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Technische und wirtschaftliche Struktur der Gasversorgung in Deutschland

©2006 Studienarbeit 101 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
In Deutschland gewinnt Erdgas im Energiemix zunehmend an Bedeutung. Es ist nach Mineralöl mit einem Anteil von 23 % am deutschen Primärenergieverbrauch im Jahr 2005 der zweitwichtigste Primärenergieträger und Prognosen gehen davon aus, dass der Erdgasanteil weiter zunehmen wird. Diese Entwicklung wird durch die rückläufige Nutzung von Kernenergie und den umweltfreundlichen Eigenschaften von Erdgas gestützt. Zudem begünstigt die staatlich geförderte Kraft-Wärme-Kopplung die Verwendung von Erdgas zur Elektrizitätserzeugung. In diesem Zusammenhang werden Mini-Blockheizkraftwerke in Zukunft eine wichtige Rolle bei der Energieversorgung von Haushalten einnehmen.
Besonders in letzter Zeit sind der Ölpreis und damit der an den Ölpreis gekoppelte Gaspreis stark gestiegen. Die Ölpreisbindung ist historisch bedingt und wird von der europäischen Gesetzgebung als unzeitgemäß angesehen: „Heute ist dieser Mechanismus [der Ölpreisbindung] jedoch wirtschaftlich nicht mehr gerechtfertigt und sollte ersetzt werden durch einen Preis, der anhand von Angebot und Nachfrage für Erdgas festgelegt wird. Das lässt sich jedoch nur durch die Errichtung eines integrierten Gasbinnenmarkts verwirklichen, der sich nicht nur auf die Liberalisierung der nationalen Märkte beschränkt“.
Zur Verwirklichung der Vorgaben der Europäischen Union hinsichtlich der Liberalisierung der Energiemärkte wurde in Deutschland im Juli 2005 ein neues Energiewirtschaftsgesetz verabschiedet und die Bundesnetzagentur mit der Regulierung des deutschen Erdgasmarkts beauftragt. Nach den Vorstellungen der Bundesnetzagentur soll sich bis zum 1. Oktober 2006 ein geordnetes und funktionierendes Netzzugangssystem etabliert haben. Um die Gründe und Einzelheiten der Liberalisierung zu verstehen, müssen sowohl der technische Aufbau als auch die wirtschaftlichen Aspekte bezüglich der Erdgasversorgung in Deutschland betrachtet werden.

Zusammenfassung:
Die vorliegende Arbeit gibt einen Überblick bezüglich der technischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Aspekte der Erdgasversorgung in Deutschland. Somit werden der technische Aufbau des Gasnetzes, die Struktur der Gaswirtschaft, die Gaspreisbildung und die Liberalisierung des Gasmarktes aufgezeigt.
Kapitel 2 befasst sich nach einer kurzen Darstellung der Entwicklung der Gasversorgung auf deutscher und europäischer Ebene mit den Grundlagen der Erdgasgewinnung. Dabei werden die Erdgasvorkommen sowie die Exploration, Förderung und […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Jörg Simon
Technische und wirtschaftliche Struktur der Gasversorgung in Deutschland
ISBN-10: 3-8324-9649-1
ISBN-13: 978-3-8324-9649-4
Druck Diplomica® GmbH, Hamburg, 2006
Zugl. Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig, Braunschweig,
Deutschland, Studienarbeit, 2006
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© Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2006
Printed in Germany



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ECHNISCHE UND WIRTSCHAFTLICHE
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TRUKTUR DER
G
ASVERSORGUNG IN
D
EUTSCHLAND
I
E
IDESSTATTLICHE
E
RKLÄRUNG
Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig verfasst und keine
anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe.
Braunschweig, den 19.05.2006
Jörg Simon

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EUTSCHLAND
II
K
URZFASSUNG
Die vorliegende Arbeit gibt einen Überblick bezüglich der technischen, wirtschaftlichen
und rechtlichen Aspekte der Erdgasversorgung in Deutschland. Somit werden der
technische Aufbau des Gasnetzes, die Struktur der Gaswirtschaft, die Gaspreisbildung
und die Liberalisierung des Gasmarktes aufgezeigt.
Kapitel 2 befasst sich nach einer kurzen Darstellung der Entwicklung der Gasversor-
gung auf deutscher und europäischer Ebene mit den Grundlagen der Erdgasgewin-
nung. Dabei werden die Erdgasvorkommen sowie die Exploration, Förderung und
Aufbereitung von Erdgas berücksichtigt. Des Weiteren wird der technische Aufbau des
deutschen Gasnetzes beschrieben, welches in die Bereiche Transport, Speicherung
und Verteilung untergliedert ist.
Die Struktur der deutschen Gaswirtschaft wird in Kapitel 3 wiedergegeben. In diesem
Zusammenhang wird zwischen der Produktionsstufe, der Import- und Ferngasstufe,
der Regionalgasstufe und der Ortsgasstufe differenziert. Anschließend werden die
verschiedenen Erdgasverbraucher
1
vorgestellt.
Kapitel 4 zeigt die Kosten der Gasversorgung auf, charakterisiert das Anlegbar-
keitsprinzip und gibt die Gaspreisentwicklung wieder. Zudem werden die Grundsätze
der Preiskalkulation seitens der Gasversorger dargeboten sowie Tarife und Sonderver-
träge für Endkunden unterschieden.
In Kapitel 5 wird die Liberalisierung der deutschen Gaswirtschaft aufgegriffen. Zu-
nächst werden die Vorgaben der Europäischen Union berücksichtigt, um darauf auf-
bauend die Umsetzung in Deutschland zu erörtern. Abschließend werden mögliche
Auswirkungen der Liberalisierung auf den technischen Aufbau des Gasnetzes, auf die
Unternehmensstruktur, auf die Marktstruktur, auf die Versorgungssicherheit und auf
den Gaspreis vorgestellt.
Ein Exkurs dieser Arbeit charakterisiert kurz die Gasversorgung am Beispiel der
Braunschweiger Versorgungs-AG & Co. KG, indem die wirtschaftliche Struktur des
Unternehmens und der Aufbau des Braunschweiger Gasnetzes beschrieben werden.
Ein weiterer Exkurs widmet sich den möglichen Auswirkungen von Mini-
Blockheizkraftwerken auf die Gasversorgung am Beispiel einer Braunschweiger Sied-
lung. Basierend auf gemessenen Daten zum Strom- und Gasverbrauch der Siedlung
wird ein Einsatz mit Mini-Blockheizkraftwerken zu bestimmten Zeiten simuliert und
anhand der gewonnen Werte und weiterer Überlegungen die Konsequenzen für den
Erdgasversorger ansatzweise aufgezeigt.
1
Für die bessere Lesbarkeit wird im gesamten Text auf die weibliche Form verzichtet, sie gilt jedoch
entsprechend.

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NHALTSVERZEICHNIS
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IDESSTATTLICHE
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RKLÄRUNG
...I
K
URZFASSUNG
...II
A
BBILDUNGSVERZEICHNIS
... V
A
BKÜRZUNGSVERZEICHNIS
... VII
1. E
INLEITUNG
...1
2. G
RUNDLAGEN DER
E
RDGASVERSORGUNG
...2
2.1 Entwicklung der Erdgasversorgung... 2
2.1.1 Entwicklung auf europäischer Ebene... 2
2.1.2 Entwicklung in Deutschland... 4
2.2 Erdgasvorkommen und -gewinnung... 6
2.2.1 Erdgasvorräte... 6
2.2.2 Exploration ... 7
2.2.3 Förderung ... 7
2.2.4 Aufbereitung... 8
2.3 Technischer Aufbau des Gasversorgungsnetzes in Deutschland... 9
2.3.1 Transport... 10
2.3.2 Speicherung ... 13
2.3.3 Verteilung... 14
3. S
TRUKTUR DER DEUTSCHEN
G
ASWIRTSCHAFT
... 16
3.1 Produktionsstufe ... 18
3.2 Import- und Ferngasstufe... 19
3.3 Regionalgasstufe ... 23
3.4 Ortsgasstufe ... 24
3.5 Endverbraucher ... 27
4. K
OSTENSTRUKTUR UND
G
ASPREISBILDUNG IN
D
EUTSCHLAND
... 30
4.1 Kosten der Gasversorgung ... 30
4.2 Anlegbarkeitsprinzip... 33
4.3 Gaspreisentwicklung... 35
4.4 Preiskalkulation... 37
4.5 Tarife und Sonderverträge ... 43

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TRUKTUR DER
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D
EUTSCHLAND
IV
5. L
IBERALISIERUNG DER DEUTSCHEN
G
ASWIRTSCHAFT
... 46
5.1 Vorgaben der Europäischen Union ... 46
5.2 Umsetzung in Deutschland ... 49
5.3 Konsequenzen der Liberalisierung... 53
6. E
XKURS
1:
D
IE
G
ASVERSORGUNG AM
B
EISPIEL DER
B
RAUNSCHWEIGER
V
ERSORGUNGS
-AG
&
C
O
.
KG ... 63
6.1 Wirtschaftliche Struktur des Unternehmens ... 63
6.2 Aufbau des Gasnetzes... 65
7. E
XKURS
2:
M
ÖGLICHE
A
USWIRKUNGEN VON
M
INI
-B
LOCKHEIZKRAFTWERKEN
AUF DIE
G
ASVERSORGUNG AM
B
EISPIEL EINER
B
RAUNSCHWEIGER
S
IEDLUNG
... 68
8. Z
USAMMENFASSUNG
... 77
L
ITERATURVERZEICHNIS
... 81

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EUTSCHLAND
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BBILDUNGSVERZEICHNIS
Abb. 1: Erdgaseinfuhren nach Europa (EU25 sowie Schweiz und Türkei)... 3
Abb. 2: Entwicklung des Primärenergieverbrauchs in Deutschland... 5
Abb. 3: Erdgasbezugsquellen Deutschlands 2005 ... 7
Abb. 4: Technische Elemente der Erdgasversorgungskette ...10
Abb. 5: Europäischer Erdgasverbund...11
Abb. 6: Erdgasleitungen in Deutschland ...12
Abb. 7: Schematische Darstellung eines städtischen Erdgasverteilungsnetzes...15
Abb. 8: Unterteilung der deutschen Gaswirtschaft und Haupttätigkeitsbereiche...17
Abb. 9: Erdgasfördergesellschaften und Fördermengen in Deutschland 2004 ...19
Abb. 10: Verkaufsmengen der deutschen Ferngasgesellschaften 2004 ...20
Abb. 11: Gasnetze der überregionalen Ferngasgesellschaften in Deutschland...22
Abb. 12: Verbundunternehmen in der
deutschen Orts- und Regionalgaswirtschaft 2003 ...24
Abb. 13: Eigentumsverhältnisse in der
deutschen Orts- und Regionalgaswirtschaft 2003 ...25
Abb. 14: Erdgasverbrauch nach Sektoren in Deutschland 2005...27
Abb. 15: Bezugsstruktur der Wohnungsbeheizung in Deutschland 2004 ...28
Abb. 16: Bezugsstruktur der Brutto-Stromerzeugung in Deutschland 2005...29
Abb. 17: Technische Elemente und
Marktstufen der Erdgasversorgungskette in Deutschland ...29
Abb. 18: Struktur der Investitionskosten zum Bau einer Hochdruckleitung ...31
Abb. 19: Kostenstruktur der Investition in eine exemplarische LNG-Kette...31
Abb. 20: Kostenvergleich von Ferntransport-Möglichkeiten...32
Abb. 21: Erdgaspreisentwicklung in Deutschland...35
Abb. 22: Importpreise für Rohöl und Erdgas in Deutschland ...36
Abb. 23: Preiszusammensetzung in 2005 am Beispiel von E.ON Avacon...39
Abb. 24: Staatsanteile am Verbrauchergaspreis in Deutschland 2004 ...41
Abb. 25: Beispiel eines Vertragssystems ...43
Abb. 26: Gashandel im liberalisierten Gasmarkt...56
Abb. 27: Zusammenhang zwischen Effizienz,
Stabilität und gesellschaftlichem Nutzen auf dem EU-Gasmarkt ...59
Abb. 28: Beteiligungsstruktur der BVAG 2005...63
Abb. 29: Unternehmenskennzahlen der BVAG 2003 und 2004...64

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Abb. 30: Leitungslängen des Braunschweiger Gasnetzes nach Leitungstyp 2005 ...65
Abb. 31: Gashauptrohrnetz in Braunschweig ...67
Abb. 32: Netzübersicht der untersuchten Braunschweiger Siedlung ...69
Abb. 33: Lastkurven für einen durchschnittlichen Werktag im Sommer ...70
Abb. 34: BHKW-Lastkurven für einen
durchschnittlichen Werktag im Sommer mit Stromspitzenkappung ...71
Abb. 35: Lastkurven für den kältesten Wintertag ...72
Abb. 36: Zusammenhang zwischen der
Durchdringungsrate von BHKW im Versorgungsgebiet und
dem gesteigerten Gasverbrauch gegenüber konventionellen Gasgeräten ...75
Abb. 37: Gaslast eines örtlichen Versorgungsnetzes
mit und ohne einen umfangreichen BHKW-Einsatz...76

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BKÜRZUNGSVERZEICHNIS
BDI
Bundesverband der deutschen Industrie
BHKW
Blockheizkraftwerk
BVAG
Braunschweiger Versorgungs-AG & Co. KG
en.bs
Energienetze Braunschweig GmbH
EnWG
Energiewirtschaftsgesetz
LNG
Liquefied Natural Gas
SKE
Steinkohleeinheiten
VIK
Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft

1.
E
INLEITUNG
1
1. E
INLEITUNG
In Deutschland gewinnt Erdgas im Energiemix zunehmend an Bedeutung. Es ist nach
Mineralöl mit einem Anteil von 23 % am deutschen Primärenergieverbrauch im Jahr
2005 der zweitwichtigste Primärenergieträger und Prognosen gehen davon aus, dass
der Erdgasanteil weiter zunehmen wird. Diese Entwicklung wird durch die rückläufige
Nutzung von Kernenergie und den umweltfreundlichen Eigenschaften von Erdgas
gestützt. Zudem begünstigt die staatlich geförderte Kraft-Wärme-Kopplung die Ver-
wendung von Erdgas zur Elektrizitätserzeugung.
2
In diesem Zusammenhang werden
Mini-Blockheizkraftwerke in Zukunft eine wichtige Rolle bei der Energieversorgung von
Haushalten einnehmen.
3
Besonders in letzter Zeit sind der Ölpreis und damit der an den Ölpreis gekoppelte
Gaspreis stark gestiegen.
4
Die Ölpreisbindung ist historisch bedingt
5
und wird von der
europäischen Gesetzgebung als unzeitgemäß angesehen:
,,Heute ist dieser Mechanismus [der Ölpreisbindung] jedoch wirt-
schaftlich nicht mehr gerechtfertigt und sollte ersetzt werden durch
einen Preis, der anhand von Angebot und Nachfrage für Erdgas fest-
gelegt wird. Das lässt sich jedoch nur durch die Errichtung eines in-
tegrierten Gasbinnenmarkts verwirklichen, der sich nicht nur auf die
Liberalisierung der nationalen Märkte beschränkt."
6
Zur Verwirklichung der Vorgaben der Europäischen Union hinsichtlich der Liberalisie-
rung der Energiemärkte wurde in Deutschland im Juli 2005 ein neues Energiewirt-
schaftsgesetz verabschiedet und die Bundesnetzagentur mit der Regulierung des
deutschen Erdgasmarkts beauftragt. Nach den Vorstellungen der Bundesnetzagentur
soll sich bis zum 1. Oktober 2006 ein geordnetes und funktionierendes Netzzugangs-
system etabliert haben.
7
Um die Gründe und Einzelheiten der Liberalisierung zu ver-
stehen, müssen sowohl der technische Aufbau als auch die wirtschaftlichen Aspekte
bezüglich der Erdgasversorgung in Deutschland betrachtet werden.
Folgendes Zitat verdeutlicht die Situation des Liberalisierungsprozesses:
,,Die Umgestaltung der deutschen Energiewirtschaft steht an ihrem
Anfang und wird die Gaswirtschaft noch Jahre begleiten."
8
2
Vgl. Abschnitt 2.1.2.
3
Vgl. Kapitel 7.
4
Vgl. Abschnitt 4.3.
5
Vgl. Abschnitt 4.2.
6
Europäische Kommission (2001), S. 43.
7
Vgl. Abschnitt 5.2.
8
Döring, C. (2005), S. 3.

2.
G
RUNDLAGEN DER
E
RDGASVERSORGUNG
2
2. G
RUNDLAGEN DER
E
RDGASVERSORGUNG
2.1 Entwicklung der Erdgasversorgung
2.1.1 Entwicklung auf europäischer Ebene
Der Primärenergieträger Erdgas wird überwiegend für Heizzwecke, zur Erzeugung von
Prozesswärme in der industriellen Produktion und zur Stromerzeugung eingesetzt.
9
Im
Gegensatz zu den Primärenergieträgern Erdöl und Steinkohle existiert für Erdgas kein
einheitlicher Weltmarkt. Aufgrund der vergleichsweise hohen Transportkosten haben
sich lediglich regionale Gasmärkte entwickelt, die nur in begrenzter Interaktion ste-
hen.
10
Als die bedeutendsten Gasmärkte sind der nordamerikanische, der südamerika-
nische, der ostasiatische-australische und der europäische Markt zu nennen.
11
Zum
letzteren sind neben dem europäischen Gebiet die asiatischen Teile Russlands und
der Türkei sowie Anbieter aus Nordafrika, der kaspischen Region und dem Mittleren
Osten zu zählen. Der europäische Gasmarkt hat sich im Vergleich zum nordamerika-
nischen später entwickelt. Erst ab Mitte der 1960er Jahre erfuhr Erdgas in Europa eine
steigende Bedeutung und es fanden erste größere grenzüberschreitende Gaslieferun-
gen statt. Diese Entwicklung stützte maßgeblich das 1959 entdeckte niederländische
Erdgasfeld Groningen, welches damals sieben westeuropäische Staaten versorgte,
darunter auch Deutschland. Neben dem vorwiegend niederländischen Pipelinegas
wurden die europäischen Staaten mit Hilfe von Tankschiffen mit flüssigem Erdgas
(LNG
12
) seit 1964 aus Algerien und seit 1970 aus Libyen versorgt.
13
Die erste Ölkrise 1973 begünstigte den Erdgasverbrauch in Europa und somit stieg die
Anzahl der importierenden westeuropäischen Nationen bis Ende der 1970er Jahre auf
elf an. Zusätzlich intensivierten Neufunde in der Nordsee und Pipeline-Lieferungen aus
der damaligen Sowjetunion den Erdgasverbrauch in west- und zentraleuropäischen
Staaten. Die Sowjetunion wurde vor allem durch die Erschließung neuer Gasvorkom-
men in Westsibirien zum größten Lieferanten für Zentraleuropa und bereits in Zeiten
des Kalten Krieges ebenso für Westeuropa. Bis Mitte der 1990er Jahre wurden alle
EU-Staaten in das europäische Gasnetz integriert.
14
Abbildung 1 vergleicht die aus den
jeweiligen Erdgasförderländern stammenden Importe nach Europa (EU25 sowie
Schweiz und Türkei) in den Jahren 1980 und 2000. Um die Versorgungssicherheit in
Europa weiter zu gewährleisten, werden neue Gasleitungen wie die ,North European
Gas Pipeline` gebaut. Diese Pipeline, welche eine jährliche Transportmenge von
55 Mrd. m
3
Erdgas aus der russischen Barentssee befördern soll, wird seit Dezember
2005 als Gemeinschaftsprojekt des russischen Unternehmens Gazprom und der
deutschen Gesellschaften BASF und E.ON durch die Ostsee verlegt.
15
Somit werden
9
Vgl. Dahl, K. (1990), S. 13.
10
Vgl. Seeliger, A. (2004), S. 4.
11
Vgl. Schiffer, H.-W. (2005), S. 296f.
12
LNG: Liquefied Natural Gas.
13
Vgl. Seeliger, A. (2004), S. 4.
14
Vgl. Seeliger, A. (2004), S. 5f.
15
Vgl. Böhmer, W. (2006), S. 58.

2.
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RUNDLAGEN DER
E
RDGASVERSORGUNG
3
Transitländer wie die Ukraine umgangen, da dort der Transport in der Vergangenheit
nicht immer reibungslos vonstatten ging.
16
Abb. 1: Erdgaseinfuhren nach Europa (EU25 sowie Schweiz und Türkei)
17
(in Mrd. m³/a)
Russland/UdSSR
Nigeria
Niederlande
Großbritannien
Norwegen
Libyen
Algerien
Trinidad
Mittlerer Osten
24
13
49
50
122
36
7
59
1
2
48
7
2
1
1980
2000
Die nationalen Teilsysteme des europäischen Gasnetzes wurden in der Regel von
staatseigenen Versorgungsunternehmen unter monopolistischen Marktbedingungen
aufgebaut und betrieben. Aufgrund vollständig integrierter Gaswertschöpfungsketten
und der Kontrolle oft einer oder weniger Organisationen in jedem Staat wurde ein
hohes Maß an Versorgungssicherheit geschaffen. Allerdings führten Redundanzen
innerhalb der Gasinfrastrukturen, die Bildung von Überkapazitäten und teilweise ineffi-
zienter Betrieb sowie der relativ preisunelastische Gasverbrauch in fast allen EU-
Staaten zu hohen nationalen Gaspreisen im Vergleich zu anderen Industrieländern mit
liberalisierten Märkten wie in den USA. Einhergehend mit der Globalisierung der Wa-
renmärkte ist eine durch die dauerhaft hohen Gaspreise bedingte Behinderung der
internationalen Wettbewerbsfähigkeit der EU außerhalb der Energiebranche festzustel-
len. Dieser Sachverhalt sowie die u.a. preisbedingte Zurückhaltung bei der Gasver-
stromung und beim Wechsel der privaten Haushalte zum umweltfreundlichen Energie-
träger Erdgas veranlasste die Organe der Europäischen Union zunächst im Juni 1998
die erste ,Binnenmarktrichtlinie Erdgas` und später im Juni 2003 die zweite Binnen-
16
Vgl. Seeliger, A. (2004), S. 11f.
17
Vgl. Seeliger, A. (2004), S. 7.

2.
G
RUNDLAGEN DER
E
RDGASVERSORGUNG
4
marktrichtlinie Erdgas zur Etablierung eines Wettbewerbs zu verabschieden.
18
In
Kapitel 5 wird auf die Liberalisierung des Gasmarktes und deren Auswirkungen für
Deutschland näher eingegangen.
2.1.2 Entwicklung in Deutschland
Die Importe aus den Niederlanden und die Nutzung von deutschen Erdgasfunden in
der Mitte der 1960er Jahre verdrängten das in der BRD zuvor genutzte Stadtgas,
welches aus Kohle erzeugt wurde, sowie das als Ferngas gelieferte Kokereigas.
19
Die
unproblematische Nutzung des bereits bestehenden Versorgungsnetzes beschleunigte
diese Verdrängung, so dass Mitte der 1970er Jahre nahezu alle Verbraucher im öffent-
lichen Gasversorgungsnetz Erdgas erhielten.
20
Ebenfalls wie in den westeuropäischen
Staaten wurde in der DDR ein Großteil des Gases aus der Sowjetunion bezogen.
Somit betrugen die ausschließlich aus der Sowjetunion stammenden Importe im Jahr
1989 52 % des ostdeutschen Gesamtgasaufkommens und 21 % konnten durch die
heimische Erdgasförderung aufgebracht werden. Der restliche Bedarf (27 %) wurde
durch die Stadtgasherstellung gedeckt. Nach der deutschen Wiedervereinigung wurde
in den neuen Bundesländern die westdeutsche gaswirtschaftliche Struktur prinzipiell
übernommen und im September 1991 wurde die erste Transportleitung, welche das
ost- mit dem westdeutschen Gasnetz verbindet, fertiggestellt.
21
Es dauerte bis 1995,
bis die vollständige Umstellung von Stadtgas auf Erdgas abgeschlossen war.
22
In Deutschland haben sich über 700 regionale Erdgasversorger und zusätzlich 15
Ferngasgesellschaften herausgebildet. Diese Quantität begründet sich in der föderalen
Struktur Deutschlands, bei welcher Kompetenzen auf möglichst niedriger Ebene ge-
schaffen werden. Damit existiert gegenüber anderen europäischen Staaten, in denen
meist eine Unternehmung für die Gasversorgung zuständig war, eine besondere Situa-
tion. Von Vorteil ist in Deutschland die Möglichkeit eines Wettbewerbs zwischen Fern-
gasunternehmen und Regionalversorgern, jedoch sind aufgrund der uneinheitlichen
Struktur des Gasversorgungssystems Nachteile wie die Bildung von Engpässen,
mangelnde Interoperabilität, Überlagerungen von Transportleitungen und die Zersplitte-
rung des Marktgebietes anzuführen.
23
Die Abbildung 2 stellt die Entwicklung des Primärenergieverbrauchs in Deutschland
dar. Es ist ersichtlich, dass sich der Erdgasverbrauch seit 1970 stetig steigerte und
Erdgas mit ca. 23 % des Primärenergieverbrauchs im Jahr 2005 der zweitwichtigste
Primärenergieträger nach Mineralöl (36 %) war. Der Anstieg des Erdgaskonsums wird
auch in Zukunft anhalten. Z.B. geht die ,Esso Energieprognose 2003` davon aus, dass
18
Vgl. Klei, M. (2005), S. 680f.
19
Während Erdgas hauptsächlich aus Methan besteht, setz(t)en sich das in Gaswerken aus Kohle erzeug-
te Stadtgas und das in Kokereien gewonnene Kokereigas u.a. aus Wasserstoff, Methan und Kohlenmo-
noxid zusammen. Aufgrund des Kohlenmonoxid-Anteils sind letztgenannte Gase gegenüber Erdgas
giftig. Zudem sind die Brennwerte deutlich niedriger als die Erdgas-Brennwerte. Vgl. Cerbe, G. (2004a)
und Gasometer Community (2006).
20
Vgl. Dahl, K. (1990), S. 12f.
21
Vgl. Funk, C./Millgramm, C./Schulz, W. (1995), S. 9-20.
22
Vgl. Leipziger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft mbH (1999), S. 18.
23
Vgl. Wagner, U./Igelspacher, R. (2005), S. 18.

2.
G
RUNDLAGEN DER
E
RDGASVERSORGUNG
5
sich in Deutschland der Erdgasverbrauch im Jahr 2020 mit einem Anteil am Primär-
energieverbrauch von 32 % an den Mineralölverbrauch (34 %) annähern wird.
24
Grün-
de dafür sind sowohl in den Bemühungen, eine vielseitig orientierte und daher langfris-
tig sichere Energieversorgung zu realisieren, als auch in Umweltaspekten zu sehen.
Da beim Einsatz von Erdgas deutlich weniger Kohlendioxid freigesetzt wird als bei der
Verwendung von Kohle und Erdöl, die Schwefeldioxidemission gering ist und praktisch
kein Ruß und Staub entsteht, ist Erdgas als umweltfreundlicher Energieträger anzuse-
hen.
25
Ein Verzicht auf die langfristige Nutzung von Kernenergie und die staatlich
geförderte Kraft-Wärme-Kopplung begünstigen den Einsatz von Erdgas zur Elektrizi-
tätserzeugung. Zudem fördern moderne Gasheizungen mit niedrigem Verbrauch die
Gasnutzung in privaten Haushalten.
26
Abb. 2: Entwicklung des Primärenergieverbrauchs in Deutschland
27
(in Mio. Tonnen Steinkohleeinheiten (SKE))
192,9
202,2
206,7
174,5 178,7 194,1 187,6 174,8
56,0
73,9
70,4
78,2
95,5
101,9
110,4
107,2
74,8
85,2
85,7
78,7
70,3
69,0
62,8
108,8
108,5
115,7
125,8
109,2
59,2
52,9
54,4
51,6
56,9
57,4
63,2
60,7
18,8
22,7
0
100
200
300
400
500
1970
1975
1980
1985
1990
1995
2000
2005
Sonstiges
Kernenergie
Braunkohle
Steinkohle
Erdgas
Mineralöl
460,1
508,1
514,7
508,9
486,9
491,4
485,8
Gesamt
440,8
Gesamt
Sonstige
Kernenergie
Braunkohle
Steinkohle
Erdgas
Mineralöl
192,9
202,2
206,7
174,5 178,7 194,1 187,6 174,8
56,0
73,9
70,4
78,2
95,5
101,9
110,4
107,2
74,8
85,2
85,7
78,7
70,3
69,0
62,8
108,8
108,5
115,7
125,8
109,2
59,2
52,9
54,4
51,6
56,9
57,4
63,2
60,7
18,8
22,7
0
100
200
300
400
500
1970
1975
1980
1985
1990
1995
2000
2005
Sonstiges
Kernenergie
Braunkohle
Steinkohle
Erdgas
Mineralöl
460,1
508,1
514,7
508,9
486,9
491,4
485,8
Gesamt
440,8
Gesamt
Sonstige
Kernenergie
Braunkohle
Steinkohle
Erdgas
Mineralöl
24
Vgl. ExxonMobil (2003), S. 1.
25
Vgl. Ueberhorst, S. (1999), S. 6f.
26
Vgl. ExxonMobil (2003), S. 2.
27
Vgl. Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen (1998) und Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen (2005).
· Daten vor 1990 stellen den gesamten Verbrauch in der BRD und der DDR dar.
· Sonstige umfasst: Wasserkraft, Windkraft, Außenhandelssaldo Strom, Photovoltaikanlagen, Brenn-
holz, Brenntorf, Klärschlamm, Müll u. sonstige Gase.
· Daten für 1970 und 1975 sind nach dem Substitutionsansatz berechnet. Daten ab 1980 sind nach
dem Wirkungsgradansatz berechnet.
· Daten für 2005 stellen vorläufige Werte dar.
· 1 kg SKE entspricht 8,141 kWh bzw. 0,923 m
3
Erdgas (bei Verwendung eines (unteren) Heizwertes
von 8,816 kWh/m
3
(siehe dazu Abschnitt 2.2.4)).

2.
G
RUNDLAGEN DER
E
RDGASVERSORGUNG
6
2.2 Erdgasvorkommen und -gewinnung
2.2.1 Erdgasvorräte
Erdgas, welches im englischen als ,Natural Gas' bezeichnet wird,
28
bezieht sich auf alle
gasförmigen mehr oder weniger stark verunreinigten Kohlenwasserstoffverbindungen,
welche aus dem Erdinneren stammen und brennbar sind. Der Hauptbestandteil des
Erdgases ist Methan (CH
4
).
29
Erdgas wurde u.a. bei der Erdölentstehung als Neben-
produkt gebildet und kommt somit in den Erdölgürteln der Erde vor. Diese Erdgasla-
gerstätten sind bereits in hohem Maße exploriert. Zudem konnte Erdgas unter günsti-
gen geologischen Voraussetzungen bei der Bildung von Steinkohle und Anthrazit
entstehen. Weil das Methanmolekül relativ klein ist, konnte es aus dem Muttergestein
migrieren und sammelte sich in den heutigen Erdgaslagerstätten an, wobei ein gas-
dichtes Deckgebirge eine weitere Migration verhindern musste. Lagerstätten dieses
Typs sind auf allen Kontinenten anzufinden. Sie sind über die Erde gleichmäßiger
verteilt als die Erdölvorkommnisse und große Regionen der Erde sind diesbezüglich
noch unterexploriert.
30
Die weltweiten Erdgasreserven, d.h. die gegenwärtig technisch und wirtschaftlich
sinnvoll gewinnbaren Mengen, wurden im Jahr 2004 mit 191 Gt SKE
31
bzw. 176 T.m³
32
angegeben und die Erdgasressourcen wurden auf 224 Gt SKE bzw. 207 T.m³ ge-
schätzt. Erdgasressourcen beziehen sich auf bekannte Vorräte, die nicht zu derzeit
wirtschaftlich sinnvollen oder technischen Bedingungen gewonnen werden können
sowie auf nicht nachgewiesene, aber möglich gewinnbare Mengen. Die weltweite
Erdgasförderung betrug im Jahr 2004 2.781,2 G.m³
33
und die gesamte kumulierte
Förderung betrug 77.987,6 G.m³.
34
Bei Annahme einer konstanten Förderung würden
die jetzigen Reserven in ca. 63 Jahren aufgebraucht sein. Bei zusätzlicher Betrachtung
einer vollständig möglichen Verwertung der Ressourcen ergibt sich eine maximale
Reichweite von rund 138 Jahren.
In Deutschland kommen Erdgasreserven in Höhe von 270 G.m
3
und Ressourcen im
Umfang von 200 G.m
3
vor.
35
Der größte Teil der deutschen Erdgaslagerstätten ist im
sogenannten Norddeutschen Becken zwischen Weser und Ems vorzufinden.
36
Da
Deutschland bis Ende 2004 bereits 892,5 G.m
3
kumulativ selbst gefördert hat
37
und die
verbleibenden Reserven deutlich geringer ausfallen, ist es größtenteils auf Importe
angewiesen. Abbildung 3 zeigt die jeweiligen Anteile der deutschen Erdgasbezugs-
quellen im Jahr 2005. Nur 15 % des Erdgasbezuges wurden in Deutschland selbst
gefördert.
28
Im deutschen Sprachraum wird zum ,Naturgas' neben Erdgas auch Erdölgas, Grubengas und Klärgas
gezählt. Vgl. Schiffer, H.-W. (2005), S. 147.
29
Vgl. Ueberhorst, S. (1999), S. 20.
30
Vgl. Kosinowski, M. (2002), S. 79.
31
1 Gt SKE = 10
12
kg SKE.
32
1 T.m³ = 10
12
m³.
33
1 G.m³ = 10
9
m³.
34
Vgl. Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (2004), S. 6-53.
35
Vgl. Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (2004), S. 51.
36
Vgl. Ueberhorst, S. (1999), S. 49.
37
Vgl. Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (2004), S. 51.

2.
G
RUNDLAGEN DER
E
RDGASVERSORGUNG
7
Abb. 3: Erdgasbezugsquellen Deutschlands 2005
38
20 %
Niederlande
15 %
Inländische Förderung
6 %
Großbritannien, Dänemark
und andere
20 %
Niederlande
15 %
Inländische Förderung
6 %
Großbritannien, Dänemark
und andere
25 %
Norwegen
34 %
Russland
25 %
Norwegen
34 %
Russland
2.2.2 Exploration
Nachdem bereits Erdgas als Nebenprodukt der Erdölförderung teilweise genutzt wor-
den war, begann in den 1950er Jahren die gezielte Suche nach Erdgas, welche der
Erdölexploration ähnelt. Mit dem Fortschritt der Transporttechnik wurden von den
Verbrauchszentren auch weiter entfernte Gebiete wie z.B. Sibirien erkundet.
39
Die
erste Stufe der Exploration stellt die Auswertung von Daten und Dokumenten aus der
Kartographie, Geologie und Geophysik dar. Somit wird zunächst das Untersuchungs-
gebiet bestimmt. Zur weiteren Analyse des geologischen Untergrundbaues werden
geophysikalische Methoden eingesetzt, wobei die Seismik hier das am häufigsten
angewandte Verfahren darstellt. Sie beruht auf künstlich geschaffenen Erschütte-
rungswellen, verursacht z.B. durch Sprengladungen, und auf der Erfassung der von
den unterschiedlichen Gesteinschichten reflektierten Wellen. Bei einem erfolgsverspre-
chenden Areal müssen kostenintensive Erkundungsbohrungen klären, ob tatsächlich
eine wirtschaftlich nutzbare Erdgaslagerstätte vorliegt.
40
2.2.3 Förderung
Ein förderungswürdiges Gasfeld muss zunächst erschlossen werden. Die sogenannte
Feldentwicklung umfasst u.a. die Errichtungen von Bohrschächten, von Förderanlagen
an der Erdoberfläche und von Aufbereitungsanlagen. Bei der anschließenden Aufbau-
phase, bei der Bohrsonden immer tiefer in die Lagerstätte niedergebracht und die
technischen Anlagen weiter ausgebaut werden, nehmen die Fördermengen bis zum
Beginn der sogenannten Plateauphase zu. In dieser Phase werden nahezu konstante
Fördermengen erreicht. Wenn der Fließdruck der Lagerstätte nachlässt, beginnt die
Abschwungphase. Die Plateauphase kann durch Einpressen von Wasser zur Druck-
38
Vgl. Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft (2006).
39
Vgl. Kosinowski, M. (2002), S. 79.
40
Vgl. Perner, J (2002), S. 7f.

2.
G
RUNDLAGEN DER
E
RDGASVERSORGUNG
8
stabilisierung oder durch weitere Bohrungen hinausgezögert werden. Die Förderung
wird meist eingestellt, wenn die Grenzerlöse der ausgebrachten Mengen die Grenzkos-
ten der Ausförderung und die Betriebskosten der Förderanlage unterschreiten. Neben
rein vertikalen Bohrungen werden seit den 1980er Jahren auch abgelenkte Bohrungen,
d.h. zunächst vertikale und dann in horizontale Richtung abgelenkte Bohrungen durch-
geführt, was schwerzugängliche Lagerstätten nutzbar macht und somit zur Produktivi-
tätserhöhung beiträgt. Diese Technik ist sowohl bei der Erdgasförderung an Land
(onshore) als auch auf der See (offshore) einsetzbar. Bei der Offshore-Förderung
werden feststehende mit Rammpfählen ausgestattete und schwimmende im Meeres-
grund verankerte Plattformen unterschieden.
41
Dadurch, dass reine Erdgasfelder oft
tiefer gelegen sind als Erdöllagerstätten, ist der Lagerstättendruck höher und somit die
Förderungsbedingungen bei Erdgas meist günstiger.
42
Die weltweite Jahresförderung hat sich seit 1970 ungefähr verdreifacht.
43
Sowohl die
Welt-Erdgasförderung als auch der weltweite Erdgasverbrauch betrugen im Jahr 2004
ca. 2,8 T.m
3
. Etwa 28 % der Welt-Erdgasförderung wurden dabei grenzüberschreitend
gehandelt, davon rund 75 % mit Hilfe von Pipelines und etwa ein Viertel als verflüssig-
tes Erdgas (LNG).
44
Die Staaten mit den größten Fördermengen im Jahr 2004 waren
Russland mit 23 % und die USA mit 20 % der Welt-Erdgasförderung. Deutschland
spielt bei der weltweiten Erdgasförderung mit 0,7 % keine wesentliche Rolle.
45
2.2.4 Aufbereitung
Gefördertes Erdgas enthält unerwünschte Begleitstoffe. Um die technischen Anlagen
zu schützen, Transportkosten zu sparen und hohe Schadstoffemissionen zu vermei-
den, wird Erdgas bereits in der näheren Umgebung der Förderstätte aufbereitet. Zu-
nächst müssen der im Erdgas enthaltende Wasserdampf und das durch die Förderung
kondensierte Wasser durch die Gastrocknung entfernt werden. Eine Entschweflung
trennt den im Erdgas vieler Lagerstätten vorkommenden Schwefelwasserstoff. Dieser
ist sehr giftig und würde wie Wasser die Korrosion fördern. Der gewonnene Schwefel
kann, wie es in Deutschland erfolgt, in der chemischen Industrie weiterverarbeitet
werden. Da der im Erdgas enthaltene Stickstoff den Brennwert des Gases herabsetzt
und somit das energie-ineffektive Gasvolumen vergrößert, wird der Transport der
effektiven Energie verteuert. Bei weiten Transportstrecken lohnt sich daher eine Stick-
stoffentzugsanlage. Des Weiteren werden gegebenenfalls u.a. Quecksilber und Helium
entfernt. Durch die Rohgasaufbereitung wird eine gleichbleibende Qualität erzeugt,
wodurch ein sicherer und wirtschaftlicher Betrieb der Brenner gewährleistet wird. Im
Verbraucherland werden Erdgase unterschiedlicher Herkunft verschnitten, wie es in
Deutschland z.B. bei sibirischem und in Niedersachsen gefördertem Gas geschieht.
46
41
Vgl. Perner, J (2002), S. 9-13.
42
Vgl. Ueberhorst, S. (1999), S. 49.
43
Vgl. Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (2004), S. 28.
44
Vgl. Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (2004), S. 19.
45
Vgl. Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (2004), S. 51-53.
46
Vgl. Kosinowski, M. (2002), S. 83f.

2.
G
RUNDLAGEN DER
E
RDGASVERSORGUNG
9
Augrund der unterschiedlichen Bezugsstruktur der einzelnen Regionen gibt es in
Deutschland zwei Hauptkategorien von Erdgas. Zum einen das niederkalorische L-Gas
(Brennwert 10 kWh/m
3
), das vor allem in Deutschland und den Niederlanden geför-
dert wird, und zum anderen das hochkalorische H-Gas (Brennwert 12 kWh/m
3
),
welches insbesondere aus Russland und Norwegen importiert wird. Ursache der
verschiedenen Brennwerte sind u.a. die unterschiedlich enthaltenen nicht brennbaren
Bestandteile wie Kohlendioxid und Stickstoff.
47
Somit ist Gas kein völlig homogenes
Gut und nicht ohne weiteres beliebig austauschbar.
Ferner wird bei Gasen zwischen dem Brennwert (H
s
oder H
o
, auch oberer Heizwert
genannt) und dem Heizwert (H
i
oder H
u
, auch unterer Heizwert genannt) unterschie-
den.
48
Der Brennwert ist bei Erdgas etwa 10 % höher als der Heizwert.
49
Diese Diffe-
renz stellt jene Energie dar, welche bei der Kondensation des bei der Verbrennung
entstehenden Wasserdampfes hinsichtlich des Brennwerts zusätzlich frei wird. Zudem
beziehen sich die meist in der Praxis angebenden Brenn- und Heizwerte auf das
Gasvolumen bei 0 °C und auf einen Druck von 1,01325 bar (Normwerte).
50
2.3 Technischer Aufbau des Gasversorgungsnetzes in
Deutschland
Das gesamte deutsche Gasnetz umfasst ca. 380.000 km. Hochdruckleitungen, d.h.
jene Leitungen zwischen 1 bis 100 bar Überdruck und einem Durchmesser bis
1.200 mm, stellen 27 % des Gasnetzes dar. 38 % bilden Mitteldruckleitungen, welche
einen Druck zwischen 100 mbar und 1 bar und Durchmesser überwiegend zwischen
50 und 150 mm aufweisen. Die verbleibenden 35 % des gesamten deutschen Gasnet-
zes entsprechen Niederdruckleitungen bis zu 100 mbar und mit einem Durchmesser
von 80 bis 300 mm. Zum Vergleich beträgt der Gasdruck direkt vor den Verbrauchsge-
räten in Haushalten 20 mbar und die Anschlussleitungen von Ein- und Mehrfamilien-
häusern haben einen Durchmesser zwischen 30 und 65 mm.
51
Bei der Beförderung des Erdgases von der Quelle zum Verbraucher kann zwischen
Transport und Verteilung unterschieden werden. Eng verbunden mit Transport und
Verteilung ist die Erdgasspeicherung. In Abbildung 4 sind die technischen Elemente
der Erdgasversorgungskette inkl. jener der Erdgasgewinnung dargestellt.
47
Vgl. Ueberhorst, S. (1999), S. 50 und Hense, A. (2005), S. 50.
48
Vgl. Cerbe, G. (2004b). S. 49.
49
Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (2006), S. 0.2.
50
Vgl. Cerbe, G. (2004b). S. 49-51.
51
Vgl. E.ON Ruhrgas AG (2006c), S. 27.

2.
G
RUNDLAGEN DER
E
RDGASVERSORGUNG
10
Abb. 4: Technische Elemente der Erdgasversorgungskette
Exploration
Förderung
Aufbereitung
Transport
Speicherung
Verteilung
Verbrauch
2.3.1 Transport
Einen wichtigen Bereich des Erdgastransports stellt der Ferngastransport dar. Er
bezieht sich auf grenzüberschreitende Gaslieferungen sowie auf den nationalen Trans-
port über lange Strecken. Der Ferngastransport kann durch Hochdruck-Rohrleitungen
(Pipelines) über 50 bar oder mittels Verschiffung von verflüssigtem Erdgas erfolgen.
52
Da Deutschland zentral zu den wichtigsten Erdgasförderländern für Europa liegt und
somit der Transport zwischen Förder- und Verbrauchsregionen günstiger mittels
Erdgasfernleitungen realisiert wird, spielt die LNG-Verschiffung für Deutschland eine
untergeordnete Rolle. Dies ist ein Grund dafür, dass in Deutschland noch keine LNG-
Anlandeterminals errichtet worden sind.
53
Ein Terminal ist lediglich in Wilhelmshaven
geplant, welches frühestens 2010 fertiggestellt sein soll.
54
Heutzutage überbrücken
Ferngasleitungssysteme Entfernungen von mehr als 5.000 Kilometern, dabei haben die
Leitungen Durchmesser bis zu 1.400 mm und der Druck beträgt bei Überlandleitungen
bis zu 100 bar bzw. bei Offshore-Leitungen bis zu 200 bar.
55
Um kleine Transportvolu-
mina und hohe Energiedichten zu erhalten, werden möglichst hohe Gasdrücke favori-
siert.
56
Abbildung 5 zeigt die Ferngasleitungen des europäischen Erdgasverbundes.
Der europäische Erdgasverbund bezieht sich auf ein weitverzweigtes Pipelinenetz
sowie auf LNG-Anlandeterminals und verbindet die europäischen Staaten untereinan-
der sowie mit den Förderregionen auf dem europäischen Festland, in der Nordsee, in
Russland und in Nordafrika. Das deutsche Erdgasversorgungsnetz ist in dem Verbund
fest integriert. Die Internationalisierung des Erdgasbezuges und gemeinsam gestaltete
Importprojekte mindern die Risiken für die einzelnen Unternehmen und erhöhen die
Versorgungssicherheit.
57
52
Vgl. Klag, N. D. (2003), S. 97.
53
Vgl. Beckervordersandforth, C. P./Nowak, W. (2005), S. 106.
54
Vgl. Wetzel, D. (2006).
55
Vgl. Klag, N. D. (2003), S. 97.
56
Vgl. Hoffmann, G. (1994a), S. 406.
57
Vgl. Dahl, K. (1990), S. 19f.

2.
G
RUNDLAGEN DER
E
RDGASVERSORGUNG
11
Abb. 5: Europäischer Erdgasverbund
58
vorhanden
geplant oder in Bau
in Betrieb
geplant oder in Bau
Erdgasfelder in der Nordsee
Flüssigerdgas (LNG)-
Anlandeterminals
Erdgasleitungen
Cordoba
Lyon
St. Petersburg
Rom
Helsinki
Ljubljana
Oslo
Stavanger
Kårsto
Algier
Madrid
London
Copenhagen
Prag
Berlin
Bratislava
Wien
Stockholm
Athen
Paris
Essen
Emden
Lissabon
Sines
Huelva
Cartagena
Barcelona
Fos-sur-Mer
Krk
Marmara
Ereglisi
Bilbao
Montoir
Zee-
brugge
W'
haven
Tyra
Ekofisk
Troll
Oseberg
Statfjord
Heimdal
Frigg
Sleipner
Budapest
Tunis
Brüssel
Sofia
Bern
Belgrad
Dublin
Warschau
Minsk
Bukarest
El Ferrol
Valencia
La Spezia
Rovigo
Izmir
Brindisi
Isle of Grain
Gullfaks
Kollsnes
Des Weiteren sind Hochdruckleitungen zwischen 16 und 50 bar in den Bereich des
Gastransports einzuordnen. Diese Leitungen erreichen Entfernungen bis zu ca. 150 km
und stellen das Bindeglied zwischen den Ferntransportsystemen und der Verteilung an
die Verbraucher da. Großverbraucher wie einige Industrie- und Kraftwerkskunden
beziehen Erdgas direkt von dieser Gastransportstufe.
59
Abbildung 6 zeigt die deut-
schen Erdgastransportleitungen und Erdgasimportstellen.
58
Vgl. E.ON Ruhrgas AG (2004).
59
Vgl. Dahl, K. H. (1998), S. 57.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783832496494
ISBN (Paperback)
9783838696492
DOI
10.3239/9783832496494
Dateigröße
3 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig – Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik, Hochspannungstechnik und Elektrische Energieanlagen
Erscheinungsdatum
2006 (Juni)
Note
1,3
Schlagworte
gasmarkt liberalisierung gaswirtschaft blockheizkraft
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