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Steuer- und strafrechtliche Verwertungsmöglichkeiten von Informationen der Kreditinstitute über deren Kunden und Mitarbeiter gegenüber den Ermittlungsbehörden

©2005 Diplomarbeit 84 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Problemstellung:
Verstöße gegen gesetzliche Regelungen, insbesondere denen des Steuerrechts, können die Verwertungsmöglichkeiten von erlangten Informationen von Banken durch die Steuerfahndung einschränken oder sogar zu einem Verwertungsverbot führen. Wann eine Verwertung nicht mehr möglich ist, kann ein Laie in der Regel nur schwer erkennen. Die im Steuerrecht niedergeschriebenen Regelungen, vor allem zur Informationsbeschaffung, betreffen gleichsam den einzelnen Steuerpflichtigen und die Kreditinstitute. Wann Informationen der Kreditinstitute über deren Kunden und Mitarbeiter verwertet werden dürfen, hängt von einer Vielzahl von Verfahrensvorschriften ab, die in der Bundesrepublik Deutschland einen großen Umfang angenommen haben.
Um eine Eingrenzung der Thematik zu erreichen, beschränken sich die Ausführungen im Wesentlichen auf natürliche Personen, welche Einkünfte entspr. § 20 Abs. 1 und 2 EStG beziehen. Personen, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 EStG beziehen, werden ansatzweise betrachtet. Die Problematik der Verwertungsmöglichkeiten, und gerade derer im Steuerrecht, sind sehr vielschichtig. Aus diesem Grund kann im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht auf alle Sachverhalte vollumfänglich eingegangen werden. Vielmehr werden – nach Meinung des Verfassers – in der Praxis häufig vorkommende Verwertungsverbote analysiert.
Ziel der Arbeit ist es, als Ergebnis der Analyse von Ermittlungsbefugnissen der Finanzbehörden festzustellen, welche Verwertungsmöglichkeiten bestehen. Die Arbeit stellt dementsprechend keine ausschließliche Betrachtung bestehender Gestaltungsmöglichkeiten dar, sondern soll den Leser über eine Analyse der Grundlagen zur Erlangung von Informationen zu den Verwertungsmöglichkeiten hinführen und den Rahmen dieser aufzeigen.
Über eine Analyse ausgewählter Verwertungsverbote im Steuerrecht sollen Aussagen zu Verwertungsmöglichkeiten erlangter Informationen herausgearbeitet werden. Dabei werden Aspekte betrachtet, die die Informationsweitergabe von Banken, aber auch Ermittlungen im persönlichen Bereich des Steuerpflichtigen betreffen.
Gang der Untersuchung:
Zunächst wird dargestellt und erläutert, wann ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren und wann ein Steuerermittlungsverfahren vorliegt und auf welchen Rechtsgrundlagen diese basieren. Im Weiteren wird die Entwicklung der Abgabenordnung, angefangen vom Dritten Reich bis dato beschrieben. Dabei liegt der Fokus auf den gesetzlichen Normen und […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


1. Einleitung

1.1. Problemstellung

Verstöße gegen gesetzliche Regelungen, insbesondere denen des Steuerrechts, können die Verwertungsmöglichkeiten von erlangten Informationen von Banken durch die Steuerfahndung einschränken oder sogar zu einem Verwertungsverbot führen. Wann eine Verwertung nicht mehr möglich ist, kann ein Laie in der Regel nur schwer erkennen. Die im Steuerrecht niedergeschriebenen Regelungen, vor allem zur Informationsbeschaffung, betreffen gleichsam den einzelnen Steuerpflichtigen und die Kreditinstitute[1]. Wann Informationen der Kreditinstitute über deren Kunden und Mitarbeiter[2] verwertet werden dürfen, hängt von einer Vielzahl von Verfahrensvorschriften ab, die in der Bundesrepublik Deutschland einen großen Umfang angenommen haben.

1.2. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes

Um eine Eingrenzung der Thematik zu erreichen, beschränken sich die Ausführungen im Wesentlichen auf natürliche Personen, welche Einkünfte entspr. § 20 Abs. 1 und 2 EStG beziehen. Personen, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 EStG beziehen, werden ansatzweise betrachtet. Die Problematik der Verwertungsmöglichkeiten, und gerade derer im Steuerrecht, sind sehr vielschichtig. Aus diesem Grund kann im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht auf alle Sachverhalte vollumfänglich eingegangen werden. Vielmehr werden – nach Meinung des Verfassers – in der Praxis häufig vorkommende Verwertungsverbote analysiert.

1.3. Zielsetzung

Ziel der Arbeit ist es, als Ergebnis der Analyse von Ermittlungsbefugnissen der Finanzbehörden festzustellen, welche Verwertungsmöglichkeiten bestehen. Die Arbeit stellt dementsprechend keine ausschließliche Betrachtung bestehender Gestaltungsmöglichkeiten dar, sondern soll den Leser über eine Analyse der Grundlagen zur Erlangung von Informationen zu den Verwertungsmöglichkeiten hinführen und den Rahmen dieser aufzeigen.

Über eine Analyse ausgewählter Verwertungsverbote im Steuerrecht sollen Aussagen zu Verwertungsmöglichkeiten erlangter Informationen herausgearbeitet werden. Dabei werden Aspekte betrachtet, die die Informationsweitergabe von Banken, aber auch Ermittlungen im persönlichen Bereich des Steuerpflichtigen betreffen.

1.4. Methodischer Aufbau der Arbeit

Zunächst wird dargestellt und erläutert, wann ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren und wann ein Steuerermittlungsverfahren vorliegt und auf welchen Rechtsgrundlagen diese basieren. Im Weiteren wird die Entwicklung der Abgabenordnung, angefangen vom Dritten Reich bis dato beschrieben. Dabei liegt der Fokus auf den gesetzlichen Normen und Regelungen, die Grundlagen für Auskunftsersuchen der zuvor genannten Ermittlungsbehörden sind. Am Beispiel der Volksbank Saaletal eG werden die Unterschiede von Auskunftsersuchen gegenüber Kunden und Mitarbeitern herausgearbeitet. Sodann wird mit Hilfe von Statistiken erarbeitet, in welchem Umfang Ermittlungen in der Bundesrepublik Deutschland angestellt wurden und zu welchen Ergebnissen diese führten. Abschließend werden die Grundzüge des automatisierten Abrufs von Kontoinformationen dargestellt.

Dieses Thema wurde vom Verfasser gewählt, weil es für den steuerpflichtigen Bürger der Bundesrepublik Deutschland von wesentlicher Bedeutung ist, ob die erlangten Auskünfte der Behörden im Steuerermittlungs- und Steuerstrafverfahren zum einen überhaupt rechtmäßig erlangt wurden und zum anderen zu seinen Ungunsten verwertet werden können.

2. Die Steuerfahndung

2.1. Begriff der Steuerhinterziehung

"Steuerhinterziehung ist der strafbare Versuch des Steuerzahlers, das staatliche Versprechen der Steuergerechtigkeit auf privater Basis zu realisieren." (Helmut Nahr; deutscher Wirtschaftswissenschaftler)

Der Rechtsanwalt Fritjof Stielow verfasst passend: “Viele denken sich: Ich zahle soviel Steuern, da kann ich schon mal ein bisschen bei der Steuererklärung schummeln. Am beliebtesten sind dabei

- … das Verschweigen von Nebeneinkünften,
- … das Angeben niedrigerer Einkünfte, als tatsächlich erzielt wurden,
- … das Verschweigen von steuerpflichtigen Kapitaleinkünften (Zinsen, Spekulationsgewinne),
- … das Nichtversteuern von laufenden Einnahmen, insbesondere bei Freiberuflern.“[3]

Der Verfasser des zuvor zitierten Artikels beschreibt sehr anschaulich und einfach, in welchen denkbar simplen Fällen bereits eine Steuerhinterziehung vorliegen kann. Dabei geben sich die Finanzämter große Mühe, der Steuerhinterziehung vorzubeugen. Bei einer Steuerhinterziehung vom Finanzamt belangt zu werden, ist dabei größer, als mancher annimmt. Insbesondere dann ergeben sich Hinweise, wenn andere Personen oder Firmen steuerlich geprüft werden und sog. Kontrollmitteilungen an das Finanzamt übermittelt werden (Querverprüfungen) oder Dritte Mitteilung über die Hinterziehung von Steuern machen. Dabei gibt es nach Einschätzung des Herrn Stielow derart viele legale Möglichkeiten, legal eine Steueroptimierung zu erreichen, dass es oft nicht verständlich ist, weshalb sich Bürger derart leichtfertig in den kriminellen Bereich begeben und Steuern hinterziehen.

2.2. Steuerstraftat und Steuerordnungswidrigkeit

Beide Begriffe sind rein formal nach der Legaldefinition der §§ 369 Abs. 1, 377 Abs. 1 AO zu bestimmen. Unter den Begriff der Steuerstraftat fallen die sog. Echten Steuerstraftaten, die strafbar sind, als auch die unechten Steuerstraftaten, die kraft der besonderen gesetzlichen Bestimmungen in § 369 Abs. 1 Nr. 2-4 AO bestimmt sind.

Eine echte Steuerstraftat ist die Steuerhinterziehung nach § 370 AO, der gewerbsmäßige, gewaltsame und bandenmäßige Schmuggel nach § 373 AO sowie der Tatbestand der Steuerhehlerei gem. § 374 AO.[4] Außerhalb der AO existieren nur zwei echte Steuerstraftatbestände, nämlich § 13 WechselStG und § 23 Rennwett- und LotterieG, die zum Vertrieb und zur Vermittlung unversteuerter Wechsel und zum Vertrieb unversteuerter Lose unter Strafe stehen.

Der Bannbruch entspr. § 369 Abs. 1 Nr. 2 AO ist eine unechte Steuerstraftat. Er ist ein Zollvergehen und wird hier nicht näher betrachtet. Auch die Begünstigung einer Person, die eine der zuvor genannten Steuerstraftaten begangen hat, ist eine unechte Steuerstraftat (§ 369 Abs. 1 Nr. 4 AO) wie auch die Wertzeichenfälschung (soweit Steuerzeichen, wie bspw. Tabaksteuerbanderolen) und die Begünstigung von Personen, die eine Tat nach § 369 Abs. 1 Nr. 1-3 AO begangen haben.

Steuerordnungswidrigkeiten sind Zuwiderhandlungen, die mit Geldbuße geahndet werden können (§ 377 Abs. 1 AO). Auch so genannte Nichtsteuerdelikte werden vereinzelt durch die Sterfahndungsstellen ins Visier genommen. Das sind Straftaten, die zwar ein Steuerstrafgesetz nicht verletzen, aber durch Vorspiegelung steuerlich erheblicher Sachverhalte gegenüber einer Finanzbehörde auf die Erlangung von Vermögensvorteilen gerichtet sind. Dies sind insbesondere Betrugsdelikte bei Abgabe falscher USt- Voranmeldungen.[5] Eine Ausdehnung der sachlichen Zuständigkeit auf Nichtsteuerdelikte kommt nicht in Betracht. Das bedeutet, dass Fahndungsbeamte weder selbständig ermitteln noch mit Ermittlungsaufträgen betraut werden. Diese besonderen Fälle werden an die Staatsanwaltschaft abgegeben.[6]

Die Begehungsweisen einer steuerrechtlichen Tathandlung unterscheidet man nach:

- unrichtigen oder unvollständigen Angaben nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO,
- pflichtwidrigem in Unkenntnis[7] lassen entsprechend § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO sowie
- pflichtwidrigem Unterlassen der Verwendung von Steuerzeichen nach § 370 Abs. 1 Nr. 3 AO (somit aktives Tun oder pflichtwidriges Unterlassen).

Die Steuerhinterziehung ist ein Vergehen i.S.d. § 12 Abs. 2 StGB, deren Strafbarkeit selbst des Versuches in § 370 Abs. 2 AO ausdrücklich bestimmt ist. Ein Versuch der Steuerhinterziehung ist erst mit Bestandskraft des Steuerbescheides fehlgeschlagen[8]. Auf die Betrachtung des Vorliegens eines besonders schweren Falles i.S.d. § 370 Abs. 3 S. 1 AO wird an dieser Stelle nicht eingegangen, da die Tatsbestandsvoraussetzungen in einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände zu beurteilen ist[9].

In Abgrenzung hierzu sind Steuerordnungswidrigkeiten alle Zuwiderhandlungen, die nach den Steuergesetzen mit einer Geldbuße belegt werden (§ 377 AO). Hierzu zählt insbesondere die Steuerverkürzung nach § 378 AO. Der Tenor der Rechtsvorschrift liegt in der Leichtfertigkeit der Tat[10]. Täter einer leichtfertigen Steuerverkürzung kann nur sein, wer selbst gegenüber dem Finanzamt unrichtige Angaben macht[11]. In diesem Sinne sind ebenfalls Dauerordnungswidrigkeiten denkbar, bei denen der Täter sich in dauernder Unachtsamkeit schuldig macht, aus denen mehrere Gesetzesverletzungen entspringen[12].

2.3. Die Aufgaben der Steuerfahndung

Vom Gesetzgeber[13], von der Rechtsprechung[14], von der Finanzverwaltung[15], als auch von der herrschenden Lehre wird die Steuerfahndung als Institution mit Doppelfunktion gesehen, da ihre Aufgaben zum Einen im Besteuerungs- und zum Anderen im Strafverfahren begründet sind.

Mit § 208 AO wird der Steuerfahndung in Abs. 1 S. 1 Nr. 1 eine strafrechtliche Funktion zur Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten beigemessen. Als Steuerstraftaten werden Taten bezeichnet, die nach den Steuergesetzen strafbar sind (§ 369 Abs. 1 Nr. AO). Der § 208 AO, als wesentliche Grundlage für Auskunftsersuchen der Finanzverwaltungen und Tätigwerden der Steuerfahndung, wird nachfolgend systematisch analysiert.

2.3.1. Ermittlung von Steuerstraftaten nach § 208 Abs. 1 Nr. 1 AO

Die Ermittlung von Steuerstraftaten und ihrer Besteuerungsgrundlagen bilden das zentrale Aufgabengebiet der Steuerfahndung. Abschließend nicht geklärt ist, ob beide Funktionen trennbar oder als Einheit zu verstehen sind.

Betrachtet man sich den Aufbau des § 208 AO, so fällt auf, dass er nicht mit einem fiskalischen, sondern einem strafprozessualen Auftrag „Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten“ eingeleitet wird.[16] Dieser Bruch in der Gesetzessystematik ist verwunderlich, zumal durch die AO-Reform die überaltete Systematik der RAO grundlegend verbessert werden sollte.[17] Der erste Eindruck täuscht nicht. Der Auftrag zur Erforschung von Steuerstraftaten zielt auf eine ausschließlich strafprozessuale Tätigkeit. Das Strafverfahren gilt als eingeleitet, sobald die Finanzbehörde eine Maßnahme ergreift, die objektiv (also für einen Dritten) erkennbar darauf abzielt, gegen jemanden wegen einer Steuerstraftat strafrechtlich vorzugehen (§ 397 Abs. 1 AO). Das hat wesentliche Bedeutung für das Verfahren der Selbstanzeige, auf welches hier nicht separat eingegangen wird.

Diese zuvor genannte Systematik soll dem Rechtsanwender vor Augen halten, dass die Gesamtaufgabe der Steuerfahndung neben den steuerstrafrechtlichen Funktionen wesentlich von der strafprozessualen Aufgabenkomponente geprägt ist. Der Auftrag zur Ermittlung von Steuerstraftaten gem. § 386 Abs. 1 Satz 1 AO gilt unberührt von § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO. Somit ist den Fahndungsstellen keine besondere Aufgabe übertragen worden, die andere Dienststellen von Ermittlungspflichten freistellt. Die §§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 385 ff AO lassen jedoch erkennen, dass die Zuständigkeit primär bei den Fahndungs- und Strafsachenstellen konzentriert sein soll.[18] Wann im einzelnen die Zuständigkeit der Steuerfahndungsstellen gegeben ist, wird nachfolgend aufgezeigt.

Zunächst muss der Ermittlungsgegenstand selbst festgelegt werden. Hierbei bedarf es der Unterscheidung zwischen Steuerstraftat und Steuerordnungswidrigkeit.[19]

Die Steuerfahndung wird von Amts wegen tätig, wenn Anzeigen, Anträge oder auf anderem Wege Hinweise auf eine Steuerstraftat bekannt werden. Im Steuerordnungswidrigkeitsverfahren nach §§ 409 ff AO herrscht im Gegensatz dazu kein Verfolgungszwang (§§ 409, 410 Abs. 1 AO i.V.m. §§ 47, 53 Abs. 1 Satz 1 OWiG). Zur Abgrenzung von Nachforschungen im Steuerstraf- oder Steuerordnungswidrigkeitsverfahren ist es Voraussetzung, dass der Anlass der Erforschung konkret benannt wird (§ 385 Abs. 1 AO). Die Präzisierung des Anlasses steht in unmittelbarem Zusammenhang zu dem strafprozessualen Terminus „(Anfangs-)Verdacht“.[20] Dieser Anfangsverdacht ist gegeben, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte eines Steuervergehens vorliegen (§ 385 Abs. 1 AO i.V.m. § 152 Abs. 2 StPO).

Anders dagegen ist der hinreichende Tatverdacht. Hier wird bereits eine starke Konkretisierung vorgenommen. Ein Anfangsverdacht liegt nicht vor, wenn lediglich vage Anhaltspunkte vorliegen, die ein Steuerdelikt nicht wahrscheinlich erscheinen lassen. Der (Anfangs-)Verdacht einer Steuerstraftat muss sich zwingend gegen eine bestimmte Person richten.[21] Die Verfahrenseinleitung gegen Unbekannt ist beim Verdacht der Fälschung von Steuerwertzeichen[22] oder bei Verdacht einer Beteiligung Dritter, die bislang unbekannt sind, möglich. Für den Verdacht einer Steuerhinterziehung bedarf es zumindest der Kenntnis über den Veranlagungszeitraum und der angeblich hinterzogenen Steuer.

Die exakte Höhe wird sich i.d.R. nicht manifestieren lassen.[23] Neben dem zuvor genannten objektiven Tatbestandsvoraussetzungen, nämlich den hinreichenden, konkretisierbaren Verdacht gegen eine bestimmte Person, müssen auch subjektive Eindrücke des anweisenden Amtsanwaltes darauf hindeuten, dass eine Ermittlung notwendig erscheint. In Anbetracht der nach sich ziehenden Unannehmlichkeiten, die den Steuerpflichtigen nach § 404 Satz 2 AO erwarten, sollte nach Einschätzung des Verfassers der Schritt zur Einleitung von Ermittlungsverfahren genau bedacht sein.[24]

Eine offizielle Definition, wann ein Verdacht vorliegt, ist im Gesetz nicht zu finden. Allerdings wäre es auch verwunderlich und sicher nicht gewollt, wenn dem Steuerpflichtigen eine konkrete Definition von Verdächtigungen vorliegen würde.

Die Zuständigkeit der Finanzbehörde entfällt grundsätzlich, wenn gegen den Beschuldigten ein Haftbefehl gem. §§ 112 ff StPO erlassen wird (§ 386 Abs. 3 AO). Eine Abgabe an die Staatsanwaltschaft erfolgt i.d.R. dann, wenn diese gem. § 386 Abs. 4 Satz 2 AO die Angelegenheit an sich zieht. Die Finanzbehörde hat nach § 386 Abs. 4 Satz 1 AO auch das eigenständige Recht, den Fall an die Staatsanwaltschaft abzugeben. Kohlmann[25] berichtet aus Praktikerkreisen, dass „…die Staatsanwaltschaften ihr Evokationsrecht in aller Regel erst bei Steuerverkürzungsbeträgen von über 100.000,-- DM ausüben.“. Sobald die Staatsanwaltschaft das Verfahren an sich gezogen hat, ist sie alleinige Herrin des Ermittlungsverfahrens.[26] Führt nach § 402 Abs. 1 AO die Staatsanwaltschaft das Verfahren, so hält die zuständige Finanzbehörde, hier die Strafsachenstelle, nur noch dieselben Rechte und Pflichten wie die Behörden des Polizeidienstes[27]. (Anzumerken ist, dass im Falle des Nichteingreifens der Staatsanwaltschaft die Steuerfahndung der verlängerte Arm der Strafsachenstelle ist und für diese nach den Pflichten der Behörden des Polizeidienstes tätig wird.)

2.3.2. Ermittlung von Steuerstraftaten nach § 208 Abs. 1 Nr. 2 AO

Neben den Aufgaben der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Nr. 1 AO, der Erforschung von Steuerstraftaten, ist es ebenso ihre Aufgabe, die Besteuerungsgrundlagen in den in Nummer 1 derselben Rechtsnorm bezeichneten Fällen zu ermitteln.

Zunächst ist der Begriff der „Besteuerungsgrundlage“ zu analysieren. Die Begriffdefinition findet sich in § 199 Abs. 1 AO. Dieser definiert, dass der Außenprüfer im Rahmen seiner Prüfungshandlungen[28] „die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die für die Steuerpflicht und für die Bemessung der Steuer maßgebend sind (Besteuerungsgrundlagen), zugunsten wie zuungunsten des Steuerpflichtigen zu prüfen“ hat. Dabei entscheidet der Betriebsprüfer nicht über den Steueranspruch. Als Ermittlungsgehilfe des Finanzamtes hat er lediglich die Besteuerungsgrundlagen zu beschaffen.[29]

Eine Verantwortung für die vom Finanzamt getroffenen tatsächlichen Feststellungen trägt der Außenprüfer nicht. Das Finanzamt ist auch an der Rechtsauffassung des Prüfers, welche er im Rahmen seines Prüfberichtes abgibt, nicht gebunden und kann sich eine eigene Rechtsauffassung bilden, weil über den Steueranspruch erst bei Veranlagung entschieden wird.[30]

Die Ermittlungen in Nummer 1 sollen strafprozessualer Natur sein, die der Nummer 2 eigentlich fiskalischer. Der BFH entschied in zwei Urteilen betreffend der zuvor genannten Unterscheidung unterschiedlich.[31] Nach herrschender Meinung sollen jedoch die Fahndungsstellen zugleich mit der Erforschung von Steuerstraftaten und Besteuerungsgrundlagen für das Besteuerungsverfahren betraut sein.[32]

Fraglich ist, ob der Umfang der Ermittlungen nach Nr. 2 gegenständlich und persönlich nur auf den in Nr. 1 abgesteckten Rahmen beschränkt sind, oder die Nr. 1 nur den Anlass an sich darstellt und den Umfang der steuerrechtlichen Ermittlungen nicht einschränkt.[33]

Beschränkte Anwendungsbereiche werden in der AO durchgehend mit „soweit“ oder „insoweit“ erklärt (vgl. § 169 Abs. 2 Satz 1, § 393 Abs. 1 Satz 3, § 171 Abs. 2). Beim § 208 AO wurde auf diese Formulierung verzichtet, was dem Leser suggeriert, dass beide Verfahren auch unabhängig voneinander möglich sind. Wendeborn[34] skizziert die nicht notwendige Akzessorietät anhand des folgenden Beispiels: „Erfasst der strafprozessuale Verdacht einer Steuerverkürzung die Jahre 1983 und 1984, so dürfen Ermittlungen aufgrund von § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO (gegenüber dem Beschuldigten und gegenüber Dritten) sowohl auf die verdachtsbefangenen Besteuerungsgrundlagen (im Beispiel: die Jahre 1983 und 1984) als auch auf die Besteuerungsgrundlagen außerhalb des strafprozessualen Verdachts (im Beispiel: die Jahre vor 1983 oder nach 1984) ausgedehnt werden. Bezüglich ersterer ist § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO als ein mit der Tätigkeit nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 uno actu verknüpfter, steuerverfahrensrechtlicher Ermittlungsauftrag zu verstehen (Ermittlung verdachtsbefangener Besteuerungsgrundlagen); bezüglich letzterer als ein Fall der „Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle“ (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO), dessen Ermittlungsgegenstand als solcher außerhalb des strafprozessualen Verdachts liegt, den Fahndern jedoch bei der Erforschung von Steuerstraftaten bekannt geworden ist (strafprozessual veranlasste Vorfeldermittlung).“

Es wird somit eingeschätzt, dass Ausweitungen auf weitere Veranlagungszeiträume unproblematisch und über den § 208 AO rechtlich gedeckt sind.

Die Definition bzw. die Erklärung des Ermittlungsanlasses ist unproblematisch. Ermittlungen nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO lehnen sich an denen des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO an. Bei den Ermittlungen nach den Besteuerungsgrundlagen müssen sich fiskalischer und strafprozessualer Ermittlungsanlass auf ein und denselben Ermittlungsgegenstand beziehen, wobei bei einer strafprozessual veranlassten Vorfeldermittlung ein Anfangsverdacht genügt.[35]

Die Einrede der Verjährung ist, speziell bezogen auf Ermittlungstätigkeiten der Finanzbehörden, in § 171 Abs. 5 Satz 1 AO geregelt. So heißt es dort: “Beginnen … die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen … vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor die auf Grund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind ….“. Anders als im Fall des § 171 Abs. 4 AO umfasst die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 5 AO nicht den gesamten Steueranspruch. Die Hemmung tritt nur in dem Umfang ein, in dem sich die Ergebnisse der Ermittlungen auf die festzusetzende Steuer auswirken.[36] Wir der Umfang nachträglich auf weitere Veranlagungszeiträume erweitert, so wird der Ablauf der Festsetzungsfrist für diese Zeiträume nur gehemmt, wenn der Steuerpflichtige die Erweiterung bis zum Ablauf der Frist erkennen konnte. Der Eintritt der Ablaufhemmung setzt jedoch nicht voraus, dass der Steuerpflichtige Kenntnis darüber hat, auf welche konkreten Sachverhalte sich die erweiterten Ermittlungen erstrecken sollen.[37] Entsprechend § 171 Abs. 4 Satz 2 , Abs. 5 Satz 1 AO ist eine Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist erfolgt, wenn die Fahndungsprüfung ihre Ermittlungen unmittelbar nach Beginn um mehr als sechs Monate unterbricht und dann das Verfahren wieder aufnimmt.

Eine durch die Fahndung ausgelöste Ablaufhemmung endet dann, wenn nach der Prüfung Steuerbescheide ergangen sind diese unanfechtbar geworden sind.[38]

2.3.3. Vorfeldermittlungen nach § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO

Die Steuerfahndung hat neben den Ermittlungen in Steuerstraftaten und ihren Besteuerungsgrundlagen die Aufgabe, unbekannte Steuerfälle aufzudecken und zu ermitteln[39]. In diesen Fällen wurde noch kein Strafverfahren eingeleitet.

Anhand der Rechtsprechung[40] kommen als unbekannte Steuerfälle beispielhaft in Betracht:

[...]


[1] Im Folgenden wird die Bezeichnung Kreditinstitut und Bank synonym verwendet. Die Definition bezieht sich ausschließlich auf Kreditinstitute i.S.d. § 1 Abs. 1 KWG.

[2] Hierbei ist nicht relevant, ob es sich um Angestellte, Prokuristen oder Geschäftsleiter handelt.

[3] Veröffentlichter Artikel o.O. unter http://www.freenet.de/freenet/finanzen/recht_steuern/jederkriminell/05.html

[4] Zur Haftung vgl. § 71 AO

[5] Wendeborn, S. 41

[6] Die Vorschrift, wonach die Finanzbehörde beim Vorliegen eines Nichtsteuerdeliktes in Tateinheit mit einem Steuerdelikt die Ermittlungsbefugnis auch in Bezug auf das Nichtsteuerdelikt hatten, ist durch das 1.RAOStrafÄndG vom 10.08.1967 (BGBl. I, 877) aufgehoben worden.

[7] Pflichtwidriges In- Unkenntnis- Lassen setzt voraus, dass eine entspr. Pflicht besteht (z.B. § 149 Abgabe von Steuererklärungen; Täuschung der Behörde ist nicht Voraussetzung.) Unkenntnis muss sich auf eine konkrete Steuerart beziehen (vgl. BGH-Urteil vom 07.09.1988 – 3 StR 178/88, wistra 1989 S.29)

[8] BGH vom 17.07.1991 – 5 StR 225/91

[9] BGH vom 13.01.1993 – 5 SrR 466/92

[10] Zum Begriff der Leichtfertigkeit und seiner Abgrenzung zum Vorsatz vgl. BGH vom 24.01.1990- 3 StR 329/89; ferner BayOblG vom 02.12.1980 RReg. 4 St 168/80

[11] Vgl. OLG Braunschweig vom 08.03.1996- Ss (B) 100/95

[12] Vgl. BayObLG, wistra 1993 S. 236

[13] Vgl. BT-Drucks. 7/4292,36

[14] Vgl. BFH vom 02.12.1976; FG Rheinland-Pfalz vom 22.01.1979; FG Schleswig-Holstein vom 03.11.1981

[15] Vgl. AEAO zu § 208 AO

[16] Vgl. Wendeborn, S.38

[17] Vgl. EAO 1974 (BT-Ds/ VI/1982, S.93)

[18] Vgl. insb. § 399 Abs. 2 AO

[19] Vgl. Kapitel 1.2.

[20] Vgl. Wendeborn, S. 43

[21] Vgl. Kohlmann, § 404 AO RN 11

[22] Objektive Tatbestandsverwirklichung des § 369 AO

[23] Vgl. Wendeborn, S. 46

[24] Bemerkenswert ist zudem, dass die Steuerfahndung auch dann Ermittlungskompetenz inne hat, wenn allgemeine Straftaten mit Steuervergehen zusammentreffen (BGH 24.10.1989 – 5 StR 238-239/89)

[25] Vgl. Küster in Kohlmann, S. 255

[26] Vgl. Wendeborn, S. 49

[27] Zu den Rechten und Pflichten der Polizei siehe §§ 161, 163 StPO

[28] Sofern Sie im Rahmen der Tätigkeit des Prüfers kein Tun, Dulden oder Unterlassen des Steuerpflichtigen erfordern, kein Verwaltungsakt sind (BFH 14.08.1985 I R 188/82)

[29] Vgl. BFH vom 20.07.1962 VI 167/61 U

[30] Vgl. BFH vom 01.03.1963 VI 119/61 U

[31] Vgl. BFH vom 23.12.1980, BStBl II 1981 und BFH vom 29.10.1986, I B 28/86

[32] Vgl. Wendeborn, S. 54

[33] Vgl. Tipke/ Kruse, § 208, Rz. 4

[34] Vgl. Wendeborn, S. 60

[35] Weitere Ausführungen zur Ermittlung unbekannter Steuerfälle siehe nachfolgendes Kapitel.

[36] Vgl. BFH vom 14.04.1999 XI R 30/96

[37] Vgl. BFH vom 24.04.2001 I R 25/01

[38] Vgl. BFH vom 24.04.2001 I R 25/01

[39] Vgl. Tipke/ Kruse, § 208 Rz. 5 f.

[40] Vgl. u.a. BFH vom 29.10.1986 VII R 82/85

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2005
ISBN (eBook)
9783832494414
ISBN (Paperback)
9783838694412
DOI
10.3239/9783832494414
Dateigröße
439 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
DIPLOMA Fachhochschule Nordhessen; Abt. Kassel – Rechtswissenschaften
Erscheinungsdatum
2006 (März)
Note
2,7
Schlagworte
steuerrecht verwertungsverbote kontrollmitteilungen steuerfahndung
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Titel: Steuer- und strafrechtliche Verwertungsmöglichkeiten von Informationen der Kreditinstitute über deren Kunden und Mitarbeiter gegenüber den Ermittlungsbehörden
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