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Der Lebensborn

Eine Darstellung der Aktivitäten des Lebensborn e.V. im Kontext der nationalsozialistischen Rassenideologie

©2005 Magisterarbeit 86 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Einleitung:
Die Ideologie der Nationalsozialisten war gekennzeichnet von einem Dogma der arischen Rasse, das sich einerseits in der Ermordung von Millionen zu Minderwertigen deklarierten Menschen widerspiegelte, andererseits die Vermehrung und den Schutz der wertvollen arischen Rasse propagierte. Der Lebensborn e.V. war ein Instrument der nationalsozialistischen Rassenpolitik, das im Rahmen dieser Doktrin eine geheimnisvolle Rolle während des Zweiten Weltkrieges annahm. Vom Bestehen des Vereins wurde die Öffentlichkeit erst durch die Nürnberger Prozesse informiert.
Das sogenannte Rasse- und Siedlungshauptamtverfahren, das am 20. Oktober 1947 eröffnet wurde, klagte vier führende Personen des Lebensborn e.V. unter anderem wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit an. In der Anklageschrift wird der Zweck des Vereins – die feindlichen Nationen zu schwächen und zugleich die Bevölkerung Deutschlands zu vergrößern – genannt. Heinrich Himmler, unter dessen Führung der Verein stand, hatte die Gründung des Vereins mit dem Schutz der ledigen Mutter und ihrem Kind vor Denunziationen durch die Gesellschaft begründet.
Merkwürdigerweise übernahmen die Richter Himmlers Auslegungen und sprachen den Verein nicht nur von der Beteiligung an Verbrechen frei, sondern bestätigten seinen karitativen Zweck. Im Zuge dieses Urteils begannen sich die Gerüchte um den Lebensborn zu mehren. Bis heute kreist das Thema Lebensborn zwischen Interpretationen als eine Zuchtanstalt bis hin zum SS-Freudenhaus. Vor allem der von den Nürnberger Richtern anerkannte, aber zweifelhafte karitative Zweck des Vereins findet immer noch Gehör.
In der Forschung wurde dieses Thema bisher nur in geringem Umfang bearbeitet. Da sich die Literatur zum Lebensborn neben wenigen wissenschaftlichen Arbeiten in kleineren Aufsätzen oder Romanen erschöpft, kann diese Arbeit nur versuchen, dem Thema Lebensborn schärfere Konturen zu geben und klar herauszustellen, welche Ziele der Verein tatsächlich verfolgte.
Dazu müssen alle Facetten des Vereins beleuchtet werden. Anhand dieser Ergebnisse kann dann eine Einschätzung der Legenden um den Lebensborn erfolgen. Damit wird es letztendlich möglich sein, den Lebensborn als ein Instrument der nationalsozialistischen Rassenpolitik herauszustellen.
Gang der Untersuchung:
Um den Lebensborn mit schärferen Konturen darzustellen, müssen zunächst einmal die Grundlagen und damit die Ideologie der Nationalsozialisten herausgearbeitet werden, aus der die […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 9459
Sandke, Claudia: Der Lebensborn -
Eine Darstellung der Aktivitäten des Lebensborn e.V. im Kontext der
nationalsozialistischen Rassenideologie
Druck Diplomica GmbH, Hamburg, 2006
Zugl.: Universität Leipzig, Magisterarbeit, 2005
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2006
Printed in Germany



Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
3
1.1 Fragestellung
3
1.2 Aufbau der Arbeit
4
1.3 Quellen
5
1.4 Forschungsstand
6
2. Grundlagen
10
2.1 Rassenideologien
10
2.1.1 Die Eugenik
10
2.1.2 Der nordische Gedanke
12
2.2 Nationalsozialistische Rassenpolitik
17
2.2.1 Die Rassenideologie Hitlers
17
2.2.2 Die Legalisierung der NS-Rassenpolitik
17
2.2.3 Das Verhältnis zwischen Hitler und Himmler
19
2.2.4 Die Rassenideologie Himmlers
20
2.3 Bevölkerungspolitik im Nationalsozialismus
22
2.4 Zusammenfassung
26
3. Der Lebensborn e.V. in Deutschland
28
3.1 Die Gründung des Lebensborn e.V.
29
3.2 Die Entstehung der Entbindungs- und Kinderheime
30
3.3 Die Satzung und deren Auslegung
32
3.4 Die Heimaufnahme
34
3.4.1 Auslesekriterien
34
3.4.2 Finanzierung des Lebensborn
36
3.5 Rituale
37
3.6 Das Lebensborn-Heim ,,Sonnenwiese" in Kohren-Sahlis
39
3.7 Das Ende des Lebensborn in Deutschland
41
3.8 Zusammenfassung
44
i

ii
4. Die Ausdehnung des Lebensborn e.V. auf die europäischen
Nachbarstaaten
45
4.1 Länder mit Widerstand
45
4.2 Norwegen
46
4.3 Polen
52
4.4 Slowenien
54
4.5 Tschechien
55
4.6 Das Ende des Lebensborn im Ausland
56
4.7 Zusammenfassung
57
5. Diskussion
59
5.1 Ein karitativer Verein?
59
5.2 Eine Zuchtanstalt?
62
5.3 Lebensborn ­ eine neue Definition?
66
5.4 Zusammenfassung
68
6. Zusammenfassung
70
Anhang
Literaturverzeichnis
iii
Quellenverzeichnis
ix
Abkürzungsverzeichnis
x

1. Einleitung
1.1 Fragestellung
Die Ideologie der Nationalsozialisten war gekennzeichnet von einem Dogma der ari-
schen Rasse, das sich einerseits in der Ermordung von Millionen zu Minderwertigen
deklarierten Menschen widerspiegelte, andererseits die Vermehrung und den Schutz
der wertvollen arischen Rasse propagierte. Der Lebensborn e.V. war ein Instrument
der nationalsozialistischen Rassenpolitik, das im Rahmen dieser Doktrin eine ge-
heimnisvolle Rolle während des Zweiten Weltkrieges annahm. Vom Bestehen des
Vereins wurde die Öffentlichkeit erst durch die Nürnberger Prozesse informiert. Das
sogenannte Rasse- und Siedlungshauptamtverfahren, das am 20. Oktober 1947 eröff-
net wurde, klagte vier führende Personen des Lebensborn e.V. unter anderem wegen
Verbrechen gegen die Menschlichkeit an. In der Anklageschrift wird der Zweck des
Vereins ­ die feindlichen Nationen zu schwächen und zugleich die Bevölkerung
Deutschlands zu vergrößern ­ genannt.
1
Heinrich Himmler, unter dessen Führung der
Verein stand, hatte die Gründung des Vereins mit dem Schutz der ledigen Mutter und
ihrem Kind vor Denunziationen durch die Gesellschaft begründet.
2
Merkwürdiger-
weise übernahmen die Richter Himmlers Auslegungen und sprachen den Verein
nicht nur von der Beteiligung an Verbrechen frei, sondern bestätigten seinen karitati-
ven Zweck.
3
Im Zuge dieses Urteils begannen sich die Gerüchte um den Lebensborn
zu mehren. Bis heute kreist das Thema Lebensborn zwischen Interpretationen als ei-
ne Zuchtanstalt bis hin zum SS-Freudenhaus. Vor allem der von den Nürnberger
Richtern anerkannte, aber zweifelhafte karitative Zweck des Vereins findet immer
noch Gehör.
In der Forschung wurde dieses Thema bisher nur in geringem Umfang bearbeitet. Da
sich die Literatur zum Lebensborn neben wenigen wissenschaftlichen Arbeiten in
1
Vgl. Clay / Leapman 1997, S. 221
2
Vgl. Lilienthal 1985, S. 2. Aufgrund der Aktualität wurde sowohl die 1. (1985) als auch die
2. Auflage (2003) von Georg Lilienthal benutzt und wird entsprechend bei Zitation mit den jewei-
ligen Jahreszahlen unterschieden.
3
Vgl. Lilienthal 1985, S. 2
3

kleineren Aufsätzen oder Romanen erschöpft, kann diese Arbeit nur versuchen, dem
Thema Lebensborn schärfere Konturen zu geben und klar herauszustellen, welche
Ziele der Verein tatsächlich verfolgte. Dazu müssen alle Facetten des Vereins be-
leuchtet werden. Anhand dieser Ergebnisse kann dann eine Einschätzung der Legen-
den um den Lebensborn erfolgen. Damit wird es letztendlich möglich sein, den Le-
bensborn als ein Instrument der nationalsozialistischen Rassenpolitik herauszustel-
len.
1.2 Aufbau der Arbeit
Um den Lebensborn mit schärferen Konturen darzustellen, müssen zunächst einmal
die Grundlagen und damit die Ideologie der Nationalsozialisten herausgearbeitet
werden, aus der die Idee des Lebensborn entstand. Daher wird im zweiten Kapitel
zunächst das Aufkommen der Rassenideologien erklärt, die Einzug in die nationalso-
zialistische Weltanschauung hielten. Um aufzuzeigen, inwieweit die Nationalsoziali-
sten diese Ideologie in Deutschland umsetzten, folgt die Darstellung der Gesetzge-
bung, mit der deutlich wird, inwieweit die diskriminierenden Denkweisen legalisiert
wurden. Doch der Lebensborn entstand nicht nur im Rahmen der Legislative, son-
dern muss auch im Kontext der exekutiv betriebenen Bevölkerungspolitik gesehen
werden. Daher wird eine Betrachtung der nationalsozialistischen Bevölkerungspoli-
tik, in deren Mittelpunkt die Propaganda für die Geburtenmehrung und damit eine
Veränderung der gesellschaftlichen Stellung der ledigen Mutter trat, folgen. Erst
durch diese Grundlagen kann die Entstehung des Lebensborn nachvollzogen werden.
Das dritte Kapitel widmet sich daher mit deskriptivem Charakter der ausführli-
chen Darstellung des Lebensborn in Deutschland. Dabei werden auch die Ziele und
Aufgaben des Lebensborn deutlich, die im Rahmen der im zweiten Kapitel darge-
stellten Bevölkerungspolitik gestellt wurden. Um die dargestellten Fakten speziell
auf eine Einrichtung des Lebensborn zu projizieren, folgt in kurzer Ausführung die
Geschichte des Kinderheims ,,Sonnenwiese" in Kohren-Sahlis, anhand derer das En-
de des Lebensborn in der Arbeit eingeleitet wird.
Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit der Tätigkeit des Lebensborn außerhalb
Deutschlands. Hier tritt insbesondere Norwegen hervor, da der Verein hier außerhalb
4

Deutschlands den größten Erfolg mit der Errichtung zahlreicher Heime verbuchen
konnte. Demgegenüber stehen die Kinderverschleppungen des Lebensborn in Polen,
Slowenien und Tschechien, die den Höhepunkt der rücksichtslosen Vorgehensweise
des Vereins darstellen. Am Schluss des Kapitels wird das Ende des Lebensborn im
europäischen Ausland dargestellt. Daraus wird ersichtlich, inwieweit das Thema
noch heute Aktualität besitzt.
Das sich anschließende fünfte Kapitel ist ganz der Klärung der Gerüchte um den
Lebensborn gewidmet. Anhand der vorhergehenden Darstellung der in- und auslän-
dischen Tätigkeiten des Vereins ist es möglich, zu verstehen, wie diese Gerüchte ent-
stehen konnten. In einer Diskussion werden die Legenden des Lebensborn vorgestellt
und mit einer stichhaltigen Argumentation widerlegt. Dabei soll auch eine eigene
Charakterisierung des Vereins gefunden werden. Im letzten Teil der Arbeit folgt eine
Gesamtzusammenfassung.
1.3 Quellen
Um dem Thema Lebensborn schärfere Konturen zu geben, war es notwendig, eigene
Recherchen in den jeweiligen Archiven vorzunehmen. Das Bundesarchiv in Berlin-
Lichterfelde bietet den umfangreichsten Bestand mit Lebensborn-Akten. In der Bi-
bliothek des Archivs existieren sogar noch die Originalsatzungen des Vereins.
Daneben bot das Staatsarchiv in Leipzig Informationen zum Lebensborn-Heim in
Kohren-Sahlis. Mit Hilfe dieser Quellen war es möglich, eine umfassende Darstel-
lung des Lebensborn abzubilden. Wichtige Schriftstücke werden daher zum Teil aus-
führlich zitiert, um die ein oder andere Vorgehensweise des Vereins begründen zu
können. Daneben wurden auch die bisher veröffentlichten Untersuchungen zu Rate
gezogen, insbesondere die Bücher von Georg Lilienthal und Kåre Olsen, da sie den
Lebensborn als nationalsozialistischen Verein thematisieren und nicht die Schicksale
der Kinder in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen stellen. Die unzureichende For-
schungslage liegt unter anderem. auch darin begründet, dass mit dem Einmarsch der
Alliierten ein großer Teil der Akten durch die Mitarbeiter des Lebensborn verbrannt
wurde. Dennoch befinden sich in den Stadt- und Kreisarchiven, in deren Umgebung
ein Lebensborn-Heim existierte, durchaus einige Akten. Zum Schutz der betroffenen
5

Kinder und wahrscheinlich auch, um diesen Teil der deutschen Geschichte zu ver-
bergen, wird der Zutritt durch die Archivare zunächst verweigert. Ein Teil der Heime
wurde daher noch nicht historisch aufgearbeitet, aber auch die Verschleppungsaktio-
nen ausländischer Kinder sind bisher unzureichend erforscht. Mit dem Aufkommen
neuer Gerüchte über die Entwicklung der Lebensborn-Kinder werden Untersuchun-
gen notwendig, die aufzeigen, welche expliziten Auswirkungen die Heimaufenthalte
auf die Kinder hatten. Mit dem Schicksal der noch heute lebenden Lebensborn-
Kinder bleibt dieses Thema nach wie vor aktuell und sollte nicht in Vergessenheit
geraten.
1.4 Forschungsstand
Dem Thema Lebensborn haben sich bisher nur wenige wissenschaftliche Arbeiten
gewidmet. Der Grund dafür ist in der heute noch ambivalent diskutierten Problema-
tik der deutschen Opferrolle im Nationalsozialismus zu suchen. Das legendenumwo-
bene Thema Lebensborn war lange Zeit ein Tabu in der deutschen Gesellschaft und
scheint es zum Teil auch heute noch.
Wissenschaftliche Auseinandersetzungen zum Lebensborn existieren nur in ge-
ringem Umfang. Um überhaupt einen Forschungsstand zu präsentieren, werden daher
neben belletristischer Literatur ebenso relevante Fernsehbeiträge, Filme und Artikel,
die sich mit dem Thema auseinandersetzen, Erwähnung finden.
In einer Dissertation über die SS, die 1955 an der Universität Marburg vorgelegt
wurde, wird der Lebensborn erstmals in einer wissenschaftlichen Arbeit erwähnt.
4
Der erste Roman, der sich mit dem Lebensborn auseinander setzte, erschien 1958 in
der Illustrierten Revue. Als Artikelserie von Will Berthold verfasst, wurde die Film-
industrie auf das Thema aufmerksam.
5
Daraufhin produzierte Arthur Brauner einen
Film mit dem Titel ,,Lebensborn", der in den Kinos 1961 die Sensationsgier der Zu-
schauer mit seinem ,,kitschig-romantischen" Inhalt erfüllte.
6
Währenddessen wird der
Lebensborn als Zeugungsorganisation in einer Forschungsarbeit über Heinrich
4
Neusüss-Hunkel 1955
5
Berthold 1958
6
Vgl. Lilienthal 1985, S. 1
6

Himmler erwähnt.
7
1965 erscheint unter dem Titel ,,Die Schande" ein weiterer Tat-
sachenroman.
8
Josef Ackermann publizierte schließlich im Rahmen seiner Untersu-
chungen zu Heinrich Himmler eine erste kurze Abhandlung über die Motive des
Vereins.
9
1975 sendete unter dem noch heute oft mit dem Thema Lebensborn in Verbin-
dung gebrachten Titel: ,,... Dem Führer ein Kind schenken" das Fernsehen einen
Beitrag, der sich erstmals durch eine objektive Herangehensweise auszeichnete.
10
Hierbei handelte es sich um einen Beitrag der beiden französischen Journalisten
Marc Hillel und Clarissa Henry, die gleichzeitig mit der Veröffentlichung ihres Bu-
ches ihre Recherchen vorstellten.
11
Ihnen gelang es, drei der Hauptakteure des Le-
bensborn ­ Inge Viermetz, Max Sollmann und Gregor Ebner ausfindig zu machen,
jedoch erhielten sie dadurch keine neuen aufschlussreichen Details über das Aufga-
bengebiet des Lebensborn. Die drei beriefen sich immer wieder auf das Urteil des
Nürnberger Gerichtshofs, der den Lebensborn als karitative Einrichtung eingeschätzt
hatte. Dennoch konnten die beiden Reporter eine erste umfangreiche Darstellung der
Organisation des Vereins liefern. Sie waren auch die Ersten, die sich den Verschlep-
pungs- und Eindeutschungsaktionen des Lebensborn widmeten und das Ausmaß der
Aktivitäten des Vereins im europäischen Ausland erkennen ließen. Dennoch gelang-
ten auch sie durch Aussagen von Zeitzeugen aus zweiter Hand zu dem nie bewiese-
nen Schluss, der Lebensborn sei eine Zuchtanstalt in dem Sinne gewesen, dass aus-
gesuchte Frauen und Männer zur rassischen Aufzucht verkuppelt wurden. Damit
reiht sich ihre Darstellung in das Ergebnis vorheriger Sensationspublikationen ein.
Georg Lilienthal ordnete 1985 mit dem Buch ,,Der Lebensborn e.V. Ein Instrument
nationalsozialistischer Rassenpolitik" den Verein erstmals in die nationalsozialisti-
sche Bevölkerungspolitik ein.
12
Durch umfangreiche Archivarbeit und eine Einglie-
derung des Vereins in einen politischen und gesellschaftlichen Kontext ist es ihm ge-
lungen, die rassenpolitischen Absichten des Vereins nachzuweisen. Seine Arbeit
7
Besgen 1960
8
Voelkner 1965
9
Ackermann 1970, S. 126ff.
10
Vgl. Lilienthal 1985, S. 1
11
Hillel / Henry 1975
12
Lilienthal 1985
7

stützt sich auf die Lebensborn-Akten des Internationalen Suchdienstes in Arolsen,
des Bundesarchivs in Koblenz, des Berliner Document Centers und des Archivs des
Auswärtigen Amtes. Mit der Auswertung dieser Fakten war er der Erste, der die Or-
ganisation, die Funktion und die Stellung des Vereins in der nationalsozialistischen
Rassenpolitik schilderte. Damit entkräftete er die Annahme der Nürnberger Richter,
die dem Verein einen karitativen Charakter zusprachen. Georg Lilienthal bewies die
im Verein betriebene züchterische Auslese und konnte die zahlreichen Interpretatio-
nen des Lebensborn als Ort organisierter Zeugungen widerlegen.
In der Folge stellen die Untersuchungen die Betroffenen in den Mittelpunkt: die
Lebensborn-Kinder. Die norwegische Journalistin Veslemøy Kjendsli begleitet in
,,Kinder der Schande. ,Ein Lebensborn-Mädchen' auf der Suche nach ihrer Vergan-
genheit", erschienen 1988, die 43-jährige Turid, die versucht, ihre ersten sechs Le-
bensjahre aufzudecken.
Zunehmend beginnt sich auch das Deutsche Fernsehen mit diesem Thema ausein-
ander zusetzen. Durch die Aufarbeitung der ersten Lebensjahre der Lebensborn-
Kinder wird nun ein neues Lebensborn-Bild sichtbar. Aufgrund des Heimaufenthal-
tes der Kinder werden Rückschlüsse auf die psychischen Folgen gezogen. Tragische
Familienschicksale werden mit den Heimerfahrungen und den daraus vermuteten re-
sultierenden Bindungs- und Verlustängsten in Zusammenhang gebracht.
13
Dennoch
sind wissenschaftliche Aussagen über mögliche Folgen absolut indiskutabel, da die
empirische Grundlage, eine Erforschung der Lebensläufe der Lebensborn-Kinder,
fehlt. Die wenigen biographischen Darstellungen sind für eine derartige Untersu-
chung unzureichend.
1994 erscheint der Roman ,,Die schöne Frau", in dem Judith Kuckart Spuren des
Lebensborn in der übernächsten Generation sucht. Im Zentrum ihrer Ausführungen
steht daher eine Lebensborn-Enkelin. 1995 erschien unter dem Titel ,,Herrenmen-
schen. Das Lebensborn-Experiment der Nazis" eine Untersuchung von Catrine Clay
und Michael Leapman, die sich auf die Einzelschicksale Betroffener zugunsten der
Dramatik konzentrieren.
14
Dorothee Schmitz-Köster wendet sich in ,,Deutsche Mut-
13
Christiane Ehrhardt. ,,Ruhelos. Kinder aus dem Lebensborn", Dokumentarfilm. Erstausstrahlung
29.01.1994, arte.
14
Clay / Leapman 1997
8

9
ter bist du bereit ..." der Kontradiktion von Opfern und Tätern, die die Frauen, die
ihre Kinder in den Heimen zur Welt brachten, personifizieren, zu.
15
Dabei deckt sie
weitere Einzelheiten bezüglich der Abläufe des Entbindungsheimes im Heim ,,Fries-
land" bei Bremen auf. Georg Lilienthal und Michaela Pohl dokumentierten in einem
Aufsatz die Vorgänge im Lebensborn-Heim ,,Taunus".
16
Insgesamt fehlen noch Un-
tersuchungen zu einer Mehrzahl der Heime.
Der Norweger Kåre Olsen schildert 1998 erstmals ausführlich die Tätigkeit des
Lebensborn in Norwegen.
17
Als Archivar des norwegischen Reichsarchivs in Oslo
bearbeitete er 1987 bis 1995 die Anfragen norwegischer Lebensborn-Kinder, die auf
der Suche nach Informationen über ihre Kindheit waren. Aufgrund seiner Kenntnisse
aus den Beständen des Archivs prognostiziert er neue Angaben über die Anzahl der
norwegischen Kinder. Georg Lilienthal klassifizierte die Heime in Entbindungs- und
Kinderheime, während Kåre Olsen eine andere Differenzierung vornimmt und die
Existenz zweier weiterer Heime und einer Mütterschule nachweist. Außerdem pro-
gnostiziert er eine höhere Zahl der in den norwegischen Lebensborn-Heimen gebore-
ner Kinder als Georg Lilienthal. Gisela Heidenreich bildet mit dem 2004 publizierten
Roman ,,Das endlose Jahr" den vorläufigen Schlusspunkt der Betrachtungen zum
Lebensborn.
15
Schmitz-Köster 1997
16
Lilienthal / Pohl 1992
17
Olsen 2004 [1998]

2. Grundlagen
Im folgenden Kapitel sollen zunächst die Ausgangspunkte der nationalsozialistischen
Rassenideologie erläutert werden. Der Sozialdarwinismus gilt als Ursprung des rassi-
schen Dogmas Adolf Hitlers, in dem der Vernichtung des rassischen Gegners die
Höherzüchtung des eigenen Volkes gegenüber stand. In Anlehnung an die Theorien
Charles Darwins entwickelte sich eine Idee einer zweigeteilten Eugenik, die zum ei-
nen die Vermehrung schlechten Erbguts verhindern sollte und zum anderen für eine
Verbesserung des Erbguts durch züchterische Maßnahmen plädierte. Als eine Maß-
nahme der positiven Eugenik folgt die Aufnordung und die in diesem Zusammen-
hang von Richard Darré entwickelte Blut-und-Boden-Theorie. Aus Angst vor dem
möglichen Aussterben und dem damit verbunden Untergang der nordischen Rasse,
entwickelte Willibald Hentschel ein Programm, das einen Ausweg aus dieser Situati-
on bot. Dieses Programm soll auch aus diesem Grund hier vorgestellt werden, weil es
immer wieder im Zusammenhang mit dem Lebensborn e.V. genannt wird und zum
Teil auch als dessen Vorläufer interpretiert wird.
18
Aufbauend auf den rassentheoreti-
schen Ausführungen folgt deren Umsetzung in der Gesetzgebung der nationalsoziali-
stischen Rassenpolitik. Im dritten Teil des Kapitels folgt die Darstellung der natio-
nalsozialistischen Bevölkerungspolitik, durch deren Propaganda die Gründung des
Lebensborn eine logische Konsequenz sein musste.
2.1 Rassenideologien
2.1.1 Die Eugenik
Charles Darwin (1809-1882) entwickelte die Selektionstheorie für den Bereich der
Tiere und stellte in seinem Werk ,,Die Entstehung der Arten durch natürliche Zucht-
auswahl oder die Erhaltung der begünstigten Rasse im Kampf"
19
die Theorie auf,
dass in der Tierwelt jeweils die stärkste Tierart überlebe und die Schwächere unter-
18
Vgl. Ackermann 1970
19
Vgl. Darwin 1996 [1859]
10

liege. Diese für das Tierreich durchaus zutreffende Lehre wurde später in unzulässi-
ger Gleichsetzung auf die menschliche Gesellschaft übertragen und als Sozialdarwi-
nismus bezeichnet, aus dem sich um die Jahrhundertwende rassenhygienische Über-
legungen ableiteten.
Im Rahmen dieser Überlegungen konstruierte Francis Galton (1822-1911) das
Konzept der Eugenik ­ der Wissenschaft vom guten Erbe ­ mit dem Ziel der Ent-
wicklung gesunder Erbanlagen zur genetischen Verbesserung der eigenen Rasse. Er
begann in den 1860er Jahren, die Vererbung intellektueller Fähigkeiten des Men-
schen zu untersuchen und glaubte, anhand einer selbst durchgeführten Studie die
Erblichkeit geistiger Fähigkeiten und körperlicher Eigenschaften nachweisen zu
können.
20
In der Praxis sollten die Menschen durch geschickte Ausnutzung der Ge-
setzmäßigkeiten der natürlichen Auslese die Kontrolle über ihre eigene Evolution er-
halten. Für diese Vorschläge verwendete er 1883 erstmals den Begriff Eugenik.
21
Francis Galton galt mit der Zielsetzung der Verbesserung des Erbgutes durch züchte-
rische Maßnahmen als ein Vertreter der positiven Eugenik.
In Deutschland erschien 1891 mit der Broschüre ,,Über die drohende körperliche
Entartung der Kulturmenschheit" von Wilhelm Schallmayer (1857-1919) die erste
einschlägige Publikation mit eugenischen Gedanken. Schallmayer stellte die Reduk-
tion der Nachkommenschaft von Personen mit ,,schlechten" Erbanlagen, insbesonde-
re die körperliche Entartung, in den Mittelpunkt seiner Lehre und vertrat damit die
negative Eugenik.
22
Negativ bedeutete ergo ,,die Beseitigung schlechten Erbguts aus
dem Genpool einer Bevölkerung zugunsten zukünftiger Generationen"
23
. Demge-
genüber steht die o.g. positive Eugenik, die eine gezielte Förderung der Geburtenrate
von Erbgesunden anstrebt. Sie zielt dabei auf Werte wie höhere Intelligenz, bessere
körperliche Konstitution, Schönheit und rassische Reinheit ab.
1895 publizierte Alfred Ploetz (1860-1940) das Buch ,,Die Tüchtigkeit unserer
Rasse und der Schutz der Schwachen"
24
. Hierin machte er deutlich, dass Schwächen
20
Vgl. Weingart / Kroll / Bayertz 1988, S. 36
21
Vgl. ebd., S. 37
22
Vgl. ebd., S. 40
23
Ebd., S. 16
24
Ploetz 1895
11

12
und Krankheiten durch die angeborenen Anlagen in Erscheinung treten können.
25
Mittels einer Therapie, so seine Ansicht, könne der Niedergang der Menschheit, der
durch die schlechten Erbanlagen ausgelöst wird, abgewendet werden und die Tüch-
tigkeit der Rasse beibehalten werden.
26
Für die praktischen Maßnahmen ­ eine auf
den menschlichen Fortpflanzungsprozess bezogene Hygiene ­ führte er den Begriff
der Rassenhygiene ein.
27
In seiner rassenhygienischen Utopie entwarf er eine Gesell-
schaft, der er das Recht zur Tötung ,,minderwertiger" Neugeborener und die Einfüh-
rung einer Zeugungserlaubnis für erbtüchtige Personen zusprach.
28
Die Rassenhygie-
ne strebte nicht eine Aufnordung, wie im folgenden Abschnitt dargelegt, sondern die
Aufartung, d.h. die Ausmerzung krankhafter und minderwertiger und die Mehrung
gesunder und hochwertiger Erbanlagen, ohne Betrachtung der Rassenzugehörigkeit
an.
2.1.2 Der nordische Gedanke
Nach dem Ersten Weltkrieg verbreitete sich das sogenannte nordische Werturteil in
der Schicht des deutschen Bildungsbürgertums. Einer der Initiatoren der Diskussion
war der o.g. Eugeniker Wilhelm Schallmayer. Er konstatierte die Begünstigung der
nordischen Rasse vor anderen Rasseelementen des deutschen Volkes und war er-
staunt über die starke Verbreitung dieser Ansicht bei seinen Kollegen.
29
Zu dieser Ansicht kamen die pessimistischen Vorhersagen von Joseph Artur Com-
te de Gobineau (1816-1882) hinzu, die den völkischen Rassendiskurs beherrschten.
Arthur de Gobineau gliederte die Menschheit in eine charakteristische anthropologi-
sche Hierarchie, wobei die ,,weiße Rasse [Arier, Anm. d. Verf.] ...durch Blutsbeiga-
be zu den anderen Rassen die Welt- und Kulturgeschichte zu Höhepunkten führte,
25
Vgl. zur Mühlen 1977, S. 178.
26
Ebd.
27
Der Terminus ,,Rassenhygiene" wurde zum ersten Mal in der von Alfred Ploetz 1895 veröffent-
lichten Schrift ,,Die Tüchtigkeit unserer Rasse und der Schutz der Schwachen. Ein Versuch über
Rassenhygiene und ihr Verhältnis zu den humanen Ideen, besonders zum Socialismus" eingeführt
und programmatisch erläutert.
28
Vgl. zur Mühlen 1977, S. 178
29
Vgl. Schallmayer 1918, S. 385

13
[dabei] ... immer mehr ihrer kostbaren arischen Essenz... [verliere] ... so dass deren
endgültiges Erlöschen den Weltuntergang heraufbeschwöre."
30
Der Philologe und Lehrer Hans F. Günther (1891-1968) griff die Gedanken Wilhelm
Schallmayers und Arthur de Gobineaus in seinem Buch ,,Rassenkunde" auf und er-
reichte damit eine große Zuhörerschaft.
31
Er unterteilte alle europäischen Völker in
drei typische Rassekomponenten: nordisch, mediterran bzw. westisch und alpin bzw.
ostisch, wobei diese drei Teile im deutschen Volk besonders eng gemischt seien.
32
Der nordischen Rasse wies Hans Günther folgende Merkmale zu: ,,... hochgewach-
sen, langschädlig, schmalgesichtig mit ausgesprochenem Kinn ..."
33
. Außerdem
zeichne sie sich durch weiches, helles Haar, eine schmale Nase mit hoher Nasenwur-
zel, zurückliegenden, hellen Augen und einer rosigweißen Hautfarbe aus.
34
Deutsch-
land bilde, so Hans Günther, eine Hochburg der ,,nordischen Rasse", da es das höch-
ste Quantum an ,,nordischem Blut" berge.
35
In seiner Programmschrift ,,Der Nordi-
sche Gedanke unter den Deutschen"
36
definiert er die Begrifflichkeit des Nordischen
Gedankens als Vorbildlichkeit des nordischen Menschen für die Auslese im Deut-
schen Volk. Hans Günther erkennt aber auch einen Ausweg aus dem von Arthur de
Gobineau prophezeiten Untergang Europas. Durch eine entsprechende Bevölke-
rungspolitik, d.h. durch eine gezielte Förderung und Vermehrung ,,nordischer Ehen",
auch mit dem Begriff der Aufnordung umschrieben, könne dem Aussterben der ,,nor-
dischen Rasse" entgegengewirkt werden.
37
Die Aufnordung wird häufig mit der Auf-
züchtung gleichgesetzt, wobei es sich hier lediglich um eine Rasse handelte, die hö-
hergezüchtet werden sollte ­ die nordische Rasse.
Die Vermehrung der nordischen Rasse, die Hans Günther mit der arischen Rasse
gleichsetzt, konstatiert er, müsse sich jedoch, wenn sie erfolgreich sein wolle, über
30
de Gobineau 1989, S. 1144ff.
31
Günther 2002
32
Vgl. Essner 2002, S. 44
33
Lutzhöft 1971, S. 89
34
Vgl. ebd.
35
Günther 1922
36
Günther 1925, S. 30
37
Vgl. Günther 1926, S. 398

zahlreiche Jahrhunderte erstrecken.
38
Mit seinen zahlreichen Veröffentlichungen übte
er großen Einfluss auf das rassische Denken der Nationalsozialisten aus.
39
Im Zusammenhang mit der Aufnordung muss auch die Blut-und-Boden-Theorie Er-
wähnung finden. Der badische Anthropologe Otto Ammon (1842-1916) war in
Deutschland der Erste, der den Bauernstand als wertvollsten Rassenbestandteil eines
Volkes definierte. In seinen Arbeiten idealisierte er das Bauerntum und förderte ve-
hement die Großstadtfeindschaft. Außerdem vertrat Otto Ammon die Ansicht, dass
durch die zunehmende Verstädterung als Folge der Industrialisierung eine rassische
Selektion zugunsten der slawischen Rasse stattfinden würde. Besonders die Nordi-
schen würden in die Großstädte ziehen und dort aufgrund der herrschenden Wettbe-
werbsbedingungen ihre Kinderzahl einschränken und so relativ schnell aussterben.
40
Einerseits appellierte er, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten, andererseits war er
auch ein Befürworter des sich in der Stadt vollziehenden natürlichen Auslesevor-
gangs.
41
Der Diplomlandwirt Richard Walther Darré, dem später durch Himmler die Lei-
tung des Rasse- und Siedlungsamtes (RuSHA) der SS übertragen wurde, war zum ei-
nen stark von dem Rassenideologen Hans Günther beeinflusst, zum anderen folgte er
den Ansichten Otto Ammons. Richard Darré war Mitglied des Nordischen Bundes
sowie der Artamanen
42
und begründete als Anhänger der Nordischen Idee die Pro-
bleme der Landwirtschaft nicht mit wirtschaftlichen Defiziten, sondern mit der Blut-
beschaffenheit der Bauern. Das Erbrecht der Bauern spielte bei ihm eine entschei-
dende Rolle, da es im Rahmen der körperlichen Auslese eine große Bedeutung hin-
sichtlich der ,,züchterischen Ausmerze" besaß.
43
Eine Kultur auf ihrer Höhe zu
halten, war wiederum nur durch ein dementsprechendes ,,Ausjäten der Minderwerti-
38
Vgl. Günther 1926, S. 398ff.
39
Vgl. Ackermann 1970, S. 110
40
Vgl. Lutzhöft 1971, S. 166
41
Vgl. Mai 2002, S. 47
42
Die Mitgliedschaft Darrés bei den Artamanen ist in der Literatur umstritten. Die Autorin stützt
sich hier u.a. auf die Befürworter: Lutzhöft 1971, S. 53 und Corni 1989, S. 17. Dagegen bestreitet
Mai 2002, S. 41 vehement die Mitgliedschaft Darrés.
43
Der älteste Sohn, als natürlicher Erbe des Vaters, galt generell als der stärkere. Daraus schloss
Darré eine positive natürliche Auslese, wenn auf dieser Basis der Hof vererbt wird.
14

gen" möglich.
44
Der Staat solle die bäuerliche Blutgrundlage durch Siedlungsprojek-
te, Förderung der Geburten und Verhinderung der Abwanderung in die Städte
verbreiten.
45
Die sogenannten Blut- und Boden-Thesen stellten die unlösbare Ver-
bindung der besten Blutslinien des deutschen Volkes mit dem Boden in ihren Mittel-
punkt.
46
Die nordische Rasse schien Richard Darré dabei der beste Blutslieferant zu
sein. Er rückte in seinen Ausführungen die Züchtung der nordischen Rasse durch ein
Ausschalten der rassisch Minderwertigen in den Mittelpunkt. Auf diese Art und Wei-
se sollte die neue Herrenschicht erhalten und gefestigt werden. Aufgrund seiner ras-
sischen Gesinnung konnte Richard Darré 1933 die Führung des Rasse- und Siedlungs-
amts der SS übernehmen, das die Auslesemechanismen definierte, die die SS zum
neuen Adel der germanischen Rasse deklarierten.
47
Die Notwendigkeit der Aufnordung hatte Willibald Hentschel (1858-1947) mit sei-
nem Mittgart-Programm bereits vor dem Ersten Weltkrieg erkannt. Unter dem Be-
griff Mittgart, das im Altnordischen die von Menschen bewohnte Erde bezeichnet,
entwickelte er eine ländliche Zuchtkolonie zum Zweck der Erneuerung der germani-
schen Rasse.
1904 veröffentlichte er die Programmschrift: ,,Mittgart ­ Ein Weg zur Erneuerung
der germanischen Rasse"
48
.
Das sogenannte Mittgart-Programm ,,stand als Chiffre
für die Anlage asketisch-privateigentumsloser ländlicher Genossenschaftssiedlungen,
sogenannter Menschengärten, in denen jeweils etwa eintausend Frauen und einhun-
dert Männer Unterkunft finden sollten, die zuvor einem rassischen Ausleseprozess
44
Vgl. Darré 1930, S. 30
45
Vgl. ebd., S. 56
46
Darré erklärt die Begriffe Blut und Boden als eine organische Einheit. ,,... Der Germane verknüpf-
te den Gedanken seines Geschlechts mit dem Grund und Boden, und zwar, indem er den Grund
und Boden zu einem Teil an der Aufgabe am Geschlecht werden ließ. Man glaubte, dass das Blut
Träger erblicher und heiliger Eigenschaften sei und dass man es von einem göttlichen Ahnherrn
empfangen habe. Dieses Blut rein und unvermischt den Nachkommen zu übermitteln, war Aufga-
be und Ausdruck des germanischen Gottumsbegriffes. Symbolisch gekoppelt war diese Vorstel-
lung an das ewig brennende Herdfeuer. Daraus ergibt sich, dass zum Herdfeuer ein Haus gehör-
te...zu diesem Hause gehörte nun ein bestimmtes Stück Land als Ernährungsunterlage." Darré
1940, S. 20f.
47
Vgl. Corni 1989, S. 16
48
Puschner 2001, S. 189
15

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2005
ISBN (eBook)
9783832494599
ISBN (Paperback)
9783838694597
DOI
10.3239/9783832494599
Dateigröße
1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Leipzig – Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie, Kulturwissenschaften
Erscheinungsdatum
2006 (März)
Note
1,6
Schlagworte
nationalsozialismus eugenik heinrich himmler nazi geschichte
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