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Bergarbeiter in Bolivien - Versuch einer Neubearbeitung eines klassischen Dokumentarfilms

©2004 Diplomarbeit 214 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Im Rahmen seines Studiums der Kultur- und Medienpädagogik leistete der Autor dieser Arbeit ein frei organisiertes Praktikum in Südamerika ab, dessen Inhalt das Erstellen von Material für einen Dokumentarfilm über die Minenarbeit in Bolivien war.
Auf dieses Thema stieß der Autor durch das Lesen des Buches von Domitila Barrios de Chungara, in dem die unmenschlichen Arbeits- und Lebensbedingungen der Minenarbeiter Boliviens beschrieben wurde. Da das Buch vor über 20 Jahren veröffentlicht wurde, wuchs der Wunsch, mit eigenen Augen zu sehen, wie sich die Situation der Minenarbeiter in Bolivien heute darstellt, um dies zu dokumentieren.
Der Dokumentarfilm wurde in diesem Jahr an der Fachhochschule Merseburg fertiggestellt. Dabei entschied sich der Autor für eine kommentarfreie Umsetzung, um die Kraft der Bilder nicht zu überdecken, sie auf den Zuschauer wirken zu lassen und zum Nachdenken anzuregen.
Diese Art der filmischen Umsetzung entspricht jedoch nicht den Konventionen der aktuell in der Medienwelt vorrangigen Formate. Da ein (medien)pädagogischer Einsatz des erstellten Dokumentarfilms „Minenalltag in Potosí, Bolivien“ angedacht ist, soll die Wirkungsweise einer ersten Untersuchung unterzogen werden.
Folgende Fragestellungen sollen bearbeitet werden:
- Wie wirkt die filmische Neubearbeitung des Bergarbeiterthemas auf die Probanden?
- Wirft der Film aufgrund des fehlenden Kommentars Fragen auf, die die Probanden beantwortet wissen möchten?
- Werden die Probanden zu einer selbständigen Auseinandersetzung mit dem Thema animiert?
Im ersten Kapitel beschäftigt sich der Autor mit den Grundlagen des Dokumentarfilms. Besonders wichtig ist die Frage nach der Möglichkeit einer authentischen Darstellung der Wirklichkeit im Film, die seit der Entstehung des Films immer wieder diskutiert wird.
Der zu untersuchende Dokumentarfilm „Minenalltag in Potosí, Bolivien“ besitzt einen hohen ethnographischen Anteil, weil detailliert eine bestimmte Arbeit einer bestimmten Gruppe gezeigt wird. Deshalb werden ebenfalls die Grundlagen des ethnographischen Films behandelt und dieser als eine Untergruppe des Dokumentarfilms eingeordnet.
Kapitel zwei ist dem (Zinn-)Bergbau in Bolivien gewidmet. Dieser hat sich durch die Reprivatisierung des hochverschuldeten staatlichen Bergbaus seit dem Jahre 1985 grundlegend in seiner Struktur geändert. Der Preisverfall des Zinns seit dem großen Zinncrash, also dem Zusammenbruch des internationalen […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 9542
Röhr, Andreas: Bergarbeiter in Bolivien - Versuch einer Neubearbeitung eines klassischen
Dokumentarfilms
Druck Diplomica GmbH, Hamburg, 2006
Zugl.: Fachhochschule Merseburg, Diplomarbeit, 2004
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2006
Printed in Germany



Inhaltsverzeichnis
0
Einführung
1
1
Grundlagen
des
Dokumentarfilms
4
1.1
Annäherung an eine Definition
des
Dokumentarfilms
4
1.2
Dokumentarfilmgeschichte
6
1.2.1 Die Anfänge der Kinematographie und des Dokumentarfilms
6
1.2.2 Der Dokumentarfilm Anfang der 20er bis Ende der 50er Jahre des letzten
Jahrhunderts
9
1.2.3 Die Entwicklung seit den 60er Jahren
13
1.3
Das Problem der Authentizität im Dokumentarfilm
16
1.4
Grundlagen
des
ethnographischen
Films
22
1.4.1 Definitionsversuche und Einordnung des ethnographischen Films
22
1.4.2
Geschichte
des
ethnographischen
Film
25
1.5
Zusammenfassung
29
2
Der
Bergbau
in
Bolivien
31
2.1
Einführung
32
2.1.1
Daten
zu
Bolivien
32
2.1.2
Regionalgeologischer
Überblick
33
2.1.3 Probleme der bolivianischen Bergbauförderung
37
2.1.4 Kurzer
geschichtlicher
Abriß des Bergbaus in Bolivien
37
2.2
Der bolivianische Bergbau bis 1985
40
2.2.1 Der staatliche Bergbau (,,Corporación Minera de Bolivia, COMIBOL") 40
2.2.2 Der ,,mittlere Bergbau" (,,minería mediana")
41
2.2.3 Der ,,kleine Bergbau" (,,minería chica")
42
2.2.4
Die
Bergbaugenossenschaften 42
2.3
Die Entwicklung des bolivianischen Bergbaus nach 1985
43
2.3.1 Auswirkungen der Nueva Política Económica, der ,,Neuen
Wirtschaftspolitik"
43
2.3.2 Informelle Aspekte des Bergbaus in Bolivien
46
2.3.3 Anteile der Bergbausubsektoren in Abbildungen
50
2.4
Zusammenfassung
52
3
Untersuchung: Wirkungsweise des Dokumentarfilmes
,,Minenalltag in Potosí, Bolivien" (2004)
54
3.1
Vorstellung und Beschreibung der Filme ,,Bergarbeiter im Hochland
von Bolivien" (1966) und ,,Minenalltag in Potosí, Bolivien" (2004)
54
3.1.1 ,,Bergarbeiter im Hochland von Bolivien" von Martin Schließler (1966) 54
3.1.1.1
Daten
/
Inhaltsbeschreibung
54
3.1.1.2 Beschreibung des Begleitheftes zum Film von Dr. Karl Schmid
57
3.1.2 ,,Bergarbeiter im Hochland von Bolivien" mit einer
Kommentarneufassung von Bernward Wember, Irene Amann und
Martin
Thurmair
(1971)
62
3.1.2.1 ,,Objektiver Dokumentarfilm?" von Bernward Wember
62
3.1.2.2
Kommentarneufassung 65
3.1.3 ,,Minenalltag in Potosí, Bolivien" von Andreas Röhr (2004)
66

3.1.3.1
Daten
/
Inhaltsbeschreibung
66
3.1.3.2 Begründung der Entscheidung für einen Dokumentarfilm ohne
Kommentar
68
3.2
Qualitative Untersuchung der Wirkungsweise des Films
70
3.2.1
Ziele
der
Untersuchung
70
3.2.2
Auswahl
der
Untersuchungsmethode 72
3.2.2.1 Inhaltliche Auseinandersetzung und Begründung der Methodenauswahl 72
3.2.2.2 Das fokussierte Interview nach Merton und Kendall
76
3.2.3
Durchführung
83
3.2.3.1
Interviewleitfaden
83
3.2.3.2
Auswahl
der
Untersuchungspersonen 84
3.2.3.3
Untersuchungssituation
85
3.2.3.4 Problemanalyse bei der Interviewdurchführung:
86
3.2.4
Auswertung
86
3.2.4.1 Methodenauswahl zur Auswertung und Analyse qualitativer
Interviewdaten
86
3.2.4.2 Auswertungsmethode: Die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring
88
3.2.4.3
Transkription
91
3.2.4.4 Analyseverfahren: Zusammenfassende Inhaltsanalyse nach Mayring 92
3.3
Interpretation der Untersuchungsergebnisse
96
4
Resumé 107
5
Quellenangaben
109
5.1
Bücher
/
Zeitschriften
109
5.2
Internet 113
5.3
Filme
113

Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1a: Lüem, Barbara / Galizia, Michele: Versuch einer Typologisierung des
Ethno-Film; in: Husmann, Rolf (Hrsg.): Mit der Kamera in fremden Kulturen; Ems-
detten1987, S. 31
Abbildung 1b: Lüem, Barbara / Galizia, Michele: Versuch einer Typologisierung des
Ethno-Film; in: Husmann, Rolf (Hrsg.): Mit der Kamera in fremden Kulturen;
Emsdetten 1987, S. 32
Abbildung 2: Lüem, Barbara / Galizia, Michele: Versuch einer Typologisierung des
Ethno-Film; in: Husmann, Rolf (Hrsg.): Mit der Kamera in fremden Kulturen; Ems-
detten 1987, S. 30
Abbildung 3: Corporación Minera de Bolivia: Reservas Mineralógicas de Bolivia, La
Paz, Bolivien 1967, S. 29; Barth, Walter: Die geowissenschaftliche Literatur Boli-
viens in den Jahren 1960-1971. Ein Überblick; in: Zentralblatt für Geologie und Pa-
läontologie, Heft 12, Stuttgart 1972, S. 99-130; entnommen aus: Stolz, Martin: Der
genossenschaftliche Bergbau in Bolivien, Münster 1984, S. 46
Abbildung 4: COMIBOL, 1985; entnommen aus: Löbel, Elke: Informelle Aspekte
des bolivianischen Bergbausektors, Baden-Baden 1994/95, S. 34
Abbildung 5: INE, 1990; SALINAS, 1991; entnommen aus: Löbel, Elke: Informelle
Aspekte des bolivianischen Bergbausektors, Baden-Baden 1994/95, S. 97
Abbildung 6: SALINAS, 1991; Asociacion Nacional de Mineros Medianos, 1991;
entnommen aus: Löbel, Elke: Informelle Aspekte des bolivianischen Bergbausektors,
Baden-Baden 1994/95, S. 97
Abbildung 7: Asociacion Nacional de Mineros Medianos, 1992; entnommen aus:
Löbel, Elke: Informelle Aspekte des bolivianischen Bergbausektors, Baden-Baden
1994/95, S. 98
Abbildung 8: Mayring, Philipp: Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techni-
ken, (Neuausg.), Weinheim 1988, S. 49
Abbildung 9: Mayring, Philipp: Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techni-
ken, (Neuausg.), Weinheim 1988, S. 55

1
0 Einführung
Im Rahmen seines Studiums der Kultur- und Medienpädagogik leistete der Autor
dieser Arbeit ein frei organisiertes Praktikum in Südamerika ab, dessen Inhalt das
Erstellen von Material für einen Dokumentarfilm über die Minenarbeit in Bolivien
war.
Auf dieses Thema stieß der Autor durch das Lesen des Buches von Domitila Barrios
de Chungara
1
, in dem die unmenschlichen Arbeits- und Lebensbedingungen der
Minenarbeiter Boliviens beschrieben wurde. Da das Buch vor über 20 Jahren
veröffentlicht wurde, wuchs der Wunsch, mit eigenen Augen zu sehen, wie sich die
Situation der Minenarbeiter in Bolivien heute darstellt, um dies zu dokumentieren.
Der Dokumentarfilm wurde in diesem Jahr an der Fachhochschule Merseburg
fertiggestellt. Dabei entschied sich der Autor für eine kommentarfreie Umsetzung,
um die Kraft der Bilder nicht zu überdecken, sie auf den Zuschauer wirken zu lassen
und zum Nachdenken anzuregen.
Diese Art der filmischen Umsetzung entspricht jedoch nicht den Konventionen der
aktuell in der Medienwelt vorrangigen Formate. Da ein (medien)pädagogischer
Einsatz des erstellten Dokumentarfilms ,,Minenalltag in Potosí, Bolivien" angedacht
ist, soll die Wirkungsweise einer ersten Untersuchung unterzogen werden.
Folgende Fragestellungen sollen bearbeitet werden:
1. Wie wirkt die filmische Neubearbeitung des Bergarbeiterthemas auf die
Probanden?
2. Wirft der Film aufgrund des fehlenden Kommentars Fragen auf, die die
Probanden beantwortet wissen möchten?
3. Werden die Probanden zu einer selbständigen Auseinandersetzung mit dem
Thema animiert?
1
Barrios de Chungara, Domitila: ,,Wenn man mir erlaubt zu sprechen..." Zeugnis der Domitila, einer Frau aus den Minen
Boliviens / Viezzer, Moema (Hrsg.); 4. Aufl., Bornheim-Merten 1980

2
Im ersten Kapitel beschäftigt sich der Autor mit den Grundlagen des
Dokumentarfilms. Besonders wichtig ist die Frage nach der Möglichkeit einer
authentischen Darstellung der Wirklichkeit im Film, die seit der Entstehung des
Films immer wieder diskutiert wird.
Der zu untersuchende Dokumentarfilm ,,Minenalltag in Potosí, Bolivien" besitzt
einen hohen ethnographischen Anteil, weil detailliert eine bestimmte Arbeit einer
bestimmten Gruppe gezeigt wird. Deshalb werden ebenfalls die Grundlagen des
ethnographischen Films behandelt und dieser als eine Untergruppe des
Dokumentarfilms eingeordnet.
Kapitel zwei ist dem (Zinn-)Bergbau in Bolivien gewidmet. Dieser hat sich durch die
Reprivatisierung des hochverschuldeten staatlichen Bergbaus seit dem Jahre 1985
grundlegend in seiner Struktur geändert. Der Preisverfall des Zinns seit dem großen
Zinncrash, also dem Zusammenbruch des internationalen Zinnabkommens im selben
Jahr, verstärkte die Probleme innerhalb der bolivianischen Montanindustrie.
Vielen Bergarbeitern in Bolivien bleibt durch diese Entwicklungen oft nur die
Möglichkeit, eine Tätigkeit innerhalb des sogenannten ,,informellen Bergbausektors"
anzunehmen, die mit einer fehlenden sozialen Absicherung und somit weiterhin sehr
schwierigen Arbeits- und Lebensbedingungen verbunden ist.
Kapitel drei ist der Hauptteil der Arbeit und betrifft die Untersuchung über die
Wirkungsweise des Dokumentarfilms ,,Minenalltag in Potosí, Bolivien".
Vor der eigentlichen Untersuchung wird sich mit dem Dokumentarfilm ,,Bergarbeiter
im Hochland von Bolivien" aus dem Jahre 1966 auseinandergesetzt, da er in seiner
filmischen Umsetzung mit durchgängigem Kommentar ein Gegenstück zum
Dokumentarfilm des Autors darstellt. ,,Bergarbeiter im Hochland von Bolivien"
wurde über Jahre in den Schulen der BRD verwendet. Bernward Wember
2
hat sich
mit dem manipulativen Charakter ­ vor allem des Kommentars ­ dieses Filmes
auseinandergesetzt und Fehlleistungen aufgezeigt. Der Autor dieser Arbeit betrachtet
im speziellen das beigefügte Begleitheft des Filmes näher, da zum möglichen
2
Wember, Bernward: Objektiver Dokumentarfilm? Modell einer Analyse und Materialien für den Unterricht. (Erweiterter und
überarbeiteter Sonderdruck aus der Zeitschrift ,,Jugend Film Fernsehen", Heft 2-3 / 1971)

3
(medien)pädagogischen Einsatz des eigenen Films ebenfalls ein Begleitheft
angedacht ist.
Anschließend wird die Untersuchung des Filmes ,,Minenalltag in Potosí, Bolivien"
dargestellt, ausgewertet und interpretiert.
Im vierten Kapitel werden die Untersuchungsergebnisse zusammengefasst und
Schlüsse für die weitere mögliche Verwendung des Filmes bzw. der Untersuchung
gezogen.

4
1 Grundlagen des Dokumentarfilms
1.1 Annäherung an eine Definition des Dokumentarfilms
Der Begriff ,documentary' wurde angeblich (so auch in den meisten
Veröffentlichungen als ,,Ursprungsort" dieses Begriffes beschrieben) zum ersten Mal
von John Grierson in einem Artikel der ,,New York Sun" vom 8. Februar 1926 in
einer Kritik zu Robert Flahertys Film ,,Moana. A Romance of the Golden Age"
("Moana" 1926) gebraucht: "Of course Moana, being a visual account of events in
the daily life of a Polynesian youth, has documentary value."
3
Abgeleitet wurde er
vom französischen Wort ,documentaire', "...mit dem die Franzosen ihre Reisefilme
bezeichneten."
4
Winston ,,entdeckte" jedoch einen Text von 1914, in welchem der Begriff
,documentary' im gleichen Sinn verwendet wird. In einem Prospekt der ,Continental
Film Company' wird eine Serie von Filmen, die nach Edward Curtis wegen ,,...ihrer
dokumentarischen Qualität ihren Wert eher behalten würden als viele Spielfilme."
5
,,The question might be raised as to whether the documentary material would not
lack the thrilling interest of the fake picture. It is the opinion of Mr. Curtis that the
real life of the Indian contains the parallel emotions to furnish all necessary plots ...
All pictures made should be classed among the educational, and should be preserved
as part of the documentary material of the country ... It must be admitted that the
making of such a series of pictures would be the most difficult thing attempted in
motion photography, but it can be done, and will be one of the most valuable
documentary works which can be taken up at this time."
6
3
John-Grierson-Archiv (G1A,4,1,1), Universität von Stirling, Schottland / Großbritannien; zitiert nach: Hörl, Patrick: Film als
Fenster zur Welt. Eine Untersuchung des filmtheoretischen Denkens von John Grierson. Konstanz 1996, S. 86; vgl. auch auf
Deutsch: ,,...Moana, ein Bildbericht von den täglichen Ereignissen, wie sie ein polynesischer Junge in seinem Alltagsleben
sieht, hat dokumentarischen Wert" in: Hardy, Forsyth (Hrsg.): Grierson und der Dokumentarfilm, Gütersloh 1947 [erstm. Engl.:
London 1946], S. 15
4
Hardy, Forsyth; a. a. O., S. 15
5
Hörl, Patrick; a. a. O., S. 109
6
Winston, Brian: Before Flaherty. Before Grierson, in ,Sight & Sound', Herbst 1988, S. 279 [Holm, Bill / Quimby, George
Irving: Edward S. Curtis in the Land of the War Canoes, Washinton 1980, S. 113-114]; zitiert nach: Hörl, Patrick; a. a. O., S.
109f

5
Curtis sowie Grierson verwenden ,documentary' jeweils im Sinne eines Adjektivs.
Bekannt geworden ist der Begriff durch Grierson dann als Substantiv, als die
Bezeichnung für eine von ihm in verschiedensten Aufsätzen beschriebene
Filmrichtung. ,,Der ,documentary film' soll eine Einführung in die Struktur des
modernen Lebens bieten, er soll die Fülle der Wirklichkeit vorführen, in der wir
leben, er soll der einen Hälfte der Menschheit zeigen, wie die andere existiert, kurz,
was er zu bieten hat ist eine ,creative dramatisation of actuality'."
7
Anfangs für eine bestimmte Filmbewegung gebraucht, hat sich der Begriff
,documentary' von seinen historischen Wurzeln weit entfernt und bezeichnet heute
jede Art von Dokumentar- und Tatsachenfilmen ­ also potentiell jeden Film, der mit
authentischem Material umgeht.
8
,,Am ehesten handhabbar erweist sich immer noch die sehr allgemeine Definition,
wonach dokumentarisch ist, was nicht erfunden und nicht von Darstellern gespielt
ist, also was man im Englischen ,nonfiction' nennt."
9
Detaillierter beschreibt
Wilhelm Roth: ,,Als Dokumentarfilm anerkannt wird in der Regel ein Film, der
Ereignisse abbildet, die auch ohne die Anwesenheit der Kamera stattgefunden hätten,
in dem reale Personen in ihrem Alltag auftreten - ein Film also, der sich an das
Gefundene hält (nicht an das Erfundene), der die ,physische Realität' (Kracauer)
rettet, sie für die künftigen Generationen aufbewahrt."
10
Heinz-B. Heller und Peter Zimmermann weisen zum Problem der Abgrenzung des
sogenannten ,,klassischen Dokumentarfilms" darauf hin: ,,Medienhistorisch
ursprünglich im Kontext der genuinen Filmproduktion als globaler Gegenbegriff zum
Fiktionsfilm entstanden, verlor er in dem Maße seine Genrekonturen, in dem das
Fernsehen sowohl produktions- wie distributionsästhetisch ein breites Spektrum
medienspezifisch neuer dokumentarischer Filmformen ausbildete: von der Live-
Übertragung über die Nachrichtensendung und den Kurzbericht (vor allem in der
7
Plaut, Richard: Taschenbuch des Films, Zürich 1946, S. 115; zitiert nach: Dehnert, Walter: Fest und Brauch im Film. Der
volkskundliche Film als wissenschaftliches Dokumentationsmittel. Eine Analyse. Teil 1, Marburg 1994, S. 25
8
vgl. Hörl, Patrick; a. a. O., S. 55
9
Black Box, Nr. 64; Filmpolitischer Informationsdienst, Hamburg, Februar 1992; zitiert nach: Berg-Walz, Benedikt: Vom
Dokumentarfilm zur Fernsehreportage, Berlin 1995, S. 59
10
Roth, Wilhelm: Der Dokumentarfilm seit 1960, München und Luzern 1982, S. 185

6
zum Magazin kompilierten Form) bis hin zum Feature oder gar den ,faction'-
Produktionen wie dem Dokumentarspiel."
11
In dieser Arbeit wird sich der Autor dem Begriff des ,,klassischen Dokumentarfilms"
anschließen und im Zusammenhang des von ihm erstellten Dokumentarfilms die
Filmgattung des ethnographischen Films näher betrachten. Dokumentarische
(journalistische) Formen wie Reportage, Feature, Magazin usw. werden also nicht
beachtet.
Grierson bezeichnete z. B. Wochenschauen und Reportagen zu den ,,schlechteren
Kategorien", die den Ausdruck ,,Dokumentarfilm" nicht verdienen, da sie aus rein
journalistischen Gesichtspunkten erstellt wurden.
12
Zu diesem Thema ergänzen Steinmetz und Spitra: ,,Der Dokumentarfilm muss sich
vom Journalismus freimachen. Er muss wieder vom Dokumentarisch-Erzählerischen,
vom Cineastischen herkommen, seine Kraft aus dem Engagement gewinnen, und zu
einer attraktiven Filmsprache, d. h. auch Bildsprache, zurückfinden.
13
1.2 Dokumentarfilmgeschichte
1.2.1 Die Anfänge der Kinematographie und des Dokumentarfilms
Die Geburtsstunde der Kinematographie fällt in das Jahr 1895 mit der ersten
öffentlichen Filmvorführung der Gebrüder Lumière in Paris / Frankreich. Sie zeigten
die Filme ,,La sortie des usines Lumière" (,,Arbeiter verlassen die Lumière-Fabrik")
und (den berühmt gewordenen) ,,Arrivée d'un train à La Ciotat" (,,Ankunft eines
Zuges") mit großem Erfolg.
14
11
Heller, Heinz-B. / Zimmermann, Peter (Hrsg.): Bilderwelten Weltbilder. Dokumentarfilm und Fernsehen, Marburg 1990, S. 7
12
vgl. Hardy, Forsyth; a. a. O., S. 117
13
Steinmetz, Rüdiger / Spitra, Helfried (Hrsg.): Dokumentarfilm als ,,Zeichen der Zeit". Vom Ansehen der Wirklichkeit im
Fernsehen, München 1992, S. 16
14
vgl. Berg-Walz, Benedikt; a. a. O. , S. 73

7
Doch schon vor den Gebrüder Lumière versuchte man die 1827 erfundene
Photographie mit den verschiedensten Experimenten und Erfindungen für
Bewegungsanalysen ­ vorwiegend zu wissenschaftlichen Zwecken ­ zu nutzen.
Im Jahre 1874 fotografierte der Franzose Pierre Jules Cesar Janssen das
Vorbeiziehen der Venus vor der Sonne mehrfach in kurzen Zeitabständen. Er hatte
zwar keine bewegten Bilder erzeugt, aber als einer der ersten ein Ereignis
dokumentarisch festgehalten.
15
Mit der sogenannten Reihenphotografie (Aufstellen
von mehreren Kameras nebeneinander und chronologischem Fotografieren) nahm
der Physiologe Eadweard Muybridge 1877 galoppierende Pferde auf und bewies
damit, dass sie im Galopp nie mit beiden Vorderfüßen gleichzeitig den Boden
berühren. Der Arzt und Physiologe Jules Marey nahm mit seiner ,,photografischen
Flinte" 1882 Vögel in vollem Flug auf. Er hatte in ein Gewehr ein Objektiv und eine
sich drehende Platte mit Negativplättchen eingebaut und konnte mit 12 Bildern pro
Sekunde aufnehmen. Nachdem Hannibal Goodwin 1887 den Celluloidstreifen
erfunden hatte (ein fotoempfindliches, elastisches, reißfestes und somit
transportierbares Material) und 1888 George Eastman den Rollfilm vorstellte, konnte
1891 Thomas Alva Edison für sein ,,Kinetoskop" Patent anmelden. Er hatte für
seinen Filmapparat die seitlichen Perforationslöcher eingeführt ­ nun konnte durch
den Transport der Eindruck von Bewegung erzeugt werden.
16
Jedoch war ,,Edisons
Kinetoskop [...
]
eine Guckkasten-Maschine für eine Person."
17
Die Gebrüder Lumière übernahmen die Errungenschaften Edisons (wie z. B. das
Film-Format von 35mm) und ließen über einen Projektor den Film mit einer
Laufgeschwindigkeit von 16 Bildern in der Sekunde auf eine Leinwand projizieren.
Dadurch konnte man Filme einem großem Publikum vorführen. Außerdem waren
durch die Konstruktion einer Kamera, die relativ leicht beweglich war,
Außenaufnahmen möglich geworden ,,...und somit erste Dokumentationen."
18
Berg-Walz zieht daraus seinen Schluss: ,,Die Geburtsstunde des Films ist zugleich
jene des Dokumentarfilms"
19
Ebenso sieht Barnouw in ,,La sortie des usines
15
ebd.
16
vgl. Dehnert, Walter; a. a. O., S. 15ff.
17
Monaco, James: Film verstehen, 4. Aufl. [überarbeitete und erweiterte Neuausgabe 2000], Reinbek bei Hamburg 2002, S. 72
18
Berg-Walz, Benedikt; a. a. O., S. 73
19
ebd.

8
Lumière" die Geburt des Dokumentarfilms und ordnet ihn als den ersten
Industriefilm einem Genre innerhalb des Dokumentarfilms zu: ,,Louis Lumière, in
his first film, Workers leaving the Lumière Factory, was making what would later be
called an industrial film, and was acting as a promoter."
20
Hörl stellt jedoch dieser Meinung entgegen, dass die Bilder zwar denen eines
Dokumentarfilms ähneln, wir jedoch ,,...weder die Intention, mit der sie
aufgenommen wurden, noch die Wirkung der Bilder auf die Rezipienten der
damaligen Zeit" kennen.
21
Er vergleicht dies mit einem Menschen, der mit seiner
Kamera den Ausgang eines Flughafengebäudes nach Ankunft der Maschine filmt,
um auch irgendwann seinen Verwandten ins Bild zu bekommen. Diese Filme,
bestehend aus einer einzigen Einstellung, würde man kaum als ,,Dokumentarfilme"
bezeichnen.
22
Ohne Probleme in der Interpretation kann man diese Filme als dokumentarische
Arbeiten bzw. vor-dokumentarische Filme bezeichnen.
In Deutschland stellten im selben Jahr der Präsentation der Gebrüder Lumière die
Gebrüder Skladanowski ihr ,,Bioskop" in Berlin vor, einen Doppelbildprojektor, der
funktionierte, indem der Originalfilm zerschnitten, in zwei Streifen mit den ,geraden'
sowie ,ungeraden' Bildern neu zusammengeklebt und abwechselnd belichtet
wurde.
23
Viele weitere Kameras und Vorführgeräte wurden konstruiert, die Technik ständig
verbessert und schon kurz nach der Jahrhundertwende ,,...entwickelte sich das Kino
von einer Varieté- und Jahrmarktsattraktion zu einer selbständigen
Wirtschaftsbranche und Kunstform."
24
Für vordokumentarische Filme in dieser Zeit ist besonders Charles Urban
hervorzuheben. Er produzierte eine ,,...Serie populärwissenschaftlicher Kulturfilme
unter den Titeln ,Natural History' (Naturgeschichte, 1903), ,Unseen World'
20
Barnouw, Erik: Documentary, New York 1983, S. 29; zitiert nach: Hörl, Patrick; a. a. O., S. 85
21
Hörl, Patrick; a. a. O., S. 85f
22
ebd.
23
vgl. Dehnert, Walter; a. a. O., S. 16f
24
Monaco, James; a. a. O., S. 232

9
(Unsichtbare Welt, 1903) und ,Marine Studies' (Meerstudien, 1903) und erregte
damit berechtigtes Aufsehen. Charles Urban entsandte auch eine Expedition nach
Borneo und Malaya, wo er ,The Wild Men of Borneo` (Die Wilden von Borneo,
1903) aufnehmen ließ, den ersten völkerkundlichen Dokumentarfilm."
25
Innerhalb kürzester Zeit verlor jedoch der ,,nonfiktionale Film", also der Umgang mit
authentischem Material, das Interesse des Publikums. ,,Was das Publikum schon in
den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts vom jungen Medium `Film' verlangte,
waren Sensationen und Eindrücke, die ihm zuvor ältere Medien vermittelt hatten:
Geschichten und Dramen, eingespannt zwischen expositorischem Anfang,
Verwicklung, Höhepunkt und einem lösenden Ende. Und es war der Spielfilm
26
, der
diesen Bedürfnissen Rechnung trug."
27
Somit fristete der Dokumentarfilm schon
bevor er richtig entstehen konnte ein ,,Randgruppendasein", welches er bis heute
nicht mehr losgeworden ist.
Bis um 1920 liefen als dokumentarische Formen die weit verbreiteten Reisefilme in
der Öffentlichkeit meist nur noch als programmfüllende Vorfilme. Außerdem
wurden vorrangig Lehrfilme ,,...vor allem auf drei Gebieten produziert: Biologie,
Erdkunde und Geschichte."
28
1.2.2 Der Dokumentarfilm Anfang der 20er bis Ende der 50er Jahre des letzten
Jahrhunderts
Der moderne Dokumentarfilm bildete sich in den 20er und 30er Jahren heraus und
besteht aus hauptsächlich drei verschiedenen, sogenannten ,,Schulen":
· die ,,amerikanische Schule" von Robert Flaherty (,,romantische Schule")
· die ,,sowjetische Schule" von Dziga Vertov (Dsiga Wertow; eigentlich Denis
Arkadovic Kaufmann)
25
Waldekranz, Rune / Arpe, Verner: Das Buch zum Film, Berlin und Darmstadt 1957, S. 228; zitiert nach: Dehnert, Walter; a.
a. O., S. 28
26
Hervorhebung der Schrift durch den Autor
27
Heller, Heinz-B.: Dokumentarfilm und Fernsehen. Probleme aus medienwissenschaftlicher Sicht und blinde Flecken; in:
Heller, Heinz-B. / Zimmermann, Peter (Hrsg.); a. a. O., S. 15-22; hier: S. 19
27
vgl. Ruprecht, Horst: Die Phasenentwicklung der Schulfilmbewegung in Deutschland. Diss. Phil., München 1959, S. 11;
zitiert nach: Dehnert, Walter; a. a. O., S. 18
28
vgl. Ruprecht, Horst: Die Phasenentwicklung der Schulfilmbewegung in Deutschland. Diss. Phil., München 1959, S. 11;
zitiert nach: Dehnert, Walter; a. a. O., S. 18

10
· die ,,britische Schule" von John Grierson (,,realistische Schule")
,,Die theoretischen Ansätze dieser drei Dokumentaristen wirken bis heute nach."
29
,,Sowohl Flaherty wie später auch andere berücksichtigen in ihren Dokumentarfilmen
den Anspruch der Zuschauer auf Unterhaltung und Spannung, indem sie
künstlerische und ästhetische Gestaltungskriterien in ihre Arbeiten einfließen
ließen."
30
,,Nanook of the North" ("Nanook des Nordens" bzw. "Nanook, der Eskimo", 1922)
des Kartographen und Forschers Robert Flaherty (1884-1951) gilt als erster
abendfüllender Dokumentarfilm und war ein großer Publikumserfolg in den USA
und Europa. Flaherty lebte 16 Monate bei einer Itivimuitfamilie im Hudson Bay
(Nordostkanada) und zeigt in seinem Film deren Lebensweise. Für Flahertys
Arbeitsweise ist ein intensiver Kontakt mit der dortigen Kultur charakteristisch. Kein
vorgefertigtes Drehbuch bestimmt das Vorgehen im Arbeitsprozess; das Thema wird
in der Alltagsbeschreibung gefunden. Indem das Filmmaterial den Gefilmten gezeigt
wird, soll sich eine Partnerschaft entwickeln. Filmer und Gefilmte arbeiten
zusammen.
31
,,Wenn es Flaherty und Nanook gelang, die Geschichte [...] zu erzählen, so nur
deshalb, weil etwas drittes mit im Spiel war: ein eigenwilliger, aber zuverlässiger
kleiner Apparat mit unfehlbarem visuellen Gedächtnis, der Nanook von Anbeginn
ihrer Arbeit an sein eigenes Bild vorführte. Die Kamera wurde zur ,teilnehmenden
Kamera', wie Luc de Heusch sie zutreffend bezeichnete."
32
Als weitere bedeutende
Filme Flahertys wären ,,Man of Aran" (1934; über das Leben auf einer Irland
vorgelagerten Insel) und ,,Louisiana Story" (,,Louisiana Legende"; 1948) zu nennen.
Dziga Vertov gilt als Begründer des kompromisslosen Realismus und lehnte den
Spielfilm als Fiktion und Erfundenes radikal ab. In Dokumentarfilmen wie
,,Kinoglaz" (,,Filmauge"; 1924), ,,Ein Sechstel der Erde" (1926) und ,,Der Mann mit
der Kamera" (1929) setzte er seine Theorie der ,,Kinoki" (,,Kino-Augen") um: ,,Ich
29
Dehnert, Walter; a. a. O., S. 29
30
Berg-Walz, Benedikt; a. a. O., S. 76
31
Dehnert, Walter; a. a. O., S. 29
32
(Freunde der Deutschen) Kinemathek (e. V.): Jean Rouch, Heft 56, 15. Jahrgang, Juni 1978, S. 5

11
bin das Kino-Auge. Ich bin ein mechanisches Auge. Ich, die Maschine, zeige euch
die Welt, so wie nur ich sie sehen kann. [...] Ich bin in ununterbrochener
Bewegung. Ich nähere mich Gegenständen und entferne mich von ihnen, ich krieche
unter sie, ich klettere auf sie, ich bewege mich neben dem Maul eines galoppierenden
Pferdes, ich rase in voller Fahrt in die Menge, ich renne vor angreifenden Soldaten
her, ich werfe mich auf den Rücken, ich erhebe mich zusammen mit Flugzeugen, ich
falle und steige zusammen mit fallenden und aufsteigenden Körpern."
33
Das
Filmauge ,,sieht mehr" als das menschliche Auge. Filmschnitt, Montage,
rhythmische Komposition des Films sind wichtige Hilfen, um ,,...Wirklichkeit durch
Konstruktion neu [zu] schaffen, damit der Film zum Mittel der Erkenntnis von
Wirklichkeit" wird.
34
Die ,,britische Dokumentarfilmschule" wurde von John Grierson (1898-1978) ge-
gründet. Unter Stephen Tallents Empire Marketing Board wurde im Jahre 1929 der
erste, staatlich finanzierte (!) Dokumentarfilm ,,Drifters" über Heringsfischer in der
Nordsee erstellt. Die Realität sollte lebendig dargestellt und ,,dramatisiert" werden:
,,The documentary film has to be seen in relativity; in relativity to the realities it tries
to describe and illumine and dramatize."
35
Grierson schrieb dazu: ,,Die treibende
Kraft war sozialer, nicht ästhetischer Art. Es lag der Wunsch vor, das Alltägliche zu
dramatisieren und es der damals vorherrschenden Dramatisierung des Außerge-
wöhnlichen gegenüberzustellen: der Wunsch, den Blick des Durchschnittsbürgers
von den Weiten der Welt hinweg zu denjenigen Ereignissen zu wenden, die sich vor
seinen eigenen Augen abspielen, zu seiner eigenen Geschichte. Daher kamen wir
auch immer wieder auf die Handlung ,vor der eigenen Haustüre' zurück."
36
Grierson
schrieb unzählige Reden und Schriftstücke über den Dokumentarfilm. Sein Lebens-
werk ist eher eine Aufsatzsammlung als eine feste Theorie, die sich über die Jahre
hin auch änderte.
33
Resolution des Rats der Drei vom 10.04.1923; in: Wertow, Dsiga: Schriften zum Film, München 1973, S. 20; zitiert nach:
(Freunde der Deutschen) Kinemathek (e. V.); a. a. O., S. 5f
34
vgl. Liermann, Peter: Film und Beobachtung. Zur Geschichte dokumentarischer Filmmethoden; in: Lindner, Rolf (Hrsg.):
Filmauge. Film und Video als Methode in den Sozialwissenschaften, Berlin o. J.; zitiert nach: Dehnert, Walter; a. a. O., S. 32
35
Grierson, John, in einem Manuskript mit der Überschrift: "The Documentary Film, by John Grierson", John-Grierson-Archiv
(G4:21:6:1); zitiert nach: Hörl, Patrick; a. a. O., S. 60
36
Grierson, John; in: The Fortnightly Review, August 1939; zitiert nach: Hardy, Forsyth; a. a. O., S. 21f.

12
,,Alle drei ,Filmschulen' zeigen wichtige Teile dokumentarischen Schaffens.
Kennzeichnend für Flaherty ist das Sich-Einlassen, er bereitet keinen Drehplan
(Skript) vor. Grierson hält einen solchen für wichtig, während Vertov die Wichtigkeit
der Montage und des Edierens (Dokumentarfilme sind Schöpfungen am
Schneidetisch) betont."
37
Durch die Einführung des Tonfilmes im Jahre 1927 änderte sich die
Darstellungsweise im Dokumentarfilm. Durch den Ton war es möglich geworden,
Filme zu kommentieren und zu interpretieren. Filme mit Originalton waren zu jener
Zeit ,,...wegen der unhandlichen Technik [...] in der Regel nicht möglich...".
38
Dadurch konnte zwar der Film einerseits zielgerichteter beschrieben, gleichzeitig
jedoch stärker propagandistisch missbraucht werden, als es bisher durch die
Manipulation von Bildern möglich war. Während Grierson durch seine
propagandistische Arbeit versuchte, soziale Themen zur Aufklärung dem Publikum
näherzubringen (,soziale Empathie'), missbrauchten die Nationalsozialisten
dokumentarische Formen, um ihre Ideologie zu verbreiten. Der Name Leni
Riefenstahl gilt durch zwei ihrer Filme (,,Triumph des Willens", 1935, über den
Reichsparteitag der NSDAP in Nürnberg [indizierter Film] und ,,Olympia", 1938,
über die Olympischen Spiele von 1936) als Inbegriff für den dokumentarischen
Propagandafilm des 3. Reichs. Filmisch mit bisher nie gesehenen Aufnahmen und
Montagen aufwartend, ordnete sie ihre Meisterwerke jedoch vollkommen der
nationalsozialistischen Ideologie unter.
39
Während des zweiten Weltkrieges von 1939-1945 wurde der Propagandafilm von
allen Kriegsbeteiligten eingesetzt.
Unter den Eindrücken des soeben überstandenen Zweiten Weltkrieges gründeten im
Jahre 1947 unter anderen die Dokumentaristen Joris Ivens, Henri Sorck, Jean
Gremillion, Ralph Bond und Paul Rotha die ,,World Union of Documentary". Man
,,...sah es als Verantwortlichkeit eines jeden Dokumentaristen an, die technischen
und künstlerischen Möglichkeiten des Dokumentarfilms zu beherrschen, so dass
37
vgl. Giannetti, Louis: Understanding Movies, Englewood Cliffs, N. J. 1972, S. 343-351; zitiert nach: Dehnert, Walter; a. a.
O., S. 35
38
Roth, Wilhelm; a. a. O., S. 9
39
vgl. Berg-Walz, Benedikt; a. a. O., S. 74f

13
Kunst und Technik mit der gesellschaftlichen Komponente des Dokumentarfilms
verschmelzen konnten."
40
Jedoch verlor nach dem 2. Weltkrieg der Dokumentarfilm weiter sein Publikum.
Zusätzlich raubte die Einführung des Fernsehens dem Kino seine meisten Zuschauer.
1.2.3 Die Entwicklung seit den 60er Jahren
Um 1960 entwickelten sich radikal neue Möglichkeiten zum Filmen. ,,Die vielleicht
schwerwiegendste Entwicklung [...] war nicht im Kino, sondern auf dem Bildschirm
zu sehen. Die Vervollkommnung der leicht handhabbaren 16mm-Ausrüstung um
1960 ermöglichte einen neuen Dokumentarstil, der sich vom traditionellen, stark
arrangierten, oft halbfiktionalen Stil unterschied, dass er einen eigenen Namen
verdiente: ,Direct Cinema'. Filmemacher wurden zu Reportern mit nahezu der
gleichen Beweglichkeit wie Zeitungsjournalisten, und das Fernsehen war ihr
Medium."
41
,,In der Folgezeit bildeten sich zwei Stilrichtungen des dokumentarischen Films: In
den USA das ,Direct Cinema' oder ,Uncontrolled Cinema' um das amerikanische
Gespann Leacock / Drew sowie um Pennebaker und Maysles. In Frankreich entstand
das ,Cinéma Vérité' um Jean Rouch und Edgar Morin."
42
Direct Cinema:
Bei dieser Methode beobachten die Filmemacher Vorgänge, ohne in sie einzugreifen.
,,Sie filmten reale Personen in realen Situationen. Der Filmemacher ist kein
Regisseur, der Anweisungen gibt, sondern ein Beobachter ­ im Idealfall sein eigener
Kameramann ­, der Ereignisse, die sich auch ohne ihn abgespielt hätten, aufzeichnet.
Er lässt nichts wiederholen, er macht (in der Regel) keine Interviews."
43
Das
40
vgl. Erklärung der ,World Union of Documentary', 1947; in: EDI-Bullettin 7-8, Mühheim / Ruhr 1992, S. 7; zitiert nach
Dehnert, Walter; a. a. O., S. 75
41
Monaco, James; a. a. O., S. 337
42
Berg-Walz, Benedikt; a. a. O., S. 78
43
Roth, Wilhelm; a. a. O., S. 11

14
Problem ist jedoch, ob sich die Leute bei Anwesenheit der Kamera so verhalten, als
wenn diese nicht da wäre. Dies war den Filmemachern bewusst und sie versuchten,
ihre Gegenwart ,,auf das Minimum" zu beschränken. Außerdem definierten sie eine
,,Gewöhnung an die Kamera", die sich bei fast ununterbrochenem Filmen einstellen
sollte, um Verhaltensänderungen der Gefilmten aufgrund der Anwesenheit der
Kamera zu beschränken.
44
,,Als Themen dienten zum Beispiel ,Fünflinge in einer amerikanischen Kleinstadt'
[,Happy Mother´s Day', 1963, ursprünglicher Titel: ,Quint City, U.S.A.'], das
,Gnadengesuch eines zum Tode Verurteilten' [,The Chair', 1962] oder ,Football'
[,Football', 1961]".
45
Cinéma Vérité:
Das Cinéma Vérité steht mit dem Direct Cinema in keinerlei Verbindung. Das
Konzept beruht darauf, dass nicht einfach beobachtet wird, sondern dass Filmer und
Gefilmte versuchen, in Kommunikation zueinander zu treten. Die Vertreter des
Cinéma Vérité versuchten, ,,...die Leute, die sie filmten, durch Konfrontation mit der
Kamera zu Bewusstseinssteigerungen oder ­änderungen zu veranlassen."
46
Inszenierung, Selbstinszenierung und Provokation sind erlaubte Mittel, um dadurch
der Wahrheit näher zu kommen, indem die Filmer die Protagonisten zu Äußerungen
bewegen, ,,...die sie normalerweise unterdrücken würden."
47
Als Hauptwerk von Jean Rouch und Edgar Morin gilt ,,Chronique d'un été" (1960) ­
ein ,,soziologisches Fresko" (Morin) von Paris im Sommer 1960.
Seit den 60er Jahren ,,...war der Dokumentarfilm nicht mehr ohne das Fernsehen
denkbar, und umgekehrt gehörte dieser neue dokumentarische Ansatz fest zum
Fernsehen der sechziger Jahre."
48
Auf diese Entwicklung wird im Rahmen dieser
Arbeit nicht tiefgehender eingegangen werden.
49
44
vgl. ebd., S. 10-16
45
Berg-Walz, Benedikt; a. a. O., S. 78
46
Roth, Wilhelm; a. a. O., S. 9
47
ebd., S. 18
48
Berg-Walz, Benedikt; a. a. O., S. 78
49
vgl. zu diesem Thema: Roth, Wilhelm; a. a. O. und Berg-Walz, Benedikt; a. a. O.

15
Der Fernsehdokumentarfilm erlebte gerade aufgrund der neuen Stilrichtungen in den
sechziger und siebziger Jahren seine Blütezeit.
Vor allem ab den siebziger Jahren wandte man sich vorrangig politischen und
gesellschaftlichen Themen zu. Als ein Beispiel für Deutschland soll hier die Arbeit
von Klaus Wildenhahn genannt werden: ,,...Gegenberichterstattung,
Gegengeschichtsschreibung: hier haben sie eine ihrer Wurzeln ­ auch ein Neuansatz
gegenüber dem amerikanischen Direct Cinema."
50
In den achtziger Jahren wurde häufig der ,,Realismus" im Dokumentarfilm
problematisiert. Die feste Nische, in welcher der Dokumentarfilm in Deutschland im
Fernsehen bisher bestehen konnte, verlor er fast vollständig; durch neue
Bedingungen in der Fernsehlandschaft aufgrund der Einführung des Privatfernsehens
wurden ihm seine Sendeplätze entzogen. ,,Dokumentarfilm in Not! Verschwindet ein
Genre aus dem Programm?"
51
,,Für Peter Krieg befindet sich der Dokumentarfilm im Zeitalter der Postmoderne mit
ihrer Auflösung und Relativierung überkommener Denkmuster und Ideologien
weniger in einer Krise als vielmehr in einer Umbruchsituation."
52
Verschiedenste Mischformen (z. B. der dokumentarische Essay, Experimentalfilme),
alte und neue Dokumentarfilmformate entstanden in den letzten dreißig Jahren, die
(wenn auch eingeschränkt) das Publikum erreichten.
Auch in Deutschland schaffen es ab und zu Dokumentarfilme, in unabhängigen
Kinos bzw. auf Festivals Aufsehen zu erregen, jedoch grundsätzlich innerhalb
kleiner und abgegrenzter Zuschauergruppen. Ein aktuelles Beispiel ist ,,Die Mitte"
(2002 / 2004) von Stanislaw Mucha, eine Suche nach der ,,geographischen Mitte"
Europas und somit eine Reise zu dessen Bewohnern.
50
Roth, Wilhelm; a. a. O., S. 24; vgl. zur Arbeit von Wildenhahn, Klaus: Über synthetischen und dokumentarischen Film.
Zwölf Lesestunden, Frankfurt 1975
51
vgl. zur Diskussion dieses Themas in den achtziger Jahren: Grefe, Christiane: Dokumentarfilm in Not. Verschwindet ein
Genre aus dem Programm?; Nowotny, Peter: TV: Das unwirkliche Medium; Krieg, Peter: Der Dokumentarfilm: ein
Schlafmittel in: Weiterbildung & Medien, 5/1986, S. 15-36
52
Heller, Heinz-B. / Zimmermann, Peter (Hrsg.); a. a. O., S. 9

16
1.3 Das Problem der Authentizität im Dokumentarfilm
Bis in die siebziger Jahre hinein hielt sich das Verständnis von der Möglichkeit eines
,,objektiven Filmens".
Bis Ende der 50er Jahre bestand der Dokumentarfilm vorwiegend (neben
Schrifteinblendungen) aus dem zu sehenden Bild und dem zu hörenden,
beschreibenden Kommentar. Die Filme wurden vom Publikum meist für authentisch
gehalten.
Außerdem war es eine weit verbreitete Methode, ,,verloren gegangenes" oder
,,fehlendes" Material nachzufilmen, es sogar zu inszenieren.
Schon in ,,Nanook of the North" wurde von Flaherty die Realität verfälscht. Um den
Kampf der Itivimuitfamilie gegen die Natur zu dramatisieren, ließ er nicht nur
bestimmte Szenen nachspielen, sondern schon verschwundene Traditionen und
Gebräuche der ,,Eskimos" wieder aufleben. Im Film ist zum Beispiel die Jagd mit der
Harpune zu sehen, die historisch gesehen eine fiktive Szene war, da längst schon
Feuerwaffen eingesetzt wurden.
53
,,Nanook of the North gilt trotzdem als einer der
großen klassischen Dokumentarfilme, und die Fragen, die er hinsichtlich der
Zulässigkeit fiktionaler Elemente im Dokumentarfilm aufwirft, sind nicht zuletzt
durch ihn zu einem Hauptproblem nicht nur der Genredefinition, sondern der
Filmtheorie überhaupt geworden."
54
Durch die neuen Formen des ,,Direct Cinemas" und des Cinéma Vérité wurde der
Eindruck der Authentizität und Realität des Dokumentarfilms sogar noch verstärkt.
Durch das Bild in Verbindung mit dem Originalton wurde dem Zuschauer vermittelt,
,,teilnehmender Augenzeuge" zu sein. Teilweise wurde in den Filmen durch
bestimmte Gestaltungsmittel, z.B. das Einfügen von Zeitverläufen und anderen
Inserts, diese Teilnahme an der angeblichen ,,reinen Wirklichkeit" versüßt.
55
53
vgl. Giesenfeld, Günter: Nanuk, der Eskimo; in: Koebner, Thomas (Hrsg.; unter Mitarbeit von Neumann, Kerstin-Luise):
Filmklassiker. Band 1. 1913-1946, 3., durchgesehene und erweiterte Aufl., Stuttgart 2001, S. 81-83
54
ebd., S. 83
55
vgl. Berg-Ganschow, Uta: Das Problem der Authentizität im Dokumentarfilm; in: Heller, Heinz-B. / Zimmermann, Peter
(Hrsg.); a. a. O., S. 85-87

17
Erst Ende der siebziger Jahre beginnt sich die Anzahl derer zu erhöhen, die nicht
mehr an eine objektive Abbildung der Wirklichkeit glauben. Man beginnt, den
Zuschauer in den Kommunikationsprozess mit einzubeziehen und bindet nun
Faktoren der Filmproduktion sowie der Filmrezeption mit in die Diskussion ein.
Peter Krieg rechnet in seinem Aufsatz ,,WYSIWYG oder das Ende der Wahrheit"
mit der Illusion, dass die abgebildete Realität der gefilmten Realität entsprechen
kann, ab: ,,Noch heute ist also die Vorstellung, es gäbe eine allgemein gültige
Wahrheit gerade bei Journalisten und Dokumentaristen ganz besonders verbreitet.
[...] Die Geschichte des Dokumentarfilms ist eine Geschichte der Suche nach
Wahrheit und Realität. Der Dokumentarist sah sich selbst dabei ­ bis heute ­ in einer
Mittlerrolle zwischen Realität und Menschheit ­ ganz wie sich die Kirche in einer
Mittlerrolle zwischen Menschheit und Gott sieht. Auch das Cinéma Vérité ist im
Grunde ein rein theologisches Genre..."
56
Der Film (insbesondere der Dokumentarfilm) scheint die ,,Wirklichkeit"
reproduzieren zu können. Der Dokumentarfilmer wählt aber schon beim Filmen
Ausschnitte aus der Realität aus. Indem er die Art des Ausschnittes bestimmt, zeigt
er sein Bild der ,,Wirklichkeit", welches für ihn zu dieser Zeit bestimmend und
wichtig ist. Dem Zuschauer bleibt die Möglichkeit verwehrt, die anderen
(,,fehlenden") Teile zu sehen und sich davon ein Bild zu machen. ,,Der Film wird als
Teil der dargestellten Wirklichkeit erkennbar, von der ein Teil, der Film, selbst
anwesend ist, was die Wahrheit des Restes verbürgt."
57
Des weiteren spielt die Technik eine große Rolle. Durch ihren Einsatz und durch die
Gestaltung der ,,filmischen Welt"
58
, unterliegen den filmischen Strukturen andere
Gesetze als in der ,,Realität", z. B. der Aufhebung des Raum-Zeit-Kontinuums durch
Montage. ,,Auch wenn man eine ganze 120-Meter-Kassette ohne Unterbrechung
durch die Kamera laufen lässt, so ist zumindest ihr Anfang eine Wahl, die bereits ein
56
Krieg, Peter: WYSIWYG oder das Ende der Wahrheit. Dokumentarfilm in der Postmoderne; in: Heller, H. / Zimmermann, P.
(Hrsg.); a. a. O., S. 88-95; hier: S. 89
57
Paech, Joachim: Das Dokumentarische, Geschichte und Film. Notizen beim Lesen von Wilhelm Roths ,,Der Dokumentarfilm
seit 1960"; in: Medium, 14. Jahrgang, Heft 1, Januar 1984, S. 30-34; hier: S. 31
58
vgl. dazu Hohenberger, Eva: Die Wirklichkeit des Films. Dokumentarfilm. Ethnographischer Film. Jean Rouch, Hildesheim /
Zürich / New York 1988, S. 26

18
ganzes Programm beinhalten kann, der Schluss eine Folge der materiellen
Voraussetzung [...] Bereits das Zusammenfügen zweier Rollen ist ein Schnitt, eine
der grundlegenden Manipulationen, die das Medium Film erlaubt."
59
Zur Verdeutlichung möchte der Autor (beispielhaft!) das von Lüem / Galizia erstellte
Schaubild in Anlehnung an Worth
60
, die Kommunikation durch den Film anhand
eines semiotischen Modells darzustellen, übernehmen.
Abbildung 1a: Der Film-Prozess nach Lüem Galizia (I)
(Quelle: Lüem, Barbara / Galizia, Michele: Versuch einer Typologisierung des Ethno-Film; in: Husmann, Rolf
(Hrsg.): Mit der Kamera in fremden Kulturen; Emsdetten 1987; S. 31)
,,Auf der einen Seite steht der Filmemacher (,sender`), auf der anderen der Betrachter
(,receiver`). Die beiden kommunizieren miteinander ­ zeitgleich verschoben und
mittelbar ­ durch den Film. Dennoch hat der Filmemacher implizit oder explizit den
Anspruch, das ,event` (A) via den Film (B) dem Zuschauer so zu vermitteln, dass
59
Schlumpf, Hans-Ulrich: Warum mich das Graspfeilspiel der Eipo langweilt. Gedanken zur Wissenschaftlichkeit
ethnologischer Filme; in: Husmann, Rolf (Hrsg.): Mit der Kamera in fremden Kulturen. Aspekte des Films in Ethnologie und
Volkskunde, Emsdetten 1987, S. 49-65; hier: S. 54
60
vgl. Worth, S.: The Development of a Semiotic of Film; in: Semiotica, 1, 1969; S. 282-321

19
dessen Bild (C) dem realen ,event` (A) oder dem, was der Filmemacher als solches
glaubt erkannt zu haben, so nahe wie möglich kommt.
Der Prozess läuft über eine Reihe von Interpretationsstufen:
Abbildung 1b: Der Film-Prozess nach Lüem Galizia (II)
(Quelle: Lüem, Barbara / Galizia, Michele: Versuch einer Typologisierung des Ethno-Film; in: Husmann, Rolf
(Hrsg.): Mit der Kamera in fremden Kulturen; Emsdetten 1987; S. 32)
Aus einem kulturellen Umfeld bestimmt der Filmer einen Ausschnitt (,event'
61
) auf
Grund seiner selektiven Sicht (1), filmt einzelne Szenen (2) und ediert (3) sie mit
dem Ziel, das reale ,event' darzustellen. Der Betrachter sieht den Film selektiv
gemäß seinem Interesse (4) und reinterpretiert (5) daraus auf Grund seiner eigenen
Erfahrungen das ursprüngliche ,event'.
62
Dies möchte der Autor anhand seines eigenen Films erklären (zur besseren
Lesbarkeit wählt der Autor die Ich-Form):
· Ich begleite die Minenarbeiter in Potosí, Bolivien bei ihrer Arbeit. Als ,,event"
wähle ich einen Arbeiter (von den Tausenden, die dort arbeiten) an seinem
61
Als Übersetzung eignet sich am ehesten ,,Begebenheit"; Der englische Begriff wird von Lüem / Galizia in Anlehnung an
Heider, K.: Ethnographic Film, Austin 1978, verwendet. (vgl. auch 1.4.1. Definition und Einordnung des ethnographischen
Films)
62
Lüem, Barbara / Galizia, Michele: Versuch einer Typologisierung des Ethno-Film; in: Husmann, Rolf (Hrsg.); a. a. O., S. 23-
36; hier: S.32

20
Arbeitsplatz aus, der im Stollen zu tun und für den Abbau des Materials (per
Hand) zu sorgen hat. (Mit der Auswahl meines ,,events" fällt z. B. der Arbeiter,
der in einem ganz anderen Stollen vielleicht an einer uralten, motorbetriebenen
[und somit mechanischen (!)] Seilwinde arbeitet, vollkommen aus dem Bild. Ich
habe jedoch den ,,Handarbeiter" ausgewählt, da er zur Mehrzahl der dort
arbeitenden gehört ­ dies ist jedoch meine Sichtweise der Darstellung.)
· Ich filme die einzelnen Arbeitsschritte (Abschlagen mit Hammer und Meisel,
,,Dynamitbasteln" etc."), um die Arbeit so gut wie möglich darzustellen.
· Ich schneide die Aufnahmen unter dem Gesichtspunkt zusammen, dem Zuschauer
die Minenarbeit detailliert zu zeigen.
· Der Betrachter sieht sich den Film an. Dabei achtet er z. B. kaum auf die Details
der Arbeitsschritte, die mir aber so wichtig gewesen sind, um das reale ,,event" zu
zeigen.
· Er ordnet das Gesehene nun in seine Sichtweise. Ich wollte ihm z. B. (als Teil des
realen ,,events") zeigen, mit welcher Sorgfalt und Professionalität (trotz der
schwierigen Bedingungen) die Minenarbeiter bei ihrer Tätigkeit vorgehen; er sieht
z. B. nur eine körperlich schwere und monotone Arbeit.
Außerdem: Ich habe ja wie schon erwähnt nur Teile des ,,events" zeigen können.
Wie z. B. der Berg von innen aussieht, ist schwer mit der Kamera darzustellen: Er
sieht aus wie ein ,,Schweizer Käse", ist vollkommen durchlöchert, unzählige Stollen
liegen unter-, über- und nebeneinander, oft kaum gegen Einsturz gesichert; die
Unfallgefahren sind riesig ­ ein anderer Aspekt des realen ,,events". Wer schon
einmal in Bolivien im Bergbau war, wird das ,,event" ganz anders reinterpretieren,
als jemand, der sich vom Bergbau (dazu noch in Bolivien!) kaum ein Bild machen
kann.
63
,,Analytisch lässt sich der Prozess in vier Diskussionsebenen auflösen:
· das, was gefilmt wird
· der Prozess des Filmens
63
vgl. auch dazu den Anhang, welche unterschiedlichen Vorstellungen von den Probanden in der Untersuchung über die
Wirkung des Dokumentarfilms ,,Minenalltag in Potosí, Bolivien" zum Hintergrund der Minenarbeit geäußert werden (Anhang
I, S. 1-70)

21
· die Verarbeitung (Edierung)
· die Anwendung, respektive Rezeption."
64
Eva Hohenberger verweist ebenfalls auf verschiedene Realitäten auf der
Produzenten- sowie Rezipientenebene. Die ,,Nichtfilmische Realität" (die potentiell
abbildbare Wirklichkeit), die ,,Vorfilmische Realität (die veränderte Realität durch
die Anwesenheit des Kamerateams [selbst wenn dieses nur aus einer einzigen Person
besteht]), die ,,Realität Film" (also die Filmorganisation und ­produktion
einschließende Realität) und die entstandene ,,Filmische Realität" bestehen auf der
Produzentenebene.
65
Die ,,Nachfilmische Realität" bestimmt die Rezipientenebene.
Einerseits ist für Hohenberger der Rahmen der Filmvorführung bestimmend, da
dieser an sich beim Rezipienten schon eine bestimmte Erwartungshaltung auslöst.
Andererseits entscheiden die individuellen Erfahrungen und das Vorwissen des
Zuschauers, inwieweit die von ihm entwickelte subjektive Wirklichkeit der
ursprünglichen ,,Nichtfilmischen Realität" entspricht bzw. nahe kommt ­
entsprechend Lüem und Galizia also, wie ein bestimmtes Ereignis reinterpretiert
wird.
66
,,Die Besonderheit des Films liegt in dem widersprüchlichen Streben nach Abbildung
von Wirklichkeit (,Dokumentarismus' des fotografisch-filmischen Bildes wie des
Tons) und Schöpfung von Wirklichkeit (,Realisierung' der filmischen Möglichkeiten
von Bild und Ton). Dieses Gegen- und Miteinander ist konstitutiv für das
Medium."
67
64
Lüem, Barbara / Galizia, Michele; a. a. O., S. 32
65
vgl. Hohenberger, Eva; a. a. O., S. 26ff
66
vgl. ebd., S. 12ff
67
Albrecht, Gerd: [Art.] Film; in: Koszyk, Kurt / Pruys, Karl Hugo: Handbuch der Massenkommunikation, München 1981, S.
62; zitiert nach: Dehnert, Walter; a. a. O., S. 35

22
1.4 Grundlagen des ethnographischen Films
1.4.1 Definitionsversuche und Einordnung des ethnographischen Films
,,Ethnographie heißt ,Volksbeschreibung` und meint für gewöhnlich die Darstellung
menschlicher Lebensweise (Kultur) am Beispiel einzelner ,Völker` oder Ethnien."
68
Die ,,Fremde Kultur" ist also das Thema ethnographischer Filme, wobei ,,Fremd" im
Verständnis des Verfassers auch das Besondere, Seltene, Vergessene in der eigenen
Kultur bedeuten kann.
Wilhelm Roth versteht den ethnographischen Film als Teil des Dokumentarfilmes,
verbunden mit einer ihm eigenen Geschichte und eigenen Regeln. Da er in der Regel
für wissenschaftliche Institutionen hergestellt wird, hat er eine noch geringere
Beachtung in der Öffentlichkeit als der Dokumentarfilm.
69
Verschiedene Definitionsversuche sollen hier exemplarisch aufgezeigt werden.
Ähnlich wie beim Dokumentarfilm ist der ethnographische Film schwer eingrenzbar.
Vielmehr ist er ein Sammelsurium für verschiedene Filme, beruhend auf
verschiedenen Theorien, verschiedenen filmischen Umsetzungen, z. T. abhängig von
wissenschaftlichen Institutionen, in dessen Rahmen sie erstellt wurden. ,,Manchen
Ethnologen könnte zudem deutlicher als bisher gesagt werden, dass es hier um Filme
geht, die in ihrer Art der Konstruktion oft mehr über erkenntnistheoretische
Interessen ihrer Produzenten aussagen, als dass sie den unverstellten Blick auf
irgendeine uns fremde Realität zuließen."
70
Einordnungen und Bewertungen
differieren außerdem je nach Standpunkt des Betrachters. Dadurch entstanden
verschiedene Ansätze zur Unterteilung und Abgrenzung ethnographischer Filme. Z.
B. grenzt Leroi-Gourhan (1948) 1) Forschungsfilme, 2) exotische Reisefilme und 3)
Filme zur allgemeinen Unterhaltung untereinander ab; Worth (1980) sieht jeden
68
Petermann, Werner: Geschichte des ethnographischen Films; in: Friedrich, M. / Hagemann-Doumbia, A. / Kapfer, R. /
Petermann, W. / Thoms, R. / Loo, M.-J. van de: Die Fremden sehen. Ethnologie und Film, München 1984, S. 17-53; hier: S. 17
69
vgl. Roth, Wilhelm; a. a. O., S. 180-183
70
Hohenberger, Eva: Das Fremde, die Wissenschaft und der Film; in: Zelluloid, Nr. 23, 1985, S.20-26; hier: S. 26

23
Film als ethnologischen Film an und unterscheidet nur zwischen 1) ,,Record about
Culture" und 2) ,,Record of Culture".
71
Unter dem Begriff Ethno-Filme verstehen Lüem / Galizia die Filme, ,,...die - wie
weiter unten aufgeführt - `ethnographicness' aufweisen, vorläufig auch alle Filme,
die als ethnographisch, ethnologisch oder anthropologisch bezeichnet werden."
72
,,Ethnographicness":
Definitionsversuche gehen jeweils von unterschiedlichen Standpunkten aus (nach
Herstellung, Verarbeitung, Verwertung, Zielpublikum). Mit dem Begriff der
,,ethnographicness", angelehnt an Heider
73
, wird versucht, eine die Filmgattungen
übergreifende Einordnung zu erstellen. ,,`Ethnographicness` kann am ehesten als die
Eigenschaft bezeichnet werden, die ein Film mehr oder weniger besitzt, je nachdem,
in welchen Graden er Ansprüche der Ethnologie vor allem nach Ganzheitlichkeit,
Holismus, entspricht. [...] Der holistische Anspruch impliziert, dass sowohl eine
geographische, historische wie soziokulturelle und ökonomisch-politische Situierung
des ,events` [vgl. dazu Kapitel 1.3. Das Problem der Authentizität im
Dokumentarfilm] möglich sein müsste. Dieses Höchstmaß ist nicht zu erfüllen. Als
Ziel aber kann es mit Hilfe verschiedener Techniken und Verfahren angestrebt
werden."
74
Lüem / Galizia wehren sich in diesem Zusammenhang gegen enge
Kriterien zur Messung von ,,ethnographicness" bzw. zur Einteilung in gute oder
schlechte Methoden / Techniken (vgl. Heider), vielmehr soll man sich durch den
zweckmäßigen Einsatz verschiedener filmischer Techniken sowie durch Kommentar,
Untertitel, Begleittexte und Verweise auf einschlägige Literatur (also durch
Unterscheidung zwischen geeigneten und ungeeigneten Mitteln) dem Ziel des
,,idealen Dokumentarfilms" ,,entgegenkommen" bzw. annähern.
75
71
vgl. zu weiteren Standpunkten zur Unterteilung bzw. Abgrenzung ethnographischer Filme: Lüem, Barbara / Galizia, Michele;
a. a. O., S. 27-29; Hohenberger, Eva: Die Wirklichkeit des Films. Dokumentarfilm. Ethnographischer Film. Jean Rouch,
Hildesheim / Zürich / New York 1988, S. 141-147; Petermann, Werner; a. a. O., S. 17-19
72
Lüem, Barbara / Galizia, Michele; a. a. O., S. 35; vgl. dazu auch: Hohenberger, Eva; a. a. O., S. 141
73
vgl. dazu: Heider, K: Ethnographic Film, Austin 1978
74
Lüem, Barbara / Galizia, Michele; a. a. O., S. 29
75
vgl. ebd., S. 29f

24
Folgende Graphik, deren Eingrenzungen nicht absolut, sondern fließend vorzustellen
sind, zeigt an, in welchem Umfeld sich Ethnofilme bewegen und bezieht sich auf das
Konzept ,,ethnographicness":
Abbildung 2: Umfeld von Ethnofilmen nach Lüem / Galizia
(Quelle: Lüem, Barbara / Galizia, Michele: Versuch einer Typologisierung des Ethno-Film; in: Husmann, Rolf
(Hrsg.): Mit der Kamera in fremden Kulturen; Emsdetten 1987; S. 30)
Hans-Ulrich Schlumpf bemerkt dazu: ,,Der Film und insbesondere der
dokumentarische Film haben eine innere Affinität zur Ethnographie und Ethnologie.
Man kann sagen, dass jeder Film ­ auch der Spielfilm in einem gewissen Sinne ­
ethnographisches Quellenmaterial darstellt. Kleidung, Gegenstände, das Auftreten
und Verhalten von Menschen kennen wir, seit es Film gibt, genauer und objektiver
als es zum Beispiel Texte vermitteln können. [...] Die Gesamtheit aller Filme ist ein
unerschöpfliches ethnographisches Archiv."
76
Hohenberger versucht eine Einteilung im Bezug zur fremden Kultur zu setzen. Dabei
unterscheidet sie einerseits die systematische Sammlung wissenschaftlicher Filme,
76
Schlumpf, Hans-Ulrich; a. a. O., S. 52

25
die fremde Kultur wird filmisch fragmentiert und segmentiert. ,,Demgegenüber
stünde eine eher theoretisch als empirisch ausgerichtete Sehweise, die die fremde
Kultur nicht sammeln, sondern verstehen will. Sie zielt damit nicht auf ablösbare
Daten, sondern auf analytische Zusammenhänge, die zudem die eigene Forscherrolle
kritisch integrieren kann."
77
Position eins bezeichnet sie (unter Vorbehalt) als ,,ethno-
wissenschaftlich"; Position zwei als ,,ethnomethodologisch".
78
1.4.2 Geschichte des ethnographischen Films
Die verschiedenen Definitionsansätze machen es sehr schwierig, eine Geschichte des
ethnographischen Films zu rekonstruieren. ,,Da sich die entsprechenden Historiker
[...] nicht um eine Bestimmung ihres Gegenstandes bemühen, zählen sie lediglich
auf, was seit Beginn des Films über fremde Kulturen gedreht wurde, egal, ob es sich
dabei um Pathés reisende Kameramänner handelt, um die Filme des Ethnologen
Poech, ob es um die in den 20er Jahren beliebten Spielfilme in exotischer Umgebung
geht oder um Flahertys Nanook."
79
Beispielhaft sei Petermann genannt, dessen
,,Geschichte des ethnographischen Films" sich mit einer Menge an Details sehr gut
liest, jedoch nur eine bunte Zusammenwürfelung verschiedenster Filme im von
Hohenberger beschriebenen Sinne ist.
80
Da die Geschichte des ethnographischen Films eng mit den jeweiligen Personen,
Institutionen und Filmen verbunden ist, wird an dieser Stelle anstatt einer
Geschichtsschreibung eine ,,Kartierung" von Topoi von Lüem / Galizia
übernommen. Es kann auch nur anreißend auf die Geschichte des ethnographischen
(bzw. hier: Ethno-) Films eingegangen werden; deshalb ist diese Kartierung als
Leitfaden zu verstehen, um Ansatzpunkte für weitere Studien zu erhalten.
77
Hohenberger, Eva: Das Fremde, die Wissenschaft und der Film; in: Zelluloid, Nr. 23, 1985, S.20-26; hier: S. 21
78
vgl. ebd.
79
Hohenberger, Eva: Die Wirklichkeit des Films. Dokumentarfilm. Ethnographischer Film. Jean Rouch, Hildesheim / Zürich /
New York 1988, S. 139
80
vgl. Petermann, Werner; a. a. O., S. 17-54

26
,,Einsatz fotografischer Technik zur Erfassung von Bewegungsabläufen:
Muybridge (1872) und Marey (1888) erfassten mit photografischen Serien
Bewegungsabläufe von Tieren und Menschen.
Spaltung des Films in einen dokumentarisch-realistischen und einen fiktiv-
illusionistischen Zweig:
Lumières Aufnahmen von Alltäglichem (1896) und Meliès phantastische
Schauspiele (1902) stehen je nach Betrachtungsweise und Einschätzung der
zeitgenössischen Sehgewohnheiten am Anfang eines der beiden Zweige.
81
Filmisch-ergologisches Erfassen eines Arbeitsprozesses. Erste Aufnahmen von
,Exoten':
Regnault chronophotographiert eine Wolof-Frau beim Töpfern an der
Weltausstellung in Paris (1895).
Einsatz von Filmkameras zu wissenschaftlichen Zwecken:
Haddon filmt während der Torres-Strait Expedition (1898).
Regnault fordert ab 1900 den gezielten und umfassenden Einsatz der
Filmtechnik in der ethnologischen Forschung und die zentrale Archivierung
der Filme.
Spencer filmt in Australien 15 Rollen Film von Ritualen der Aborigines
(1901).
Didaktischer Einsatz von Filmen. Kanonische Form des ethnographischen
Lehrfilmes. Singuläre Tätigkeit, filmische Bestandsaufnahme einer Kultur, selten
Vergleich einzelner kultureller Elemente:
D. Kalbus: Der deutsche Lehrfilm in Wissenschaft und Unterricht, 1927, fasst
Forderungen und Maßstäbe der deutschen ,Lehrfilmbewegung' zusammen.
1927, 1931: Internationale Konferenzen über didaktische Filme.
81
Diese so dargestellte Dichotomie der Filmkunst wird in der Filmgeschichte von vielen auf Lumiére und Méliès als
(Ursprungs-)Vertreter bezogen (vgl. z. B. Kracauer, Siegfried: Theorie des Films. Die Errettung der äußeren Wirklichkeit [vom
Verfasser revidierte Übersetzung; 2. Aufl.], Frankfurt am Main 1993 oder Monaco, James; a. a. O.).
Der Autor dieser Arbeit schließt sich dieser Auffassung in der Histographie ausdrücklich NICHT an, sondern der Interpretation
von (z. B.) Eva Hohenberger: ,,In der Frühzeit des Films gibt es noch keinen Begriff vom Dokumentarfilm als Gegenpol zum
fiktionalen Film, es gab, wenn man so will, nur Filme. Daher muss der ständige Rückgriff auf Lumiére und Méliès als den
ewigen Antagonisten als Versuch gewertet werden, einer erst später entstandenen, und zwar in Abhängigkeit vom fiktionalen
Film entstandenen und ihm seitdem untergeordneten, filmischen Gattung Legitimität dadurch zu verschaffen, dass sie als
gleichsam urwüchsig mit dem Film selbst geboren ausgewiesen wird. Gattung kann der Dokumentarfilm jedoch erst dort
werden, wo er als etwas anderes überhaupt bemerkt wird, und das gelingt ihm erst nach der Konsolidierung des ,Kinos`.";
zitiert nach: Hohenberger, Eva; a. a. O., S. 14 (vgl. auch S. 7-21); vgl. außerdem 1.2.1. Die Anfänge der Kinematographie und
des Dokumentarfilms dieser Arbeit. Deswegen wird Méliès in dieser Arbeit auch keine weitere Beachtung geschenkt.

27
USA: Kodak entwickelt 1923 die 16mm-Kamera speziell für den Einsatz an
Schulen und Universitäten und gründet die ,,Eastern Teaching Films".
Pathè produziert in Zusammenarbeit mit Havard Unterrichtsfilme.
Deutschland: Gründung des zentralen Instituts für den Unterrichtsfilm (1934),
1935 der ,Reichsstelle für den Unterrichtsfilm', später ,Reichsanstalt für Film
und Bild in Wissenschaft und Unterricht' und ab 1956 ,Institut für den
Wissenschaftlichen Film'.
Film wird aktiv zur Veränderung gesellschaftlicher Umstände eingesetzt:
Die amerikanische Kolonialregierung setzt auf den Philippinen Filme ein, um
unter den Einwohnern Veränderungen im eigenen Sinne zu fördern (1912).
In der Sowjetunion werden ab 1918 Filme landesweit propagandistisch in den
,Agit-Zügen' eingesetzt (Vertov, Tissè).
Vertov (1922) experimentiert in Wort und Bild mit dem Konzept des
,Kinoauge', das zur ,Kinowahrheit' vorstoßend die revolutionären Kräfte
fördern soll.
,Geburtsstunde' des Ethno-Film und angenommene erste Anwendung einer Reihe
von Grundprinzipien:
· Lange Vorstudien und Feldaufenthalt.
· Rekonstruktion einer ,ethnografischen Präsenz'.
· Herausarbeitung von Persönlichkeiten anstatt Darstellung von
Kulturvertretern (`whole people')
· Das Bild als Hauptträger von Information / Visuelle Spannung.
· Feedback der Gefilmten.
· 1922 ,Nanook of the North' von Flaherty.
Der gesprochene Kommentar beginnt immer mehr das Bild und die visuelle
Spannung zu übertönen:
1927 Einführung des Tonfilms
Filmen während des Feldaufenthaltes als Forschungsinstrument. ,Visual Notes' als
,Bildkonserven':
Boas (1930) filmt Tänze im Feld zur späteren (nicht erfolgten) Auswertung.
Mead und Bateson setzen Film und Foto als integralen Bestandteil ihrer
Forschung auf Bali ein. (1936-38).

28
Technologische Entwicklung ermöglicht mobiles, subjektives, nicht-intrusives
Filmen kleiner Teams oder des Ethnologen allein.
Filmen als Forschungshandlung, als Katalysator kultureller Begegnungen und
Auseinandersetzungen:
1940-45 Entwicklung leichter, feldtauglicher 16mm-Kameras.
1951 Tragbares Tonbandgerät.
1960 Tragbare Synchronkamera.
J. Rouch (1949: Erste Kurzfilme, 1960: ,Chronique d'un été' [Cinéma Vérité]
und J. Marshall (1951: Filmische Feldnotizen).
Institutionalisierung des Ethno-Film.
Institutionen, Kongresse, Zeitschriften, Rezensionen und ständig wachsende
Produktion verschiedenster Gattungen:
1952 ,International Commission on Ethnographic Film'.
1957 ,Encyclopaedia Cinematographica' bringt Filme des ,Instituts für den
wissenschaftlichen Film' heraus.
1959 ,Festival die Popoli'.
1964 Konferenz in Berkeley über Filmen in der Ethnologie.
1965 Filmreviews in American Anthropologist.
1966 ,National Human Studies Film Center' am Smithsionian Institute
1968 Konferenzen über Visual Anthropology.
1968 ,Documentary and Educational Resources'.
1968 Granada-Television produziert die ,Disappearing World' Serie in
Großbritannien.
1969 PIEF-Newsletter.
1973 SAVICOM (Untergesellschaft der AAA) gibt die ,Studies in Visual
Communication' heraus.
Wissenschaftliche Versuche, die Bild- und damit Filmsprache als kulturell bedingt zu
studieren:
Worth und Adair regen Navajos zum Filmen ihrer eigenen Gesellschaft an
und analysieren die Filme (1966)."
82
82
Lüem, Barbara / Galizia, Michele; a. a. O., S. 25ff

29
Zur Diskussion über den ethnographischen Film verweist der Autor auf das Werk
von Edmund Ballhaus und Beate Engelbrecht
83
, in dem verschiedene Filmemacher
Erfahrungsberichte aus der ethnographischen Filmarbeit geben und diese vor dem
Hintergrund von Wissenschaft und Zielpublikum reflektieren. Dieses Buch ist zwar
seit seinem Erscheinen schon fast 10 Jahre alt, jedoch aufgrund der ,,Armut" an
entsprechender Literatur in deutscher Sprache noch als ,,aktuell" zu bezeichnen.
1.5 Zusammenfassung
In der nun über 100jährigen Filmgeschichte gab und gibt es neben dem Reiz am
fiktionalen Film auch das Interesse am Umgang mit ,,authentischem" Material, um
das ,,reale Leben" zeigen zu können.
Lange Zeit glaubte man, dass im Dokumentarfilm die Wirklichkeit abbildbar und
somit gleichzeitig reproduzierbar sei. Man ging von der Möglichkeit eines
,,objektiven Filmens" aus. Mit Einführung neuerer, handlicherer Technik um 1960
und die Verwendung von Originalton blühte die Suche (und der Glaube) nach dem
wert- und subjektfreien Film noch einmal auf, bis man sich langsam ab Ende der
70er Jahre von der Illusion befreien konnte, den Dokumentarfilm als Abbild der
Wirklichkeit anzusehen. ,,Dennoch stehen Filmproduzenten wie auch Rezipienten
vor der Aufgabe, sich immer wieder neu mit der Darstellung von Realität und der
Frage nach Subjektivität auseinanderzusetzen."
84
Neben dem ,,klassischen Dokumentarfilm" sind unzählige neue
Dokumentarfilmformate entstanden. Es ist schwierig, die einzelnen Gattungen bzw.
Untergruppen eindeutig zu trennen oder abzugrenzen; siehe z.B. den
ethnographischen Film. Mischformen wie Experimental- oder Kunstfilme
intensivieren dies.
83
Edmund Ballhaus / Beate Engelbrecht (Hrsg.): Der ethnographische Film. Einführung in Methoden und Praxis, Berlin 1995
84
Ballhaus, Edmund / Engelbrecht, Beate (Hrsg.): Der ethnographische Film. Einführung in Methoden und Praxis, Berlin 1995,
S. 8

30
,,Dokumentarisches Filmen zielt nicht darauf, die Wirklichkeit um ihrer selbst willen
filmisch zu reproduzieren. Dokumentarischem Filmen liegt vielmehr das Motiv
zugrunde, in konkreten historischen Zusammenhängen Ausschnitte der Realität dem
tatsächlichen oder imaginierten Zuschauer in einem für ihn bedeutungsvollen Licht
erscheinen zu lassen. Und umgekehrt bemisst sich das Interesse des Zuschauers an
dokumentarischen Filmen daran, inwieweit er Wirklichkeit in einer für ihn
bedeutsamen Perspektive in den Bildern erkennen kann."
85
Dies sollte man des Verfassers Erachtens nach beim Ansehen und bei der
Beurteilung von Dokumentarfilmen immer in Erinnerung behalten.
85
Haller, Heinz.-B.; a. a. O.; S. 21

31
2 Der Bergbau in Bolivien
,,Die bolivianischen Bergleute sind Kinder der Jungfrau und Neffen des Teufels,
doch niemand schützt sie davor, jung zu sterben. Tief in den Eingeweiden der Erde
rafft sie der Regen aus Grubenstaub dahin: In kurzer Zeit, in ein paar Jährchen nur,
werden die Lungen zu Stein, und die Atemwege verschließen sich. Und bevor die
Lungen das Atmen vergessen, vergisst die Nase schon die Gerüche und die Zunge die
Geschmäcker, die Beine wiegen schwer wie Blei, und voll Zorn spricht der Mund nur
noch von Rache."
86
Das komplexe Thema des bolivianischen Bergbaus kann hier nur angerissen werden,
um dem Leser Hintergrundwissen zu vermitteln, damit der Inhalt der
Dokumentarfilme besser verständlich und einordbar ist.
87
Vor allem kann an dieser Stelle nicht tiefgehend auf die gesellschaftliche und
politische Entwicklung Boliviens eingegangen werden.
88
Wichtig zu erwähnen ist aber der Punkt, dass seit der Unabhängigkeit des Staates
Boliviens 1825 das Land für lange Zeit instabil geblieben ist: ,,In den etwas über
anderthalb Jahrhunderten seiner republikanischen Geschichte hat dieser Staat etwa
80 Präsidenten `verbraucht' und 300 erfolgreiche oder misslungene Putschversuche
erlebt."
89
86
Galeano, Eduardo: Erinnerungen an das Feuer, Wuppertal 1983-1986, ohne Seitenangabe; zitiert nach: Simon, Gabriela: Die
Neffen des Teufels ­ Einblicke in den Überlebenskampf der bolivianischen Bergarbeiter; in: Bruns, Dirk (Hrsg.); a. a. O., S.
138-149; hier: S. 138
87
vgl. als Primärliteratur zu diesem Thema: Stolz, Martin: Der genossenschaftliche Bergbau in Bolivien, Münster 1984 und
Löbel, Elke: Informelle Aspekte des bolivianischen Bergbausektors, Baden-Baden 1994/95 - Mit dem Zusammenbruch des
staatlichen Bergbaus in Bolivien im Jahre 1985 erhielt die bolivianische Montanwirtschaft eine einschneidende Zäsur. Das
Werk von Martin Stolz gibt umfassende und detaillierte Informationen über den Bergbau in Bolivien bis zu diesem großen
Einschnitt; Elke Löbels Dissertation befasst sich tiefgreifend mit der veränderten Situation der Bergarbeiter seit dem Jahre
1985.
88
Zur politischen Situation in Bolivien verweist der Verfasser auf die aktuelle Publikation: Jost, Stefan: Bolivien. Politisches
System und Reformprozess 1993-1997, Opladen 2003, in welchem außerdem ansatzweise der Zeitraum bis zum Jahre 2000 mit
einfließt; vgl. zur Landeskunde Bolivien allgemein: Bruns, Dirk (Hrsg.): Bolivien, 3., überarbeitete und aktualisierte Aufl..,
Köln 1998 und Pampuch, Thomas / Echalar A., Augustín: Bolivien, 3. akt. Aufl., München 1998
89
Krempin, Michael: Beginn und Ende einer Epoche ­ die politische Entwicklung von der Revolution von 1952-1982; in:
Bruns, Dirk (Hrsg.); a. a. O., S. 101-116; hier: S. 101

32
Erst seit der 2. Hälfte der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts gibt es eine gewisse
Stabilität im Land, die man jedoch nicht an einem europäischen Verständnis von
Stabilität messen darf.
90
2.1 Einführung
2.1.1 Daten zu Bolivien
· Staatsform:
Präsidiale
Republik
· Staatsgebiet: 1.098.581
km²
· Bevölkerung: 7,8
Mio.
· Ethnische Aufteilung:
42% Indígenas
31% Mestizen (Cholos)
15% Weiße
12% andere
· Lebenserwartung:
Frauen durchschnittlich 61 Jahre
Männer durchschnittlich 58 Jahre
· Analphabetenrate:
ca. 20%
· Staats-Religion:
römisch-katholisch
· Hauptstadt:
Sucre, Regierungssitz La Paz
· Staatsgründung:
1825
· Verwaltungsgliederung: 9 Departamentos, 98 Provinzen
· Volksvertretung:
Nationalkongress (Abgeordnetenhaus und Senat)
· Amtssprachen:
Spanisch, Quechua, Aymará
· Währung:
Boliviano
(Bs)
91
90
Zwei negative Beispiele zur politischen (Un)Kultur in Bolivien sollen hier exemplarisch gegeben werden. Der Diktator Hugo
Banzer, der 1971 durch einen Militärputsch an die Macht kam und 1978 durch den nächsten abgesetzt wurde (und während
seiner Diktatur u.a. politische Gegner foltern und töten ließ), wurde 1997 zum Präsidenten gewählt! Der im August 2002
gewählte Präsident Gonzalo Sánches de Lozada wurde schon nach etwas mehr als einem Jahr durch Streiks gegen seine Politik
zum Rücktritt gezwungen. Vor seiner erzwungenen Flucht aus dem Land ließ er das Militär auf die Streikenden schießen, was
zu mehreren Toten und Verletzten führte!
91
Bruns, Dirk (Hrsg.): a. a. O.; S. 529

33
2.1.2 Regionalgeologischer Überblick
,,Bolivien erstreckt sich in nordsüdlicher Richtung mit einer Ausdehnung von 1500
km von 10
° bis 23° südlicher Breite und 1300 km vom westlichen Kamm der Anden
bis zum Rand des Brasilianischen Berglandes im Osten."
92
Das Land kann man in
zwei naturgeographische Großräume einteilen:
a) den westlichen Teil, der das Hochland von Bolivien mit den bolivianischen Anden
umfasst (etwas mehr als ein Viertel der Gesamtfläche des Landes [229.115 km²])
und
b) den östlichen Teil, das ostbolivianische Tiefland (869.431 km²).
,,Eine genauere morphotektonische Gliederung von West nach Ost weist nun
folgende Einheiten auf: Westkordillere, Hochebene (Altiplano), Ostkordillere und
Ostbolivianisches Bergland, subandine Zone, Tiefland (Beni-Tiefebene, Gran-
Chaco-Tiefebene und Brasilianischer Schild)."
93
92
Löbel, Elke; a. a. O., S. 31
93
Corporación Minera de Bolivia: Reservas Mineralógicas de Bolivia, La Paz, Bolivien 1967, S. 29; Barth, Walter: Die
geowissenschaftliche Literatur Boliviens in den Jahren 1960-1971. Ein Überblick; in: Zentralblatt für Geologie und
Paläontologie, Heft 12, Stuttgart 1972, S. 99-130; zitiert nach: Stolz, Martin; a. a. O., S. 46

34
Abbildung 3: Die morphotektonische Gliederung Boliviens
(Quelle: Corporación Minera de Bolivia: Reservas Mineralógicas de Bolivia, La Paz, Bolivien 1967, S. 29; Barth,
Walter: Die geowissenschaftliche Literatur Boliviens in den Jahren 1960-1971. Ein Überblick; in: Zentralblatt für
Geologie und Paläontologie, Heft 12, Stuttgart 1972, S. 99-130; entnommen aus: Stolz, Martin: Der
genossenschaftliche Bergbau in Bolivien, Münster 1984, S. 46)
Der klassische Teil des bolivianischen Bergbaus ist nur in den ersten drei Einheiten
beheimatet. Die zwei Hauptgebirgsketten Ostkordillere (Cordillera Oriental) mit
Cordillera Real und ostbolivianischem Bergland und die Westkordillere (Cordillera
Occidental) haben Höhenzüge von über 6000m (höchste Erhebung: Illimani [6882
m]). Das Altiplano, das Hochland zwischen diesen beiden Gebirgszügen, liegt
durchschnittlich zwischen 3000 und 4000 m. Die bedeutendsten Lagerstätten
befinden sich in der Ostkordillere; die Räume des bolivianischen Hochlandes sowie
die Valleszone (trockene und warme Becken und Täler des Andenraumes) dienen als
Versorgungsgebiete für die Bergbauzentren.
94
94
vgl. Löbel, Elke; a. a. O., S. 31 / 32

35
Etwa 80% der Bevölkerung Boliviens lebt im naturgeographischen Teil des
Hochlandes. Sie ist jedoch nicht gleichmäßig verteilt, sondern konzentriert sich auf
städtische Zentren (z. B. La Paz: 1.800.000 Einwohner [davon 500.000 El Alto];
Cochabamba: ca. 300.000 Einwohner)
95
sowie kleinere Minenzentren. Noch ist es
das wirtschaftliche Kerngebiet Boliviens, doch hat sich in den letzten Jahren um die
in der Beni-Tiefebene liegende Stadt Santa Cruz (über 800.000 Einwohner)
96
ein
neues, schnell und stark anwachsendes Wirtschaftszentrum herausgebildet, welches
längerfristig dem Hochland seine Position streitig machen könnte.
Bolivien befindet sich im Bereich der Äußeren Tropen; deshalb sind die
Temperaturen keinen großen jährlichen Schwankungen ausgesetzt und man trifft hier
auf eine Regenzeit im Sommer von Dezember bis März und auf eine Trockenzeit im
Winter von April bis November. Der Ostabfall der Anden bewirkt eine
Feuchtigkeitsentladung der östlichen atlantischen Winde entlang des Gebirgszuges;
dies führt zu hohen Niederschlägen auf der Ostseite, während die Westseite ariden
Charakter trägt. Das Gebirgsinnere erhält nur geringe Niederschlagsmengen. Die
Niederschläge nehmen von Norden nach Süden ab.
97
,,Die hygrischen Verhältnisse sind für den Bergbau von besonderer Bedeutung. Die
unterschiedliche Niederschlagsverteilung von Norden nach Süden führt dazu, daß im
Süden bei anhaltender Trockenzeit Prozeßwasser - vornehmlich für die
Mineralaufbereitung - fehlt. In den nördlichen Gebieten kommt es nach schweren
Regenfällen zu Erdrutschen oder zur Unpassierbarkeit wichtiger Transportwege.
Minerale, die für Bolivien von wirtschaftlicher Bedeutung sind, sind Zinn, Wolfram,
Antimon, Silber, Zink, Blei, Gold und Wismut."
98
Das Hauptbergbauprodukt ist
weiterhin das Zinn. Mit der Erschließung der Lithiumvorkommen im Salar de
Uyuni, dem größten Salzsee Boliviens, erhofft sich das Land eine neue
Einnahmequelle im Bergbau.
95
Schmidt, Kai Ferreira: Peru / Bolivien, 3. akt. Aufl., Markgröningen 2003, S. 593
96
ebd.
97
vgl. Löbel, Elke; a. a. O., S. 31 / 32
98
ebd., S. 33

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2004
ISBN (eBook)
9783832495428
ISBN (Paperback)
9783838695426
DOI
10.3239/9783832495428
Dateigröße
2.8 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule Merseburg – Soziale Arbeit. Medien. Kultur
Erscheinungsdatum
2006 (Mai)
Note
1,5
Schlagworte
medienpädagogik authentizität medienkritik filmuntersuchung
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Titel: Bergarbeiter in Bolivien - Versuch einer Neubearbeitung eines klassischen Dokumentarfilms
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