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Globalisierung - Chance und Bedrohung

©2006 Diplomarbeit 106 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Globalisierung wird in Deutschland oft mit steigendem internationalem Konkurrenzdruck, Mehrarbeit und Arbeitsplatzverlust verbunden, also mit Negativem. In einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im März 2004 sagten 52 % der Deutschen, dass die Globalisierung im Inland Arbeitsplätze kostet und 42 % sahen mehr Risiken als Chancen.
„Deutschland ist ein Gewinner der Globalisierung; wir reden viel zu viel über die negativen Folgen der Globalisierung und viel zu wenig über die positiven Seiten“, meint dagegen Thomas Straubhaar, Direktor des Hamburgischen Weltwirtschafts-Instituts (HWWI).
Globalisierung kann mit „Weltorientierung“ übersetzt werden. Genauer wird darunter die engere Verflechtung von Ländern und Völkern der Welt verstanden, die durch die enorme Senkung der Transport- und Kommunikationskosten und die Beseitigung künstlicher Schranken herbeigeführt wurde. Der grenzüberschreitende Strom von Gütern, Dienstleistungen, Kapital, Wissen und Menschen wird jetzt in geringerem Maße behindert oder unterbunden. Die internationale Verflechtung der Volkswirtschaften nimmt zu. Globalisierung ist ein Prozess der zunehmenden Verfeinerung der Arbeitsteilung, der zunehmenden Professionalisierung. Durch die Senkung der Transport- und Kommunikationskosten ist der internationale Handel lukrativer geworden, der Vorteil der lokalen Anbieter hat abgenommen. Die Konkurrenz ist nun größer.
Aber Spezialisierung spart Kosten, und wer seine Nische gefunden hat ist jetzt weltweit gefragt. Dies gilt sowohl für die Güter- und Dienstleistungsmärkte, als auch für die Arbeits- und Kapitalmärkte. Außerdem wurden künstliche Handelsschranken beseitigt. So wurden internationale Standards eingeführt, die englische Sprache verbreitet, sowie handelspolitische Maßnahmen, wie Zölle, reduziert. Mit der wirtschaftlichen Öffnung Chinas seit Beginn der 80er Jahre und dem Ende des Kommunismus in der ehemaligen Sowjetunion und den mittel- und osteuropäischen Staaten verschwand die politische Schranke „Kommunismus“. Im Wettbewerb wird immer weniger nach Kriterien wie Freundschaft, Nationalität und politische Verbundenheit entschieden.
Die Welt wird kälter, aber effizienter. Für einige Unternehmer hat das Gewinnstreben jedoch nicht höchste Priorität. „Ein Unternehmen muss den Gewinn maximieren unter den Voraussetzungen einer menschlichen Betriebsführung“, so Wolfgang Grupp, Chef des Textilherstellers Trigema. „Es wird nicht funktionieren, dass wir […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 9512
Böhme, Ronny: Globalisierung ­ Chance und Bedrohung
Druck Diplomica GmbH, Hamburg, 2006
Zugl.: Fachhochschule Düsseldorf, Diplomarbeit, 2006
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2006
Printed in Germany


Inhaltsverzeichnis
I
Inhaltsverzeichnis
INHALTSVERZEICHNIS... I
BILDER- UND TABELLENVERZEICHNIS ... II
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS... III
1.
EINLEITUNG ... 1
2.
GLOBALISIERUNG ­ EIN AKTUELLES EREIGNIS?... 4
3.
HANDEL ... 7
3.1.
K
OMPARATIVE
V
ORTEILE
... 7
3.2.
P
ROTEKTIONISMUS
... 11
3.3.
I
NTERNATIONALER
H
ANDEL HEUTE
... 15
4.
DYNAMISCHE KOMPARATIVE VORTEILE... 19
5.
HECKSCHER-OHLIN UND DIE UNTERSCHIEDSLOSIGKEIT DES PREISES ... 25
6.
ARBEITSMARKT UND HUMANKAPITAL ... 28
6.1.
G
LOBALER
A
RBEITSMARKT
... 28
6.2.
A
UßENHANDEL UND
S
OZIALSTAAT
... 32
6.3.
B
EVÖLKERUNGSWACHSTUM
... 38
6.4.
H
UMANKAPITAL UND
E
INKOMMENSVERTEILUNG
... 45
7.
STANDORTPOLITIK... 49
8.
SOZIALE STANDARDS UND GLOBAL GOVERNANCE ... 51
9.
DIREKTINVESTITIONEN... 57
9.1.
D
EFINITION UND STATISTISCHE
E
RFASSUNG
... 57
9.2.
M
OTIVE FÜR
D
IREKTINVESTITIONEN
... 62
9.3.
W
EITERE
F
ORMEN DER
I
NTERNATIONALISIERUNG
... 64
9.4.
V
ORTEILE VON
D
IREKTINVESTITIONEN
... 66
9.5.
A
KTIVE
D
IREKTINVESTITIONEN UND INLÄNDISCHE
B
ESCHÄFTIGUNGSEFFEKTE
... 72
10.
KAMPF UM KNAPPE NATÜRLICHE RESSOURCEN... 76
11.
BESTEUERUNG DER GLOBALISIERUNGSGEWINNER ... 79
LITERATURVERZEICHNIS... 83

Bilder- und Tabellenverzeichnis
II
Bilder- und Tabellenverzeichnis
Bild 3-1
Preissenkung durch Außenhandel
10
Bild 3-2
Wirkungen eines Importzoll
12
Bild 4-1
Produktionsmöglichkeiten und Wachstum
20
Bild 6-1
Welttransformationskurve bei zunehmendem Arbeitsangebot
37
Bild 9-1
Export oder internationale Direktinvestition
67
Tabelle 3-1
Opportunitätskosten von Bier und Kartoffeln
8
Tabelle 3-2
Verflechtung des Welthandels 2004
16

Abkürzungsverzeichnis
III
Abkürzungsverzeichnis
AG
... Aktiengesellschaft
APEC
... Asiatisch-Pazifische Wirtschaftsgemeinschaft
(Asia-Pacific Economic Cooperation)
DI
... Direktinvestition(en)
DNA
... Desoxyribonukleinsäure
EU
... Europäische Union
HWWI
... Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut
IHK
... Industrie- und Handelskammer
ILO
... Internationale Arbeitsorganisation
(International Labour Organization)
IWF
... Internationaler Währungsfonds
(International Monetary Fund)
OECD
... Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
(Organization for Economic Co-operation and Development)
OPEC
... Organisation erdölexportierender Länder
(Organization of the Petroleum Exporting Countries)
SVR
... Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamt-
wirtschaftlichen Entwicklung
VDMA
... Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V.
WTO
... Welthandelsorganisation
(World Trade Organization)

Einleitung
1
1. Einleitung
Globalisierung wird in Deutschland oft mit steigendem internationalem
Konkurrenzdruck, Mehrarbeit und Arbeitsplatzverlust verbunden, also mit
Negativem.
In einer Umfrage des Instituts für Demoskopie (IfD) Allensbach im März 2004
sagten 52 % der Deutschen, dass die Globalisierung im Inland Arbeitsplätze
kostet und 42 % sahen mehr Risiken als Chancen.
1
,,Deutschland ist ein Gewinner der Globalisierung", meint dagegen Thomas
Straubhaar, Direktor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI). ,,Wir
reden viel zu viel über die negativen Folgen der Globalisierung und viel zu wenig
über die positiven Seiten."
2
Globalisierung kann mit ,,Weltorientierung" übersetzt werden.
3
Genauer wird
darunter die engere Verflechtung von Ländern und Völkern der Welt verstanden,
die durch
- die enorme Senkung der Transport- und Kommunikationskosten und
- die Beseitigung künstlicher Schranken
herbeigeführt wurde. Der grenzüberschreitende Strom von Gütern, Dienst-
leistungen, Kapital, Wissen und Menschen wird jetzt in geringerem Maße
behindert oder unterbunden.
4
Die internationale Verflechtung der Volks-
wirtschaften nimmt zu. Globalisierung ist ein Prozess der zunehmenden
Verfeinerung der Arbeitsteilung, der zunehmenden Professionalisierung.
5
Durch die Senkung der Transport- und Kommunikationskosten ist der inter-
nationale Handel lukrativer geworden, der Vorteil der lokalen Anbieter hat
abgenommen. Die Konkurrenz ist nun größer.
Aber Spezialisierung spart Kosten, und wer seine Nische gefunden hat ist jetzt
weltweit gefragt.
6
Dies gilt sowohl für die Güter- und Dienstleistungsmärkte, als
auch für die Arbeits- und Kapitalmärkte.
1
Körber-Stiftung [2004]
2
Hess [2005a]
3
Ring [2000]; S. 147
4
Stiglitz [2002]; S. 24
5
Weizsäcker [2000]; S. 15
6
Tichy [2006]

Einleitung
2
Außerdem wurden künstliche Handelsschranken beseitigt. So wurden inter-
nationale Standards eingeführt, die englische Sprache verbreitet, sowie handels-
politische Maßnahmen, wie Zölle, reduziert.
Mit der wirtschaftlichen Öffnung Chinas seit Beginn der 80er Jahre und dem Ende
des Kommunismus in der ehemaligen Sowjetunion und den mittel- und ost-
europäischen Staaten verschwand die politische Schranke ,,Kommunismus".
Im Wettbewerb wird immer weniger nach Kriterien wie Freundschaft, Nationalität
und politische Verbundenheit entschieden. Die Welt wird kälter, aber effizienter.
7
Für einige Unternehmer hat das Gewinnstreben jedoch nicht höchste Priorität. ,,Ein
Unternehmen muss den Gewinn maximieren unter den Voraussetzungen einer
menschlichen Betriebsführung", so Wolfgang Grupp, Chef des Textilherstellers
Trigema. ,,Es wird nicht funktionieren, dass wir woanders produzieren lassen und
nur noch kassieren."
8
,,Am leistungsfähigsten sind Unternehmen, die von einem Unternehmer geführt
werden. Gerade mittelständische Unternehmer achten genau darauf, dass nicht
nur die Kasse stimmt, sondern dass es auch den Mitarbeitern gut geht", meint
auch Wendelin Wiedeking, Vorstandsvorsitzender der Porsche AG. ,,Generell zahlt
sich langfristiges Denken aus. (...) Wir brauchen einfach wieder mehr Ethik und
Verantwortung in den Konzernen."
9
Die Geschichte des globalen Handels steht in engem Zusammenhang mit der
Erweiterung der Transport- und Kommunikationsmöglichkeiten, die aufgrund des
technischen Fortschritts entstanden sind: die Seefahrt, die Eisenbahn, das Auto-
mobil, die Luftfahrt, das Telefon und das Internet. Die Verflechtung der Nationen
und Kontinente wurde erst möglich bzw. verstärkt. Die Globalisierung ist keine
Entwicklung der letzten Jahre, sondern ein Teil der menschlichen Entwicklung
überhaupt.
7
Weizsäcker [2000]; S. 15
8
Nederstigt [2006]
9
Berni/Buchenau/Peretti [2005]

Einleitung
3
Man kann mehrere Globalisierungsprozesse unterscheiden: die Globalisierung
- der Finanzen,
- der Märkte und Marktstrategien, besonders des Wettbewerbs,
- der Technologie, des Wissens und der Forschung und Entwicklung,
- des Konsumverhaltens und des kulturellen Lebens,
- der Regulierungsmöglichkeiten und der politischen Steuerung
und schließlich die Globalisierung
- als politisches Zusammenwachsen der Welt und
- als Vereinheitlichung der Wahrnehmung und des Bewusstseins
(,,Weltbürgertum").
10
Von Globalisierung im weiten Sinne könnte gesprochen werden, wenn alle diese
Prozesse in gleicher oder vergleichbarer Weise weltweit voranschreiten würden.
Ungleichzeitigkeiten und Unvollkommenheiten bestimmen aber das Bild.
Das politische Zusammenwachsen verläuft, wenn überhaupt, in viel langsamerem
Tempo als die Globalisierung von Märkten und Produkten.
11
Der technische Fortschritt ist eine wichtige Quelle des Wohlstandes. Durch
Prozessinnovationen kann bei konstantem Output die Nachfrage nach Arbeit
und/oder Kapital reduziert werden. In der Praxis wird oft der Produktionsfaktor
Arbeit durch Kapital substituiert. Die Produktivitätsgewinne schaffen Spielräume
für Einkommenserhöhungen oder sichern die Beschäftigung.
Produktinnovationen schaffen eine erhöhte Nachfrage nach Arbeit und Kapital.
12
Es entsteht ein neuer Bedarf an Qualifikationen und Tätigkeiten, also Nachfrage
nach Personal. Neue Wirtschaftszweige, Berufe und Eliten bilden sich, andere
verlieren an Bedeutung.
13
Innovationen leben von unbehindertem Denken und
offenen Märkten, sie bedürfen der kreativen Störung oder gar Zerstörung des
Bestehenden.
14
Der technische Fortschritt verlangt anpassungsfähige und mobile
Persönlichkeiten, die ihr Wissen ständig auf dem neuesten Stand halten.
15
10
Die Gruppe von Lissabon [1997]; S. 48f.
11
Hübner [1998]; S. 18f.
12
Grömling/Lichtblau [1997]; S. 13f.
13
Meier [1997]; S. 25
14
Hüther [2005a]
15
Meier [1997]; S. 5f.

Globalisierung ­ ein aktuelles Ereignis?
4
Das gestiegene Risiko des Arbeitsplatzverlustes und die erhöhte Konkurrenz sind
auch Folgen des technischen Fortschritts. Aber kein Mensch würde die Glühbirne
verbieten um die Arbeitsplätze der Kerzenproduktion zu sichern.
16
Der German Marshall Fund of the United States (GMF) befragte aktuell 6.000
Amerikaner und Europäer zum Thema Globalisierung. Zwei Drittel der Amerikaner
und Europäer plädieren dafür bestehende Handelsschranken abzubauen. Sie
sehen den zunehmenden internationalen Handel als Chance ihren Wohlstand zu
mehren. Gleichermaßen befürchten sie aber, dass die weitere Liberalisierung des
Welthandels eher Arbeitsplätze vernichten als neue Jobs schaffen wird. Hier wird
der Konflikt zwischen Verbrauchern und Arbeitnehmern deutlich.
17
Wenn wir den Wohlstandsgewinn des technischen Fortschritts begrüßen, sollten
wir dann auf die Wohlstandsmehrung des internationalen Handels verzichten?
2. Globalisierung ­ ein aktuelles Ereignis?
Globalisierung ist als Begriff erst seit etwa 20 Jahren aktuell. Internationale
Verflechtungen gibt es aber schon ,,einige Tage" länger.
Zum Beispiel besiedelten die Griechen schon im 6. Jahrhundert vor Christus die
Küstengebiete des Schwarzen Meeres. Diese Kolonien boten den Griechen
fruchtbares Ackerland und neuen Lebensraum. Soziale Spannungen wegen
Landmangels in Griechenland wurden so beseitigt. Die Kolonien profitierten vom
Handel und dem höheren Lebensstandard der Griechen, an dem sie teilhaben
durften. Vorteile und Fortschritt für beide Seiten! Die Griechen hatten damals
keine imperialen Ambitionen, es gab noch keine ausreichenden Kommunikations-
und Machterhaltungsinstrumente.
18
Von Globalisierung kann man dabei aus heutiger Sicht nicht sprechen, jedoch
waren die Transportmittel bescheidener und die Welt noch nicht erkundet.
Mit der Seefahrt und der Entdeckung neuer Kontinente begann ein Prozess, der
den Namen Globalisierung aber in jedem Fall verdient.
Ab dem Jahr 1500 bis zum Jahr 1650 siedelten 580.000 Portugiesen, teils
Sträflinge, nach Brasilien über. Arbeit gab es in der Landwirtschaft, besonders im
16
Rodrik [2000]; S. 43
17
Kersting [2005]
18
Zeeland [2001]

Globalisierung ­ ein aktuelles Ereignis?
5
Zuckerrohranbau. Zu Zeiten des Goldrausches von 1700 bis 1760 kamen 600.000
Einwanderer. Mit Öffnung der brasilianischen Häfen (1808) und der
Unabhängigkeit des Landes (1822) wurden verstärkt Arbeitskräfte im Baumwoll-
und Kaffeeanbau nachgefragt. Zwischen 1800 und 1950 immigrierten 4,5 Millionen
Menschen nach Brasilien, davon 2 Millionen Portugiesen.
19
In Australien nahm der Anteil der Ureinwohner (Aborigines und Maori) an der
Gesamtbevölkerung in der Zeit von 1787 bis 1891, also in etwa 100 Jahren, von
100 % auf 3,4 % ab!
20
Gründe waren neben der Einwanderung auch Kriege und
eingeschleppte Seuchen.
21
Nordamerika wurde wie Brasilien ab dem 16. Jahrhundert kolonisiert. 1790 waren
70 % der weißen Bevölkerung der USA Engländer und Nordiren und 9 % waren
deutscher Herkunft. Zwischen 1800 und 1930 immigrierten allein 5,5 Millionen
Deutsche in das ,,Land der unbegrenzten Möglichkeiten". Im Jahr 1924 wurde dort
eine Einwanderungsquote eingeführt.
22
Das Ausmaß der Übersiedlungen wird deutlicher, wenn man bedenkt, dass die
Bevölkerung Europas im Jahr 1800 nur 230 Millionen Menschen zählte, aber trotz
der Auswanderungen weiter anstieg, bis zum Jahr 1850 auf 276 Millionen.
23
Mit der Unabhängigkeit der USA im Jahr 1783 verloren die Briten ihre
meistbevölkerten Kolonien in Nordamerika. Damit wurde das Ende des
Merkantilismus eingeläutet.
Diese Wirtschaftsordnung, auch Colbertismus genannt, hatte das Ziel homogene
Volkswirtschaften zu bilden. Gesuchte Fachkräfte wurden angeworben, deren
Auswanderung dagegen erschwert, die Einfuhr von Fertigprodukten mit Zöllen
sanktioniert, der Export dagegen gefördert, bei Rohstoffen genau umgekehrt: die
Einfuhr wurde begünstigt, die Ausfuhr erschwert. Ziele waren ein Handelsbilanz-
überschuss sowie hohe Bestände an Geld und Gold.
24
Die Briten lernten nach 1783, dass der Unterhalt von Kolonien nicht die optimale
Lösung war. Der Handel mit den Ex-Kolonien mehrte den Wohlstand, ohne für
19
Wikipedia [2005a]
20
Wikipedia [2005b]
21
Wikipedia [2005c]
22
Wikipedia [2005d]
23
Birg [2004a]; S. 6
24
Wikipedia [2005e]

Globalisierung ­ ein aktuelles Ereignis?
6
deren Verwaltung und Verteidigung verantwortlich zu sein. Die Sklaverei wurde
nach und nach abgeschafft, der Freihandel auch von anderen Ländern
eingeführt.
25
Begründer dieser liberalen Wirtschaftsordnung war Adam Smith, der
1776 in seinem Buch Wohlstand der Nationen die Arbeitsteilung und den
marktwirtschaftlichen Austausch für den Wohlstand verantwortlich machte.
26
Wie oben beschrieben, stieg die Bevölkerungszahl in Europa stark an. Nach dem
Bevölkerungsrückgang durch den Dreißigjährigen Krieg (1618 bis 1648) und
verschiedene Epidemien galt eine hohe Bevölkerungszahl als Zeichen für
wirtschaftliche Kraft und hohe Staatseinnahmen ­ für Wohlstand.
27
Für dieses
Mehr an Bevölkerung mussten aber auch mehr Arbeitsmöglichkeiten geschaffen
werden.
Wie bei der Besiedlung des Schwarzmeergebietes durch die Griechen wurden
über 2000 Jahre später, mit der Kolonisation Amerikas und Australiens, neue
regionale Arbeitsmärkte erschlossen und die Auswanderer fanden chancen-
reichere Arbeitsbedingungen vor als in der Heimat. Durch die Globalisierung, hier
der erhöhten Mobilität des Produktionsfaktors Arbeit, konnten soziale Spannungen
in Europa vermieden werden.
Die Parallelen zur heutigen Zeit sind erkennbar: ,,damals" der Wandel vom
Merkantilismus zum liberalen Freihandel und ,,heute" wurde die Zentrale Planwirt-
schaft in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion, Osteuropa und in China zu
Gunsten der Marktwirtschaft aufgegeben. Wieder müssen neue Märkte in die
Weltwirtschaft integriert werden und damals wie heute gibt es neue Chancen für
alle: für Wirtschaft und Arbeitnehmer, für die Anbieter und Nachfrager der Produk-
tionsfaktoren Arbeit und Kapital.
Die Veränderungen wurden früher wie heute durch gesellschaftlichen Druck
herbeigeführt, die sozialen Spannungen wurden zu groß und die Chancen auf eine
bessere Zukunft waren zu verlockend.
Die Konflikte und Kriege in den Kolonien waren keine Folge des freien Handels,
denn der brachte auch den Kolonien Vorteile, technischen Fortschritt und Wohl-
stand, wie das positive Beispiel der griechischen Schwarzmeerbesiedlung zeigt.
25
Wikipedia [2005c]
26
Wikipedia [2005e] und Weizsäcker [2000]; S. 4
27
Birg [2004a]; S. 5

Handel
7
3. Handel
3.1. Komparative Vorteile
Zur Verdeutlichung, dass der freie Handel für beide Seiten Vorteile mit sich bringt,
ein Beispiel:
28
Reduzieren wir die Volkswirtschaften auf einen Europäer und einen ausgewan-
derten Neu-Amerikaner. Beide können als Bierbrauer und in der Landwirtschaft
arbeiten. Die Arbeitszeiten pro Woche sind identisch.
a) Wenn nun der Europäer ein guter Bierbrauer, aber ein schlechter Landwirt
ist und entweder pro Woche 50 Fass Bier produziert oder nur 20 Kilogramm
Kartoffeln erntet, und der Amerikaner dagegen als besserer Landwirt 10
Fass Bier oder 100 Kilogramm Kartoffeln, dann ist der Vorteil des Handels
schnell erkennbar: Wenn beide ihre Arbeitszeit teilen und nicht handeln,
produziert der Europäer 25 Fass Bier und 10 Kilo Kartoffeln, der
Amerikaner 5 Fass Bier und 50 Kilo Kartoffeln.
Wird der Europäer Vollzeit-Brauer und der Amerikaner Vollzeit-Landwirt und
beide handeln 10 Fass Bier gegen 30 Kilo Kartoffeln, sieht das Ergebnis so
aus: der Europäer hat 40 Fass Bier und 30 Kilo Kartoffeln, der Amerikaner
10 Fass Bier und 70 Kilo Kartoffeln.
b) Angenommen der Europäer hat mehr Talent als Bierbrauer und ist auch der
bessere Landwirt, kann 50 Fass Bier oder 100 Kilo Kartoffeln erwirt-
schaften, der Amerikaner dagegen nur 10 Fass Bier oder 80 Kilo Kartoffeln.
Ist dann der Handel für den Europäer sinnvoll? Der Europäer hat bei beiden
Produkten einen absoluten Vorteil, da er jeweils den geringeren Input
benötigt, er benötigt weniger Stunden pro Fass Bier und pro Kilo Kartoffeln.
Ein Handel scheint nicht sinnvoll. Schauen wir uns aber die Opportunitäts-
kosten an, ergibt sich ein anderes Bild. Die Opportunitätskosten sind
definiert als das, was aufgegeben werden muss, um etwas Anderes zu
erlangen.
29
28
Mankiw [2004]; S. 50ff. (Die Fußnote bezieht sich auf das folgende Beispiel.)
29
Mankiw [2004]; S. 6

Handel
8
Die zweite Spalte der Tabelle 3-1 zeigt die Opportunitätskosten bei der
Produktion von Bier. Der Europäer verzichtet bei Produktion von 50 Fass
Bier auf 100 Kilo Kartoffeln, also pro Fass ein Verzicht auf 2 Kilo Kartoffeln.
Der Amerikaner muss pro Fass Bier auf 8 Kilo Kartoffeln verzichten, ein
höherer ,,Preis". Er hat also bei der Bier-Produktion einen Nachteil.
Tabelle 3-1 Opportunitätskosten von Bier und Kartoffeln
30
Bier-Produktion
Kartoffel-Produktion
Opportunitätskosten pro Fass Bier
in Kilo Kartoffeln
Opportunitätskosten pro Kilo
Kartoffeln in Fass Bier
Europäer
2
1/2
Amerikaner
8
1/8
Die Opportunitätskosten pro Kilo Kartoffeln sind der reziproke Wert des
Wertes pro Fass Bier. So ist der Vorteil des Europäers bei der Bier-
Produktion zwangsläufig der Vorteil des Amerikaners bei der Kartoffel-
Produktion. Der Amerikaner hat einen komparativen Vorteil bei der
Kartoffel-Produktion und kann dem Europäer Kartoffeln zu einem Preis
unter den Opportunitätskosten des Europäers (1/2 Fass pro Kilo) anbieten,
z. B. zu einem Preis von 1/5 Fass pro Kilo.
Vor dem Handel, bei jeweiliger Teilung der Arbeitszeit, produziert der Euro-
päer 25 Fass Bier und 50 Kilo Kartoffeln, der Amerikaner 5 Fass Bier und
40 Kilo Kartoffeln.
Bei Spezialisierung des Amerikaners zum Vollzeit-Bauern und einem
Tauschgeschäft von 25 Kilo Kartoffeln gegen 5 Fass Bier, hat der
Amerikaner dann 5 Fass Bier und 55 Kilo Kartoffeln.
Der Europäer benötigt für 30 Fass Bier 60 % seiner Arbeitszeit, kann also
noch 40 % als Bauer arbeiten und hat dann nach dem Handelsgeschäft
noch 25 Fass Bier und 65 Kilo Kartoffeln.
Man erkennt, dass es nicht von der Produktivität einer Volkswirtschaft abhängt,
wie stark sie vom Außenhandel profitiert. Der Handelsgewinn war für Europäer
und Amerikaner je 15 Kilo Kartoffeln. Der Amerikaner hat im Beispiel einen
größeren prozentualen Gewinn durch den Außenhandel. Entscheidend für die
Verteilung des Handelsgewinns sind die Unterschiede zwischen den relativen
30
Mankiw [2004]; S. 57 (eigene Darstellung)

Handel
9
<
p
2
*
p
2
p
1
*
p
1
Preisen und dem festgelegten Kaufpreis bzw. dem gegebenen Marktpreis.
31
Hier
lag der Marktpreis bei 1/5 Fass pro Kilo, ein Zuschlag von 60 % auf den relativen
Preis des Amerikaners [1/8 × (1 + 0,6) = 1/5] und ein Abschlag von 60 % vom
relativen Preis des Europäers [1/2 × (1 - 0,6) = 1/5].
Bei einem Preis von 1/3 Fass pro Kilo, also einem Tausch von 15 Kilo Kartoffeln
gegen 5 Fass Bier, steigt der Handelsgewinn des Amerikaners weiter, da der
Marktpreis näher am relativen Preis des Europäers liegt. Der Europäer hat dann
25 Fass Bier und 55 Kilo Kartoffeln, der Amerikaner 5 Fass Bier und 65 Kilo Kar-
toffeln.
Es wird natürlich nicht mehr ,,Ware gegen Ware" getauscht. Die komparativen
Vorteile werden mit den Preisen der Güter errechnet. Es gilt Bedingung 3.1 wenn
ein Land bei Gut 1 einen komparativen Vorteil hat und dieses Gut exportiert, wie
im obigen Beispiel Europa das Gut Bier. Die Preise des Handelspartners sind
jeweils mit
,,
*
"
gekennzeichnet.
Schreibt man die Bedingung um, ergibt sich
(3.1)
32
Anstelle des Preises kann man auch die Stückkosten einsetzen. Sie errechnen
sich durch Multiplikation des Nominallohns und eingesetzter Arbeit pro Stück, da
Arbeit der einzige Produktionsfaktor in diesem Beispiel ist. Im Gleichgewicht sind
die Nominallöhne in den Sektoren 1 und 2 identisch und kürzen sich heraus. Die
Höhe der Nominallöhne hat demnach keinen Einfluss auf die komparativen
Vorteile. Dies entkräftet das Vorurteil des Lohndumpings, dass die Konkurrenz aus
Niedriglohnländern zu Wettbewerbsverzerrungen führt. Von Dumping kann nur die
31
Ludwig [1998]; S. 33
32
Siebert [2000]; S. 25
<
p
2
*
p
1
*
p
2
p
1

Handel
10
Rede sein, wenn ein Gut zu einem Preis unter den Opportunitätskosten des
Produzenten auf dem Weltmarkt angeboten wird.
33
Gibt es nun nur Außenhandelsgewinner? Die Realität sieht etwas anders aus, die
Volkswirtschaft besteht nicht nur aus einer Arbeitskraft oder lauter identischen
gleichbegabten Arbeitern.
Wenn vor dem Außenhandel in Amerika ein Tauschverhältnis von 8 Kilo Kartoffeln
pro Fass Bier galt und sich Amerika dann dem europäischen Markt öffnet, wird
sich ein neuer Gleichgewichtspreis zwischen 2 Kilo pro Fass, dem europäischen
Preis, und 8 Kilo pro Fass bilden. Der Bierpreis in Amerika sinkt, wie im Bild 3-1
dargestellt. Die amerikanischen Bierbrauer erhalten dann weniger als 8 Kilo
Kartoffeln für ein Fass. Einige amerikanische Anbieter werden wohl vom Markt
verdrängt werden, das inländische amerikanische Angebot nimmt ab. Die
amerikanischen Konsumenten verstärken aber ihre Nachfrage, da der Preis
gesunken ist. Die fehlende Menge wird importiert. Die Konsumentenrente steigt,
im Bild 3-1 um die Fläche ,,B + D". Die verbleibenden amerikanischen Bierbrauer
müssen insgesamt Einkommensverluste hinnehmen, die Produzentenrente sinkt,
von ,,B + C" auf nur noch ,,C".
Bild 3-1 Preissenkung durch Außenhandel
34
33
Ludwig [1998]; S. 34f.
34
Mankiw [2004]; S. 200 (eigene Darstellung)
Biermenge
Weltmarktpreis
Inlandsangebot
Inlandsnachfrage
B
A
Import
C
D
Bierpreis
0
Preis ohne Außenhandel
Preis mit Außenhandel

Handel
11
Das Weltmarktangebot sei voll elastisch, dargestellt mit dem waagerechten (roten)
Weltmarktpreis, da Amerika als Preisnehmer den Weltmarktpreis nicht
beeinflussen kann.
Die amerikanischen Landwirte sind nun im Vorteil, da der neue Gleichgewichts-
preis für Kartoffeln höher ist als der amerikanische Preis vor Handel und sie
Kartoffeln exportieren können. Auf dem amerikanischen Kartoffelmarkt sinkt die
Konsumentenrente. Aber die Produzentenrente steigt wegen des Exports um
einen höheren Betrag.
Die Außenhandelsgewinne eines Marktes sind nicht gleichmäßig verteilt. Durch
die Spezialisierung und den damit verbundenen Handel steigt aber in jedem Fall
die Summe der Konsumenten- und Produzentenrente, im Bild 3-1 um die Fläche
,,D". So könnten theoretisch die Gewinner Ausgleichszahlungen an die Verlierer
leisten und keiner wäre schlechter gestellt.
35
3.2. Protektionismus
Kann die amerikanische Regierung die eigenen Bierbrauer schützen, indem sie
auf importiertes Bier einen Importzoll erhebt? Der Zoll erhöht den Preis eines
Fasses Bier in Amerika und damit verändert sich auch der relative Preis.
a) Beträgt der Weltmarktpreis 5 Kilo Kartoffeln pro Fass und der Staat verlangt
einen Zoll von 3 Kilo pro Fass, dann beträgt der Importpreis 1/8 Fass pro
Kilo Kartoffeln. Der Preis ist nun identisch mit dem Inlandspreis vor Außen-
handel. Der Handel lohnt sich nicht mehr und die Handelsgewinne
entfallen. Gegenüber dem Ergebnis mit Außenhandel sinkt die
Konsumentenrente stärker als die Produzentenrente steigt.
b) Bei einem Weltmarktpreis von 5 Kilo Kartoffeln pro Fass und einem Zoll von
unter 3 Kilo lohnt sich der Außenhandel noch. Wegen des höheren Preises
steigt das Inlandsangebot, aber die Nachfrage geht zurück. Die Abnahme
der Konsumentenrente, im folgenden Bild 3-2 die Fläche ,,C + D + E + F",
ist auch hier größer als der Zugewinn der Produzentenrente ,,C" und der
Staatseinnahmen ,,E" (Zoll). Der Wohlfahrtsverlust ist die Fläche ,,D + F".
35
Mankiw [2004]; S. 200

Handel
12
Bild 3-2 Wirkungen eines Importzolls
36
Aufgrund der Veränderung des Preises im Inland werden Produktionsfaktoren zu
dem durch Zoll geschützten Produktionszweig gelenkt, d. h. die Allokation der
Ressourcen verändert sich und es kann eine Umverteilung der Faktoreinkommen
die Folge sein.
37
Für ein Land mit Marktmacht, welches also kein Preisnehmer ist, ist die Welt-
markt-Angebotsfunktion nicht voll elastisch, nicht waagerecht wie im Bild 3-2. Es
kann durch einen Importzoll die Nachfrage auf dem Weltmarkt so reduzieren, dass
der Weltmarktpreis zurückgeht. Dieser ,,Optimalzoll" kann die nationale Wohlfahrt
erhöhen, ein Vergeltungszoll des benachteiligten Landes kann im Ergebnis beide
Länder wiederum schlechter stellen.
38
Außerdem ist die Höhe des Optimalzolls in
der Praxis schwierig zu bestimmen und müsste häufig angepasst werden. Damit
ist die Gefahr groß, dass er zu Wohlfahrtsverlusten führt.
39
Es verwundert daher
nicht, dass die Zölle der EU und die anderer Industrienationen zu Beginn der 90er
36
Mankiw [2004]; S. 201 (eigene Darstellung)
37
Broll [1997]; S. 80f.
38
Broll [1997]; S. 82f.
39
Donges/Menzel/Paulus [2003]; S. 65
0
Biermenge
Inlandsangebot
Inlandsnachfrage
Preis mit Zoll
Preis ohne Zoll
A
G
Bierpreis
Weltmarktpreis
Import mit Zoll
Import ohne Zoll
D
C
B
F
E

Handel
13
Jahre deutlich unter den errechneten Optimalzöllen lagen.
40
Für weiteren Druck
zum Abbau der Zölle sorgt die 1995 gegründete Welthandelsorganisation (WTO).
In sogenannten Handelsrunden wird über den Abbau von Handelshemmnissen
und die Einführung von Standards verhandelt.
41
Die Vorgängerinstitution der
WTO, das GATT (,,General Agreement on Tariffs and Trade"), konnte die von den
Industrieländern im Durchschnitt erhobenen Zollsätze auf Industriegüter von 35 %
im Jahr 1947 auf etwa 3 % Anfang der 90er Jahre senken. Die Durchschnittszahl
täuscht aber über die hohen Zölle bei Agrar-Produkten und einzelnen Fertigwaren
hinweg.
42
Eine weitere Maßnahme um die heimische Industrie zu schützen sind Import-
quoten, mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen. Dadurch steigt der Preis im
Inland und der Rückgang der Importmenge kann zum Teil von inländischen
Anbietern ausgeglichen werden, aber nur zum Teil. Die Konsumentenrente sinkt
stärker als die Produzentenrente steigt.
Ein aktuelles Beispiel: Ende 2004, nach dem Beitritt Chinas zur WTO, wurden
chinesische Textilimporte freigegeben. Doch nach Protesten einiger
südeuropäischer Länder führte die EU im Juni 2005 neue Importquoten ein. ,,Der
Verbraucher muss die Zeche für den Brüsseler Dirigismus zahlen", sagt Thomas
Rasch, Hauptgeschäftsführer des Modeherstellerverbands German Fashion.
43
Bei Einführung eines Importzolls erhält der Staat des Importlandes einen Teil der
Rente, so ist bei Einführung einer Importquote entscheidend, wer die Lizenzen
vergibt: Verkauft oder verteilt der Importstaat die Lizenzen an die Importeure, so
verbleibt dieser Teil der Rente im Importland. Darf der exportierende Staat die
Lizenzen an die Exporteure vergeben, so erhält das Ausland diese Einnahmen.
44
Die erneute Einführung der Importquote für chinesische Textilien wird keinen
Erfolg haben, da Chinas Exporteure die Produkte auf Umwegen über benachbarte
40
Borrmann/Fischer [1995]; S. 137f.
41
Andersen [2005]; S. 40
42
Koch [2000]; S. 162f.
43
Kewes/Schlautmann [2005]
44
Broll [1997]; S. 85f.

Handel
14
Drittstaaten in die EU exportieren werden. ,,Es kommt lediglich zu einer Verschie-
bung in Asien", so Thomas Rasch. Der Umweg werde aber die Preise treiben.
45
Ein Importzoll beeinflusst den Preis direkt und damit die Menge indirekt. Bei der
Importquote ist es genau umgekehrt, die Menge wird direkt und der Preis indirekt
beeinflusst.
46
Die Auswirkungen sind aber ähnlich, die möglichen Außenhandels-
gewinne werden gekürzt, die Konsumenten zahlen die Zeche bzw. die
Produzentenrente.
,,Den gesamten Quotenspuk sollte die EU wieder in den Abstellraum der Handels-
politik verbannen", fordert Klaus Magnus, Vizepräsident des Hauptverbands des
Deutschen Einzelhandels (HDE).
47
Allerdings weitet sich der Handelskonflikt aus. Die EU wirft China vor den Import
europäischer Autoersatzteile mit hohen Zöllen zu behindern. Außerdem sollen
chinesische Schuhe unterhalb der Produktionskosten nach Europa exportiert
worden sein. Dann dürfte die EU Anti-Dumping-Zölle verhängen.
48
Argument für die Errichtung von Handelshemmnissen ist oft der Schutz einer
national wichtigen Industrie, um die Selbstversorgung sicherzustellen. Genauso
wie der Schutz einer jungen inländischen Industrie, die ohne Schutz und dem
Weltmarkt ausgesetzt, nie die erforderliche Produktionsmenge erreichen würde
um zu wettbewerbsfähigen Stückkosten produzieren zu können (,,infant-industry"-
Argument). Oder, wie beim deutschen Steinkohlebergbau, die Angst vor
importierter Arbeitslosigkeit, wenn ein inländischer Industriezweig auf dem Welt-
markt nicht wettbewerbsfähig ist und eine hohe Zahl von Arbeitsplätzen
schlagartig gefährdet wäre.
49
So sinnvoll die Argumente manchmal auch sein mögen, man darf nicht vergessen,
dass mit diesen Handelshemmnissen gesellschaftliche Kosten in Form von
Wohlfahrtsverlust verbunden sind. Ständig sollte überprüft werden, ob die Nutzen
45
Kewes/Schlautmann [2005]
46
Broll [1997]; S. 83
47
Kewes/Schlautmann [2005]
48
Hauschild [2005a]
49
Broll [1997]; S. 78

Handel
15
höher als die Kosten sind, die Maßnahme sollte befristet werden bzw. die Höhe
der Maßnahme von Jahr zu Jahr reduziert werden.
IWF und Weltbank schätzten im Jahr 2002 die Höhe der Agrarsubventionen der
OECD-Länder auf 311 Milliarden US-Dollar, bei gleichzeitig 50 Milliarden US-
Dollar Entwicklungshilfe für die Entwicklungsländer. Subventionen senken den
Weltmarktpreis und verzerren damit den Wettbewerb. Die Entwicklungsländer
können ihr Potenzial nicht ausschöpfen.
50
Zum ,,infant-industry"-Argument: Warum sollten die Konsumenten den Preis für
den Schutz eines jungen Industriezweiges zahlen? Die Eigentümer sollten die
vorübergehenden Verluste tragen, wenn sie doch meinen, später Gewinne zu
erzielen.
51
3.3. Internationaler Handel heute
Vom Jahr 1950 bis 1998 wuchs das Welthandelsvolumen dreimal so schnell wie
das reale Weltinlandsprodukt.
52
Die regionalen Anteile am Welthandel sind aber
sehr unterschiedlich: 78 % des Welthandels fand im Jahr 2004 zwischen Nord-
amerika, Europa und Asien statt. Knapp 87 % der Exporte stammten aus diesen
Regionen (Tabelle 3-2).
53
Die wirtschaftlich wichtigsten Länder dieser Regionen werden auch als ,,Triade"
bezeichnet. Im engeren Sinne sind häufig die USA, die EU und Japan gemeint.
54
Die Bedeutung der ,,Vier Tiger" Südkorea, Taiwan, Singapur und Hongkong, sowie
Indiens und Chinas ist aber stark gestiegen.
So ist der Außenhandel Chinas seit Beginn der neunziger Jahre mehr als doppelt
so schnell gewachsen wie der Welthandel.
55
57 % des Welthandels 2004 waren intraregionaler Handel, allein 33 % machte der
Handel innerhalb Europas und 13 % der Handel innerhalb Asiens aus.
1990 lagen die Anteile am Welthandel bei 33 % innerhalb Westeuropas und 10 %
innerhalb Asiens.
56
50
Donges/Menzel/Paulus [2003]; S. 54f.
51
Mankiw [2004]; S. 210
52
Koch [2000]; S. 22
53
WTO [2005]
54
Koch [2000]; S. 24
55
Koopmann/Franzmeyer [2003]; S. 16

Handel
16
Tabelle 3-2 Verflechtung des Welthandels 2004 (in Milliarden US-Dollar)
57
Ziel
Herkunft
Nordamerika
Asien
Europa
Russland
und GUS Afrika
Naher
Osten
Latein-
amerika
Exporte
Nordamerika
742
249
216
5
15
25
71
1.324
Asien
533
1.201
417
25
45
75
39
2.388
Europa
367
308
2.973
88
98
105
51
4.031
Russland und GUS
18
35
129
55
4
10
6
266
Afrika
43
39
99
1
23
3
7
232
Naher Osten
55
193
64
1
13
22
4
390
Lateinamerika
93
39
59
3
7
5
64
276
Importe
1.852
2.065
3.957
179
205
245
242
8.907
Innerhalb der Triade sind die Handelsverflechtungen sehr eng. So liefert z. B.
Japan fast ein Drittel seiner Warenexporte in die USA und Frankreich liefert etwa
ein Sechstel nach Deutschland.
58
Handel führt zu Gewinnen auf beiden Seiten, zu
Abhängigkeiten und kann damit das gemeinsame Interesse an friedlichen
Lösungen fördern.
59
Diese intrakontinentale Verdichtung von Wirtschafts-
beziehungen wird als Regionalisierung bezeichnet, die Voraussetzung für und
Reaktion auf die zunehmende Globalisierung ist:
60
Voraussetzung, da man oft erst
mit regionaler Stärke fit für den Weltmarkt ist und Reaktion, da man sich gegen die
möglichen Gefahren des weltweiten Wettbewerbs im regionalen Verbund
absichern möchte.
Wichtige wirtschaftliche Zusammenschlüsse auf regionaler Ebene sind
- die Europäische Union (EU),
- die Nordamerikanische Freihandelszone (NAFTA),
- der Gemeinsame Markt Südamerikas (Mercosur),
- die Südafrikanische Entwicklungsgemeinschaft (SADC),
- die Südostasiatische Staatengemeinschaft (ASEAN)
61
und
- die Asiatisch-Pazifische Wirtschaftsgemeinschaft (APEC).
56
Borrmann/Fischer u. a. [1995]; S. 248
57
Quelle: WTO [2005] und Handelsblatt [2005a]
58
Koopmann/Franzmeyer [2003]; S. 16
59
Greven/Scherrer [2005]; S. 32
60
Koch [2000]; S. 5
61
Andersen [2005]; S. 42

Handel
17
Vor allem die APEC bildet ein mächtiges Gegenstück zur EU. In den Mitglieds-
staaten der APEC lebt knapp die Hälfte der Weltbevölkerung und dort wird über
die Hälfte der Weltwirtschaftsleistung erbracht. Ziel ist die Errichtung einer
Freihandelszone ab dem Jahr 2010.
62
Bei diesen Zusammenschlüssen wird der regionale Markt als Übungsfeld
angesehen, mit dem Ziel die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen
bzw. zu erhalten, denn er ermöglicht Skalenerträge, z. B. durch Ausnutzung der
Stückkostendegression bei erhöhten Produktionsmengen oder durch Nutzung
gemeinsamer Infrastruktur. Wachstumsimpulse gehen von der engeren
Verflechtung, den zunehmenden grenzüberschreitenden Investitionen und dem
Austausch von Know-how aus.
63
Darauf gehe ich später noch genauer ein.
Liberalisierung, d. h. freier Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr, sowie
Freizügigkeit von Personen und Niederlassungsfreiheit für Unternehmen,
64
ist auf
regionaler Ebene eher erreichbar, die damit verbundenen Risiken sind für jeden
einzelnen Staat leichter kalkulierbar. Der Erfolg eines Zusammenschlusses ist
umso größer, je weniger Konflikte zwischen den Partnern bestehen, je größer die
gesellschaftlichen Gemeinsamkeiten und je ähnlicher und stabiler die ordnungs-
politischen Rahmenbedingungen sind. Im kleineren Rahmen lassen sich sogar
Bereiche einbeziehen, die multilateral schwierig zu regeln sind, wie die Geld-,
Währungs-, Umwelt- und Sozialpolitik (,,deeper integration"). Jedoch ist die dann
erreichte Wohlfahrt noch nicht optimal. Vor allem bei Zollunionen werden preis-
günstigere Importe aus Drittländern behindert.
65
Trotzdem hat sich der Trend zu
regionalen Handelsabkommen verstärkt, über 70 % der mehr als 180 in Kraft
befindlichen Verträge sind in den letzten 10 Jahren abgeschlossen worden und
etwa 50 % des Welthandels wird innerhalb dieser Bündnisse abgewickelt. Die
mittlerweile hohe Mitgliederzahl der WTO von 149 hat die Interessen stark
differenziert.
66
So ist die WTO zwar die demokratischste supranationale
Organisation der Welt, die USA haben die gleichen Stimmrechte wie Tansania,
62
Wikipedia [2005f]
63
Borrmann/Fischer u. a. [1995]; S. 40ff.
64
Koch [2000]; S. 8
65
Borrmann/Fischer u. a. [1995]; S. 40ff.
66
Hüther [2005b]

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2006
ISBN (eBook)
9783832495121
ISBN (Paperback)
9783838695129
DOI
10.3239/9783832495121
Dateigröße
868 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Fachhochschule Düsseldorf – Wirtschaft
Erscheinungsdatum
2006 (April)
Note
1,7
Schlagworte
direktinvestitionen handel arbeitsmarkt humankapital global governance
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