Congestion Management
Anreize zum Ausbau von Netzengpässen im europäischen Strommarkt
©2005
Diplomarbeit
92 Seiten
Zusammenfassung
Inhaltsangabe:Einleitung:
Als im Sommer 2003 erst im Nordosten der USA und später in Italien Millionen Menschen über Stunden von der Stromversorgung abgeschnitten waren, wurde in Europa plötzlich ein Thema wieder intensiv diskutiert: Versorgungssicherheit. Bis dahin hatten lange Zeit wirtschaftliche und vor allem ökologische Aspekte der Energieversorgung im Mittelpunkt gestanden. Zu dieser veränderten Sichtweise trägt auch die Liberalisierung der europäischen Strommärkte bei, die zu großen Veränderungen und in der Folge zu Unsicherheit unter den Marktteilnehmern führt. Eine durch die Liberalisierungsbestrebungen verringerte Investitionsbereitschaft der Übertragungsnetzbetreiber trifft mit steigenden grenzüberschreitenden Stromhandelsaktivitäten zusammen. Inhalt der vorliegenden Arbeit ist die daraus hervorgehende Problematik.
Das ursprünglich für eine regionale Stromversorgung und gegenseitige Hilfestellungen konzipierte Verbundsystem stößt durch wachsende internationale Stromtransporte an seine Grenzen. Knappe Übertragungskapazitäten zwischen den nationalen Stromnetzen führen zu Netzengpässen, die ein Hindernis auf dem Weg zu einem europäischen Binnenmarkt bilden und eine Gefahr für die Versorgungssicherheit darstellen können.
Im Rahmen dieser Arbeit sollen Wege gefunden werden, die Investitionsbereitschaft im Elektrizitätssektor zu erhöhen und so eine Beseitigung der Netzengpässe und der mit ihnen verbundenen Probleme zu erreichen. Um eine geeignete Basis für die weitere Untersuchung zu schaffen, werden zunächst die Besonderheiten des Elektrizitätssektors, insbesondere die Bedeutung der Versorgungssicherheit, dargestellt. Es folgt eine Betrachtung des europäischen Elektrizitätsmarktes.
Der europäische Stromverbund wird skizziert und der Weg der nationalen Strommärkte in Richtung eines europäischen Binnenmarktes umrissen. Aufbauend auf diesen Grundlagen wird in Kapitel 3 gezeigt, wie sich Netzengpässe auf den Stromhandel und die Versorgungssicherheit auswirken. Dazu werden die Fortschritte des Handels auf dem Weg zum Binnenmarkt betrachtet, die aber durch die begrenzten Übertragungskapazitäten gebremst werden. Anhand der oben erwähnten Blackouts wird verdeutlicht, dass auch eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit nicht ausgeschlossen ist.
Die Untersuchung der verschiedenen Alternativen zur Überwindung der Engpassproblematik steht im Mittelpunkt des vierten Kapitels. Aus der Betrachtung der möglichen kurzfristigen Methoden im Rahmen […]
Als im Sommer 2003 erst im Nordosten der USA und später in Italien Millionen Menschen über Stunden von der Stromversorgung abgeschnitten waren, wurde in Europa plötzlich ein Thema wieder intensiv diskutiert: Versorgungssicherheit. Bis dahin hatten lange Zeit wirtschaftliche und vor allem ökologische Aspekte der Energieversorgung im Mittelpunkt gestanden. Zu dieser veränderten Sichtweise trägt auch die Liberalisierung der europäischen Strommärkte bei, die zu großen Veränderungen und in der Folge zu Unsicherheit unter den Marktteilnehmern führt. Eine durch die Liberalisierungsbestrebungen verringerte Investitionsbereitschaft der Übertragungsnetzbetreiber trifft mit steigenden grenzüberschreitenden Stromhandelsaktivitäten zusammen. Inhalt der vorliegenden Arbeit ist die daraus hervorgehende Problematik.
Das ursprünglich für eine regionale Stromversorgung und gegenseitige Hilfestellungen konzipierte Verbundsystem stößt durch wachsende internationale Stromtransporte an seine Grenzen. Knappe Übertragungskapazitäten zwischen den nationalen Stromnetzen führen zu Netzengpässen, die ein Hindernis auf dem Weg zu einem europäischen Binnenmarkt bilden und eine Gefahr für die Versorgungssicherheit darstellen können.
Im Rahmen dieser Arbeit sollen Wege gefunden werden, die Investitionsbereitschaft im Elektrizitätssektor zu erhöhen und so eine Beseitigung der Netzengpässe und der mit ihnen verbundenen Probleme zu erreichen. Um eine geeignete Basis für die weitere Untersuchung zu schaffen, werden zunächst die Besonderheiten des Elektrizitätssektors, insbesondere die Bedeutung der Versorgungssicherheit, dargestellt. Es folgt eine Betrachtung des europäischen Elektrizitätsmarktes.
Der europäische Stromverbund wird skizziert und der Weg der nationalen Strommärkte in Richtung eines europäischen Binnenmarktes umrissen. Aufbauend auf diesen Grundlagen wird in Kapitel 3 gezeigt, wie sich Netzengpässe auf den Stromhandel und die Versorgungssicherheit auswirken. Dazu werden die Fortschritte des Handels auf dem Weg zum Binnenmarkt betrachtet, die aber durch die begrenzten Übertragungskapazitäten gebremst werden. Anhand der oben erwähnten Blackouts wird verdeutlicht, dass auch eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit nicht ausgeschlossen ist.
Die Untersuchung der verschiedenen Alternativen zur Überwindung der Engpassproblematik steht im Mittelpunkt des vierten Kapitels. Aus der Betrachtung der möglichen kurzfristigen Methoden im Rahmen […]
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
ID 9505
Benning, Martin: Congestion Management -
Anreize zum Ausbau von Netzengpässen im europäischen Strommarkt
Druck Diplomica GmbH, Hamburg, 2006
Zugl.: Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Diplomarbeit, 2005
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http://www.diplom.de, Hamburg 2006
Printed in Germany
IV
I
NHALTSVERZEICHNIS
Darstellungsverzeichnis
V
Abkürzungsverzeichnis
VI
1
Einleitung
1
2
Grundlagen der europäischen Elektrizitätswirtschaft
3
2.1
Die Elektrizitätswirtschaft
3
2.1.1
Besonderheiten des Elektrizitätssektors
3
2.1.2
Bedeutung der Versorgungssicherheit
5
2.2
Der europäische Elektrizitätsmarkt
6
2.2.1
Der europäische Stromverbund
6
2.2.2
Marktstrukturen vor der Liberalisierung
8
2.2.3
Liberalisierung und gegenwärtiger Stand der Entwicklung
10
3
Auswirkungen knapper Transportkapazitäten im Elektrizitätssektor
14
3.1
Grenzen des Stromhandels in Europa
14
3.1.1
Fortschritte im Stromhandel durch die Liberalisierung
14
3.1.2
Netzengpässe als Hindernis für einen funktionierenden Binnenmarkt 15
3.2
Gefährdung der Versorgungssicherheit
20
3.2.1
Blackout in den USA und Kanada 2003
20
3.2.2
Blackout in Italien 2003
21
4
Congestion Management: Kurzfristige Methoden zur Bewältigung von
Netzengpässen
24
4.1
Management kurzfristiger Netzengpässe
24
4.2
Management mittel- und langfristiger Netzengpässe
25
4.3
Weiterentwicklung des Engpassmanagements
28
4.4
Probleme der kurzfristigen Methoden
30
V
5
Beseitigung von Engpässen im europäischen Verbundnetz durch Ausbau
der Kuppelstellen
31
5.1
Kritische Engpässe und Bedarf an Netzausbau
31
5.2
Notwendigkeit eines staatlichen Markteingriffs im Elektrizitätssektor
34
5.2.1
Anreizproblematik bei Investitionen im Übertragungsnetzbereich
34
5.2.2
Wettbewerb versus Regulierung
39
5.2.3
Regulierungsfehler am Beispiel Kalifornien
42
5.3
Anreize zur Engpassbeseitigung im europäischen Ordnungsrahmen
45
5.3.1
EU-Regelungen und ihre Anreizwirkungen
45
5.3.2
Investitionsprogramme der EU
48
5.3.3
Vereinfachung von Genehmigungsverfahren
50
5.4
Investitionsanreize verschiedener Regulierungskonzepte
52
5.4.1
Modelle der Netzentgeltregulierung
52
5.4.1.1
Bedeutung der Netznutzungsentgelte
52
5.4.1.2
Kostenorientierte Ansätze
55
5.4.1.3
Anreizorientierte Ansätze
56
5.4.1.4
Effizienzvergleiche: Benchmarking und Yardstick
58
5.4.2
Regulierung der Versorgungsqualität
62
5.4.3
Umsetzung in Europa
66
6
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
70
Literaturverzeichnis
73
VI
D
ARSTELLUNGSVERZEICHNIS
Darstellung 1: Streuflüsse bei einem Stromtransport von Frankreich nach Italien
4
Darstellung 2: Stromverbundsysteme in Europa
7
Darstellung 3: Handelsvolumina der wichtigsten europäischen Strombörsen
15
Darstellung 4: Deutschland als Drehscheibe für europäische Stromtransporte (2004)
16
Darstellung 5: Internationaler Stromhandel in Europa 2003
17
Darstellung 6: Engpässe in Europa
18
Darstellung 7: Klassifizierung von Engpassstellen
31
Darstellung 8: Investitionen im deutschen Stromsektor
35
Darstellung 9: Netze als monopolistischer Bottleneck
41
Darstellung 10: Projekte von europäischem Interesse im Rahmen des TEN-Programms 49
Darstellung 11: Wirkung von Anreiz und Risiko auf die Investitionsbereitschaft
52
Darstellung 12: Elemente der Netzentgeltregulierung
54
Darstellung 13: Anreizwirkungen der verschiedenen Regulierungsansätze
61
Darstellung 14: Merkmale der Versorgungsqualität
62
Darstellung 15: Zuverlässigkeit europäischer Stromnetze
63
Darstellung 16: Regulierungsmodelle in Europa
66
VII
A
BKÜRZUNGSVERZEICHNIS
Anm.
Anmerkung
APX
Amsterdam Power Exchange
Art.
Artikel
BET
Büro für Energiewirtschaft und technische Planung GmbH
CAISO
California Independent System Operator
CalPX
California Power Exchange
CEER
Council of European Energy Regulators
CRIEPI
Central Research Institute of Electric Power Industry
DEA
Data Envelopment Analysis
DIW
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung Berlin
DTe
Dienst Toezicht en Uitvoering Energie (Office for Energy Regulation)
ECG
Energie Control GmbH
ECK
Energie Control-Kommission
EdF
Electricité de France
EEX
European Exchange
EG
Europäische Gemeinschaften
EnBW
Energie Baden-Württemberg
ENEL
Ente nationale per l'energia elettrica
EnWG
Energiewirtschaftsgesetz
E.ON
E.ON AG
ETSO
European Transmission System Operators
EU
Europäische Union
Euro
EVU
Elektrizitätsversorgungsunternehmen
EWI
Energiewirtschaftliches Institut der Universität Köln
EXAA
Energy Exchange Austria
FERC
Federal Energy Regulatory Commission
G
Generation
IAEW
Institut für Elektrische Anlagen und Energiewirtschaft der RWTH
Aachen
k. A.
keine Angabe
VIII
km
Kilometer
KWh
Kilowattstunde
L
Load
Mio.
Million
Mrd.
Milliarde
MWh
Megawattstunde
NORDEL
Verbundsystem der skandinavischen Staaten
n. v.
nicht verfügbar
Ofgem
Office for gas and electricity markets
RegTP
Regulierungsbehörde für Telekommunikation und
Postdienstleistungen
REGTP
Regulierungsbehörde für Elektrizität, Gas, Telekommunikation und
Postdienste
RWE
RWE AG
TEN
Trans-european Energy Networks
TU
Technische Universität
TWh
Terrawattstunde
UCTE
Union for the Co-ordination of Transmission of Electricity
US-$
US-Dollar
VDE
Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V.
VDEW
Verband der Elektrizitätswirtschaft
VDN
Verband der Netzbetreiber
Verf.
Verfasser
WIK
Wissenschaftliches Institut für Kommunikationsdienste
X-Faktor
Effizienzfaktor
1
1
Einleitung
Als im Sommer 2003 erst im Nordosten der USA und später in Italien Millionen
Menschen über Stunden von der Stromversorgung abgeschnitten waren, wurde in
Europa plötzlich ein Thema wieder intensiv diskutiert: Versorgungssicherheit. Bis
dahin hatten lange Zeit wirtschaftliche und vor allem ökologische Aspekte der
Energieversorgung im Mittelpunkt gestanden. Zu dieser veränderten Sichtweise
trägt auch die Liberalisierung der europäischen Strommärkte bei, die zu großen
Veränderungen und in der Folge zu Unsicherheit unter den Marktteilnehmern
führt. Eine durch die Liberalisierungsbestrebungen verringerte Investitionsbereit-
schaft der Übertragungsnetzbetreiber trifft mit steigenden grenzüberschreitenden
Stromhandelsaktivitäten zusammen.
Inhalt der vorliegenden Arbeit ist die daraus hervorgehende Problematik. Das ur-
sprünglich für eine regionale Stromversorgung und gegenseitige Hilfestellungen
konzipierte Verbundsystem stößt durch wachsende internationale Stromtransporte
an seine Grenzen. Knappe Übertragungskapazitäten zwischen den nationalen
Stromnetzen führen zu Netzengpässen, die ein Hindernis auf dem Weg zu einem
europäischen Binnenmarkt bilden und eine Gefahr für die Versorgungssicherheit
darstellen können.
Im Rahmen dieser Arbeit sollen Wege gefunden werden, die Investitionsbereit-
schaft im Elektrizitätssektor zu erhöhen und so eine Beseitigung der Netzengpässe
und der mit ihnen verbundenen Probleme zu erreichen.
Um eine geeignete Basis für die weitere Untersuchung zu schaffen, werden zu-
nächst die Besonderheiten des Elektrizitätssektors, insbesondere die Bedeutung
der Versorgungssicherheit, dargestellt. Es folgt eine Betrachtung des europäischen
Elektrizitätsmarktes. Der europäische Stromverbund wird skizziert und der Weg
der nationalen Strommärkte in Richtung eines europäischen Binnenmarktes um-
rissen.
Aufbauend auf diesen Grundlagen wird in Kapitel 3 gezeigt, wie sich Netzengpäs-
se auf den Stromhandel und die Versorgungssicherheit auswirken. Dazu werden
die Fortschritte des Handels auf dem Weg zum Binnenmarkt betrachtet, die aber
durch die begrenzten Übertragungskapazitäten gebremst werden. Anhand der
2
oben erwähnten Blackouts wird verdeutlicht, dass auch eine Beeinträchtigung der
Versorgungssicherheit nicht ausgeschlossen ist.
Die Untersuchung der verschiedenen Alternativen zur Überwindung der Engpass-
problematik steht im Mittelpunkt des vierten Kapitels. Aus der Betrachtung der
möglichen kurzfristigen Methoden im Rahmen des Congestion Managements
wird der Schluss gezogen, dass eine Beseitigung der Engpässe als langfristige
Maßnahme notwendig ist, um das Ziel eines funktionierenden Binnenmarktes zu
realisieren.
In Kapitel 5 werden zunächst verschiedene Engpässe und ihr Kapazitätsbedarf
untersucht. Anhand der Anreizproblematik im Übertragungsnetzbereich wird an-
schließend die Notwendigkeit staatlicher Markteingriffe abgeleitet. Einer Abwä-
gung zwischen Wettbewerb und Regulierung folgt eine Darstellung des Regulie-
rungsrahmens in Kalifornien und der dort aufgetretenen Fehler.
Daran schließt sich eine Untersuchung der möglichen Investitionsanreize im eu-
ropäischen Ordnungsrahmen an; Schwerpunkte bilden die EU-Verordnung zum
grenzüberschreitenden Stromhandel, EU-Investitionsprogramme sowie die Ver-
einfachung von Genehmigungsverfahren. Zur Identifizierung weiterer Anreizwir-
kungen folgt ein Vergleich verschiedener Regulierungskonzepte. Im Mittelpunkt
steht dabei die Frage, auf welche Weise gleichzeitig Effizienzsteigerungen und
eine sichere Versorgung gewährleistet werden können. Dazu wird die notwendige
Regulierung der Versorgungsqualität näher betrachtet. Abschließend wird in ei-
nem Überblick die Umsetzung der Regulierung in ausgewählten europäischen
Ländern dargestellt.
Kapitel 6 fasst die Ergebnisse der Arbeit zusammen und zieht Schlussfolgerun-
gen.
3
2
Grundlagen der europäischen Elektrizitätswirtschaft
2.1
Die Elektrizitätswirtschaft
2.1.1
Besonderheiten des Elektrizitätssektors
Der Elektrizitätssektor weist eine Reihe von Besonderheiten auf, die mitverant-
wortlich für die in dieser Arbeit dargestellte Problematik sind und daher kurz er-
läutert werden sollen.
Elektrizitätsversorgung ist leitungsgebunden und setzt deshalb ein in sich ge-
schlossenes Netz voraus. Die Speicherung elektrischer Energie in ausreichendem
Maße ist auf wirtschaftliche Weise nicht möglich, so dass es zu einem ständigen
Ausgleich von Angebot und Nachfrage kommen muss. Produktion und Verbrauch
von Elektrizität müssen deshalb gleichzeitig erfolgen.
1
Bereits kleine Abweichun-
gen von diesem Gleichgewicht können eine Beeinträchtigung der Versorgungssi-
cherheit
2
verursachen. Lastschwankungen werden durch permanente Anpassung
der Erzeugungsleistung ausgeglichen. Hierzu existiert ein gestaffeltes Regelungs-
konzept, das abhängig von der verfügbaren Zeit Reserveleistungen in Form von
Regelenergie bereitstellt.
3
Elektrizität zeichnet sich weiterhin durch eine fehlende Steuerbarkeit des Leis-
tungsflusses aus. Da der Stromfluss physikalischen Gesetzmäßigkeiten
4
folgt,
teilen sich Leistungstransporte auf viele parallele Strecken auf. Dieser Effekt, der
auch als ,,Loop Flow" bezeichnet wird, führt beispielsweise bei einem Strom-
transport von Frankreich nach Italien zu Streuflüssen, die zu erheblichen Teilen
auch andere Ländergrenzen überqueren und in Darstellung 1 skizziert sind.
5
Für
die Übertragungsnetzbetreiber der betroffenen Länder, im Beispiel sind dies u.a.
die Niederlande, Deutschland und Österreich, entstehen dadurch Externalitäten.
1
Vgl. Hermann, R., Gemeinsamer Markt 1997, S. 25 f.
2
Siehe Kap. 2.1.2, S. 5.
3
Vgl. Zimmer, C.: Knappe Interkonnektorkapazitäten 2004, S. 3.
4
Gemäß dem Kirchhoffschen Gesetz folgt der Lastfluss dem Weg des geringsten Widerstandes.
5
Vgl. Zimmer, C.: Knappe Interkonnektorkapazitäten 2004, S. 3.
4
Darstellung 1: Streuflüsse bei einem Stromtransport von Frankreich nach Italien
6
Aufgrund der genannten Besonderheiten nimmt der Netzbereich eine zentrale
Stellung innerhalb des Elektrizitätsmarkts ein, der aus den vier Stufen Erzeugung,
Übertragung, lokale Verteilung und Versorgung besteht.
7
Der Bereich der Über-
tragung und Verteilung kann wegen der subadditiven Kostenfunktion des Strom-
netzes
8
als natürliches Monopol angesehen werden und rückt damit in das Interes-
se der Wettbewerbspolitik. Dagegen können die übrigen Leistungen der Erzeu-
gung und Versorgung im Wettbewerb mehrerer Anbieter erbracht werden.
9
Weitere Besonderheiten sind die hohe, u.a. durch die Leitungsgebundenheit be-
dingte Kapitalintensität in der Elektrizitätswirtschaft in Verbindung mit dem gro-
ßen Zeitbedarf der Umsetzung von Investitionen.
10
Dazu tragen auch langwierige
Genehmigungsverfahren bei, die eine kurzfristige Anpassung von Transportkapa-
zitäten verhindern.
Neben den aufgeführten, eher hinderlichen Besonderheiten kann seine Austausch-
barkeit als Vorteil des Gutes Strom angesehen werden. Die durch das Netz und
nicht die Erzeugung bestimmte einheitliche Qualität der elektrischen Energie er-
möglicht den Handel an Strombörsen, der zu mehr Preistransparenz führt.
11
6
Quelle: Brauner, G., Engpassmanagement 2002, S. 6.
7
Unter Übertragung wird der Stromtransport über größere Entfernungen über Höchst- und Hoch-
spannungsnetze verstanden. Versorgung bezeichnet den Verkauf an Kunden.
8
Bei Subadditivität kann ein einziges Unternehmen die Nachfrage kostengünstiger befriedigen als
mehrere im Wettbewerb stehende Unternehmen, die Errichtung eines parallelen Netzes würde
i.d.R. zu hohe Kosten verursachen.
9
Vgl. Bessau, D., Klumpp, M., Zukunft der Energiemärkte 2002, S.7.
10
Vgl. Hermann, R., Gemeinsamer Markt 1997, S.28.
11
Vgl. Haubrich, H., Liberalisierte Energiemärkte 2001, S. 117.
5
2.1.2
Bedeutung der Versorgungssicherheit
Die Versorgungssicherheit ist neben Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit
einer der zentralen Bestandteile des Zieldreiecks der Energiewirtschaft. Versor-
gungssicherheit bedeutet dabei, ,,dass die Elektrizitätsverbraucher elektrische E-
nergie beziehen können, zum Zeitpunkt, wann sie diese benötigen, mit definierter
Qualität und zu transparenten und kostenorientierten Preisen."
12
Ein wesentliches Risiko für die Versorgungssicherheit resultiert aus möglichen
Kapazitätsengpässen und -ausfällen bei der Versorgung mit Elektrizität. Elektrizi-
tät ist in Industrieländern die zentrale Energieform und Existenzgrundlage der
Volkswirtschaft. Versorgungssicherheit setzt neben ausreichenden Erzeugungska-
pazitäten auch die Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit entsprechender Übertra-
gungsnetze voraus.
13
Das Vorhandensein dieser Transportkapazitäten allein reicht
aber nicht aus; zur Aufrechterhaltung der Stromversorgung sind vielfältige techni-
sche Leistungen notwendig, wie z.B. die Führung des Netzbetriebs und das Kon-
stanthalten der Netzfrequenz.
14
Um eine sichere Versorgung zu gewährleisten, müssen sich Erzeugungs- und
Transportkapazitäten an den Nachfragespitzen ausrichten. Zum Ausgleich von
Einspeisung und Entnahme und damit zur Gewährleistung eines stabilen Netzes
benötigen die Übertragungsnetzbetreiber Regelenergie. Ein Risiko kann dabei die
Reduzierung umfangreicher Kraftwerkskapazitäten im Zuge der Liberalisierung in
Verbindung mit dem erhöhten Regelenergiebedarf durch den Einsatz von Wind-
energie darstellen. Fällt an einem windlosen Tag die Einspeisung der Windenergie
weg und steht gleichzeitig aufgrund ausgelasteter Übertragungsnetze keine Regel-
energie aus dem Ausland zur Verfügung, kann es zu Störungen in der Stromver-
sorgung kommen.
15
Im Unterschied zu anderen Wirtschaftszweigen bedeutet die Überlastung eines
Stromnetzes ohne verfügbare Reservekapazitäten einen vollständigen Zusammen-
bruch der Geschäftstätigkeit mit der Folge, dass die gesamte Nachfrage nicht be-
12
Boltz, W., Marktgerechtes Engpassmanagement 2004, S. 1.
13
Vgl. RWE [Hrsg.], Weltenergiereport 2004, S. 85.
14
Vgl. Böhnel, G, Wettbewerbsbegründende Durchleitungen 2001, S. 35 f.
15
Vgl. Kroneberg, J., Versorgungssicherheit 2003, S. 6.
6
friedigt werden kann.
16
Versorgungssicherheit weist daher Eigenschaften eines
öffentlichen Gutes auf. Hinzu kommt, dass eine kurzfristige Substitution von
Strom durch andere Energieträger i.d.R. nicht möglich ist, was wiederum eine
kurzfristig sehr geringe Preiselastizität zur Folge hat. Versorgungsunterbrechun-
gen können in bestimmten Bereichen gravierende Folgen nach sich ziehen und
ganze Volkswirtschaften zum Erliegen bringen. Die Kosten einer eintägigen Un-
terbrechung der Stromversorgung in einem größeren europäischen Land werden
auf fünf bis zehn Mrd. geschätzt.
17
Aus diesem Grund sind an eine sichere und
zuverlässige Stromversorgung besonders hohe Ansprüche zu stellen.
Dabei muss zwischen Sicherheit und Zuverlässigkeit unterschieden werden: Unter
Sicherheit versteht man in diesem Zusammenhang, dass ein Netz den Ausfall ei-
ner einzelnen Komponente verkraften muss, ohne dass Unterbrechungen der
Stromversorgung auftreten.
18
So hat sich innerhalb Europas weitgehend die Ein-
haltung des so genannten (n-1)-Kriteriums durchgesetzt, das genau diesen Sach-
verhalt beinhaltet.
19
Dabei müssen neben technischen Störungsursachen auch Na-
turkatastrophen, Streiks oder terroristische Anschläge berücksichtigt werden. Ein
technisches System wird als zuverlässig bezeichnet, wenn Ausfälle nur in geringer
Zahl auftreten und die jeweilige Unterbrechungsdauer ebenfalls gering ist.
20
2.2 Der europäische Elektrizitätsmarkt
2.2.1 Der europäische Stromverbund
Deutschland und die meisten anderen europäischen Länder verfügen über nationa-
le Höchstspannungsnetze
21
, die durch Kuppelleitungen mit relativ geringen Über-
tragungskapazitäten verknüpft sind. Bei einer synchronen Zusammenschaltung
dieser Netze entsteht ein übergeordnetes Verbundnetz. Wie aus Darstellung 2
ersichtlich, gibt es in Europa mehrere Verbundnetze, wobei dem UCTE-Netz auf-
grund seiner Größe und Lage eine zentrale Rolle zukommt. Das UCTE-Netz er-
16
Vgl. Hermann, R., Gemeinsamer Markt 1997, S. 32.
17
Europäische Kommission, Vorschlag für Richtlinie zur Versorgungssicherheit 2003, S. 19.
18
Vgl. Brauner, G., Ursachen von Engpässen 2004, S. 1.
19
Vgl. Zimmer, C., Knappe Interkonnektorkapazitäten 2004, S. 5.
20
Vgl. Brauner, G., Ursachen von Engpässen 2004, S. 1.
21
Zum Vergleich: In den USA erfolgt die Übertragung über eine Vielzahl regionaler Verbundnet-
ze.
7
füllte ursprünglich die Funktion eines Reservenetzes und diente der gegenseitigen
Störungsaushilfe sowie der Minimierung des Regelleistungsbedarfs.
22
Aufgrund
einer regional ausgeglichenen Stromerzeugung reichten begrenzte Kuppelleitun-
gen
23
zwischen den einzelnen Ländern aus. Austauschaktivitäten über Länder-
grenzen beschränkten sich zumeist auf bilaterale Geschäfte zwischen den Über-
tragungsnetzbetreibern zum Ausgleich von Versorgungsausfällen und Nachfrage-
spitzen. Auf diese Weise ermöglichte die Zusammenarbeit der europäischen
Stromversorger eine bessere Auslastung der Produktionsanlagen und eine sichere-
re Versorgung.
Darstellung 2: Stromverbundsysteme in Europa
24
22
Vgl. Brauner, G., Engpassmanagement 2002, S. 4
23
Die Begriffe Kuppelleitung und Verbindungsleitung werden im Folgenden synonym als Be-
zeichnungen für grenzüberschreitende Übertragungsleitungen verwendet.
24
Quelle: UCTE [Hrsg.], Half-yearly Report 1/2004.
8
Heute werden innerhalb des UCTE-Verbundsystems, das 33 Mitglieder in 23
Ländern
25
umfasst, rund 20 Prozent der jährlichen Stromproduktion gehandelt.
26
Eine regional ausgeglichene Stromerzeugung ist in einigen Ländern nicht mehr
gegeben. Da sich Störungen in einem der zusammengeschlossenen Netze auf alle
anderen auswirken können, ist eine enge Zusammenarbeit notwendig, die durch
die UCTE koordiniert wird. Gemeinsame Regeln zur Netzsicherheit, zu Maßnah-
men gegen Großstörungen etc. sollen eine sichere Stromversorgung im gesamten
Verbundnetz ermöglichen. Ein wesentlicher Grundsatz im Rahmen der geltenden
Sicherheits- und Zuverlässigkeitsstandards ist dabei die Einhaltung des bereits
genannten (n-1)-Kriteriums, das sich in zwei Phasen aufteilen lässt:
27
1)
Durchführung von Abhilfemaßnahmen nach einer Störung zur schnellst-
möglichen Sicherstellung eines stabilen Betriebs des Verbundnetzes,
2)
Rückführung des Systems in einen (n-1)-sicheren Betriebszustand.
2.2.2 Marktstrukturen vor der Liberalisierung
Nationale Monopole und vertikal integrierte Stromversorger kennzeichneten den
europäischen Strommarkt, bevor die Öffnung der Märkte und die Schaffung eines
Binnenmarktes für Elektrizität erklärtes Ziel der EU wurde. Stromhandelstransak-
tionen waren auf Liefervereinbarungen zwischen den Elektrizitätsversorgungsun-
ternehmen beschränkt und Stromabnehmer an den jeweiligen Gebietsmonopolis-
ten gebunden.
Verantwortlich für die nationalen Strukturen, die der wirtschaftlichen Zielsetzung
der EU, nämlich der Ermöglichung eines freien Warenverkehrs, widersprachen,
waren die gesellschaftspolitischen Ziele der einzelnen Mitgliedstaaten. Das Stre-
ben nach einer sicheren Elektrizitätsversorgung führte zu abgeschotteten Elektrizi-
tätswirtschaften mit teilweise verstaatlichten Stromversorgern. Dabei wurde u.a.
argumentiert, dass Versorgungssicherheit unter Wettbewerbsbedingungen nicht
25
UCTE [Hrsg.], Profile 2005.
26
Vgl. Kroneberg, J., Stromhandel ohne Grenzen 2003, S. 589.
27
Vgl. UCTE [Hrsg.], Abschlussbericht 2003, S.3.
9
gewährleistet sei, da die hohe Kapitalintensität einen langfristig sicheren Pla-
nungshorizont voraussetze.
28
Die Strukturen in den einzelnen europäischen Ländern wiesen dabei teilweise
große Unterschiede auf. In Frankreich und Italien gab es mit den Unternehmen
EdF und ENEL jeweils einen staatlich kontrollierten Monopolisten, der die Auf-
gaben der gesamten elektrizitätswirtschaftliche Wertschöpfungskette erfüllte. Da-
gegen kann Großbritannien als Vorreiter der späteren Liberalisierungsbestrebun-
gen in Europa bezeichnet werden. Bereits im Jahr 1990 wurden dort die integrier-
ten Stromversorger organisatorisch und rechtlich entbündelt, so dass getrennte
Unternehmen in den Bereichen Erzeugung, Transport und Verteilung sowie End-
versorgung entstanden.
29
Zwischen diesen beiden Extremen finden sich Deutsch-
land und andere Mitgliedsländer, in denen sich mehrstufige Strukturen in abge-
grenzten Versorgungsgebieten entwickelt haben. Den überregionalen Stromtrans-
port in Deutschland übernahmen acht zum Teil vertikal integrierte Unternehmen,
die eigenständig ihre jeweiligen miteinander verbundenen Netze betrieben.
Monopolistische Strukturen und daraus folgend der Ausschluss von Wettbewerb
auf sämtlichen Stufen waren trotz dieser Unterschiede lange Zeit gemeinsames
Merkmal aller Märkte.
30
Die dadurch notwendig werdende staatliche Regulierung
beinhaltete i.d.R. eine Preisaufsicht, die u.a. die Genehmigung von Tarifänderun-
gen oder den Erlass von Höchstpreisen vorsah.
Die Folge der vielfältigen Strukturen in den europäischen Mitgliedsländern sind
sehr differierende Interessen, die die Umsetzung angedachter Veränderungen auf
dem Weg zu einem europäischen Binnenmarkt für Elektrizität erschweren.
28
Vgl. Böhnel, G., Wettbewerbsbegründende Durchleitungen 2001, S. 37.
29
Vgl. Hermann, R., Gemeinsamer Markt 1997, S. 49 f.
30
Vgl. Böhnel, G., Wettbewerbsbegründende Durchleitungen 2001, S. 30.
10
2.2.3 Liberalisierung und gegenwärtiger Stand der Entwicklung
Bereits im Jahr 1985 erfolgte der Entschluss des Europäischen Rates über die
neuen energiepolitischen Ziele der Gemeinschaft, die die Schaffung eines Elektri-
zitätsbinnenmarktes vorsahen.
31
Dieser Binnenmarkt soll die Bestimmungen des
EG-Vertrags über den freien Warenverkehr auch im Stromsektor durchsetzen und
so die Wettbewerbsfähigkeit Europas gegenüber anderen Industriestandorten stär-
ken
32
. Weiterhin ist er ,,zentrales Element der Gemeinschaftsstrategie für die Ver-
sorgungssicherheit."
33
Neben einer zuverlässigen Stromversorgung sind vor allem
die Strompreise ein entscheidender Wettbewerbsfaktor.
Den rechtlichen Rahmen für die Deregulierung und Liberalisierung der europäi-
schen Stromwirtschaften bildet die im Jahr 1997 in Kraft getretene Elektrizitäts-
binnenmarktrichtlinie.
34
Die Mitgliedsländer werden darin verpflichtet, Wettbe-
werb durch Öffnung ihrer Strommärkte zu ermöglichen, d.h. institutionelle
Marktzutrittsschranken abzubauen, sowie den so entstehenden Wettbewerb zu
sichern. Die Gewährleistung der Versorgungssicherheit wird dabei als notwendige
Nebenbedingung der Marktöffnung unterstrichen.
35
Mit dieser Richtlinie folgt die EU dem weltweiten Trend der Liberalisierung von
Strommärkten. So sind die Liberalisierungsbestrebungen in den USA, Australien,
Neuseeland und anderen Ländern teilweise weit fortgeschritten. Grund für die
europäischen Bemühungen in dieser Richtung, die nicht nur den Markt für Elekt-
rizität betreffen, ist die Annahme, dass Märkte eine effizientere Zuteilung von
Ressourcen und damit eine Senkung der Preise ermöglichen.
In den ursprünglich für Märkte mit Netzwerkcharakter
36
geschaffenen öffentli-
chen Monopolen wurden Netzbetreiber und dienstleister zusammengefasst. Prin-
zip der heutigen Deregulierung ist aber das Prinzip der Trennung von Netz und
Leistung.
37
Wie in Kapitel 2.1.1 erläutert, handelt es sich beim Stromnetz um ein
31
Vgl. Brand, E., Handlungsmöglichkeiten der EG 2002, S. 255.
32
Vgl. Fuchs, C., Verwirklichung 1999, S.53.
33
Europäische Kommission, Vorschlag für Richtlinie zur Versorgungssicherheit 2003, S. 2.
34
Richtlinie 96/92/EG.
35
Vgl. Böhnel, G., Wettbewerbsbegründende Durchleitungen 2001, S. 27 ff.
36
Dazu zählen u.a. die Märkte für Elektrizität, Gas und Telekommunikation.
37
Vgl. Bessau, D, Klumpp, M., Zukunft der Energiemärkte 2002, S. 21 ff.
11
natürliches Monopol, das staatlicher Intervention bedarf, während die vor- und
nachgelagerten Bereiche für den Wettbewerb geeignet sind.
Ein diskriminierungsfreier Netzzugang ist zentrale Voraussetzung für einen funk-
tionierenden Wettbewerb in den übrigen Bereichen. Wichtiger Bestandteil der
Richtlinie ist daher die Regelung des Netzzugangs. Das Netz soll Dritten, also
Erzeugern, Verbrauchern und Stromhändlern nach objektiven, transparenten und
nicht diskriminierenden Kriterien zugänglich gemacht werden.
38
Zur Umsetzung
dieses Ziels konnten Mitgliedstaaten zwischen verschiedenen Modellen wählen:
Verhandelter bzw. geregelter Netzzugang oder das Alleinabnehmermodell.
39
Beim
verhandelten Netzzugang schließen Kunden und die von ihnen gewählten Liefe-
ranten mit den Netzbetreibern Verträge über die Netznutzung ab. Die Verhand-
lung mit dem Netzbetreiber weicht beim geregelten Netzzugang einem allgemei-
nen Tarif.
40
Im Alleinabnehmermodell bleibt der Gebietsversorger formal für die
Versorgung der Kunden zuständig und muss im Falle eines Versorgerwechsels
des Kunden als Zwischenhändler eintreten, wobei ihm nur die Vergütung der
Netznutzung zusteht.
41
Im Rahmen des Unbundling sollen die vertikal integrierten Elektrizitätsversor-
gungsunternehmen entflechtet werden. Die Trennung der Transport- von den Er-
zeugungs- und Handelsaktivitäten soll Diskriminierungen, Quersubventionen und
Wettbewerbsverzerrungen vermeiden. Ohne eine solche Regelung besteht die Ge-
fahr eines Interessenkonfliktes des Netzbetreibers mit der Folge, dass er Konkur-
renten den Netzzugang erschweren könnte. Die Trennung des Bereichs der Über-
tragung und Verteilung von den vor- und nachgelagerten Unternehmensbereichen
ist deshalb ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum freien Netzzugang.
Durch diese Maßnahmen verliert das nun für alle verfügbare Netz seine strategi-
sche Bedeutung für den Wettbewerb, obwohl es weiterhin seinen Monopolcharak-
ter behält.
42
Der Erfolg der Regelungen und die weitere Entwicklung des Marktes
38
Siehe Art. 16 Richtlinie 96/92/EG.
39
Siehe Art. 17, 18 Richtlinie 96/92/EG.
40
Vgl. Bier, C., Zugang zum Stromnetz 2002, S. 19.
41
Vgl. Fritz, W., König, S., Der liberalisierte Strommarkt 2000, S. 8.
42
Vgl. Haubrich, H., Liberalisierte Energiemärkte 2001, S. 116 f.
12
sind in hohem Maße davon abhängig, wie die Netznutzungsentgelte bestimmt
werden
43
.
In Deutschland begann die Umsetzung der Richtlinie im Jahr 1998 mit der Re-
form des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG). Im Unterschied zu den übrigen
Mitgliedsländern wurde ursprünglich keine Regulierungsbehörde mit der Aufgabe
der Überwachung des freien Netzzugangs betraut. Stattdessen wurde grundsätz-
lich das Modell des verhandelten Netzzugangs gewählt. Im Rahmen der Verbän-
devereinbarungen werden der Netzzugang und die Bestimmung der Netznut-
zungsentgelte geregelt. Deren hohes Niveau
44
und eine Reihe von Problemen
beim Netzzugang haben die Einführung einer Regulierungsbehörde auch in
Deutschland
45
zur Folge, die in diesem Jahr (2005) ihre Arbeit aufnehmen soll.
Die Verpflichtung aller Mitgliedstaaten zur Einrichtung einer Regulierungsbehör-
de sowie weitergehende Vorschriften zur vertikalen Entflechtung sind die zentra-
len Bestandteile der im Juni 2003 verabschiedeten EU-Beschleunigungsrichtlinie
zur Realisierung des gemeinsamen Binnenmarkts.
46
Die Umsetzung der Richtlinie
in Deutschland erfolgt durch eine erneute Novellierung des EnWG. Vor allem die
erweiterten Regelungen zum Unbundling sind eine wichtige Voraussetzung für
funktionierenden Wettbewerb und Versorgungssicherheit. Die bis dahin nur
buchhalterisch getrennten Unternehmensteile sind nun auch organisatorisch und
gesellschaftsrechtlich zu trennen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die
Einnahmen aus Netzdienstleistungen auch den Netzen zugute kommen und nicht
in andere Unternehmensbereiche fließen.
Neben der Vielzahl neuer gesetzlicher Regelungen sind auch verschiedene pri-
vatwirtschaftliche Regelwerke zu beachten: In Deutschland legt z.B. der Grid Co-
de 2000 technische und organisatorische Regeln für die Übertragungsnetzbetrei-
ber fest.
47
43
Siehe Kap. 5.4, S. 52.
44
Vgl. Haupt, U., Pfaffenberger, W., Wettbewerb 2001, S. 124.
45
Aus der RegTP wird die REGTP (Regulierungsbehörde für Energie, Gas, Telekommunikation
und Postdienstleistungen).
46
Richtlinie 2003/54/EG.
47
Vgl. VDE [Hrsg.], Stromversorgung im Spannungsfeld 2001.
13
In den einzelnen Mitgliedsländern schreitet die Liberalisierung voran; die Folge
sind erhöhter Wettbewerbsdruck und verbesserte Effizienz. Die großen Unter-
schiede in der Ausgangsposition und in der Umsetzung der EU-Vorgaben führen
aber zu einem gemischten Gesamtbild. Heute sind die nationalen Märkte mehr
oder weniger stark liberalisiert, ergeben aber noch keinen wirklich integrierten
Binnenmarkt. Die weitere Entwicklung auf dem Weg dahin hängt auch davon ab,
ob es gelingt, eine einheitliche Regulierungspraxis durchzusetzen.
48
48
Vgl. Haupt, U., Pfaffenberger, W., Wettbewerb 2001, S. 136.
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Originalausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2005
- ISBN (eBook)
- 9783832495053
- ISBN (Paperback)
- 9783838695051
- DOI
- 10.3239/9783832495053
- Dateigröße
- 807 KB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Universität Münster – Wirtschaftswissenschaften
- Erscheinungsdatum
- 2006 (April)
- Note
- 2,3
- Schlagworte
- regulierung bundesnetzagentur binnenmarkt elektrizität energie
- Produktsicherheit
- Diplom.de