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Bewegungsanalyse bei der Partnerwahl

©2006 Diplomarbeit 108 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Problemstellung:
Mit dieser Studie wird überprüft, ob die Beobachtung des Raumverhaltens einer Frau in heterosexuellen Interaktionen Auskunft über ihre Kontaktbereitschaft geben kann.
Überdies wird der Frage nachgegangen, ob Frauen ihr eigenes Raumverhalten dazu benutzen, um Männer bei der Interaktion zu manipulieren.
Ein drittes Ziel dieser Studie ist die Überprüfung der Testgüte der automatischen Bewegungsanalysesoftware EyesWeb. Das Raumverhalten wurde über eine manuelle Bewegungsanalyse der aufgezeichneten Interaktionen erfasst. Die Kontaktbereitschaft der Frauen wurde über eine eigene Skala erhoben.
Gang der Untersuchung:
Im ersten Kapitel wird der aktuelle Forschungsstand der Partnerwahlforschung beim Menschen betrachtet. Dabei wird dargelegt, welche Unterschiede bei den Ge-schlechtern in ihrem gegengeschlechtlichen Annäherungsverhalten auf Grundlage evolutionspsychologischer Theorien zu erwarten sind, welche wichtige Rolle das gegenseitige Täuschen dabei spielt und wie die beiden Geschlechter durch „Gegenmaßnahmen“ oder Kontrollverhalten versuchen, dem Täuschen des Gegenübers entgegenzuwirken.
Anschließend wird darauf eingegangen, welche kritischen Auswirkungen das Täuschen auf wissenschaftliche Verhaltensbeobachtungen im Rahmen der Partnerwahlforschung hat und welche Experimentaldesigns notwendig sind, um jenseits der Täuschung das wahre Interesse zweier Menschen aneinander beobachten zu können. Außerdem wird dann besonders auf ein spezifisches Kontroll-verhalten, die räumliche Nähe, eingegangen, das in dieser Studie näher untersucht werden soll. Zum Schluss werden die Hypothesen dieser Untersuchung aus der in diesem Kapitel beschriebenen theoretischen Grundlagen abgeleitet.
Das zweite Kapitel gliedert sich in drei Abschnitte: im Abschnitt 2.2.1 wird allgemein erläutert, wie die Bewegung der Körperteile der Versuchspersonen aus den Videos mit Hilfe einer manuellen Bewegungsanalyse extrahiert wird. Außerdem wird dargestellt, wie die Bewegungsdaten der analysierten Körperteile zur Abstandsberechnung verwandt werden. Anschließend wird in Abschnitt 2.2.2 explizit auf das bei der manuellen Bewegungsanalyse eingesetzte Computerprogramm eingegangen und das für die automatische Bewegungsanalyse benutzte Computerprogramm „EyesWeb“ vorgestellt. Zum Schluss werden in Abschnitt 2.2.3 die in der Diplomarbeit benutzten Fragebögen beschrieben.
In Kapitel drei wird auf die notwendigen Bedingungen für die Durchführung einer […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Ansgar Bittermann
Bewegungsanalyse bei der Partnerwahl
ISBN-10: 3-8324-9641-6
ISBN-13: 978-3-8324-9641-8
Druck Diplomica® GmbH, Hamburg, 2006
Zugl. Georg-August-Universität Göttingen, Göttingen, Deutschland, Diplomarbeit, 2006
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http://www.diplom.de, Hamburg 2006
Printed in Germany



,,Strebe nach Ruhe, aber durch das Gleichgewicht,
nicht durch den Stillstand deiner Tätigkeit."
(Friedrich Schiller)

Danksagung
Als erstes möchte ich Herrn Prof. Dr. Karl Grammer dafür danken, dass ich am Lud-
wig-Boltzmann-Institut meine Diplomarbeit schreiben durfte und über vier Monate
seine sehr innovativen Forschungsmethoden und -projekte begleiten durfte. Herr
Prof. Grammer hat mir eindrucksvoll mit seiner Arbeit gezeigt, dass man dann am
meisten Spaß und Erfolg hat, wenn man sich und seinen Ideen treu bleibt. Darüber
hinaus möchte ich mich bei Claudia und Oliwia bedanken, dass sie mich tatkräftig bei
der Rekrutierung der Versuchspersonen unterstützt haben und so den Strom an Ver-
suchspersonen nicht versiegen ließen. Weiterer Dank gilt auch Herrn Prof. Dr. Tho-
mas Rammsayer und Herrn Prof. Dr. Markus Hasselhorn, die es erst durch die Über-
nahme der Begutachtung der Diplomarbeit an der Universität Göttingen möglich ge-
macht haben, dass ich extern diese Arbeit schreiben konnte.
Besonderen Dank gilt auch meiner Schwester Bea, die mir durch Scharfsinn, fachli-
ches Verständnis und viele wertvolle Ratschläge bei der Generierung der Bewe-
gungsdaten eine große Hilfe war.
Bedanken möchte ich mich auch bei Reinhard Spiekermann für die literarische Kor-
rektur des Theorieteils, was den Lesegenuss der Diplomarbeit sicherlich erhöht hat.
Des Weiteren gilt mein Dank Katrin Aust, geb. Heller, und Clemens Tenge, die meine
Diplomarbeit akribisch korrigiert haben. Katrin hat dabei trotz eigener Hochzeitsvor-
bereitungen noch die Zeit gefunden, meine Diplomarbeit intensiv zu begutachten.
Dafür danke ich ihr sehr. Und mein alter Weggefährte und Freund Clemens hat ge-
wissenhaft über 20 Stunden lang die Arbeit nach orthographischen, grammatikali-
schen und stilistischen Ungereimtheiten abgesucht und somit mir einen sehr großen
Gefallen getan, was ich ihm nicht vergessen werde.
Aber diese Diplomarbeit hätte ich niemals geschrieben, hätten meine Eltern mich
nicht all die Jahre akademisch gefördert, finanziell unterstützt und mir so diese Aus-
bildung ermöglicht. Für diese Chance danke ich Euch sehr.
Zum Schluss möchte ich mich noch bei Diana Weiß bedanken. Du hast immer an
mich geglaubt, hast mich unterstützt und mir geholfen, wenn ich nicht weiter wusste.
Durch Dich hat alles immer funktioniert. Du bist das Beste, was mir je passiert ist.
Danke dafür, dass es Dich gibt.

Für meinen Opa Alfred Müller
(1911-1996)
,,in memoriam animo horti
sic transit gloria mundi sed memoria restat"

INHALTSVERZEICHNIS
1. Theoretischer Hintergrund ... 7
1.1. Partnerwahl ... 7
1.1.1 Die Theorie des asymmetrischen Investments... 7
1.1.2 Kontrollverhalten und Täuschungen beim Kennenlernen ... 8
1.1.3 Weibliches nonverbales Kontrollverhalten beim
gegengeschlechtlichen Werben... 10
1.1.4 Weibliche nonverbale Signale, die auf ein echtes Interesse
am Gegenüber hindeuten ... 11
1.2. Raumverhalten ... 12
1.2.1 Raumverhalten als nonverbale Kommunikationsform... 14
1.2.2 Einfluss von Soziosexualität auf das Raumverhalten... 15
1.3 Methoden der Raumverhaltensforschung ... 16
1.3.1 Verschiedene Methoden der Bild- und Bewegungsanalyse . 19
1.3.1.1 Manuelle Bewegungsanalyse ... 20
1.3.1.2 Automatische markerbasierte Bewegungsanalyse ... 20
1.3.1.3 Automatische markerfreie Bewegungsanalyse ... 22
1.4 Fragestellung und Ableitung der Hypothesen... 24
2. Methode... 27
2.1 Beschreibung der Stichprobe ... 27
2.2 Angewandte Verfahren ... 28
2.2.1 Manuelle Bewegungsanalyse ... 28
2.2.2 Computersoftware... 31
2.2.3 Fragebögen ... 33
2.3 Kontrolle von Störvariablen ... 35
2.3.1 Berechnung und Standardisierung des Drehwinkels... 37
2.4 Versuchsdurchführung ... 40
2.5 Versuchsdesign ... 42

3. Ergebnisse ... 42
3.1 Voraussetzungen für eine Regressionsanalyse... 42
3.1.1 Normalverteilungsannahme ... 42
3.1.2 Multikollinearität ... 43
3.1.3 Autokorrelation der Residuen ... 44
3.2 Ergebnisse der Untersuchung über die Moderatorvariablen des
Raumverhaltens... 44
3.2.1 Ergebnisse der Überprüfung der Hypothese 1.1 ... 44
3.2.2 Ergebnisse der Überprüfung der Hypothese 1.2 ... 45
3.3 Ergebnisse der Untersuchung über Raumverhalten als mögliches
weibliches Kontrollverhalten ... 46
3.3.1 Ergebnisse der Überprüfung der Hypothese 2.1 ... 46
3.3.2 Ergebnisse der Überprüfung der Hypothese 2.2 ... 47
3.4 Ergebnisse der Untersuchung über die Vorhersage weiblicher
Kontaktbereitschaft durch das beobachtete Raumverhalten ... 48
3.4.1 Ergebnisse der Überprüfung der Hypothese 3.1 ... 50
3.4.2 Extraktion und Interpretation von Posen für Frauen in
heterosexueller Interaktion... 52
3.4.3 Ergebnisse der Überprüfung der Hypothese 3.2 ... 62
3.4.4 Ergebnisse der Überprüfung der Hypothese 3.3 ... 64
3.5 Ergebnisse der Untersuchung zur Testgüte von EyesWeb ... 64
3.5.1 Ergebnisse der Überprüfung der Hypothese 4.1 ... 64
3.5.2 Ergebnisse der Überprüfung der Hypothese 4.2 ... 65
4. Diskussion ... 65
5. Zusammenfassung... 73
6. Literaturverzeichnis... 74
ABBILDUNGSVERZEICHNIS... 78
TABELLENVERZEICHNIS ... 79
ANHANG

7
1. Theoretischer Hintergrund
1.1. Partnerwahl
Im folgenden Kapitel wird der aktuelle Forschungsstand der Partnerwahlforschung
beim Menschen betrachtet. Dabei wird dargelegt, welche Unterschiede bei den Ge-
schlechtern in ihrem gegengeschlechtlichen Annäherungsverhalten auf Grundlage
evolutionspsychologischer Theorien zu erwarten sind, welche wichtige Rolle das ge-
genseitige Täuschen dabei spielt und wie die beiden Geschlechter durch ,,Gegen-
maßnahmen" oder Kontrollverhalten versuchen, dem Täuschen des Gegenübers
entgegenzuwirken. Anschließend wird darauf eingegangen, welche kritischen Aus-
wirkungen das Täuschen auf wissenschaftliche Verhaltensbeobachtungen im Rah-
men der Partnerwahlforschung hat und welche Experimentaldesigns notwendig sind,
um jenseits der Täuschung das wahre Interesse zweier Menschen aneinander beo-
bachten zu können. Außerdem wird dann besonders auf ein spezifisches Kontroll-
verhalten, die räumliche Nähe, eingegangen, das in dieser Studie näher untersucht
werden soll. Zum Schluss werden die Hypothesen dieser Untersuchung aus der in
diesem Kapitel beschriebenen theoretischen Grundlagen abgeleitet.
1.1.1 Die Theorie des asymmetrischen Investments
Wer macht bei einer Begegnung mit dem anderen Geschlecht ,,den ersten Schritt"?
Sind es die Männer, wie der Volksmund behauptet (Bruch, Giordano & Pearl, 1986)?
Und wer hat die Kontrolle bei einer solchen ersten Begegnung? Wer bestimmt, wie
sie verläuft und wann sie beendet wird? Evolutionsforscher haben diesbezüglich die
Theorie des asymetrischen Investments (asymmetric investment theory) entwickelt,
die dazu verwendet werden kann, Vorhersagen über geschlechtsspezifisches Verhal-
ten beim Zusammentreffen von Mann und Frau zu treffen. Die Theorie des asymetri-
schen Investments besagt, dass Frauen zwangsläufig mehr Zeit und Energie in ihren
Nachwuchs investieren müssen und somit mehr zu verlieren hätten, wenn sie eine
schlechte Partnerwahl treffen sollten. Das bedeutet, dass Frauen viel stärker als
Männer dazu neigen, Kontrolle über eine heterosexuelle Begegnung auszuüben und
somit mehr Kontrollverhalten zeigen. Dieses Kontrollverhalten äußert sich dabei in

8
einer aktiven Steuerung und Strukturierung des Gesprächs. Überdies wird postuliert,
dass Frauen öfter die Männer in ihrem Verhalten manipulieren als umgekehrt. Des-
halb könnte man auf Basis dieser Theorie Unterschiede zwischen männlichem und
weiblichem Kontrollverhalten (z.B. Grad der Manipulation des anderen oder Art der
Selbstdarstellung) bei Begegnungen mit unbekannten Personen des anderen Ge-
schlechts erwarten (Trivers,1972 in Grammer, Kruck, Jütte & Fink, 2000). Im folgen-
den Abschnitt wird nun besonders auf das Täuschen und Tarnen beim gegenge-
schlechtlichen Werben und das daraus resultierende weibliche Kontrollverhalten bei
der Partnerwahl eingegangen.
1.1.2 Kontrollverhalten und Täuschungen beim Kennenlernen
Grammer (2000) geht davon aus, dass das Täuschen in gegengeschlechtlichen In-
teraktionen eine große Rolle spielt. Nach Buss und Schmitt (1993) benutzen Männer
mehr Täuschungen, wenn es um kurzzeitige sexuelle Beziehungen geht. Als Täu-
schungsobjekte werden meist Statussymbole wie teure Autos oder teure Kleidung
herangezogen, die auf einen höheren als den tatsächlichen sozioökonomischen Sta-
tus hindeuten sollen. Folgt man Landolt, Lalumiére und Quinsey (1995), dann suchen
Männer kontinuierlich nach Möglichkeiten ihr Investment zu reduzieren und Frauen
zu erobern. Dabei zeigt sich das Interesse an rein sexuellen, ,,low-investment" Kurz-
zeitbeziehungen laut Townsend, Kline und Wassermann (1995) häufiger bei Män-
nern als bei Frauen. Ausgehend von der Theorie des asymetrischen Investments
müssen Frauen demnach versuchen, männliche Täuschung und Betrug zu durch-
schauen, da eine schlechte Partnerwahl größere Probleme für sie bedeutet als für
die Männer. Indem sie die wahren Intentionen und den wahren Status des Mannes
herausfinden, könnten Frauen vermeiden, seinen Täuschungs- und Betrugsmanö-
vern zu erliegen. Um dies herauszufinden müssten die Frauen von Beginn an versu-
chen das Gespräch so zu kontrollieren, dass die Männer den Versuch der Frauen,
die wahren Intentionen des Mannes und seinen wahren sozioökonomischen Status
zu erfahren nicht bewusst bemerken. Darüber hinaus müssten die Frauen versuchen
dabei ihre eigenen wahren Intentionen nicht zu offensichtlich preiszugeben. Deswe-
gen sollten Frauen über Möglichkeiten verfügen Männern Informationen über ihre
wahren Beweggründe zu entlocken, ohne dass diese allzuviel davon merken. Wür-

9
den diese etwas bemerken, besteht die Gefahr, dass die Männer versuchen ihr Täu-
schungsmanöver weiter auszubauen (Grammer et al., 2000).
Sabini und Silver (1982) postulieren, dass die Essenz der initialen gegengeschlecht-
lichen Begegnung die Schaffung von Ambiguität ist. Auf der einen Seite möchte man
Interesse an der anderen Person zeigen um Annäherungswilligkeit zu demonstrieren,
auf der anderen Seite darf man jedoch nicht zu offensichtlich agieren um einer Täu-
schung entgegenzutreten. Für Frauen kann ein zu deutlich signalisiertes Interesse
auch gefährlich werden: der sich nähernde Mann könnte möglicherweise auf einer
sexuellen Interaktion bestehen und die Frau zu einem sexuellen Akt zwingen. Gram-
mer, Fieder und Filova (1997) sehen im simultanen Verstecken und Offenbaren ei-
nes möglichen Interesses ein ,,Kommunikationsparadoxon", in dessen Rahmen Inten-
tionen kommuniziert werden sollen, ohne diese zu enthüllen. Dabei agieren sowohl
der Mann als auch die Frau mit Verhaltensweisen, die man ohne weiteres als Täu-
schungsmanöver bezeichnen kann. Dazu gehören laut Miller (1997) Täuschungsstra-
tegien wie erstens das Verstecken eigener Interessen, das als ,,Poker-Face-
Strategie" bezeichnet wird, oder zweitens das taktische Täuschen und die Desinfor-
mation, was als ,,KGB-Strategie" tituliert wird, oder drittens die ,,Proteanstrategie". Mit
der Proteanstrategie soll der Gegenüber durch das Zeigen unvorhersagbarer Verhal-
tensweisen von der eigenen Unberechenbarkeit überzeugt werden. Denn wer unbe-
rechenbar ist, dessen Verhalten kann auch nicht vorhergesagt werden, was ihn vor
etwaiger Täuschung schützen kann.
Hieraus kann der Schluss gezogen werden, dass beim Kennen lernen zweier Perso-
nen nicht nur eindeutig beobachtbare Verhaltensweisen zu erwarten sind, die auf ein
direktes Interesse am anderen schließen lassen, sondern auch eine Bandbreite ganz
anderer Verhaltensweisen, die vielleicht auf ein neutrales Verhalten wie bei der Po-
ker-Face-Strategie oder sogar auf das genaue Gegenteil wie bei der KGB-Strategie
hinweisen sollten.
All die Täuschungen und Gegentäuschungen bei der Partnersuche führen konse-
quenterweise dazu, dass sich Schwierigkeiten bei der wissenschaftlichen Betrach-
tung dieses Themenkomplexes ergeben. So kann man beispielsweise wegen mögli-
cherweise angewandter ,,Poker-Face"- oder ,,KGB-Strategien" davon ausgehen, dass
das beobachtbare Verhalten wahrscheinlich nicht direkt auf die darunterliegende In-
tention schließen lässt. Darüber hinaus hat Miller (1997) darlegen können, dass die
angewandten Strategien sehr heterogen und flexibel kombinierbar sind, so dass man

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nicht von der ,,weiblichen" oder der ,,männlichen" Strategie reden kann. Ziel dieser
Diplomarbeit soll demnach auch sein, mögliche Parameter zu identifizieren, die ein-
deutig auf die Intentionen des Handelnden schließen lassen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass besonders Frauen im Allgemeinen versu-
chen, heterosexuelle Begegnungen zu kontrollieren. Dabei ist es besonders für die
Frau im Allgemeinen wichtig, ihre wahre Intention soweit zu zeigen, dass der Mann
die Hoffnung nicht aufgibt, aber sie dennoch soweit zu verbergen, dass der Mann die
Frau nicht ausnutzt. Gleichzeitig versucht die Frau dem Mann seine wahre Intention
zu entlocken. Im Folgenden wird nun auf Forschungsergebnisse über spezielle weib-
liche Verhaltensweisen eingegangen, die der Kontrolle der gegengeschlechtlichen
Kommunikation dienen sollen.
1.1.3 Weibliches nonverbales Kontrollverhalten beim gegengeschlechtlichen
Werben
In den vergangenen Jahren wurde eine Reihe von Verhaltensweisen empirisch un-
tersucht und validiert, die beim gegengeschlechtlichen Werben der Kontrolle der In-
teraktion dienen sollen (Grammer, 1990; Moore 1985, 1995; Moore & Butler, 1989).
Obwohl die letztgenannten Forschungsarbeiten jeweils sehr unterschiedliche, expe-
rimentelle Settings wie Single Bars, das Labor oder eine Therapeut-Klient-Interaktion
betrachteten, konnten sie Ähnlichkeiten im Verhaltensrepertoire weiblicher Proban-
dinnen in der Gegenwart von männlichen Fremden entdecken und somit Verhal-
tensweisen (Flirtsignale) extrahieren, die speziell bei der Partnersuche zum Einsatz
kommen. Moore (1985) fand in Single-Bars heraus, dass eine Frau die Menge männ-
licher Annäherungen durch nonverbales Verhalten beeinflussen kann, was es ihr er-
möglicht aus einer größeren Anzahl von Männern den für sie adäquaten Partner
auszuwählen.
Diese Gesten, die es den Frauen ermöglichen, die Annäherung von Männern zu kon-
trollieren, nannte Moore ,,come-on-effects". Diese Aufforderungssignale sollen den
Männern weibliches Interesse vorspielen und diesen somit mitteilen, dass es unge-
fährlich oder sogar lohnenswert sei sich der Frau zu nähern. Mit dem wirklichen
weiblichen Interesse am Mann waren diese Aufforderungssignale jedoch nicht korre-
liert. Die Idee hinter solchen Aufforderungssignalen ist das gezielte Anwerben und
Austesten möglicher Aspiranten. Hierbei konnte Moore (1985) einen Verhaltenskata-

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log aufstellen, dessen Indexwert (Summe aller Einzelverhaltensweisen) positiv mit
männlichem Annäherungsverhalten korreliert war. Beispiele hierfür sind das Nacken-
präsentieren, das Lächeln oder das Haarezurückwerfen.
Laut Grammer, Kruck, Jütte und Fink (2000) könnte die weibliche nonverbale Kon-
trolle auch durch Signale erfolgen, die man nicht eindeutig als Sexual- oder Flirtsig-
nal deuten würde. Im Sinne dieser Annahme fanden Grammer et al. (2000) heraus,
dass z.B. weibliches Nicken signifikant männliches verbales Verhalten manipulieren
kann. Je stärker die Frau während einer Interaktion nickte, desto mehr erzählte der
Mann von sich. Grammer et al. (2000) gehen davon aus, dass es noch mehr dieser
mehrdeutigen Signale geben könnte. In dieser Diplomarbeit soll diesbezüglich ein
weiteres mögliches Kontrollsignal untersucht werden ­ die räumliche Nähe.
Wie Moore (1985) darlegen konnte, sind viele Kontrollsignale Aufforderungssignale,
die dem Mann ein mögliches Interesse suggerieren, um ihn zu Annäherung und Of-
fenbarung seinerseits zu bewegen. Dieses suggerierte weibliche Interesse muss je-
doch nicht den wirklichen Interessen der Frau entsprechen (vgl. KGB - Strategie).
Der Frage, ob es auch nonverbale Signale gibt, die eindeutig echtes weibliches Inte-
resse abbilden, sind Moore (1985) und Grammer et al. (2000) nachgegangen. Ihre
Ergebnisse werden im folgenden Abschnitt näher beschrieben.
1.1.4 Weibliche nonverbale Signale, die auf ein echtes Interesse am
Gegenüber hindeuten
Moore (1985) konnte kein einzelnes Verhalten extrahieren, das allein das Interesse
der Frau an einem bestimmten Mann vorhersagen konnte. Auch Grammer, Honda,
Jütte und Schmitt (1999) und Grammer et al. (2000) stellten sowohl bei japanischen
als auch bei deutschen Frauen fest, dass in den ersten zwei beziehungsweise vier
Minuten einer Interaktion mit einem fremden Mann keine einzelnen Verhaltensweisen
wie Nicken oder Lächeln als Prädiktoren für ein ernstes Interesse am Gegenüber
benutzt werden konnten. Das heißt, dass die traditionellen Verhaltensanalysen in
den ersten Minuten keine Prädiktoren für das weibliche Interesse am Mann finden
konnten. Nur mit einer neuen Technik - der automatischen digitalen Bewegungsana-
lyse (Automatic Motion Analysis) - konnten Grammer et al. (1999) qualitative Verän-
derungen der weiblichen Körperbewegungen wie Geschwindigkeit, Ausmaß und An-
zahl der Bewegungen erkennen, die auch mit einem Interesse der Frau am Mann

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korrelieren. Erst ab der vierten bis zur zehnten Minute einer Interaktion kann man
dann mit der traditionellen Verhaltensanalyse das Interesse einer Frau an einem
Mann vorhersagen. Zu diesen Verhaltensweisen gehörte zum Beispiel das schüch-
terne Lächeln (Grammer et al.1999).
Wie bereits erwähnt, soll in dieser Arbeit der Frage nachgegangen werden, ob räum-
liche Nähe von Frauen gezielt als ,,come-on-effect" eingesetzt wird, und ob der Ein-
satz von Nähe möglicherweise darüber hinaus auch wahres Interesse abbilden kann.
Bevor man der Frage nachgehen kann, ob räumliche Nähe die Kriterien eines Kon-
trollverhaltens erfüllen könnte, wird im folgenden Abschnitt nun zuerst räumliche Nä-
he definiert und hierbei speziell auf die Theorie von Hall (1966) eingegangen.
1.2. Raumverhalten
Die Mehrzahl der Studien, die sich damit befassen, wie Menschen räumliche Nähe in
zwischenmenschlichen Interaktionen einsetzen, berufen sich auf Halls Theorie aus
dem Jahre 1966 über ,,proxemics" (Raumverhalten). Hall definierte das, was er unter
Raumverhalten verstand, im Laufe der Jahre immer wieder neu. Seine letzte Definiti-
on von 1974 besagt, dass Raumverhalten dasjenige Verhalten sei, das der Mensch
zeigt, während er den Raum um sich herum wahrnimmt und ihn für die Durchführung
seines Handelns benutzt. Wichtig dabei sei, dass der Mensch den Raum [zum Aus-
druck seiner Einstellungen, zum Erreichen seiner Ziele etc.] benutzt.
Was bedeutet aber nun Nutzung des Raumes? Unter Nutzung des Raumes versteht
Hall (1966), dass die Person sich erstens als Ganzes im Raum bewegt, zum Beispiel
auf jemanden zugeht oder sich von jemandem wegbewegt, und zweitens, dass die
Person durch Gesten und Posen versucht, den Raum um sich herum einzunehmen.
Dieser durch ausladende Gesten eingenommene Raum mag als ,,beschützende
Sphäre" gesehen werden, die ein Individuum zwischen sich und anderen aufrechter-
hält.
Hall hat die Interaktion zweier Menschen anhand der Distanz zwischen ihnen, in vier
Kategorien oder Distanzzonen eingeteilt, die im Folgenden näher erläutert werden.
Die Distanzzone, bei der die Menschen am weitesten auseinander stehen, nennt Hall
die öffentliche Zone (4 m ­ 9 m) und bezeichnet sie als Zone der Selbstverteidigung,
bei der ein alarmiertes Subjekt ausweichende oder defensive Aktionen ausführen
kann, wenn es sich bedroht fühlt: überdies würden Menschen in dieser Zone nicht

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mehr als Personen gesehen, die die ganze Bühne ausfüllen, sondern eher als in ein
Setting eingebettet. Die nächst nähere Zone ist für Hall die soziale Zone (1.2 m bis 4
m). Bei Interaktionen zwischen zwei Individuen, die ca. 1.2 m bis 4 m auseinander
stehen, ist die Gesprächslautstärke normal und es gibt wenig Bewegung während
des Gesprächs. Interaktionen, bei denen Menschen so weit auseinander stehen, fin-
den sich meist am Arbeitsplatz und in eher formalen sozialen Situationen. Die Gren-
ze der sozialen Zone zur nächst näheren Zone, der persönlichen Zone (0.4 m bis 1.2
m) liegt an der Grenze der Dominierbarkeit. Kleinste Details der Mimik können bei
der sozialen Zone im Gegensatz zur persönlichen Zone nicht wahrgenommen wer-
den und keiner berührt den anderen oder erwartet vom anderen berührt zu werden.
Die persönliche Zone hingegen beruht am meisten auf physischer Dominanz im Sin-
ne von Festhalten oder Berühren mit dem Arm. Altman und Vinsel (1977) interpretie-
ren diese Zone zusätzlich als Zone des Übergangs. Thermale Reize wie die Körper-
wärme des anderen oder feine Körpergerüche können nicht so einfach wahrgenom-
men werden wie z.B. bei einer Umarmung, jedoch gibt es eine Menge anderer kom-
munikativer nonverbaler Reize. Es ist eine Zone, die Menschen in der Öffentlichkeit
häufig verwendeten, und sie scheint eine normale Kontaktdistanz zu sein, die es
Menschen ermöglicht, entweder in offizieller Nähe zu bleiben oder zu mehr oder we-
niger persönlicher Kommunikation überzugehen. Diese Zone erlaubt eine Reihe von
Kontakten zwischen Menschen, von relativ intim bis eher formal (Altman & Vin-
sel,1977). Die Interaktion zweier Menschen, die sich bei einer Distanz zwischen 0 cm
und 40 cm abspielt, nennt Hall intime Zone, bei der der große sensorische Input
überwältigend ist und man dort unmissverständlich in Interaktion mit einem anderen
Körper ist.
Bei Betrachtung der vier Distanzzonen erkennt man, dass sich sehr wahrscheinlich in
der persönlichen Zone erste gegengeschlechtliche Interaktionen abspielen. Als nor-
male Kontaktdistanz erlaubt sie den Gesprächspartnern einerseits, den anderen
kennenzulernen, ohne gleich Signale des persönlichen Interesses auszusenden.
Aber die eingenommene Distanz bedeutet andererseits nicht zwingend - wie bei der
öffentlichen Zone von Beginn an bereits - Ablehnung einer privaten Beziehung, da
diese persönliche Zone Kontakte von intim bis formal zwischen Menschen ermög-
licht. Wie in Abschnitt 1.1.4 beschrieben, könnte laut Grammer et al. (2000) die weib-
liche nonverbale Kontrolle durch Signale erfolgen, die man nicht eindeutig als Sexu-
al- oder Flirtsignal deuten würde. Die Veränderung der räumlichen Nähe in der per-

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sönlichen Zone könnte man deswegen genau als ein solches mehrdeutiges Signal
betrachten.
Im nächsten Abschnitt wird deswegen die Rolle des Raumverhalten als Mittel der
Kommunikation noch mal näher betrachtet und es wird darauf eingegangen, was
Menschen mit räumlicher Nähe ausdrücken können.
1.2.1 Raumverhalten als nonverbale Kommunikationsform
Argyle und Dean (1965) versuchten, das Raumverhalten in einen ganzheitlichen
Kontext zwischenmenschlicher Interaktion einzubetten, und postulierten in ihrer The-
orie der Annäherung, dass es bei zwischenmenschlichen Interaktionen einen Konflikt
zwischen dem Wunsch nach Nähe, Liebe, Sicherheit, Geborgenheit etc. und der
Angst vor Dominanz, Zurückweisung oder Verletzung gibt. Ersteres zeigt sich bei
Gesprächen durch Distanzverkleinerung, letzteres durch Distanzvergrößerung. Argy-
le und Dean (1965) nahmen an, dass interagierende Individuen die räumliche Dis-
tanz so lange variieren, bis sich ein Gleichgewicht zwischen den appetetiven und den
aversiven Stimuli eingestellt und das Individuum eine komfortable Distanz gefunden
hat. Diese Theorie wurde auch empirisch mehrfach untermauert (z.B. Patterson,
1973).
Wenn man Argyle und Dean (1965) folgt, verwenden Menschen ihr Raumverhalten,
um persönliche Bedürfnisse, wie den Wunsch nach Nähe oder Liebe, und eigene
Emotionen wie Angst oder Freude auszudrücken. Daraus kann man schlussfolgern,
dass man durch das Beobachten des Raumverhaltens erstens Einblicke in den Ge-
mütszustand der Person und zweitens Einblicke in die Einstellungsstruktur der Per-
son dem Gesprächspartner gegenüber erhalten könnte. Da jedoch sowohl eine posi-
tive Einstellung einer Person zum Gegenüber als auch ein momentaner positiver Af-
fekt einer Person laut Argyle und Dean (1965) zu einer Distanzverkleinerung zum
Gegenüber führen sollte, müssen der Affekt und die Einstellung einer Person zum
Gegenüber separat voneinander erhoben werden.
Neben dem Einfluss des Affekts einer Person und dem Einfluss der dem Gesprächs-
partner gegenüber empfundenen Sympathie auf das Raumverhalten spielt bei der
Betrachtung des Raumverhaltens im Rahmen der Partnerwahl auch die generelle
Einstellung einer Person zu zwischenmenschlichen Beziehungen eine entscheidende
Rolle. Mit der Frage, welche interpersonellen Unterschiede es innerhalb der Ge-

15
schlechter bei der Partnerwahl gibt, und welchen Einfluss dies auf das gezeigte
Raumverhalten hat, befasst sich der nun folgende Abschnitt.
1.2.2 Einfluss von Soziosexualität auf das Raumverhalten
Buss und Schmitt (1993) gliederten Partnerwahl in Strategien hinsichtlich ihrer Kurz-
bzw. Langfristigkeit (mating strategies). Die kurzfristige Strategie verfolgt eine Re-
produktion der eigenen Gene durch Geschlechtsverkehr mit vielen wechselnden
Partnern ohne zeitliche und emotionale Investition in die Partnerschaft, im Falle von
Männern auch ohne Investition in die eigenen Kinder. Die langfristige Strategie setzt
auf Reproduktion der eigenen Gene durch Geschlechtsverkehr mit einem einzigen
Partner und maximale Nutzung der Ressourcen des Partners für die eigenen Kinder
durch Sicherung einer engen emotionalen Bindung an den Partner. Es handelt sich
hierbei um idealtypische Pole einer Dimension sexueller Strategien.
Während Buss und Schmitt (1993) kurz- und langfristige Strategien als Alternativen
verstehen, gibt es gute Evidenz bei Tieren und Menschen, dass sie auch kombinier-
bar sind. So gibt es in den heutigen monogamen westlichen Kulturen eine starke
Tendenz zu sexuellen Seitensprüngen bei fester Partnerschaft: Schätzungen variie-
ren zwischen 25% und 75% sexueller Untreue in festen heterosexuellen Beziehun-
gen für Männer und Frauen (Buss & Schmitt, 1993). Die Strategien variieren deutlich
mit dem Geschlecht: das aufgrund von Schwangerschaft und Stillen stärker investie-
rende weibliche Geschlecht verfolgt insgesamt längerfristige Strategien als das
männliche, weil es von kurzfristigen Strategien aufgrund der stark begrenzten poten-
zielle Zahl eigener Kinder nicht so viel profitieren kann. Das gilt für alle Kulturen, Al-
tersgruppen und unabhängig davon, ob eine feste Partnerschaft besteht oder nicht
(Buss & Schmitt, 1993). Darüber hinaus gibt es aber auch erhebliche individuelle Dif-
ferenzen innerhalb der beiden Geschlechter in der Langfristigkeit der sexuellen Stra-
tegie selbst dann, wenn Kultur, Alter und Partnerschaftsstatus konstant sind. Diese
Unterschiede sind intrasexuell größer als intersexuell und zeitlich zumindest kurzfris-
tig stabil (Simpson & Gangestad, 1991). Snyder, Simpson und Gangestad (1986)
legten dar, dass bestimmte empirische Indikatoren berichteter kurz- bzw. langfristiger
sexueller Strategien stark kovariieren (Zahl tatsächlicher, erwarteter und erwünschter
Geschlechtspartner, Zahl tatsächlicher und phantasierter Seitensprünge, Bereitschaft
zu Sex ohne emotionale Bindung), und schlugen als Bezeichnung der zugrunde lie-

16
genden Dimension Soziosexualität vor ("sociosexuality", auch "sociosexual orientati-
on" genannt).
In einer anonymen Testbedingung korrelierten Antworten zu soziosexuellen Einstel-
lungen negativ mit der Tendenz zu Fremdtäuschung (Meston, Heiman, Trapnell &
Paulhus, 1998). Auf der Grundlage dieses Ergebnisses wird nun erwartet, dass der
Einsatz räumlicher Nähe als weibliches Kontrollverhalten umso schwächer ist (d.h.
größere Distanz zum Mann), je stärker die weibliche Soziosexualität ausgeprägt ist,
da Kontrollverhalten einer Fremdtäuschung entspricht, und weil Einstellungen vermit-
telt werden, die offenkundig nicht existent sind.
In den nächsten Abschnitten wird nun ein Überblick über die bisher verwandten Me-
thoden in der Raumverhaltensforschung gegeben. Raumverhaltensstudien der letz-
ten dreißig Jahre benutzten sehr verschiedene Techniken zur Erfassung der Raum-
bewegung der einzelnen Personen. Die folgenden Abschnitte sollen kurz in die
Messtechniken bisheriger Raumverhaltensforschung einführen, um damit aufzuzei-
gen, welche Schwierigkeiten es mit der Validität der bisher gemachten Erkenntnisse
im Bereich der Raumverhaltensforschung geben kann und welchen möglichen Fort-
schritt man durch neue Techniken respektive einer Validitätserhöhung erreichen
könnte.
1.3 Methoden der Raumverhaltensforschung
Ickinger (2001) betont, dass die Betrachtung von Messtechniken bei allen Über-
blicksartikeln über Raumverhalten eine große Rolle spielt. Denn es sei aus Gründen
der Validität wichtig zu wissen, wie Daten erhoben werden, um nachvollziehen zu
können, ob das, was man erhebt, auch das ist, was man erheben möchte. Die Be-
trachtung der bisherigen Forschungsmethoden der Raumforschung erfolgt auf
Grundlage des Überblicksartikels von Aiello (1987), der versuchte die gebräuchlichen
Techniken der Raumforschung anhand 700 durchgeführter Studien in drei Katego-
rien einzuteilen:
1. Projektive oder Simulationsstudien,
2. Quasi-projektive oder Laborstudien,
3. Interaktionale Labor- oder Feldstudien.
Bei projektiven Studien (280 der 700 Studien) sollen sich Versuchspersonen in eine
Situation hineindenken und daraufhin Aussagen darüber treffen, wie sie in dieser

17
Situation handeln würden. Zum Beispiel wird dabei der Versuchsperson die Aufgabe
gestellt sich vorzustellen, dass eine Person am Bahnhof auf sie selbst zukäme. Der
Proband wird gebeten sich vorzustellen und zu berichten, was er nun tun würde. Bei
quasi-projektiven Studien sollen Probanden ihren eigenen Körper in Relation zu ei-
nem realen Objekt benutzen und sollen sich auch ein reales Setting vorstellen. Das
am häufigsten verwendete Verfahren bei den quasi-projektiven Studien ist laut Aiello
(1987) die ,,Stop-Technik" (100 der 700 Studien), bei der Versuchspersonen sich ei-
ner anderen Person so lange annähern oder sich ihnen eine andere Person so lange
nähert, bis sie ein Unbehagen spüren. Die ,,Stop-Technik" weist jedoch eine geringe
externe Validität auf, weil die Ergebnisse solch eines Laborsettings schlecht auf den
Alltag übertragen werden können. Wenn man sich vorstellt, wie stark sich die Ver-
suchspersonen in diesem Setting einzig und allein auf das eigene Unbehaglichkeits-
empfinden konzentrieren, während sie darauf warten, dass sich eine andere Person
ihnen langsam nähert, scheint nachvollziehbar, dass dies nur schlecht auf den Alltag
übertragbar ist. Der Vorteil solcher Forschungsmethoden ist natürlich die sehr gute
interne Validität und die Einfachheit der Versuchspersonenrekrutierung, sowie die
Operationalisierung der Variablen. Aiello (1987) betont, dass sowohl die projektiven
als auch die quasi-projektiven Studien abzulehnen sind. Er schloss sich damit Hay-
duk (1983) an, der der Ansicht war, dass bei den projektiven und quasi-projektiven
Studien irgendetwas gemessen werde - aber sicher nicht das persönliche Raumver-
halten. Auch Altman und Vinsel (1977) schreiben, dass sie diese Art der Messung
aus messtheoretischen Überlegungen nicht empfehlen können, da eine ausreichen-
de externe Validität nicht gewährleistet ist. Ickinger (2001) betont, dass somit letzt-
endlich nur die interaktiven Labor- und Feldstudien in Frage kommen, wobei er we-
gen der nicht kontrollierbaren Störvariablen in einem natürlichen Setting der struktu-
rierten Interaktionsmessung im Labor den Vortritt geben würde. Aus diesen Gründen
wurde für die vorliegende Untersuchung eine strukturierte Interaktionsmessung als
Forschungsmethode verwendet, um das bestmögliche Verhältnis zwischen externer
und interner Validität zu erhalten.
Nach ausführlicher Literaturrecherche zeigt sich, dass seit den 1980er Jahren das
Forschungsinteresse am Raumverhalten stark nachgelassen hat. Es scheinen sich
nur noch wenige Forschergruppen wie die Gruppe um Kaitz, Bar-Haim, Lehrer und
Grossmann (2004) mit diesem Thema beschäftigt zu haben. Interessant jedoch ist,
dass sich die Wahl der Methodenart seit den 1980er Jahren nicht verändert zu haben

18
scheint. In einer der neusten Publikationen von Kaitz et al. (2004) wurde immer noch
die ,,Stop-Technik" im Rahmen einer quasi-projektiven Studie verwendet, die schon
Aiello (1987) aus messtheoretischen Überlegungen scharf zurückwies.
Betrachtet man überdies die Art und Weise, wie der genaue Abstand zweier Perso-
nen bei der Raumforschung gemessen wird, bemerkt man, dass es eine große
Bandbreite an methodischen Herangehensweisen gibt, so dass die Vergleichbarkeit
von Ergebnissen kritisch hinterfragt werden sollte. Wie Hayduk (1983) und Aiello
(1987) darlegen, wurde der Abstand zweier Personen bis in die 1980er Jahre meist
mit groben Methoden gemessen (z.B. Abstand der Stühle zwischen zwei Diskutie-
renden, durchschnittlicher Abstand der Füße der Probanden, einmalige Messung des
Abstandes der Füße der Probanden oder auch Abstand der Stuhlbeine der Proban-
den etc.). Aber auch in den 1990er Jahren haben sich die Distanzmessmethoden
kaum verbessert. Als Beispiel einer solchen Methode kann die Studie von Albas
(1991) herangezogen werden, bei der der Abstand zwischen dem Versuchsleiter und
der Versuchsperson nur über die Distanz der sich am nächsten stehenden Füße der
beiden Personen gemessen wurde. Der Abstand wurde von einem Komplizen des
Versuchsleiters ohne Kenntnis der Versuchsperson nach jeder der Versuchsperson
gestellten Frage mit Augenmaß gemessen. Der Komplize zählte die Anzahl der Bo-
denfliesen, die sich zwischen dem Versuchsleiter und -teilnehmer befanden und
rechnete nachträglich über die Breite der Bodenfließen den Abstand zwischen den
beiden Personen aus. Eine Betrachtung anderer Gliedmaßen erfolgte zu keiner Zeit.
Diese kurze Darstellung verdeutlicht sehr gut, dass mit dieser Art der Messung we-
der einer realistischen Abbildung der dynamischen Entwicklung des Raumverhaltens
genüge getan werden kann, noch, dass eine wirklich exakte Messung der Abstände
im Zentimeterbereich erreicht werden kann. Überdies werden neben den Fußabstän-
den keine anderen Gliedmaßen in die Messung des Raumverhaltens eingebunden.
Dieses Vorgehen wäre nur dann methodisch zu vertreten, wenn man zeigen könnte,
dass alle Gliedmaßen sich in Relation zueinander bewegen und man aus der Bewe-
gung des einen Körperteils auf die Bewegung des anderen schließen könnte. Gerade
in der persönlichen Zone (0.4 m bis 1.2 m) scheint es sehr wichtig, das Verhalten
einzelner Gliedmaßen zu betrachten. Denn was nützt die Betrachtung des Abstandes
der Füße, wenn die eine Versuchsperson mit ihren Händen die andere Person stän-
dig berührt, während eine andere Versuchsperson ihre Hände in den Hosentaschen
verborgen hält?

19
Einen interessanten Ansatz im Bereich der Abstandsmessung haben Remland, Jo-
nes und Brinkman (1995) vorgestellt. Sie filmten die Interaktion zweier Versuchsper-
sonen und analysierten später das Bildmaterial. Das Interessante und Neue an die-
sem Ansatz war, dass sie erstmals nicht nur einen Körperteil als Abstandsmaß he-
ranzogen sondern zwei Körperteile: den Torso und den Kopf. Darüber hinaus wurde
das Bildmaterial alle sieben Sekunden neu analysiert. Vorteil dieser Messmethode ist
sicherlich, dass erstens mehrere Körperteilen mit eingebunden werden und zweitens
ein realistischeres Abbild der dynamischen Entwicklung des Raumverhaltens produ-
ziert werden kann. Da aber bisher empirische Befunde darüber fehlen, welche
Gliedmaßen beim wahrgenommenen Raumverhalten einer Person eine Rolle spie-
len, liegt die Wahl der zu untersuchenden Körperteile zumindest tendenziell im Rah-
men der Beliebigkeit.
Der Kern aller neueren Abstandserhebungsverfahren wie das von Remland et al.
(1995) ist eine valide Bild- und Bewegungsanalyse. Da die Abstände nicht während
der Untersuchung erhoben werden können, um die Versuchspersonen in ihrer Kom-
munikation nicht zu beeinflussen, werden die Abstände meist nachträglich mit einer
Bild- und Bewegungsanalyse aus dem Videomaterial extrahiert. Zum jetzigen Zeit-
punkt gibt es viele verschiedene Ansätze der Bild- und Bewegungsanalyse, die alle-
samt computergestützt sind. Zum besseren Verständnis der Materie werden die ein-
zelnen Ansätze nun im folgenden Abschnitt näher vorgestellt.
1.3.1 Verschiedene Methoden der Bild- und Bewegungsanalyse
Bei der visuellen Bewegungsanalyse werden Koordinatenpunkte sich bewegender
Objekte auf folgende Art herausgelesen: zuerst wird die Bewegung des Objektes in
einer Sequenz von vielen Standbildern erfasst und dann werden die Koordinaten-
punkte des Objektes für jedes Standbild einzeln herausgelesen. Die Summe aller
Koordinatenpunkte eines Objekts in einer Sequenz von Bildern nennt man die Flug-
bahn eines Bildes. Die Flugbahn eines Objektes kann man durch eine diskrete Zeit-
funktion beschreiben. Um die Flugbahn eines sich bewegenden Objekts in einer Se-
quenz von Bildern zu extrahieren, gibt es generell zwei Möglichkeiten: die manuelle
und die automatische Bewegungsanalyse (Frischholz & Wittenberg, 2000). Beide
Verfahren werden im Folgenden kurz vorgestellt.

20
1.3.1.1 Manuelle Bewegungsanalyse
Die gängigste Methode für Bewegungsanalysen ist heutzutage immer noch die Ex-
traktion des Objektortes per Hand für jedes einzelne Bild einer Sequenz von Bildern.
Alternativ kann man auch dem Objekt auf dem Bildschirm mit der Maus folgen, wobei
die Koordinaten der Maus dann automatisch im Computer gespeichert werden. Ma-
nuelle Bewegungsanalyse wird immer dort angewandt, wo die automatische Bewe-
gungsanalyse nicht einsetzbar ist. Ein Nachteil dieser Methode ist der immense Zeit-
aufwand und eine gewisse Ungenauigkeit, da minimale Handbewegungen und nach-
lassende Aufmerksamkeit gerade bei schnellen Bewegungen der Objekte zu unge-
nauen Daten führen können. Im Gegensatz dazu steht die neue Generation der Ana-
lysemethoden - die automatische Bewegungsanalyse, die im nächsten Abschnitt be-
schrieben wird.
1.3.1.2 Automatische markerbasierte Bewegungsanalyse
Neue Entwicklungen in der Bildbearbeitung haben zu Automatisierungsprozessen in
der Bewegungsanalyse geführt. Ein großes Problem bei der automatischen Bewe-
gungsanalyse ist jedoch noch wie zuvor die automatische Erkennung des Objektes
auf den einzelnen Bildern. Dies geschieht meist dadurch, dass der Computer die
Farben oder die Helligkeit der einzelnen Pixel eines Bildes miteinander vergleicht
und die Pixel, die wesentlich heller oder andersfarbiger als ihre Umgebung sind, zu-
sammenfasst und sie als Objekt identifiziert. Aus diesem Grunde muss die Beleuch-
tung und die farbliche Abgrenzung des zu filmenden Objektes zum Hintergrund sehr
hoch sein. Um diese Schwierigkeiten zu umgehen werden meist dem zu folgenden
Objekt kleine Markierungen wie Leuchtdioden oder weiße Klebepunkte (Marker) an-
geheftet und die Bewegungen des Objekts werden dann unter experimentellen Be-
dingungen gefilmt. Da die Marker meist heller sind und auffälligere Muster oder Far-
ben als ihre Umwelt haben, können Computerprogramme diese Marker bei einer
Bildanalyse besser vom Hintergrund trennen und ihre Koordinaten aus dem Bildma-
terial wesentlich valider als die der eigentlichen Objekte auslesen. Die Koordinaten
der Marker und somit auch die Koordinaten der Objekte werden anschließend weiter

21
verarbeitet. Die automatische Bewegungsanalyse kann dabei in Online und Offline
Tracking unterschieden werden.
1.3.1.2.1 Automatisches Online Tracking
Real-Time-Tracking-Systeme müssen Objekt-Koordinaten innerhalb kürzester Zeit
auswerten. Deshalb ist die Komplexität der Auswertungsalgorithmen stark begrenzt
und sie können nur einfache Prozeduren - wie einen einfachen Vergleich von Hellig-
keiten der benachbarten Pixel - ausführen .Die Marker-Erkennung basiert dabei auf
einfachen Schwellen-Algorithmen, die genau dann einen Bereich von Pixeln im Bild
als Objekt identifizieren, wenn die Helligkeit dieser Pixel um einen gewissen Prozent-
satz höher ist als die Helligkeit der sie umgebenden Pixel. Das bedeutet, dass die
Marker, die beim automatischen Online Tracking verwendet werden, sehr auffällig
und hell sein müssen. Diese Wirkung erzielt man beispielsweise durch sehr große
oder sehr helle weiße Klebepunkte. Der Algorithmus registriert dann alle Punkte im
Bild als Marker, die einen bestimmten Helligkeitswert überschreiten, weswegen dies
auch Schwellen-Algorithmus genannt wird. Wenn Marker dabei elektromagnetische
Strahlen wie Licht oder Infrarot aktiv aussenden nennt man sie aktive Marker. Wenn
sie nur elektromagnetische Strahlen reflektieren, wie die oben angesprochenen wei-
ßen Klebepunkte, jedoch diese nicht aktiv aussenden, nennt man sie passive Mar-
ker.
1.3.1.2.2 Automatisches Offline Tracking
In dem Moment, indem die Analyse der Bewegung nicht in Echtzeit erfolgen muss,
spricht man von Offline Tracking Systemen. Diese Systeme arbeiten zwar langsamer
als die Online Tracking Systeme, aber sie können auch viel komplexere Auswer-
tungsalgorithmen benutzen und somit das Datenmaterial viel präziser auswerten.
Beim Offline Tracking werden meist weiße oder schwarze Marker an dem zu beo-
bachtenden Objekt befestigt. Um die Betrachtung von mehreren Blickwinkeln zu ge-
währleisten, können die Marker auch aus Halbkugeln bestehen, die auf dem Objekt
angebracht werden. Wichtig jedoch ist, dass die Marker immer von der Kamera ge-
filmt werden können und sich somit immer in der Sichtlinie der Linse befinden. Nach-
dem die Videoaufnahmen digitalisiert sind, bearbeitet eine spezielle Bildbearbei-

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783832496418
ISBN (Paperback)
9783838696416
DOI
10.3239/9783832496418
Dateigröße
1.6 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen – Biologie, Studiengang Psychologie
Erscheinungsdatum
2006 (Juni)
Note
1,7
Schlagworte
kommunikation flirten verhalten evolutionspsychologie
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