich relevanten Erfolgsfaktoren dargestellt. Anschließend werden die Grundlagen zum Rating präsentiert. Dabei wird Bezug auf die Beurteilung qualitativer Aspekte genommen und es wird eine Bestimmung des Begriffs des „qualitativen Ratings“ zur weiteren Verwendung in der vorliegenden Arbeit gegeben. Die Erläuterung der Balanced Scorecard erfolgt im letzten Teil von Kapitel 2. Hier werden die spezifischen Eigenschaften dieses Managementsystems dargestellt und erläutert.

Inwiefern eine Balanced Scorecard zum Management und zur Darstellung der Performance im Bekleidungseinzelhandel geeignet ist und wie diese Performance für ein Rating mit Schwerpunkt auf qualitativen Faktoren eingesetzt werden kann, wird in Kapitel 3 der vorliegenden Arbeit betrachtet und diskutiert. Dazu werden zunächst die Potentiale und Ziele beschrieben und erläutert, die beim Einsatz ausgeschöpft bzw. erreicht werden sollen. Anschließend wird eine Balanced Scorecard für ein Unternehmen im mittelständischen Bekleidungseinzelhandel konzipiert, die die genannten Möglichkeiten nutzbar machen soll. Hierzu wird zuerst der Ablauf der Konzeption beschrieben, die anschließend durchgeführt wird. Am Ende von Kapitel 3 werden aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse die Möglichkeiten und Grenzen des Einsatzes gegenübergestellt und erörtert. In Kapitel 4 wird schließlich eine Zusammenfassung gegeben und ein Ausblick in Form von Handlungsempfehlungen präsentiert.

2 Grundlagen zur Bestimmung der Performance im Bekleidungseinzelhandel

2.1 Der Bekleidungseinzelhandel

2.1.1 Einführung in die Gegebenheiten

Der Bekleidungseinzelhandel umfasst „alle Unternehmen der Distributionsstufe Einzelhandel, deren Aufgabe schwerpunktmäßig der Absatz von Bekleidung an den Endverbraucher ist“.[20] Der Einzelhandel mit Bekleidung beschreibt mit einem Anteil von ca. 90% den größten Teil vom gesamten Textileinzelhandelsumsatz (ca. 10% Einzelhandel mit Heim- und Haustextilien).[21] Im textilen Einzelhandel lassen sich verschiedene Betriebsformen unterscheiden, die anhand ihrer Struktur- und Leistungsmerkmale weitgehend überschneidungsfrei voneinander abgrenzbar sind.[22]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Darstellung der Betriebsformen im textilen Einzelhandel Quelle: Altenhövel, O. (1999), S.12.

Zum Facheinzelhandel zählen regional operierende unabhängige und filialisierte Fachgeschäfte, die sich bei intensiver Verkaufsberatung mit hoher fachlicher Qualifikation durch ein breit und tief gegliedertes, aktuelles und qualitativ hochwertiges Sortiment auszeichnen. Es handelt sich hier in erster Linie um Waren im gehobenen Preissegment. Die Kauf- und Warenhäuser sind Großbetriebe des Einzelhandels und sind i.d.R. nach Abteilungen und Warengruppen strukturiert. Beim Sortiment weisen sie i. allg. ein eher flaches bis tiefes Leistungsspektrum aus und sind im mittleren bis unteren Preissegment angesiedelt. Vorherrschende Verkaufsmethode in den Bekleidungsabteilungen ist die Fremdbedienung. Als Verbrauchermärkte und SB-Warenhäuser werden großflächige Einzelhandelsbetriebe bezeichnet, die hauptsächlich selbstbedienungsfähige Waren aus dem Food- und Non-Food-Bereich anbieten. Es wird zumeist auf personal- und kostenintensive Serviceleistungen verzichtet und in erster Linie eine Niedrigpreisstrategie verfolgt. Der Versandhandel zeichnet sich durch Verkauf der Ware ohne direkten Kundenkontakt aus, z.B. über Kataloge, Prospekte und neuere Medien wie das Internet. Insgesamt entfallen ca. 53% des Umsatzes auf den Facheinzelhandel, 13% auf Kauf- und Warenhäuser, 15% auf den Versandhandel und 19% auf Verbrauchermärkte und SB-Warenhäuser sowie auf sonstige Anbieter,[23] worunter auch der Lebensmittelhandel fällt, der sein Non-Food-Sortiment kontinuierlich ausbaut.[24] Schwerpunktmäßig wird in der vorliegenden Arbeit der Facheinzelhandel betrachtet, da die in diesem Segment operierenden Unternehmen besonders stark von der in der Einleitung angeführten Problemstellung betroffen sind.

2.1.2 Branchenspezifische Besonderheiten

Vor dem Kauf eines Produktes empfindet der Verbraucher einen Mangelzustand, der auf seine Bedürfnisse bzgl. einer Sache oder eines Gegenstandes zurückzuführen ist.[25] Der Kauf von Bekleidung beschreibt heute im Vergleich zu früher jedoch keine Befriedigung von Grundbedürfnissen mehr, sondern geht weit über deren Deckung hinaus.[26] Die Bestrebungen der Verbraucher nach Individualisierung haben besonders im Bekleidungseinzelhandel zu veränderten Konsumbedürfnissen geführt. Dabei bezieht sich der Wunsch nach einem individualisierten Angebot nicht mehr nur auf die Kernleistung, sondern auf den gesamten Servicebereich.[27] Hinzu kommt, dass sich der Einzelhandel mit Bekleidung einerseits in einem starken Wettbewerb mit Anbietern anderer Wirtschaftszweige (z.B. Reisen, Sport) um die begrenzten Konsumbudgets der Verbraucher befindet, andererseits aber auch ein starker (Verdrängungs-) Wettbewerb zwischen den einzelnen Betriebsformen vorherrscht.[28] Des Weiteren ist der Bekleidungseinzelhandel stark durch den Begriff der Mode geprägt. Mode beschreibt den permanenten, periodischen „Wandel der Bekleidung und der Alltagsgeselligkeit, der Wohnweise und überhaupt der Gestaltung des ästhetischen Lebens. Sie ist gekennzeichnet durch ihre Kurzfristigkeit, die Beständigkeit ihrer Veränderung und ihre mehr oder weniger zwingende Ausbreitung in der Gesellschaft“.[29] Dadurch bedingt sind die Lebenszyklen modischer Artikel sehr kurz; die „Ware ist durch ihre Saisonalität also modischer Obsoleszenz unterworfen“.[30] Eine weitere Besonderheit ist die zeitliche Diskrepanz zwischen Ordervergabe bzw. Einkauf und Warenverkauf, welche i.d.R. ein viertel Jahr bis zum ersten Warenangebot in den Verkaufsstätten und über ein Jahr bis zum Schlussverkauf beträgt.[31] Dieser Aspekt erschwert die Einschätzung des Konsumentenbedarfs in quantitativer, qualitativer und temporärer Hinsicht erheblich. Der bedarfsgerechte Einkauf zählt somit zu einer der schwierigsten Aufgaben im Einzelhandel mit Bekleidung. Es wird deutlich, dass durch diese Besonderheiten eine Reihe von Erfolgsfaktoren existieren müssen, die von Unternehmen im Bekleidungseinzelhandel gezielt zu bearbeiten sind, um das Unternehmen erfolgreich zu führen und eine gute Performance zu gewährleisten.

2.1.3 Erfolgsfaktoren des Bekleidungseinzelhandels

Im Kern befasst sich die Erfolgsfaktorenforschung mit dem Lernen aus den Vergangenheitserfahrungen von verschiedenen Unternehmungen. Es ist das Ziel herauszufinden, welche Merkmale „Gewinner“ von „Verlierern“ signifikant unterscheiden.[32] Erfolgsfaktoren haben also entscheidenden Einfluss auf Erfolg und Misserfolg von Unternehmen und müssen daher von ergebnisrelevanter Bedeutung sein.[33] Ihnen ist deshalb strategischer Charakter beizumessen. Als strategische Erfolgsfaktoren können somit Elemente, Strukturen oder Leistungsfaktoren bezeichnet werden, die einen signifikanten Einfluss auf den Unternehmenserfolg haben. Es kann sich z.B. um Elemente der Unternehmensphilosophie, der Organisations- und Führungsstruktur oder um Leistungsfaktoren des Marketing-Instrumentariums handeln.[34] „Erfolgsfaktoren müssen messbar sein, und es sollte eine überschaubare Anzahl an wesentlichen Faktoren mit hoher Erklärungsfähigkeit in Bezug auf den Erfolg vorhanden sein“.[35] In der Literatur existieren diverse Beiträge, die sich damit auseinandersetzen, welche Erfolgsfaktoren im Handel und speziell im Bekleidungseinzelhandel von Bedeutung sind. Eschenbach stellt z.B. die Unternehmensführung als Schlüsselfaktor zum Erfolg dar und ordnet dieser zehn weitere Erfolgsfaktoren zu, die nach der Fristigkeit ihrer Wirkung auf den Unternehmenserfolg angeordnet sind (vgl. Abb. 2).[36]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Erfolgsfaktoren im Handel Quelle: Eigene Darstellung, mod. nach Eschenbach, R. (1999), S.19.

Hierbei werden die Faktoren Beschaffung und Logistik unter dem Begriff Materialwirtschaft und die Fläche und Ladengestaltung unter dem Begriff Fläche/Raum zusammengefasst. Meffert/Patt stellen für den Bekleidungseinzelhandel zusätzlich die Erlebnisorientierung und die Wettbewerbsstärke heraus.[37] Unter letzterer wird z.B. das Image subsumiert, aber auch Faktoren wie das Sortiment und das Personal. Dagegen bezeichnet Rosenberger eine Kombination aus Faktoren wie Sortiment, Preis, etc. als „Erfolg mit Profil“ und sieht die gemeinsame Bearbeitung als entscheidend für den Erfolg an.[38] Eickhoff wiederum sieht die in der Problemstellung angeführte Beschaffung von Kapital bzw. die Finanzierung als direkten Erfolgsfaktor des Einzelhandels mit Bekleidung.[39] Es wird deutlich, dass eine klare Abgrenzung bzw. Herausstellung eindeutig entscheidender Faktoren für den Erfolg eines Unternehmens im Bekleidungseinzelhandel kaum möglich ist. Es ist also erforderlich, dass eine gesamtheitliche Steuerung aller relevanten Erfolgsfaktoren erfolgt, welche die jeweilige Unternehmung in Abstimmung mit ihren Zielen und Anforderungen individuell festlegt.[40] Für das entsprechende Handelsunternehmen bedeutet dies, dass das Management eine geeignete Strategie entwickeln muss, welche einerseits die relevanten Erfolgsfaktoren beinhaltet und andererseits die entsprechenden Besonderheiten der Branche und der Betriebsform enthält. Nur so ist es möglich, die Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu sichern und diese entsprechend zu kommunizieren, um z.B. bei einem Rating[41] ein angemessenes Ergebnis zu erzielen. Es bedarf somit eines Steuerungsinstrumentes, welches die relevanten, zum Grossteil qualitativen Erfolgsfaktoren (z.B. Mitarbeitermotivation, Kundenbindung, etc.), in ausgeglichener Form gegenüberzustellen und die angestrebten strategischen Ziele zu erreichen und zu dokumentieren vermag.[42] Ob eine spezielle Balanced Scorecard diese Anforderungen in Bezug auf ein Rating erfüllen kann, wird im Hauptteil der vorliegenden Arbeit untersucht und diskutiert. Zu diesem Zweck wird hier das Schema von Eickhoff [43] verwendet, der in seiner Studie zur Erfolgsforschung im Bekleidungseinzelhandel diverse Erfolgsfaktoren verifiziert. Aufgrund der Strukturierung in vier heterogene Kategorien (vgl. Abb. 3), die jeweils verschiedene, relevante und einzeln zu bearbeitende Faktoren beinhalten, ist dieses Schema zur Unterstützung der Analyse der vorliegenden Problematik geeignet. Auf Ausprägungen und Bedeutung einzelner Faktoren wird im Hauptteil eingegangen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: 4 Kategorien von Erfolgsfaktoren im Bekleidungseinzelhandel Quelle: Eigene Darstellung, mod. nach Eickhoff, M. (1994), S. 93ff.

2.2 Das Rating

2.2.1 Aufgaben und Ziele

Rating ist ein englischer Begriff und kann übersetzt werden mit Bewerten und Abschätzen.[44] Es dient der Einschätzung der zukünftigen Fähigkeit eines Unternehmens, seine Zahlungs- und Tilgungsverpflichtungen termingerecht und vollständig erfüllen zu können.[45] Ratings sind demnach eine „Bewertung der Bonität und damit der Kreditwürdigkeit eines Unternehmens“.[46] Nach allgemeiner Auffassung wird es aufgrund von Basel II eine zunehmende Verschärfung der Kreditbedingungen für Unternehmen jeder Größenklasse geben, was den Bedarf nach hochwertigen, objektiven Bonitätseinschätzungen in Form von Ratings stark forcieren wird.[47] Aufgrund der vorliegenden Problemstellung werden hier schwerpunktmäßig die Aufgaben und Ziele von Ratings bei mittelständischen Unternehmen betrachtet. Jeder Unternehmung ist daran gelegen, die eigenen Stärken und Schwächen für sich herauszustellen und zu bearbeiten. Insofern ist das Rating als Informationsinstrument für das Management zu sehen, das zahlreiche betriebswirtschaftliche Faktoren identifiziert und unter Risikoaspekten bewertet.[48] Des Weiteren ist die Darstellung („Signaling“) von Kreditwürdigkeit als sehr wichtiges Ziel eines Ratings zu nennen, da es hilft, die Beziehungen zwischen Kreditnehmer und Kreditgeber zu verbessern. Eine weitere entscheidende Aufgabe ist die Steigerung der Transparenz gegenüber den Zielgruppen (vgl. Abb. 4) der Unternehmung. Diese Zielgruppen sind neben der Hausbank z.B. Lieferanten, Kunden und auch Mitarbeiter. Die Lieferanten bekommen durch ein gutes Rating beispielsweise Hinweise über die Zahlungssicherheit, Mitarbeiter können positive Signale bzgl. Arbeitsplatzsicherheit erlangen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Zielgruppen eines Ratings für den Mittelstand Quelle: URA – Unternehmensrating Agentur (2003), in: www.ura.de.

Diese Kommunikation zur Verbesserung der Transparenz über die eigene Risikosituation kann z.B. durch den Ausbau eines Controlling- oder Risikomanagementsystems oder durch die Entwicklung einer Balanced Scorecard geschehen.[49] Letztere bietet aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften[50] besonders viele Möglichkeiten zur Unterstützung o.g. Aspekte und wird daher diesbezüglich in der vorliegenden Arbeit untersucht.

2.2.2 Bestandteile und Aufbau

Ein Rating kann auf zwei Arten erfolgen. Das Unternehmen kann sich entweder intern, durch das Kredit gebende Institut, oder aber extern durch eine unabhängige Rating-Agentur beurteilen lassen.[51] Unabhängig bedeutet in diesem Kontext den Verzicht auf Geschäftsbeziehungen und den Kontakt auf die Vergabe und Überwachung des Ratings zu beschränken.[52] Die Einschätzung des Unternehmens wird von den Banken und Rating-Agenturen bislang so praktiziert, dass eine Einteilung in Risikoklassen auf einer Ratingskala entweder nach Schulnoten oder von z.B. AAA bis D vorgenommen wird. Dabei steht AAA für ein absolut vorzügliches, D für ein insolventes Unternehmen.[53] Allerdings verwendet beinahe jede Bank sowie jede Agentur ihre eigenen Symbole.[54] Von mindestens ebenso großer Vielfalt wie die Art der Bewertungssymbole ist die Zusammensetzung und Gewichtung der verschiedenen Komponenten, die von dem jeweiligen Institut zur Durchführung des Ratings eingesetzt werden. Dabei stützen sich bankinterne Ratingsysteme zumeist mehr auf quantitative Faktoren (z.T. bis zu 75% Gewicht auf Daten aus dem Jahresabschluss und Zahlungserfahrungen). Sie weisen i.d.R. eine standardisierte, fixe Gewichtung der Faktoren auf. Dagegen passen sich Rating-Agenturen der Situation des Unternehmens an und legen ein höheres Gewicht auf qualitative Faktoren, wie z.B. die Managementqualität.[55] Ein in der Literatur häufig angeführtes Beispiel, welches den Aufbau bzw. die Struktur eines Ratings veranschaulicht, ist das EASY-Rating von Ernst & Young.[56] Hier wird der Aufbau durch drei Teilratings beschrieben, die mit unterschiedlichem Gewicht in das Gesamtrating eingehen (vgl. Abb. 5).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Struktur des EASY-Ratings von Ernst & Young Quelle: Europa Treuh. Ernst & Young (2001), in: www.ernst-young.at.

Jedes Teilrating (sowohl das quantitative als auch die beiden qualitativen Teile) ergibt sich hierbei zu gleichen Teilen aus der Analyse der mit ihm assoziierten „Chancen/Stärken“ bzw. „Risiken/Schwächen“, die jeweils anhand verschiedener Kriterien (mithilfe spezieller Fragestellungen) bewertet werden.[57] Daraufhin erfolgt die Einstufung in o.g. Risikoklassen. Eine detaillierte Auflistung und Gewichtung der Kriterien des hier angeführten Beispiels (sowie weitere Beispiele von Ratingmodellen anderer Banken bzw. Institute) finden sich zur Verdeutlichung des erläuterten Prozesses im Anhang (S.79ff.).

Die Jahresabschlussanalyse vergangenheitsorientierter Daten ist notwendig, aber nicht hinreichend für die Festlegung einer Ratingklassifizierung.[58] Eine einfache Extrapolation der Vergangenheit in die Zukunft wäre eine unzulässige Verkürzung und Vereinfachung. Daher gewinnt die Analyse qualitativer und zukunftsgerichteter Unternehmensmerkmale, wie z.B. Marktanteil oder Image zunehmend an Bedeutung, weshalb immer mehr Rating-Agenturen ihre Schwerpunkte auf die Beurteilung dieser außerbilanziellen Faktoren legen.[59] In einer Studie[60] der Pilot-Unter­nehmens­gruppe wurden jedoch gerade bei kleineren und mittleren Unternehmen insbesondere im qualitativen Beurteilungssegment gravierende Schwachstellen identifiziert. Dies unterstreicht die Bedeutung der qualitativen Unternehmensbeurteilung, die einen Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit bildet.

2.2.3 Das qualitative Rating

Den qualitativen Faktoren wird bei der Bonitätsbeurteilung in der Zukunft eine entscheidende Bedeutung zukommen, da sie im Vergleich zu den vergangenheitsorientierten quantitativen Kriterien das Potential haben, etwas über die zukünftige Solvenz auszusagen.[61] Es kann zwischen harten und weichen qualitativen Kriterien unterschieden werden.[62] Harte qualitative Faktoren ermöglichen eine objektive Ermittlung, und beinhalten z.B. die Dauer von Kunden- und Lieferantenbeziehungen oder die Existenz bestimmter Kontrollsysteme. Bei den weichen qualitativen Faktoren, die durch gezielte Fragen zu relevanten Feldern (z.B. Management, Wertschöpfung, etc.) ermittelt werden,[63] ist zwangsläufig Subjektivität vorhanden. Z.B. können Entscheidungsträger bzgl. dieser Teilfragen zur Bewertung der Kriterien bei der Beurteilung zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen kommen. Bei einer Frage wie „Ist die fachliche/branchenmäßige Qualifikation des Managements in technischer wie auch in kaufmännischer Hinsicht nachhaltig erwiesen?“,[64] gibt es eine große Bandbreite verschiedener Antwortmöglichkeiten. Des Weiteren ist die Frage zu stellen, welche Kriterien für die Beurteilung der qualitativen Aspekte eines Unternehmens festzulegen sind. Abb. 6 verdeutlicht, wie viele verschiedene Kriterien zur Bewertung qualitativer Unternehmensmerkmale in das Rating einbezogen werden können.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Beispiele für qualitative Ratingkriterien Quelle: Erben, R.-F. (2003), S.20.

Derzeit können jedoch noch keine allgemein gültigen Aussagen über die verschiedenen Rating-Modelle der einzelnen Banken und Agenturen gemacht werden.[65] Der Aufbau einer Bewertung oder eines Mess-Verfahrens bedarf aber klarer Definitionen, Parameter und Merkmale für die Messung.[66] Eindeutige Indikatoren, objektive Erhebungsmuster und von Dritten nachvollziehbare Ergebnisse sollten auch die Bewertung qualitativer Faktoren ausmachen. Ebenso müsste Vergleichbarkeit gewährleistet sein, indem eine Bewertung stets mit gleichen oder ähnlichen Kriterien erfolgt. Diese Forderung kann aber aufgrund der Heterogenität der Erfolgsfaktoren höchstens innerhalb derselben oder einer ähnlichen Branche erfüllt werden. Da in jeder Branche spezifische Erfolgsfaktoren existieren,[67] die bei jeder Unternehmung noch einmal spezielle Ausprägungen aufweisen, dürfte es nur schwer realisierbar sein, eine einheitliche Bewertungsgrundlage für ein qualitatives Rating zu benennen,[68] die der geforderten Vergleichbarkeit und Einheitlichkeit der betrachteten Unternehmensaspekte gerecht würde. Demnach erscheint es sinnvoll, eine qualitative Beurteilung von Unternehmen anhand von Kriterien vorzunehmen, die die für den untersuchten Bereich bzw. die untersuchte Branche identifizierten Erfolgsfaktoren bewerten und entsprechend ihrer Bedeutung gewichten. Jedem Erfolgsfaktor sollten individuell angepasste Fragestellungen zugeordnet werden, die Hinweise auf Stärken oder Schwächen in dem entsprechenden Bereich geben,[69] und somit helfen, eine objektive Beurteilung zu erhalten. Für das Rating qualitativer Unternehmensgrößen ist also die Entwicklung einer Methode erforderlich, die neben der erfolgreichen Bearbeitung von branchenspezifischen Erfolgsfaktoren diese zusätzlich transparent macht, und günstigstenfalls durch objektive Kennzahlen eine Beurteilung der Qualität dieser Faktoren in der jeweiligen Unternehmung zulässt. Die diesbezüglich aktuell am intensivsten diskutierte Methode ist die Balanced Scorecard,[70] die im nächsten Abschnitt erläutert wird.

2.3 Die Balanced Scorecard als Instrument zur Unternehmenssteuerung

2.3.1 Die Besonderheiten der Balanced Scorecard - nicht nur ein Kennzahlensystem

Die Kritik an den traditionellen Kennzahlensystemen hat dazu geführt, Möglichkeiten ihrer Weiterentwicklung zu suchen.[71] Unter einem Kennzahlensystem wird „im Allgemeinen eine Zusammenstellung quantitativer Variablen verstanden, wobei die einzelnen Kennzahlen in einer sachlich sinnvollen Beziehung zueinander stehen, einander ergänzen oder erklären und insgesamt auf ein gemeinsames übergeordnetes Ziel ausgerichtet sind“.[72] Solche Kennzahlensysteme zur Steuerung von Unternehmen werden allerdings mehr und mehr als zu finanzlastig und vergangenheitsorientiert betrachtet.[73] Finanzlastigkeit meint, dass monetäre Kennzahlen (z.B. Liquiditätskennzahlen) gegenüber den nicht-monetären als Steuerungsgrößen dominieren. Da diese Kennzahlen lediglich zur Leistungsmessung in bereits abgelaufenen Berichtsperioden herangezogen werden, wird eine Vergangenheitsorientierung unterstellt. Die Verwendung vergangenheitsbezogener Größen führt zu einer „Heckwasserbetrachtung“,[74] die nur sehr begrenzt Aussagen über zukünftige Handlungsergebnisse ermöglicht und somit fast zwangsläufig zu einer Fehlsteuerung führt (besonders bei Betrachtung dezentraler Organisationseinheiten).[75] Für eine Steuerung werden „vorökonomische Faktoren“ benötigt, die eine Antizipation zukünftiger Entwicklungen ermöglichen. Vor diesem Hintergrund wurde von Kaplan/Norton die Balanced Scorecard entwickelt. Es handelt sich dabei um ein Instrument des Performance-Measurement, welches frei übersetzt soviel wie „Ausgewogener Berichtsbogen“ bedeutet.[76] Diese Ausgewogenheit bezieht sich dabei auf das gesamte Unternehmen, da die Balanced Scorecard nicht nur Kennzahlen des finanziellen Bereiches abbildet, sondern ebenso die Perspektiven anderer Anspruchsgruppen wie Kapitalgeber, Kunden und Mitarbeiter berücksichtigt. Anders als herkömmliche Kennzahlensysteme ist die Balanced Scorecard ein „Management-Instrument, das den gesamten Planungs-, Steuerungs- und Kontrollprozess eines Unternehmens mitgestaltet und mit Hilfe von unternehmensspezifischen Anpassungen der Ausformulierung bzw. Quantifizierung von Strategien dient“.[77] Die Strategie bildet demnach den Ausgangspunkt bei der Erstellung einer Balanced Scorecard. Dieses Instrument übersetzt die Unternehmensvision und –strategie in ein übersichtliches System zur Leistungsmessung, welches den Rahmen für ein strategisches Managementsystem bildet.[78] Die Balanced Scorecard betont zwar die finanziellen Ziele, beinhaltet aber auch die (zumeist qualitativen) Leistungstreiber dieser Ziele. Weitere Kennzeichen sowie der grundsätzliche Aufbau werden im folgenden Abschnitt beschrieben und erläutert.

2.3.2 Der Aufbau einer Balanced Scorecard

Die Balanced Scorecard basiert auf dem Grundgedanken, dass der wirtschaftliche Erfolg einer Unternehmung sich auf Einflussfaktoren gründet, die „hinter den finanziellen Zielgrößen stehen und die Zielerreichung ursächlich bestimmen“.[79] Für die optimale Steuerung einer Organisation ist es unerlässlich, aus der Strategie klar formulierte, messbare und kontrollierbare Steuerungsgrößen ableiten zu können. Durch diese können die erfolgsbestimmenden Perspektiven „ausbalanciert“ und dem Management wie auch den Mitarbeitern die Richtung gewiesen werden.[80] Das Unternehmensführungssystem der Balanced Scorecard besteht aus zwei wesentlichen Komponenten.[81] Zuerst ist das Kennzahlensystem zu nennen, welches die traditionellen finanziellen Kennzahlen durch operative Kennzahlen einer Kunden-, einer internen Prozess- sowie einer Lern- und Entwicklungsperspektive ergänzt. Sämtliche Kennzahlen werden aus einer Geschäftsstrategie (die aus einer bestimmten Vision[82] hergeleitet sein sollte) abgeleitet und über Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge mit den finanziellen Unternehmenszielen verknüpft.[83] Die Perspektiven der Balanced Scorecard müssen sowohl „untereinander als auch in ihrer Gesamtheit mit der Strategie des Unternehmens verbunden werden“.[84] Aus dieser Strategie werden für die einzelnen Perspektiven die strategischen Ziele abgeleitet. Diese werden durch korrespondierende Kennzahlen konkretisiert, für die wiederum Vorgaben festgelegt werden, anhand derer der Zielerreichungsgrad überprüft werden kann. Schließlich werden operative Maßnahmen zur Erreichung der strategischen Ziele identifiziert und Verantwortliche festgelegt.[85] Dieser komplexe Zusammenhang wird in der folgenden Abbildung noch einmal verdeutlicht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7: Die 4 Perspektiven des Kennzahlensystems der BSC Quelle: Kaplan, R./Norton, D. (1997), S.9.

Sämtliche Ziele und Kennzahlen müssen mit den Zielen der finanziellen Perspektive verbunden sein, da alle Strategien und Initiativen letztlich nur dann sinnvoll sind, wenn die finanzwirtschaftlich angestrebten Größen für die Unternehmung erreicht werden können.[86] Die Kennzahlen der Finanzperspektive sollen die strategischen Unternehmensziele in die „Sprache der Anteilseigner“ übersetzen.[87] Die Kundenperspektive umfasst z.B. Kennzahlen bzgl. Kundenzufriedenheit und Serviceleistungen.[88] Die Kennzahlen der internen Prozessperspektive sollten Punkte wie die betriebliche Leistungserstellung oder über die normale Gewährleistung hinausgehende Kundendienstaktivitäten erfassen. Die Lern- und Entwicklungsperspektive, die von Friedag/Schmidt auch als Mitarbeiterperspektive bezeichnet wird, bezieht verstärkt Fähigkeiten und Potential der Mitarbeiter sowie die Nutzung von Informationstechnologien mit ein. Im Hauptteil der vorliegenden Arbeit wird detaillierter auf relevante Kennzahlen eingegangen. Eine „vollständige Balanced Scorecard sollte auf 15 bis 25 Kennzahlen begrenzt sein, um die Aufmerksamkeit von Management und Mitarbeitern auf die wettbewerbsentscheidenden Faktoren zu lenken“.[89] Hierbei sind jedoch nicht die Kennzahlen die bestimmenden Steuerungsgrößen, sondern entscheidend ist die zielgerichtete Kommunikation der Beteiligten über alle Hierarchiestufen und Funktionsbereiche im Unternehmen.[90] Hier wird der direkte Bezug zur zweiten Komponente deutlich - dem Managementsystem. Das Kennzahlensystem muss dazu verwendet werden, mögliche Diskrepanzen zwischen der Entwicklung und Formulierung einer Strategie und ihrer Umsetzung zu überwinden.[91] Dieses erfolgt einerseits über Kommunikation und Verknüpfung der strategischen Ziele mit den Kennzahlen, anderseits bedarf es einer fundierten Planung und konkreten Zielvorgaben. Einen Überblick über das Managementsystem der Balanced Scorecard gibt Abbildung 8.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 8: Die 4 Prozesse des Managementsystems der BSC Quelle: Kaplan, R./Norton, D. (1997), S.10.

[...]


[1] Vgl. hierzu und im folg. Füser, K./Heidusch, M. (2002), S.34.

[2] Zum grundlegenden Aufbau von Basel II s. Anhang S.75.

[3] Vgl. z.B. Christians, U. (2003), S.253; vgl. auch Munsch, M. (2003), S.245.

[4] Vgl. Welteke, E. (2003), S.20.

[5] Vgl. Wambach, M./Rödl, B. (2001), S.38.

[6] Definition für kleine und mittelgroße mittelständische Unt. s. Anhang S.77.

[7] Vgl. hierzu und im folg. Welteke, E. (2003), S.21f.

[8] Gaumert, U. (2003), S.46.

[9] Vgl. Schmeisser, W./Grothe, J. (2003), S.232.

[10] Vgl. Witt, F.-J. (2002), S.601.

[11] Vgl. Koch, W./Wegmann, J. (2003), S.19f.

[12] Vgl. Weiss, E. (2003), S.43.

[13] Vgl. zum Begriff des Ratings Abschnitt 2.2.

[14] Vgl. Steiff, J./Köster, L. (2001), S.14.

[15] Vgl. Abschnitt 2.1.1.

[16] Vgl. Eickhoff, M. (1994), S.1.

[17] Vgl. Kley, C. (2003), S.13.

[18] Vgl. hierzu ausführlicher Abschnitt 2.1.3.

[19] Vgl. hierzu Abschnitt 2.2.3.

[20] Burg, M. (1995), S.72.

[21] Vgl. Textilwirtschaft (2003), Nr.39, S.61.

[22] Vgl. hierzu und im folg. Altenhövel, O. (1999), S.12ff.

[23] Vgl. Textilwirtschaft (2003), Nr.39, S.61.

[24] Vgl. Kliger, M. (2000), S.3.

[25] Vgl. Ahlert, D. (1996), S.75.

[26] Vgl. Burg, M. (1995), S.72f.

[27] Vgl. Blum, G. (2002), S.252.

[28] Vgl. hierzu und im folg. Eickhoff, M. (1994), S.20.

[29] Ebenda, S.29.

[30] Heinemann, G. (1988), S.20.

[31] Vgl. hierzu und im folg. Burg, M. (1995), S.73f.

[32] Vgl. Ahlert, D. (2003b), S.13.

[33] Vgl. Eschenbach, R. (1999), S.17.

[34] Vgl. Meffert, H./Patt, P.-J. (1987), S.2.

[35] Eschenbach, R. (1999), S.17.

[36] Vgl. hierzu und im folg. ebenda, S.19f.

[37] Vgl. Meffert, H./Patt, P.-J. (1987), S.8.

[38] Vgl. Rosenberger, E. (1993), S.78f.

[39] Vgl. Eickhoff, M. (1993), S.34.

[40] Vgl. hierzu und im folg. Eschenbach, R. (1999), S.61.

[41] Vgl. Abschnitt 2.2.

[42] Vgl. Fischer, T. (2000), S.1.

[43] Vgl. hierzu und im folg. Eickhoff, M. (1994), S.93ff.

[44] Vgl. Rating Alliance (2003), in: www.rating-alliance.com.

[45] Vgl. IHK Köln (2003), in: www.ihk-koeln.de.

[46] Gleißner, W./Füser, K. (2003), S.11.

[47] Vgl. hierzu z.B. Munsch, M. (2003), S.244.

[48] Vgl. hierzu und im folg. Munsch, M. (2001), S.36f.

[49] Vgl. Gleißner, W./Füser, K. (2003), S.20.

[50] Vgl. Abschnitt 2.3.1.

[51] Vgl. Haunerdinger, M. (2003), S.30.

[52] Vgl. Hundt, I./Neitz, B./Grabau, F. (2003), S.16.

[53] Vgl. Koch, W./Wegmann, J. (2003), S.9.

[54] Beispiel für klassische Ratingskalen s. Anhang S.78.

[55] Vgl. Munsch, M. (2003), S.245.

[56] Vgl. z.B. Füser, K./Heidusch, M. (2002), S.183ff.

[57] Vgl. Gleißner, W./Füser, K. (2003), S.228.

[58] Vgl. hierzu und im folg. Christians, U. (2003), S.262.

[59] Vgl. Baetge, J. (1998), S.9.

[60] Vgl. hierzu und im folg. Hübner, R./Thomas, C. (2003), S.26f.

[61] Vgl. Erben, R.-F. (2003), S.20.

[62] Vgl. hierzu und im folg. Hundt, I./Neitz, B./Grabau, F. (2003), S.86.

[63] Vgl. von Tippelskirch, A. (2003), S.12.

[64] IKB Deutsche Industriebank (2003), in: www.ikb.de

[65] Vgl. Erben, R.-F. (2003), S.20.

[66] Vgl. hierzu und im folg. Schneck, O. (2003), S.37.

[67] Vgl. Abschnitt 2.1.3.

[68] Vgl. Christians, U. (2003), S.283.

[69] Vgl. z.B. Gleißner, W./Füser, K. (2003), S.167ff.

[70] Vgl. hierzu auch Schneck, O. (2003), S.38f.

[71] Vgl. Zimmermann, G./Jöhnk, T. (2001), S.516.

[72] Reichmann, T. (1997), S.23.

[73] Vgl. hierzu und im folg. Ackermann, K.-F. (2000), S.15.

[74] Ahlert, D./Ahlert, M. (2001), S.58.

[75] Vgl. hierzu und im folg. ebenda, S.58f.

[76] Vgl. hierzu und im folg. Baier, P. (2000), S.204.

[77] Ebenda.

[78] Vgl. hierzu und im folg. Kaplan, R./Norton, D. (1997), S.2.

[79] Kaplan, R./Norton, D. (1997), S.1.

[80] Vgl. ebenda.

[81] Vgl. hierzu und im folg. Gilles, M. (2002), S.25ff.

[82] Vgl. hierzu näher Abschnitt 3.2.1.

[83] Vgl. hierzu auch Schmidt, J. (2003), S.82.

[84] Schedl, C. (2002), S.26.

[85] Vgl. hierzu auch Kaplan, R./Norton, D. (1997), S.9f.

[86] Vgl. Weber, J./Schäffer, U. (2000), S.7.

[87] Friedag, H./Schmidt, W. (2002b), S.14.

[88] Vgl. hierzu und im folg. ebenda, S.12ff.

[89] Gilles, M. (2002), S.27.

[90] Vgl. Morganski, B. (2003), S.12.

[91] Vgl. hierzu und im folg. Kaplan, R./Norton, D. (1997), S.11ff.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2003
ISBN (eBook)
9783956360640
ISBN (Paperback)
9783832497309
Dateigröße
549 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Münster – Wirtschaftswissenschaften, Betriebswirtschaftslehre
Erscheinungsdatum
2006 (Juli)
Note
2,3
Schlagworte
performance messung erfolgsfaktoren unternehmenssteuerung kreditwürdigkeit informationsinstrument
Zurück

Titel: Möglichkeiten und Grenzen der Balanced Scorecard für das qualitative Rating von Unternehmen im Bekleidungseinzelhandel
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
book preview page numper 10
book preview page numper 11
book preview page numper 12
book preview page numper 13
book preview page numper 14
book preview page numper 15
book preview page numper 16
book preview page numper 17
book preview page numper 18
book preview page numper 19
book preview page numper 20
92 Seiten
Cookie-Einstellungen