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Das Phänomen des neuen Dienstmädchens

Eine Analyse des Frauenarbeitsmarktes Privathaushalt in Deutschland - Ursachen, Auswirkungen und Lösungsansätze

©2006 Diplomarbeit 130 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Zusammenfassung:
In (West) Deutschland ist seit den 1970er Jahren eine stärkere Erwerbsorientierung von Frauen, die zunehmend auch Mütter erfasst, zu beobachten. Diese hat jedoch nicht automatisch eine egalitäre Aufteilung von Berufs- und Familienarbeit zur Folge. Noch immer leisten Männer deutlich mehr bezahlte und Frauen deutlich mehr unbezahlte Arbeit. Die nach 1986 entwickelten Regelungen zum Elternurlaub bzw. zur Elternzeit werden bis heute fast nur von Müttern in Anspruch genommen. Das 1996 etablierte Recht auf einen Kindergartenplatz verbessert inzwischen zusammen mit den Regelungen zur Elternzeit zwar die beruflichen Perspektiven von Müttern, trotzdem ist das Betreuungsangebot noch unzureichend, und es gibt im deutschen Steuer- und Sozialsystem noch immer Anreize für Paare mit Kindern, ein Familienmodell mit männlichem Hauptverdiener und gering verdienender Ehefrau zu favorisieren.
Für die westdeutsche Gesellschaft der Nachkriegszeit war das kulturelle Leitbild stark vom Familienmodell der Hausfrauenehe geprägt. Dieses Modell sah für Mütter die Hausfrauenrolle vor, sowie für den Mann die Rolle des Alleinernährers. In den folgenden Jahrzehnten wurde das vorherrschende kulturelle Leitbild vom Familienmodell der Hausfrauenehe zunehmend von einem Modell der „modernisierten Versorgerehe“ abgelöst. Dieses modernisierte Modell beruht auf der Idee, dass beide Erwachsene in einer Ehe prinzipiell erwerbstätig sind, der Mann in Vollzeit, die Frau, ohne Kinder ebenfalls in Vollzeit, mit Kindern in Teilzeit. In beiden Modellen wird die Verantwortung für die Haus- und Sorgearbeit den Frauen zugetragen. Staatliche Betreuungseinrichtungen sind daher nur in geringem Umfang vorgesehen. Die Gesellschaft setzt hier auf die unbezahlte Arbeit der Frauen.
Erwerbsarbeit ist in Deutschland nach der männlichen Normalbiographie gestaltet und setzt eine vollzeitige und kontinuierliche Verfügbarkeit voraus. Frauen fallen nicht qua Geschlecht heraus, aber ihr Geschlecht wird oft zum Ausgrenzungsgrund. Wenn Frauen die ihnen zugewiesene private Arbeit leisten, sind sie, je nach Umfang, nicht in der Lage, sich den Normen der Erwerbswirtschaft an Zeit und Verfügbarkeit zu beugen.
Trotz dieser strukturellen Schwierigkeiten ist eine Veränderung in den Lebensentwürfen von Frauen feststellbar. Sie sind zunehmend gut ausgebildet und beruflich ambitioniert, und wollen ein Leben, in dem Bildung, Berufstätigkeit, Selbständigkeit und Selbstverwirklichung neben der […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Petra Tengs
Das Phänomen des neuen Dienstmädchens
Eine Analyse des Frauenarbeitsmarktes Privathaushalt in Deutschland -
Ursachen, Auswirkungen und Lösungsansätze
ISBN-10: 3-8324-9719-6
ISBN-13: 978-3-8324-9719-4
Druck Diplomica® GmbH, Hamburg, 2006
Zugl. Universität Duisburg-Essen, Standort Duisburg, Duisburg, Deutschland,
Diplomarbeit, 2006
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© Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2006
Printed in Germany

2
Inhaltsverzeichnis
Seite
1. Einleitung
4
1.1. Klärung zentraler Begriffe
10
1.1.1.
Haus- und Sorgearbeit
10
1.1.2.
Familie
11
1.1.3.
Haushalt
12
1.1.4.
Normalarbeitsverhältnis und Atypische Beschäftigung
12
1.1.5.
Geringfügige Beschäftigung ­ Mini-Jobs
13
1.1.6.
Schwarzarbeit und Schattenwirtschaft
14
1.2. Forschungsstand
15
1.3. Wohlfahrtsstaatliche Verankerung der geschlechtshierarchischen
18
Arbeitsteilung
2. Private Haus- und Sorgearbeit in Deutschland
30
2.1. Die Entwicklung von Haus- und Sorgearbeit in Deutschland
31
2.2. Haus- und Sorgearbeit als geschlechtsspezifische Arbeit von Frauen
35
2.3. Haus- und Sorgearbeit als verborgene Arbeit
38
2.4. Vereinbarkeit von Haus- und Sorgearbeit mit Erwerbsarbeit
40
2.5. Zusammenfassung
48
3. Der Arbeitsmarkt Privathaushalt in Deutschland
50
3.1. Der Arbeitsmarkt Privathaushalt im geschichtlichen Rückblick
51
3.2. Beschäftigungsverhältnisse in Privathaushalten: Art und Umfang
54
3.3. Der Arbeitsmarkt Privathaushalt als Frauenarbeitsmarkt
63
3.4. Dienstleistungsbedarf in privaten Haushalten
69
3.5. Zusammenfassung
73

3
4. Migrantinnen als Dienstmädchen in deutschen Privathaushalten
77
4.1. Feminisierung von Migration
78
4.2. Der Privathaushalt als Arbeitsmarkt für Migrantinnen
80
4.3. Dienstmädchen in der bezahlten Haus- und Sorgearbeit:
Auswirkungen auf das Geschlechterverhältnis
88
4.4. Zusammenfassung
92
5. Zukünftige Gestaltung von Haus- und Sorgearbeit: Lösungsansätze
94
5.1. Staatliche Organisation der Haus- und Sorgearbeit
95
5.2. Verberuflichung und Professionalisierung der privaten Haus- und
Sorgearbeit
98
5.3. Doppelversorgerpaare mit partnerschaftlicher Aufteilung der Haus-
und Sorgearbeit
101
6. Fazit und Ausblick
104
7. Literaturverzeichnis
113
8. Eidesstattliche Erklärung
128

4
1. Einleitung
In (West) Deutschland ist seit den 1970er Jahren eine stärkere Erwerbsorientierung
von Frauen, die zunehmend auch Mütter erfasst, zu beobachten. Diese hat jedoch
nicht automatisch eine egalitäre Aufteilung von Berufs- und Familienarbeit zur
Folge. Noch immer leisten Männer deutlich mehr bezahlte und Frauen deutlich
mehr unbezahlte Arbeit. Die nach 1986 entwickelten Regelungen zum Elternurlaub
bzw. zur Elternzeit werden bis heute fast nur von Müttern in Anspruch genommen.
Das 1996 etablierte Recht auf einen Kindergartenplatz verbessert inzwischen
zusammen mit den Regelungen zur Elternzeit zwar die beruflichen Perspektiven von
Müttern, trotzdem ist das Betreuungsangebot noch unzureichend, und es gibt im
deutschen Steuer- und Sozialsystem noch immer Anreize für Paare mit Kindern, ein
Familienmodell mit männlichem Hauptverdiener und gering verdienender Ehefrau
zu favorisieren.
Für die westdeutsche Gesellschaft der Nachkriegszeit war das kulturelle Leitbild
stark vom Familienmodell der Hausfrauenehe geprägt. Dieses Modell sah für Mütter
die Hausfrauenrolle vor, sowie für den Mann die Rolle des Alleinernährers. In den
folgenden Jahrzehnten wurde das vorherrschende kulturelle Leitbild
vom
Familienmodell der Hausfrauenehe zunehmend von einem Modell der
,,modernisierten Versorgerehe" (Pfau-Effinger 1998) abgelöst. Dieses modernisierte
Modell beruht auf der Idee, dass beide Erwachsene in einer Ehe prinzipiell
erwerbstätig sind, der Mann in Vollzeit, die Frau, ohne Kinder ebenfalls in Vollzeit,
mit Kindern in Teilzeit. In beiden Modellen wird die Verantwortung für die Haus-
und Sorgearbeit den Frauen zugetragen. Staatliche Betreuungseinrichtungen sind
daher nur in geringem Umfang vorgesehen. Die Gesellschaft setzt hier auf die
unbezahlte Arbeit der Frauen.
Erwerbsarbeit ist in Deutschland nach der männlichen Normalbiographie gestaltet
und setzt eine vollzeitige und kontinuierliche Verfügbarkeit voraus. Frauen fallen
nicht qua Geschlecht heraus, aber ihr Geschlecht wird oft zum Ausgrenzungsgrund.
Wenn Frauen die ihnen zugewiesene private Arbeit leisten, sind sie, je nach
Umfang, nicht in der Lage, sich den Normen der Erwerbswirtschaft an Zeit und
Verfügbarkeit zu beugen.

5
Trotz dieser strukturellen Schwierigkeiten ist eine Veränderung in den
Lebensentwürfen von Frauen feststellbar. Sie sind zunehmend gut ausgebildet und
beruflich ambitioniert, und wollen ein Leben, in dem Bildung, Berufstätigkeit,
Selbständigkeit und Selbstverwirklichung neben der Familienorientierung Platz
haben.
Weiblichen Lebensmodellen und Erwerbswünschen stehen im deutschen
Wohlfahrtsstaat allerdings unzureichende öffentliche Infrastrukturen im Bereich der
Kinderbetreuung gegenüber, ebenso wie unveränderte geschlechtsspezifische und
geschlechtshierarchische
Arbeitsteilungen.
Eine
paritätische
Arbeitsteilung
zwischen den Geschlechtern ist bisher nicht eingetreten.
Der Übergang von der Hausfrauenehe und dem Alleinernährermodell zur
modernisierten Versorgerehe scheint ein neues Phänomen zu begleiten: die
steigende Zahl von im Haushalt beschäftigten Personen, die dort die Haus- und
Betreuungsarbeit übernehmen. Vor dem Hintergrund steigender Erwerbstätigkeit
von Frauen hat sich das Problem der Vereinbarkeit von Beruf und Familie
verschärft und zwar vor allem für Frauen, die nun die verschiedensten
Betreuungsaufgaben ­ Haushalt, Kinder, Betreuung älterer Angehöriger ­ und die
Erwerbsarbeit miteinander vereinbaren müssen. Einige, vor allem besser
verdienende Frauen (und Männer) lösen das Vereinbarkeitsproblem durch die
Beschäftigung von bezahlten Kräften im Hausarbeits- und Betreuungsbereich.
Im männlichen Ernährermodell waren die Aufgaben klar verteilt. Mit dessen
Modernisierung ist eine Doppelorientierung von Frauen auf Familie und Beruf
verbunden. Immer mehr Frauen leisten die Verschränkung zweier Lebensbereiche,
die sich im Alltag nicht ohne weiteres vereinbaren lassen und die sie mit einem Mix
aus unterschiedlichen Betreuungsformen abzudecken versuchen: Neben den
formellen Betreuungsangeboten von Kindertageseinrichtungen und Tagesmüttern,
tragen informelle Kinderbetreuungsleistungen wie die von Verwandten oder
Nachbarn zur Betreuung von Kindern bei und in einem zunehmenden Maße
bezahlte Hilfen im privaten Haushalt.

6
Dienstmädchen,
Kindermädchen,
Haushaltshilfen,
Putz-
und
Pflegekräfte
übernehmen heute in zunehmendem Maße die Versorgungsarbeit in privaten
Haushalten.
Der
Umfang
dieses
Phänomens
wird
vom
Deutschen
Institut
für
Wirtschaftsforschung (DIW) mit etwa 4 Millionen privaten Haushalten beziffert, die
regelmäßig und/oder gelegentlich eine Haushaltshilfe beschäftigen. Die
Beschäftigten sind zu mehr als 90 % Frauen und nur ein minimaler Teil davon
arbeitet sozialversicherungspflichtig. Das heißt, ein Großteil dieses Marktes ist dem
informellen Sektor zuzurechnen.
Die Dienstmädchen von heute sind häufig Migrantinnen ohne arbeits- und
aufenthaltsrechtlichen Schutz ­ Frauen aus Asien, Afrika, Lateinamerika und in
Deutschland häufig aus Osteuropa. Viele von ihnen sind gut ausgebildet, älter als 30
Jahre, mit eigener Familie im Heimatland ­ also gestandene Frauen, die als
Dienstmädchen in die Zentren der reichen Welt auswandern. Da sie im
Herkunftsland keine oder nur schlechte Entwicklungsmöglichkeiten für sich und
ihre Familien sehen, sichern sie mit ihrer Arbeit das (Über-) Leben ihrer
Familienangehörigen und ermöglichen den eigenen Kindern eine Ausbildung.
Die Skala der Tätigkeiten reicht von Putzen, Waschen und Kochen, über die
Betreuung von Kindern, Unterstützung von alten Menschen und die Pflege von
Kranken bis zum Service bei Familien- und Betriebsfeiern.
Helma Lutz (2001) nennt das ,,die neue Dienstmädchenfrage im Zeitalter der
Globalisierung", Simone Odierna (2000) spricht von einer ,,Heimlichen Rückkehr
der Dienstmädchen".
Diese individuelle Lösungsstrategie von Frauen, die Delegation der Haus- und
Sorgearbeit an 'Dienstmädchen' im Rahmen des Arbeitsmarktes Privathaushalt, steht
im Mittelpunkt der Untersuchung.
Der Gang der Untersuchung orientiert sich dabei vorrangig an drei Fragen: Wie ist
es zur neuen Dienstmädchenproblematik in dem Arbeitssegment Privathaushalt
gekommen und wie sehen die Strukturen dieses Arbeitsmarktes aus? Welche
Auswirkungen hat die Entstehung der Dienstmädchenproblematik auf das

7
Geschlechterverhältnis? Und welche Perspektiven bieten sich für den zukünftigen
Umgang mit Haus- und Sorgearbeit?
Von besonderem Interesse ist für mich in diesem Zusammenhang, welche Rolle die
Migration von Frauen innerhalb dieses Phänomens spielt. Daher werde ich mich in
einem separaten Themenkomplex mit dieser Problematik befassen.
Ich stelle meiner Arbeit drei Thesen voran: Erstens, dass die quantitativ
bedeutsamste Umschichtung von Haus- und Familienarbeit, die heute stattfindet,
nicht zwischen Frauen und Männern, sondern zwischen unterschiedlichem Gruppen
von Frauen verläuft. Zweitens, dass bezahlte Haus- und Sorgearbeit meist
Schwarzarbeit und mit der wachsenden Globalisierung dieses Arbeitsbereichs nicht
selten Arbeit von Frauen ist, die sich illegal in Deutschland aufhalten. Und drittens,
dass die Zukunft von Haus- und Sorgearbeit eng an die Frage der
geschlechtshierarchischen
Arbeitsteilung
gekoppelt
ist
und
daher
die
Verberuflichung haushaltsbezogener Dienstleistungen nur einen weiblichen
Arbeitsmarkt
etabliert,
der
durch
prekäre,
nicht
existenzsichernde,
Arbeitsverhältnisse gekennzeichnet ist.
Die Grundlage meiner Ausarbeitungen bildet zum einen die Analyse bestehender
Literatur zum Bearbeitungsgegenstand sowie im weiteren die Auswertung von
vorliegenden empirischen Studien und Datenmaterial.
Die Arbeit ist in insgesamt sechs inhaltliche Kapitel untergliedert, einschließlich
Einleitung und Fazit. Im Kapitel der Einleitung wird es neben dem bereits erfolgten
Überblick über das Thema eine Klärung der zentralen, und für das Verständnis der
Arbeit wichtigen Begriffe geben. Des weiteren erfolgt eine Einordnung des
Forschungsstandes sowie eine Einbettung des Themenbereichs in die Strukturen des
deutschen Wohlfahrtsstaates. Dieser Bereich ist recht ausführlich angesetzt, da
meines Erachtens die Darstellung der wohlfahrtsstaatlichen Strukturen und Politiken
elementar für die Auseinandersetzung mit einem Thema ist, welches sowohl
familienpolitische, als auch arbeitsmarktpolitische und sozialpolitische sowie
generell
Geschlechterpolitiken
betrifft.
Einzelne
Kapitel
sind
zu
den
Themengebieten Haus- und Sorgearbeit in Deutschland, dem Arbeitsmarkt
Privathaushalt, Migrantinnen als Dienstmädchen in deutschen Privathaushalten

8
sowie den Lösungsansätzen bezüglich der zukünftigen Gestaltung von Haus- und
Sorgearbeit angesetzt. Die abschließende Betrachtung erfolgt dann in Fazit und
Ausblick.
Zunächst aber werden an dieser Stelle die Kapitel 2 bis 5 näher dargestellt.
Beginnend beschäftige ich mich in Kapitel 2 mit der Entwicklung von Haus- und
Sorgearbeit in Deutschland, sowohl im historischen Rückblick als auch mit der
Betrachtung der aktuellen gesellschaftlichen Verhältnisse. Im Speziellen wird der
Fragestellung nachgegangen, ob sich an der geschlechtspezifischen Verteilung von
Arbeit und Zeit Veränderungen feststellen lassen und ob Umverteilungen der
unbezahlten Haus- und Familienarbeit zwischen Männern und Frauen zu beobachten
sind. Ein besonderes Augenmerk wird in Kap. 3.4. auf die Frage der Vereinbarkeit
von Haus- und Sorgearbeit und Erwerbsarbeit gelegt. Die Frage nach institutionellen
Rahmenbedingungen
und
familiären
Arrangements
zur
Herstellung
der
Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Familie für beide Geschlechter ist unter dem
Gesichtspunkt des Anwachsens von Beschäftigungsverhältnissen in privaten
Haushalten eine Elementare, und daher im Rahmen dieser Arbeit unbedingt zu
erörtern.
Das Problem der Vereinbarkeit von Familie und Beruf stellt sich aber nicht nur im
Hinblick auf die Frage der Versorgung von Kindern, sondern auch im Hinblick auf
die Unterstützung und Pflege älterer Familienangehöriger. Personen, die andere
Familienangehörige pflegen, sind 2004 immer noch ganz überwiegend (zu 73 %,
BMFSFJ 2005: 267) weiblich. Dieser ­ unbestritten auch sehr wichtigen ­
Problematik kann allerdings nicht näher nachgegangen werden. Die zeitlichen und
organisatorischen Belastungen von Kindererziehung und Pflegeleistungen weisen
zwar manche Parallelen auf, aber sie unterscheiden sich doch auch deutlich in
mehrfacher Hinsicht. Eintritt und Dauer der Pflegebedürftigkeit sind in der Regel
nicht absehbar, ebenso unbestimmt ist der Entwicklungsverlauf der Hilfs- und
Pflegebedürftigkeit. Zudem ist die psychische Belastung ungleich höher. Die Geburt
von Kindern ist ein freudiges Ereignis, während die Pflege älterer
Familienangehörigen in der Regel von Sorge und Trauer gekennzeichnet ist. Eine
zusätzliche intensive Auseinandersetzung mit dieser speziellen Problematik ist im
Rahmen der Diplomarbeit nicht möglich.

9
In den Kapiteln 3 und 4 werden der Arbeitsmarkt Privathaushalt generell sowie die
spezielle Rolle von Migrantinnen als Arbeitskräfte in deutschen Haushalten
analysiert.
Neben
quantitativen
Daten
aus
dem
Mikrozensus,
der
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, den amtlichen Beschäftigtenstatistiken,
dem Gender-Datenreport des BMFSFJ sowie dem Sozio-ökonomischen Panel
werden Ergebnisse aus qualitativen Studien einbezogen. Dabei handelt es sich um
biografisch-narrative Interviews mit Beschäftigten und Arbeitgeberinnen von
Arbeitsverhältnissen in Privathaushalten in Deutschland sowie Experten- und
Expertinneninterviews (Thiessen 1997, Dausien/Friese 2000, Odierna 2000,
Ludwig u.a. 2002, Thiessen 2004, Hess 2005). Zudem wurde die erste umfassende
Studie in diesem Bereich vom Institut für Wirtschaftsforschung (Ifo) aus dem Jahr
1986 herangezogen: ,,Private Haushalte als Arbeitgeber". Hier sind über
Literaturauswertung, Expertengespräche, narrative Interviews mit Beschäftigten und
Arbeitgeber/innen sowie einer schriftlichen Haushaltsbefragung mit 848
auswertbaren Fragebögen, Informationen über Beschäftigungsverhältnisse in
privaten Haushalten ermittelt worden. Des weiteren sind zwei europäisch-
vergleichende Studien in die Analysen eingeflossen: Bridget Anderson und Annie
Phizacklea (1997): Migrant Domestic Workers. A European Perspective. Report to
the Equal Opportunities Unit, sowie Alessandra Cancedda (2001): Employment in
Household Services. Die Untersuchungen basieren auf Interviews mit Beschäftigten
und Arbeitgeberinnen, umfassenden dokumentarischen Informationen aus den
betreffenden Ländern durch andere Studien, die in bestimmten Ländern und auf
transnationaler Ebene stattfanden, Experten- und Expertinneninterviews auf
nationaler und lokaler Ebene, sowie statistischen Angaben aus den einzelnen
Ländern.
Es
sei
darauf
hingewiesen,
dass
alle
Zahlenangaben
zu
den
Beschäftigungsverhältnissen in privaten Haushalten mit einer gewissen Vorsicht zu
behandeln sind, da es sich hier häufig um prekäre und illegale Arbeitsverhältnisse
handelt, die für wissenschaftliche Untersuchungen nur schwer zugänglich sind.
Daher ist die Untererfassung in diesem Bereich besonders ausgeprägt.
Im fünften Kapitel widme ich mich der Frage nach möglichen Lösungsansätzen für
die zukünftige Gestaltung von Haus- und Sorgearbeit. Ich habe mich für die

10
folgenden drei Ansätze entschieden: Staatliche Organisation der Haus- und
Sorgearbeit (vor allem im Hinblick auf die Kinderbetreuung), Verberuflichung und
Professionalisierung der privaten Haus- und Sorgearbeit sowie die Etablierung eines
Doppelversorgermodells mit partnerschaftlicher Arbeitsteilung. Ich habe mich aus
zwei Gründen für die Darstellung dieser drei Lösungsansätze entschieden: Erstens
sind dies Modelle, die mir immer wieder in der wissenschaftlichen Literatur
begegnet sind und somit im wissenschaftlichen Diskurs von Bedeutung zu sein
scheinen, und zweitens decken sie ein möglichst breites Spektrum an
Lösungsmöglichkeiten ab.
In Westdeutland ist das Phänomen des neuen Dienstmädchens weit stärker
verbreitet als in Ostdeutschland, daher beziehen sich die Ausführungen der Arbeit
im Wesentlichen auf Westdeutschland.
Zunächst folgt aber die Klärung von zentralen Begriffen, die in dieser Arbeit
gebraucht werden.
1.1.
Klärung zentraler Begriffe
1.1.1. Haus- und Sorgearbeit
Der Begriff der Hausarbeit ist im deutschen Sprachgebrauch eng mit putzen,
kochen, einkaufen, waschen, u.ä. besetzt. Die ­ unbedingt mit einzubeziehende -
Dimension der Beziehungs- und Sorgearbeiten reicht allerdings weit über die
funktionale Organisation eines reibungslosen Ablaufs des Mikrokosmos
Kleinfamilie hinaus, wie es der Begriff der ,Reproduktion' in Spiegelung der
,Produktion' der Lohnarbeitsspähre impliziert. Um diese Dimension mit
einzubeziehen, hat sich in der internationalen sozial- und arbeitswissenschaftlichen
Hausarbeitsdebatte der Begriff ,care work' verbreitet (vgl. Geissler 2002: 31).
Neuere Ansätze verweisen darüber hinaus auf die multiplen Leistungen und
Kompetenzerwartungen der Familienarbeit, die neben den Haus-, Versorgungs-,
Betreuungs-, Pflege- und Erziehungsarbeiten auch administrative und repräsentative
Tätigkeiten umfasst (vgl. Geissler 2002: 31f, Resch 2002: 78f).

11
Für die Gesamtheit aller Aufgaben werde ich im Folgenden die Begrifflichkeit
Haus- und Sorgearbeit verwenden.
1.1.2.
Familie
Die Analyse des ,Arbeitsplatzes Privathaushalt' setzt grundsätzlich die Festlegung
auf einen Familienbegriff voraus. Um dem hier vorliegenden Forschungsstand
gerecht zu werden, ist eine eng gefasste Definition des Familienbegriffs, der auf die
so genannte Kernfamilie abzielt, in der ein Ehepaar zusammen wohnt und Kinder
aufzieht, nur bedingt geeignet. Hier würden nichteheliche Lebensgemeinschaften
mit Kindern oder Alleinerziehende nicht als Familien gelten. Ebenso würden
,,multilokale Mehrgenerationenfamilien" (Bertram 1997: 12), deren zentrales
Kennzeichen es ist, dass ihre Mitglieder zwar in unmittelbarer oder mittelbarer
Nähe, aber eben nicht in einem gemeinsamen Haushalt leben, nicht erfasst.
Dagegen kommt eine Sicht von Familie, wie sie etwa von Rosemarie Nave-Herz
vorgeschlagen wird, dem hier vertretenen Familienverständnis deutlich näher.
Wichtig wird der Bezug auf die gesellschaftliche Bedeutung von Familie, auf die
Familie als gesellschaftliche Institution. Familie ist demzufolge jene Institution, die
die gesellschaftliche Funktion der Reproduktion, Sozialisation, Regeneration,
Haushaltsfunktion und Solidarität wahrnimmt (vgl. Nave-Herz 1994: 98f).
Entsprechend der skizzierten Überlegungen wird in der vorliegenden Arbeit dann
von ,Familie' oder ,familialen' Lebensformen gesprochen, wenn mindestens zwei
Generationen, die biologisch oder rechtlich miteinander verbunden sind, zusammen
leben oder aber in räumlicher Nähe wohnen und ein Austausch von
Solidarleistungen unter den Familienmitgliedern stattfindet.
1.1.3.
Haushalt
Als Definition wird hier die vom Statistischen Bundesamte im Mikrozensus
genutzte Definition zugrunde gelegt: Privathaushalt: Als Haushalt zählt jede
Personengemeinschaft, die zusammen wohnt und gemeinsame Hauswirtschaft führt.
Zum Haushalt können außer Verwandten auch familienfremde Personen gehören, z.

12
B. Hauspersonal, gewerbliche oder landwirtschaftliche Arbeitskräfte. Auch eine
allein wohnende und -wirtschaftende Person (z. B. ein Untermieter) ist ein
Privathaushalt. In einem Haushalt können mehrere Familien wohnen (vgl.
Statistisches Bundesamt 2005b).
1.1.4. Normalarbeitsverhältnis und Atypische Beschäftigung
Wenn in den Nachkriegsjahrzehnten von Erwerbsarbeit die Rede war, so wurde
darunter
eine vollzeitige und dauerhafte Beschäftigung mit geregelter
Normalarbeitszeit verstanden. Diese fungiert bis heute als Leitbild für
sozialstaatliche Schutznormen und Leistungen. In den Sozialwissenschaften wird
dafür der Begriff 'Normalarbeitsverhältnis' verwendet. Seit den 80er Jahren sind
Abweichungen von diesem Normalarbeitsverhältnis feststellbar, die in dem Begriff
'atypische Beschäftigung' gefasst werden.
Gemeint ist damit Erwerbsarbeit in Form der Teilzeitbeschäftigung, Leiharbeit,
befristeter oder geringfügiger Beschäftigung, Scheinselbständigkeit, Telearbeit,
erzwungene Selbständigkeit (Ich-AG), Arbeit auf Abruf, illegale Beschäftigung oder
Heimarbeit.
Diese
verschiedenen
Formen
von
Erwerbsarbeit
weichen
vom
Normalarbeitsverhältnis im Hinblick auf Dauer und Kontinuität ab und fallen meist
in den Bereich der prekären Beschäftigung (vgl. Hoffmann/ Walwei 2002: 135).
Prekäre Beschäftigung zeichnet sich durch Niedriglöhne, unzureichende
Berücksichtigung rechtlicher und tariflicher Regelungen, geringe qualitative
Anforderungen und geringes Qualifikationsniveau, hohe Krankenstände, atypische
Arbeitszeiten, geringe Sicherheits- und Sozialstandards und hohe Fluktuation aus.
Die Bereiche atypischer und prekärer Beschäftigung nehmen in der Bundesrepublik
Deutschland seit Jahren zu.

13
1.1.5. Geringfügige Beschäftigung
­
Mini-Jobs
Zum 01.04.2003 wurden, durch das Zweite Gesetz für Moderne Dienstleistungen
am Arbeitsmarkt, die Abgaben für geringfügige Beschäftigungen neu geregelt sowie
Midi-Jobs mit reduzierten Sozialversicherungsbeiträgen für Arbeitnehmer und
Arbeitnehmerinnen eingeführt.
Das deutsche Recht unterscheidet bei einer geringfügigen Beschäftigung - auch
Minijob - zwischen der geringfügig entlohnten und der kurzfristigen Beschäftigung.
Geringfügige
Beschäftigungsverhältnisse
müssen
wie
andere
Beschäftigungsverhältnisse der Sozialversicherung gemeldet werden.
Eine geringfügige Beschäftigung liegt dann vor, wenn das Arbeitsentgelt aus dieser
Beschäftigung regelmäßig im Monat 400 Euro nicht übersteigt oder wenn die
Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens zwei Monate oder 50
Arbeitstage begrenzt ist. Der Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin ist innerhalb
dieser Grenzen von der Sozialversicherung befreit. Der Arbeitgeber hat allerdings
pauschal 25 % des Arbeitsentgeltes als Beitrag zur Sozialversicherung zu leisten
(vgl. Koch/ Bäcker 2004: 88f).
Wird die geringfügig entlohnte Beschäftigung in einem Privathaushalt ausgeübt,
zahlt der Arbeitgeber geringere Pauschalbeiträge als bei gewerblichen Minijobs.
Die Pauschalabgaben liegen lediglich bei 10 %. Ein Minijob im Privathaushalt liegt
vor, wenn von einem Arbeitnehmer in einem privaten Haushalt Tätigkeiten
verrichtet werden, die normalerweise durch Familienmitglieder erledigt werden. Der
Gesetzgeber spricht von haushaltsnaher Dienstleistung. Damit sollen alle
Tätigkeiten wie die Zubereitung von Mahlzeiten im Haushalt, die Reinigung der
Wohnung, die Gartenpflege sowie die Pflege, Versorgung und Betreuung von
Kindern, Kranken, alten Menschen und pflegebedürftigen Personen erfasst werden
(vgl. Minijob-Zentrale 2006).
Mit dem 01. April 2003 ging die Zuständigkeit für die bundesweite Erfassung und
Verwaltung aller geringfügig Beschäftigten von der Bundesagentur für Arbeit auf
die Bundesknappschaft über; diese verschmolz durch die Organisationsreform der
Rentenversicherung mit der Bahnversicherungsanstalt und der Seekasse zum 1.

14
Oktober 2005 zur Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (KBS) ­
die geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse werden seither durch die neue
Minijob-Zentrale unter dem Dach der KBS betreut.
Zusätzlich zu den Mini-Jobs existiert im Niedriglohnbereich zwischen einem
Arbeitsentgelt von 400 ­ 800 Euro eine Gleitzone, in der Arbeitnehmer nur einen
ermäßigten Sozialversicherungsbeitrag zahlen; Arbeitgeber zahlen den üblichen
Arbeitgeberanteil an den Sozialversicherungsbeiträgen. Hierbei handelt es sich um
die so genannten 'Midi-Jobs' (vgl. Rudolph 2003: 3).
1.1.6. Schwarzarbeit und Schattenwirtschaft
Bezug nehmend auf die Formulierung der Bundesregierung im Gesetzentwurf zur
Intensivierung der Bekämpfung von Schwarzarbeit aus März 2004 lässt sich
Schwarzarbeit folgender Maßen definieren: Schwarzarbeit liegt immer dann vor,
wenn entweder Arbeitgeber oder Einzelpersonen wie Arbeitnehmer/innen,
Arbeitslose, Rentner/innen und andere die Steuern und Abgaben, die sich aus einem
Arbeitsverhältnis ergeben, nicht leisten oder Angaben zum Arbeitsverhältnis
gegenüber dem Sozialversicherungsträger verschweigen (vgl. Deutscher Bundestag
2004).
Der Begriff der 'Schattenwirtschaft' ist breit und schwierig zu fassen. Grundsätzlich
fallen hierunter alle wirtschaftlichen Aktivitäten innerhalb einer Volkswirtschaft, die
nicht in das Bruttoinlandsprodukt eingehen. Es muss zwischen legalen und illegalen
schattenwirtschaftlichen Aktivitäten unterschieden werden. Zu der legalen Seite
werden z.B. Eigenarbeit und Nachbarschaftshilfe gezählt, wobei letzteres bereits
wieder Abgrenzungsprobleme beinhaltet. Im engeren Sinne umfasst der Begriff der
illegalen schattenwirtschaftlichen Aktivität die Schwarzarbeit - die Umgehung der
staatlichen Steuern und Abgaben sowie in der Regel die Missachtung bestehender
(Arbeitsmarkt-) Gesetze-, aber auch kriminelle wirtschaftliche Aktivitäten wie
Drogen- und Waffenhandel, Schmuggel, Hehlerei und Prostitution (vgl. Enste 2003:
2ff). Für den Begriff Schattenwirtschaft gibt es eine Vielzahl von Synonymen, unter
anderem inoffizielle oder informelle Wirtschaft bzw. inoffizieller oder informeller
Arbeitsmarkt.

15
1.2. Forschungsstand
Die sozialwissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema häusliche Arbeit begann
im größeren Umfang in der 1970er Jahren. Es war Helge Pross, die mit ihrer
Untersuchung der ,,Wirklichkeit der Hausfrauen" 1976 die erste große empirische
Studie dazu vorlegte. Auch theoretisch rückte die unbezahlte Arbeit im Haushalt ins
Blickfeld der Wissenschaft: ,,...weil nur zählt, was Geld einbringt" war der Titel der
klassischen Studie von Silvia Kontos und Karin Walser, die 1979 mit dem Untertitel
,,Probleme der Hausfrauenarbeit" erschien.
Die Norm der unentgeltlichen Hausfrauenarbeit wird in den 70er Jahren erstmals in
der Bundesrepublik Deutschland öffentlich thematisiert. Die Frage nach der
Legitimation von ,,Arbeit aus Liebe ­ Liebe als Arbeit" (Bock/Duden 1977) sowie
Kampagnen, die 'Lohn für Hausarbeit' fordern, entfachen heftige Debatten über die
Funktion der Hausarbeit im kapitalistischen Patriarchat. Sie beeinflussen den
sozialwissenschaftlichen
Diskurs
nachhaltig
und
regen
interdisziplinäre
Forschungsprojekte an. Es sind überwiegend Wissenschaftlerinnen, die sich jetzt
sozialhistorischen, gesellschaftspolitischen und familientheoretischen, aber auch
haushaltsökonomischen Fragen von Frauenarbeit widmen. Sie untersuchen die
Entstehung der einzelnen Elemente und Facetten der Hausarbeit, differenzieren
sach- und personenbezogene Tätigkeiten aus und beschreiben die auf das physische
und psychische Wohl gerichtete Hausarbeit als ,,Sorgearbeit" (Ostner 1978). Sie
entdecken Formen der einfachen Haushaltung (verbrauchsorientiert) und analysieren
die Relevanz von Betreuungs- und Erziehungstätigkeiten sowie die Leistungen von
Frauen in der familieninternen Alten- und Krankenpflege.
Der Gebrauch des Begriffs 'Frauenarbeit', der sowohl die familiären als auch
beruflichen Tätigkeiten umfasst, ist relativ neu. Er entstand in den Anfängen der
Frauenforschung Anfang der 70er Jahre, als deutlich wurde, dass der weibliche
Lebenszusammenhang anders strukturiert ist als der von berufstätigen Männern,
deren 'Normalarbeitsbiographie' als Grundmodell fungierte. Die herkömmlich
betriebene Sozialwissenschaft begriff lange nur jene Tätigkeit als Arbeit, die
professionell für Lohn und Einkommen verrichtet wurde. Hausarbeit genoss keine
wissenschaftliche Relevanz, und außerhäusliche Erwerbsarbeit von Frauen war

16
allenfalls Nebensache. Die analytischen Kategorien, Untersuchungsansätze und
Maßstäbe bezogen sich auf männliche Berufsarbeit. Erst die Frauenforschung gab
die entscheidenden Anstöße, die Konsequenzen dieser Sichtweise grundlegend und
kritisch zu reflektieren. Mittlerweile liegt eine große Menge von empirischen und
theoretischen
Veröffentlichungen
zur
historischen
Entstehung,
aktuellen
Ausdifferenzierung und Perspektive von Frauenarbeit vor.
Der wichtigste Beitrag der Frauenforschung für die Arbeitsdebatte besteht
zweifellos darin, deutlich gemacht zu haben, dass nicht länger mit einem verkürzten,
nur auf Markt und Lohn bezogenen Arbeitsbegriff operiert werden kann. Die
Frauenforschung öffnet den Blick dafür, dass die familiären und häuslichen
Aufgaben erstens Arbeit sind und zweitens nicht notwendig von Frauen verlangt
werden können.
Ein Ansatzpunkt der feministischen Theoriebildung ist die Verknüpfung der beiden
Arbeitsbereiche von Frauen, der unbezahlten Arbeit im privaten Haushalt und der
bezahlten Arbeit im Erwerbssystem, und die Bedeutung der Arbeitsteilung für die
benachteiligte Stellung von Frauen. In diesem Zusammenhang ist der Ansatz der
,,doppelten Vergesellschaftung" (Becker-Schmidt 1987) von Frauen theoretisch
einflussreich. Sie geht davon aus, dass Vergesellschaftung, also die Einfügung des
Menschen in die gesamtgesellschaftlichen Lebensbedingungen, bestimmt wird
durch die Produktionsverhältnisse sowie die Geschlechterverhältnisse. Frauen
werden dabei über zwei Arbeitsformen vergesellschaftet, die unbezahlte Hausarbeit
sowie die Erwerbsarbeit. Becker-Schmidt hebt hervor, dass diese doppelte
Einbindung in das Sozialgefüge eine enorme Doppelbelastung für Frauen bedeutet
und eine doppelte Diskriminierung nach sich zieht: Frauen werden qua Geschlecht
zur unbezahlten Hausarbeit verpflichtet, was ihre gleichberechtigte Integration in
das Beschäftigungssystem deutlich erschwert. Einen weiteren wichtigen
theoretischen Bezugspunkt bildet das Konzept des ,,Normalarbeitsverhältnisses"
(Mückenberger 1985). Es wird argumentiert, dass Ausgrenzungspraktiken
gegenüber Frauen im Erwerbssystem ihre Grundlage darin haben, dass das
Normalarbeitsverhältnis des männlichen Familienernährers und die traditionelle
Familienform und Arbeitsteilung sich wechselseitig stabilisieren. Die Perspektive
der Frauenforschung wird so auch auf die Politik des Wohlfahrtsstaates gegenüber
bezahlter und unbezahlter Arbeit von Frauen ausgeweitet.

17
Der Forschungsgegenstand 'bezahlte Hilfen im Privathaushalt' unter dem Aspekt des
Entstehens einer neuen Generation von Dienstmädchen und in diesem
Zusammenhang dem Auftreten des Privathaushaltes als Arbeitgeber, ist in den
Sozialwissenschaften für den deutschen Raum bisher nicht im größeren Stile
untersucht worden. Es liegen nur wenige relevante Untersuchungen zum Thema vor:
als erstes ist hier eine Studie aus den 80er Jahren zu nennen: ,,Private Haushalte als
Arbeitgeber" vom Institut für Wirtschaftsforschung (Hatzold 1988), 1997 hat
Thiessen eine Analyse prekärer Arbeitsverhältnisse im Privathaushalt vorgelegt,
Odierna (2000) untersuchte das Feld der bezahlten Arbeit im privaten Haushalt
anhand der Annahme einer ,,heimlichen Rückkehr der Dienstmädchen", Ludwig,
Schlevogt, Klammer und Gerhard beleuchteten Frauen als ,,Managerinnen des
Alltags" (2002) unter dem Aspekt der Strategien erwerbstätiger Mütter in
Deutschland und beschäftigen sich auch eingehender mit der Delegation der Haus-
und Sorgearbeit an bezahlte Hilfen im Haushalt. Des weiteren zu nennen eine Arbeit
von Thiessen aus dem Jahr 2004, die in einen größeren empirischen
Forschungskontext der Universität Bremen zum Thema Modernisierung
personenbezogener Dienstleistungen eingebunden war.
Diese Studien sind allesamt der qualitativen Sozialforschung zuzuordnen und daher
im statistischen Sinne nicht repräsentativ. Allerdings kommen die verschiedenen
Studien zu weitgehend übereinstimmenden Ergebnissen und Schlussfolgerungen, so
dass sich hieraus ein umfassender und präziser Überblick über die in den privaten
Haushalten gemachten Erfahrungen gewinnen lässt.
Ein noch weit weniger erforschter Bereich ist die Dienstmädchenfrage in
Deutschland unter dem Aspekt der Migration. Quantitative Untersuchungen über
den Umfang und die Art des Phänomens fehlen bisher gänzlich. Einen guten
Überblick bieten zur Zeit vor allem die beiden im qualitativen Bereich angesiedelten
europäisch-vergleichenden Studien von Anderson und Phi
zacklea
(1997) sowie
Candessa (2001), in deren Erhebungen über 'domestic work' auch Deutschland fiel.
Des weiteren die schon erwähnte Studie von Odierna (2000).
Ein größeres Forschungsprojekt (2001-2005) mit dem Titel ,,Gender, Ethnizität,
Identität. Die neue Dienstmädchenfrage im Zeitalter der Globalisierung" ist unter

18
der Leitung von Helma Lutz im September 2005 abgeschlossen worden. Das
Forschungsprojekt widmet sich dem aktuellen Phänomen, dass Migrantinnen als
Dienstmädchen, Kindermädchen, Putz- und Pflegekräfte in zunehmendem Maße die
Versorgungsarbeit des modernen Haushalts übernehmen. Ein Abschlußbericht liegt
zur Zeit noch nicht vor. Erkenntnisse aus der Forschungsarbeit fließen aber bereits
in neuere Veröffentlichungen von Lutz mit ein (vgl. Lutz 2003 ­ 2005b).
Es ist durchaus erstaunlich, wie wenig sich die sozialwissenschaftliche
Geschlechterforschung bisher für den Bereich 'Haushaltsarbeit als Erwerbsarbeit'
interessiert hat, vor allem vor dem Hintergrund, dass in diesem Arbeitssegment sehr
viele Personen, und besonders viele Frauen, beschäftigt sind. Gather, Geissler und
Rerrich stellen die Frage, ob Sozialwissenschaftler/innen fürchten könnten, dass das
besonders geringe gesellschaftliche Prestige der Haushaltsarbeit auf sie abfärben
könnte, wenn sie sich wissenschaftlich mit diesem Thema auseinandersetzten und
sie daher aus diesem Grund nur mit geringem Interesse aufwarten (vgl. Gather/
Geissler/ Rerrich 2002: 9).
1.3.
Wohlfahrtsstaatliche
Verankerung
der
geschlechtshierarchischen
Arbeitsteilung
Da die vom Wohlfahrtsstaat hergestellten institutionalisierten Rahmenbedingungen
die Arbeitsteilung zwischen Frauen und Männern stark beeinflussen und das
männliche Ernährermodell (vgl. Lewis/ Ostner 1994) seit Beginn der feministischen
Sozialpolitikforschung als Grundpfeiler der Geschlechterungleichheit im modernen
Wohlfahrtstaat gilt, ist es unerlässlich, an dieser Stelle zunächst die Bedeutung
wohlfahrtsstaatlicher Politik
auf die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung
darzustellen. Die ungleiche Aufteilung von Arbeit zwischen den Geschlechtern ist
nicht nur wesentlich für die Benachteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt, sie
stellt auch die Grundlage des konservativ-korporatistischen Wohlfahrtsstaates nach
Esping-Andersen (1990) dar.
Von maßgeblicher Bedeutung für den internationalen Diskurs über das Verhältnis
von Wohlfahrtsstaat und Geschlecht war das Buch "The Three Worlds of Welfare

19
Capitalism" von Gøsta Esping-Andersen aus dem Jahr 1990, in welchem der
Zusammenhang von wohlfahrtstaatlicher Politik und Erwerbstätigkeit eine wichtige
Rolle spielt. Der Autor befasst sich mit der Fragestellung, in welcher Weise
Wohlfahrtstaaten in westlichen Industriegesellschaften die Strukturen sozialer
Ungleichheit beeinflussen. Esping-Andersen hat westliche Wohlfahrtsstaaten
anhand des Grades der Dekommodifizierung, also der Möglichkeiten des sozial
abgesicherten Ausstiegs aus dem Arbeitsmarkt sowie der sozialen Schichtung und
Ungleichheitsstrukturen, vergleichend untersucht. Ihm zufolge lassen sich
verschiedene
Wohlfahrtsstaaten
identifizieren,
in
denen
der
Staat
in
unterschiedlicher Weise und mit unterschiedlichen Zielsetzungen in das
Marktgeschehen eingreift und Einfluss auf gesellschaftliche Strukturen nimmt.
Mittels einer quantitativen Analyse des Zugangs zu und der Höhe der sozialen
Absicherung bei Arbeitslosigkeit, bei Krankheit und im Alter entwickelte er eine
Wohlfahrtsstaatstypologie mit drei Idealtypen, dem liberalen, dem konservativ-
korporatistischen und dem sozialdemokratischen Wohlfahrtsregime (vgl. Esping-
Andersen 1990: 26ff).
Unter einem liberalen Wohlfahrtsstaatsregime fasst Esping-Andersen eine
sozialpolitische
Leitkonzeption,
in
welcher
der
staatlichen
Sozialschutzgesetzgebung nur eine eng begrenzte Rolle zukommt, insofern die
staatliche Sozialpolitik vorwiegend dem Ziel der Armutsvermeidung verschrieben
ist. Im liberalen Wohlfahrtsstaatsregime dominiert das Fürsorgeprinzip und erfolgt
nur im Anschluss an Bedürftigkeitsprüfungen und in Form steuerfinanzierter
Mindestleistungen. Die Leistungen, die gewährt werden, fallen nur relativ gering
aus. Der Grad der Dekommodifizierung ist hier besonders gering, und alle
erwachsenen Personen sind tendenziell dazu genötigt, ihren Lebensunterhalt auf der
Basis einer Erwerbstätigkeit zu sichern. Mit dieser Politik verstärken liberale
Wohlfahrtsregime, so Esping-Andersen, die bestehenden Strukturen sozialer
Ungleichheit. Eine besondere Politik zur Förderung der Erwerbstätigkeit von
Frauen, etwa durch die Einrichtung eines umfassenden staatlichen Angebotes an
Kinderbetreuungsplätzen, ist nicht vorgesehen (vgl. ebd.: 28). Trotzdem ist die
Erwerbsbeteiligung von Frauen hier eher hoch, da sie wenig staatliche
Unterstützung dafür finden, zu Hause zu bleiben. Unter dieses liberale Modell fallen
z.B. die Länder USA und Großbritannien.

20
Die zweite seiner Wohlfahrtsstaatswelten bezeichnet Esping-Andersen als die
sozialdemokratische. Der Wohlfahrtsstaatstyp sozialdemokratischer Prägung
zeichne sich durch gesetzliche Sozialleistungen aus, deren Zugang und
Leistungshöhe nicht über Bedürftigkeitsprüfung oder Beitragszahlungen geregelt
wird, sondern über vergleichsweise großzügige, überwiegend steuerfinanzierte,
Pauschalleistungen für alle Bürger/innen. Die sozialen Rechte sind universal. Das
Maß der Dekommodifizierung ist hoch und generell wird eine Minimierung sozialer
Ungleichheit gefördert (vgl. ebd.: 37). Diesem Typ wohlfahrtstaatlicher Politik liegt
die Idee zugrunde, dass Frauen wie Männer voll in die Erwerbstätigkeit einbezogen
sein sollen und dass im Wesentlichen der Staat für die sozialen Belange zuständig
ist. Der Wohlfahrtsstaat stellt dementsprechend ein umfassendes Angebot an
sozialen Dienstleistungen zur Verfügung. Als Beispielländer sind hier die
skandinavischen Länder zu nennen.
Das dritte Wohlfahrtsstaatsregime in Esping-Andersens Typologie ist das von ihm
als
konservativ-korporatistisch
bezeichnete.
Dominantes
sozialpolitisches
Gestaltungsprinzip
ist
in
dieser
Wohlfahrtsstaatswelt
die
gesetzliche
Sozialversicherung. Die grundlegende Idee besteht in einer gesetzlichen
Sozialversicherung und der Orientierung am so genannten Äquivalenzprinzip. Dem
Äquivalenzprinzip zufolge sollen sozialpolitische Leistungen, etwa im Bereich der
gesetzlichen
Rentenversicherung,
der
Arbeitslosenversicherung
und
der
Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die Höhe durch zuvor erbrachte Beiträge zu den
Sozialversicherungssystemen reflektieren. Die Kopplung von Leistungen an durch
Erwerbsarbeit erbrachte Beiträge ist charakteristisch für den konservativ-
korporatistischen Wohlfahrtsstaat. Anrechte auf Leistungen des sozialen
Sicherungssystems sowie deren Höhe variieren mit der Höhe des Einkommens und
reproduzieren so die bestehenden Strukturen der vertikalen Ungleichheit. Der
Familie kommt hier ein großer Stellenwert für die Produktion sozialer
Dienstleistungen zu, staatliche Transferleistungen und Dienstleistungen treten im
Prinzip erst dann in Kraft, wenn die Familie diese Leistungen nicht erbringen kann.
Das führt gleichzeitig dazu, dass die Erwerbstätigkeit von Frauen nicht besonders
gefördert wird, was sich z.B. darin ausdrückt, dass der Staat keine speziellen
Dienstleistungen vorsieht, die die Erwerbstätigkeit von Müttern begünstigen.

21
Dieses Modell des Wohlfahrtsregimes findet sich z.B. in Italien und Österreich, und
auch in Deutschland.
Wie aber wird der konservative Wohlfahrtsstaat zum ebensolchen, wie der liberale
und wie der sozialdemokratische? Esping-Andersen geht davon aus, dass alle linken
politischen Kräfte im Wesentlichen nach dem gleichen 'sozialdemokratischen
Modell' des Wohlfahrtsstaates streben (vgl. ebd.: 109f). Daher können die
Variationen im realen gesellschaftlichen Ergebnis auf die unterschiedlich starke
politische Macht der Linken zurückgeführt werden. Faktoren, die diese Macht
begünstigen, sind demnach u.a. die Stärke linker Parteien und Gewerkschaften, die
Spaltung des bürgerlichen Lagers und das Fehlen eines starken politischen
Katholizismus (vgl. ebd.: 108ff, 137f). Umgekehrt führen eine schwache
Arbeiterbewegung und ein vereinter bürgerlicher Block eher zum liberalen Modell,
während ein starker Katholizismus in Verbindung mit absolutistischen Traditionen
den konservativ-korporatistischen Typus entstehen lassen.
Esping-Andersen ist der Ansicht, dass, wenn ein wohlfahrtsstaatliches Regime erst
mal installiert ist, sich dieses innerhalb der ihm eigenen Gesetzmäßigkeiten,
normativen Prämissen und institutionellen Rahmenbedingungen entwickelt. Die
Handelnden reproduzieren diese Muster durch ihr Tun, aufbrechen können sie sie ­
völlig unabhängig von ihren Wahrnehmungen und Interessen sowie von sich
wandelnden Konstellationen ­ nicht (vgl. ebd.: 110).
In Wohlfahrtsstaaten vom Typ des sozialdemokratischen Wohlfahrtsregimes sind
nach Esping-Andersen die Bedingungen besonders günstig dafür, dass Frauen in den
Arbeitsmarkt
integriert
werden
und
die
geschlechtsspezifischen
und
geschlechtshierarchischen Strukturen der Arbeitsteilung aufgebrochen werden
können. Er nennt das Ausmaß, in dem der Staat den Familien und damit vor allem
den Frauen die Betreuung von Kindern und älteren Menschen abnimmt, sowie das
Ausmaß, in welchem der Wohlfahrtsstaat Frauenarbeitsplätze schafft, als
entscheidende
Instrumente
wohlfahrtsstaatlicher
Politik
für
die
Arbeitsmarktintegration von Frauen und die Neuorganisation von Haus- und
Sorgearbeit (vgl. ebd.: 208ff).

22
Von feministischer Seite gibt es Kritik an der Wohlfahrtsstaatstypologie von
Esping-Andersen. Diese setzt an der Ausblendung der Bedeutung des Geschlechts
an. Aus dieser feministischen Kritik heraus entwickelten Jane Lewis und Ilona
Ostner
(1994)
zur
Klassifizierung
von
Wohlfahrtsstaaten
unter
Geschlechteraspekten eine Ernährermodell-Typologie anhand von drei Indikatoren:
erstens dem Ausmaß der Müttererwerbstätigkeit, zweitens der eigenständigen oder
individuellen sozialen Sicherung von Frauen und drittens dem Ausmaß und der Art
der öffentlichen Betreuungsleistungen. Ausgehend von dieser Typologie wird
zwischen schwachen, moderaten und starken Ernährermodellen unterschieden.
Schwache Ernährermodelle zeichnen sich durch eine hohe Erwerbsbeteiligung von
Frauen, sowie durch eine eigenständige materielle und soziale Sicherung aus.
Betreuungsaufgaben werden vorrangig vom Staat übernommen. Im moderaten
Ernährermodell werden Frauen als Mütter und als erwerbstätige Familienmitglieder
behandelt. Durch staatliche Geld­ und Dienstleistungen erhalten Mütter die
Möglichkeit, zwischen Erwerbstätigkeit und Erziehungszeit zu wählen. Auf jeden
Fall tragen sie zum Familieneinkommen bei. Im starken Ernährermodell ist der
Mann der Alleinversorger der Familie. Das Modell ist auf dem Grundprinzip der
familiären
Lebensstandardsicherung
durch
einen
kontinuierlich
Vollzeit
erwerbstätigen männlichen Ernährer mit von ihm abhängiger und unbezahlt
arbeitender und betreuender Ehefrau aufgebaut. Lewis und Ostner klassifizieren
Deutschland als starkes Ernährermodell.
Nun büßt das traditionelle Familienmodell der Ernährer-Hausfrauen-Ehe seine
dominante Stellung in Deutschland allerdings seit einigen Jahren stark ein. Es
weicht einer modernisierten Form, in welcher (Ehe-) Frauen sich nicht ganz vom
Arbeitsmarkt zurückziehen, sondern vielfach nach einer Teilzeitbeschäftigung in der
aktiven Familienphase suchen. Immer mehr Frauen nehmen auf diese Weise am
Erwerbsleben teil, auch wenn sie Kinder haben (vgl. BMFSFJ 2005: 94ff).
Aufbauend auf den Arbeiten von Ostner und Lewis hat Pfau-Effinger (1998) ein
theoretisches Modell entwickelt, um den Wandel der Erwerbsbeteiligung von
Frauen in vergleichender Perspektive zu erklären. In dem Modell wird analytisch
zwischen Kultur, Institutionen, Struktur und Handeln differenziert. Pfau-Effinger
unterscheidet zwischen einer Geschlechterkultur, einer Geschlechterordnung und

23
einem Geschlechterarrangement (vgl. Pfau-Effinger 1998: 183f). Der Begriff der
Geschlechterkultur
bezieht
sich
auf
Werte
und
Leitbilder
des
Geschlechterverhältnisses,
wie
Mutterschaft,
Kindheit,
geschlechtliche
Arbeitsteilung und Familie. Pfau-Effinger geht davon aus, dass es auf der
kulturellen Ebene in jeder Gesellschaft dominierende Leitbilder zur Familie und zur
geschlechtlichen Arbeitsteilung gibt, die sich darauf beziehen, welche Bereiche
gesellschaftlicher Arbeit als gewünscht für Frauen und für Männer angesehen
werden, welche Art von Abhängigkeit im Geschlechterverhältnis bestehen soll und
welche Verpflichtungen in den Generationsbeziehungen bestehen. Diese Leitbilder
stellen eine wichtige Grundlage für das Handeln der Individuen dar. Mit dem
Begriff der Geschlechterordnung werden demgegenüber die real vorfindbaren
Strukturen des Geschlechterverhältnisses und die Beziehungen zwischen den
verschiedenen gesellschaftlichen Institutionen in Bezug auf die geschlechtliche
Arbeitsteilung erfasst. Zu den wichtigsten Institutionen gehören dabei der
Wohlfahrtsstaat, die Betriebe, der Dritte Sektor sowie die Familien. Sie stehen in
einem spezifischen Wechselverhältnis mit kulturellen Leitbildern, so Pfau-Effinger
(vgl. ebd.: 184), da das Handeln in und von Institutionen sich auf bestehende
Leitbilder beziehe und zu deren Reproduktion oder Wandel beitrage. Wichtig seien
auch die betriebliche Beschäftigungspolitik und die Familienentwicklung, letztere
etwa unter den Aspekten der demographischen Entwicklung oder des Wandels von
privaten Lebensformen. Das Geschlechter-Arrangement bildet in diesem Konstrukt
die
Klammer
um
die
kulturellen
Leitbilder
zur
Familie
und
zum
Geschlechterverhältnis und die Politik und Entwicklung der Institutionen. Das
Geschlechter-Arrangement bezieht sich auf die Ebene der sozialen Akteure. Pfau-
Effinger spricht von einem Arrangement, da sie davon ausgeht, dass
Aushandlungsprozesse zwischen sozialen Akteuren eine zentrale Grundlage dafür
bieten, dass bestimmte geschlechterkulturelle Leitbilder und eine bestimmte
wohlfahrtsstaatliche Politik gesellschaftlich jeweils dominieren und sich kulturelle
und institutionelle Grundlagen der Geschlechterbeziehungen in bestimmten Zeiten
wandeln. Pfau-Effinger geht im Gegensatz zu Esping-Andersen nicht von einem
statischen Wohlfahrtsstaatsmodell aus.
Sie klassifiziert auf der Grundlage der jeweils vorherrschenden kulturellen
Leitbilder verschiedene Geschlechter-Arrangements und unterscheidet für West-

24
Europa fünf geschlechterkulturelle Modelle voneinander: das familienökonomische
Modell (typisch für Agrargesellschaften: Paare arbeiten beide Vollzeit im
landwirtschaftlichen Familienbetrieb), das Hausfrauenmodell der Versorgerehe
(Männer sind für die Erwerbsarbeit, Frauen für die Haus- und Sorgearbeit
zuständig), das Vereinbarkeitsmodell der Versorgerehe (eine modernisierte Form
der Versorgerehe, in der die Ehe kulturell nur für die die Phase aktiver Elternschaft
als Versorgerehe angelegt ist und ansonsten Teilzeitarbeit für Mütter als
angemessene Erwerbsform angesehen wird), das Doppelversorgermodell mit
staatlicher Kinderbetreuung (Frauen und Männer sind voll in die Erwerbstätigkeit
integriert, die Organisation der Kinderbetreuung ist Aufgabe des Staates), das
Doppelversorgermodell mit partnerschaftlicher Kinderbetreuung (kulturelle Idee
einer Doppelversorgerehe, in der beide Elternteile in Teilzeit arbeiten und sich die
Haus- und Sorgearbeit egalitär teilen) (vgl. ebd. 185). Innerhalb des Geschlechter-
Arrangements einer Gesellschaft kann eines dieser Modelle dominieren oder aber
auch mehrere nebeneinander existieren.
Aufbauend auf den bisher gemachten Ausführungen, sollen nun die beschriebenen
Klassifizierungen von Esping-Andersen, Lewis und Ostner sowie Pfau-Effinger auf
den deutschen Wohlfahrtsstaat angewendet werden.
Die Grundprinzipien des deutschen ­ nach Esping-Andersen konservativ-
korporatistischen - Wohlfahrtsstaates beruhen auf der Normalarbeits- und
Ehezentrierung.
Die geschlechtliche Arbeitsteilung wurde in Deutschland in Form der
Alleinernährerehe rechtlich verfestigt. Die Institutionalisierung erfolgte durch die
Verknüpfung von sozialer Sicherung mit Erwerbsarbeit einerseits und mit der Ehe
andererseits. Ersteres drückt sich im Äquivalenzprinzip der Sozialversicherungen
und der Lebensstandardsicherung bei kontinuierlicher Vollzeiterwerbstätigkeit aus,
letzteres in der abgeleiteten Sicherung der Ehefrau und weiterer Familienmitglieder.
Der Zugang zum Sozialversicherungssystem, das den Kernbereich der sozialen
Sicherung in der Bundesrepublik darstellt, ist an die Ausübung einer
Erwerbstätigkeit gebunden. Erwerbsarbeit und Sozialpolitik sind so miteinander
verknüpft, dass sozialstaatliche Leistungen, wie Arbeitslosengeld oder Rente, im

25
Kern auf abhängig Beschäftigte ausgerichtet und die Bezieher/innen von
Sozialtransfers wiederum an den Arbeitsmarkt gebunden sind. Nur wer aus sozial
anerkannten Gründen nicht in der Lage ist, seine Existenz über eine lohnabhängige
Beschäftigung zu sichern, erhält Sozialversicherungsleistungen. Wiederum
nachrangig gegenüber der Sozialversicherung wird die Sozialhilfe gewährt. Das so
genannte männliche Normalarbeitsverhältnis, das eine lebenslange kontinuierliche
Erwerbsarbeit auf dem Niveau des Durchschnittsverdienstes voraussetzt, ist das
normative Modell, das am besten abgesichert ist. Es hat geschlechtsspezifische
Auswirkungen, weil es mit gleichzeitiger Sorgearbeit und Haushaltsführung kaum
vereinbar ist, vor allem wenn Kindererziehung oder Pflege älterer Angehöriger zu
leisten sind, und weil es voraussetzt, dass der männliche Normalarbeitnehmer eine
Frau im Rücken hat, die diese unbezahlte Arbeit übernimmt. Nichterwerbstätige
Ehefrauen erhalten über ihren Ehemann lediglich abgeleitete Absicherungen, die mit
einer Scheidung jedoch entfallen oder empfindlich eingeschränkt sind.
Die Tatsache, dass Arbeitsmarkt-, Familien- und Sozialpolitik in Deutschland an
einem Familienmodell orientiert sind, das für Männer die 'Haupternährerrolle' und
für Frauen ­ maximal - die Rolle der 'Zuverdienerin' vorsieht, verdrängt Frauen aus
dem regulären Arbeitsmarkt in prekäre Beschäftigungsverhältnisse. Viele Frauen
sind von der Möglichkeit einer eigenständigen Existenzsicherung ausgeschlossen.
Frauen sind überproportional von Einkommensarmut betroffen, wie der zweite
Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung aus März 2005 nachweist (vgl.
Bundesregierung 2005: 68ff und 169). Beschäftigungsverhältnisse, die vom
Normalarbeitszeitverhältnis abweichen ­ wie häufig bei Frauen anzutreffen ­ sowie
niedrige Frauenlöhne führen, wenn überhaupt, nur zu geringen Geldleistungen der
Sozialversicherung, so dass sich Arbeitsmarktsegregation und geringe Entlohnung
als soziale Ungleichheit bei der Leistungshöhe fortsetzen.
Die Arbeitsmarktsegregation verwehrt Frauen den Zugang zu Führungspositionen.
Dies konstatiert sich in Deutschland in einem Anteil von Frauen in hoher leitender
Stellung von lediglich 1,5 % im Jahr 2004 (vgl. BMFSFJ 2005: 133).
Ebenso zentral wie die Lohnarbeitszentrierung ist die Ehezentrierung des sozialen
Sicherungssystems der Bundesrepublik. Die soziale Absicherung erfolgt entweder ­
wie vorhergehend geschildert ­ über ein Erwerbseinkommen und daraus

26
abgeleiteten Sozialtransfers oder aber über die Versorgungsinstanz Ehe bzw.
Familie und daraus abgeleiteten Sozialleistungen. Die komplementäre, aber in
einem hierarchischen Verhältnis zur Erwerbsarbeit angeordnete, Haus- und
Sorgearbeit wird damit ebenfalls staatlich reguliert. Im Gegensatz zum Arbeitsmarkt
als öffentliche Sphäre wird die Familie als Privatsphäre konstruiert. Der Staat
reguliert sie durch Gesetze (Grundgesetz und BGB) und schützt bzw. legitimiert sie
durch sozialpolitische Normen, Anreize und Finanzierungsmodelle (vgl.
Schratzenstaller 2002).
Das soziale Sicherungssystem ist an mehreren Punkten mit der Institution der Ehe
und der Familie verknüpft: nichterwerbstätige Familienmitglieder sind in der
gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung kostenlos mitversichert, und in der
Unfall- und Rentenversicherung ist im Hinterbliebenenfall eine abgeleitete soziale
Absicherung vorgesehen, so z.B. bei der Witwenrente, wo die Ehefrau einen
anteiligen Anspruch auf die Rente ihres verstorbenen Ehemannes hat (maximal 60
%).
Im Steuerrecht wird die Institution der Ehe durch das Ehegattensplitting bevorteilt.
Das zu versteuernde Einkommen beider Ehepartner wird zunächst addiert, dann
gesplittet und erst danach besteuert. Der Splittingvorteil fällt umso höher aus, je
größer
die
Einkommensunterschiede
sind.
Die
Inanspruchnahme
des
höchstmöglichen Splittingvorteils ist nur bei völliger Aufgabe der Berufstätigkeit
einer Ehepartnerin oder eines Ehepartners möglich. Bereits ein Sinken der
Einkommensdifferenz
durch
einen
geringen
Zuverdienst
hat
erhebliche
Steuernachteile
zur
Folge.
Aufgrund
geschlechtsspezifischer
Einkommensdifferenzen und der Verteilung von Erwerbs- und Familienarbeit
innerhalb der Ehe verzichten zumeist Frauen als die Ehepartnerinnen mit dem
potentiell geringeren Einkommen entweder ganz auf eine Erwerbstätigkeit oder
arbeiten in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen (vgl. Spangenberg 2005:
26f). Das Splitting setzt infolgedessen einen Anreiz für die Aufgabe oder
Reduzierung der Erwerbsarbeit vor allem für (Ehe-) Frauen. Dadurch wird die
geschlechtliche Arbeitsteilung vom Staat finanziell belohnt.

27
Auch
familienpolitische
Maßnahmen,
die
einen
Haupternährer
implizit
voraussetzen, wie die Elternzeit und das Erziehungsgeld, sowie die rentenrechtliche
Anerkennung von Kindererziehungsleistungen tragen zur Aufrechterhaltung der
Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen bei. Durch die Einführung der
Elternzeit zum 01.01.2001 besteht zwar für beide Eltern ein Rechtsanspruch auf
gleichzeitige Inanspruchnahme von Teilzeitarbeit für drei Jahre, verbunden mit dem
Recht auf Rückkehr zur alten Arbeitszeit nach der Elternzeit, aber, da weder die
volle Freistellung noch die Arbeitszeitreduzierung mit einer angemessen
Einkommenskompensation verbunden sind, führt dies weiterhin dazu, dass der
geringer verdienende Elternteil ­ somit in der Regel die Frau ­ die Erziehungsarbeit
übernimmt. Die Höhe des Erziehungsgeldes bewegt sich lediglich zwischen
monatlich 300 und 450 Euro und stellt somit kaum einen finanziellen Anreiz zur
Übernahme
der
Erziehungsarbeit
dar.
Zudem
ist
die
Zahlung
an
Einkommensgrenzen gebunden, die am gemeinsam veranlagten Einkommen der
Partner festgemacht werden. Diese Komponenten führen zu einer Aufrechterhaltung
geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung, was Zahlen über die Inanspruchnahme der
Elternzeit deutlich machen: Elternzeit wird bei Paaren zu 93 % ausschließlich von
den Müttern in Anspruch genommen (vgl. BMFSFJ 2005: 314).
Das Grundprinzip der Ehezentrierung hängt in Deutschland eng mit dem
Subsidiaritätsprinzip zusammen, wonach sich der Staat erst zuständig fühlt, wenn
die Versorgung innerhalb der Ehe und Familie nicht mehr gewährleistet ist.
Der konservativ-korporatistische Wohlfahrtsstaat der BRD sichert und verfestigt
demzufolge die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung zwischen Männern und
Frauen. Die bestehenden Hierarchien werden durch den Staat aufrechterhalten. Dies
hat für Frauen zwei gravierende Konsequenzen. Erstens fehlt es ihnen an einem
eigenen existenzsichernden Einkommen mit eigenen Ansprüchen in den
Sozialversicherungssystemen, was zu einer enormen wirtschaftlichen Abhängigkeit
vom Ehemann führt und bei einer Auflösung der Ehe oder frühzeitigem Tod des
Ernährers
die
Gefahr
der
Verarmung
birgt.
Zweitens
führt
die
geschlechtshierarchische Arbeitsteilung zu einer Arbeitsmarktsegregation von
Frauen, die sich in prekären Arbeitsverhältnissen mit niedrigem Einkommen und
schlechten Aufstiegsmöglichkeiten widerspiegelt. Frauen sind ­ bis auf wenige

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783832497194
ISBN (Paperback)
9783838697192
Dateigröße
1.4 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Duisburg-Essen – Gesellschaftswissenschaften
Note
1,0
Schlagworte
prekäre beschäftigung migration geschlechtshierachie wohlfahrtsstaat hausarbeit
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Titel: Das Phänomen des neuen Dienstmädchens
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