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Die Berücksichtigung verhaltenstheoretischer Erkenntnisse bei der Altersvorsorge-Beratung und deren Vergütung

©2006 Diplomarbeit 69 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Problemstellung:
Die Notwendigkeit des Aufbaus einer privaten und eigenverantwortlichen Altersvorsorge der deutschen Bundesbürger ist unbestreitbar und gewinnt in der öffentlichen Diskussion zunehmend an Bedeutung. Die gesetzlichen Rentenversicherungssysteme, die für die meisten Menschen die Grundlage ihrer Alterssicherung darstellen, sehen sich zunehmend mit Finanzierungsschwierigkeiten konfrontiert. In der Folge sind die Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung in den letzten Jahren gesunken und werden noch weiter sinken.
Seit der Rentenreform 2001 propagiert die Bundesregierung offiziell die teilweise Substitution der gesetzlichen Rentenansprüche durch eine eigenverantwortliche kapitalgedeckte Vorsorge im privaten und betrieblichen Rahmen. Von den Bürgern wird erwartet, auf einem komplexen Gebiet individuelle Entscheidungen in einem intertemporalen Kontext zu treffen. Viele Menschen werden durch die bereits heute zu treffende Entscheidung für ihre künftige Rente überfordert, so dass sie häufig auf professionelle Hilfe angewiesen sind.
Die angemessene Risikoeinschätzung ist für die Versicherungsnehmer ein nicht zu bewältigendes Problem. Um eine fundierte Kosten-Nutzen Schätzung der Risikoabsicherung durchführen zu können, bedarf es der Auswertung statistischer Informationen und Eintrittswahrscheinlichkeiten, die diesen entweder nicht vorliegen oder von ihnen nicht korrekt verarbeitet werden können. Dies setzt eine Kenntnis über valide Prognoseverfahren und ihre Anwendungsmöglichkeiten voraus, die bei den meisten Entscheidern nicht vorhanden ist.
Es stellt sich für die Versicherungsnachfrager daher als äußerst schwierig dar, den eigenen zukünftigen Bedarf an Absicherung selbständig einzuschätzen. Zudem bieten auf dem Markt für Altersvorsorge in Deutschland eine Vielzahl von Versicherungsunternehmen, Banken und Investmentgesellschaften eine unüberschaubare Vielfalt von Produkten und Tarifvarianten an, wodurch die Auswahl zusätzlich erschwert wird. Um die Vielzahl der Informationen sinnvoll verarbeiten und Prognosen über die Performance einzelner Anlageformen aufstellen zu können, muss eine fundierte ökonomische Kenntnis über die Zusammenhänge der Größen vorhanden sein.
Die Versicherungsnachfrager sind auf dem deregulierten Versicherungsmarkt kaum mehr in der Lage, eine eigenständige Auswahlentscheidung zu treffen. Sie benötigen daher eine an ihren Interessen und individuellen Bedürfnissen ausgerichtete Beratung durch […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis
1 Motivation und Verlauf der Arbeit ... 4
1.1 Problemstellung ... 4
1.2 Gang der Untersuchung ... 7
2 Entscheidungsgrundlagen der privaten Altersvorsorge ... 8
2.1 Das optimale Sparverhalten aus normativer Sicht... 9
2.2 Das tatsächliche Sparverhalten aus deskriptiver Sicht ... 11
2.2.1 Einflussfaktoren auf die Sparneigung ... 12
2.2.2 Mentale Kontenbildung und die Behavioral Life-Cycle Hypothesis ... 14
2.2.3 Bewertungsanomalien und die Prospect Theory ... 15
2.2.4 Aversion gegen Verrentung in der Nacherwerbsphase ... 17
2.3 Implikationen für die Gestaltung von Altersvorsorgeprodukten ... 18
2.4 Implikationen für die Altersvorsorge-Beratung... 21
3 Einflussfaktoren der Altersvorsorge-Beratung ... 24
3.1 Differenzierung der Vermittlerarten ... 26
3.1.1 Einfirmenvertreter ... 27
3.1.2 Mehrfirmenmakler ... 28
3.2 Die Prinzipal-Agenten-Theorie ... 29
3.2.1 Verhaltensunsicherheiten ... 31
3.2.2 Reduktion der Informationsasymmetrien ... 33
3.2.3 Aussagen der traditionellen Prinzipal-Agenten-Theorie ... 36
3.3 Verhaltenstheoretische Erweiterungen der Agency-Theorie ... 38
3.3.1 Motivationsverdrängung ... 39
3.3.2 Wertrationalität und soziale Normen ... 41
3.3.3 Reziprozität und Ungleichheitsaversion... 43
3.4 Auswirkungen auf die Beratungsqualität... 44
4 Anreizkompatible Gestaltung des Vergütungssystems ... 47
4.1 Die Steuerungsfunktion des Vergütungssystems... 49
4.2 Festgehalt... 51
4.3 Variable Vergütung ... 53
4.4 Honorarberatung ... 55
4.4.1 Pauschalhonorar ... 57
4.4.2 Erfolgs- und zeitabhängiges Honorar... 57
5 Zusammenfassung und kritische Würdigung... 58
Literaturverzeichnis ... 62

Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Relative Bewertung ausgehend vom Referenzpunkt und
S. 16
unterschiedliche Krümmung der Kurven.
Abbildung 2: Verbuchung von Gewinnen bei Einzelbetrachtung und
S. 23
Gesamtbetrachtung

1 Motivation und Verlauf der Arbeit
1.1 Problemstellung
Die Notwendigkeit des Aufbaus einer privaten und eigenverantwortlichen Altersvorsor-
ge der deutschen Bundesbürger ist unbestreitbar und gewinnt in der öffentlichen Dis-
kussion zunehmend an Bedeutung. Die gesetzlichen Rentenversicherungssysteme, die
für die meisten Menschen die Grundlage ihrer Alterssicherung darstellen, sehen sich
zunehmend mit Finanzierungsschwierigkeiten konfrontiert. In der Folge sind die Leis-
tungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung in den letzten Jahren gesunken und
werden noch weiter sinken.
1
Seit der Rentenreform 2001 propagiert die Bundesregierung offiziell die teilweise Sub-
stitution der gesetzlichen Rentenansprüche durch eine eigenverantwortliche kapitalge-
deckte Vorsorge im privaten und betrieblichen Rahmen. Von den Bürgern wird erwar-
tet, auf einem komplexen Gebiet individuelle Entscheidungen in einem intertemporalen
Kontext zu treffen. Viele Menschen werden durch die bereits heute zu treffende Ent-
scheidung für ihre künftige Rente überfordert, so dass sie häufig auf professionelle Hilfe
angewiesen sind.
Die angemessene Risikoeinschätzung ist für die Versicherungsnehmer ein nicht zu be-
wältigendes Problem. Um eine fundierte Kosten-Nutzen Schätzung der Risikoabsiche-
rung durchführen zu können, bedarf es der Auswertung statistischer Informationen und
Eintrittswahrscheinlichkeiten, die diesen entweder nicht vorliegen oder von ihnen nicht
korrekt verarbeitet werden können. Dies setzt eine Kenntnis über valide Prognosever-
fahren und ihre Anwendungsmöglichkeiten voraus, die bei den meisten Entscheidern
nicht vorhanden ist. Es stellt sich für die Versicherungsnachfrager daher als äußerst
schwierig dar, den eigenen zukünftigen Bedarf an Absicherung selbständig einzuschät-
zen.
Zudem bieten auf dem Markt für Altersvorsorge in Deutschland eine Vielzahl von Ver-
sicherungsunternehmen, Banken und Investmentgesellschaften
2
eine unüberschaubare
1
Vgl. Börsch-Supan 2000.
2
Die Ausführungen dieser Arbeit beziehen sich auf die Beratung und Vergütung von Versicherungspro-
dukten zur Altersvorsorge. Die wesentlichen Erkenntnisse dieser Arbeit lassen sich aber grundsätzlich
auch auf andere Finanzunternehmen am Markt übertragen.

5
Vielfalt von Produkten und Tarifvarianten an, wodurch die Auswahl zusätzlich er-
schwert wird. Um die Vielzahl der Informationen sinnvoll verarbeiten und Prognosen
über die Performance einzelner Anlageformen aufstellen zu können, muss eine fundierte
ökonomische Kenntnis über die Zusammenhänge der Größen vorhanden sein.
Die Versicherungsnachfrager sind auf dem deregulierten Versicherungsmarkt kaum
mehr in der Lage, eine eigenständige Auswahlentscheidung zu treffen.
3
Sie benötigen
daher eine an ihren Interessen und individuellen Bedürfnissen ausgerichtete Beratung
durch qualifizierte Versicherungsvermittler
4
und nehmen diese auch vielfach in An-
spruch.
Die Versicherungsanbieter und Vermittler können nicht immer von einer unbeschränk-
ten Rationalität im Entscheidungsverhalten der Versicherungsnachfrager ausgehen. Die
getroffenen Entscheidungen der Individuen weichen in der Realität häufig von den op-
timalen Strategien ab, die von den neoklassischen Spartheorien vorhergesagt werden.
Ihr Verhalten in Bezug auf Finanzaktivitäten ist oftmals von Fehlentscheidungen und
nicht rationalen Strategien gekennzeichnet.
Neuere Erkenntnisse der Verhaltenswissenschaft belegen, dass Menschen in der Realität
nicht immer Erwartungsnutzenmaximierer sind, die grundsätzlich nach dem Rationali-
tätsprinzip vorgehen, sondern in ihrem Verhalten systematisch von den Vorhersagen der
neoklassischen Theorien abweichen. Kognitive Beschränkungen und Selbstkontroll-
probleme der Individuen führen zu Abweichungen vom optimalen Verhalten und einer
Tendenz zur Unterversicherung der Betroffenen. Bei der Gestaltung der Versicherungs-
produkte sowie bei deren Vermittlung ist die Berücksichtigung derartiger Verhaltens-
abweichungen somit von zentraler Bedeutung.
Die vorliegende Arbeit geht daher der Frage nach, wie die Versicherungsunternehmen
durch die Gestaltung der Produkteigenschaften in Verbindung mit der Beratungsleistung
der Vermittler eine bestmögliche Versorgung der Versicherungskunden erreichen kön-
nen. Es soll untersucht werden, wie Individuen bei ihrer privaten Altersvorsorgeent-
scheidung durch die Versicherungsunternehmen und die Versicherungsvermittler unter-
stützt werden können, damit sie ihre kognitiven Barrieren überwinden können, derer
Existenz sie sich eventuell noch gar nicht bewusst sind.
3
Vgl. Rehberg 2003, S. 30 ff.
4
Die Bezeichnungen ,,Versicherungsvermittler" oder ,,-berater" werden aus Gründen der Abwechslung
im Verlauf der Arbeit als Synonyme verwendet, eine sprachliche Differenzierung findet nicht statt.

6
Als weiteres grundlegendes Problem bei der Versicherungsvermittlung erweist sich der
diskretionäre Verhaltensspielraum des Vermittlers, da seine Anstrengungen von seinem
Auftraggeber nicht direkt überwacht werden können. Seine Beratungsleistungen und
Produktempfehlungen können weder vom Versicherungsunternehmen noch vom Versi-
cherungsnehmer kostenlos überprüft werden. Es besteht die Gefahr, dass der Vermittler
den Verhaltensspielraum ausnutzt und ein Produkt vermittelt, das nicht den Bedürfnis-
sen des Versicherungsnehmers entspricht, sondern stattdessen den Nutzen des Vermitt-
lers steigert. Die übliche Vergütungspraxis, bei der der Vermittler durch den Versiche-
rer eine an der Höhe der Beitragssumme orientierte erfolgsabhängige Vergütung erhält,
birgt die Gefahr eines opportunistischen Verhaltens. Für den Vermittler kann es durch-
aus rational sein, ein Produkt zu empfehlen, das seine Provisionszahlungen maximiert,
auch wenn dies zu Lasten des Versicherungsnehmers geht. Wenn für den Versiche-
rungsnehmer nicht der maximale oder der teuerste Versicherungsschutz optimal ist,
impliziert die momentan übliche Provisionsvergütung der Vermittlerleistungen durch
das Versicherungsunternehmen einen Fehlanreiz.
5
Die Probleme innerhalb der Vertragsbeziehung werden im Rahmen der Arbeit mit Hilfe
der Prinzipal-Agenten-Theorie modelliert und deren Auswirkungen auf das Vermittler-
verhalten analysiert. Die anreizkompatible Gestaltung der monetären Entlohnung der
Vermittlerleistungen übt einen maßgeblichen Einfluss auf die Anstrengungen und Emp-
fehlungen des Vermittlers zur Erfüllung seiner Aufgaben aus. Es stellt sich daher die
Frage nach der optimalen Gestaltung der Vergütung, die eine Steuerung des Vermittlers
in die gewünschte Richtung zulässt. Jüngere Erkenntnisse der experimentellen Wirt-
schaftsforschung widersprechen in einigen Punkten den traditionellen Erkenntnissen der
Standardtheorie, die eine Anpassung der Vergütungssysteme erforderlich erscheinen
lassen.
Das Ziel der vorliegenden Arbeit liegt in der Darstellung der Möglichkeiten, wie einer-
seits das abweichende Sparverhalten der Individuen korrigiert und damit die Versiche-
rungsnachfrager in der Wahl der für sie richtigen Altersvorsorge geleitet werden kön-
nen, und wie andererseits die Vermittler durch die Gestaltung des Vergütungssystems
zu einer bedarfsgerechten Beratung der Versicherungsnehmer angehalten werden kön-
nen.
5
Vgl. Nell/Karten 1994, S. 397 ff.

7
1.2 Gang der Untersuchung
Das zweite Kapitel beschäftigt sich zunächst mit der Frage, wie das ideale Sparverhal-
ten von Individuen im Rahmen einer privaten Altersvorsorge gestaltet sein sollte und
inwiefern das reale Sparverhalten von den theoretischen Vorhersagen abweicht. Hierzu
wird zunächst das optimale Sparverhalten aus der normativen Sicht neoklassischer
Spartheorien unter der Annahme vollständig rational handelnder Individuen dargestellt.
Anschließend werden empirisch beobachtete Abweichungen im tatsächlichen Sparver-
halten mit verhaltenstheoretischen Ansätzen dargestellt und die verantwortlichen Ein-
flussfaktoren systematischer Anomalien identifiziert. Aus den Erkenntnissen werden
geeignete Maßnahmen für die Gestaltung von Altersvorsorgeprodukten und deren Bera-
tung abgeleitet.
Das dritte Kapitel untersucht anschließend die Vertragsbeziehungen der beteiligten Ak-
teure bei der Versicherungsberatung mit dem Modellrahmen der Prinzipal-Agenten-
Theorie. Dieser auch als Agency-Theorie bezeichnete Ansatz entstammt der For-
schungsrichtung der Neuen Institutionenökonomik und wird in wissenschaftlichen Ab-
handlungen häufig zur Untersuchung von Zielkonflikten und Informationsasymmetrien
in Auftraggeber ­ Auftragnehmer Situationen verwendet. Bei der Versicherungsbera-
tung treffen im Wesentlichen die Interessen des Versicherungsnachfragers, des Versi-
cherungsunternehmens und des Vermittlers aufeinander. Das Ziel des Kapitels liegt in
der Darstellung einer optimalen Vertragsgestaltung, die die unterschiedlichen Zielsys-
teme und Kostenstrukturen beachtet. Es werden Anreizsysteme dargestellt, die eine
Steuerung des Agenten möglich machen.
Zur vereinfachten Untersuchung der Dreiecksbeziehung soll im Rahmen der vorliegen-
den Arbeit die Annahme gelten, dass das Versicherungsunternehmen und der Versiche-
rungsnachfrager die gleichen Interessen verfolgen. Annahmegemäß sind beide nur an
einer bedarfsgerechten Beratung und Versorgung des Versicherungsnehmers interes-
siert. Auf diese Weise wird das so genannte Delegationsproblem auf die Beziehung
zwischen dem Vermittler und dem Auftraggeber reduziert und komplexere Konstella-
tionen werden ausgeblendet.
6
6
Dies kann damit begründet werden, dass das Versicherungsunternehmen mit jedem Produkt annahme-
gemäß den gleichen Deckungsbeitrag erzielt, so dass die Wahl des Produktes aus Sicht des Versiche-
rungsunternehmens irrelevant ist und nur in Hinblick auf die Bedürfnisse des Kunden eine Rolle spielt.

8
Im Anschluss an die Darstellung der Erkenntnisse der traditionellen Prinzipal-Agenten-
Theorie folgt eine Erweiterung des Modellierungsrahmens um verhaltenswissenschaftli-
che Ansätze, die empirische Ergebnisse der experimentellen Wirtschaftsforschung in-
tegrieren. Hierdurch kann die Standardtheorie um soziale Faktoren wie soziale Präfe-
renzen, Wertrationalität oder soziale Normen ergänzt werden, die zu einer realistische-
ren Beschreibung menschlichen Verhaltens führen.
Auf der Basis der gewonnenen Erkenntnisse wird im vierten Kapitel die Vergütung der
Versicherungsvermittler im Hinblick auf die Anreizsteuerung untersucht und die alter-
nativen Formen der festen und variablen Vergütung sowie der Honorarberatung darge-
stellt. Das fünfte Kapitel fasst die Ergebnisse noch einmal zusammen.
2 Entscheidungsgrundlagen der privaten Altersvorsorge
Untersuchungen zum Sparverhalten deutscher Haushalte zeigen auf, dass die Struktur
der Geldvermögensbildung eine Dominanz kurzfristiger Sparanlagen aufweist, die als
Maßnahmen zur Altersvorsorge nicht geeignet erscheinen.
7
In den letzten Jahren haben
eine Vorsichts- und Abwartehaltung dazu geführt, dass Vermögen nur kurzfristig ange-
legt wird und langfristige Bindungen zu einem großen Teil gescheut werden. Dabei
müsste im Hinblick auf die gesunkenen Leistungen des gesetzlichen Systems das vor-
rangige Ziel der Betroffenen sein, ein langfristiges, kapitalgedecktes Altersvorsorge-
vermögen aufzubauen, das die Defizite der gesetzlichen Rentenversicherung zumindest
kompensieren kann. Bislang haben rund 36 bis 40 Prozent der Haushalte nicht ausrei-
chend vorgesorgt, um die sich bildende Lücke aufgrund der gesunkenen Leistungen der
gesetzlichen Rentenversicherung zu schließen.
8
Diese Diskrepanz ist unter anderem durch die Natur von Versicherungen begründet. Bei
Versicherungsprodukten handelt es sich um immaterielle Low-Interest-Produkte, die
einen hohen Erklärungsbedarf indizieren,
9
durch den einige Vorsorgewillige abge-
Durch Vermittlung eines angemessenen Produktes steigt die Kundenzufriedenheit, die sich im Zeitablauf
als langfristige Kundenbindung positiv für das Versicherungsunternehmen auswirken kann.
7
Vgl. GDV 2005, S. 4.
8
Vgl. Essig 2004, S. 196.
9
Vgl. Weiss 1988, S. 229.

9
schreckt werden. Bei Vertragsabschluss erhält der Versicherungsnehmer keine konkrete
Gegenleistung, sondern nur ein Leistungsversprechen, auf das er sich quantitativ und
qualitativ verlassen können muss. Dies mögen Gründe dafür sein, dass sich viele Leute
davor scheuen, sich generell mit abstrakten Finanzprodukten und Versicherungen zu
beschäftigen und Versicherungsprodukten gegenüber häufig desinteressiert gegenüber-
stehen. Das Desinteresse und die Unfähigkeit sind bestimmend für das weit verbreitete
Verhalten, sich Versicherungs- und Finanzprodukten gegenüber passiv und nichtrational
zu verhalten.
10
Zur Unterstützung bei der Auswahl und Betreuung ihrer Finanzgeschäfte
können Nachfrager die Hilfe von Spezialisten, den Versicherungsberatern, in Anspruch
nehmen, die auf einem unvollkommenen Markt als Informationsvermittler wirken und
somit zum Abbau von Intransparenzen und asymmetrischer Informationsverteilung bei-
tragen können.
2.1 Das optimale Sparverhalten aus normativer Sicht
Die neoklassischen Spar- und Konsumtheorien beschäftigen sich mit der Frage, wie
Individuen und Haushalte ihr Vermögen optimal in einen Konsum- und Sparprozess
aufteilen, um ihren Nutzen über die gesamte Lebenszeit zu maximieren. Es handelt sich
um durchweg normative Theorien, die ein Idealbild unter der Annahme vollkommener
Rationalität und perfekter Kapitalmärkte skizzieren. Der Entscheider wird im Modell als
rational handelnder Homo Oeconomicus definiert, der in Entscheidungssituationen un-
ter Verwendung eines mathematischen Kalküls alleine die Maximierung seines indivi-
duellen Nutzens auf Basis rationaler Überlegungen anstrebt. Psychologische Faktoren
zum menschlichen Verhalten werden bei diesem Verhaltensmodell der modernen Öko-
nomie fast vollständig ausgeblendet. Die Altersvorsorgeentscheidungen des Homo Oe-
conomicus wird in diesem Kontext allein rational mit dem Wunsch nach intertemporaler
Konsumglättung erklärt.
Die beiden wichtigsten Grundkonzepte der neoklassischen Spartheorien bilden die Le-
benszyklustheorie von Modigliani und Brumberg
11
sowie die permanente Einkommens-
10
Vgl. Farny 2000, S. 395 ff.
11
Vgl. Modigliani/Brumberg 1954.

10
hypothese von Friedman
12
. Im Grundmodell der Lebenszyklustheorie wird die gesamte
Lebenszeit eines Haushaltes in eine Ausbildungsphase, eine Erwerbsphase und eine
Nacherwerbsphase aufgeteilt und die intertemporale Konsumaufteilung über alle Phasen
betrachtet. Bei der permanenten Einkommenshypothese gleichen die Haushalte ihren
Konsum stets an ihr laufendes Einkommen an. Im Zeitverlauf findet eine Konsumglät-
tung über die Lebenszeit statt, eventuelle Einkommensschocks wirken nur gedämpft auf
den Konsum der betroffenen Perioden. Die Theorien gelangen zu dem Ergebnis, dass
ein rational handelnder Haushalt den diskontierten Grenznutzen und damit die diskon-
tierten Konsumausgaben über alle Perioden konstant halten wird, um so den individuel-
len Nutzen zu maximieren. Junge Haushalte finanzieren ihren aktuellen Konsum über
Kredite, wenn ihr laufendes Einkommen für den geglätteten Konsumwunsch zu gering
ist und sie künftige Lohnsteigerungen antizipieren. In der Erwerbsphase werden die
Kredite zurückgeführt und anschließend Vermögen für das Rentenalter angespart. Das
angesparte Vermögen wird während der Rentenphase zur Kompensation des gesunke-
nen Einkommens verwendet und bis zum Zeitpunkt ihres Ablebens vollständig entspart.
Auf diese Weise können zur Nutzenmaximierung die Konsumausgaben über alle Le-
bensphasen konstant gehalten werden.
Die Anwendung dieser Ergebnisse auf die Realität wurde in zahlreichen Untersuchun-
gen und Experimenten empirisch überprüft und teilweise falsifiziert. Entgegen der neo-
klassischen Aussagen entsparen ältere Haushalte in der Nacherwerbsphase ihr Vermö-
gen nicht vollständig, sondern weisen im Gegenteil positive Sparquoten auf.
13
Zudem
wurde beobachtet, dass in der Realität starke Korrelationen zwischen dem Einkommen
der Haushalte und deren Sparquote
14
sowie zwischen Konsum- und Einkommenspfad
bestehen.
15
In der Realität wird der Konsum demnach hauptsächlich durch das laufende
Einkommen der Periode bestimmt und nicht durch das erwartete Lebenseinkommen.
Die auf der unbeschränkten Rationalität begründeten Vorhersagen der Theorie be-
schreiben demnach nicht ausreichend die Beobachtungen in der Realität.
Auch wenn die neoklassischen Theorien durch verschiedene Erweiterungen flexibilisiert
wurden, können sie jeweils nur einen Teil des empirisch beobachteten abweichenden
Sparverhaltens erklären. Keines der normativen Modelle kann aufgrund der restriktiven
12
Vgl. Friedman 1957.
13
Vgl. Börsch-Supan 2005, S.6.
14
Vgl. Börsch-Supan 1994, S. 218 ff.
15
Vgl. Carroll/Summers 1991, S.17 ff.

11
Annahmen theoretisch und empirisch vollständig überzeugen. Die neoklassischen Ver-
haltenshypothesen sind daher eher als idealtypische Fiktion anzusehen. Ein Grund hier-
für könnte in den restriktiven Annahmen der Modelle liegen, dem rationalen Entschei-
dungsverhalten und der unterstellten Selbstkontrolle der Entscheider.
16
Die Berücksichtigung von psychologischen und soziologischen Faktoren im Modell-
rahmen der ökonomischen Theorie lässt eine realistischere Beschreibung menschlichen
Entscheidungsverhaltens zu. Aufbauend auf empirischen Untersuchungen werden Ver-
haltensmuster und systematische Abweichungen identifiziert und formalanalytisch be-
rücksichtigt. Das Postulat der vollständigen Rationalität der Individuen, das im neoklas-
sischen Theorierahmen als zentrale Annahme des Homo Oeconomicus angesehen wird,
wird dabei fallengelassen. An deren Stelle wird die Annahme mangelnder Selbstkon-
trolle der Menschen gesetzt. Den theoretischen Ansatz zur weiteren Untersuchung lie-
fern deskriptive Verhaltenstheorien, die im folgenden Kapitel vorgestellt werden und
die Grundlage für die Notwendigkeit professioneller Beratung begründen.
2.2 Das tatsächliche Sparverhalten aus deskriptiver Sicht
Zahlreiche empirische Studien attestieren den Haushalten eine zum Teil zu geringe
Sparneigung während der Erwerbsphase und in der Nacherwerbsphase eine Abneigung
gegen die Verrentung ihres Vermögens. Eine Erklärung dieser Verhaltensabweichungen
vom Postulat der Neoklassik leisten verhaltenswissenschaftlich motivierte Theorien.
Die Kritik an den neoklassischen Annahmen hat einen Prozess ausgelöst, in dessen Ver-
lauf das ökonomische Grundmodell angepasst und um psychologische Aspekte erwei-
tert wurde.
17
Unter dem Begriff ,Behavioral Economics' werden zahlreiche verhaltens-
wissenschaftliche Teildisziplinen subsumiert, die das abweichende Verhalten aus ver-
schiedenen Blickwinkeln analysieren und deskriptive Erklärungsansätze liefern.
18
An-
hand der empirischen Abweichungen werden diese Phänomene vorgestellt und deren
Bedeutung für die Produktgestaltung und die Beratungspraxis aufzeigt.
16
Vgl. Normann/Langer 2002, S. 1300.
17
Vgl. Frey/Benz 2001, S. 3 ff.
18
Eine Übersicht über die umfangreiche Literatur bietet bspw. Shleifer 2000.

12
2.2.1 Einflussfaktoren auf die Sparneigung
In der neoklassischen Theorie wird ein zeitkonsistentes Verhalten der Individuen ange-
nommen. Der Nutzen der Perioden wird dabei mit einer konstanten Diskontrate gleich-
mäßig abgezinst. Jede Periode weist die gleiche Sensitivität auf. Das tatsächlich beob-
achtbare Verhalten in der Realität lässt jedoch auf eine starke Gegenwartspräferenz für
Konsum schließen. Menschen neigen dazu, Ergebnisse relativ zu einem neutralen Be-
zugspunkt zu bewerten, wobei das Prinzip der abnehmenden Sensitivität gilt. Je weiter
ein Ereignis von dem Referenzpunkt entfernt ist, desto geringer werden Unterschiede
bewertet. Im zeitlichen Kontext bedeutet die abnehmende Sensitivität, dass Unterschie-
de in der fernen Zukunft, beispielsweise zum Zeitpunkt des entfernt liegenden Renten-
eintrittsdatums, nur mit einer geringen Bedeutung in das aktuelle Entscheidungsverhal-
ten eingehen.
19
Das Sparverhalten verringert sich, da die Unterschiede in der künftigen
Rentenhöhe heute als nicht bedeutend wahrgenommen werden und die Bereitschaft zu
heutigem Konsumverzicht entsprechend gering ist.
Die Gegenwartspräferenz deutet darauf hin, dass die Diskontrate für kurzfristige Ent-
scheidungssituationen höher ist als die Diskontsätze, die bei langfristigen Entscheidun-
gen verwendet werden. Die fallenden Diskontsätze werden in der Theorie durch das
Konzept der ,,Hyperbolischen Diskontierung" modelliert und erfahren in der Praxis eine
bessere empirische Bestätigung als die Annahme konstanter Raten.
20
Aufgrund der ab-
nehmenden Sensitivität werden Unterschiede in der weiten Zukunft geringer wahrge-
nommen und gehen nur mit geringerer Bedeutung in das aktuelle Entscheidungsverhal-
ten ein. Es gilt hier im zeitlichen Kontext das ökonomische Prinzip des abnehmenden
Grenznutzens.
21
Einem heute 24 jährigen ist vermutlich egal, ob er mit 65 oder 66 Jah-
ren in Rente gehen wird. Wenn der Zeitpunkt 40 Jahre später jedoch erreicht ist, wird es
für ihn wahrscheinlich einen Unterschied machen, ob er in ein oder zwei Jahren aus
dem Erwerbsleben ausscheidet.
22
In der Folge vermögen Individuen häufig nicht, sich
an längerfristig optimale Pläne zu halten und unterliegen stattdessen der Versuchung
des Moments.
19
Vgl. von Nitzsch/Hackethal 2005, S. 9.
20
Vgl. Cairns/van der Pol 2000, S. 202.
21
Vgl. Alhbrecht/ Weber 1995, S. 555 ff.
22
Vgl. Ainslie 2001, S. 28 ff.

13
Im Hinblick auf die Bereitschaft zur Altersvorsorge sollte hier der Versicherungsberater
aktiv eingreifen und seinem Kunden die Notwendigkeit eines frühzeitigen Aufbaus auf-
zeigen. Aufgrund der zeitlichen Ferne des Rentenalters ist die kognitive Verfügbarkeit
gerade für die jüngere Generation kaum gegeben. Im Rahmen der Entscheidungsfin-
dung bedienen sich Menschen häufig heuristischer Verfahren, um durch Anwendung
von mentalen Abkürzungen oder kognitiver Daumenregeln zu einer schnellen und ein-
fachen Lösung komplizierter Zusammenhänge zu gelangen
23
. Je besser ein Ereignis
oder Erlebnis kognitiv verfügbar ist, desto mehr Beachtung wird ihm geschenkt. Indem
der Berater dem Kunden konkrete Beispielsituationen und Gefahrenmomente verdeut-
licht, kann er bei diesem kognitive Assoziationen wecken und seinem Kunden auf diese
Weise die Notwendigkeit der Vorsorge veranschaulichen. Gleichzeitig hilft die Bera-
tung, dem Kunden die komplexe Thematik der Altersvorsorge näher zu bringen und
Zusammenhänge zu klären.
Oftmals verhindert die Komplexität, dass sich die Betroffenen überhaupt mit dem The-
ma auseinandersetzen, so dass sie letztlich keine Vorsorge treffen, um so über das ,,un-
angenehme" Thema erst gar nicht nachzudenken zu müssen. Das Thema der Altersar-
mut wird ohne einen Anstoß durch den Berater häufig nicht problematisiert und ist da-
mit kognitiv nicht verfügbar.
24
Oder Altersarmut wird erst gar nicht als bedrohliches
Risiko wahrgenommen. So wird von vielen Haushalten dieses Risiko im Vergleich zu
anderen Risikoarten als grundsätzlich kontrollierbar und damit als tendenziell harmlos
wahrgenommen. Es liegt eine Kontrollillusion vor. Diese entsteht durch das Bedürfnis
der Menschen, ihr eigenes Leben kontrollieren zu können. Kontrolldefizite, die aus
nicht beeinflussbaren externen Ursachen resultieren, werden daher häufig ignoriert, um
die aus deren Wahrnehmung resultierenden negativen Empfindungen zu vermeiden.
25
Diese kognitiven Beschränkungen führen zu einer insgesamt zu niedrigen, langfristig
ausgerichteten Sparquote.
26
Die von der normativen Lebenszyklustheorie vorhergesagte
optimale Ersparnis wird in der Folge nicht erreicht.
23
Vgl. Jungermann u.a. 1998, S. 166.
24
Vgl. Von Nitzsche/Hackethal 2005, S. 9.
25
Vgl. Langer 1975, S. 313.
26
Vgl. GDV 2005, S. 4 ff.

14
2.2.2 Mentale Kontenbildung und die Behavioral Life-Cycle Hypothesis
Eine Erweiterung der klassischen Lebenszyklustheorie stellt die Behavioral Life-Cycle
Hypothesis dar.
27
Im Gegensatz zum neoklassischen Modell berücksichtigt sie annah-
megemäß, dass die notwendige Selbstkontrolle, die die Individuen für den Sparprozess
aufbringen müssen, mit Kosten verbunden ist. Mit Hilfe der so genannten mentalen
Kontenbildung wird das Aufwenden von Selbstkontrolle zu niedrigeren Kosten ermög-
licht und die Selbstdisziplin unterstützt. Da der Konsum annahmegemäß für die Indivi-
duen einen höheren Nutzen bringt als Sparen, sind sie ständig versucht, die verfügbaren
Ressourcen direkt zu konsumieren. Das Sparen als gegenteiliger Vorgang des Konsu-
mierens ist nur unter Aufwendung von Willenskraft möglich, wodurch Selbstkontroll-
kosten beim Individuum anfallen. Um diese Kosten zu senken und eine Strategie zur
mittel- und langfristigen Ersparnisbildung zu entwickeln, bedienen sich Individuen be-
stimmter Verhaltensregeln. Aufgrund kognitiver Beschränkungen sind sie zudem nicht
in der Lage, ihre Umwelt in der vollen Komplexität wahrzunehmen beziehungsweise zu
bewerten. Hier bietet die mentale Kontenbildung eine Vereinfachung an, indem die
komplexen Zusammenhänge in den einzelnen Konten isoliert betrachtet werden.
28
Im Modell wird der Trade-Off zwischen kurzfristigem Konsum und langfristiger Er-
sparnis durch zwei getrennte mentale Entscheider modelliert. Der langfristig orientierte
,Planer' maximiert eine auf die Lebenszeit ausgerichtete Nutzenfunktion und kann als
der rationale Part angesehen werden. Er verzichtet zu Gunsten einer höheren Ersparnis
auf heutigen Konsum, während der kurzfristig orientierte ,Macher' pathologisch kurz-
sichtig handelt und nur den Nutzen der aktuellen Periode maximieren will. Der ,Ma-
cher' hat grundsätzlich die Kontrolle über die aktuell zur Verfügung stehenden Res-
sourcen, jedoch kann der ,Planer' den Konsum durch Willenskraft reduzieren. Durch
den Einsatz von Willenskraft entstehen zusätzliche Kosten für den ,Planer', die den
Gesamtnutzen des Haushaltes reduzieren.
Das Gesamtvermögen des Haushaltes wird nun in die drei mentalen Konten ,,laufendes
Einkommen", ,,Vermögensgegenstände" und ,,zukünftiges Einkommen" aufgeteilt. Un-
ter mentaler Kontenbildung versteht Thaler eine Menge kognitiver Operationen, mit
denen Individuen und Haushalte ihre finanziellen Aktivitäten organisieren, bewerten
27
Vgl. Shefrin/Thaler 1988.
28
Vgl. von Nitzsch u.a. 2004, S. 21 ff.

15
und beobachten.
29
Der Zugriff auf die Konten ist mit unterschiedlichen Nutzenabschlä-
gen verbunden. Der regelmäßige Konsumwunsch des ,Machers' wird zunächst aus dem
ersten Konto bedient, das das Budget für den laufenden Konsum beinhaltet. Der Nut-
zenabschlag einer Teilliquidation des Kontos ist bei diesem am geringsten. Will der
,Macher' nach Ausschöpfen des laufenden Einkommens auf die anderen Konten zugrei-
fen, ist dies nur mit Nutzenabschlägen möglich, da er gegen aufgestellte Verhaltensre-
geln verstößt. Der Zugriff auf das Konto ,,zukünftiges Einkommen" ist mit prohibitiv
hohen mentalen Kosten verbunden, so dass ein Zugriff stets den Gesamtnutzen des In-
dividuums mindert und somit erst intensiv abgewogen werden muss. Das Ziel ist, den
Handlungsspielraum des ,Machers' kosteneffizient einzuschränken, indem ein Teil der
Ressourcen in den Konten durch Gewohnheitsregeln gebunden und so dem Einfluss des
,Machers' entzogen wird. Durch den automatischen Abschlag wird der Zugriff des
,Machers' faktisch auf das laufende Einkommen beschränkt und dem ,Planer' fällt es
leichter, die notwendige Selbstdisziplin durchzusetzen.
Die Ergebnisse der Behavioral Life-Cycle Hypothesis wurden empirisch untersucht und
größtenteils bestätigt.
30
Es konnte beobachtet werden, dass nicht der erwartete Barwert
des gesamten Lebenseinkommens den Konsum bestimmt, sondern dass der Konsum der
Haushalte und die residuale Ersparnis vom laufenden Einkommen abhängig ist. Im Al-
ter verhindert die Anwendung der Verhaltensregeln, dass das angesparte Vermögen wie
geplant entspart wird. Diese Trägheit kann daher auch die positiven Sparraten älterer
Haushalte in der Realität erklären.
31
Somit bedarf die Überwindung dieser Verhaltens-
regeln im Rentenalter besonderer Aufmerksamkeit, um den geplanten Vermögensver-
lauf auch tatsächlich realisieren zu können.
2.2.3 Bewertungsanomalien und die Prospect Theory
Bei der Betrachtung der mentalen Konten ist die Überlegung wichtig, wie die Individu-
en die Vermögensteile innerhalb der einzelnen Konten bewerten. Wie die bekannte
Prospect Theory durch verhaltenswissenschaftliche Untersuchungen gezeigt hat, erfolgt
die Bewertung nicht linear anhand von Endvermögensveränderungen, sondern als Ge-
29
Vgl. Thaler (1999).
30
Vgl. Normann/Langer 2002, S. 1302 f.
31
Vgl. Börsch-Supan 1994, S. 218 ff.

16
winn und Verlust ausgehend von einem Referenzpunkt.
32
In jedem einzelnen Konto
setzen die Individuen einen neutralen Bezugspunkt fest, der zum Beispiel dem Kauf-
preis eines bestimmten Vermögensgegenstandes entspricht, und verspüren ausgehend
von diesem Referenzpunkt mit abnehmender Sensitivität Freude oder Leid über einen
Gewinn beziehungsweise über einen Verlust.
33
Abb. 1: Relative Bewertung ausgehend vom Referenzpunkt und unterschiedliche Krümmung der Kurven.
Quelle: Von Nitzsch u.a. 2004, S. 22.
Die Wahl des Referenzpunktes beeinflusst deutlich das Entscheidungsverhalten der In-
dividuen. Die Steigung ist im Verlustbereich gemäß empirischer Beobachtungen etwa
zweimal so hoch ist wie die Steigung im Gewinnbereich. Dieses als Verlustaversion
bezeichnete Verhalten bedeutet, dass Verluste von Menschen etwa doppelt so stark be-
wertet werden wie Gewinne. Ein möglicher Gewinn von 100 Euro wird als weniger
bedeutend gewertet als ein Verlust von 100 Euro. Im Bereich der Altersvorsorge kann
der Verlustaversion beispielsweise mit dem Einschluss von Finanzgarantien in Versi-
cherungsverträgen entgegengewirkt werden.
32
Vgl. Kahneman/Tversky 1979.
33
Vgl. von Nitzsch u.a. 2004, S. 22.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783956360183
ISBN (Paperback)
9783832496326
Dateigröße
538 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität zu Köln – Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Versicherungswissenschaft
Erscheinungsdatum
2006 (Juni)
Note
2,7
Schlagworte
rentenversicherung behavioral economics prinzipal-agent provision versicherung
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Titel: Die Berücksichtigung verhaltenstheoretischer Erkenntnisse bei der Altersvorsorge-Beratung und deren Vergütung
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