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Das Interdependenzsystem offener Gesellschaften als Handlungsfeld des internationalen Terrorismus

©2006 Diplomarbeit 104 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die Entwicklung des internationalen Terrorismus hat die Verletzbarkeit offener Gesellschaften bewusst gemacht und aufgezeigt, dass das Interdependenzsystem durch Terrorismusorganisationen gezielt genutzt wird. Spätestens seit den Anschlägen des 11. Septembers 2001 auf das World Trade Center ist deutlich geworden, dass die Schäden der Terroranschläge Dimensionen annehmen, die einen erweiterten Sicherheitsbegriff zur Folge haben und adäquate Maßnahmen zur Eindämmung erfordern. Gleichzeitig lassen sich neue Erscheinungsformen von Terroranschlägen bestimmen. So haben Anschläge auf das Interdependenzsystem offener Gesellschaften u.a. das Ausmaß von Kriegsfolgen erreicht.
Die zunehmende Globalisierung und somit die Ausbreitung sowie engmaschigere Vernetzung des Systems werden zukünftig verstärkt im Focus des Terrorismus stehen, um noch höhere Wirkungen ihrer Aktionen zu erreichen. Hierbei lassen sich zwei Aspekte untersuchen: Zum einen die Nutzung der Möglichkeiten des interdependenten Systems zur Stärkung der terroristischen Handlungsfähigkeiten wie beispielsweise des globalen Kommunikations- und Informationssektors oder des internationalen Finanzsektors und zum anderen die Erzielung stärkerer Wirkungen der terroristischen Aktionen durch gezielte Anschläge auf das Inderpendenzsystem sowie dessen Handlungsfelder.
Ein Anschlag auf das World Trade Center erzeugt weltweite, sich gegenseitig bedingende und verstärkende Folgen auf das politische System, auf den Wirtschafts- und Finanzsektor, auf den Entwicklungs- und Umweltsektor, auf den Privatwirtschaftssektor und auf den Informations- und Kommunikationssektor. Man spricht von einem so genannten „Dominoeffekt“.
Sicherheit ist somit längst nicht mehr nur eine militärische Aufgabe, sondern ist zu einer gemeinsamen Herausforderung aller Akteure innerhalb des Interdependenzsystems geworden. Auch die Reaktionen globaler Konzerne zum Schutz eigener Industrieanlagen, Kapitaleinlagen oder Absatzmärkte sind Folgen des Terrorismus, die mit den Maßnahmen von internationalen Sicherheitsorganisationen und der Staatengemeinschaft synchronisiert werden sollten.
Gang der Untersuchung:
Vorrangig zielt die vorliegende Diplomarbeit darauf ab, die Nutzung des Interdependenzsystems offener Gesellschaften durch den internationalen Terrorismus zu untersuchen und aufzuzeigen, welche wirtschaftlichen Auswirkungen sich aus dem internationalen Terrorismus ergeben, wenn das Interdependenzsystem als […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Ragna Ciliax
Das Interdependenzsystem offener Gesellschaften als Handlungsfeld des
internationalen Terrorismus
ISBN-10: 3-8324-9633-5
ISBN-13: 978-3-8324-9633-3
Druck Diplomica® GmbH, Hamburg, 2006
Zugl. Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Kiel, Deutschland, Diplomarbeit, 2006
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© Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2006
Printed in Germany



I
NHALTSVERZEICHNIS
I
I
NHALTSVERZEICHNIS
A
BBILDUNGSVERZEICHNIS
... IV
T
ABELLENVERZEICHNIS
... IV
A
BKÜRZUNGSVERZEICHNIS
... V
1
E
INLEITUNG
... 1
2
B
ESTIMMUNG WESENTLICHER
B
EGRIFFE
... 3
2.1 O
FFENE
G
ESELLSCHAFTEN
... 3
2.2 D
AS
I
NTERDEPENDENZSYSTEM OFFENER
G
ESELLSCHAFTEN
... 5
3
H
ERLEITUNG DES
B
EGRIFFS
G
LOBALISIERUNG
... 6
3.1 P
ROBLEMATIK DER ALLGEMEINEN
D
EFINITIONSFINDUNG
... 6
3.2 H
ISTORISCHE
P
ERSPEKTIVE UND
T
RIEBKRÄFTE DER
G
LOBALISIERUNG
... 7
3.3 Ö
KONOMISCHE
G
LOBALISIERUNG
... 9
3.4 G
LOBALISIERUNG DER
P
OLITIK
... 10
3.5 Z
USAMMENFASSENDE
D
EFINITION
... 11
4
D
ER
B
EGRIFF DES
T
ERRORISMUS
... 12
4.1 M
ÖGLICHE
D
EFINITIONSANSÄTZE
... 12
4.2 V
ERÄNDERUNGEN DER
T
ERRORISMUSFORMEN
... 13
4.3 D
ER INTERNATIONALE
T
ERRORISMUS
... 15
4.3.1 Ausprägungen des islamistischen Terrorismus... 18
4.3.2 Ursachen des Terrorismus ... 19
5
A
NALYSE DES
I
NTERDEPENDENZSYSTEMS OFFENER
G
ESELLSCHAFTEN ALS
H
ANDLUNGSFELD DES INTERNATIONALEN
T
ERRORISMUS
... 22
5.1 D
AS
H
ANDLUNGSFELD
I
NFORMATION UND
K
OMMUNIKATION
... 22
5.1.1 Medien und Terrorismus ... 22
5.1.2 Das Internet als Informations- und Kommunikationsforum
terroristischer Führungsebenen ... 23
5.1.2.1 Das Hacker-Problem... 26
5.1.2.2 Cyberterrorismus ... 27

I
NHALTSVERZEICHNIS
II
5.2 D
IE
H
ANDLUNGSFELDER INTERNATIONALER
H
ANDEL SOWIE
F
INANZ
-
UND
K
APITALWESEN
... 28
5.2.1 Transportsektor ... 28
5.2.2 Finanzierungssystem der Terroristen... 29
5.2.2.1 Transfersystem ,,Hawala"... 31
5.2.2.2 Geldwäsche... 32
5.2.2.3 Steuerparadiese und Offshore-Zentren... 34
5.2.2.4 Spekulationsgewinne durch Insidergeschäfte... 34
6
H
ANDLUNGSFELDER DES
I
NTERDEPENDENTENSYSTEMS ALS
A
NGRIFFSZIELE DES INTERNATIONALEN
T
ERRORISMUS
... 36
6.1 A
USWIRKUNGEN AUF DEN INTERNATIONALEN
H
ANDEL
... 36
6.1.1 Verbrauchervertrauen ... 37
6.1.2 Sicherheitskosten ... 40
6.1.3 Globale Logistikketten... 42
6.1.4 Empirische Bedeutung von Transaktionskosten... 43
6.2 D
IE
A
USWIRKUNGEN AUF DEN GLOBALEN
F
INANZMARKT
... 46
6.2.1 Exemplarische Betrachtung des Tel Aviv Stock Exchange ... 47
6.2.2 Betrachtung des globalen Kapitalmarktes ... 48
6.2.3 Finanzpolitische Reaktionen der Notenbanken... 50
6.3 A
USWIRKUNGEN AUF DEN
T
OURISMUSSEKTOR
... 52
6.4 A
USWIRKUNGEN AUF DEN
V
ERSICHERUNGSSEKTOR
... 55
6.4.1 Direkte Schäden für den Versicherungssektor ... 55
6.4.2 Indirekte Schäden für den Versicherungssektor... 56
6.4.3 Exkurs: Allgemeiner Versicherungsschutz ­ eine knappe Ressource
... 57
6.4.4 Versicherung von Terrorismusrisiken und ökonomische
Implikationen... 58
7
D
AS
S
ZENARIO
­
G
LOBALE
W
IRKUNGSKETTE DES
T
ERRORISMUS AM
B
EISPIEL DES
,,S
UEZKANALS
" ... 61
8
F
OLGERUNGEN FÜR DIE
B
EKÄMPFUNGSSTRATEGIEN
... 66
8.1 D
IFFERENZIERUNG NACH IDEALTYPISCHEN UND UMSETZBAREN
A
NSÄTZEN
... 66

I
NHALTSVERZEICHNIS
III
8.2 G
RUNDSÄTZLICHE
F
OLGERUNGEN UND
A
NSATZPUNKTE
... 66
8.2.1 Bedeutung des ,,Schneeballeffektes"... 66
8.2.2 Der strategische Ansatz... 66
8.3 Ü
BERTRAGUNG DER
F
OLGERUNGEN AUF AUSGEWÄHLTE
A
KTEURE
... 68
8.3.1 VN ­ Vereinte Nationen... 68
8.3.2 NATO - North Atlantic Treaty Organization... 70
8.3.3 EU ­ Europäische Union ... 71
8.3.4 Nationale und gesellschaftliche Ebene... 72
9
F
OLGERUNGEN FÜR AUSGEWÄHLTE
H
ANDLUNGSFELDER
... 74
9.1 D
AS
H
ANDLUNGSFELD DER
P
OLITIK
... 74
9.2 D
AS
H
ANDLUNGSFELD DER
W
IRTSCHAFT
... 75
9.2.1 Das Handlungsfeld des internationalen Handels... 75
9.2.2 Das Handlungsfeld des Finanzmarktes... 76
9.2.3 Das Handlungsfeld des Versicherungsmarktes... 78
9.3 H
ANDLUNGSFELD
I
NFORMATION UND
K
OMMUNIKATION
... 79
9.4 D
ER
H
ANDLUNGSSEKTOR DER
M
EDIEN
... 81
10 S
CHLUSSBEMERKUNG
... 82
11 L
ITERATURVERZEICHNIS
... 84
12 E
IDESSTATTLICHE
E
RKLÄRUNG
... 93

A
BBILDUNGS
-
UND
T
ABELLENVERZEICHNIS
IV
A
BBILDUNGSVERZEICHNIS
Abbildung 1: System ,,Gesellschaft"... 3
Abbildung 2: System offener Gesellschaften... 4
Abbildung 3: Interdependenzsystem offener Gesellschaften... 5
Abbildung 4: Triebkräfte der Globalisierung... 8
Abbildung 5: Weltweite Anschläge des internationalen Terrorismus von 1982
bis 2003 ... 16
Abbildung 6: Durch Anschläge des internationalen Terrorismus zerstörte
Einrichtungen von 1998 bis 2003... 17
Abbildung 7: Das Hawala-Finanzsystem ... 31
Abbildung 8: Entwicklungen des Verbrauchervertrauens in den USA von 1990
bis 2004 ... 37
Abbildung 9: Korrelation zwischen Verbrauchervertrauen und aktuellem
Konsum ... 38
Abbildung 10: Abhängigkeit zwischen Verbrauchervertrauen und
Arbeitslosenquote in Prozent für die USA ... 39
Abbildung 11: Wohlfahrtsverluste im Welthandel durch erhöhte
Transaktionskosten (gemessen in Milliarden US-Dollar) ... 44
Abbildung 12: Wachstumsraten des internationalen Handels für 2001 bis 2004
in Prozent... 46
Abbildung 13:Globale Kapitalmärkte und die kumulierten negativen prozentualen
Veränderungen nach 11 Tagen aufgrund der Terroranschläge des
11. Septembers 2001 ... 49
T
ABELLENVERZEICHNIS
Tabelle 1: Unterschiede zwischen,,altem" und ,,neuem" Terrorismus... 14
Tabelle 3: Geschätzte Schäden pro Sparte aus den Anschlägen vom 11. September
2001 ... 56

A
BKÜRZUNGSVERZEICHNIS
V
A
BKÜRZUNGSVERZEICHNIS
Abb.
Abbildung
ABC
American Broadcasting Company
BBC
British Broadcasting Corporation
BERI
Business and Evironment Risk
BINGO
Business International Nongovernmental Organisations
BIP
Bruttoinlandsprodukt
bzw.
beziehungsweise
CNN
Cable News Network
DIW
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung
ebd.
ebenda
ETA
Euskadi Ta Askatasuna (=baskische Untergrundorganisati-
on)
etc.
et cetera
EU
Europäische Union
EZB
Europäische Zentralbank
FATF
Financial Action Task Force on Money Laundering
FED
Federal Reserve Board
Hrsg.
Herausgeber
ifD
Institut für Demoskopie
IFDT
Information für die Truppe
ifo
Institut für Wirtschaftsforschung
IIRO
International Islamic Relief Organisation
IMF
International Monetary Fund
INGO
International Nongovernmental Organisation
IT
Informationstechnologie
MEZ
Mitteleuropäische Zeit
NATO
North Atlantic Treaty Organization
OECD
Organization for Economic Cooperation and Development
OSZE
Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
RAF
Rote Armee Fraktion
TA100
Tel Aviv 100 index
TASE
Tel Aviv Stock Exchange
usw.
und so weiter

A
BKÜRZUNGSVERZEICHNIS
VI
vgl.
vergleiche
VN
Vereinte Nation
WTC
World Trade Center
WTO
World Trade Organization
www
world wide web
z.B.
zum Beispiel

E
INLEITUNG
1
1
Einleitung
Die Entwicklung des internationalen Terrorismus hat die Verletzbarkeit offener
Gesellschaften bewusst gemacht und aufgezeigt, dass das Interdependenzsystem
durch Terrorismusorganisationen gezielt genutzt wird. Spätestens seit den An-
schlägen des 11. Septembers 2001 auf das World Trade Center ist deutlich ge-
worden, dass die Schäden der Terroranschläge Dimensionen annehmen, die einen
erweiterten Sicherheitsbegriff zur Folge haben. Gleichzeitig lassen sich neue Er-
scheinungsformen von Terroranschlägen bestimmen. So haben Anschläge auf das
Interdependenzsystem offener Gesellschaften das Ausmaß von Kriegsfolgen er-
reicht. Die zunehmende Globalisierung und somit die Ausbreitung sowie engma-
schigere Vernetzung des Systems werden zukünftig verstärkt im Focus des Terro-
rismus stehen, um noch höhere Wirkungen ihrer Aktionen zu erreichen. Hierbei
lassen sich zwei Aspekte untersuchen: Zum einen die Nutzung der Möglichkeiten
des interdependenten Systems zur Stärkung der terroristischen Handlungsfähig-
keiten wie beispielsweise des globalen Kommunikations- und Informationssektors
oder des internationalen Finanzsektors und zum anderen die Erzielung stärkerer
Wirkungen der terroristischen Aktionen durch gezielte Anschläge auf das Inder-
pendenzsystem sowie dessen Handlungsfelder. Ein Anschlag auf das World Trade
Center erzeugt weltweite, sich gegenseitig bedingende und verstärkende Folgen
auf das politische System, auf den Wirtschafts- und Finanzsektor, auf den Ent-
wicklungs- und Umweltsektor, auf den Privatwirtschaftssektor und auf den Infor-
mations- und Kommunikationssektor. Man spricht von einem so genannten ,,Do-
minoeffekt". Sicherheit ist somit längst nicht mehr nur eine militärische Aufgabe,
sondern ist zu einer gemeinsamen Herausforderung aller Akteure innerhalb des
Interdependenzsystems geworden. Auch die Reaktionen globaler Konzerne zum
Schutz eigener Industrieanlagen, Kapitaleinlagen oder Absatzmärkte sind Folgen
des Terrorismus, die mit den Maßnahmen von internationalen Sicherheitsorgani-
sationen und der Staatengemeinschaft synchronisiert werden sollten.
Vorrangig zielt die vorliegende Diplomarbeit darauf ab, die Nutzung des Interde-
pendenzsystems offener Gesellschaften durch den internationalen Terrorismus zu
untersuchen und aufzuzeigen, welche wirtschaftlichen Auswirkungen sich aus
dem internationalen Terrorismus ergeben, wenn das Interdependenzsystem als
Angriffsziel terroristischer Anschläge missbraucht wird.
Nach der Bestimmung sowie Herleitung wesentlicher Begriffe werden diese zu-
einander in Beziehung gesetzt. In der Untersuchung geht es darum, Kausalzu-

E
INLEITUNG
2
sammenhänge zwischen den Aktionen des Terrorismus und deren Auswirkungen
auf das Interdependenzsystem offener Gesellschaften aufzuzeigen. Auch wenn die
Handlungsfelder des Interdependenzsystems durch Wechselwirkungen und zu-
nehmende Vernetzung kaum getrennt betrachtet werden dürfen, liegt ein Schwer-
punkt der Arbeit auf dem Wirtschaftssystem. Dieser wird in bestimmte Hand-
lungsfelder zerlegt, anhand derer die Auswirkungen des Terrorismus näher unter-
sucht werden. Dabei werden sowohl klar fassbare als auch abstrakte Auswirkun-
gen betrachtet. Klar fassbare können beispielsweise die Zerstörung von einzelnen
Objekten, Handelsketten oder Kurseinbrüche an den Finanzmärkten sein. Unter
abstrakten werden hingegen Unsicherheit oder Angst verstanden, die sich wieder-
um negativ auf die Investitionsmentalität oder den Tourismus auswirken. In der
vorliegenden Arbeit werden jedoch nur diejenigen Auswirkungen betrachtet, die
sich auf das Gesamtsystem auswirken.
Die hieraus abzuleitenden Konsequenzen
sollen zu einer Strategie gebündelt werden, die einen Beitrag zum Gesamtkonzept
der Bekämpfung des Terrorismus liefert. Eine Zusammenfassung mit einem Aus-
blick in die Zukunft schließt die Arbeit ab.

B
ESTIMMUNG WESENTLICHER
B
EGRIFFE
3
2
Bestimmung wesentlicher Begriffe
Die Begriffe ,,Globalisierung" und ,,internationaler Terrorismus" werden im Ver-
lauf dieser Arbeit als grundlegende Elemente der Untersuchung hergeleitet und in
ihren Einzelfacetten beleuchtet. Zu Beginn werden hier die Begriffe ,,offene Ge-
sellschaft" und ,,Interdependenzsystem offener Gesellschaften" definiert, um ein
einheitliches Verständnis für diese variantenreich verwendeten Begriffe zu schaf-
fen.
2.1
Offene Gesellschaften
Der Begriff ,,Gesellschaft" wird in dieser Arbeit systemtheoretisch betrachtet und
als System menschlichen Zusammenlebens definiert.
1
Dieses System besteht aus
zahlreichen Subsystemen, die nach ihrem Zweck bestimmt sind. Subsysteme sind
z.B. Wirtschaft, Wissenschaft, Religion, Kultur und Politik. Eine Sonderrolle
nimmt der Staat ein, der hier sowohl als Subsystem definiert, als auch im weiteren
Verlauf als Akteur im System betrachtet wird. Für sich betrachtet, ist die Gesell-
schaft zunächst ein geschlossenes System.
2
Abbildung 1: System ,,Gesellschaft"
System Gesellschaft
Akteure
z.B. Konzerne
Subsystem 1
z.B. Politik
Subsystem 2
z.B. Wirtschaft
Akteure
z.B. Staa
t
Subsystem
4
z.B. Wissenschaft
Subsystem 3
z.B. Kultur
Akteure
z.B. Vereine
Quelle: Eigene Darstellung.
1
Vgl. Nohlen, Dieter (Hrsg.): Kleines Lexikon der Politik, Beck, München 2001, S. 162.
2
Vgl. zur Verdeutlichung Abbildung 1.

B
ESTIMMUNG WESENTLICHER
B
EGRIFFE
4
Unter ,,offenen Gesellschaften" werden hingegen Systeme verstanden, die über
ihre Subsysteme und den damit verbundenen Akteuren einen ,,Austausch" mit
anderen Gesellschaften betreiben. Dies geschieht in Form von Informationen, Wa-
ren, Gütern, Dienstleistungen, Personal, Handel usw. Es entstehen so zwischen
den Gesellschaften Beziehungsgeflechte, die in dieser Arbeit als Handlungsfelder
bezeichnet werden.
3
Zur Eingrenzung der Untersuchung der Nutzung der Hand-
lungsfelder offener Gesellschaften durch den internationalen Terrorismus werden
hier drei Haupthandlungsfelder festgelegt: ,,Internationaler Handel", ,,Kommuni-
kation und Information" sowie ,,Finanz- und Kapitalwesen".
4
Diese werden u.a. in
folgende Sektoren unterteilt: Medien- und Pressesektor, Internet- und Telekom-
munikationssektor, Geldbeschaffungs- und Finanzierungssektor, Handels- und
Transportsektor, Versicherungssektor sowie Tourismussektor. Die hier gewählte
Festlegung spiegelt somit auch den wirtschaftlichen Schwerpunkt dieser Arbeit
wider.
Abbildung 2: System offener Gesellschaften
Quelle: Eigene Darstellung.
Gesellschaft
Gesellschaft
Gesellschaft
Gesellschaft
Gesellschaft
Gesellschaft
Gesellschaft
Gesellschaft
Information &
Kommunikation
Finanz- &
Kapitalwesen
Int. Handel
Akteure
Der Grad der Offenheit einer Gesellschaft hängt von zwei zentralen Aspekten ab:
Zum einen von der Anzahl der Beziehungsgeflechte und zum anderen von der
Intensität des Austausches innerhalb der Beziehungsgeflechte. Der Grad der Of-
fenheit ist somit schwer zu bestimmen und kann hier nicht weiter festgelegt wer-
den. Jedoch soll auf einen besonderen Effekt in der Varianz des Grades hingewie-
3
Vgl. Abbildung 2.
4
Die nähere Beschreibung der Handlungsfelder erfolgt im Hauptteil dieser Arbeit.

B
ESTIMMUNG WESENTLICHER
B
EGRIFFE
5
sen werden: Je höher der Grad der Offenheit, desto mehr Akteure können von
außen Einfluss auf die Gesellschaft nehmen. Dies hat zur Folge, dass die Kontrol-
le der Handlungsfelder innerhalb einer Gesellschaft, z.B. durch den Staat, immer
schwieriger wird. Der Staat wird demnach mit zunehmender Offenheit in seiner
Einflussnahme beschränkt. Die Offenheit bringt somit nicht nur Nutzen, sondern
birgt auch Gefahren in sich. Hinsichtlich der Thematik ,,Terrorismus" bedeutet
dies, dass dieser durch die Offenheit erst in die Lage versetzt wird, die Hand-
lungsfelder von ,,innen" zu nutzen sowie diese von ,,innen" als auch von ,,außen"
zu stören.
2.2
Das Interdependenzsystem offener Gesellschaften
Die Definition offener Gesellschaften zeigt durch die Handlungsfelder bereits
Beziehungsgeflechte zwischen den Gesellschaften auf. Diese sind jedoch nicht
zwingend interdependent. Interdependent werden sie erst dann, wenn die Bezie-
hung zueinander nicht nur durch Austausch geprägt ist, sondern dadurch, dass
eine Veränderung in einer Gesellschaft positive oder negative Veränderung in den
anderen Gesellschaften bewirkt. Das Interdependenzsystem offener Gesellschaf-
ten wird daher als System gegenseitiger Abhängigkeiten aller Gesellschaften
durch die Vernetzung der Handlungsfelder verstanden. Die Abbildung zeigt das
Interdependenzsystem anhand der ausgewählten Untersuchungssektoren.
Abbildung 3: Interdependenzsystem offener Gesellschaften
Politik
Tourismus
Finanz- und
Kapitalmarkt
Versicherungen
Internationaler
Handel
Interdependenzsystem
Information und
Kommunikation
Quelle: Eigene Darstellung.

H
ERLEITUNG DES
G
LOBALISIERUNGSBEGRIFFS
6
3
Herleitung des Begriffs Globalisierung
Von besonderer Bedeutung im Zusammenhang mit dem Interdependenzsystem
offener Gesellschaften ist die ,,Globalisierung". Nicht selten werden diese beiden
Begriffe in der Literatur auch synonym verwendet. Wenngleich diesem Ansatz
hier nicht gefolgt wird, so stellt die Globalisierung doch einen bedeutenden Motor
und gleichsam eine notwendige Voraussetzung für die Entwicklung des Systems
dar. Im Folgenden wird der Prozess der Globalisierung hergeleitet, um anhand
dessen die Wechselwirkungen und Wirkungsketten innerhalb des Interdependenz-
systems offener Gesellschaften zu beleuchten.
3.1
Problematik der allgemeinen Definitionsfindung
Globalisierung ist zu einem Schlagwort in den Medien, Nachrichten, politischen
und gesellschaftlichen Diskussionen geworden. Gleichzeitig wird dieser Begriff
wie kaum ein anderer mit unterschiedlichen Bedeutungen und Erklärungsansätzen
belegt. Ulrich Beck beschreibt dieses Phänomen wie folgt: ,,Globalisierung ist
sicher das am meisten gebrauchte ­ missbrauchte und am seltensten definierte,
wahrscheinlich missverständlichste, nebulöseste und politisch wirkungsvollste
(Schlag- und Streit-) Wort der letzten als auch der kommenden Jahre."
5
Diese
Worte weisen ohne Umschweife auf die verschiedenartigen Teilaspekte dieses
Begriffes hin. Je nach Betrachtungsperspektive wird die Globalisierung sowohl
als ,,Risiko" als auch ,,Chance" aufgefasst.
6
Dabei spielt die Diskussion darüber,
ob die Globalisierung das Ende des Nationalstaates und seiner geographischen
Grenzen bedeutet oder diesen in seiner Funktion erst besonders fordert, eine he-
rausgehobene Rolle.
7
Unabhängig von dieser Diskussion wird der Begriff der
Globalisierung häufig als Synonym für die zunehmende internationale Vernetzung
aller gesellschaftlichen Bereiche verwendet.
8
Globalisierung führt scheinbar zu
immer stärkeren Verdichtung gesellschaftsübergreifender Interaktionen vor allem
in den Bereichen Technologie, Kommunikation, Wissenschaft, Ökologie, Kultur
sowie in der Politik
9
. Im Folgenden wird der Prozess der Globalisierung anhand
5
Beck, Ulrich: Was ist Globalisierung? Irrtümer des Globalismus ­ Antworten auf Globalisierung,
Frankfurt am Main 1997, S. 42.
6
Vgl. ebd. sowie Nuscheler, Franz: Dimensionen und Folgen der Globalisierung, in: Bundesaka-
demie für Sicherheitspolitik(Hrsg.): Sicherheitspolitik in neuen Dimensionen, Hamburg u.a. 2000,
S. 421ff.
7
Vgl. Woyke, Wichard (Hrsg.): Handwörterbuch Internationale Politik, 9. Auflage, Wiesbaden
2004, S. 167f.
8
Vgl. Nuscheler, Dimensionen und Folgen der Globalisierung, S. 416f.
9
Gemeint ist hier vor allem das Problemfeld der internationalen Sicherheit.

H
ERLEITUNG DES
G
LOBALISIERUNGSBEGRIFFS
7
ausgewählter Teilaspekte betrachtet, um abschließend eine Definition zugrunde zu
legen, die für die weitere Untersuchung ein gemeinsames Verständnis schafft.
3.2
Historische Perspektive und Triebkräfte der Globalisierung
Der Beginn des Prozesses der Globalisierung reicht weit in die Geschichte zu-
rück.
10
Einen genauen Anfangspunkt kann man genauso wenig festlegen, wie
vermutlich auch nie ein Endpunkt bestimmt werden kann. Einige besondere
Triebkräfte, die den Prozess beschleunigen, seien hier aufgeführt: Mit der zuneh-
menden Industrialisierung und Technologisierung besonders im 19. Jahrhundert
konnte die Produktionsrate deutlich gesteigert und der Transport dieser Produkte
durch schnellere und bessere Transportmittel auch zu weit entlegenen Gesell-
schaften sichergestellt werden. Hierdurch erwuchs eine wirtschaftliche Verknüp-
fung zwischen den Gesellschaften.
11
Die OECD sieht in der Globalisierung folg-
lich einen Prozess, der eine zunehmende Abhängigkeit der Märkte und Produktio-
nen vor allem durch die Entwicklung des Handels mit Gütern und Dienstleistun-
gen sowie der Mobilität von Kapital und Technologien
12
unter den verschiedenen
Ländern verursacht.
13
Hieran wird deutlich, dass die Globalisierung bedingt durch
rationale Wirtschaftsentwicklungen die Öffnung der Gesellschaften beschleunigt
hat und gleichzeitig durch ihre Entwicklungen das Interdependenzsystem offener
Gesellschaften bestimmt. Nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes Anfang der
neunziger Jahre erlebte der Globalisierungsprozess einen treibenden Schub. Die
damalige Ablösung der Konkurrenz zweier unterschiedlicher Gesellschaftsformen
durch den weltweiten Kampf um wirtschaftliche Marktanteile setzte Innovationen
besonders in den Breichen Telekommunikation, Informations-, Transport- und
Handelswesen frei.
14
Stetig sinkende Kommunikationskosten tragen dazu bei,
dass Informationen über Ereignisse jeder Art in Echtzeit um die ganze Welt rasen.
Gleichzeitig erlauben neue Technologien, ,,live" bei weit entlegenen Geschehnis-
sen dabei zu sein. Vor dreißig Jahren blieb eine Überschwemmung oder ein Erd-
beben in einem geographisch abgelegenen Raum einer anderen Gesellschaft
10
Abbildung 3 gibt einen kurzen Überblick über die verschiedenen Triebkräfte der Globalisierung.
11
Vgl. IMF (Hrsg.): Globalisierung: Bedrohung oder Chance?, Washington 2000,
http://www.imf.org/external/np/exr/ib/2000/deu/041200g.htm, 12.12.2005.
12
Bedeutende historisch-technische Entwicklungen sind z.B.: Dampfmaschine (1712), Bau von
Eisenbahnlinien (1825), Bau von Motorschiffen (1903), Bau transozeanischer Telegrafenverbin-
dung (1865), grenzüberschreitende Vernetzung durch Telefonverbindungen (1891).
13
Vgl. Plate, Bernhard von: Grundzüge der Globalisierung, in: Informationen zur politischen Bil-
dung 280/2003, http://www.bpb.de/publikationen/5G4WQM,0,0,Grundz%FCge_der_ Globalisie-
rung.html, 12.12.05.
14
Vgl. IMF, Globalisierung.

H
ERLEITUNG DES
G
LOBALISIERUNGSBEGRIFFS
8
höchstens eine Randnotiz in einer Tageszeitung. Heute erzeugen die Medien die
,,Betroffenheit zuhause vor dem Fernseher". Gleichermaßen wird auch das Wirt-
schaftsleben hierdurch stark beeinflusst. Die technischen Möglichkeiten der
Kommunikation via Video oder E-Mail ermöglichen es, in Echtzeit von Europa
aus und trotz Zeitunterschiede am Aktienhandel in Tokio teilzunehmen.
15
Zu-
sammenfassend lässt sich feststellen, dass die Globalisierung keine abgeschlosse-
ne Entwicklung ist, sondern einen anhaltenden Prozess darstellt. Dieser Prozess
führt zu einer zunehmenden Vernetzung der Gesellschaften in verschiedenen
Handlungsfeldern und Sektoren, deren Intensität durch Triebkräfte wie z.B. Tech-
nologieentwicklungen bestimmt wird. Das bedeutet gleichsam, dass der Globali-
sierungsgrad regional und räumlich unterschiedlich sein kann. Abhängig davon,
wie ausgeprägt die Triebkräfte sind.
Abbildung 4: Triebkräfte der Globalisierung
Kommunikationstechnologie
Informationstechnologie
Transporttechnologie
Ausbau überregionaler Organisationen
Supranationale Deregulierungen
Gesellschaftsübergreifende Akteure
Prozess der Globalisierung
G
eg
ense
iti
g
er
E
inf
lu
ss
Zeitachse und zunehmender Grad der Interdependenz
Kommunikationstechnologie
Informationstechnologie
Transporttechnologie
Ausbau überregionaler Organisationen
Supranationale Deregulierungen
Gesellschaftsübergreifende Akteure
Prozess der Globalisierung
G
eg
ense
iti
g
er
E
inf
lu
ss
Zeitachse und zunehmender Grad der Interdependenz
Kommunikationstechnologie
Informationstechnologie
Transporttechnologie
Ausbau überregionaler Organisationen
Supranationale Deregulierungen
Gesellschaftsübergreifende Akteure
Prozess der Globalisierung
G
eg
ense
iti
g
er
E
inf
lu
ss
Zeitachse und zunehmender Grad der Interdependenz
Kommunikationstechnologie
Informationstechnologie
Transporttechnologie
Ausbau überregionaler Organisationen
Supranationale Deregulierungen
Gesellschaftsübergreifende Akteure
Prozess der Globalisierung
G
eg
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E
inf
lu
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Zeitachse und zunehmender Grad der Interdependenz
Quelle: Eigene Darstellung.
Im Folgenden werden weitere Handlungsfelder im Zusammenhang mit der Globa-
lisierung betrachtet, um die Globalisierung als entscheidenden Prozess für die
weitere Entwicklung des Interdependenzsystems offener Gesellschaften zu erläu-
tern. Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen dabei Gesellschaften, in denen die
Triebkräfte der Globalisierung wirken konnten. Drittländer und Schwellenländer
bilden somit nicht den Rahmen für ,,typische" Gesellschaften.
15
Vgl. Müller-Hofstede, Christoph: Globalisierung: Geschichte und Dimension eines Begriffs, in:
Aus Politik und Zeitgeschichte,
http://www.bpb.de/veranstaltungen/VUPFLA,0,0, Globalisie-
rung%3A_Geschichte_und_Dimension_eines_Begriffs.html, 10.01.2006.

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3.3
Ökonomische Globalisierung
Ein bedeutender Teilaspekt der ökonomischen Globalisierung ist die zunehmende
Unabhängigkeit der Wirtschaftsräume von Gesellschaften und Staatenräumen.
16
Dieses betrifft vor allem die Handelsmärkte von Gütern und Dienstleistungen so-
wie die Finanz- und Investitionsmärkte.
17
Ein besonderer Effekt dieses Teilaspek-
tes ist die wachsende Anzahl transnational agierender Konzerne. Diese über
Staatsgrenzen hinweg handelnden Konzerne werden auch als ,,global players"
bezeichnet und stellen bedeutende Akteure im Interdependenzsystem offener Ge-
sellschaften dar, die zunehmend an Einfluss gewinnen.
18
Zwei Drittel des Welt-
handels werden bereits heute durch die ,,global players" abgewickelt.
19
Inwieweit
die Wirtschaftsverflechtungen die Gesellschaften in ein Interdependenzsystem der
Ökonomien verwandelt haben, zeigen beispielsweise die Kursbewegungen an der
New Yorker Börse oder die Zinsentscheidungen der FED, die analoge Auswir-
kungen in Europa, Asien oder Russland zur Folge haben. So hatten auch Terror-
anschläge, wie die auf das World Trade Center, nicht nur Auswirkungen in New
York und in den USA, sondern beeinflussten auch den Handel, die Finanz-, Kapi-
tal- und Versicherungsmärkte weltweit. Besonders am Beispiel des Finanzmarktes
kann der ökonomische Globalisierungsprozess verdeutlicht werden: Der reale
Welthandel ist seit 1989 um 80 Prozent gewachsen, die Umsätze des Devisen-
marktes hingegen um 150 Prozent. Der Umsatz an den Devisen- und Derivaten-
märkten innerhalb einer Woche ist wesentlich höher als der jährliche weltweite
Güterhandel.
20
Dieser weltweit computergesteuerte Umsatz spiegelt die Entkopp-
lung der Finanzmärkte von der Realwirtschaft wider. Gleichzeitig sind die globa-
lisierten Finanzmärkte ein Beispiel dafür, dass einzelne Gesellschaften und deren
Staatsapparate immer weniger in der Lage sind, allein die ökonomischen Märkte
und Prozesse zu steuern bzw. zu kontrollieren.
21
Als Konsequenz sind die Akteure
einzelner Gesellschaften zunehmend dazu gezwungen, sich gesellschaftsübergrei-
fend zu organisieren. Die Entstehung internationaler Organisationen wie die des
Internationalen Währungsfonds, der Weltbank oder der Welthandelsorganisation
spiegeln diesen Prozess wider.
22
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass
16
Vgl. Woyke, Handwörterbuch Internationale Politik, S. 163.
17
Vgl. Müller-Hofstede, Globalisierung: Geschichte und Dimension eines Begriffs.
18
Vgl. Nuscheler, Dimensionen und Folgen der Globalisierung, S. 417f.
19
Vgl. ebd.
20
Vgl. Nuscheler, Dimensionen und Folgen der Globalisierung, S. 419.
21
Vgl. Woyke, Handwörterbuch Internationale Politik, S 164.
22
Vgl. IMF, Globalisierung.

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durch die ökonomische Dimension der Globalisierung neue, interdependente,
staaten- und gesellschaftsübergreifende ökonomische Strukturen entstehen, die
einen bedeutenden Teil des Interdependenzsystems darstellen.
3.4
Globalisierung der Politik
Die Globalisierung der Politik stellt einen ebenfalls nicht zu vernachlässigenden
Aspekt dar. Vor allem die Auswirkungen auf die ,,Staatlichkeit", d.h. auf die Or-
ganisation und Legitimation kollektiver Entscheidungen und deren Durchsetzung
sind dabei hervorzuheben.
23
Insbesondere die Bedingungen der staatlichen Souve-
ränität als Teil einer Gesellschaft wandeln sich grundlegend. Zum einen verändert
sich das Staatsbild vom zentral einheitlichen Akteur mit umfassenden Kompeten-
zen zu einem Teilnehmer in komplexen Verhandlungsstrukturen. Zum anderen
müssen die Lösungen von Problemfeldern wie beispielsweise der Sicherheits-,
Umwelt- und Finanzpolitik grenz- und gesellschaftsübergreifend betrachtet wer-
den.
24
Äquivalent zu den Entwicklungen ökonomischer Akteure kann auch hier
von einer zunehmenden Vernetzung durch regionale Organisationen oder Systeme
kollektiver Sicherheit wie z.B. NATO, VN, EU, OSZE gesprochen werden. Dabei
erhöhen sich die Problemlösungspotentiale durch gegenseitige Unterstützung.
Gleichzeitig erhöht sich aber auch die Abhängigkeit bei politischen Prozessen, so
dass sich die Freiheit eines einzelnen Staates hinsichtlich der eigenen Entschei-
dungskraft verringert.
25
Weitere Folgen, die sich aus der Vernetzung der Politik
ergeben, sind die veränderten Bedingungen für den Sozial- oder Wohlfahrtsstaat.
Die Integration der Rohstoff-, Arbeits- und Kapitalmärkte und die zunehmende
Allokationsfreiheit der ,,global players" führen zu einer hohen Flexibilität und
Mobilität von Personen, Gütern und Kapital. Die jeweiligen Einzelstaaten geraten
dadurch in eine sich verschärfende Konkurrenz um Investitionsmittel und damit
gleichsam um Arbeitsplätze, da ihre Attraktivität als Investitions- und Produkti-
onsstandort zunehmend von wirtschaftsfreundlichen, ordnungsrechtlichen und
steuerlichen Rahmenbedingungen abhängt.
26
Zusammenfassend lässt sich festhal-
ten, dass die Politik eine deutliche Internationalisierung erfahren hat. Das hier-
durch geschaffene Interdependenzsystem offener Gesellschaften zeichnet sich
durch eine Verlagerung von staatlichen Problemlösungen hin zu grenzübergrei-
23
Vgl. Zürn, Michael: Regieren jenseits des Nationalstaates: Globalisierung und Denationalisie-
rung als Chance, Frankfurt am Main 1998, S. 27ff.
24
Vgl. Woyke, Handwörterbuch Internationale Politik, S. 167.
25
Vgl. ebd.
26
Vgl. Plate, Grundzüge der Globalisierung.

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fenden Lösungen aus. Hiermit einher geht eine zunehmende Verankerung der
Entscheidungsprozesse bei übergreifenden und übergeordneten Organisationen.
Dadurch erhalten gesellschaftsexterne Akteure, wie z.B. die EU, NATO oder VN
erheblichen Einfluss auf den internen politischen Meinungsbildungs- und Ent-
scheidungsprozess einer Gesellschaft. Zu diesen Akteuren gehören gleichermaßen
International Nongovernmental Organizations (INGOs) und die globalen Wirt-
schaftsakteure, die im weiteren Business International Nongovernmental Organi-
zations (BINGOs) genannt werden. Besonders die Dimension der Internationali-
sierung der Politik und die Zunahme der Akteure im Interdependenzsystem offe-
ner Gesellschaften machen die gegenseitige Abhängigkeit der Gesellschaften
deutlich. Weitere Dimensionen und Entwicklungen der Globalisierung, wie zum
Beispiel die kulturelle Globalisierung, könnten hier nur genannt werden, da sie
den Schwerpunktsbereich dieser Arbeit kaum betreffen.
27
Letztlich sind alle Di-
mensionen Teil des Prozesses, bedingen sich gegenseitig und führen tendenziell
zu einer engeren Vernetzung des Interdependenzsystems offener Gesellschaften,
so dass die Globalisierung als beschleunigende Kraft bezeichnet werden kann.
Gleichzeitig ermöglichen es die Auswirkungen der Globalisierung wie z.B. die
erschwerte Kontrolle von Informations-, Kommunikations- und Transportwegen,
externen Akteuren, Einfluss auf einzelne Gesellschaften als auch auf das gesamte
System zu nehmen. Dies gilt insbesondere auch für die Nutzung der Handlungs-
felder durch den internationalen Terrorismus.
3.5
Zusammenfassende Definition
Die Vielseitigkeit des Prozesses Globalisierung und die verschiedenen Definiti-
onsversuche in der Literatur lassen sicherlich keine allgemeingültige Definition
zu. Zur Schaffung eines gemeinsamen Verständnisses als Grundlage für diese
Arbeit wird ,,Globalisierung" hier wie folgt definiert: Die Globalisierung ist ein
anhaltender Prozess, der Gesellschaften miteinander durch ein sich gegenseitig
bedingendes Abhängigkeitsverhältnis vernetzt. Ereignisse einer weit entfernten
Gesellschaft berühren somit die Handlungsfelder der eigenen Gesellschaft und
umgekehrt. Diese weltumspannende Vernetzung von Gesellschaften, Akteuren
und Handlungsfeldern ist die quantitative, qualitative und räumliche Ausdehnung
des Interdependenzsystems.
28
27
Für eine detaillierte Darstellung vgl. Woyke, Handwörterbuch Internationale Politik, S. 166f.
oder Nuscheler, Dimensionen und Folgen der Globalisierung, S. 421ff.
28
Vgl. Woyke, Handwörterbuch Internationale Politik, S. 160.

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Der Begriff des Terrorismus
Auf der Konferenz, die anlässlich des zehnten Jahrestages des ,,Barcelona Prozes-
ses"
29
in Barcelona Ende November 2005 stattfand, wurde letztmalig versucht,
sich auf eine einheitliche Definition des Begriffes ,,Terrorismus" zu einigen. Doch
auch dieser Versuch blieb wegen der Vorbehalte der Israelis und Palästinenser
erfolglos, so dass es bis heute keine umfassende und einheitliche Definition des
Terrorismus gibt.
30
Jedoch werden terroristische Handlungen in zahlreichen Reso-
lutionen der VN wiederholt als kriminelle Akte eingestuft. Die als wegweisend
geltende Resolution 49/60 vom 9.12.1994 beschreibt erstmals objektive Begriffs-
merkmale einer terroristischen Handlung und hält fest, dass ,,politisch motivierte
Gewalttaten unter keinen ideologischen, ethnischen oder sonstigen Umständen zu
rechtfertigen sind"
31
. Der Begriff des Terrorismus ist vom Status der Täterperson
losgelöst, so dass der Tatbestand des Terrorismus auch bestehen bleibt, wenn es
sich nach internationalen Regeln um einen so genannten ,,act of state"
32
han-
delt.
33
Im folgenden Abschnitt werden weitere Definitionsansätze betrachtet, um
abschließend eine Definition über den Terrorismus für diese Arbeit festzulegen.
4.1
Mögliche Definitionsansätze
Waldmann definiert Terrorismus ,,als eine Gewaltstrategie..., die primär durch die
Verbreitung von Furcht und Schrecken (...) das bestehende Herrschaftssystem
auszuhöhlen und eine mehr oder weniger grundlegende politisch-gesellschaftliche
Umwälzung herbeizuführen sucht"
34
. Er hebt dabei weiter hervor, dass es sich um
,,planmäßig vorbereitete, schockierende Gewaltanschläge gegen eine politische
Ordnung aus dem Untergrund [handelt]. Sie sollen allgemeine Unsicherheit und
Schrecken, daneben aber auch Sympathie und Unterstützungsbereitschaft erzeu-
29
Der Barcelona-Prozess steht für die Euro-Mediterrane Partnerschaft, die am 28. November 1995
auf der Außenministerkonferenz in Barcelona geschlossen wurde. Neben den EU-Mitgliedern
umfasst dieses Abkommen die Partnerstaaten Marokko, Algerien, Tunesien, Ägypten, Israel, Pa-
lästinensische Autonomiegebiete, Jordanien, Libanon, Syrien und die Türkei. Libyen blieb zwar
ausgeschlossen, nimmt aber inzwischen als Gast der jeweiligen Ratspräsidentschaft an den Treffen
teil. Die Partnerschaft soll die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zu den
südlichen und östlichen Mittelmeerstaaten vertiefen und gleichzeitig eine sicherheitspolitisch als
auch wirtschaftlich stabile Mittelmeerregion schaffen.
30
Vgl. Wieland, Leo: Terrorismus und Einwanderung, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom
26.11.2005, S. 10.
31
Warg, Gunter: Terrorismusbekämpfung in der Europäischen Union, Speyer 2002, S. 20.
32
,,Act of state" meint eine durch Staatsorgane in Auftrag gegebene Tat
33
Vgl. Warg, Terrorismusbekämpfung in der EU, S. 20.
34
Nohlen, Kleines Lexikon der Politik, S. 514.

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gen"
35
. Der ,,terroristische Akt" zeichnet sich dadurch aus, dass politische Zwecke
mittels Gewalt induziertem Handel gegen Unschuldige bewirkt werden sollen.
36
Des Weiteren kann dem Terrorismus eine besondere Kommunikationsstrategie
zugeschrieben werden, mit der der Botschaft oder dem Anliegen der Terroristen
durch spektakuläre Aktionen öffentliche Aufmerksamkeit verschafft werden
soll.
37
Dabei richten sich die terroristischen Botschaften nicht nur an den Ange-
griffenen ­ zum Beispiel warnend oder demoralisierend ­, sondern auch an einen
,,zu interessierenden Dritten (...), für dessen Interessen die Terroristen zu kämp-
fen behaupten"
38
. Terrorismus bezeichnet somit eine besondere Form der Gewalt
mit einer im weitesten Sinne politischen Zielsetzung, der eine politische Ideologie
zugrunde liegt. Dies wiederum verdeutlicht den Unterschied zu der Vorgehens-
weise der Guerillakämpfer. Im Guerillakampf geht es mit Hilfe einer militärischen
Strategie um die Vernichtung des Gegners. Wördemann hebt den Unterschied
zwischen den Kampfmethoden hervor indem er feststellt, dass die Guerillakämp-
fer den Raum besetzen, Terroristen hingegen das Denken.
39
Dadurch wird der
Aspekt des ,,Symbolischen" hervorgehoben.
Als Grundlage für diese Arbeit wird eine Terrorismusdefinition zu Grunde gelegt,
die aus Sicht der Verfasserin die wichtigsten oben genannten Teilaspekte zusam-
menfasst: Terrorismus bezeichnet das weite Feld von Gewalt induzierten terroris-
tischen Akten insbesondere gegen Unschuldige, mit denen Gruppen versuchen,
(politische) Zwecke auch unter Anwendung einer symbolischen Vorgehensweise
zu erreichen.
4.2
Veränderungen der Terrorismusformen
Im Folgenden werden Bezug nehmend auf die obige Definition, die Veränderun-
gen der terroristischen Formen dargestellt, um die signifikanten Veränderung des
Terrorismus, der Strukturen und Taktiken als auch der Entwicklungen neuer
Gruppen mit differenzierter Motivation, Reichweite, Organisationsform und Ge-
waltbereitschaft hervorzuheben. Dies verdeutlicht in bedrohlichem Maße die Dy-
35
Waldmann, Peter: Terrorismus. Provokation der Macht, München 1998, S. 10 sowie Walzer,
Michael: Fünf Fragen zum Terrorismus, in: Kallscheuer, Otto (Hrsg.): Erklärte Kriege ­ Kriegser-
klärungen. Essays , Hamburg 2003, 160ff.
36
Vgl. Meggle, Georg: Terror und Gegen-Terror, in: Schicka, Christian/ Brosda, Carsten (Hrsg.):
Medien und Terrorismus, Reaktionen auf den 11. September 2001, Münster 2002, S. 176f.
37
Vgl. Waldmann, Terrorismus. Provokation der Macht, S.10 sowie Kapitel 5.1 der vorliegenden
Arbeit.
38
Münkler, Herfried: Die neuen Kriege, Hamburg 2004, S. 179.
39
Vgl. Wördemann, Franz: Terrorismus: Motive, Täter, Strategien, München/ Zürich 1997, S. 53.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783832496333
ISBN (Paperback)
9783838696331
Dateigröße
1.3 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel – Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Politische Wissenschaft
Note
1,0
Schlagworte
september anschlag al-quaida schutzmaßnahme terroranschläge
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Titel: Das Interdependenzsystem offener Gesellschaften als Handlungsfeld des internationalen Terrorismus
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