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Die Osterweiterung der Europäischen Währungsunion

Eine ökonomische Analyse der Chancen und Risiken

©2006 Diplomarbeit 96 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Problemstellung:
„The optimum currency area is not the world“ – diese Aussage des Vaters der Theorie optimaler Währungsräume und Nobelpreisträgers für Wirtschaft Robert A. Mundell markierte im Jahr 1961 den Auftakt zur Diskussion über die optimale Abgrenzung eines Währungsgebietes aus ökonomischer Perspektive. Nach anfänglich geringer Aufmerksamkeit gewann die Debatte durch die Perspektive der Einführung einer einheitlichen Europäischen Währung an politischer und wissenschaftlicher Relevanz.
Bereits 1962 wurde eine Währungsunion in Europa von der Europäischen Kommission in ihr Aktionsprogramm zur Europäischen Wirtschaft- und Währungsunion aufgenommen und mit der Beauftragung des damaligen Luxemburger Ministerpräsidenten Pierre Werner zur Erstellung eines Stufenplans zur Einführung einer gemeinsamen Europäischen Währung konkretisiert. Neue theoretische Erkenntnisse und die Erfahrungen mit dem Euro haben neue Einsichten in die Wohlfahrtseffekte einer Währungsunion ermöglicht. Dies veranlasste Mundell mehr als 40 Jahre nach der Veröffentlichung seiner Pionierarbeit zur Revidierung seiner Hypothese: „the global economy needs a global currency“.
Mit der Aufnahme zehn neuer Mitgliedsstaaten aus Mittel- und Osteuropa in die Europäsche Union am 1. Mai 2004 sind diese Länder zugleich auch der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion als Bestandteil des acquis communautaire beigetreten. Damit ist die Einführung des Euros in den Beitrittsländern mit der Erfüllung der im EG-Vertrag festgelegten rechtlichen und ökonomischen Bedingungen obligatorisch, lediglich der Zeitpunkt der Euro-Einführung ist noch offen. Bereits heute nehmen die Länder Estland, Litauen, Slowenien, Lettland, und die Slowakei am Wechselkursmechanismus II teil, der in zwei Jahren die Aufnahmefähigkeit eines Beitrittskandidaten unter Beweis stellen und damit die Einführung des Euros ermöglichen soll. Damit wäre ein Beitritt der drei erstgenannten Staaten bei Erfüllen der anderen Konvergenzkriterien bereits ab Mitte des Jahres 2006 möglich. Aus ökonomischer Perspektive stellt sich die Frage, inwieweit die Aufnahme weiterer Länder in die Europäische Währungsunion Vor- und Nachteile für die bisherigen Mitgliedsländer und die beitretenden Länder mit sich bringen wird und ob die Maastrichter Konvergenzkriterien einen Garanten für einen erfolgreichen Aufnahmeprozess und die Bestimmung des Beitrittszeitpunktes darstellen.
Die vorliegende Arbeit befasst sich aus ökonomischer […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 9558
Lorenczik, Christian: Die Osterweiterung der Europäischen Währungsunion - Eine
ökonomische Analyse der Chancen und Risiken
Druck Diplomica GmbH, Hamburg, 2006
Zugl.: FOM - Fachhochschule für Oekonomie und Management Essen, Diplomarbeit,
2006
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2006
Printed in Germany


I
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis... IV
Abbildungsverzeichnis... V
Tabellenverzeichnis... VI
Symbolverzeichnis... VI
1 Einleitung ...1
1.1 Problemstellung ...1
1.2 Zielsetzung...2
1.3 Gang der Untersuchung...3
2 Theorie optimaler Währungsräume ...4
2.1 Klassische Theorien zu optimalen Währungsräumen...4
2.1.1 Paradigma flexibler Wechselkurse ...5
2.1.2 Kriterium der Faktormobilität ...5
2.1.3 Kriterium der Offenheit ...8
2.1.4 Kriterium der Diversifikation...10
2.1.5 Finanzmarktintegration und Finanztransfersysteme ...10
2.1.6 Politische Integration ­ Angleichung der Präferenzsysteme der
beteiligten Staaten ...12
2.1.7 Kritische Würdigung der klassischen Theorien ...14
2.2 Vergleich der Kosten- und Nutzeneffekte einheitlicher Währungsgebiete...15
2.2.1 Verringerung der Transaktionskosten ...15
2.2.2 Verringerung der Wechselkursunsicherheit und zunehmende
Kapitalmarktintegration ...16
2.2.3 Verbesserung der volkswirtschaftlichen Stabilität ...17
2.2.4 Bewertung des Nettowohlstandseffekts ...17
2.3 Metakonzept der Symmetrie der Störungen ...18
2.3.1 Asymmetrische Angebots- und Nachfrageschocks...19
2.3.2 Asymmetrische Schocks als Kostenfaktor einer Währungsunion und
Anwendung zur Bestimmung einer Währungsunion ...20
2.3.3 Intra-industrieller Handel und inter-industrieller Handel ...21
2.3.4 Asymmetrische Transmissionsprozesse als Auslöser asymmetrischer
Störungen ...21
2.4 Integration neuer Erkenntnisse der Volkswirtschaft in die OWR-Theorie...22
2.4.1 Annahme einer vertikalen Phillips-Kurve...22

II
2.4.2 Glaubwürdigkeit der Geldpolitik...24
2.4.3 Effektivität nominaler Wechselkursänderungen ...29
2.4.4 Lucas Kritik und die Endogenität der Kriterien der OWR-Theorie...31
2.4.5 Reale Konvergenz und der Balassa-Samuelson-Effekt ...34
2.4.6 Kritische Würdigung ...36
2.5 Anwendung der Theorie optimaler Währungsräume auf die Beitrittsländer
der EU...37
2.6 Zusammenfassung...38
3 Europäische Währungsunion ...39
3.1 Einführung der Europäischen Währungsunion ...39
3.2 Institutionen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion ...41
3.2.1 Position der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion im
Rechtsgefüge der Europäischen Union...42
3.2.2 Ausübung der Währungspolitik im EZB-Rat ...43
3.2.3 Verteilung der fiskalpolitischen und geldpolitischen Kompetenzen...44
3.3 Aufnahme weiterer Länder in die Wirtschafts- und Währungsunion...44
3.3.1 Status der Nichtteilnehmerländer in der Wirtschafts- und Währungsunion
...45
3.3.2 Ökonomische Voraussetzungen der EWU-Mitgliedschaft ­ die
Konvergenzkriterien...45
3.3.2.1 Kriterium der Preisstabilität ...46
3.3.2.2 Kriterium der öffentlichen Finanzen...46
3.3.2.3 Kriterium der Wechselkursentwicklung ...47
3.3.2.4 Kriterium des langfristigen Zinssatzes...48
3.3.3 Nicht-ökonomische Voraussetzungen für die WWU-Mitgliedschaft ...48
3.4 Fiskalpolitische Harmonisierung durch den Stabilitäts- und Wachstumspakt48
3.5 Aufnahmeverfahren zur Teilnahme an der Währungsunion ...50
3.6 Kritische Würdigung ...50
4 Chancen und Risiken der Aufnahme der Mittel- und Osteuropäischen Länder
in das Euro-Währungsgebiet ...51
4.1 Vergleich der Kriterien der Theorie optimaler Währungsräume und des
Vertrags von Maastricht ­ reale versus nominale Konvergenz ...52
4.2 Stand der Aufnahmefähigkeit der Beitrittskandidaten zur Wirtschafts- und
Währungsunion...53
4.2.1 Status der Konvergenzerfüllung nach den Maastrichter Kriterien ...54

III
4.2.2 Aufnahmefähigkeit nach der Theorie optimaler Währungsräume ...55
4.2.2.1 Symmetrie der Störungen ...56
4.2.2.2 Einfluss des Balassa-Samuelson-Effekts...59
4.2.2.3 Bisherige Konvergenzentwicklung und Endogenität in der
Europäischen Währungsunion...63
4.2.3 Unterschiede zwischen Konvergenzkriterien und OWR-Theorie ...63
4.3 Chancen und Risiken der Einführung des Euros in den MOEL...64
4.3.1 Perspektive der Beitrittsstaaten...64
4.3.1.1 Vorteile eines frühen Beitritts zur Eurozone...65
4.3.1.2 Risiken einer verfrühten Euroeinführung...65
4.3.2 Perspektive der aktuellen Euro-Länder ...67
4.3.2.1 Nutzen eines Beitritts der MOEL zur Eurozone ...67
4.3.2.2 Risiken für die jetzigen Mitgliedsstaaten ...67
4.3.3 Verbesserung der Beitrittsfähigkeit durch weiter gehende Konvergenz .68
4.4 Aufnahmeprozess auf dem Weg zur Einführung des Euros...70
4.4.1 Zeitpunkt der Aufnahme in die Europäische Währungsunion ...70
4.4.2 Währungspolitische Optionen im Konvergenz- und Aufnahmeprozess ..71
4.5 Osterweiterung der Eurozone und die weltwirtschaftliche Stellung des Euros
...73
4.6 Kritische Würdigung ...74
5 Fazit ...75
Literaturverzeichnis ...79

IV
Abkürzungsverzeichnis
a.M.
am Main
Art.
Artikel
Aufl.
Auflage
BIP
Bruttoinlandsprodukt
bspw.
Beispielsweise
bzw.
beziehungsweise
d.h.
das heißt
ebd.
ebenda
Diss.
Dissertation
dies.
dieselben
ebd.
ebenda
EG
Europäische Gemeinschaft
EGV
Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft
et al.
et alii
etc.
et cetera
EMU
European Monetary Union
ESZB
Europäische System der Zentralbanken
EU
Europäische Union
EWG
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
EWS
Europäische Währungssystem
EWU
Europäische Währungsunion
EZB
Europäische Zentralbank
f.
folgende
ff.
fortfolgende
ggf.
gegebenenfalls
Hrsg.
Herausgeber
i.d.R.
in der Regel
Jg.
Jahrgang
MOEL
Mittel- und Osteuropäische Länder
Nr.
Nummer
NZB
Nationale Zentralbank
o.O.
ohne Ort
o.S.
ohne Seite

V
OWR
Optimaler Währungsraum
Rn.
Randnummer
S.
Seite
sog.
sogenannte(n)
SWP
Stabilitäts- und Wachstumspakt
u.a.
unter anderem
u.U.
unter Umständen
USA
United States of America
vgl.
vergleiche
WKM
Wechselkursmechanismus
WWU
Wirtschafts- und Währungsunion
z.B.
zum Beispiel
z.T.
zum Teil
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Asymmetrische Nachfrageverschiebung...6
Abbildung 2: Präferenzen in Ländern A und B bei konvexer Phillips-Kurve ...13
Abbildung 3: Optimaler Umfang einer Währungsunion ...18
Abbildung 4: Angebots- und Nachfrageschock ...19
Abbildung 5: Währungsunion unter der Annahme vertikaler Phillips-Kurven...23
Abbildung 6: Indifferenzkurven der Notenbank ...25
Abbildung 7: Effekt unerwarteter Inflation auf die Arbeitslosigkeit ...26
Abbildung 8: Inflations-Unterbeschäftigungs-Gleichgewicht bei diskretionärer
Geldpolitik...27
Abbildung 9: Inflations-Unterbeschäftigungs-Gleichgewicht innerhalb einer
Währungsunion ...29
Abbildung 10: Einkommens- und Preiseffekte bei flexiblen Wechselkursen...30
Abbildung 11: Endogenität von Handelsintegration und Korrelation der
Konjunkturzyklen ...32
Abbildung 12: Schockkorrelation der Länder der Eurozone 1990-1995 und der
MOEL zur Europäischen Währungsunion 1996-2001...57
Abbildung 13: BIP pro Kopf der Beitrittsländer in % des durchschnittlichen BIP der
Eurozone 1993 und 2002 ...60
Abbildung 14: Arbeitsproduktivität der Beitrittsländer relativ zur Eurozone 2001 ...62

VI
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Status der Erfüllung der Maastrichter Kriterien...54
Tabelle 2: Veränderung der Inflationsraten ...55
Tabelle 3: Reale Aufwertung der MOEL im Vergleich zur Eurozone ...61
Tabelle 4: Wechselkurssysteme der MOEL ...71
Symbolverzeichnis
D
Nachfrage
E
Gleichgewichtspunkt
Abwertungsdruck nach Kaufkraftparitätentheorie
I
Indifferenzkurve
n
Anzahl
n*
optimale Anzahl
P
Preisniveau
Inflation
e
erwartete Inflation
PC
lfr.
langfristige Phillips-Kurve
PC
kfr.
kurzfristige Phillips-Kurve
Produktivitätswachstum
S
Angebot
S
lfr
langfristiges Angebot
S
kfr
kurzfristiges Angebot
U
Arbeitslosigkeit
U
n
natürliche Arbeitslosigkeit
Lohnwachstumsrate
Y
Volkseinkommen
%
Prozent
Euro

1 Einleitung
1.1 Problemstellung
,,The optimum currency area is not the world"
1
­ diese Aussage des Vaters der
Theorie optimaler Währungsräume und Nobelpreisträgers für Wirtschaft Robert A.
Mundell markierte im Jahr 1961 den Auftakt zur Diskussion über die optimale
Abgrenzung eines Währungsgebietes aus ökonomischer Perspektive. Nach
anfänglich geringer Aufmerksamkeit gewann die Debatte durch die Perspektive der
Einführung einer einheitlichen Europäischen Währung an politischer und
wissenschaftlicher Relevanz. Bereits 1962 wurde eine Währungsunion in Europa
von der Europäischen Kommission in ihr Aktionsprogramm zur Europäischen
Wirtschaft- und Währungsunion aufgenommen und mit der Beauftragung des
damaligen Luxemburger Ministerpräsidenten Pierre Werner zur Erstellung eines
Stufenplans zur Einführung einer gemeinsamen Europäischen Währung
konkretisiert.
2
Neue theoretische Erkenntnisse und die Erfahrungen mit dem Euro
haben neue Einsichten in die Wohlfahrtseffekte einer Währungsunion ermöglicht.
Dies veranlasste Mundell mehr als 40 Jahre nach der Veröffentlichung seiner
Pionierarbeit zur Revidierung seiner Hypothese: ,,the global economy needs a
global currency."
3
Mit der Aufnahme zehn neuer Mitgliedsstaaten aus Mittel- und Osteuropa in die
Europäsche Union am 1. Mai 2004 sind diese Länder zugleich auch der
Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion als Bestandteil des acquis
communautaire
4
beigetreten. Damit ist die Einführung des Euros in den
Beitrittsländern mit der Erfüllung der im EG-Vertrag festgelegten rechtlichen und
ökonomischen Bedingungen obligatorisch, lediglich der Zeitpunkt der Euro-
Einführung ist noch offen.
5
Bereits heute nehmen die Länder Estland, Litauen,
Slowenien, Lettland, und die Slowakei am Wechselkursmechanismus II teil, der in
zwei Jahren die Aufnahmefähigkeit eines Beitrittskandidaten unter Beweis stellen
1
Mundell, R. A. (1961), S. 659.
2
Vgl. Deutsche Bundesbank (2005), S. 10 f.
3
Mundell, R. A. (2003), S. 39.
4
Der acquis communautaire bezeichnet den gemeinschaftlichen Besitzstand der Mitglieds-
staaten der Europäischen Union, zu dem die Europäischen Verträge mit dem darauf
beruhenden Recht zählen und der von allen Mitgliedern anzunehmen ist; vgl. Herdegen, M.
(2005), Rn. 92, 160.
5
Vgl. Schadler, S. et al. (2005), S. 83.

2
und damit die Einführung des Euros ermöglichen soll. Damit wäre ein Beitritt der
drei erstgenannten Staaten bei Erfüllen der anderen Konvergenzkriterien bereits ab
Mitte des Jahres 2006 möglich. Aus ökonomischer Perspektive stellt sich die
Frage, inwieweit die Aufnahme weiterer Länder in die Europäische Währungsunion
Vor- und Nachteile für die bisherigen Mitgliedsländer und die beitretenden Länder
mit sich bringen wird und ob die Maastrichter Konvergenzkriterien einen Garanten
für einen erfolgreichen Aufnahmeprozess und die Bestimmung des
Beitrittszeitpunktes darstellen.
1.2 Zielsetzung
Die vorliegende Arbeit befasst sich aus ökonomischer Perspektive mit den
Chancen und Risiken der Einführung des Euros in den Mittel- und Osteuropäischen
Beitrittsländern (MOEL). Ziel ist dabei einerseits die Beurteilung, inwieweit die im
Maastrichter Vertrag festgelegten Konvergenzkriterien als Aufnahmebedingungen
geeignet und ausreichend sind und mit den theoretischen Überlegungen zur
Abgrenzung eines optimalen Währungsraumes konform gehen. In diesem Kontext
wird ebenso untersucht, welche Risiken sich bei einer Aufnahme ergeben können,
falls diese zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem noch keine ausreichende
Konvergenz erreicht ist. Dabei ist auch zu beachten, dass sich die Beitrittsländer
nach wie vor in einem wirtschaftlichen Transformationsprozess von der
Zentralverwaltungswirtschaft zu Zeiten der Sowjetunion zur Marktwirtschaft
befinden. Andererseits wird der bisherige Stand der Konvergenzerfüllung aus Sicht
der Konvergenzkriterien und auf der Basis empirischer Studien der Theorie
optimaler Währungsräume untersucht, um eine Bewertung der Beitrittsfähigkeit
vornehmen und eine Einschätzung der Chancen und Risiken einer baldigen
Aufnahme der Mittel- und Osteuropäischen Länder in die Europäische
Währungsunion geben zu können. Darüber hinaus erfolgt die Abwägung einer
früheren oder späteren Teilnahme an der Währungsunion und des geeigneten
Aufnahmeprozesses bis zur Aufnahme. Letzterer beinhaltet im Gegensatz zur
Konstituierung der Eurozone ­ die für alle Teilnehmer zugleich erfolgte
6
­ mehr
Freiheitsgrade, da der Zeitpunkt der Aufnahme der Beitrittsländer nicht
6
Beim Start des Euros als Buchgeldwährung am 01.01.1999 war Griechenland noch nicht
beteiligt, mit der Erfüllung der Konvergenzkriterien trat es jedoch am 01.01.2001 der Eurozone
bei; vgl. Deutsche Bundesbank (2005), S. 10 f.

3
determiniert, sondern zunächst an eine mindestens zweijährige Teilnahme am
Wechselkursmechanismus II gebunden ist.
1.3 Gang der Untersuchung
Um eine strukturierte Analyse der Chancen und Risiken eines Beitritts der Mittel-
und Osteuropäischen Länder in die Europäische Währungsunion zu ermöglichen,
werden zunächst die wichtigsten Modelle der Theorie optimaler Währungsräume
(OWR-Theorie) dargestellt. Dabei werden zunächst die grundlegenden
Überlegungen der Pionierphase der OWR-Theorie vorgestellt, die auch im weiteren
Verlauf der Theorieentwicklung den analytischen Rahmen geprägt haben. Während
diese sich zunächst mit den Kosten einer Währungsunion auseinandersetzen,
befasst sich der folgende Abschnitt mit den Nutzenaspekten eines einheitlichen
Währungsgebiets. Darauf aufbauend erfolgt eine Vorstellung der modernen
Theorieansätze, unter denen das Konzept der Symmetrie der Störungen eine
Integration
verschiedener
Einzelkriterien
darstellt
und
damit
eine
Operationalisierung der OWR-Theorie erst ermöglicht. Die modernen Beiträge zur
Theorie stellen den Aspekt der Glaubwürdigkeit der Geldpolitik, die Notwendigkeit
einer realen Konvergenz der Teilnehmer und die dem Beitritt zu einer
Währungsunion inhärenten Veränderungsprozesse in den Vordergrund.
Kapitel 3 befasst sich anschließend mit der Europäischen Wirtschafts- und
Währungsunion (WWU) als solcher. Eine Analyse der Chancen und Risiken einer
Erweiterung der Eurozone kann nur innerhalb der durch die rechtliche und
institutionelle Ausgestaltung gesetzten Rahmenbedingungen erfolgen. Daher
erfolgt hier eine Darlegung der Entwicklung und aktuellen Lage des Eurosystems.
Kapitel 4 stellt die Ansätze der Theorie optimaler Währungsräume den
tatsächlichen Gegebenheiten innerhalb der WWU gegenüber. Dabei werden
Divergenzen in der Aufnahmefähigkeit der MOEL aus der Warte der Maastrichter
und der OWR-Kriterien und damit verbundene Auswirkungen auf die Abgrenzung
des Euro-Währungsgebietes herausgearbeitet. Die Auswertung empirischer
Studien dient der Analyse der im Vorfeld und nach der Einführung des Euros
angestoßenen Entwicklungen in den Beitrittsländern. Zudem werden sowohl die
spezifischen Vor- und Nachteile, die sich für einzelne Mitgliedsstaaten aus einem
Beitritt in die Europäische Währungsunion ergeben können, als auch die
Perspektive der derzeitigen Teilnehmerstaaten erörtert.

4
2 Theorie optimaler Währungsräume
Zur Analyse der Aufnahmefähigkeit der der EU am 1. Mai 2004 beigetretenen
Länder in die Währungsunion wird die Theorie optimaler Währungsräume
herangezogen. Die Darstellung unterscheidet dabei zwischen verschiedenen
Paradigmen der Abgrenzung eines optimalen Währungsraumes (OWR), die im
Verlauf der Theorieentwicklung herausgearbeitet wurden. Dabei werden zunächst
die klassischen Theorien genannt, die sich auf einzelne Abgrenzungskriterien
stützen, um die Kosten einer Währungsunion zu bestimmen. Anschließend erfolgen
die Darstellung der Nutzeneffekte einheitlicher Währungsgebiete sowie des sich
daraus ergebenden Kosten-Nutzen-Vergleichs. Des Weiteren wird das Paradigma
der Symmetrie der Störungen vorgestellt, das nicht einzelne Faktoren zur
Abgrenzung eines OWR heranzieht, sondern diese aus der Korrelation der
Konjunkturzyklen der potentiell beteiligten Volkswirtschaften herleitet. Abschließend
werden moderne Ansätze der OWR-Theorie dargestellt, die neue Entwicklungen
der Makro- und Mikroökonomie berücksichtigen.
2.1 Klassische Theorien zu optimalen Währungsräumen
Die klassische Theorie optimaler Währungsräume befasst sich primär mit den
Kosten einer einheitlichen Währung, die auf Grund eines Anpassungsdrucks einer
Region oder eines Landes an Veränderungen internationaler Handelsbedingungen
(terms of trade
7
) entstehen können. Mit einer Einführung einer einheitlichen
Währung verlieren die beteiligten Länder die Möglichkeit, mit Hilfe des
Wechselkurses und einer autonomen Geldpolitik auf konjunkturelle Schwankungen
und exogene Schocks zu reagieren. Durch die Abgabe dieser Kompetenz an eine
supranationale Institution, i.d.R. eine gemeinsame Zentralnotenbank, wird eine
einheitliche Geldpolitik für alle Mitgliedsstaaten ausgeübt. Die klassische Theorie
optimaler Währungsräume untersucht dabei die Existenz und Effizienz alternativer
Anpassungsmöglichkeiten, die den Einsatz des Wechselkurses entbehrlich
machen. Zudem wird analysiert, welche Kosten aus dem Verlust des
Wechselkursinstruments entstehen, d.h. inwieweit sich durch dessen Einsatz eine
bessere Anpassung erreichen ließe als über alternative Mechanismen. Diese
7
In der engl. Literatur wird der Begriff terms of trade verwendet, mit dem der äußere Wert einer
Währung im internationalen Handel (reales Austauschverhältnis zwischen Volkswirtschaften)
bezeichnet wird. Die Berechnung erfolgt über den Quotient von Exportgüterpreisniveau und
Importgüterpreisniveau; ein steigender Wert bedeutet dabei, dass weniger Exporte für den
Erwerb der gleichen Importgüter erforderlich sind; vgl. u.a. Hohlstein, M. et al. (2003), S. 617.

5
Überlegungen stellen den analytischen Rahmen bei der Abgrenzung optimaler
Währungsräume dar. Im folgenden Abschnitt wird zunächst das von Milton
Friedman geprägte Paradigma flexibler Wechselkurse als Ausgangspunkt der
OWR-Theorie dargestellt; anschließend folgt die Betrachtung verschiedener
Kriterien zur Bestimmung optimaler Währungsräume und ihrer Bedeutung bei der
Abgrenzung dieser.
2.1.1 Paradigma flexibler Wechselkurse
Bevor es zur Entstehung der Theorie optimaler Währungsräume kam, beschränkte
sich die Diskussion im Zeitalter des Bretton Woods Systems und relativ stabiler
Wechselkurse
8
darauf, inwieweit flexible Wechselkurse an Stelle der engen
Bandbreiten von Bretton Woods eine bessere Anpassung an sich verändernde
ökonomische Gegebenheiten ermöglichen können. Milton Friedman geht dabei in
seinem berühmten Aufsatz The Case For Flexible Exchange Rates auf die
Schwierigkeit einer Anpassung an gesamtwirtschaftliche Veränderungen ohne
Wechselkursanpassung ein, da starre Nominallöhne und die Präferenz für
inländische Preisniveaustabilität keinen Raum zur Sicherstellung der
Wettbewerbsfähigkeit ließen.
9
Daher spricht Friedman sich für flexible
Wechselkurse aus, die er bereits 1953 als Grundlage nationaler und internationaler
Stabilität unter dem Szenario zunehmender internationaler Handelsverflechtungen
ansah: ,,the absence of flexible exchange rates is almost certain to be incompatible
with unrestricted multilateral trade. ... any changes in conditions of trade can be
met only by changes in reserves, internal prices and monetary conditions, or direct
controls over imports, exports, and other exchange transactions."
10
2.1.2 Kriterium der Faktormobilität
Den Grundstein zur Theorie optimaler Währungsräume legte Robert Mundell 1961
mit seinem Artikel A Theory of Optimum Currency Areas. Aufbauend auf der
Theorie Friedmans betrachtet Mundell die Abgrenzung eines optimalen
Währungsgebietes, innerhalb dessen eine gemeinsame Währung bzw. feste
Wechselkurse vorhanden sind, zu anderen Gebieten jedoch flexible Wechselkurse
bestehen. Danach handelt es sich bei einem OWR um ein Gebiet, in dem innerhalb
8
Eine Erläuterung des Bretton Woods-Systems findet sich in Volz, G. (1998), S. 57 f.
9
Vgl. Friedman, M. (1953), S. 165.
10
Ebd., S. 196.

6
der einzelnen Regionen unter Wahrung von Preisniveaustabilität und
Vollbeschäftigung ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht gewahrt bleibt.
11
Ausgangspunkt der Analyse ist eine Änderung der terms of trade: Angenommen
wird ein exogener Nachfrageschock, der als Nachfrageverschiebung von den
Gütern des Gebietes A zu den Gütern des Gebietes B ­ welche sich zuvor im
Gleichgewicht und bei Vollbeschäftigung befanden ­ dargestellt werden kann. Auf
Grund der Tatsache, dass beide Gebiete in unterschiedlicher Weise von der
Nachfrageverschiebung betroffen sind, wird dieser auch als asymmetrischer
Schock bezeichnet.
12
Folgende Abbildung zeigt die Auswirkungen auf die
aggregierten Angebots- und Nachfragekurven der Gebiete A und B:
Abbildung 1: Asymmetrische Nachfrageverschiebung
13
Durch die asymmetrische Nachfrageverschiebung ergibt sich in Gebiet A eine
Verringerung der Nachfrage (D), Deflation (P) und Arbeitslosigkeit (Y), sofern
keine Anpassung an die geänderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erfolgt.
Andererseits besteht im Gebiet B die Gefahr eines steigenden Preisniveaus P auf
Grund der erhöhten Nachfrage nach inländischen Gütern.
14
Wie Friedman geht
Mundell davon aus, dass eine Reduktion der Nominallöhne in Land A zur
Anpassung an die geringere Nachfrage nicht möglich ist
15
; während ersterer jedoch
allein nominale Wechselkursänderungen als effektives Anpassungsinstrument
ansieht, erschließt Mundell das Kriterium der Faktormobilität, speziell der
11
Vgl. Herrmann, S. (2001), S. 22.
12
Vgl. De Grauwe, P. (2005), S. 6.
13
In Anlehnung an: De Grauwe, P. (2005), S. 6.
14
Vgl. De Grauwe, P. (2005), S. 6.
15
Vgl. Mundell, R. A. (1961), S. 658.
P
A
Y
A
S
A
D
A
P
B
Y
B
S
B
D
B

7
Arbeitskräftemobilität, als Alternative zu Nominallohn- oder Preisniveauänderungen
zum Ausgleich von gesamtwirtschaftlichen Schwankungen. Ist ein hohes Maß an
Arbeitskräftemobilität gegeben, stellt sich folgender Anpassungsprozess ein: Das
Absinken der Nachfrage nach Gütern des Gebietes A führt zu einer
Beschäftigungsminderung, wohingegen die erhöhte Nachfrage nach Gütern des
Gebietes B und die damit verbundene höhere Nachfrage nach dem Faktor Arbeit
eine Lohnsteigerung induzieren. Bei vorhandener Arbeitskräftemobilität werden
überschüssige Arbeitskräfte des Gebietes A eine Beschäftigung in B aufnehmen,
so dass keine Lohnveränderung erforderlich ist und das Beschäftigungsniveau
insgesamt gehalten werden kann.
16
Geht man von Lohnrigidität und unvollständiger
Arbeitskräftemobilität
17
aus, kann die Anpassung nicht unter der Wahrung von
Vollbeschäftigung und Preisniveaustabilität erfolgen. Gebiet A sieht sich mit
Unterbeschäftigung konfrontiert, während B eine erhöhte Inflation erfährt. Verfolgt
B jedoch eine restriktive Geldpolitik zur Stabilisierung der Inflation, hat A allein
Anpassungskosten in Form von Lohn- und Outputsenkungen bei einer Reduktion
des Realeinkommens zu tragen.
18
Im Falle flexibler Wechselkurse kann der
Anpassungsprozess durch eine Abwertung der Währung des Gebietes A und eine
Aufwertung der Währung des Gebietes B erfolgen.
19
Als Folge ergibt sich eine
konträre Reaktion zur Nachfrageverschiebung mit einer Rückkehr zum
ursprünglichen Gleichgewicht.
Schließen sich Gebiete zu einer Währungsunion zusammen, die keinen optimalen
Währungsraum bilden ­ im Modell Mundells also wegen unzureichender
Arbeitskräftemobilität als Alternative zum Wechselkurs keine effektive Anpassung
an asymmetrische Störungen zulassen ­ kann kein stabiles Gleichgewicht bei
asymmetrischen Störungen erreicht werden. Durch den Anpassungsdruck muss
ein Anstieg der Arbeitslosigkeit oder Inflation in Kauf genommen werden, da nicht
16
Vgl. De Grauwe, P. (2005), S. 7.
17
Diese ist auch gegeben, wenn Arbeitskräfte auf Grund ihrer Spezialisierung nicht oder nicht
ohne zusätzliche Kosten im anderen Gebiet arbeiten können; vollständige
Arbeitskräftemobilität kann also nur unter der Annahme eines homogenen Produktionsfaktors
Arbeit angenommen werden; vgl. Kenen, P. B. (1969), S. 44.
18
Vgl. Mundell, R. A. (1961), S. 658; Horváth, R., Komárek, L. (2002), S. 9.
19
Diese kann bei Marktpreisbildung des Wechselkurses über eine expansive Geldpolitik in A
bzw. restriktive Geldpolitik in B erfolgen bzw. durch die Anpassung des bilateralen
Wechselkurses durch staatliche bzw. Garantie der Zentralnotenbanken; vgl. De Grauwe, P.
(2005), S. 8.

8
beides simultan verhindert werden kann.
20
Daraus ergibt sich, dass optimale
Währungsräume nur kleine Gebiete umfassen, für die Mundell den Begriff der
Region prägt. Diese sind durch eine einheitliche Produktionsstruktur
gekennzeichnet und damit i.d.R. nicht mit einem Staatsgebiet koinzident. Tritt nun
zwischen den Regionen innerhalb eines Staates eine Nachfrageverschiebung auf,
kann das Instrument des Wechselkurses nicht genutzt werden
21
; ein optimaler
Währungsraum definiert sich daher durch interne Arbeitskräftemobilität und externe
-immobilität. Ist dies auf nationaler Ebene nicht gewährleistet, kann das Argument
flexibler Wechselkurse nicht greifen, da die Regionen unterschiedliche
Geldpolitiken erfordern. Da Währungsgebiete Ausdruck staatlicher Souveränität
sind und nicht nach Regionen bzw. OWR gegliedert werden, ist das Instrument
flexibler Wechselkurse also umso weniger anwendbar, desto weniger Staaten
optimale Währungsgebiete repräsentieren. Anders ausgedrückt sind die Kosten
aus dem Verzicht auf einen flexiblen Wechselkurs in einer Währungsunion für
einen Staat umso geringer, desto mehr Regionen er beinhaltet, zwischen denen
keine vollständige Arbeitskräftemobilität besteht.
22
2.1.3 Kriterium der Offenheit
Dem Beispiel Mundells folgend, ergänzt McKinnon die OWR-Theorie um ein
weiteres Abgrenzungskriterium. Dabei untersucht er den Einfluss des
Offenheitsgrades einer Volkswirtschaft auf die Wirksamkeit des Wechselkurses zur
Wiederherstellung eines externen und internen Gleichgewichts.
23
Offenheit
bezeichnet das Verhältnis von handelbaren zu nicht-handelbaren Gütern; zu den
handelbaren Gütern gehören dabei alle Güter, die im Inland produziert und
exportiert werden können sowie importierbare Güter, die auch im Inland produziert
werden. Zu den nicht-handelbaren Gütern zählen vor allem Dienstleistungen.
Angenommen wird eine kleine Volkswirtschaft, d.h. Veränderungen von Angebot
und Nachfrage des Landes haben keinen Einfluss auf den Weltmarkt, es handelt
sich also um einen Preisnehmer.
24
20
Vgl. Mundell, R. A. (1961), S. 659.
21
Es wird davon ausgegangen, dass innerhalb eines Staates nicht mehrere Währungen genutzt
werden.
22
So auch Mundell, R. A. (1961), S. 664.
23
Vgl. McKinnon, R. I. (1963), S. 717.
24
Vgl. Traud, G. R. (1996), S. 35.

9
Ausgangslage ist wie bei Mundell ein Gleichgewicht, wobei zuerst der Fall einer
offenen Volkswirtschaft (hoher Anteil handelbarer Güter an der Gesamtproduktion),
dann der einer geschlossenen Volkswirtschaft (niedriger Anteil handelbarer Güter
an der Gesamtproduktion) betrachtet wird. Im ersten Fall würde sich eine
Anpassung des Wechselkurses (Abwertung) bei Auftreten eines negativen
exogenen Nachfrageschocks in einem gestiegenen inländischen Preisniveau
wiederfinden, da dieses in hohem Maße durch die Weltmarktpreise determiniert
wird. Bei Vorliegen einer vollkommen offenen Volkswirtschaft ist ein
Zahlungsbilanzausgleich ausschließlich über geringeren inländischen Konsum zu
erreichen; eine Änderung des Wechselkurses wirkt sich demgegenüber nur auf das
inländische Preisniveau aus und hätte damit keinen Anpassungsnutzen.
25
Im zweiten Fall ist der Anteil der handelbaren Güter an der Gesamtproduktion eher
gering, der Offenheitsgrad der Volkswirtschaft dementsprechend niedrig. Hier führt
eine Abwertung zu einer Veränderung der relativen Preise zwischen handelbaren
und nicht-handelbaren Gütern, wobei erstere relativ teurer und letztere relativ
billiger werden. Durch die dadurch stimulierte Angebotserhöhung von Export- und
Nachfrageverringerung bei Importgütern stellt sich wieder ein Gleichgewicht ein.
Eine restriktive Fiskalpolitik wie im ersten Fall würde demgegenüber primär den
Bereich der nicht-handelbaren Güter treffen und sich unverhältnismäßig stark auf
die Beschäftigung auswirken.
26
McKinnon zeigt in seiner Analyse, dass der Offenheitsgrad negativ mit den Kosten
einer Währungsunion korreliert. Bei steigendem Anteil handelbarer Güter an der
Gesamtproduktion sinken die Kosten innerhalb einer Währungsunion durch den
Verzicht auf das Instrument des Wechselkurses, da dieses durch den starken
Einfluss handelbarer Güter auf das inländische Preisniveau nicht die erforderliche
Änderung der terms of trade und der Reallöhne ermöglicht.
27
Dabei besteht i.d.R.
eine negative Korrelation zwischen der Größe einer Volkswirtschaft und deren
Offenheitsgrad; einer kleinen Volkswirtschaft werden also geringere Kosten beim
Eintritt in einer Währungsunion entstehen und vice versa.
28
25
Vgl. McKinnon, R. I. (1963), S. 719.
26
Vgl. ebd., S. 720.
27
Vgl. Horváth, R., Komárek, L. (2002), S. 12.
28
Vgl. Mongelli, F. P. (2002), S. 9.

10
2.1.4 Kriterium der Diversifikation
Mundells Theorie zur Zuordnung von Regionen zu optimalen Währungsräumen ist
dadurch gekennzeichnet, dass das geographische Ausmaß der Währungsräume
eher gering ist und eine hohe Anzahl an Währungen erforderlich ist, um die
Anpassung an exogene Schocks effektiv zu gestalten.
29
Dem steht zum einen die
reale Orientierung eines Währungsgebietes an Staatsgebieten gegenüber, zum
anderen die zunehmende Ineffizienz der Geldwirtschaft, da die Erfüllung der
originären Geldfunktionen nicht mehr gegeben ist.
30
Kenen geht in seiner Analyse
daher nicht von der Annahme aus, ein optimaler Währungsraum definiere sich
durch das Kriterium der Faktormobilität zwischen in sich homogenen Regionen,
sondern stellt die Vorteilhaftigkeit diversifizierter ­ und damit eine Vielzahl von
Regionen umfassender ­ Staaten heraus, zwischen denen keine vollständige
Faktormobilität angenommen werden kann.
31
Die Grundannahme von Kenen ist, dass Störungen der internationalen terms of
trade in einer diversifizierten Volkswirtschaft nur einzelne Brachen betreffen, deren
Anteil an der Gesamtproduktion gering ist und somit keine Anpassungsreaktion des
bilateralen Wechselkurses erfordern.
32
Je höher der Grad der Diversifizierung einer
Volkswirtschaft, desto geringer werden demnach auch deren Kosten bei Verzicht
auf das Instrument nominaler Wechselkursänderungen sein. Anders als beim
Kriterium der Offenheit spricht dies eher für große Volkswirtschaften, die i.d.R. eine
höhere Diversifikation aufweisen.
33
2.1.5 Finanzmarktintegration und Finanztransfersysteme
Weitere Alternativen zur Anpassung an Veränderungen der terms of trade stellen
die Finanzmarktintegration der an einer Währungsunion beteiligten Länder sowie
ein System staatlicher Finanztransfers dar, wie es innerhalb der Länder der EU
anzutreffen
ist.
Generell
senkt
ein
System
zum
Ausgleich
von
Einkommensschwankungen den Anpassungsdruck über den Wechselkurs und
damit die Kosten einer Währungsunion, es besteht jedoch das Problem des Moral
29
Vgl. Kenen, P. B. (1969), S. 44.
30
Dieser Tatsache ist sich Mundell sehr wohl bewusst: ,,Money is a convenience and this
restricts the number of currencies", geht jedoch nicht weiter auf den Tradeoff ein; vgl.
Mundell, R. A. (1961), S. 662.
31
Vgl. Kenen, P. B. (1969), S. 49.
32
Vgl. Hermann, S. (2001), S. 26.
33
Vgl. Mongelli, F. P. (2002), S. 9.

11
Hazard: durch den Ausgleich von Einkommensverlusten besteht ein geringerer
Anreiz zu Gegenmaßnamen bei asymmetrischen Schocks, wodurch sich
Strukturschwächen einer Region festsetzen können.
34
Daher kann ein Ausgleich
nur bei temporären Ungleichgewichten angewandt werden; im Falle permanenter
Veränderungen der terms of trade sind Anpassungsmaßnahmen unumgänglich.
35
,,the income transfers should not prevent the adjustment from operating. If transfer
have this effect, the receiving country is saddled by permanent disequilibria, and
the transfer obtains a permanent character."
36
Der Nutzen liegt damit in einem
Ausgleich temporärer Schocks ­ im Falle permanenter Schocks in einer längeren
Übergangsphase, in der der Anpassungsprozess schrittweise vollzogen werden
kann.
Das Konzept der Finanzmarktintegration geht auf Ingram zurück, der auf einen
Ausgleich von Einkommensunterschieden in Folge temporärer Schocks durch
Finanztransfers hinwies. Während Ingram eine Kreditaufnahme negativ betroffener
Länder vorschlug, hob Mundell auf einer Konferenz zu optimalen Währungsräumen
1970 die Bedeutung internationaler Diversifizierung hervor.
37
Bestehen
gegenseitige Ansprüche am wirtschaftlichen Erfolg zwischen Ländern, wird ein
negativer Schock im Inland durch Erträge im Ausland ausgeglichen; ebenso sind
ausländische Anleger an inländischen Verlusten beteiligt. Im Festhalten an flexiblen
Wechselkursen
sieht
Mundell
eine
Hinderung
fortschreitender
Finanzmarktintegration durch die dadurch verursachte Unsicherheit der Anleger.
Als Beispiel führt er die geringe Integration innerhalb Europas im Vergleich zu den
USA an.
38
Im Rückgriff auf Mundell begründet McKinnon mangelnde internationale
Diversifikation speziell auf Anleihemärkten mit einer Präferenz für festverzinsliche
Anlagen und einer Aversion gegenüber Fremdwährungsrisiken auf Seiten privater
Anleger. Daher beschränkt sich Diversifikation lediglich auf Anlagen, die in eigener
Währung denominiert sind, womit kein Ausgleich asymmetrischer Schocks
erfolgt.
39
34
Vgl. De Grauwe, P. (2005), S. 10.
35
Vgl. Mongelli, F. P. (2002), S. 9.
36
De Grauwe, P. (2005), S. 9.
37
Vgl. Mundell, R. A. (1973b), S. 115 ff; eine ausführliche Diskussion der Vorteile einer Finanz-
marktintegration im Kontext einer Währungsunion findet sich bei McKinnon, R. I. (2002).
38
Vgl. Mundell, R. A. (1973a), S. 146 ff.
39
Vgl. McKinnon, R. I. (2002), S. 253 f.

12
Ein Ausgleich asymmetrischer Schocks kann auch in Form staatlicher
Finanztransfersysteme erfolgen.
40
Dies ist innerhalb vieler Ländern zum Ausgleich
regionaler Unterschiede gegeben: Im Fall eines exogenen Schocks in einer Region
sinkt die Abgabenlast z.B. der Gemeinde oder des Landes an den Bund durch das
geringere Steueraufkommen. Zudem erhält die Region Transferleistungen in Form
von Arbeitslosenunterstützung oder Infrastrukturmaßnahmen. Dazu muss innerhalb
einer Währungsunion jedoch ein hohes Budget zur Verfügung stehen, um die
erforderlichen Leistungen aufrechterhalten zu können.
41
Ist ein solches System
etabliert, erfolgt eine Verringerung des Anpassungsdrucks auf den Wechselkurs
und es ergeben sich geringere Kosten einer einheitlichen Währung.
2.1.6 Politische Integration ­ Angleichung der Präferenzsysteme der
beteiligten Staaten
Bei Konstituierung eines gemeinsamen Währungsraumes zwischen souveränen
Staaten übertragen diese einen Teil ihrer wirtschaftspolitischen Kompetenz,
speziell der Geldpolitik, an eine supranationale Instanz, i.d.R. eine gemeinsame
Zentralnotenbank. Daher ist eine Angleichung wirtschaftspolitischer Präferenzen
bezogen auf Preisniveauziele, Beschäftigung, Wirtschaftswachstum und
außenwirtschaftliches Gleichgewicht notwendig, um die Kosten des Verzichts auf
eine individuelle Geldpolitik zu verringern.
42
Konkrete Bedeutung erlangt das Kriterium homogener Präferenzen der
Mitgliedsstaaten einer Währungsunion bei der Festlegung der Inflationsrate für das
Währungsgebiet, dessen Wert aufgrund der Interdependenz wirtschaftlicher Ziele
auch Einfluss auf andere gesamtwirtschaftliche Größen hat. Unter der Annahme
einer konvexen Phillips-Kurve zeigt die folgende Abbildung mögliche Konflikte bei
der Festsetzung des Inflationszieles:
40
So auch Kenen, P. B. (1969), S. 47.
41
Vgl. De Grauwe, P. (2005), S. 10.
42
Vgl. Traud, G. R. (1996), S. 103.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783832495589
ISBN (Paperback)
9783838695587
DOI
10.3239/9783832495589
Dateigröße
1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
FOM Essen, Hochschule für Oekonomie & Management gemeinnützige GmbH, Hochschulleitung Essen früher Fachhochschule – Wirtschaftswissenschaften
Erscheinungsdatum
2006 (Mai)
Note
1,3
Schlagworte
volkswirtschaft geldpolitik konvergenzkriterien währungsräume europäische union
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Titel: Die Osterweiterung der Europäischen Währungsunion
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