Lade Inhalt...

Subjektive Lebensqualität von Frauen in Führungspositionen im europäischen Vergleich

Sekundäranalyse mit dem European Social Survey

©2005 Diplomarbeit 138 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Niedersachsens Sozialministerin Ursula von der Leyen gelte bei Wahlsieg als feste Größe in Angela Merkels Kabinett, titelt das Spiegel-Magazin im Juni 2005. Dazu ist ein Foto der 46-jährigen Ärztin, die erst seit zwei Jahren in der Landespolitik tätig ist, auf ihrem Bauernhof mit Ehemann, ihren sieben Kindern, zwei Ponys und zwei Ziegen abgebildet. Offenbar handelt es sich um eine Ausnahmeerscheinung: Von der Leyen verfolgte nicht nur Karrieren als Medizinerin und Spitzenpolitikerin, sie gründete ebenso eine Familie mit einer Vielzahl von Kindern. Ursula von der Leyen lächelt auf dem Familiengruppenbild glücklich, als ob sie wüsste, dass sie ein ‚privilegiertes Vorzeigeleben’ führt.
Heutzutage drängen immer mehr Frauen in oberste Führungsetagen. Das Erreichen einer statushohen Berufsposition, wie sie Ursula von der Leyen innehat, birgt nach wie vor spezifische Hindernisse für Frauen. Denn die Vereinbarkeit von Karriere und Familienleben gestaltet sich in den meisten Teilen Europas besonders schwierig für Mütter. Im männerdominierten Wettbewerb entscheiden sich Frauen mit Karriereambitionen deshalb häufig für ein Berufsleben ohne Familiengründung.
Langfristig brachte dies z.B. in Deutschland geburtenschwache Jahrgänge und ein demographisches Ungleichgewicht mit sich. Mit anderen Worten nimmt die Durchsetzung der europäischen Modernität in den gesellschaftlichen Strukturbildungen und ihren kulturellen Deutungen den Charakter unterschiedlicher Geschlechterdiskurse an. Die Europäische Union will dies verhindern: Einer Pluralisierung der Lebensstile muss eine adaptive Modernisierung der Wohlfahrtssysteme folgen. Geschlechter- und Gleichberechtigungspolitik sind daher zentrale Bestandteile des sechsten Rahmenprogramms, welches die Angleichung und Erhöhung von Lebensqualität in den Mitgliedsländern als oberstes Ziel der Staatengemeinschaft nennt.
Die Lebenssituation bzw. Lebensqualität von erwerbstätigen Frauen ist bisher recht gut beschrieben, allerdings häufig aus einer objektiven, teilweise normativen, Sicht der Beobachter. Die psychosozialen Folgen einer Karriereentscheidung für die Akteure sind dabei kaum thematisiert. Die objektive Beschreibung von Lebensqualität spiegelt nicht notwendigerweise das subjektive Wohlbefinden eines Menschen wider.
Wie Führungsfrauen ihre eigene Situation tatsächlich subjektiv wahrnehmen und beurteilen, bleibt unberücksichtigt und folglich ungeklärt. Möglicherweise hat Ursula von der Leyen […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 9518
Ellwardt, Lea: Subjektive Lebensqualität von Frauen in Führungspositionen im
europäischen Vergleich - Sekundäranalyse mit dem European Social Survey
Druck Diplomica GmbH, Hamburg, 2006
Zugl.: Technische Universität Dresden, Diplomarbeit, 2005
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte,
insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von
Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der
Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen,
bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung
dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen
der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik
Deutschland in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich
vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des
Urheberrechtes.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in
diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme,
dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei
zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Die Informationen in diesem Werk wurden mit Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können
Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden, und die Diplomarbeiten Agentur, die
Autoren oder Übersetzer übernehmen keine juristische Verantwortung oder irgendeine
Haftung für evtl. verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen.
Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2006
Printed in Germany

Abstract
Diese Diplomarbeit leistet einen empirischen Beitrag zur internationalen Glücksforschung.
Bisher thematisierte die deutschsprachige Forschungsliteratur lediglich die objektiv beschreibbare
Lebenssituation von erwerbstätigen Frauen in Führungspositionen. Der vorliegende Beitrag stellt
indes die subjektiv beurteilte Lebensqualität von Führungsfrauen in den Mittelpunkt der Analyse.
Innerhalb der Arbeit erfolgt die Diskussion des Konstrukts der subjektiven Lebensqualität aus
einer spezifisch soziologischen Sicht, nämlich im Sinne des sog. Bottom-Up-Ansatzes. In diesem
Rahmen werden anhand der Daten des European Social Survey vierzehn Teilhypothesen zum
Thema Happiness empirisch untersucht. Hier interessiert, wie Führungsfrauen in den EU-15-
Ländern ihre Lebenssituation im Vergleich zu Männern mit Führungspositionen und im
Vergleich zu Frauen ohne Führungspositionen wahrnehmen. Schwerpunkte bilden neben der
soziodemographischen Deskription dabei der Europavergleich, die Work-Life-Balance und die
Arbeitszufriedenheit. Bestehende Befunde der Glücksforschung setzen sich insgesamt auch in
der vorliegenden Arbeit fort, zusätzlich lassen sich neun eigene Teilhypothesen verifizieren.
Dennoch bleiben einige Fragen offen, für deren Beantwortung die Forschungsliteratur in
Zukunft verstärkt die Population der Führungsfrauen fokussieren müsste.
***
This thesis provides an empirical contribution to international happiness research. So far,
research literature in the German language has focused solely on objectively depicted life
circumstances of women working in leading positions. Thus, this paper places subjective appraisals
of the lives of leading women at the centre of its analysis. The discussion of the concept of
subjective quality of life follows a specific sociological point of view, principally the so-called
Bottom-Up Approach. Within this frame, fourteen hypotheses regarding happiness are empirically
analysed using data from the European Social Survey. Furthermore, it is asked how women in
leading positions perceive their existence in comparison to men with leading positions and
women without leading positions in the EU-15 countries. Apart from a socio-demographic
description, main topics include European comparisons, work-life-balance and job satisfaction.
Results from previous happiness research are acknowledged throughout the thesis, and in
addition nine personal hypotheses are verified. However, questions remain unanswered, which
may be addressed through ongoing happiness research focusing strongly on the population of
leading women.

Inhaltsverzeichnis
i
Inhaltsverzeichnis
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
iii
1 Einleitung und Problemstellung
1
2 Lebensqualität als komplexes Forschungskonzept
4
2.1 Zentrale Begriffsklärung von Lebensqualität
4
2.1.1
Zwei traditionelle Paradigmen
4
2.1.2
Eine Arbeitsdefinition
5
2.2 Sozialindikatoren als generalisierte Maße von Lebensqualität
7
2.2.1
Objektive Lebensqualität
7
2.2.2
Subjektive Lebensqualität
9
2.2.3
Verbindung objektiver und subjektiver Sozialindikatoren im Bottom-Up-Modell
10
2.3 Kognitive Theorien zu subjektivem Wohlbefinden (SWB)
12
2.3.1
Persönlichkeitsvariablen
12
2.3.2
Diskrepanz-Theorie
12
2.4 Objektive Hauptkorrelate von subjektiver Lebensqualität
13
2.4.1
Sozioökonomischer Status
14
2.4.2
Soziale Integration
16
2.4.3
Gesundheit
18
2.4.4
Positive Lebensereignisse
19
2.5 Zusammenfassung
20
3 Theoretischer und empirischer Erkenntnisstand zur subjektiven
Lebensqualität von Führungsfrauen in Europa
22
3.1 Subjektive Lebensqualität und Sozialsysteme im europäischen Vergleich
22
3.1.1
Metaanalyse empirischer Befunde
23
3.1.2
Wohlfahrtsstaatlichkeit
25
3.1.3
Länderklassifikation für die Aggredatdatenanalyse und Problempunkte
27
3.1.4
Work-Family-Balance und Gender Mainstreaming ausgewählter Länder
29
3.2 Work-Life-Balance und subjektive Lebensqualität von Frauen
34
3.2.1
Empirische Geschlechterdifferenzen
34
3.2.2
Zur Bedeutsamkeit familialer Geschlechterrollen
35
3.2.3
Konflikt beruflicher und privater Interessen
38
3.2.4
Europäische Lebensentwürfe: Entwicklungen der Familien- und Karriereplanung
40
3.3 Chancen und Barrieren weiblicher Führungskräfte im Erwerbsleben
43
3.3.1
Empirische Befunde zu Arbeitszufriedenheit
43
3.3.2
Geschlechtersegregation auf dem europäischen Arbeitsmarkt
46
3.3.3
Auswirkungen von organisatorischer Geschlechtersegregation auf die subjektive
Lebensqualität
49
3.3.4
,,Think manager, think male": Klassenerhalt durch Glass Ceiling
51
3.4 Theoretische Verknüpfung der empirischen Befunde untereinander
52
3.5 Zusammenfassung
54

Inhaltsverzeichnis
ii
4 Sekundäranalyse mit dem European Social Survey: Portrait von der
europäischen
Führungsfrau
56
4.1 Datengrundlage für die Hypothesenüberprüfung
57
4.2 Herleitung zentraler Variablen aus dem Datensatz
59
4.2.1
Verwendeter Indikator von subjektiver Lebensqualität (Glück)
59
4.2.2
Operationalisierung von ,,Führungsfrau"
60
4.3 Soziodemographische Charakteristika der Führungsfrauen im Vergleich
62
4.3.1
Geschlechtersegregation
62
4.3.2
Alter und Gesundheit
64
4.3.3
Familienstand und Kinder
65
4.3.4
Bildungsniveau
68
4.3.5
Haushaltsnettoeinkommen
69
4.4 ,,Typisch Führungsfrau?"
72
4.5 Zusammenfassung
74
5 Merkmale und Einflussfaktoren der subjektiven Lebensqualität von
Frauen
in
Führungspositionen
76
5.1 Wohlfahrtsstaatlichkeit
78
5.1.1
Varianz der subjektiven Lebensqualität in den Wohlfahrtsregimes
78
5.1.2
Zufriedenheit mit dem Wohlfahrtsstaat
81
5.1.3
Wahrgenommene Karrierechancen
84
5.2 Work-Life-Balance
87
5.2.1
Paarbeziehung und Kinder im Haushalt
87
5.2.2
Arbeitszeit und soziale Aktivitäten
91
5.3 Arbeitszufriedenheit
94
5.3.1
Kontrollgefühl im Job
94
5.3.2
Konstruktive Arbeitsunzufriedenheit
97
5.3.3
Diskriminierung gegen das Geschlecht
100
5.4 Zusammenfassung, Einordnung und Diskussion der Befunde
102
6 Fazit und Ausblick
107
Anhang
I
Abkürzungsverzeichnis
IV
Literaturverzeichnis
V

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
iii
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
Tabellen
Tab. 2.1
Human Development Index (HDI) in Europa 2002
8
Tab. 3.1
Overall appraisals of life in Europe
23
Tab. 3.2
Geschlechterverhältnis der Voll- und Teilzeiterwerbstätigen 2002, aus-
gewählte Länder der EU
42
Tab. 3.3
Männer und Frauen in Führungspositionen 2000
47
Tab. 4.1
Fallzahlen der Frauen in Führungspositionen und Anteile gegenüber
Männern in Führungspositionen
61
Tab. 4.2
Vollzeiterwerbstätige Frauen und Männer mit und ohne Führungsposi-
tionen
63
Tab. 4.3
Familienstand weiblicher und männlicher Führungspersonen
66
Tab. 4.4
Anzahl der Kinder im Haushalt
67
Tab. 4.5
In Vollzeit absolvierte Ausbildungsjahre
68
Tab. 4.6
Multinominale Regression der soziodemographischen Variablen von euro-
päischen Führungsfrauen
73
Tab. 5.1
Glück von Führungsfrauen und allen Vollzeiterwerbstätigen insgesamt in
den europäischen Ländern (Mittelwerte)
77
Tab. 5.2
Mittelwerte und Streuung von Glück der vier Populationen innerhalb der
Wohlfahrtscluster
80
Tab. 5.3
Subjektiv eingeschätzte Karrierechancen von erwerbstätigen Frauen:
Mittelwerte und Mittelwertdifferenzen zu Männern
85
Tab. 5.4
Spearmans Korrelationskoeffizienten der subjektiv wahrgenommenen
Karrierechancen mit Lebenszufriedenheit
86
Tab. 5.5
Stärke und Signifikanz des Hypothesen-Zusammenhangs für die Wohl-
fahrtscluster im Vergleich
90
Tab. 5.6
Spearman Korrelationen der Häufigkeit des privaten Treffens von
Freunden, Verwandten und Kollegen mit Glück
93
Tab. 5.7
Formen von Arbeits(un)zufriedenheit von Angestellten mit und ohne
Führungsposition
98
Tab. 5.8
Diskriminierung und Geschlechtsdiskriminierung gegen Frauen mit und
ohne Führungsposition
101
Tab. 5.9
Übersicht verifizierter und falsifizierter Hypothesen
102
Tab. A1
Befunde und Erklärungsansätze für Geschlechterdifferenzen nach Emo-
tionsart gegliedert
I
Abbildungen
Abb. 2.1
Dimensionen objektiver und subjektiver Lebenszufriedenheit
6
Abb. 2.2
Vier Lebensqualitäten aus systemtheoretischer Perspektive
10
Abb. 2.3
Übersicht der Korrelate von objektiven Lebensbedingungen mit Glück
21
Abb. 3.1
Objektive Indikatoren von Wohlfahrt und Lebensqualität im europäi-
schen Länderranking
25
Abb. 3.2
Vier Wohlfahrtsregimes in der Europäischen Union
26
Abb. 3.3
Graphische Darstellung der Wohlfahrtscluster
26

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
iv
Abb. 3.4
Vier Segregationsniveaus und Geschlechterarrangements
29
Abb. 3.5
Work-Life-Balance von Führungskräften im europäischen Raum
39
Abb. 3.6
Soll-Ist-Wert-Verlgeich ­ sechs Formen von Arbeitszufriedenheit (AZ)
und Arbeitsunzufriedenheit (AUZ)
44
Abb. 3.7
Theoretischer Bezugsrahmen zu den Indikatoren der empirischen Analyse
von subjektiver Lebensqualität von Frauen in Führungspositionen im
europäischen Vergleich
53
Abb. 4.1
Themenbereiche des European Social Survey
58
Abb. 4.2
Monatliches Haushaltsnettoeinkommen von Führungspersonen mit Ein-
personenhaushalten
70
Abb. 5.1
Streuungszerlegung von Glück für die Wohlfahrtscluster
79
Abb. 5.2
Lineare Regression der objektiven Einzelzufriedenheiten mit Lebens-
zufriedenheit insgesamt (alle vier Gruppen)
82
Abb. 5.3
Glücksquartile für vollzeitarbeitende Frauen mit und ohne Kind(er) im
Paarhaushalt
89
Abb. 5.4
Mediane und Regressionskoeffizienten von Arbeitszufriedenheit und
Kontrolle im Job, absteigend sortiert nach Wichtigkeit
96
Abb. 5.5
Modell zu den Kausalbeziehungen zwischen den Variablen zur konstruk-
tiven Arbeitsunzufriedenheit
99
Abb. 5.6
Verortung der empirischen Befunde im theoretischen Bezugsrahmen:
Input-Output-Modell
104
Abb. 5.7
Portfolio der subjektiven Lebensqualität und Zufriedenheit mit dem
Wohlfahrtsstaat von Führungsfrauen in Europa
106
Abb.
A1
Zusammenhang von Kontrollgefühl und Verbesserungsversuch mit
Arbeitszufriedenheit
II
Abb. A2
Korrespondenzanalyse anhand soziodemographischer Variablen von Füh-
rungsfrauen
III

Das höchste Ziel des Menschen ist Glück.
Aristoteles, Nikomanische Ethik

1 Einleitung und Problemstellung
1
1 Einleitung und Problemstellung
Niedersachsens Sozialministerin Ursula von der Leyen gelte bei Wahlsieg als feste Größe in
Angela Merkels Kabinett, titelt das Spiegel-Magazin im Juni 2005 (vgl. Der Spiegel 23/2005: 56).
Dazu ist ein Foto der 46-jährigen Ärztin, die erst seit zwei Jahren in der Landespolitik tätig ist,
auf ihrem Bauernhof mit Ehemann, ihren sieben Kindern, zwei Ponys und zwei Ziegen
abgebildet. Offenbar handelt es sich um eine Ausnahmeerscheinung: Von der Leyen verfolgte
nicht nur Karrieren als Medizinerin und Spitzenpolitikerin, sie gründete ebenso eine Familie mit
einer Vielzahl von Kindern. Ursula von der Leyen lächelt auf dem Familiengruppenbild glücklich,
als ob sie wüsste, dass sie ein ,,privilegiertes Vorzeigeleben" führt...
Heutzutage drängen immer mehr Frauen in oberste Führungsetagen. Das Erreichen einer
statushohen Berufsposition, wie sie Ursula von der Leyen innehat, birgt nach wie vor spezifische
Hindernisse für Frauen. Denn die Vereinbarkeit von Karriere und Familienleben gestaltet sich in
den meisten Teilen Europas besonders schwierig für Mütter. Im männerdominierten Wettbewerb
entscheiden sich Frauen mit Karriereambitionen deshalb häufig für ein Berufsleben ohne
Familiengründung. Langfristig brachte dies z.B. in Deutschland geburtenschwache Jahrgänge und
ein demographisches Ungleichgewicht mit sich. Mit anderen Worten nimmt die Durchsetzung
der europäischen Modernität in den gesellschaftlichen Strukturbildungen und ihren kulturellen
Deutungen den Charakter unterschiedlicher Geschlechterdiskurse an (vgl. Goetze 2003: 301). Die
Europäische Union will dies verhindern: Einer Pluralisierung der Lebensstile muss eine adaptive
Modernisierung der Wohlfahrtssysteme folgen. Geschlechter- und Gleichberechtigungspolitik
(Gender Mainstreaming, vgl. Europäische Kommission 1999: 14) sind daher zentrale Bestandteile
des sechsten Rahmenprogramms, welches die Angleichung und Erhöhung von Lebensqualität
in den Mitgliedsländern als oberstes Ziel der Staatengemeinschaft nennt (vgl. Europäische
Kommission 2004: 1).
Die Lebenssituation bzw. Lebensqualität von erwerbstätigen Frauen ist bisher recht gut
beschrieben (z.B. Sonderausgaben der KZfSS zur Geschlechter- und Organisationssoziologie),
allerdings häufig aus einer objektiven, teilweise normativen, Sicht der Beobachter. Die psycho-
sozialen Folgen einer Karriereentscheidung für die Akteure sind dabei kaum thematisiert. Die
objektive Beschreibung von Lebensqualität spiegelt nicht notwendigerweise das subjektive
Wohlbefinden eines Menschen wider. Wie Führungsfrauen ihre eigene Situation tatsächlich
subjektiv wahrnehmen und beurteilen, bleibt unberücksichtigt und folglich ungeklärt. Möglicherweise

1 Einleitung und Problemstellung
2
hat Ursula von der Leyen eine zwiespältige Einstellung zu ihrem beruflichen ,,Vorzeige-Erfolg":
Sie wird zum Erhalt ihres ,,trauten Familienglücks" zusätzliche Ressourcen mobilisieren müssen,
will sie zukünftig im entfernten Berlin Politik machen.
Familienformen und Karrierechancen von Frauen stehen eng mit kulturellen Rollen-
modellen und Staatssystemen in Verbindung. In Bezug auf die subjektiv beurteilte Lebensqualität
von Führungsfrauen ergibt sich folglich der Fokus des Ländervergleiches. Es existieren zwar
vielfältige Europastudien zum Thema ,,Glück" (z.B. Studien des Eurobarometers und Veen-
hovens Datenbank), jedoch nur wenige mit der Perspektive auf berufstätige Frauen. Die vorliegende
Arbeit möchte diese Forschungslücke empirisch schließen, indem sie an die bestehende Forschung
anknüpft und neue Fragestellungen bearbeitet. Die Arbeit thematisiert verstärkt die subjektive
Wahrnehmung der Lebenssituation durch Führungsfrauen und vergleicht diese innerhalb der
Europäischen Union.
Die primäre Forschungsfrage lautet also: Wie glücklich sind die Führungsfrauen in den
europäischen Ländern? Am Schluss dieser Arbeit sollten außerdem folgende Teilfragen beant-
wortet sein:
(1) Was ist Lebensqualität? Welche Indikatoren gibt es und wie hängen diese mit subjektiver
Lebensqualität zusammen?
(2) Treten Unterschiede in der subjektiven Lebensqualität von Frauen in Führungspositionen
innerhalb der Europäischen Union auf?
(3) Treten Unterschiede in der subjektiven Lebensqualität von Frauen mit Führungspositionen
und Frauen ohne Führungspositionen auf?
(4) Treten Unterschiede in der subjektiven Lebensqualität von Frauen in Führungspositionen
und Männern in Führungspositionen auf?
Die Beantwortung der ersten Teilfrage erfolgt bereits im zweiten Kapitel: Hier wird das
Konstrukt der Lebensqualität in seiner Komplexität vorgestellt. Dabei stehen die wissen-
schaftliche Kontroverse von objektiv beschreibbarer und subjektiv beurteilter Lebensqualität im
Mittelpunkt sowie die theoretische und empirische Verbindung dieser beiden Ansätze. Im dritten
Kapitel stellt die Diskussion zentrale Befunde subjektiver Lebensqualität vor und generiert
Hypothesen im Hinblick auf Führungsfrauen. Der Fokus liegt hierbei auf den für die For-
schungsfrage relevanten Bereichen der europäischen Wohlfahrtssysteme, der Work-Life-Balance
sowie der Barrieren von Führungsfrauen beim Karriereaufstieg. Die Darstellung mündet in einem
theoretischen Modell zur subjektiven Lebensqualität von Führungsfrauen.
Der vierte und fünfte Teil der Arbeit beinhalten die empirische Sekundäranalyse anhand
der Statistikdaten des European Social Survey: Im vierten Kapitel erfolgt die Deskription der
Lebenssituation europäischer Führungsfrauen anhand soziodemographischer Variablen. Die im
Theorieteil hergeleiteten Hypothesen zur subjektiven Lebensqualität erhalten im fünften Kapitel

1 Einleitung und Problemstellung
3
die statistische Überprüfung. Neben dem Ländervergleich stehen Führungsfrauen im Vergleich
zu Führungsmännern und Frauen bzw. Männern ohne Führungsposition, was zur Beantwortung
der Teilfragen (2) bis (4) führt. Die Vergleiche ermöglichen die Identifizierung der für
Führungsfrauen spezifischen Charakteristika. Abschließend werden die Ergebnisse im theore-
tischen Bezugsrahmen sowie bezüglich der Forschungsliteratur diskutiert. Die Arbeit endet mit
Überlegungen zu zukünftigen Fragestellungen.
Im Folgenden leitet die Arbeit mit der Begriffsklärung von Lebensqualität ein.

2 Lebensqualität als komplexes Forschungskonzept
4
2 Lebensqualität als komplexes Forschungskonzept
Um sich der Forschungsfrage der vorliegenden Arbeit sukzessive anzunähern, bedarf es
einer zentralen Begriffsklärung von (subjektiver) Lebensqualität. Bei dieser Definition handelt es
sich um ein prekäres Unternehmen, denn Lebensqualität ist nicht nur im Alltagsgebrauch ein
häufig verwendeter Ausdruck, sondern charakterisiert sich durch vielfältige, diffuse
Verwendung und (leider) auch Missinterpretation in den Sozialwissenschaften. Aus diesem
Grunde erfolgt hier eine explizit soziologische Darstellung des Lebensqualitätskonzeptes.
Innerhalb der Begriffsbestimmung behandelt dieses Kapitel die komplementären Ansätze zu
subjektiver und objektiver Lebensqualität. Kann man Lebensqualität überhaupt quantifizieren? Es
folgt ein Vorschlag für die Beantwortung der Frage, wie die subjektive und die objektive
Dimension zueinander in Verbindung stehen: Dieser ist entscheidend für die empirische
Herangehensweise an die Forschungsfrage und bildet im Weiteren den theoretischen Bezugs-
rahmen der Arbeit. Subjektives Wohlbefinden beruht zwar auf individuellen Bewertungs-
prozessen, korreliert aber immer wieder mit bestimmten objektiven Indikatoren. Die Präsen-
tation ebensolcher sog. Hauptkorrelate von subjektiver Lebensqualität ermöglicht ferner das
Zurückgreifen auf bereits bekannte Befunde, wenn es um das Glück von Frauen in Führungs-
positionen im Speziellen geht.
2.1 Zentrale Begriffsklärung von Lebensqualität
Hughes et al. (1995) sichteten von 1970 bis 1993 allein 44 verschiedene Begriffs-
definitionen innerhalb einschlägiger Publikationen ­ eine Zahl, die sich bis heute noch einmal
vergrößert hat. Lebensqualität beschreibt ein äußerst idiosynkratisches Konstrukt und wird
dementsprechend heterogen in der Forschungslandschaft betrachtet. Hier geht es darum,
Probleme bei der Begriffsbestimmung von Lebensqualität aufzuzeigen und einen Ansatz für den
weiteren Gebrauch dieses Konzeptes zu erarbeiten.
2.1.1 Zwei traditionelle Paradigmen
Eines gilt es, gleich am Anfang zu klären: Ist Lebensqualität ein universell definierbares
Konzept oder basiert es auf individuellen Bewertungen? Diese Frage wurde bis in die 60er Jahre
vordergründig in Skandinavien und aus objektivistischer Sicht (z.B. Erikson & Uusitalo

2 Lebensqualität als komplexes Forschungskonzept
5
1987) beantwortet, indem man Lebensqualität lediglich mit dem Bruttosozialprodukt oder der
Wohlfahrtsstaatlichkeit eines Landes gleichsetzte (vgl. Veenhoven 1996: 1). Gegensätzlich dazu
entstand Mitte der 60er Jahre die ,,social indicators"-Bewegung in den USA (vgl. ebd.),
welche eine individuenzentrierte Perspektive von Lebenszufriedenheit betonte (z.B. Campbell &
Converse 1972). Diese implizierte aber weiterhin die Vorherrschaft der statistischen, quanti-
fizierten Erhebung subjektiven Wohlbefindens auf national-gesellschaftlicher Vergleichsebene.
Der individualistische Ansatz verdrängte die ausschließlich ökonomische Auffassung von
Lebensqualität und konnte sich bis in die 90er Jahre manifestieren. Europäische Länder erhoben
bereits während der 70er Jahre so genannte Sozialindikatoren (z.B. subjektive Zufriedenheit mit
einzelnen Gesellschaftsbereichen; siehe unten). Diesem Beispiel folgten später globale Einrich-
tungen wie die Weltbank (,,World Development Report", 2000), die Vereinten Nationen
(,,Human Development Index", 2002) und sogar die skandinavisch geprägte OECD (,,The Well-
being of Nations: The Role of Human and Social Capital", 2001).
1
Neuere Ansätze schlagen für
die Praxis eine Konvergenz von objektivistischer und subjektivistischer Position vor (siehe
unten: Cummins 1997a und Zapf 1984, 1987). Die vorliegende Arbeit schließt daran an und
orientiert sich in Bezug auf Frauen in Führungspositionen stärker an einer individualistischen,
mikrosoziologischen Perspektive, bei der die Wahrnehmungskomponente eine größere Bedeu-
tung erhält (im Interesse am ,,tatsächlichen" Wohlbefinden einer bestimmten Population). Aber
auch innerhalb der divergierenden Paradigmen bestehen unterschiedliche Auffassungen vom
konkreten Lebensqualitätsbegriff.
2.1.2 Eine Arbeitsdefinition
Wie bereits angedeutet, gibt es keine einheitliche Definition für Lebensqualität. In der
neueren Forschung konnten sich hauptsächlich Vorschläge profilieren (z.B. Zapf 1984,
Veenhoven 1984, Cummins 1997a, Diener 1999), welche den Aspekt der individuellen
psychologischen Wahrnehmung materieller Realität in den Vordergrund stellen (vgl. Rapley 2003:
50). Dabei ist Vorsicht geboten: Die Auffassung, dass Lebensqualität das ist, was eine Person als
ihre bestimmte Qualität des Lebens wahrnimmt, birgt die Gefahr der Tautologie im Zuge einer
verkürzten Fragestellung. ­ Ein Beispiel:
[QOL as] The degree to which a person enjoys the important possibilities of his or her life ...
This definition can be simplified to ­ `How good is your life for you'? (Woodill et al. 1994:
67)
1
Mittlerweile etablierten sich wissenschaftliche Institutionen eigens für die Erforschung sozialer Indikatoren, z.B. die
Fachzeitschrift Social Indicators Research oder das European System of Social Indicators (EUSI, entwickelt vom ZUMA).

2 Lebensqualität als komplexes Forschungskonzept
6
Universale und individuelle Faktoren interagieren eng miteinander und bleiben dennoch zu
einem gewissen Grad unabhängig. Eine brauchbare Definition liefert letztlich Cummins (1997a),
indem er dies berücksichtigt:
Quality of life is both objective and subjective, each axis being the aggregate of seven
domains: material well-being, health, producitity, intimacy, safety, community and emotional
well-being. Objective domains comprise culturally relevant measures of objective well-being.
Subjective domains comprise domain satisfaction weighted by their importance to the individual.
(ebd.: 6, Herv. d. Verf.)
Lebensqualität ist demnach ein multidimensionales Konstrukt, bestehend aus objektiven
Bedingungen (z.B. Arbeitslosenquote, Wirtschaftswachstum) und deren subjektiven Bewertungen
durch die Individuen. Die Bewertungen variieren je nach kulturellem Kontext und Prä-
dispositionen in ihrer Bedeutung (z.B. Arbeitszufriedenheit). Weder eine ausschließlich globale, z.
T. normative, noch eine rein individuelle Betrachtung beschreibt Lebensqualität hinreichend. Die
Kombination dieser Dimensionen generiert Zapf (1984) anhand folgender 2x2-Matrix:
Abb. 2.1: Dimensionen objektiver und subjektiver Lebenszufriedenheit
Subjektive Lebenszufriedenheit
gut
schlecht
gut WELL-BEING DISSONANZ
Objektive
Lebensbedingungen
schlecht ANPASSUNG DEPRIVATION
Quelle: Zapf (1984: 25)
Neben völliger Zufriedenheit (,,Well-being") und Unzufriedenheit (,,Deprivation")
existieren somit auch die Möglichkeiten eines inkonsistenten Unzufriedenheitsdilemmas (hohe
Unzufriedenheit unter guten Lebensbedingungen), et vice versa, der paradoxen Anpassungs-
zufriedenheit.
Objektiv ähnliche Umstände können also auf der Personenebene ganz unterschiedlich auf
das Wohlbefinden von Führungsfrauen wirken (vgl. Zapf 1987: 45). Die jeweilige Lebensqualität
ist schließlich das Ergebnis sozialer Interaktion von Gesellschaft und Individuum, als eine Art
soziale Wirklichkeitskonstruktion. Die Erfassung von objektiven und subjektiven Lebens-
bedingungen geschieht mit Hilfe der bereits erwähnten Sozialindikatoren, welche folgend
eingehend erläutert werden.
2
2
Für qualitative Ansätze siehe Rapley 2003: 103ff.

2 Lebensqualität als komplexes Forschungskonzept
7
2.2 Sozialindikatoren als generalisierte Maße von Lebensqualität
Sozialindikatoren, als Maße für objektive und subjektive Lebensbedingungen, definierte
Bauer (1966: 1) ursprünglich als ,, statistics, statistical series, and all other forms of evidence that
enable us to assess where we stand and are going with respect to our values and goals." Diese
Beschreibung unterliegt einem sehr allgemeinen, normativen Verständnis und lässt die eigentliche
Begriffsklärung offen. Entsprechend vielfältige Operationalisierungen von Indikatoren finden
sich in der einschlägigen Literatur. Es herrscht lediglich Einigkeit über die dichotome
Unterscheidung in objektive und subjektive Bedingungen (vgl. Noll 2000). Aber auch hierzu gibt
es alternative Ansätze, z.B. von Land (2000), erweitert durch eine deskriptive Dimension
(Dynamik einer Gesellschaft). Neben der Deskription kommt dort den Sozialindikatoren die
Funktion der Trenderfassung bzw. der Vorhersage zu (vgl. ebd.).
Objektive Indikatoren spiegeln vordergründig nationale Aspekte von Wohlfahrt wider,
also die soziale Lage oder den sozialen Wandel einer Gesellschaft (vgl. Euromodul, Böhnke et al.
2000: 12). Subjektive Indikatoren beziehen sich auf die individuelle Einschätzung der
persönlichen Lage (z.B. Zufriedenheit mit Lebensstandard). Beide Dimensionen kann man auf
mikro- und makrosoziologischer Ebene unterscheiden, so dass sich zwei Mal zwei Unter-
forschungsbereiche ergeben (vgl. ebd. und Schulz 2000: 2): (1a) objektive individuelle
Bedingungen bzw. Sozialstruktur und (1b) subjektives Wohlbefinden vs. (2a) die tatsächliche und
(2b) die wahrgenommene Qualität einer Gesellschaft (Wohlfahrt).
2.2.1 Objektive Lebensqualität
Hierbei geht es um Bedingungen bzw. Fakten von Lebensdomänen wie: Wohnen,
Haushalt, gesellschaftliche Partizipation, Lebensstandard, Einkommen, Armut, Bildung, Arbeit,
öffentliche Sicherheit / Kriminalität, Gesundheit, Lebenserwartung (vgl. Euromodul bei Böhnke
et al. 2000: 13 sowie Übersicht bei Rapley 2003: 11), Umwelt, Freizeit, Medien und Kultur (vgl.
EUSI). Objektive Lebensqualität, mit dem Ziel des internationalen Vergleichs, wird i. d. R. durch
gewichtete Indizes ausgedrückt. Die etabliertesten, d.h. am häufigsten verwendeten, sind der
HDI (Human Development Index, Vereinte Nationen), der WDI (World Development Index,
Weltbank), die Social Indicator Development (OECD), auf europäischer Ebene der EUSI
(European System of Social Indicators, ZUMA) sowie das German System of Social Indicators
für Deutschland (ZUMA). Für eine ausführliche Übersicht zu OQOL-Indizes sei auf Hagerty et

2 Lebensqualität als komplexes Forschungskonzept
8
al. (2001) verwiesen. Tab. 2.1 zeigt exemplarisch die HDI-Werte der europäischen Staaten (je
höher der Wert, desto höher die objektive Lebensqualität):
Tab. 2.1: Human Development Index (HDI) in Europa 2002
Land
Welt-
rang
Human
Develop-
ment
Index
Pro-Kopf-
Bruttoso-
zialprodukt
(US$)*
Land
Welt-
rang
Human
Develop-
ment
Index
Pro-Kopf-
Bruttoso-
zialprodukt
(US$)*
Norwegen
1.
0,956
36.600
Portugal
26.
0,897
18.280
Schweden
2.
0,946
26.050
Slowenien
27.
0,895
18.540
Niederlande
5.
0,942
29.100
Estland
51.
0,853
12.260
Belgien
6.
0,942
27.570
Polen
37.
0,850
10.560
Irland
10.
0,936
36.360
Ungarn
38.
0,848
13.400
Schweiz 11.
0,936
30.010
Litauen
41.
0,842
10.320
Großbritannien
12.
0,936
26.150
Slowakei
42.
0,842
12.840
Finnland
13.
0,935
26.190
Lettland
50.
0,823
9.210
Österreich
14.
0,934
29.220
Bulgarien
56.
0,796
7.130
Luxemburg
15.
0,933
61.190
Mazedonien
60.
0,793
6.470
Frankreich
16.
0,932
26.920
Weißrussland
62.
0,790
5.520
Dänemark
17.
0,932
30.940
Bosnien Herzeg.
66.
0,781
5.970
Deutschland
19.
0,925
27.100
Rumänien
69.
0,778
6.560
Spanien 20.
0,922
21.460
Ukraine
70.
0,777
4.870
Italien 21.
0,920
26.430
Russland
75.
0,759
8.230
Griechenland
24.
0,902
18.720
Moldawien
113.
0,681
1.470
Europadurchschnitt: 0,873 (19.740 US$)
Weltdurchschnitt: 0,792 (7.804 US$)
Quelle: United Nations 2004 (Auszug). * aus dem Bericht der Weltbank: World Development Indicators 2004 (vgl. ebd.); N = 177
Länder; Indikatoren: Lebenserwartung, Analphabetenrate, Bildung und Einkommen; Skala: Werte zwischen 0 und 1
Dem globalen Städteranking objektiver Indikatoren
3
von Mercer Human Resource
Consulting (2004) zufolge belegen westeuropäische Städte nahezu die Hälfte der ,,Top 40" ­ mit
Zürich an der Spitze, gefolgt u. a. von Genf, Wien, Bern, Kopenhagen, Frankfurt, Amsterdam
und München. Weit darunter liegen afrikanische sowie terrorismusbedrohte Städte des nahen
Ostens; Bagdad bildete 2004 das Schlusslicht (vgl. ebd.).
Ein interdisziplinäres Konzept wie das der objektiven Lebensqualität läuft der analogen
Verwendung mit einzelnen Lebensbereichen Gefahr (vgl. Rapley 2003: 16), z.B. Lebensqualität
gleichgesetzt mit Gesundheit in der medizinischen Forschung, oder synonym für Wirtschaft,
Demokratie oder gar feministische Sichtweisen.
4
Darüber hinaus ist eine ausschließlich objektive
Betrachtung von Lebensqualität, wie z.B. anhand des HDI, in Hinblick auf die höchst unter-
schiedliche kognitive Bewertung verschiedener Lebensaspekte nicht nur riskant, sondern
schlichtweg falsch. Ebenso argumentiert Varelius (2004: 85), dass objektivistische Theorien
bisher nicht im Stande waren, subjektives Wohlbefinden unter Ausblendung persönlicher
3
Vergleich von 215 Städten unter Bildung eines Indexes mit 39 Subdimensionen und den Kategorien Konsumgüter,
Wirtschaft, Wohnen, Gesundheit, Umwelt, Sozialpolitik, Versorgung / Transport, Regeneration, Schulbildung,
sozio-kulturelle Umwelt.
4
Beispielsweise bezieht sich die Fachzeitschrift Quality of Life Research nur auf gesundheitliche Themen und die
International Society for Quality-of-Life Studies nur auf Marktforschung.

2 Lebensqualität als komplexes Forschungskonzept
9
Wünsche und Einstellungen plausibel darzustellen. Diese Kritik impliziert wiederum die
Notwendigkeit einer sauberen Methode für die begriffliche und empirische Erfassung subjektiver
Lebensqualität (vgl. ebd.: 86). Weiterhin sollte man Vorhersagen nur innerhalb derselben
Reichweite wie ihre bestimmenden Variablen treffen. Um die Begriffe zur subjektiven Lebens-
qualität geht es im Folgenden.
2.2.2 Subjektive Lebensqualität
Im Kontext der Theorie des subjektiven Wohlbefindens
5
unterscheiden Diener et al. (1999)
zwei Hauptkomponenten subjektiver Lebensqualität: (1) die kognitiv-evaluative Komponente
bezieht sich auf den rationalen Aspekt der Lebenszufriedenheit während (2) die affektive
Komponente emotionale Zufriedenheit beschreibt. Weiterhin scheint die Annahme einer hierar-
chischen Beziehung zwischen diesen Dimensionen angebracht (vgl. Korczak 1995: 15). Demnach
ist die kognitiv wahrgenommene Bedürfnisbefriedigung eine notwendige Bedingung für
emotionale Zufriedenheit, die idealerweise im situationsüberdauernden Zustand des Glücks als
,,höchste Stufe der subjektiven Lebensqualität" (ebd.) mündet. In der Forschungsliteratur werden
subjektives Wohlbefinden (SWB) und Glück ohnehin häufig gleichbedeutend verwendet, was
eine solche Annahme nur bekräftigt. So fand Schulz (2000: 14) anhand mehrerer empirischer
Regressionsanalysen heraus, dass subjektive Lebensqualität statistisch zum größten Teil durch
persönliches Glück erklärt werden kann (R = .86, d.h. SWB und Glück treten meistens
gemeinsam auf, bedeuten also fast dasselbe) und deshalb eine synonyme Begriffsverwendung von
subjektiver Lebensqualität und happiness in der Umfrageforschung relativ unproblematisch ist.
Der führende Lebensqualitätsforscher Ruut Veenhoven beschäftigt sich bspw. ausschließ-
lich mit dem Glücksbegriff ­ daran orientiert sich die vorliegende Arbeit im weiteren Verlauf.
Das von Veenhoven gegründete ,,Journal of Happiness Studies" sowie seine Datenbank ,,World
Database of Happiness"
6
mit über 700 Studien bilden umfassende Sammelforen für die
internationale SWB-Forschung. Ein Blick in diesen Recherchekatalog verrät, dass Europa für
happiness zwar höhere Werte als Asien oder Afrika erzielt, jedoch unter den anderen Kontinenten
bleibt. Grund für die ,,nur" mittelmäßige Einschätzung sind die niedrigen Studienergebnisse für
subjektive Lebensqualität im Osten Europas (siehe Europa ausführlich im Kap. 3.1.1).
Neben der ,,Glücksfrage" schließen subjektive Sozialindikatoren die Messung physischer,
materieller und sozialer Faktoren ein, z.B. Gemeinschaftsempfinden, Gerechtigkeitsempfinden,
5
SWB bei Bradburn (1969: 9) ursprünglich definiert als das Ergebnis der Anwesenheit von positiven und der
Abwesenheit von negativen Affekten, welche unabhängig voneinander auftreten.
6
World Database of Happiness. Distributional Findings in Nations. Continuous register of scientific research on
subjective appreciation of life: www2.eur.nl/fsw/research/happiness/index.htm

2 Lebensqualität als komplexes Forschungskonzept
10
Freiheit, Familie, persönliche Beziehungen, Sexualleben, Milieu, Hobbys und Freizeit (vgl.
Übersicht bei Rapley 2003: 11) sowie ­ im Einklang mit der Arbeitsdefinition aus Kap. 2.1.2 ­ die
Zufriedenheit mit einzelnen Lebensdomänen wie Arbeit, Freunde, Finanzen, Wohnen, Gesundheit,
Paarbeziehung etc. (vgl. Fragebogen zur Lebenszufriedenheit
7
von Fahrenberg et al. 2000). Auch
subjektive Indikatoren allein beschreiben die Lebenssituation nicht hinreichend. Vielmehr ist eine
konvergente Betrachtung von objektiven und subjektiven Aspekten erforderlich.
2.2.3 Verbindung objektiver und subjektiver Sozialindikatoren im Bottom-Up-Modell
Objektiv günstig scheinende Voraussetzungen sind immer relativ und bedingen nicht
zwingend die subjektive Zufriedenheit eines Menschen. Wie schon mit Zapf (1984) angedeutet,
ist diese Verbindung etwas komplexer. Typischerweise geht man in der Soziologie von einem
Bottom-Up-Modell aus (vgl. Bulmahn 1997: 82f, anknüpfend an das skandinavische Para-
digma), wonach externe Voraussetzungen durchaus subjektive Konsequenzen nach sich ziehen
können. Hier sind allerdings kognitive Vergleichsprozesse, Zufriedenheit mit und Wichtigkeit
von einzelnen Lebensbereichen zwischengeschaltet. Hinzu kommt die Frage der Umsetzbarkeit
objektiv vorteilhafter Faktoren durch die Individuen. Veenhoven (2000) konzipiert anhand seines
systemtheoretischen Input-Output-Modells
8
,,vier Lebensqualitäten" im Einklang mit den von
Schulz (2000) genannten Unterforschungsbereichen:
Abb. 2.2: Vier Lebensqualitäten aus systemtheoretischer Perspektive
Outer qualities
Inner qualities
Life chances
Livability of environment
= INPUT
o
Ecological
o
Social
o
Economical
o
Cultural
o
Etc.
* tatsächliche Qualität einer Gesellschaft /
Wohlfahrt
Life-ability of the person
= THROUGHPUT
o
Physical health
o
Mental health
o
Knowledge
o
Skills
o
Art of living
o
Etc.
* Sozialstruktur
Life results
Objective utility of life
= OUTPUT: EXTERNAL EFFECTS
o
External utility
o
Moral perfection
o
Etc.
* wahrgenommene Qualität einer Gesellschaft
Subjective appreciation of life
= OUTPUT: FEEDBACK
o
Appraisal of life-aspects
o
Prevailing moods
o
Overall appraisals, etc.
* subjektives Wohlbefinden
Quelle: Veenhoven 2000: 10f (zusammengefasste Darstellung), * Soziologische Forschungsbereiche (vgl. Schulz 2000: 2)
7
Bildung eines Lebenszufriedenheitsindexes mithilfe von je sieben Ratingskalen zu insgesamt zehn Lebensbereichen.
8
Ähnlich zu finden bei Hagerty et al. (2001).

2 Lebensqualität als komplexes Forschungskonzept
11
Im Hinblick auf den europäischen Ländervergleich als Teil des Forschungsinteresses ergibt
sich folgende Überlegung: Staaten als systemische Institutionen liefern ihren Einwohnern
allgemeine Rahmenbedingungen des Lebens (Input, ,,livability"). Je nach individueller Wahr-
nehmung und Umsetzungsfähigkeit (,,throughput") machen sich die Einwohner diese Beding-
ungen zu Nutze bzw. empfinden sie zumindest als nützlich oder unnützlich (Feedback). Auf
Makroebene aggregieren sich ihre Einschätzungen abermals zu einer allgemeinen Lebensqualität
des gesellschaftlichen Systems (Effekte). Diese Argumentation ähnelt stark dem strukturell-
individualistischem Handlungsansatz bzw. dem Rational-Choice-Modell
9
(Coleman 1991).
Das jeweilige sozial-politische System stellt somit lediglich das Potential (,,life chances") eines
bestimmten Niveaus an Lebensqualität bereit. Im Idealfall löst eine gute objektive Lebensqualität
eine hohe subjektive Lebensqualität aus (vgl. Korczak 1995: 15). Folglich machte es sich die
deutsche Gesetzgebung seit 1965 zum Auftrag, unterdurchschnittliche wirtschaftliche, soziale
oder kulturelle Lebensbedingungen mit dem Ziel einer erhöhten subjektiven Lebensqualität zu
fördern (vgl. ebd.: 17).
Dabei ist die Frage der Kausalität bis heute nicht geklärt. Kritiker des Bottom-Up-
Ansatzes (z.B. Diener et al. 1999: 278), meist Psychologen oder Sozialpsychologen, räumen
individuellen Prädispositionen in Bezug auf SWB eine weitaus größere Stellung ein als objektiven
Sozialindikatoren. Die Begründung, dass sozialstrukturelle Merkmale einen nur geringen Effekt
haben (höchstens R = .20 bei Diener et al. 1999: 278f; R = .12 bei Schulz 2000: 5), führt zu dem
oppositionellen Top-Down-Ansatz. Aus Gründen einer soziologischen Sicht, in Anlehnung an
die Arbeitsdefinition und in Bezug auf die hier verfolgte Forschungsfrage, Führungsfrauen in
Europa, erhält die Bottom-Up-Annahme im Folgenden erhöhte Aufmerksamkeit.
10
Das Indivi-
duum als (Mit-)Glied der Gesellschaft ist als solches nicht isolierbar. Daraus erwächst die Frage
nach dem Beitrag normativer Rollenbilder und sozialpolitischer Institutionen zu einer
bestimmten Lebensqualität der hier interessierenden Population. Schließlich ist es fragwürdig,
inwieweit die vom Top-Down-Modell postulierte individuelle Veranlagung zu allgemeiner
Lebenszufriedenheit unabhängig existiert und spezifische Lebensbereiche beeinflusst (vgl. Bulmahn
1997: 80). Für ein besseres Verständnis erhält der Top-Down-Ansatz im nächsten Abschnitt
Beachtung.
9
D.h. die kollektiven Handlungsfolgen einer sozialen Ausgangssituation (je Makroebene) lassen sich mit Hilfe
individueller Situativität und Handlungsbereitschaft (je Mikroebene) erklären.
10
Mallard et al. (1997) zum Beispiel bestätigten einen Bottom-Up-Effekt für 29 Ländersamples gegenüber einem
Top-Down-Effekt in nur drei Ländern.

2 Lebensqualität als komplexes Forschungskonzept
12
2.3 Kognitive Theorien zu subjektivem Wohlbefinden (SWB)
In Anlehnung an die sozialpsychologische Emotionsforschung beeinflussen gemäß der
Top-Down-Ansicht vor allem kognitive, affektive und Verhaltensdispositionen das subjektive
Wohlbefinden eines Menschen in Form unterschiedlicher Reaktionen auf positive und negative
Ereignisse. Eine umfassende Theorie-Übersicht findet sich bei Strack et al. (1991), eine
Einführung mit neuerem empirischem Bezug bei Diener et al. (1999). Die kognitiven Ansätze
lassen sich grob in zwei Theorie-Gruppen unterscheiden: Persönlichkeit und Diskrepanz.
2.3.1 Persönlichkeitsvariablen
Gibt es eine Veranlagung zum Glücklichsein? Vertreter der Persönlichkeitstheorien (trait
theories) gehen davon aus, dass Menschen begünstigende oder behindernde Voraussetzungen für
SWB mitbringen, die objektive Strukturmerkmale überlagern; wie z.B. Temperament. Demnach
fördern ein inneres Gleichgewicht (affect balance), kognitive Prädispositionen wie Extrovertiertheit,
Optimismus oder ein erhöhtes Selbstbewusstsein subjektives Wohlbefinden, wohingegen sich
bspw. Neurotizismus, Psychosen und Labilität negativ auswirken (vgl. Diener et al. 1999: 279ff).
Wie Veenhoven (1991: 18) allerdings einräumt, ist happiness kein Charaktermerkmal per se,
sondern fluktuiert im Lebensverlauf. Dies belegt auch die zehnjährige Panelstudie von Ehrhardt
et al. (2000: 177) in Deutschland (R = .29 zwischen den ersten und den letzten Befragungs-
ergebnissen). Somit muss der Einfluss individueller Eigenschaften im Handlungszusammen-
hang gewichtet werden (z.B. Glück infolge eines hedonistischen Lebensstils, vgl. Studie von
Veenhoven 2003: 443f). Danach richtet sich die Diskrepanz-Theorie.
2.3.2 Diskrepanz-Theorie
Selbst im Einklang mit den Persönlichkeitstheorien kann man Glück oder SWB als
,,relativ" betrachten: je nach individuellem Anspruchsniveau, Bewältigungsstrategie oder
Adaption. Laut Michalos' (1985) Multiple-Discrepancies-Theory bestimmen kognitive intra-
und interpersonale Vergleichsprozesse die aktuelle Befindlichkeit einer Person; diese vergleicht
sich mit Bezugspersonen, mit früheren Situationen, mit eigenen Erwartungen und Bedürfnissen
(vgl. ebd.). Eine solche Annahme würde die paradoxen Ausprägungen der von Zapf (1984)
aufgestellten Vierfeldermatrix (siehe Tab. 2.1.) erklären: mögliche Unzufriedenheit trotz objektiv
günstiger Umstände bzw. Zufriedenheit trotz schlechter Lebenslage. Lebenszufriedenheit ist
niemals statisch, sondern unterliegt Schwankungen (vgl. Myers 2004). In einer Art mentalen

2 Lebensqualität als komplexes Forschungskonzept
13
Soll/Ist-Vergleich stehen sich Zielerwartungen und Subjektwirklichkeit gegenüber. Kommt es zu
negativen Abweichungen (Diskrepanzen), gibt sich die Person unzufrieden mit ihrer Situation;
Glücksgefühle stellen sich bei positiver Abweichung ein (,,über das Ziel hinausschießen"). Die
theoretische Annahme der Vergleichsprozesse scheint plausibel und stützt sich mittlerweile auf
starke empirische Befunde (z.B. Studie von Jacob & Brinkerhoff 1997: bis zu zwei Fünftel
erklärte Varianz von SWB). Sie ist damit eines der nachhaltigsten Argumente wider das Bottom-
Up-Modell (vgl. Diener et al. 1999: 284).
Glück ­ state oder trait? Verdeutlicht am Beispiel: Macht Geld glücklich oder, umgekehrt,
entwickeln glückliche Menschen erfolgreichere Strategien des Geldverdienens? Sowohl das
Bottom-Up- als auch das Top-Down-Modell wurden innerhalb der Forschung untermauert.
Nach wie vor ist eher die Rede von Korrelaten als von Kausalitäten (z.B. Veenhoven 1991: 17,
Mayring 1999: 164). Beide Ansätze sind durchaus als komplementär in ein größeres
Theoriegeflecht integrierbar, wendet man sich abermals dem systemtheoretischen Erklärungs-
schema
11
zu: So könnten Top-Down-Prozesse als eine Art zusätzlicher Filter im psychischem
System agieren (vgl. ,,throughput" bei Veenhoven 2000, ,,black box" bei Schulz 2000: 8,
,,bidirectional" bei Mallard et al. 1997: 263), z.B. in Verbindung mit internem Kontrollgefühl ­
wie Selbstbewusstsein oder Optimismus ­ während Bottom-Up-Einflüsse im sozialen System zu
verorten sind.
2.4 Objektive Hauptkorrelate von subjektiver Lebensqualität
Neben kognitiven, emotionalen, Verhaltens- und Biographie-Mediatoren, d.h. vermitteln-
den Variablen, (vgl. Mayring 1999) wird Wohlbefinden in hohem Maße von der objektiven
Lebenssituation beeinflusst. Allgemeine Lebenszufriedenheit ist das Ergebnis einzelner Bereichs-
zufriedenheiten, deren zugemessene Wichtigkeit ­ und somit Einflussnahme ­ je nach Wertein-
stellung, Lebenssituation und gesellschaftlichen Kontext variieren (vgl. Bulmahn 1997: 90, Schulz
2000: 10). Auch wenn Uneinigkeit über die Kausalrichtung herrscht, so existiert gleichwohl
eine relativ hohe Übereinstimmung in der SWB-Forschung, welche objektiven Sozialindikatoren
(Lebensbereiche) mit subjektiver Lebensqualität korrelieren (vgl. Mayring 1999: 164): (1)
Sozioökonomischer Status, d.h. finanzielle und berufliche Situation sowie Bildungsstand; (2) soziale
11
Vgl. Talcott Parsons' AGIL-Schema des allgemeinen Handelns mit den Systemen Verhaltenssystem (Adaption),
Persönlichkeitssystem (Ziele), Sozialsystem (Integration) und Kultursystem (Identität).

2 Lebensqualität als komplexes Forschungskonzept
14
Integration, d.h. persönliche Zweierbeziehungen und gesellschaftliche Partizipation; (3) Gesundheit
und (4) positive Lebensereignisse, d.h. Zugewinns- und Erfolgserlebnisse.
Darüber hinaus stehen mit den Hauptkorrelaten von Glück viele intervenierende
Variablen in Zusammenhang; um nur einige zu nennen: Wohlfahrtsstaatlichkeit eines Systems
und Geschlecht innerhalb des sozioökonomischen Status, Familie und Freizeit binnen sozialer
Integration, Alter in Bezug auf Gesundheit, oder Karriereaufstieg als positives Lebensgefühl
(Übersichten bei Diener et al. 1999 und Argyle 1999). Obwohl nicht alle angeführten Einflüsse
direkt mit der speziellen Forschungsfrage in Verbindung stehen, sind sie grundlegend für ein
empirisches Verständnis von SWB (indirekte Relevanz). Deshalb folgt eine Diskussion der
Hauptkorrelate im Einzelnen.
2.4.1 Sozioökonomischer Status
Ein wichtiges Thema der Lebensqualitätsliteratur
12
ist das Einkommen. Im internationalen
Vergleich spricht man anstelle des sozioökonomischen Status meist von ,,Wohlfahrt". Diener et
al. (1999: 287) unterscheiden vier mögliche Forschungsfelder
13
:
(1) Innerstaatliche Einkommensdifferenzen erzeugen i. d. R. schwache positive, aber
signifikante Unterschiede in der subjektiven Lebensqualität (im Durchschnitt nicht mehr als 6,6%
erklärte Varianz, vgl. Metaanalyse von neun Studien bei Cummins 2000: 19), d.h. Lebenszufrie-
denheit steigt mit dem Einkommen.
(2) Internationale Ungleichheiten des Bruttosozialprodukts führen ebenso zu einem positiven
Zusammenhang mit Glück, der indes weitaus stärker ist (immerhin R = .50 bei Diener et al. 1993
und 1995, entnommen aus Diener et al. 1999: 288).
Von geringerer Relevanz für die vorgelegte Studienfrage sind die nachfolgenden
Forschungsperspektiven: Längsschnittuntersuchungen zu SWB-Veränderungen in Verbindung
mit (3) individuellen oder (4) nationalen Einkommenstrends (bspw. Wirtschaftswachstum) blieben
bisher ohne empirische Verifikation, wie zum Beispiel die Europastudie von Oswald im Jahre
1997 (siehe Diener et al. 1999: 287f). Eine mögliche Begründung liefert Easterlin (1995: 36),
indem er sagt, dass mit Einkommensänderungen auch soziale Normen wechseln (d.h. Bewer-
tungen) und so ein neu gewonnener Status nach einer Weile als Selbstverständlichkeit, als Norm,
gilt.
12
Hierfür sei insbesondere auf das Fachjournal Social Indicators Research verwiesen. Die ,,Einkommensfrage" warf
ursprünglich Easterlin in seiner Studie von 1974 auf, wurde jedoch zuerst 1953 bei Buchanan & Cantril erforscht.
13
Eine hervorragende Darstellung bisheriger Befunde findet sich bei Diener & Biswas-Diener 2002.

2 Lebensqualität als komplexes Forschungskonzept
15
Die stärkste Beziehung, zwischen Bruttosozialprodukt und SWB, ist keinesfalls linear,
sondern lässt sich vielmehr durch eine degressive Exponentialfunktion beschreiben (vgl.
Länderstudie bei Inglehart 1998: 13): Geld allein kann Glück nicht unendlich steigern. Ebenso
konstatiert Veenhoven (1997: 12) im internationalen Diskurs ...
,,the richer the country, the happier it's inhabitants [...] correlations between personal
happiness and personal income are strong in poor countries and weak in rich nations" (ebd.)
... mit der Einschränkung, dass nationale SWB-Unterschiede in entwickelten Ländern kaum
mehr auf volkswirtschaftlichen Faktoren basieren, da diese einen vergleichbaren (hohen)
materiellen Standard genießen. Des Weiteren kovariieren häufig ,,zufriedenheitsstiftende" sozial-
politische Faktoren wie Demokratie, Stabilität oder Egalitarismus mit nationalem Wohlstand.
Interessanterweise streuen einkommensbezogene Lebenszufriedenheitswerte innerhalb ärmerer
Länder viel stärker als in reicheren,
14
darauf jedenfalls deuten die Befunde von Schyns (2002:
16+20) hin. Welsch (2003: 312f) argumentiert ebenso anhand eigener Studienergebnisse, dass
Einkommen nur deshalb den wohl größten Effekt auf subjektive Lebensqualität ausübt, weil es
indirekt (politische) Freiheit und Rationalität vermittelt. Außer im kürzlich angeschlossenen
Ostblock bleiben in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft maßgebliche Lebensqualitäts-
differenzen aufgrund des Lohngehalts folglich aus (vgl. Inglehart 1998: 13 und Studie von
Hagerty & Veenhoven 2003).
Auf interpersoneller Ebene lässt sich diese Argumentation wiederholen: Es kommt nur zu
schwachen Unterschieden in der subjektiven Lebensqualität (Punkt 1), weil Wohlstand nicht per
se auf SWB wirkt. Er ermöglicht eher kulturelle Vielfalt bzw. individuelle Selbstverwirklichung
(vgl. Ahuvia 2002: 23), was positive Konsequenzen für die Wahrnehmung der eigenen Lebens-
situation zur Folge hat: Gefühle von Bedürfnisbefriedigung, Belastungsfreiheit oder
uneingeschränkten Möglichkeiten (vgl. Mayring 1999: 165ff). Darüber hinaus hängt der Beitrag
des Einkommens zum persönlichen Glück von den individuellen Wertorientierungen ab (,,top-
down-filter"); bspw. wirkt sich eine starke materialistische Einstellung generell, aber vor allem bei
monetärer Deprivation, negativ auf die Lebenszufriedenheit aus (vgl. Studie von Ryan &
Dziurawiec 2001).
Innerhalb der Europäischen Union waren 1996 die Bürger der südeuropäischen Nationen
Portugal, Griechenland, Spanien und Italien am unzufriedensten mit ihrer finanziellen Situation
(im Sinne von Lebensstandard, relativ zum Einkommen), wohingegen die Benelux-Länder hohe
14
D.h. die armen Menschen armer Länder sind viel unzufriedener als die Armen in reichen Nationen. Was auch an
den höheren Gini-Koeffizienten ärmerer Länder liegt, schließlich korreliert eine hohe Zufriedenheit mit der finanziellen
Situation mit einem niedrigen Gini-Index (vgl. Christoph 2001: 13).

2 Lebensqualität als komplexes Forschungskonzept
16
Zufriedenheitswerte erzielten (vgl. ZUMA-Studie, Christoph 2001: 12). Insgesamt ist auf
Länderebene ein vergleichbar hoher sozioökonomischer Status weiblicher Führungskräfte
anzunehmen, welcher je nach Persönlichkeit und Zielvorstellungen positive Folgen für die
Selbstwahrnehmung bzw. Glück hat.
Zum sozioökonomischen Status einer Person gehören außerdem Berufs- und
Bildungsstand, also das wahrgenommene Verhältnis der eigenen Position zu denen anderer
Mitmenschen (sozialer Vergleich; vgl. Easterlin 1995). Spellerberg (1997: 214) verweist innerhalb
der Lebensstilforschung auf die Bedeutung der Variablen Bildung, Alter und Geschlecht im
Hinblick auf erreichbare Berufspositionen und folglich Einkommensgruppen. Insbesondere
Bildung gilt für die vertikale Schichtung als unentbehrlich: Hohe Bildungsabschlüsse korrelieren
mit hohen Berufspositionen (vgl. ebd.). Langzeitarbeitslosigkeit führt in der Regel zu niedrigen
SWB-Werten oder gar Depressionen ­ wohl aufgrund der Erfahrung eines geringeren sozio-
ökonomischen Status' durch die Betreffenden, aber auch weniger (sozialer) Strukturierung des
Alltags, das Gefühl der Nutzlosigkeit (vgl. Diener & Seligman 2004: 12) und der sozialen
Isolation. Wie wichtig soziale Integration für individuelles Glück ist, verdeutlicht die nach-
stehende Diskussion.
2.4.2 Soziale Integration
Soziale Beziehungen sind ein fundamentales menschliches Bedürfnis und werden folglich
als belohnend empfunden. Eine Untersuchung von Diener & Seligman (2004: 18) ergab für jeden
einzelnen ,,sehr glücklichen" Befragten hervorragende Werte der gesellschaftlichen Integration.
Menecs Studie (2003) belegt dieselbe positive Assoziation zwischen der Partizipationshäufigkeit
15
in sozialen Aktivitäten und SWB. Das Vorhandensein vielfältiger Sozialkontakte erprobt sich als
kompensatorisch und stressreduzierend. Isolation hingegen führt oft zu Einsamkeit und
Depressionen, wobei interpersonelle Fähigkeiten wiederum verkümmern können (vgl. Diener &
Seligman 2004: 19). Integrität gewinnt insbesondere für Nicht(mehr)-Arbeitende an Bedeutung:
Immobilitätsbedingte oder altersspezifische Defizite subjektiver Lebensqualität resultieren häufig
aus Einschnitten in das bestehende Netzwerk- und Interaktionsgefüge (vgl. Noll & Weick 2004:
10).
Die besondere Bedeutung von engen Bindungen kommt in der Ehe- und Familien-
forschung zum Tragen: In der einschlägigen Literatur herrscht Einstimmigkeit über einen starken
positiven Zusammenhang von Lebensqualität und Paarbeziehungen, welcher sowohl in
15
Unterdessen bekräftigen Analysen von Schulz (2000: 21f) die Annahme, dass das bloße Wissen um Kontakt-
ressourcen gegenüber realisierten Verabredungen eine größere Bedeutung hat.

2 Lebensqualität als komplexes Forschungskonzept
17
internationalen Surveys als auch in Longitudinalstudien stetig repliziert wird (bspw. Menec 2003).
Demnach sind verheiratete Männer und Frauen jeweils signifikant glücklicher als Unver-
heiratete, Geschiedene oder Verwitwete (vgl. Diener et al. 1999: 289).
16
Angesichts der Plurali-
sierung von Lebensstilen während der letzten Jahrzehnte muss man diese Erkenntnisse aber auf
uneheliche Paarbeziehungen ausweiten.
Ein Blick auf den Europavergleich verrät, dass in Skandinavien durchschnittlich bereits vier
Fünftel der 25-jährigen Frauen fest gebunden sind, wohingegen in den südeuropäischen Ländern
eine verzögerte Paarung mit dem späteren Verlassen des Elternhauses einhergeht (vgl. Vogel
2003: 409). Insgesamt leben ca. zwei Drittel der Europäer in einer Paarbeziehung (vgl.
Eurobarometer 1998: 12). Die Vorteile einer intimen dyadischen (Paar-)Beziehung sind v. a.
ökonomischer und psycho-sozialer Natur: Gegenseitige Unterstützungsleistungen (z.B.
Rollenverteilung) und das Empfinden einer gemeinsamen, intersubjektiv geteilten Wertewelt
erweisen sich als eine Art Puffer begünstigend für SWB (vgl. Diener et al. 1999: 290;
Stressreduktion durch ,,Puffereffekt", Stroebe & Jonas 2003: 618). Gleichzeitig lassen der Verlust
eines Lebensgefährten oder Kinderlosigkeit im Alter i. d. R. Vorhersagen einer sinkenden
Lebenszufriedenheit zu (vgl. Ehescheidung bei Andreß 2004: 5; Kinderlose bei Motel-Klingebiel
et al. 2003: 13f). Schließlich beansprucht das Dasein von und v. a. das Verbringen von Zeit mit
den eigenen Kindern einen direkten (wenn auch schwachen) Einfluss auf die subjektive
Lebensqualität (R = .18 bei Schulz 2000: 20).
Im Zuge dieser vereinfachten Darstellung soll darauf hingewiesen sein, dass es sich
keineswegs um einen monokausalen Sachverhalt zwischen sozialer Integration und SWB handelt.
Eine komplexere Diskussion müsste außerdem kulturelle und Persönlichkeitsmerkmale
berücksichtigen (bspw. Kollektivismus vs. Individualismus). Parallel dazu spielen sozialisierte
Geschlechtsunterschiede eine Rolle; bedeutungsvoll sind intime Bindungen vor allem für
Frauen (vgl. Myers 1999: 382): empathische, interdependente Peer-Beziehungen gegenüber einem
aufgabenorientierten männlichen Stil.
Soziale Beziehungen als Hauptkorrelat subjektiver Lebensqualität sind somit ein wichtiger
Aspekt für die spätere Betrachtung von Frauen in Führungspositionen, welche demzufolge vom
Vorhandensein eines großen sozialen Netzwerkes profitieren müssten. Die stressreduzierende
Wirkung persönlicher Beziehungen begünstigt weiterhin die Gesundheit eines Menschen
(Pufferhypothese, vgl. Stroebe & Jonas 2003: 617).
16
An der Kausalrichtung zweifelnd, argumentieren manche Autoren (bspw. Mastekaasa 1994), dass glücklichere
Menschen mit einer größeren Wahrscheinlichkeit eine feste Paarbeziehung eingehen und sich seltener trennen.

2 Lebensqualität als komplexes Forschungskonzept
18
2.4.3 Gesundheit
Das Ziel der Intervention und dessen Verbesserung verfolgend, wird subjektives Wohl-
befinden in der medizinischen Forschung häufig gleichgesetzt mit Gesundheit. Für die Soziologie
eine fatale Annahme, denn nur selten besteht ein signifikanter Zusammenhang zwischen
objektiver, ärztlich diagnostizierter Gesundheit und subjektiver Lebensqualität (vgl. Diener et al.
1999: 287). Eine starke Assoziation existiert währenddessen zwischen eigens bewerteter
Gesundheit und SWB insgesamt (vgl. ebd.). Entscheidend sind die kognitive Wahrnehmung der
Situation, deren affektive Bewertung, die Ziele und die Anpassungs- und Kompensations-
strategien einer Person (vgl. ebd.), wie bereits im persönlichkeitszentrierten Top-Down-Modell
empfohlen. Gesundheit per se spielt laut Michalos (2004: 27) lediglich bis zu 56% eine Rolle für
die subjektive Zufriedenheit mit ebendieser.
Doch kommt es insbesondere bei einer Vielzahl von chronischen Beschwerden zu einer
schlechteren Bewertung subjektiver Lebensqualität (vgl. klassische Studie über Rückenmark-
geschädigte von Brickman et al. 1978). Eine ältere Studie von Mehnert et al. (1990) belegte
immerhin eine Differenz von 22 Prozentpunkten im Vergleich der ,,etwas bis sehr zufriedenen"
körperlich Behinderten (68%) gegenüber beschwerdefreien Befragten (90%). Gleichermaßen
manifestieren sich altersbedingte Beeinträchtigungen, z.B. Immobilität, in der Unzufriedenheit
mit der eigenen Gesundheit; sie führen aber allenfalls zu geringen, nicht-signifikanten Einbußen
im allgemeinen SWB (vgl. Noll & Weick 2004: 9f; Michalos et al. 2001: 239). Weiterhin gibt es
keine Belege für Geschlechtsunterschiede in der gesundheitsbezogenen Lebensqualität (vgl.
Metaanalyse von Bullinger et al. 2001: 195).
Ebenso ergibt sich im Bereich der psychologischen Gesundheit die Notwendigkeit einer
ganzheitlichen Betrachtung von SWB, die sich von einer normativen Sichtweise loslöst: Rapley
(2003: 181ff) kritisiert die psychiatrische Literatur für ihre voreiligen Schlussfolgerungen, wenn
sie Patienten psychopathologischer Symptome selbsterklärend mit einer schlechten Lebens-
qualität stigmatisiert. Als Schlüsselkriterium stellen sich indes oft (anstelle der Krankheit)
mangelnde soziale Beziehungen ­ ein weiteres Hauptkorrelat von Glück ­ der Betreffenden
heraus, wie es z.B. die multivariate Studie über Bereichszufriedenheiten schizophrener Personen
von Kemmler et al. (1997) zeigt. Auch Michalos (2004: 40) betont anhand einer Metaanalyse von
elf Studien die größere Bedeutung von Familien-, Freundschafts- und Paarverbindungen für
subjektive Lebensqualität gegenüber Gesundheit. Der Variable Gesundheit kommt wahr-
scheinlich nur dann eine bestimmende Bedeutung zu, wenn die Zufriedenheit mit ebendieser
außerordentlich schlecht ist (Viele werten eine gute Gesundheit als selbstverständlich).

2 Lebensqualität als komplexes Forschungskonzept
19
Abermals interessant ist die Frage der Kausalität: Beeinflusst subjektives Glück die
Gesundheit eines Menschen? Tatsächlich gibt es empirische Belege für positive Effekte von
gutem SWB auf Blutdruck, Immunsystem, Genesungsprozesse etc. (vgl. Übersicht bei Diener &
Seligman 2004: 14ff). Umgekehrt wirkt sich niedriges SWB u. U. negativ auf physiologische
Befindlichkeit aus, z.B. in Form von psychosomatischen Schmerzen bei Depressiven.
2.4.4 Positive Lebensereignisse
Positive Emotionen, durch erfreuliche Ereignisse hervorgerufen, stehen in signifikanter
Verbindung mit subjektiver Lebensqualität. Das tägliche Auftreten sog. ,,uplifts" führt laut eines
älteren Beitrags von Kanner et al. (1981) zu einem Zusammenhang von R = .33 mit SWB ­
vorausgesetzt, der Betreffende selbst bewertet diese als positiv (vgl. Meulemann 2001: 445).
Hier
spielen (wieder) Persönlichkeitsmerkmale und Stimmungseffekte eine Rolle: Personen, die ihre
Lage generell optimistisch sehen, beurteilen Begebenheiten bejahender als andere (Halo-Effekt).
17
Unklar bleibt oft, wie positive Lebensereignisse operationalisiert sind. Denn sie sind höchst
individuell. Vorerst bieten zahlreiche Studien (siehe Übersicht bei Argyle 1999: 367f) eine
generalisierte Antwort: Freundschaft, Essensfreuden, Sex, Naturerleben, Nachgehen von
Hobbys, Erfolg bzw. Karriere. Besonders erfreuliche Umstände entstehen häufig bei Heirat,
Lottogewinn, Geburt, Beförderung im Job etc. Das Erlangen einer Führungsposition setzt i. d.
R. gute Leistungen im Job voraus, Karriere(-aufstieg) sollte demnach als individuell positiv
bewertetes Erfolgsereignis gelten. Außerdem bergen persönliche Beziehungen und hochgradige
Schichtzugehörigkeit ein höheres Potential für die Verwirklichung erstrebenswerter Momente
(vgl. ebd.: 368).
Während positive Lebensereignisse belohnende Gefühle hervorrufen, wirken sich Sorgen
um die Verschlechterung der Situation (oder Erwartungsenttäuschungen) negativ auf SWB aus,
z.B. Angst vor Kriminalität oder Arbeitslosigkeit. Eine interessante, internationale und
multidimensionale Studie zu Sorgen findet sich bei Schwartz & Melech (2000), die Mikro- von
Makrosorgen unterscheiden. Demnach variiert subjektive Lebensqualität vor allem bei
Unannehmlichkeiten die eigene Person betreffend. Bulmahn (1997: 93f) argumentiert anhand der
Befindlichkeitsdaten von ostdeutschen Bürgern drei Jahre nach der Wiedervereinigung, dass
anhaltende Bürden unter Umständen die Wichtigkeit einer Bereichszufriedenheit annehmen.
17
Reversibel verwendet die klinische Psychologie die Methode der bewussten, täglichen Auflistung von erfreuenden
Ereignissen durch die Patienten, um Depressionen mit der Erzeugung positiver Emotionen zu behandeln.

2 Lebensqualität als komplexes Forschungskonzept
20
Die Betrachtung von Lebensqualität als komplexes Forschungskonzept ist hiermit vorerst
abgeschlossen. Im Folgenden stehen die für Führungsfrauen spezifischen Lebensbedingungen
subjektiver Lebensqualität im Mittelpunkt der Diskussion.
2.5 Zusammenfassung
Dieses Kapitel befasste sich mit Lebensqualität als komplexes, interdisziplinäres
Forschungskonzept und charakterisierte sich inhaltlich anhand vier Hauptperspektiven: die
Herangehensweise an und Definition von Lebensqualität, praktische Aspekte der Bestimmung
von gesellschaftlicher und individueller Qualität des Lebens, die theoretische Verortung von
subjektiver Lebensqualität im psychischen System und deren empirische, objektive Einbettung im
sozialen System.
Während Wohlstand das Fortschrittsziel der früheren und sich entwickelnden Industrie-
gesellschaft war, ist, nachdem der abnehmende Grenznutzen von Wohlfahrt entlarvt wurde,
Lebensqualität die Zielformel der postindustriellen Überflussgesellschaft. Als hilfreich für die
Erfassung von subjektiver und objektiver Lebensqualität etablierten sich die durch den
amerikanischen Ansatz hervorgebrachten Sozialindikatoren. Unterdessen setzt sich die Bottom-
Up-/Top-Down-Diskussion im Kanon der mittlerweile konvergierten Paradigmen von
objektivistischer und subjektivistischer Sichtweise fort.
Ein ungelöstes Problem bleibt, inwieweit Merkmale der eigenen Persönlichkeit oder der
Gesellschaft ausschlaggebend für Glück sind, sowie die Richtung der Kausalität. Eine mögliche
Sicht ist, dass Persönlichkeitsvariablen gewisse Reaktionen ,,primen", d.h. die Wahrschein-
lichkeit einer bestimmten Evaluation erhöhen, und somit die Wirkung gesellschaftlicher
Umstände lediglich begünstigen oder behindern. Dort setzt die empirische Literatur mit der
Erforschung der Einflüsse äußerer Gegebenheiten auf persönliches Glück an: Einkommen
(insbesondere nationales), persönliche Beziehungen, Zufriedenheit mit der eigenen Gesundheit
sowie erfreuliche Momente im Leben tragen als Hauptkorrelate von SWB zu einer hohen
subjektiven Lebensqualität bei. Die nachstehende Abbildung fasst die diskutierten Korrelate noch
einmal zusammen:

2 Lebensqualität als komplexes Forschungskonzept
21
Abb. 2.3: Übersicht der Korrelate von objektiven Lebensbedingungen mit Glück (eigene Erstellung)
Assoziierte Variable
Zusammenhang mit Glück?
Beispiel-Studien
Sozioökonomischer Status
a) individuelles Einkommen
(interpersonell)
ja, schwach positiv
Metaanalyse von Cummins 2000,
Haring / Stock & Okun 1984,
Diener et al. 1993, Veenhoven
1994a
b) Bruttosozialprodukt
(international)
ja, stark positiv
Diener et al. 1993, 1995 und
2000, Veenhoven 1997,
Inglehart 1998, Schyns 2002,
Hagerty & Veenhoven 2003
c) Veränderungen des
individuellen Einkommens
(intrapersonell)
nein
Brickman et al. 1987, Diener et
al. 1993
d) Veränderungen des
Bruttosozialprodukt
(intranational)
nein, allenfalls kurzfristiger
Effekt
Oswald 1997, Hagerty &
Veenhoven 2003
Arbeitslosigkeit
ja, negativ
Clark & Oswald 1994
Soziale Integration
a) Ehe / Paarbeziehung
b) soziale Partizipation
c) Kinder (gemeinsame Zeit)
ja, stark positiv
ja, stark positiv
ja, schwach positiv
Bloom et al. 1979, Stroebe et al.
1996
Menec 2003, Diener & Seligman
2004
Schulz 1999
Gesundheit
a) objektiv gemessen
b) subjektiv erhoben
c) psycho-/soziopathologisch
nein
ja, stark positiv
ja, positiv
Okun & George 1984
Brickman et al. 1987, Mehnert et
al. 1990
Kemmler et al. 1997
Alter nein,
domänenspezifisch
Westerhof et al. 2001, Michalos
et al. 2001, Noll & Weick 2004
Positive Lebensereignisse
ja, stark positiv
Kanner et al. 1981, Diener et al.
1991
Sorgen
ja, negativ
Schwartz & Melech 2000
Das folgende Kapitel wendet sich nun Führungsfrauen im Speziellen bzw. der Hypo-
thesengenerierung zu.

3 Theoretischer und empirischer Erkenntnisstand zur subjektiven Lebensqualität von Führungsfrauen in Europa
22
3 Theoretischer und empirischer Erkenntnisstand zur
subjektiven Lebensqualität von Führungsfrauen in Europa
Die Recherche der Literatur zum Thema ,,Lebensqualität von Frauen in Führungs-
positionen in Europa" ergab sowohl theoretische und als auch empirische Forschungslücken.
Die vorliegende Arbeit konzentriert sich neben dem Europavergleich auf die Schwerpunkte des
Berufs- und Privatlebens ­ die beiden zentralen Aspekte für die subjektive Lebensqualität von
Führungsfrauen. Häufig steht lediglich die Arbeitswelt (v. a. Vereinbarkeit von Beruf und
Familie) oder aber die Lebensqualität von Frauen allgemein (z.B. Gesundheit) im Mittelpunkt der
SWB-Forschung. Ebenso verfehlte die europäisch ausgerichtete Analyse von subjektiver Lebens-
qualität bisher eine solche integrative Betrachtung. Die Aspekte ,,Work-Life-Balance" und
,,Arbeitsmarktsegregation" sind in der deutschsprachigen Fachliteratur (Geschlechter- und
Organisationssoziologie, z.B. Sonderausgaben der KZfSS) relativ erschöpfend bearbeitet. Für das
Interesse am europäischen Vergleich von Lebensqualität empfiehlt sich allerdings die Konsul-
tation internationaler Quellen (z.B. Datenbank von Veenhoven oder Eurostat). In diesem Kapitel
werden die für die subjektive Lebensqualität relevanten empirischen Befunde und theoretischen
Überlegungen zum Europavergleich, zur Work-Life-Balance und zu Führung in Organisationen vorerst
im Einzelnen erörtert. Es erfolgt dabei die theoretische Zusammenführung der drei Dimensionen
sowie die Hypothesengenerierung. Ziel dieses Kapitels ist es, Fragen bezüglich des Einflusses
normativer Institutionen bzw. Rollenbilder und politischer Systeme auf die subjektiv wahr-
genommene Lebensqualität von weiblichen Führungskräften zu erarbeiten.
3.1 Subjektive Lebensqualität und Sozialsysteme im europäischen Vergleich
Die vorliegende Arbeit orientiert sich verstärkt an der Bottom-Up-Annahme, dass es
strukturelle Einflussfaktoren der subjektiven Lebensqualität bestimmter Bevölkerungsgruppen
gibt. Der anschließende Diskurs widmet sich deshalb der Bedeutung von Wohlfahrtsstaatlichkeit
für SWB. Hier werden die verschiedenen europäischen Wohlfahrtssysteme verglichen, wobei eine
Länderklassifikation für die spätere empirische Analyse erfolgt. Beispielhaft stehen dann
Familien- und Geschlechterpolitik von vier ausgewählten Ländern im Speziellen zur Diskussion.
Dies sind zwei Bereiche, die äußerst bedeutsam für die subjektive Lebensqualität von erwerbs-
tätigen (Führungs-)Frauen sind. Zunächst steht der Europavergleich von SWB im Mittelpunkt.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2005
ISBN (eBook)
9783832495183
ISBN (Paperback)
9783838695181
Dateigröße
1.2 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Technische Universität Dresden – Philosophische Fakultät, Soziologie
Note
1,1
Schlagworte
glück geschlecht gender soziologie work-life-balance
Zurück

Titel: Subjektive Lebensqualität von Frauen in Führungspositionen im europäischen Vergleich
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
book preview page numper 10
book preview page numper 11
book preview page numper 12
book preview page numper 13
book preview page numper 14
book preview page numper 15
book preview page numper 16
book preview page numper 17
book preview page numper 18
book preview page numper 19
book preview page numper 20
book preview page numper 21
book preview page numper 22
book preview page numper 23
book preview page numper 24
book preview page numper 25
book preview page numper 26
book preview page numper 27
book preview page numper 28
book preview page numper 29
138 Seiten
Cookie-Einstellungen