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Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes im ärztlichen Dienst

Am Beispiel eines kleinen städtischen Krankenhauses

©2006 Diplomarbeit 98 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
„Dienste rund um die Uhr, übermüdete Ärzte, gefährdete Patienten“, diese und ähnliche Nachrichten sind jedem aus der derzeitigen Berichterstattung in den Medien über die Arbeitsbedingungen in Krankenhäusern bekannt. Extrem lange Arbeitszeiten und mangelnde Ruhezeiten führen in den Kliniken schon seit Jahrzehnten oft zu einer Überbeanspruchung der Beschäftigten, insbesondere des ärztlichen Personals. Die Überbelastung resultiert in den meisten Fällen aus der Kombination von Regeldienst mit Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft außerhalb der Normalarbeitszeit. Die arbeitszeitliche Inanspruchnahme erreicht oftmals die Grenzen der Belastbarkeit des Krankenhauspersonals. Daraus ergeben sich negative, unter Umständen riskante Konsequenzen für die Patientenversorgung. Die Kombination von Regeldienst und Bereitschaftsdienst war in der Vergangenheit möglich, da die Zeiten, in denen der Arbeitnehmer während des Bereitschaftsdienstes untätig war, als Ruhezeit eingestuft wurden.
Im Jahr 2003 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) anhand eines deutschen Rechtsstreits, dass der Bereitschaftsdienst in vollem Umfang als Arbeitszeit zu werten ist. Daraufhin war der deutsche Gesetzgeber verpflichtet, die Entscheidung des EuGH im deutschen Arbeitszeitrecht umzusetzen. Dies ist durch das geänderte Arbeitszeitgesetz (ArbZG) zum 1. Januar 2004 mit einer Übergangsfrist von zwei Jahren in Kraft getreten. Auf Grund der Änderung der Gesetzeslage mit der vollständigen Einordnung des Bereitschaftsdienstes in die Arbeitszeit stehen die Krankenhäuser vor der Herausforderung, die Arbeitszeiten neu zu regeln.
Aber nicht nur aus rechtlicher Sicht besteht ein großer Handlungsbedarf für die Veränderung der ärztlichen Arbeitszeitgestaltung, sondern auch aus wettbewerblicher und betriebsinterner Sicht. Krankenhäuser stehen unter einem immer größer werdenden Wettbewerbsdruck, initiiert durch die Einführung des leistungsorientierten Entgeltsystems, um eine hochwertige Patientenversorgung und der Ergebnisqualität der erbrachten Leistungen gegenüber. Um die immer weiter in Vordergrund rückende Zufriedenheit der Patienten sicherzustellen, müssen die Arbeitszeiten und damit die Arbeitsbedingungen im Krankenhaus so gestaltet werden, dass der Arbeitsplatz „Krankenhaus“ wieder attraktiv wird. Motivierte und qualifizierte Mitarbeiter sind die wichtigste Ressource eines jeden Krankenhauses und stellen einen entscheidenden Wettbewerbsfaktor dar. Die knappe […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


III
Inhaltsverzeichnis
ABBILDUNGSVERZEICHNIS... V
TABELLENVERZEICHNIS ... VI
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ... VII
1
EINLEITUNG ...1
2
ENTWICKLUNG DES ARBEITSZEITRECHTS IM KLINISCHEN BEREICH...3
2.1
EU-A
RBEITSZEITRICHTLINIE
... 3
2.2
A
USLEGUNG DER
EU-A
RBEITSZEITRICHTLINIE DURCH DEN
E
U
GH... 6
3
RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN DER ARBEITSZEITGESTALTUNG IM
ÄRZTLICHEN DIENST...9
3.1
A
RBEITSZEITRECHTLICHE
B
EGRIFFE IM
A
RBEITSZEITGESETZ
... 9
3.2
R
ECHTSVORSCHRIFTEN DES
A
RBEITSZEITGESETZES FÜR DEN
K
LINIKBEREICH
... 12
3.2.1
Arbeitszeit ... 13
3.2.1.1
Werktägliche Höchstarbeitszeit ... 13
3.2.1.2
Wöchentliche Höchstarbeitszeit... 14
3.2.2
Ruhezeit... 15
3.2.3
Ruhepausen ... 16
3.2.4
Nachtarbeit ... 17
3.2.5
Sonn- und Feiertagsarbeit ... 18
3.3
B
EREITSCHAFTSDIENSTREGELUNGEN DES
T
ARIFRECHTS
... 18
3.4
S
ONSTIGE
R
EGELUNGEN
... 23
4
ARBEITSZEITGESTALTUNG IM KRANKENHAUS ...25
4.1
A
KTUELLE
A
RBEITSZEITSITUATION IM ÄRZTLICHEN
D
IENST
... 25
4.2
A
NFORDERUNGEN UND
Z
IELE AN DIE
A
RBEITSZEITORGANISATION IM ÄRZTLICHEN
D
IENST
... 27
4.3
H
ANDLUNGSOPTIONEN UND
G
RUNDMODELLE ÄRZTLICHER
A
RBEITSZEITSYSTEME
... 28
4.3.1
Grundsätzliche Optionen im Umgang mit der 48-Stunden-Grenze... 29
4.3.1.1
Verlagerung von Bereitschaften in Ruhezeiten durch Verlängerung der Ruhezeit... 29
4.3.1.2
Verringerung von Bereitschaftszeiten durch Verlängerung der Servicezeit... 29
4.3.1.3
Outsourcing von Bereitschaftsdiensten ... 30
4.3.1.4
Erhöhung der Zahl der in Bereitschaftsdiensten eingesetzten Arbeitnehmer ... 30
4.3.1.5
Vereinbarung individueller widerruflicher Arbeitszeitverlängerung ... 31
4.3.2
Grundmodelle der ärztlichen Arbeitszeitgestaltung... 32
4.3.2.1
Servicezeit mit flexibler Arbeitszeit ... 32
4.3.2.2
Dienstmodul... 37

IV
4.3.2.3
Vollkontinuierlicher Schichtbetrieb... 39
5
EINFÜHRUNG EINES ARBEITSZEITMODELLS AM BEISPIEL EINES KLEINEN
STÄDTISCHEN KRANKENHAUSES...44
5.1
E
NTWICKLUNGSPROZESS DER
A
RBEITSZEITGESTALTUNG
... 48
5.1.1
Planungsphase ... 48
5.1.2
Analysephase ... 49
5.1.2.1
Ist-Situation der Arbeitszeitgestaltung ... 49
5.1.2.2
Bereitschaftsdienstauswertung als Analyse- und Kontrollinstrument... 54
5.1.3
Ausarbeitungsphase ... 60
5.1.3.1
Modellentwicklung ... 61
5.1.3.2
Organisatorische Änderungen... 64
5.1.4
Testphase ... 65
5.1.5
Realisationsphase ... 66
5.2
Ö
KONOMISCHE
K
ONSEQUENZEN DES NEUEN
A
RBEITSZEITMODELLS
... 67
5.2.1
Personalbedarfsermittlung... 67
5.2.2
Kostenbetrachtung... 69
6
FAZIT...74
ANHANG...76
LITERATURVERZEICHNIS ...85
URTEILSVERZEICHNIS/ RICHTLINIENVERZEICHNIS...91

V
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Stufen der Intensität der Arbeitsleistung
10
Abbildung 2: Spannungsfeld der Arbeitszeitorganisation
27
Abbildung 3: Handlungsoptionen im Umgang mit der 48-Stunden-Grenze
29
Abbildung 4: Grundmodelle der Arbeitszeitgestaltung im ärztlichen Dienst
32
Abbildung 5: Abweichung der Besetzungsstärke vom Arbeitsanfall
34
Abbildung 6: Möglichkeiten für erweiterte Servicezeit
35
Abbildung 7: Kombination von festen und flexiblen Schichten in der Servicezeit
36
Abbildung 8: Beispiel eines Dienstmoduls
38
Abbildung 9: Vollkontinuierlicher Schichtbetrieb
40
Abbildung 10: Ansätze und Modelle der Arbeitszeitorganisation
43
Abbildung 11: Zeitplan für die Einführung des neuen Dienstmodells
49
Abbildung 12: Dienststruktur des derzeitigen Dienstmodells von Montag bis Freitag
51
Abbildung 13: Dienststruktur des derzeitigen Dienstmodells am Wochenende
51
Abbildung 14: Inanspruchnahme im Bereitschaftsdienst von Montag bis Freitag
58
Abbildung 15: Inanspruchnahme im Bereitschaftsdienst am Wochenende
58
Abbildung 16: Arbeitszeitschutzrechtliche Arbeitszeit im derzeitigen Dienstmodell
60
Abbildung 17: Dienstzeit im neuen Dienstmodell von Montag bis Freitag
62
Abbildung 18: Dienstzeit im neuen Dienstmodell am Wochenende
63
Abbildung 19: Dienststruktur des entwickelten Dienstmodells von Montag bis Freitag
64
Abbildung 20: Dienststruktur des entwickelten Dienstmodells am Wochenende
64
Abbildung 21: Formeln für die Ermittlung des Personalbedarfs
67
Abbildung 22: Bereitschaftsdienststunden und Zeitzuschläge im neuen Dienstmodell
69

VI
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Werktägliche und wöchentliche Höchstarbeitszeiten im ArbZG
15
Tabelle 2: Ruhezeiten und Ruhepausen im ArbZG
17
Tabelle 3: Bereitschaftsdienststufen in Abhängigkeit von der Arbeitsleistung
20
Tabelle 4: Bereitschaftsdienststufen in Abhängigkeit von der Dienstzahl im Monat
20
Tabelle 5: Gesamtbewertung als Arbeitszeit in Abhängigkeit von den
Bereitschaftsdienststufen
20
Tabelle 6: Bereitschaftsdienstregelungen des TVöD
22
Tabelle 7: Interessenkonflikte bei der Umsetzung neuer Arbeitszeitmodelle
53
Tabelle 8: Arbeitszeitschutzrechtliche Arbeitszeit im entwickelten Dienstmodell
68
Tabelle 9: Monatliche Bereitschaftsdienstzulage pro Mitarbeiter
70
Tabelle 10: Monatliche Zulagen und Zuschläge für Vollarbeit pro Mitarbeiter
71
Tabelle 11: Monatliche Gesamtzulage pro Mitarbeiter
71
Tabelle 12: Gesamtkosten für den Arbeitgeber pro Jahr
72

VII
Abkürzungsverzeichnis
ArbSchG
Arbeitsschutzgesetz
ArbZG
Arbeitszeitgesetz
Art.
Artikel
AVR
Arbeitsvertragsrichtlinien
Az.
Aktenzeichen
BAG
Bundesarbeitsgericht
BAT
Bundesangestelltentarif
BD
Bereitschaftsdienst
BetrVG
Betriebsverfassungsgesetz
BPfIV
Bundespflegesatzverordnung
DKI
Deutsches Krankenhaus Institut
DRG
Diagnosis Related Group
EG
Europäische Gemeinschaft
EU
Europäische Union
EuGH
Europäischer Gerichtshof
EWG
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
i.V.m.
in Verbindung mit
JArbSchG
Jugendarbeitsschutzgesetz
LAG
Landesarbeitsgericht
LASI
Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik
MuSchG
Mutterschutzgesetz
Rdnr.
Randnummer
Rs.
Rechtssache
SIMAP
Sindicato de Medicos de Asistencia Publica
TVöD
Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst
TVöD (AT)
Allgemeiner Teil
TVöD (BT-K)
Besonderer Teil Krankenhäuser

1
1 Einleitung
,,Dienste rund um die Uhr, übermüdete Ärzte, gefährdete Patienten", diese und ähnliche
Nachrichten sind jedem aus der derzeitigen Berichterstattung in den Medien über die
Arbeitsbedingungen in Krankenhäusern bekannt. Extrem lange Arbeitszeiten und mangelnde
Ruhezeiten führen in den Kliniken schon seit Jahrzehnten oft zu einer Überbeanspruchung
der Beschäftigten, insbesondere des ärztlichen Personals. Die Überbelastung resultiert in
den meisten Fällen aus der Kombination von Regeldienst mit Bereitschaftsdienst und
Rufbereitschaft außerhalb der Normalarbeitszeit. Die arbeitszeitliche Inanspruchnahme
erreicht oftmals die Grenzen der Belastbarkeit des Krankenhauspersonals. Daraus ergeben
sich negative, unter Umständen riskante Konsequenzen für die Patientenversorgung. Die
Kombination von Regeldienst und Bereitschaftsdienst war in der Vergangenheit möglich, da
die Zeiten, in denen der Arbeitnehmer während des Bereitschaftsdienstes untätig war, als
Ruhezeit eingestuft wurden.
Im Jahr 2003 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) anhand eines deutschen
Rechtsstreits, dass der Bereitschaftsdienst in vollem Umfang als Arbeitszeit zu werten ist.
Daraufhin war der deutsche Gesetzgeber verpflichtet, die Entscheidung des EuGH im
deutschen Arbeitszeitrecht umzusetzen. Dies ist durch das geänderte Arbeitszeitgesetz
(ArbZG) zum 1. Januar 2004 mit einer Übergangsfrist von zwei Jahren in Kraft getreten.
Auf Grund der Änderung der Gesetzeslage mit der vollständigen Einordnung des
Bereitschaftsdienstes in die Arbeitszeit stehen die Krankenhäuser vor der Herausforderung,
die Arbeitszeiten neu zu regeln.
Aber nicht nur aus rechtlicher Sicht besteht ein großer Handlungsbedarf für die Veränderung
der ärztlichen Arbeitszeitgestaltung, sondern auch aus wettbewerblicher und betriebsinterner
Sicht. Krankenhäuser stehen unter einem immer größer werdenden Wettbewerbsdruck,
initiiert durch die Einführung des leistungsorientierten Entgeltsystems, um eine hochwertige
Patientenversorgung und der Ergebnisqualität der erbrachten Leistungen gegenüber. Um die
immer weiter in Vordergrund rückende Zufriedenheit der Patienten sicherzustellen, müssen
die Arbeitszeiten und damit die Arbeitsbedingungen im Krankenhaus so gestaltet werden,
dass der Arbeitsplatz ,,Krankenhaus" wieder attraktiv wird. Motivierte und qualifizierte
Mitarbeiter sind die wichtigste Ressource eines jeden Krankenhauses und stellen einen
entscheidenden Wettbewerbsfaktor dar. Die knappe Anzahl qualifizierter Ärzte auf dem
Arbeitsmarkt verstärkt die Forderung nach akzeptablen Arbeits(zeit)bedingungen. Unter
Berücksichtigung gesetzlicher Bestimmungen, qualitativer und ökonomischer Aspekte sowie
der Präferenzen der Mitarbeiter gilt es, zukunftsfähige Arbeitszeitmodelle zu entwickeln, um
langfristig ein qualitativ hochwertiges Leistungsangebot aufrechtzuerhalten und
konkurrenzfähig zu bleiben.

2
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, ein Arbeitszeitmodell für den ärztlichen Dienst eines
kleinen städtischen Krankenhauses zu entwickeln, welches den Mindestanforderungen des
novellierten Arbeitszeitgesetzes gerecht wird.
Um den heutigen rechtlichen Handlungsrahmen für die ärztliche Arbeitszeitgestaltung
herzuleiten, werden in Kapitel 2 die EU-Arbeitszeitrichtline, welche den europarechtlichen
Maßstab für das Arbeitszeitgesetz bildet sowie die entscheidenden Urteile des EuGH auf
deren Entscheidungen hin das deutsche Arbeitszeitgesetz geändert wurde, kurz vorgestellt.
In Kapitel 3 wird ein Überblick über die aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen des
Arbeitszeitgesetzes sowie des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst für die Entwicklung
von Arbeitszeitmodellen im ärztlichen Dienst gegeben.
Anschließend werden in Kapitel 4 mögliche und daraus resultierende Handlungsoptionen
und Grundmodelle für die ärztliche Arbeitszeitgestaltung beschrieben.
In Kapitel 5 wird anhand des Praxisbeispiels eine mögliche Herangehensweise für die
Entwicklung und Einführung neuer Arbeitszeitmodelle im ärztlichen Dienst dargestellt.
Abschließend wird eine Kostenbetrachtung für das entwickelte Arbeitszeitmodell
1
durchgeführt.
1
Im Laufe der Arbeit werden synonym die Begriffe: Dienstmodell, Arbeitszeitsystem und Modell verwendet.

3
2 Entwicklung des Arbeitszeitrechts im klinischen Bereich
Bevor in Kapitel 3 näher auf die Regelungsinhalte des novellierten Arbeitszeitgesetzes
eingegangen wird, wird im folgenden Kapitel die Entwicklung des Arbeitszeitrechts für den
klinischen Bereich dargestellt. Insbesondere wird hier auf die Arbeitszeitrichtlinie, welche den
europarechtlichen Maßstab für das nationale Arbeitszeitgesetz darstellt, eingegangen.
Seit 1924 war die Arbeitszeit des Pflegepersonals durch die Krankenhausarbeitsordnung
geregelt. Diese Verordnung regelte im Wesentlichen die Beschränkung der Höchstarbeitszeit
auf 10 Stunden täglich und 60 Stunden wöchentlich. Für Ärzte galt bis zum Erlass der
Arbeitszeitrichtlinie 93/104/EG der Europäischen Gemeinschaft (EG) im Jahre 1993 nur der
Bundesangestelltentarif (BAT) für den öffentlichen Dienst mit seinen Sonderregelungen für
Ärzte sowie die Arbeitsvertragsrichtlinie (AVR) für die kirchlichen Krankenhäuser in
Deutschland.
2
2.1 EU-Arbeitszeitrichtlinie
Die Grundrichtlinie 89/391/EWG, welche allgemeine Grundsätze über die Durchführung von
Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der
Arbeitnehmer bei der Arbeit einbezieht, wurde durch die Arbeitszeitrichtlinie 93/104/EG
konkretisiert. Die Arbeitszeitrichtlinie stellt das Regelwerk über bestimmte Aspekte der
Arbeitszeitgestaltung auf Europaebene dar. Diese Richtlinie wurde auf der Grundlage des
Artikels 118a des EG Vertrages, welcher ,,Sozialvorschriften" für die Verbesserung der
Arbeitsumwelt insbesondere zum verstärkten Schutz der Sicherheit und Gesundheit der
Arbeitnehmer vorgibt, durch den Rat der Europäischen Gemeinschaft erlassen.
3
Die
Arbeitszeitrichtlinie stellt somit den Rahmen für die nationalen Arbeitszeitvorschriften der
einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) dar, und ist von den Mitgliedstaaten
selbstständig und mit Hilfe frei wählbarer Maßnahmen in nationales Recht umzusetzen.
Gegenstand der Richtlinie sind die täglichen und wöchentlichen Mindestruhezeiten, der
Mindestjahresurlaub, die Ruhepausen und die wöchentlichen Höchstarbeitszeiten sowie die
Dauer und die Bedingungen der Nacht- und der Schichtarbeit.
4
Gemäß Art.1 Abs3 RL 93/104/EG findet die Richtlinie auf alle privaten und öffentlichen
Tätigkeitsbereiche im Sinne des Art.2 der Richtlinie 89/391/EWG (Europäische
Wirtschaftsgemeinschaft) Anwendung. Arbeitszeitregelungen für Seeleute fallen nicht in den
2
Vgl. LASI (2003) S. 7.
3
Vgl. Boemke, B./Kern, B-R. (2004), S. 187.
4
Vgl. Art.1 Abs. 2 Richtlinie 2003/88/EG.

4
Anwendungsbereich der Arbeitszeitrichtlinie. Die zweite Ausnahme ergibt sich aus
Art.2 Abs.2 der Richtlinie 89/391/EWG und betrifft damit Tätigkeiten im öffentlichen Dienst,
welche die öffentliche Sicherheit und Ordnung gewährleisten sollen, wie z. B. bei den
Streitkräften oder der Polizei. Die ärztliche Grundversorgung ist von dieser Ausnahme nicht
erfasst und die Arbeitszeitrichtlinie somit uneingeschränkt in Krankenhäusern und
Rettungsdiensten gültig. Die Arbeitszeitrichtlinie selbst wurde umgestaltet und in ihrem
Anwendungsbereich durch die Änderungsrichtlinie 2000/34/EG erweitert. Mit der
Änderungsrichtlinie wurde die Arbeitszeitrichtlinie 93/104/EG insoweit geändert, als nunmehr
auch Arbeitnehmer in Verkehrsunternehmen, die bisher gänzlich ausgenommen waren, in
deren Geltungsbereich einbezogen werden, sofern keine weiteren spezifischeren
Vorschriften zur Anwendung kommen. Im Herbst 2004 wurden die Arbeitszeitrichtlinie
93/104/EG und die Änderungsrichtlinie 2000/34/EG in der Richtlinie 2003/88/EG (im
Folgenden auch EU-Arbeitszeitrichtlinie genannt) zusammengefasst. Dadurch sollte eine
besser lesbare und verständlichere Fassung zur Regelung der Arbeitszeitgestaltung
geschaffen werden. Die ab Herbst 2004 gültige Richtlinie mit der Ordnungsnummer
2003/88/EG bringt keine inhaltlichen Veränderungen mit sich. Es erfolgte lediglich eine
abweichende Nummerierung der Artikel, so dass auf die bisherige Rechtssprechung des
EuGH zur Richtlinie 93/104/EG in vollem Umfang Bezug genommen werden kann.
5
In der
EU-Arbeitszeitrichtlinie (RL 2003/88/EG) befinden sich u.a. Definitionen für die Begriffe
Arbeitszeit und Ruhezeit.
Die Arbeitszeit wird in der Arbeitszeitrichtlinie als ,,jede Zeitspanne, während der ein
Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten
arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder wahrnimmt"
bestimmt.
6
Streitig ist, ob alle drei Definitionsmerkmale (arbeiten, dem Arbeitgeber zur
Verfügung stehen und seine Tätigkeit ausüben) des Art.2 Nr.1 der EU-Arbeitszeitrichtlinie
unabhängig voneinander oder kumulativ erfüllt sein müssen. Der EuGH entschied
diesbezüglich, dass die Definitionen der Arbeitszeit voneinander unabhängig anzusehen sind
und somit nicht gleichzeitig erfüllt sein müssen.
7
Ruhezeit ist gemäß Art.2 Nr.2 der EU-Arbeitszeitrichtlinie jede Zeitspanne, die nicht der
Arbeitszeit zurechenbar ist.
8
Jedem Arbeitnehmer soll pro 24-Stunden-Zeitraum eine
zusammenhängende elfstündige Mindestruhezeit gesichert werden.
9
Die wöchentliche
Mindestruhezeit pro Siebentagezeitraum beträgt eine Mindestruhezeit von 24 Stunden
5
Vgl. Boemke, B./Kern, B-R. (2004),S. 27.
6
Vgl. Art.2 Nr.1 Richtlinie 2003/88/EG.
7
Vgl. Mayer, R. (2003), S. 225.
8
Vgl. Art.2 Nr.2 Richtlinie 2003/88/EG.
9
Vgl. Art.3 Richtlinie 2003/88/EG.

5
zuzüglich der täglichen Ruhezeit von 11 Stunden.
10
Für die wöchentliche Ruhezeit können
die Mitgliedsstaaten einen Bezugszeitraum von 14 Tagen bestimmen.
11
In der Richtlinie ist für die werktägliche Höchstarbeitszeit keine unmittelbare Höchstgrenze
vorgesehen. Die werktägliche Höchstarbeitszeit ergibt sich im Umkehrschluss aus der
täglichen Mindestruhezeit. Da gemäß Art.3 RL 2003/88/EG dem Arbeitnehmer pro 24-
Stunden-Zeitraum eine Mindestruhezeit von 11 Stunden zu gewähren ist, darf die
werktägliche Arbeitszeit bis zu 13 Stunden betragen.
Allerdings ist die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit einschließlich der
Überstunden auf 48 Stunden begrenzt. Für die Einhaltung des Durchschnittswertes von 48
Stunden ist ein Bezugszeitraum von 4 Monaten maßgeblich. Somit ist eine wöchentliche
Höchstarbeitszeit von 78 Stunden (6x13 Stunden tägliche Höchstarbeitszeit) denkbar, wenn
in einem viermonatigen Zeitraum 48 Stunden im Durchschnitt nicht überschritten werden.
12
Nicht nur von der wöchentlichen Höchstarbeitszeit kann durch einzelstaatliche Regelungen
kurzfristig abgewichen werden, sondern auch von den Mindestruhezeiten. Aber von der
Ruhezeit kann nur abgewichen werden, wenn die Arbeitszeit wegen ,,besonderer Merkmale
der Tätigkeit nicht gemessen oder nicht im Voraus festgelegt" (Art.17 Abs.1 RL 2003/88/EG)
wird d.h., wenn die Arbeitszeit weder betriebsüblich bestimmbar ist noch durch Dienstpläne
geregelt wird. In Art.17 Abs.2 RL 2003/88/EG ist ferner hinsichtlich der Ruhezeit eine
Ausnahme für Krankenhäuser und ähnlichen Einrichtungen genehmigt, wenn ,,gleichwertige
Ausgleichsruhezeiten" oder ein anderer ,,angemessener Schutz" eingeräumt werden kann.
Soweit die Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer
gewahrt werden, kann der Ausgleichzeitraum durch nationale Regelungen aus objektiven,
technischen oder arbeitsorganisatorischen Gründen auf bis zu 12 Monaten verlängert
werden.
13
Des Weiteren erlaubt die EU-Arbeitszeitrichtlinie auch eine dauerhafte Abweichung von der
48-Stunden-Grenze. Gemäß Art.22 RL 2003/88/EG ist es den Mitgliedstaaten gestattet,
diese Abweichung in das innerstaatliche Recht zu übernehmen, allerdings müssen mehrere
Voraussetzungen erfüllt werden. Ist die Sicherung des Gesundheitsschutzes des
Arbeitnehmers gewährleistet, muss sich nach Art.22 Abs.1 lit.a) RL 2003/88/EG der
Arbeitnehmer zur Abweichungsregelung über 48 Stunden bereit erklären. Gibt ein Mitarbeiter
sein Einverständnis nicht, darf ihm daraus kein Nachteil entstehen. Außerdem ist der
Arbeitgeber verpflichtet, für den einzelnen Arbeitnehmer, die sich zu verlängerten
10
Vgl. Art.5 Abs.1 Richtlinie 2003/88/EG.
11
Vgl. Art.16 lit.a) Richtlinie 2003/88/EG.
12
Vgl. Boemke, B./Kern, B-R. (2004), S. 53.
13
Vgl. Art.19 RL 2003/88/EG.

6
Arbeitszeiten bereit erklärt haben, Listen zu führen und diese den zuständigen Behörden auf
Ersuchen zur Verfügung zu stellen.
14
Neben der Einhaltung der Ruhezeiten und der gesetzlich vorgeschriebenen werktäglichen
sowie
wöchentlichen
Höchstarbeitszeit
müssen
alle
Mitgliedstaaten
gemäß
Art.4 RL 2003/88/EG erforderliche Maßnahmen treffen, dass jedem Arbeitnehmer, der mehr
als 6 Stunden arbeitet, eine Ruhepause eingeräumt wird. Insbesondere Dauer und
Voraussetzungen für die Bewilligung dieser Ruhepausen müssen durch innerstaatliche
Rechtsvorschriften, Tarifverträge oder Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern geregelt
werden.
Begriffserklärungen wie Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft, welche in der
Arbeitszeitgestaltung im Krankenhausbereich eine große Rolle spielen, fehlen jedoch in der
EU-Arbeitszeitrichtlinie. Für die Bestimmung dieser Begriffe ist die Rechtssprechung des
EuGH, welche im folgenden Abschnitt näher betrachtet wird, heranzuziehen.
2.2 Auslegung der EU-Arbeitszeitrichtlinie durch den EuGH
In der Arbeitszeitrichtlinie wird der Begriff Bereitschaftsdienst nicht erläutert. Lediglich der
Begriff ,,Dienstbereitschaft" (Art.17 Abs.3 lit.b) RL 2003/88/EG) wird genutzt, allerdings ohne
ihn weiter zu definieren. In der Richtlinie wird nur geklärt, was unter Arbeitszeit und Ruhezeit
verstanden wird.
Die Frage, ob der Bereitschaftsdienst im Krankenhaus als Arbeitszeit im Sinn der EU-
Arbeitszeitrichtlinie anzusehen ist, hat der EuGH erstmals im sogenannten SIMAP Urteil vom
3. Oktober 2000 bestätigt.
15
Das Motiv für die SIMAP Entscheidung war die maßgeblich auf
die EG-Richtlinien gestützte Klage der Gewerkschaft der Ärzte im öffentlichen
Gesundheitswesen (
Sindicato de Medicos de Asistencia Publica/SIMAP), die gegen das
Ministerium für Gesundheit und Verbraucherschutz der Region Valencia geklagt hatte. Im
Urteil wurde klargelegt, dass der Bereitschaftsdienst auch dann als Arbeitszeit (und nicht als
Ruhezeit) im Sinne der EU-Arbeitszeitrichtlinie zu werten ist, wenn es dem Arbeitnehmer
gestattet ist, in Zeiten der Nichtinanspruchnahme an Ort und Stelle zu schlafen. Während der
Bereitschaftsdienst voll als Arbeitszeit anzusehen ist, wird bei der Rufbereitschaft nur die
Zeit, die für die tatsächliche Erbringung von Leistungen aufgewandt wird, als Arbeitszeit
bewertet. Dies wurde damit begründet, dass ein Tätigwerden eines Arbeitnehmers nur
möglicherweise und nicht durchgängig erforderlich ist. Außerdem hat der Arbeitnehmer,
wenn auch nur begrenzt die Möglichkeit, seine Zeit selbst zu gestalten, ohne sich an einem
14
Vgl. Art.22 Abs.1 RL 2003/88/EG.
15
Vgl. Urteil v. 03.10.2000­Rs. C303/98 [SIMAP].

7
vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufzuhalten.
16
Parallel dazu entsagte der EuGH einen
eigenen Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten der EU bei der Definition des Begriffs der
Arbeitszeit.
17
Nicht nur Spanien war nun gezwungen, die Entscheidung des EuGH in nationales Recht
umzusetzen. Auch alle anderen EU-Mitgliedsstaaten waren dazu aufgerufen, das nationale
Recht hinsichtlich der Einordnung des Bereitschaftsdienstes als Arbeitszeit zu überprüfen
und gegebenenfalls zu ändern. Infolge des SIMAP-Urteils ist in Deutschland keine Einigung
erzielt worden. Es begannen mehrere Rechtsstreitigkeiten über die Einordnung von
Bereitschaftsdiensten. Während Vertreter der Ärzteschaft ihre Forderungen in dem Urteil
bestätigt sahen, zweifelten die Krankenhausverbände die Gültigkeit des spanischen Urteils in
Deutschland an. In der Stellungnahme des Bundesarbeitsgerichts (BAG) am 18. Februar
2003 wurde dieser Konflikt bestätigt.
18
Das BAG kam zu der Entscheidung, dass das
deutsche ArbZG, welches seit dem 1. Januar 1994 die arbeitsschutzrechtlichen
Rahmenbedingungen für alle Arbeitnehmer in Deutschland bildet, zwar nicht den
Anforderungen der EU Arbeitszeitrichtlinie genüge, aber eine europarechtskonforme
Auslegung des Bereitschaftsdienstes nicht möglich sei, da ansonsten bei einer
einschränkungslosen Behandlung des Bereitschaftsdienstes als Arbeitszeit verschiedene
Vorschriften des ArbZG (§ 5 Abs.3 und § 7 Abs.2 Nr.1 ArbZG) keinen Anwendungsbereich
mehr hätten und damit aufgehoben waren. Eine Aufhebung von Gesetzesvorschriften ist den
Gerichten auf Grund der Gewaltenteilung jedoch verwehrt, und somit sind die betreffenden
Regelungen des ArbZG trotz ihrer Unvereinbarkeit mit den Vorgaben der EU-
Arbeitszeitrichtlinie weiterhin anzuwenden.
19
Das EuGH Urteil vom 9. September 2003 sollte diese Kontroverse der Rechtslage,
hinsichtlich der Einordnung des Bereitschaftsdienstes in Deutschland beseitigen. In der
Rechtssache C­151/02 zwischen der Landeshauptstadt Kiel und Norbert Jäger dem
Assistenzarzt des Stadtkrankenhauses Kiel wurde zum ersten Mal ein deutscher Fall vor
dem EuGH verhandelt. Im deutschen Arbeitszeitrecht wurde der Bereitschaftsdienst, bis zur
Novellierung des Arbeitszeitgesetzes, grundsätzlich als Ruhezeit eingeordnet und nur die
Heranziehungszeiten (Aktivzeiten) im Bereitschaftsdienst wurden der täglichen Arbeitszeit
hinzugerechnet. Die Forderung des Klägers ,,Jäger" war, dass die gesamten Zeiten
(einschließlich der inaktiven Zeiten) des Bereitschaftsdienstes Arbeitszeit seien. Die beklagte
16
Vgl. Mayer, R. (2003), S. 225.
17
Vgl. Schlottfeldt, C. (2004)
1
, S. 160 f.
18
Vgl. BAG, Beschl. v. 18.02.2003­1ABR 2/02, AuA 04/03, S.49.
19
Vgl. Kuhlmann, J.-M. (2004), S. 52.

8
Stadt Kiel als Trägerin des Krankenhauses hingegen ordnete die Inaktivzeiten als Ruhezeit
ein. Die Beklagte begründete dies damit, dass der EuGH in seiner SIMAP-Entscheidung
lediglich auf die Anwesenheit der Ärzte am Arbeitsplatz Bezug genommen habe und nicht
auf die Intensität der Inanspruchnahme, also die Frage, in welchem Umfang und auf welche
Weise die Ärzte im Bereitschaftsdienst eingesetzt werden. Des Weiteren machte die
Beklagte darauf aufmerksam, dass sich der Rechtsstreit in sofern vom ,,spanischen Fall"
unterscheide, als dass die spanischen Ärzte im Rahmen der Bereitschaftsdienste in vollem
Umfang tätig sind, wohingegen deutsche Ärzte während des Bereitschaftsdienstes nur bis zu
49 Prozent der gesamten Bereitschaftsdienstdauer aktiv arbeiten.
Der EuGH kam zu dem Entschluss, dass der Bereitschaftsdienst, den ein Arzt im
Krankenhaus leistet, auch in Deutschland in vollem Umfang als Arbeitszeit im Sinne der EU-
Arbeitszeitrichtlinie zuzuordnen ist, auch wenn es dem Betroffenen in Zeiten, in denen er
nicht in Anspruch genommen wird, gestattet ist, sich an seiner Arbeitsstelle auszuruhen.
Neben der Einordnung des Bereitschaftsdienstes in die gesetzlich festgelegte wöchentliche
Höchstarbeitszeit von durchschnittlich 48 Stunden in der Woche entschied der EuGH, dass
die tägliche Ruhezeit von 11 Stunden gekürzt werden kann, wenn gleichwertige
Ausgleichsruhezeiten unmittelbar im Anschluss an die Arbeit gesichert werden.
20
Die Grenze
der durchschnittlichen wöchentlichen Höchstarbeitszeit (48 Stunden/Woche) darf dadurch
jedoch nicht überschritten werden. Durch die neue Interpretation des Bereitschaftsdienstes
stand die nationale Rechtsprechung im Widerspruch zum europäischen Recht. Die einzige
Möglichkeit, dem entgegen zu wirken, war eine Änderung des bestehenden
Arbeitszeitgesetzes, mit dem Ziel, die Disharmonien zwischen deutschem und europäischem
Arbeitszeitrecht zu beseitigen.
Im Rahmen des Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt wurde die Änderung des
Arbeitszeitgesetzes mit Wirkung zum 1. Januar 2004 rechtskräftig.
21
20
Urteil (Rs. C-151/02) des EuGH vom 9. September 2003.
21
Vgl. Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt, BGBI. 3005f., S: 3002.

9
3
Rechtliche Rahmenbedingungen der Arbeitszeitgestaltung im ärztlichen Dienst
Im folgenden Kapitel wird dargestellt, welchen Arbeitszeitrahmen das neue Arbeitszeitgesetz
bei der Arbeitszeitgestaltung gewährt. Insbesondere wird darauf eingegangen, inwieweit die
Tarifvertragsparteien befugt sind, von bestimmten Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes
abzuweichen. Ferner werden Sonderschutzrechte für bestimmte Personengruppen sowie
das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei der Gestaltung der Arbeitszeit kurz erläutert.
3.1 Arbeitszeitrechtliche Begriffe im Arbeitszeitgesetz
Neben der Arbeitszeit, der Ruhezeit und den Ruhepausen kennt das Arbeitszeitgesetz noch
die Tatbestände der Arbeitsbereitschaft, des Bereitschaftsdienstes und der Rufbereitschaft.
Bevor auf die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes im Einzelnen näher eingegangen wird, ist
zunächst im Vorfeld zu klären, ob und inwieweit die jeweiligen unterschiedlichen Formen der
Bereitschaft zur Arbeitszeit oder zur Ruhezeit zählen.
22
Durch diese Einordnung soll das
Verständnis für die rechtlichen Rahmenbedingungen der ärztlichen Arbeitszeitgestaltung
verdeutlicht werden. Die unterschiedlichen Begriffe des Zeitrechts wurden gesetzlich nicht
geregelt, daher wurde für die Begriffsstimmung auf die Rechtssprechung und die in der
Literatur entwickelten Kriterien zurückgegriffen.
23
Die Abgrenzung zwischen Arbeitszeit und Ruhezeit kann im Einzelfall zu Schwierigkeiten
führen, da es Zeiten gibt, in denen der Arbeitnehmer einerseits bestimmten
arbeitsvertraglichen Beschränkungen unterliegt, andererseits aber frei ist. Diese
Zwischenformen werden in Arbeitsbereitschaft, Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft
eingeteilt, die sich hinsichtlich der zeitlichen Intensität der tatsächlichen Arbeitsleistung sowie
der räumlichen Nähe des Aufenthaltsorts unterscheiden.
24
Die folgende Abbildung
verdeutlicht die einzelnen Zwischenformen mit der jeweiligen zeitlichen Intensität sowie ihre
Zuordnung zur Arbeits- oder Ruhezeit.
22
Vgl. Bitterberg, S. (2002), S. 127.
23
Vgl. Anzinger, R./Koberski, W./Wolters, K.-H. (2005), § 2 Rdnr. 31.
24
Vgl. Boemke, B./Kern, B-R. (2004), S. 116 ff.

10
Abbildung 1: Stufen der Intensität der Arbeitsleistung
Quelle: eigene Darstellung.
25
Vollarbeit liegt dann vor, wenn der Arbeitnehmer ununterbrochen seine Arbeitsleistung in
vollem Umfang für die Zwecke des Arbeitgebers erbringt.
26
Die Arbeitsbereitschaft kommt der Vollarbeit am nächsten. In der Literatur und laut
Rechtssprechung versteht man unter Arbeitsbereitschaft die ,,Zeit der wachen Achtsamkeit
im Zustand der Entspannung".
27
Diese Form der Bereitschaft liegt vor, wenn ein Mitarbeiter
am Arbeitsplatz zur Verfügung steht und sich ständig bereithalten muss, um im Bedarfsfall
von sich aus tätig zu werden.
Dem Arbeitnehmer ist es im Gegensatz zum Bereitschaftsdienst während der
Arbeitsbereitschaft nicht gestattet zu schlafen, da er ansonsten bei Bedarf nicht von sich aus
eingreifen könnte, sondern aufgefordert werden müsste. Die Arbeitsbereitschaft stellt eine
mindere Leistung (ca. 70 Prozent) der Arbeitsleistung dar, die den Arbeitnehmer erheblich
weniger beansprucht und damit einen Entspannungszustand ermöglicht. Dennoch wird die
Arbeitsbereitschaft zur arbeitszeitschutzrechtlichen Arbeitszeit (§ 7 Abs.1 Nr.1 lit)a ArbZG)
gezählt. Durch Arbeitsbereitschaft kann die Arbeitszeit verlängert werden, wenn während der
Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichen Umfang Arbeitsbereitschaft fällt. Die Vergütung
der Arbeitsstunden während der Arbeitsbereitschaft ist im Arbeitszeitgesetz nicht geregelt,
sondern muss individual- und kollektivvertraglich bestimmt werden. Oft werden die Stunden
25
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Boemke, B./Kern, B-R. (2004), S. 40.
26
Vgl. Anzinger, R./Koberski, W./Wolters, K.-H. (2005), § 2 Rdnr. 31.
27
Vgl. Anzinger, R./Koberski, W./Wolters, K.-H. (2005), § 2 Rdnr. 40.
Vollarbeit
Arbeitsbereitschaft
Bereitschaftsdienst
Rufbereitschaft
Freizeit
Arbeitszeit
Ruhezeit
%
100
70
0
seit dem 01.01.2004
Arbeitszeit und keine Ruhezeit
Vollarbeit ist Regelarbeitszeit = 100% Beanspruchung
Max. 49

11
der Arbeitsbereitschaft nicht voll vergütet. Werden keine Vereinbarungen getroffen, kann der
volle Stundensatz verlangt werden.
28
Wie die Definition der Arbeitsbereitschaft so fehlt auch die Begriffserklärung des
Bereitschaftsdienstes im Arbeitszeitgesetz. Laut geltender Rechtssprechung liegt
Bereitschaftsdienst vor, wenn sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten
Ort aufzuhalten hat, damit er seine volle Arbeitsleistung erbringen kann, wenn dies
erforderlich ist.
29
Der vom Arbeitgeber bestimmte Ort kann sowohl innerhalb als auch
außerhalb des Betriebes liegen. Entscheidend ist nur, dass der Arbeitgeber das
Bestimmungsrecht über den Ort hat. Dem Arbeitnehmer ist es gestattet, im Gegensatz zur
Arbeitsbereitschaft, während den inaktiven Zeiten des Bereitschaftsdienstes zu schlafen.
Somit ist der Bereitschaftsdienst nichts anderes als eine Aufenthaltsbeschränkung,
verbunden mit der Verpflichtung, bei Bedarf tätig zu werden.
30
Im Gegensatz zur
Arbeitsbereitschaft zählt der Bereitschaftsdienst erst seit dem Inkrafttreten des geänderten
Arbeitszeitgesetzes zum 1. Januar 2004 als Arbeitszeit. Die alte Fassung des
Arbeitszeitgesetzes (in der Fassung bis zum 31. Dezember 2003) ordnete den
Bereitschaftsdienst grundsätzlich als Ruhezeit ein, es sei denn, der Arbeitnehmer wurde
während des Bereitschaftsdienstes zur Arbeitsleistung herangezogen. In diesem Fall lag
Vollarbeit und somit arbeitsschutzrechtlich Arbeitszeit vor. Bereitschaftsdienststunden sollten
grundsätzlich vergütet werden. Allerdings kann es unter Umständen zu einer deutlich
niedrigeren Vergütung kommen. Im Gegensatz zur Arbeitsbereitschaft darf ein Arbeitnehmer
im Bereitschaftsdienst deutlich weniger in Anspruch genommen werden. So kann der
Arbeitgeber nur Bereitschaftsdienst anordnen, wenn die Inanspruchnahme der
Arbeitsleistung
des
Arbeitnehmers
maximal
49
Prozent
der
gesamten
Bereitschaftsdienstdauer beträgt.
31
Im Unterschied zum Bereitschaftsdienst kann sich der Arbeitnehmer in der Rufbereitschaft
an einem von ihm selbst ausgewählten Ort aufhalten. Allerdings ist der Arbeitnehmer
28
Vgl. Boemke, B./Kern, B-R. (2004), S. 41.
29
Vgl. § 45 Abs.1 Satz 1 TVöD (BT-K).
30
Vgl. Boemke, B./Kern, B-R. (2004), S. 42.
31
Vgl. § 45 Abs.1 Satz 2 TVöD (BT-K).
Arbeitsbereitschaft gehört zur Arbeitszeit = ca. 70% Beanspruchung
Bereitschaftsdienst gehört zur Arbeitszeit = max. 49% Beanspruchung

12
verpflichtet, dem Arbeitgeber den Ort, an dem er sich rufbereit aufhält, anzugeben.
32
Der
Arbeitnehmer ist in der Auswahl seines Ortes grundsätzlich frei. Jedoch darf die Distanz
zwischen dem Arbeits- und Aufenthaltsort nur so groß sein, dass er den Arbeitsort auf Abruf
innerhalb einer gewissen Zeitspanne erreichen und seine Arbeitsaufnahme im Bedarfsfall
gewährleisten kann.
33
Rufbereitschaft ist nach dem Arbeitszeitgesetz keine arbeitsschutzrechtliche Arbeitszeit,
insoweit wird der Rufbereitschaftsdienst der Ruhezeit zugeordnet. Wird jedoch der
Arbeitnehmer zu einer Arbeitsleistung herangezogen, wird die Ruhezeit unterbrochen und
die Heranziehungsstunden zählen als Vollarbeit und werden somit arbeitsschutzrechtlich als
Arbeitszeit gewertet (§ 7 Abs.2 Nr.1 und § 5 Abs.3 ArbZG). Der Arbeitgeber darf
Rufbereitschaft lediglich dann anordnen, wenn in Ausnahmefällen Arbeit anfällt.
3.2 Rechtsvorschriften des Arbeitszeitgesetzes für den Klinikbereich
Zweck des Arbeitszeitgesetzes ist die Gewährleistung der Sicherheit, der Gesundheitsschutz
für die Arbeitnehmer bei der Arbeitszeitgestaltung sowie die Verbesserung der
Rahmenbedingungen für flexible Arbeitszeiten (§ 1 Nr.1 ArbZG). Das Arbeitszeitgesetz gibt
Vorgaben über die werktäglichen und wöchentlichen Höchstarbeitszeiten, die täglichen und
wöchentlichen Ruhezeiten, zur Nacht- und Schichtarbeit sowie über Sonn- und
Feiertagsarbeit. Gemäß § 2 Abs.2 ArbZG gilt das Gesetz für alle Arbeiter und Angestellten
sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Ausgenommen vom Geltungsbereich des
Arbeitszeitgesetzes sind die in §§ 18-21 ArbZG genannten Beschäftigten. So unterliegen
leitende
Angestellte
des
Gesundheitswesens
im
Sinne
des
§ 5 Abs.3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) wie Chefärzte und ärztliche Direktoren
(§ 18 Abs.1 Nr.1 ArbZG) nicht den Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes.
34
Auf Grund der im vorigen Kapitel geschilderten Disharmonie zwischen dem nationalen
Arbeitszeitgesetz
und
EU-Arbeitszeitrichtlinie
bezüglich
der
Zuordnung
des
Bereitschaftsdienstes zur Arbeitszeit wurde das Arbeitszeitgesetz zum 1. Januar 2004
geändert. Der nationale Gesetzgeber hat mit der Novellierung des Arbeitszeitgesetzes den
vom Europäischen Gerichtshof vorgegebenen Begriff der Arbeitszeit übernommen.
35
32
Vgl. Bitterberg, S. (2002), S. 132.
33
Vgl. Brehmer, M. (2003), S. 26.
34
Vgl. Lindemann, V. (2004), S. 14, www.aus-innovativ.de, Stand: 06.10.2005.
35
Vgl. Hamm, I. (2004), S. 133.
Rufbereitschaft gehört zur Ruhezeit = gelegentliche Beanspruchung

13
3.2.1 Arbeitszeit
An der Begriffsdefinition der Arbeitszeit im § 2 ArbZG hat sich im neuen Arbeitszeitgesetz
nichts geändert. Arbeitszeit ist im Sinne des Arbeitszeitgesetzes gemäß des
§ 2 Abs.1 Satz 1 Halbsatz 1 ArbZG ,,die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die
Ruhepausen". Mit der Neufassung wird der Bereitschaftsdienst jetzt aber
arbeitsschutzrechtlich generell der Arbeitszeit zugerechnet. Dies ist dadurch erkennbar, dass
der Gesetzgeber im § 7 Abs.1 Nr.1 lit)a ArbZG
eine Verlängerung der werktäglichen
Arbeitszeit durch Bereitschaftsdienst einräumt. Im Gegensatz zur alten Fassung des
Arbeitszeitgesetzes können Ruhezeiten nur noch durch die Inanspruchnahme während der
Rufbereitschaft verkürzt werden. Folglich zählen also alle Zeiten persönlicher Anwesenheit
eines Arbeitnehmers im Betrieb, in denen der Arbeitnehmer zur Verfügung des Arbeitgebers
steht, in vollem Umfang als Arbeitszeit.
3.2.1.1 Werktägliche Höchstarbeitszeit
Gemäß § 3 Satz 1 ArbZG darf die werktägliche Höchstarbeitszeit grundsätzlich nicht
8 Stunden überschreiten. Als Werktag wird jeder Kalendertag bezeichnet, der kein Sonn-
und Feiertag ist (Umkehrschluss aus § 9 Abs.1 ArbZG). Somit geht das Arbeitszeitgesetz
einschließlich Samstag von einer Sechs-Tage-Woche aus und nur in Ausnahmefällen kann
von der achtstündigen werktäglichen Höchstarbeitszeit abgewichen werden. Nach
§ 3 Satz 2 ArbZG kann die Arbeitszeit pro Tag auf bis zu 10 Stunden verlängert werden.
Voraussetzung für diese Verlängerung ist, dass innerhalb eines Ausgleichszeitraumes von
6 Monaten bzw. 24 Wochen im Durchschnitt 8 Stunden Arbeitszeit pro Tag nicht
überschritten werden. Somit müssen Arbeitszeiten, die über die 8 Stunden werktäglich
hinausgehen, durch kürze Arbeitszeiten an einem anderen Werktag innerhalb des
Ausgleichszeitraumes
ausgeglichen
werden.
Darüber
hinaus
kann
nach
§ 7 Abs.1 Nr.1 lit.a) ArbZG in einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrages in einer
Betriebsvereinbarung die Arbeitszeit auch über die 10 Stunden hinausgehen. Diese
Öffnungsklausel für Tarifpartner ist jedoch nur zulässig, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig
und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst enthält. Regelmäßig
bedeutet in diesem Fall, dass Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst für diese Art von
Tätigkeit typisch ist und nicht nur ausnahmsweise vorliegt. Als erheblich gilt, wenn
Bereitschaftsdienst bzw. Arbeitsbereitschaft mindestens 30 Prozent der Gesamtarbeitszeit
ausmachen. Demnach müssten bei einer Verlängerung der Arbeitszeit auf beispielsweise 12
Stunden pro Tag mindestens 3,6 Stunden der Arbeitszeit Arbeitsbereitschaft oder
Bereitschaftsdienstzeit sein. Die restlichen 8,4 Arbeitsstunden (mit Ausnahme der

14
Ruhepausen) könnte der Arbeitnehmer Vollarbeit leisten.
36
Der Ausgleichszeitraum kann auf
Grund eines Tarifvertrages auf bis zu 12 Kalendermonate verlängert werden (§ 7 Abs.1 Nr.1
lit.b) i. V. m. Abs.8 ArbZG).
Des Weiteren ist es durch die sogenannte ,,Opt-Out-Regelung" (§ 7 Abs.2 lit)a ArbZG) auf
Grund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung erlaubt, die
werktägliche Arbeitszeit auch ohne Ausgleich über 8 Stunden zu verlängern. Der
Arbeitnehmer muss dem allerdings schriftlich zustimmen (§ 7 Abs.7 Satz 1 ArbZG) und die
Gesundheit des Arbeitnehmers darf dadurch nicht gefährdet werden (§ 7 Abs.2 lit)a ArbZG).
Der Arbeitnehmer kann seine schriftliche Einwilligung mit einer Frist von 6 Monaten
widerrufen, woraus ihm kein Nachteil entstehen darf (§ 7 Abs.7 Satz 2 und 3 ArbZG). Zudem
ist der Arbeitgeber gemäß § 16 Abs.2 ArbZG verpflichtet, die Zeiten, die über die
werktägliche Arbeitszeit laut § 3 Satz1 ArbZG hinausgehen, aufzuzeichnen und ein
Verzeichnis der Arbeitnehmer zu führen, die einer Verlängerung der Arbeitszeit gemäß § 7
Abs.7 ArbZG zugestimmt haben.
37
3.2.1.2 Wöchentliche Höchstarbeitszeit
Die Wochenarbeitszeit ist nicht unmittelbar im Arbeitszeitgesetz geregelt. So ergibt sich bei
der Beschränkung der täglichen Höchstarbeitszeit von 8 Stunden (§ 3 Satz1 ArbZG) und der
Sechs-Tage-Woche ein wöchentliches Arbeitsvolumen von 48 (6x8) Stunden. Hier ist, wie
bei der täglichen Höchstarbeitszeit, darauf zu achten, dass innerhalb von sechs Monaten
oder 24 Wochen (für Tarifparteien innerhalb von 12 Monaten) im Durchschnitt 48 Stunden
eingehalten werden müssen. So könnte z.B. bei einem Ausgleichszeitraum von 6 Monaten 3
Monate lang 10 Stunden pro Werktag (d.h. 60 Stunden-Woche) und die restlichen 3 Monate
6 Stunden pro Werktag (d.h. 36 Stunden-Woche) gearbeitet werden.
38
Wird die
Verlängerungsmöglichkeit der täglichen Arbeitszeit bis zu 10 Stunden pro Werktag in
Anspruch
genommen
sowie
die
Sieben-Tage-Woche
(§10 ArbZG)
für
den
Krankenhausbereich zu Grunde gelegt, ergibt sich eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von
bis zu 70 (7x10) Stunden.
In der Tabelle 1 werden zusammenfassend die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes
hinsichtlich des werktäglichen und wöchentlichen Höchstarbeitszeitrahmen mit den
Öffnungsklauseln für die Sozialpartner dargestellt.
36
Vgl. Schlottfeldt, C. (2004)
1
, S. 160 f.
37
Vgl. § 16 Abs.2 ArbZG.
38
Vgl. Lindemann, V. (2004), S. 15, www.aus-innovativ.de, Stand: 06.10.2005.

15
Tabelle 1: Werktägliche und wöchentliche Höchstarbeitszeiten im ArbZG
39
Arbeitszeitgesetz
(ArbZG)
Tarifvertrag für den
öffentlichen Dienst (TVöD)
Voraussetzungen
Arbeitszeit
pro Tag
grundsätzlich 8 Stunden
über 8 Stunden ohne Ausgleich in die betreffende tägliche
Arbeitszeit fällt regelmäßig
und in erheblichen Umfang
Arbeitsbereitschaft oder
Bereitschaftsdienst
schriftlicher Einwilligung
des Arbeitnehmers
bis zu 10 Stunden bei
Ausgleich in 6 Monaten oder
24 Wochen
bis zu 10 Stunden
Verlängerung des
Bezugszeitraumes bis zu 12
Kalendermonaten möglich
über 10 Stunden bei Ausgleich
im Bezugszeitraum bis zu 12
Kalendermonaten
in die betreffende tägliche
Arbeitszeit fällt regelmäßig
und in erheblichen Umfang
Arbeitsbereitschaft oder
Bereitschaftsdienst
Anpassung an die Eigenart
der Tätigkeit und dem Wohl
der Personen
entsprechend (z.B.
Notfälle)
pro
Woche
bis zu 48 Stunden; keine
unmittelbare Regelung;
mittelbar über werktägliche
Höchstarbeitszeit
Festlegung auf 48 Stunden
(6x8)
über 48 Stunden; keine
unmittelbare Regelung;
mittelbar über werktägliche
Höchstarbeitszeit bis zu 10
Stunden eine Verlängerung
auf bis zu 70 Stunden im
Krankenhausbereich bei
Ausgleich in 6 Monaten oder
24 Wochen
über 48 Stunden; Verlängerung
des Bezugszeitraumes für den
Ausgleich auf bis zu 12
Kalendermonate möglich
3.2.2 Ruhezeit
Von den arbeitsfreien Zeiten wird neben den Ruhepausen (§ 4 ArbZG) nur die Ruhezeit in
§ 5 ArbZG geregelt. Der Bergriff der Ruhezeit wird jedoch nicht im Arbeitszeitgesetz definiert.
Formal wird die Zeit zwischen dem Ende der täglichen Arbeitszeit und dem Beginn der
nächsten täglichen Arbeitszeit als Ruhezeit beschrieben.
40
Die Ruhezeit dient der
Regeneration der durch die Arbeit verbrauchten Kräfte.
41
Nach § 5 Abs.1 ArbZG haben
Arbeitnehmer prinzipiell Anspruch auf eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 11
Stunden nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit, wobei die tägliche Arbeitszeit sich nicht
39
Quelle: eigene Darstellung.
40
Vgl. Anzinger, R./Koberski, W./Wolters, K.-H. (2005), § 5 Rdnr. 5.
41
Vgl. Anzinger, R./Koberski, W./Wolters, K.-H. (2005), § 5 Rdnr. 3.

16
auf die Arbeitszeit eines Kalendertages (00:00-24:00 Uhr), sondern auf die individuelle
tägliche Arbeitszeit bezieht.
42
Der § 5 Abs.2 ArbZG enthält eine Öffnungsklausel für
Krankenhäuser und andere Einrichtungen zur Behandlung, Pflege und Betreuung von
Personen, welche eine Verkürzung der täglichen Ruhezeit um eine Stunde zulässt. Die
Ruhezeit kann auf bis zu 10 Stunden verkürzt werden, wenn jede Verkürzung innerhalb
eines Kalendermonats oder innerhalb von 4 Wochen durch Verlängerung einer anderen
Ruhezeit auf mindestens 12 Stunden ausgeglichen werden. Beträgt die Arbeitszeit über 12
Stunden, muss im Anschluss an die Arbeit eine Ruhezeit von mindestens 11 Stunden
(§ 7 Abs.9 ArbZG) gestattet werden. Gemäß §7 Abs.1 Nr.3 ArbZG besteht für
Tarifvertragsparteien die Möglichkeit, die Ruhezeit auf bis zu 9 Stunden zu verkürzen.
Allerdings muss die Art der Arbeit diese Verkürzung erfordern (z.B. Notfall) und die Kürzung
muss innerhalb eines festzulegenden Zeitraumes ausgeglichen werden.
Des Weiteren kann die Ruhezeit auf Grund einer Inanspruchnahme während des
Rufbereitschaftsdienstes verkürzt werden (§ 5 Abs.3 ArbZG). Hierbei ist zu beachten, dass
die Inanspruchnahme während der Ruhezeit nicht mehr als die Hälfte der gesamten
Ruhezeit (11 Stunden) betragen darf, und die Zeiten der Verkürzung zu einem anderen
Zeitpunkt ausgeglichen werden müssen. Folglich müssen mindestens 5,5 Stunden
ununterbrochene Ruhezeit garantiert werden.
3.2.3 Ruhepausen
Der gesetzliche Rahmen für die Ruhepausen hat sich durch das neue Arbeitszeitgesetz nicht
geändert. Ruhepausen dienen der Erholung während der täglichen Arbeit. Laut
Arbeitszeitgesetz (§ 4 Satz 1 ArbZG) darf nur bis zu 6 Stunden ohne Pause gearbeitet
werden. Geht die Arbeitszeit über 6 bis zu 9 Stunden, muss eine Ruhepause 30 Minuten
betragen. Bei einer Arbeitszeit über 9 Stunden muss eine 45-minütige Pause gewährt
werden. Die Ruhepausen können in mindestens 15-minütigen Zeitabschnitte aufgeteilt
werden. Wird ein Arbeitnehmer in den 15 Minuten Pause durch einen Arbeitseinsatz
unterbrochen, bleibt der Pausenanspruch erhalten.
43
Die Zeit vor der Unterbrechung der
Pause zählt dann zur Arbeitszeit.
In der nachstehenden Abbildung sind die Regelungen zu Ruhezeiten und Ruhepausen
zusammenfassend dargestellt.
42
Vgl. Boemke, B./Kern, B-R. (2004), S. 69.
43
Vgl. Anzinger, R./Koberski, W./Wolters, K.-H. (2005), § 4 Rdnr. 3-4.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783956360527
ISBN (Paperback)
9783832497040
Dateigröße
801 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin – Wirtschaftswissenschaften I - Fachbereich 3, Betriebswirtschaft
Erscheinungsdatum
2006 (Juli)
Note
1,0
Schlagworte
tarifvertrag tvöd arbeitszeitgesetz arbzg arbeitszeitrichtlinie
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Titel: Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes im ärztlichen Dienst
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