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Auswirkungen der neueren BFH-Rechtsprechung auf die erbschaft- und schenkungsteuerliche Behandlung von Sachvermächtnissen

©2005 Diplomarbeit 69 Seiten

Zusammenfassung

Inhaltsangabe:Problemstellung:
Die Diskrepanz zwischen Steuerwerten und Verkehrswerten führt in der Erbschaft- und Schenkungsteuer immer wieder zu Problemen. Unabhängig von der generellen Frage der Verfassungsmäßigkeit der geltenden Regeln stellt der BFH nun die Bewertung einseitiger Sachleistungsansprüche in Frage. Nachdem der II. Senat bereits seine Rechtsprechung zu Sachleistungsansprüchen und -verpflichtungen aufgrund von Gegenseitigkeitsverhältnissen geändert hat, ist nicht mehr sicher, ob durch Sachvermächtnis begründete Ansprüche auch weiterhin mit dem Steuerwert zu bewerten sind.
Im Hinblick auf die erheblichen Wertunterschiede, die sich aus den einzelnen steuerlichen Bewertungsregeln ergeben, scheint der BFH tendenziell auf einen Verkehrswertansatz bei möglichst vielen Sachverhalten hinwirken zu wollen. Da, nach der Auffassung des II. Senats, die Bewertungsregeln der Erbschaft- und Schenkungsteuer in Kombination mit der Anwendung eines einheitlichen Steuersatzes ohnehin gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung des Art. 3 GG verstoßen, scheint diese Rechtsprechungsentwicklung eine Art logische Konsequenz zu sein.
Es bedarf jedoch einer eingehenden Untersuchung, ob eine Bewertung mit Verkehrswerten in allen Fällen gerechtfertigt sein kann. Dabei ist sowohl auf den Gesetzeswortlauf, als auch auf Sinn und Zweck der Besteuerung, damit also auf die grundsätzliche Konzeption des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes abzustellen.
Ob der BFH die Folgen, die sich aus einer Rechtsprechungsänderung in die besagte Richtung und vor allem aus ihrer Begründung ergeben, richtig abgeschätzt hat ist ungewiss. Zumindest können bei konsequenter Fortführung der Gedanken, die der BFH im Rahmen der Entscheidung zum Urteil vom 2.7.2004 in einem so genannten Obiter Dictum geäußert hat, weit reichende Folgen auch für Sachverhalte außerhalb des Vermächtnisrechts eintreten.
Gang der Untersuchung:
Es soll im Folgenden untersucht werden, ob die Äußerungen des II. Senats einer genaueren Betrachtung standhalten können und inwieweit sie auf die angesprochenen Grundstücksvermächtnisse beschränkt sind. Es erscheint zumindest möglich, dass die Ausführungen des BFH in mancher Hinsicht Auswirkungen haben, die bei dem Versuch eine Lösung für das Problem der Bewertung von einseitigen Sachleistungsansprüchen und -verpflichtungen zu finden, nicht hinreichend berücksichtigt worden sind.
Nachdem im zweiten Kapitel die zivilrechtlichen Grundlagen dargestellt werden, soll […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ID 9426
Schultze, Christine: Auswirkungen der neueren BFH-Rechtsprechung auf die erbschaft-
und schenkungsteuerliche Behandlung von Sachvermächtnissen
Druck Diplomica GmbH, Hamburg, 2006
Zugl.: Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Diplomarbeit, 2005
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Diplomica GmbH
http://www.diplom.de, Hamburg 2006
Printed in Germany


Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis ... II
Abkürzungsverzeichnis ... III
1 Abgrenzung der Problemstellung ... 1
2 Vermögensübertragung durch Vermächtnis ... 3
2.1 Zivilrechtliche Grundlagen... 3
2.2 Erbschaftsteuerliche Behandlung ... 5
2.2.1 Bisherige Rechtslage ... 5
2.2.2 Auf Grundlage des Obiter Dictums ... 9
3 Begünstigte Vermögensarten... 11
3.1 Grundvermögen ... 11
3.1.1 Begriff und Abgrenzung ... 11
3.1.2 Bewertung... 12
3.1.2.1 Allgemeine Regeln ... 12
3.1.2.2 Unbebaute Grundstücke... 13
3.1.2.3 Bebaute Grundstücke... 14
3.1.3 Beurteilung im Hinblick auf Sachvermächtnisse ... 17
3.2 Betriebsvermögen... 21
3.2.1 Begriff und Umfang ... 21
3.2.2 Bewertung... 23
3.2.2.1 Reinwertermittlung... 23
3.2.2.2 Bewertungsgrundsätze ... 24
3.2.2.3 Freibeträge und Tarifbegrenzung ... 25
3.2.3 Besonderheiten bei Betriebsgrundstücken... 27
3.2.3 Beurteilung im Hinblick auf Sachvermächtnisse ... 29
3.3 Anteile an Kapitalgesellschaften ... 33
3.3.1 Begriff und Abgrenzung ... 33
3.3.2 Bewertung... 35
3.3.2.1 Rechtliche Einordnung... 35
3.3.2.2 Regelbewertung ... 36
3.3.2.3 Sonderregelungen ... 38
3.3.2.4 Freibeträge und Tarifbegrenzung ... 38
3.3.3 Beurteilung im Hinblick auf Sachvermächtnisse ... 40
4 Negativerwerbe in Zusammenhang mit begünstigtem Vermögen ... 43
4.1 Begriff und Bedeutung ... 43
4.2 Auswirkungen des Obiter Dictums ... 44
4.2.1 Betroffene Negativerwerbe ... 44
4.2.2 Mögliche Konsequenzen... 45
5 Fazit und kritische Anmerkung ... 49
Literaturverzeichnis ... 52
Rechtsprechungsverzeichnis ... 57
Quellenverzeichnis... 59
Verzeichnis der Verwaltungsanweisungen ... 61

III
Abkürzungsverzeichnis
a.A. ... andere Ansicht
Abs. ... Absatz
Alt. ... Alternative
Art. ... Artikel
AO ... Abgabenordnung
Aufl. ... Auflage
Aug. ... August
BauGB ... Baugesetzbuch
BB ... Betriebs-Berater (Zeitschrift)
Bd. ... Band
Begr. ... Begründer bzw. begründet
ber. ... berichtigt
best. ... bestätigt
BewG ... Bewertungsgesetz
BewRGr ... Richtlinien für die Bewertung des Grundvermögens
BFH ... Bundesfinanzhof
BFH/NV ... Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen
des Bundesfinanzhofes (Zeitschrift)
BGB ... Bürgerliches Gesetzbuch
BGBl ... Bundesgesetzblatt
BGH ... Bundesgerichtshof
BGHZ ... Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen
BMF ... Bundesministerium der Finanzen
BR-Drucks. ... Bundesrats-Drucksache
bspw. ... beispielsweise
BStBl ... Bundessteuerblatt
BT-Drucks. ... Bundestags-Drucksache
BuW ... Betrieb und Wirtschaft (Zeitschrift)
BVerfG ... Bundesverfassungsgericht
c.p. ... ceteris paribus
DB ... Der Betrieb (Zeitschrift)
Dez. ... Dezember
Diss. ... Dissertation
DStR ... Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift)
DStZ ... Deutsche Steuerzeitung (Zeitschrift)
EFG ... Entscheidungen der Finanzgerichte (Zeitschrift)
Einf ... Einführung
ErbStG ... Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz
ErbStR ... Erbschaftsteuerrichtlinien
EStG ... Einkommensteuergesetz
EStR ... Einkommensteuerrichtlinien
f. ... folgende
ff. ... fortfolgende
Feb. ... Februar
FG ... Finanzgericht
FR ... Finanz-Rundschau Ertragsteuerrecht (Zeitschrift)

IV
GG ... Grundgesetz
ggf. ... gegebenenfalls
gl.A. ... gleiche Ansicht
GmbH ... Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GmbHR ... GmbH-Rundschau (Zeitschrift)
H ... Hinweis
HBeglG ... Haushaltsbegleitgesetz
HFR ... Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung (Zeitschrift)
HGB ... Handelsgesetzbuch
h.M. ... herrschende Meinung
Hrsg. ... Herausgeber bzw. herausgegeben
i.d.F. ... in der Fassung
INF ... Informationen für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
(Zeitschrift)
insbes. ... insbesondere
i.S.d. ... im Sinne des
i.V.m. ... in Verbindung mit
JA ... Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift)
Jan. ... Januar
JStG ... Jahressteuergesetz
Jura ... Juristische Ausbildung (Zeitschrift)
KStG ... Körperschaftsteuergesetz
NJW ... Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift)
NotBZ ... Zeitschrift für die notarielle Beratungs- und
Beurkundungspraxis
Nov. ... November
Nr. ... Nummer
m.w.N. ... mit weiteren Nachweisen
OFD ... Oberfinanzdirektion
Okt. ... Oktober
R ... Richtlinie
Rdvfg. ... Rundverfügung
RegE ... Regierungsentwurf
RFH ... Reichsfinanzhof
RGBl ... Reichsgesetzblatt
RStBl ... Reichssteuerblatt
s. ... siehe
sic ... so, auf diese Weise (lat.)
sog. ... sogenannte
StandOG ... Standortsicherungsgesetz
StÄndG ... Steueränderungsgesetz
Stbg ... Die Steuerberatung (Zeitschrift)
StuW ... Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift)
Tz. ... Textziffer
u.a. ... und andere
UVR ... Umsatzsteuer- und Verkehrsteuerrecht (Zeitschrift)

V
vgl. ... vergleiche
v.H. ... vom Hundert
VStR ... Vermögensteuerrichtlinien
WertV ... Wertermittlungsverordnung
ZEV ... Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge
zugl. ... zugleich
zul. ... zuletzt

1
1 Abgrenzung der Problemstellung
Die Diskrepanz zwischen Steuerwerten und den entsprechenden Verkehrswerten
führt in der Erbschaft- und Schenkungsteuer immer wieder zu Problemen. Unab-
hängig von der generellen Frage der Verfassungsmäßigkeit der geltenden Bewer-
tungsregeln stellt der BFH nun die Bewertung einseitiger Sachleistungsansprüche in
Frage. Nachdem der II. Senat bereits seine Rechtsprechung zu Sachleistungsan-
sprüchen und -verpflichtungen aufgrund von Gegenseitigkeitsverhältnissen geändert
hat, ist nicht mehr sicher, ob durch Sachvermächtnis begründete, einseitige Ansprü-
che auch weiterhin mit dem Steuerwert zu bewerten sind oder ob in Zukunft der
meist höhere gemeine Wert, also der Verkehrswert des vermachten Gegenstandes
den Anspruchswert repräsentieren soll.
Im Hinblick auf die erheblichen Wertunterschiede, die sich aus den einzelnen steuer-
lichen Bewertungsregeln ergeben, scheint der BFH mit seiner neueren Rechtspre-
chung tendenziell auf einen Verkehrswertansatz bei möglichst vielen Sachverhalten
hinwirken zu wollen. Dies führt jedoch im Fall von Sachvermächtnissen zu einer un-
gleichen Behandlung eines wirtschaftlich gleichen Ergebnisses. Es bedarf daher ei-
ner eingehenden Untersuchung, ob eine Bewertung mit Verkehrswerten hier gerecht-
fertigt sein kann. Dabei ist sowohl auf den Gesetzeswortlaut, als auch auf Sinn und
Zweck der Besteuerung, damit also auf die grundsätzliche Konzeption des Erbschaft-
und Schenkungsteuergesetzes abzustellen.
Ob der BFH die Folgen, die sich aus einer Rechtsprechungsänderung in die besagte
Richtung und vor allem aus ihrer Begründung ergeben würden, vollumfänglich
durchdacht hat, ist ungewiss. Bei konsequenter Fortführung der Gedanken, die der
BFH im Rahmen der Entscheidung zum Urteil vom 2.7.2004
1
in einem so genannten
Obiter Dictum geäußert hat, können weit reichende Folgen auch für Sachverhalte
außerhalb des Vermächtnisrechts eintreten. So sind möglicherweise sämtliche
Schulden und Lasten, die mit Grundvermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang
stehen, von den Ausführungen des II. Senats betroffen.
Es soll im Folgenden untersucht werden, ob die Äußerungen des BFH einer genaue-
ren Betrachtung standhalten und inwieweit sie auf die angesprochenen Grund-
stücksvermächtnisse beschränkt sind. Nachdem im zweiten Kapitel die zivilrecht-
lichen Grundlagen dargestellt werden, soll zunächst ein Überblick über die geltende
1
Vgl. BFH vom 2.7.2004, II R 9/02, BStBl. II 2004, S.1039

2
Rechtslage hinsichtlich der Übertragung von Vermögen durch Vermächtnis gegeben
werden. Im Anschluss daran wird kurz ausgeführt, wie sich die Lage unter Geltung
der vom BFH angedachten Grundsätze zur Behandlung von Grundstücksvermächt-
nissen darstellt.
Im dritten Kapitel soll zunächst die Begründung des BFH für eine geänderte Behand-
lung von Grundstücksvermächtnissen untersucht werden. Der II. Senat sieht in den
durch das JStG 1997
1
eingeführten Bewertungsregeln für Grundvermögen implizite
Steuerbefreiungen. Eine Ausweitung des Anwendungsbereichs der Schuldenbe-
schränkungen nach § 10 Abs. 6 ErbStG ermöglicht somit eine unterschiedliche Be-
handlung von Erben und Vermächtnisnehmer, wie sie bisher nicht möglich war. Eine
eingehende Betrachtung dieser Einschätzung und die Frage, ob sie möglicherweise
auch auf andere Vermögensarten übertragen werden kann, stellen den Schwerpunkt
des Kapitels dar. Dabei ist die Untersuchung der Übertragungsmöglichkeiten auf die
generell als begünstigt bewertet erachteten Vermögensarten beschränkt. Neben
Grundstückswerten sind dies vor allem das Betriebsvermögen und die Anteile an
Kapitalgesellschaften. Dabei liegt bei den Kapitalgesellschaftsanteilen der Schwer-
punkt der Betrachtung bei der Bewertung nicht notierter Anteile nach dem Stuttgarter
Verfahren. Diese Eingrenzung der begünstigten Vermögensarten entspricht auch der
Auffassung des BFH, wie dem Vorlagebeschluss vom 22.5.2002
2
zu entnehmen ist.
Auf die nähere Betrachtung von land- und forstwirtschaftlichem Vermögen wird hier
auf Grund des sehr speziellen Geltungsbereichs verzichtet. Die Untersuchung be-
schränkt sich auf inländische Erwerbsvorgänge und damit auf das deutsche Erb-
schafts- und Schenkungsteuerrecht.
Im vierten Kapitel wird auf die generelle Abzugsbeschränkung von Schulden und
Lasten, die mit teilweise befreiten Vermögensgegenständen in wirtschaftlichem Zu-
sammenhang stehen, eingegangen. Soweit der BFH Bewertungsbegünstigungen in
den Anwendungsbereich der Schuldenkappung einbezieht, kann dies nicht auf Ver-
mächtnislasten beschränkt sein, sondern muss sämtliche Negativerwerbe einschlie-
ßen, die mit niedrig bewertetem Vermögen zusammenhängen.
Im fünften Kapitel werden schließlich die Ergebnisse kurz dargestellt und einige kriti-
sche Anmerkungen zu den vom II. Senat angedachten Grundsätzen gemacht.
1
Jahressteuergesetz 1997 vom 20.12.1996, BGBl I 1996, 2049
2
BFH vom 22.5.2002, II R 61/99, BStBl II 2002, 598

3
2 Vermögensübertragung durch Vermächtnis
2.1 Zivilrechtliche Grundlagen
Als Grundrecht garantiert Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG das Erbrecht und damit das
Recht auf Testierfreiheit.
1
Die Inhaltsfreiheit der letztwilligen Verfügung hat der Ge-
setzgeber insoweit eingeschränkt
2
, als er den Erblasser bei der Ausgestaltung einem
Typenzwang unterworfen hat. Neben der Erbeinsetzung hat er mit dem Vermächtnis
ein Rechtsinstitut geschaffen, durch das der letzte Wille differenzierter gestaltet wer-
den kann.
3
Nach § 1939 BGB kann ,,der Erblasser ... durch Testament einem ande-
ren, ohne ihn als Erben einzusetzen, einen Vermögensvorteil zuwenden (Vermächt-
nis)." Ergänzend stellt § 1941 BGB klar, dass die Vermächtnisanordnung auch durch
Erbvertrag erfolgen kann.
Unabhängig davon, wie der letzte Wille des Erblassers im Einzelfall ausgestaltet ist,
geht das Vermögen gemäß § 1922 Abs. 1 BGB mit dem Erbfall als Ganzes auf eine
oder mehrere Personen über. Das Vermögen wird auch als Erbschaft bezeichnet und
umfasst sowohl aktive als auch passive Vermögensgegenstände.
4
Durch die Ge-
samtrechtsnachfolge soll der Nachlass zunächst als Einheit erhalten bleiben.
5
Alle
vererblichen Rechte und Pflichten gehen gemäß dem Grundsatz des Von-Selbst-
Erwerbs ohne besondere rechtsgeschäftliche Übertragung auf die Erben zur gesam-
ten Hand über.
6
Anordnungen des Erblassers bezüglich der Aufteilung des Vermö-
gens sowie Zuweisungen einzelner Vermögensgegenstände an bestimmte Personen
haben keine dingliche Wirkung.
7
Demnach erwirbt auch der durch ein Vermächtnis Begünstigte den Vermögensvorteil
beim Erbfall nicht mit dinglicher Wirkung.
8
Er erlangt vielmehr nach § 2174 BGB ei-
nen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Beschwerten auf Leistung des vermach-
ten Gegenstandes. Korrespondierend zum Sachleistungsanspruch des Begünstigten
entsteht dem durch Vermächtnis Beschwerten die entsprechende Sachleistungsver-
pflichtung. Die Übertragung des Eigentums an dem Vermögensvorteil muss nach
schuld- und sachenrechtlichen Vorschriften erfolgen. Ein vermachtes Grundstück
1
Vgl. JARASS, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 14 GG Tz. 91
2
Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gewährt dem Gesetzgeber das Recht Inhalt und Schranken durch einfache
Gesetze festzulegen; vgl. hierzu JARASS, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 14 GG Tz. 95 ff.
3
Vgl. FRANK, Erbrecht, 130
4
Vgl. MUSCHELER, Universalsukzession, Jura 1999, 234, 236 f. m.w.N.
5
Vgl. LEIPOLD, in: Münchener Kommentar, BGB, § 1922 BGB Tz. 3
6
Vgl. WEIRICH, Erben, Tz. 4
7
Vgl. FRANK, Erbrecht, 4 f.
8
Vgl. SCHLICHTING, in: Münchener Kommentar, BGB, § 2174 BGB Tz.1

4
muss nach den §§ 873, 925 BGB an den Vermächtnisnehmer aufgelassen, Forde-
rungen nach § 398 BGB abgetreten und bewegliche Sachen durch Einigung und
Übergabe gemäß § 929 BGB übertragen werden.
1
Gegenstand des Vermächtnisses kann alles sein, was auch Gegenstand einer Leis-
tung aus einem Schuldverhältnis sein kann, sofern ein Vermögensvorteil zugewendet
wird.
2
Der Begriff des Vermögensvorteils des § 1939 BGB ist weit auszulegen.
3
Es
muss nicht zur Vermehrung des Vermögens kommen, sondern nur zu einer Begüns-
tigung.
4
Ein wirtschaftlicher Vorteil ist nach h.M. nicht erforderlich.
5
Nach der Art des Leistungsgegenstandes lassen sich verschiedene Vermächtnis-
arten unterscheiden. Häufig wird der Erblasser einen einzelnen, im Nachlass befind-
lichen Gegenstand vermachen wollen. Insoweit liegt ein Stück- oder auch Sachver-
mächtnis vor.
6
Das Gesetz nennt in §§ 2147 ff. BGB weitere Arten wie das Wahlver-
mächtnis, das Gattungsvermächtnis, das Zweckvermächtnis oder auch das Verschaf-
fungsvermächtnis. Zulässig sind auch Quotenvermächtnisse oder ein Universalver-
mächtnis, durch das dem Bedachten der gesamte nach Abzug der Nachlassverbind-
lichkeiten verbleibende Nachlass zugewendet wird.
7
Vermächtnisnehmer kann jede
natürliche oder juristische Person sein.
8
Mit einem Vermächtnis beschwert können
nach den §§ 2047, 2048 BGB der Erbe, die Erbengemeinschaft oder auch ein oder
mehrere weitere Vermächtnisnehmer sein. Ist ein durch Vermächtnis Begünstigter
gleichzeitig Erbe und damit Beschwerter, handelt es sich um ein Vorausvermächtnis.
Ein Vorausvermächtnis im Sinne des § 2150 BGB wird regelmäßig angenommen,
wenn der Erblasser dem durch die Anordnung begünstigten Miterben zusätzlich zum
Erbteil einen Vermögensvorteil zuwenden wollte.
9
Die Feststellung, ob eine Person als Erbe oder als Vermächtnisnehmer eingesetzt
wurde, kann im Einzelfall schwierig sein. Entscheidend ist der Wille des Erblassers.
Soll die bedachte Person nicht Gesamtrechtsnachfolger werden, sondern nur einen
schuldrechtlichen Anspruch erhalten, liegt ein Vermächtnis vor. Der Vermächtnis-
1
Vgl. WEIRICH, Erben, Tz. 708
2
Vgl. EDENHOFER, in: Palandt, BGB, Einf vor § 2147 BGB Tz. 5
3
Vgl. LEIPOLD, in: Münchener Kommentar,
BGB, § 1939 BGB Tz. 6
4
Vgl. EDENHOFER, in: Palandt, BGB, Einf vor § 2147 BGB Tz. 5; STEIN, in: Soergel, BGB, § 1939
BGB Tz. 3; SCHLÜTER, Erbrecht, 356
5
Vgl. OTTE, in: Staudinger, BGB, § 1939 BGB Tz. 8; LEIPOLD, in: Münchener Kommentar, BGB,
§ 1939 BGB Tz. 6; a.A. EIDENMÜLLER, JA 1999, 150, 152 m.w.N.
6
Vgl. BROX, Erbrecht, 254
7
Vgl. FRANK, Erbrecht, 132; SCHLICHTING, in: Münchener Kommentar, BGB, § 2087 BGB Tz. 6;
a.A. Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 3 ErbStG Tz. 164 (Okt. 2003)
8
Vgl. SCHLICHTING, in: Münchener Kommentar, BGB, Vor § 2147 BGB Tz. 6
9
Vgl. BGH vom 8.11.1961, V ZR 31/60, BGHZ 36, 115, 118

5
nehmer wird durch § 1967 Abs. 2 BGB den übrigen Nachlassgläubigern gleich-
gestellt.
1
Er ist an der Verwaltung und Abwicklung des Nachlasses nicht beteiligt.
2
Der Anspruch fällt dem Begünstigten gemäß § 2176 BGB mit dem Tod des Erblas-
sers an.
3
Die Annahme sowie die Ausschlagung des Vermächtnisses erfolgen ge-
mäß § 2180 Abs. 2 Satz 1 BGB durch Erklärung gegenüber dem Beschwerten. Vom
Anfall des Vermächtnisses zu unterscheiden ist die Fälligkeit des Anspruchs. Hat der
Erblasser nichts Gegenteiliges angeordnet, kann der Begünstigte die Leistung nach
§ 271 Abs. 1 BGB sofort verlangen.
4
Bei Nicht- oder Schlechterfüllung des Ver-
mächtnisses greift allgemeines Schuldrecht, soweit die §§ 2147 ff. BGB keine Son-
derregelungen enthalten.
5
2.2 Erbschaftsteuerliche Behandlung
2.2.1 Bisherige Rechtslage
Die Erbschaftsteuer knüpft begrifflich an das bürgerliche Recht an. Zu den Erwerben
von Todes wegen zählt gemäß § 3 Abs. 1 Nr.1 3. Alt. ErbStG auch der Erwerb durch
Vermächtnis. Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG entsteht ,,die Steuer ... bei Erwerben
von Todes wegen mit dem Tode des Erblassers". Es ist für die Entstehung der Steu-
erschuld nicht erforderlich, dass der Steuerschuldner die Verfügungsmacht über den
vermachten Gegenstand erlangt.
6
Eine an der tatsächlichen Verfügungsmöglichkeit
orientierte wirtschaftliche Betrachtung, die das Bereicherungsprinzip über das Stich-
tagsprinzip stellt, lässt der Wortlaut des § 9 ErbStG nicht zu.
7
Nach § 11 ErbStG ist
der Entstehungszeitpunkt der Steuer zugleich für die Wertermittlung maßgebend,
soweit das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz selbst nicht etwas anderes be-
stimmt. Wertbeeinflussende Ereignisse, die nach dem Stichtag eintreten, sind erb-
schaftsteuerlich unbeachtlich.
8
Die Erbschaftsteuer ist eine Erbanfallsteuer. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG gilt
,,als steuerpflichtiger Erwerb ... die Bereicherung des Erwerbers, soweit sie nicht
steuerfrei ist". Nach Satz 2 der Vorschrift gilt als Bereicherung bei Erwerben von
1
Vgl. SCHLICHTING, in: Münchener Kommentar, BGB, § 2174 BGB Tz. 2
2
Vgl. FRANK, Erbrecht, 106
3
Vgl. BGH vom 16.6.1961, V ZB 3/61, NJW 1961, 1915, 1916
4
Vgl. EDENHOFER, in: Palandt, BGB, § 2176 BGB Tz. 2
5
Vgl. FRANK, Erbrecht, 133
6
Vgl. RFH vom 02.12.1930, I e A 395/397/30, RStBl 1931, 122, 123; kritisch LANDSITTEL, Stichtag,
ZEV 2003, 221, 223
7
Vgl. KLEIN-BLENKERS, Steuerentstehung, DStR 1991, 1549, 1550; a.A. KAPP, Bereicherung,
StuW 1993, 67, 68
8
Vgl. MEINCKE, ErbStG, § 11 ErbStG Tz. 7

6
Todes wegen der Wert der Aktiva abzüglich der nach § 10 Abs. 3 bis 9 ErbStG anzu-
setzenden Nachlassverbindlichkeiten. Worin die Bereicherung eines durch Sachver-
mächtnis Begünstigten zu sehen ist, wird in der Fachliteratur kontrovers diskutiert.
Teilweise wird entsprechend der zivilrechtlichen Wertung der Sachleistungsanspruch
als steuerpflichtiger Erwerb angesehen.
1
Hübner will jedoch den Wortlaut des
§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dahingehend auslegen, dass nicht der Forderungserwerb,
sondern der Gegenstand als solcher Besteuerungsgrundlage sein soll.
2
Dieser alter-
native Standpunkt findet im Hinblick auf die neuere Rechtsprechung des BFH immer
mehr Zuspruch.
3
Der II. Senat sieht - wie die erste Meinung - den Erwerb der Forde-
rung als Bereicherung und damit auch als Besteuerungsgegenstand an.
4
Da der wei-
teren Untersuchung die Auffassung des BFH zugrunde liegt, wird im Folgenden da-
von ausgegangen, dass beim Vermächtnisnehmer nicht der Gegenstand selbst das
Objekt der Wertermittlung ist, sondern der ihm im Zeitpunkt des Erbfalls angefallene
Sachleistungsanspruch.
Der Wert einer Forderung richtet sich grundsätzlich nach dem Wert der Leistung, auf
den diese Forderung gerichtet ist. Wenn aber der Steuerwert und der gemeine Wert
dieser Leistung voneinander abweichen, ist fraglich, welcher der beiden Werte maß-
gebend sein soll. Weder für Sachleistungsverpflichtungen noch für Sachleistungsan-
sprüche existieren eigenständige gesetzliche Bewertungsvorschriften. Der Geset-
zessystematik folgend wäre daher nach § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 9 BewG der
gemeine Wert der korrekte Bewertungsmaßstab. Mangels anderer Wertmaßstäbe ist
dieser regelmäßig nach dem Verkehrswert des Gegenstands zu schätzen.
5
Insbesondere bei Grundstücksvermächtnissen wird der Verkehrswert in den meisten
Fällen den steuerlichen Wert übersteigen. Der BFH weist im Vorlagebeschluss vom
22.5.2002 auf eine Untersuchung der Finanzverwaltung aus dem Jahre 1998 hin,
wonach die steuerlichen Ertragswerte im Durchschnitt nur die Hälfte des Verkehrs-
wertniveaus erreichen.
6
Die Fortführung des oben aufgegriffenen Gedankens der
Bewertung von Sachleistungsansprüchen und -verpflichtungen mit dem gemeinen
1
Vgl. GEBEL, in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 3 ErbStG Tz. 170 (April 2003); WEINMANN, in:
Moench, ErbStG, § 10 ErbStG Tz. 15a (Juni 2004); GEBEL, Wertermittlung, ZEV 1999, 85, 86
2
Vgl. HÜBNER in: Viskorf/Glier u.a., ErbStG und BewG, § 3 ErbStG Tz. 23; gl.A. auch schon
JESTÄDT, Nachlaßverbindlichkeiten (sic!), ZEV 1994, 161, 163
3
Vgl. MOENCH, ErbStG, § 3 ErbStG Tz. 96 (Dez. 2003); WACHTER, Grundstücksvermächtnis,
NotBZ 2005, 99, 100; ähnlich auch CREZELIUS, Anmerkung, ZEV 2004, 476, 477
4
Vgl. BFH vom 25.10.1995, II R 5/92, BStBl II 1996, 97, 98; zul. best. durch BFH vom 6.6.2001,
II R 14/00, BStBl II 2001, 725, 725 f.
5
Vgl. bspw. BFH vom 6.6.2001, II R 76/99, BStBl II 2001, 605, 606
6
Vgl. BFH vom 22.5.2002, II R 61/99, BStBl II 2002, 598, 603

7
Wert führt demnach auf der Ebene des Erben - bei isolierter Betrachtung des Grund-
stücksvermächtnisses - regelmäßig zu einem Negativerwerb.
1
Der Wertansatz des
Grundstücks als Nachlassgegenstand wird durch die nach § 10 Abs. 5 Satz 2 ErbStG
abzugsfähige Sachleistungsverpflichtung überkompensiert. Der Differenzbetrag min-
dert den Gesamtwert des Nachlasses. Im Ergebnis führt dies zu einer unzutreffenden
Besteuerung beim Erben.
2
Die Verpflichtung zur Weitergabe sollte allenfalls den
Wertansatz des betroffenen Gegenstandes aufheben, nicht aber den Erben darüber
hinaus steuerlich begünstigen.
3
Der II. Senat folgt dieser Auffassung, betont jedoch, dass sich diese Beurteilung auf
die Bewertung einseitiger Sachleistungsansprüche und -verpflichtungen be-
schränkt.
4
Bei der Behandlung von Sachleistungsansprüchen und -verpflichtungen ist
somit zunächst von Bedeutung, ob sie aufgrund eines Gegenseitigkeitsverhältnisses
bestehen, oder ob sie einseitig verpflichtenden Charakter haben. Der durch Sach-
vermächtnis Begünstigte erwirbt stets einen einseitigen Sachleistungsanspruch, da
er keine Gegenleistung zu erbringen hat.
5
Der BFH hat seit März 1977 in ständiger Rechtsprechung den Wert eines solchen
Anspruchs, und ebenso den der korrespondierenden Verpflichtung, nach dem Steu-
erwert des Gegenstandes bestimmt, auf den sich Anspruch und Verpflichtung bezie-
hen.
6
Sachleistungsansprüche und -verpflichtungen aus schwebenden Geschäften
werden davon abweichend seit dem Urteil des BFH vom 6.12.1989
7
mit dem gemei-
nen Wert angesetzt, um im Ergebnis einen Ausgleich von Sachleistungsverpflichtung
und Kaufpreisanspruch zu gewährleisten. Mit dem Urteil vom 15.10.1997
8
hat der
II. Senat diese Rechtsprechung auch auf teilweise erfüllte Verträge übertragen. Die
Bewertung der Sachleistungsansprüche und -verpflichtungen beim Sachvermächtnis
stellt damit in der heutigen Rechtsprechung eine Ausnahme von der regulären Be-
wertung von Ansprüchen und Verpflichtungen mit dem gemeinen Wert dar.
9
1
Dies gilt uneingeschränkt für alle Fälle, in denen Gegenstand des Vermächtnisses ein Vermögens-
gegenstand ist, dessen steuerlicher Wert niedriger ist als der entsprechende Verkehrswert
2
Vgl. MARTIN, Bewertung, DB 1990, 1536, 1537
3
Vgl. GEBEL, Vermächtnis, UVR 1994, 74, 79
4
Vgl. BFH vom 15.10.1997, II R 68/95, BStBl II 1997, 820, 823
5
Vgl. GÖTZ, Beratungsempfehlungen, INF 2005, 69, 71
6
Vgl. BFH vom 30.3.1977, II R 143/66, BStBl II 1977, 556, 557; best. durch BFH vom 3.3.78,
III R 7/76, BStBl II 1978, 398, 399; zul. BFH vom 15.3.2000, II R 15/98, BStBl II 2000, 588, 590
7
BFH vom 6.12.1989, II R 103/86, BStBl II 1990, 434
8
BFH vom 15.10.1997, II R 68/95, BStBl II 1997, 820
9
Vgl. BFH vom 2.7.2004, II R 9/02, BStBl II 2004, 1039, 1040

8
Die Rechtfertigung diese Sonderstellung lässt sich nach der h.M. aus dem Korres-
pondenzprinzip herleiten.
1
Danach kann ein Vermögensgegenstand, der bei der Er-
mittlung des Steuerwertes der mit dem Erbfall verbundenen Erwerbsvorgänge mehr-
fach als Wertfaktor zu berücksichtigen ist, aus Gründen der steuerlichen Gleichbe-
handlung nicht mit unterschiedlichen Wertansätzen erfasst werden.
2
Beim reinen
Sachvermächtnis ist der zu übertragende Gegenstand an mindestens drei Positionen
als wertbestimmender Faktor zu berücksichtigen. Zunächst fällt er im Wege der Ge-
samtrechtsnachfolge in das Gesamthandsvermögen des Erben und ist dort mit dem
nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Wert anzusetzen. Die schuldrechtliche Sach-
leistungsverpflichtung des Erben, diesen Gegenstand an den Vermächtnisnehmer
herauszugeben, ist als Nachlassverbindlichkeit gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG vom
Gesamtwert des Nachlasses abzuziehen. Der Vermächtnisnehmer hat den Wert des
Sachleistungsanspruchs als Erwerb von Todes wegen zu versteuern. Wird bei der
Wertermittlung einheitlich der Steuerwert des Gegenstands zugrunde gelegt, korres-
pondiert die Verbindlichkeit, die der Erbe vom Nachlass abziehen kann, mit dem
Wert, den er für den dinglichen Erwerb des Gegenstandes anzusetzen hat. Im Er-
gebnis heben sich auf der Ebene des Erben der Wert des Gegenstandes und die
Sachleistungsverspflichtung auf. Der Vermächtnisnehmer hat den gleichen Wert zu
versteuern, den er bei direktem dinglichen Erwerb des Gegenstandes zu versteuern
hätte. Das Argument, das Erbschaftsteuerrecht habe streng dem Zivilrecht zu folgen,
wird somit zugunsten des Korrespondenzprinzips vernachlässigt.
3
Ob die bisherige Behandlung einseitiger Sachleistungsverpflichtungen aufrecht erhal-
ten werden kann, wurde von Viskorf
4
bereits in einer Anmerkung zum Urteil vom
6.6.2001, in dem es um Gegenstand und Bewertung von Kaufrechtsvermächtnissen
ging, angezweifelt. ,,Durch ein Sachvermächtnis, welches sich auf ein Grundstück
bezieht, erwirbt deshalb der Begünstigte nicht das Grundstückseigentum als solches,
sondern ebenfalls [wie beim Kaufrechtsvermächtnis
5
] nur einen Anspruch auf Ver-
schaffung desselben, der bei konsequenter Anwendung der Rechtsprechungsgrund-
sätze ebenfalls mit dem gemeinen Wert angesetzt werden müsste."
6
1
Vgl. CREZELIUS, Anmerkung, ZEV 2004, 476, 477; WACHTER, Grundstücksvermächtnisse, NotBZ
2005, 99, 100; a.A. HÜBNER, in: Viskorf/Glier u.a., ErbStG und BewG, § 3 ErbStG Tz. 129
2
Vgl. GEBEL, in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 3 ErbStG Tz. 172 (März 2005)
3
Vgl. SCHULZ, Erbschaftsteuer, 137
4
Hans-Ulrich Viskorf ist Mitglied im II. Senat des BFH
5
S. hierzu BFH vom 6.6.2001, II R 76/99, BStBl II 2001, 605
6
VISKORF, Anmerkung zum Urteil vom 6.6.2001, FR 2001, 966

9
2.2.2 Auf Grundlage des Obiter Dictums
Im Urteil vom 2.7.2004 äußert sich der BFH in einem Obiter Dictum dahingehend,
dass die bisherige Behandlung von Grundstücksvermächtnissen überprüft werden
muss. Der II. Senat weist auf die Sonderstellung von Sachvermächtnissen hin und
erläutert ausführlich, dass diese nicht im Hinblick auf den Vermächtnisnehmer ge-
rechtfertigt ist. Die bisher bestehende Sonderrolle des Sachvermächtnisses ist viel-
mehr eine Folge der Probleme, die sich bei der Ermittlung der steuerpflichtigen Be-
reicherung des Beschwerten ergeben.
1
Der anzustrebende Ausgleich von Aktiv- und
Passivposten auf Seiten des Erben, sowie die Erkenntnis, dass der Sachleistungs-
anspruch nicht anders bewertet werden soll als die ihm gegenüberstehende Ver-
pflichtung, sind als Ursache für die Ausnahmeregelung zu sehen. Zweifel werden
hinsichtlich der Frage aufgeworfen, ob diese Sonderstellung für Grundstücksver-
mächtnisse nach 1995 unter Geltung der § 12 Abs. 3 ErbStG i.V.m. §§ 138 ff. BewG
bestehen bleiben muss.
2
Im Hinblick auf die Entwicklung der Rechtsprechung des BFH zur Erbschaft- und
Schenkungsteuer in den letzten Jahren, können die Überlegungen des II. Senats, bei
der Bewertung von Sachvermächtnissen auf den gemeinen Wert abzustellen, nicht
überraschen.
3
Um eine Änderung ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung
rechtfertigen zu können, müssen jedoch geänderte Rechtsansichten vorliegen.
4
Nach
Auffassung des BFH führen die seit 1.1.1996 geltenden Bedarfswerte zu einer sol-
chen Änderung. Der Senat hält die gemäß § 138 Abs. 5 BewG gesondert festzustel-
lenden Grundstückswerte im Sinne des Absatz 3 Satz 1 der Vorschrift für typisie-
rende Werte, die - anders als die bisherigen Einheitswerte - ausdrücklich von den
jeweiligen gemeinen Werten abweichen sollen. Soweit diese Werte die Verkehrs-
werte unterschreiten, stellen sie bewusste Begünstigungen dar, die einer teilweisen
Steuerbefreiung gleichkommen.
Gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 ErbStG sind Schulden und Lasten, die mit teilweise be-
freiten Vermögensgegenständen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, nur mit
dem Betrag abzugsfähig, der dem steuerpflichtigen Teil entspricht. Der II. Senat sieht
in dieser Vorschrift die Lösung für die Problematik, die bisher durch Anwendung des
Korrespondenzprinzips überwunden wurde. Er betrachtet die Verpflichtung zur Her-
1
Vgl. VISKORF, Anmerkung zum Urteil vom 2.7.2004, FR 2004, 1337
2
Vgl. hierzu BFH vom 2.7.2004, II R 9/02, BStBl II 2004, 1039, 1040
3
So auch VISKORF, Anmerkung zum Urteil vom 2.7.2004, FR 2004, 1337
4
Vgl. OFD Frankfurt/M., Rdvfg. vom 22.2.2005, FG 2029 A ­ 4 ­ St II 4.01, DStR 2005, 871

Details

Seiten
Erscheinungsform
Originalausgabe
Jahr
2005
ISBN (eBook)
9783832494261
ISBN (Paperback)
9783838694269
DOI
10.3239/9783832494261
Dateigröße
747 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf – Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
Erscheinungsdatum
2006 (März)
Note
1,3
Schlagworte
grundstücksvermächtnis verkehrswerte betriebsvermögen stuttgarter verfahren bewertung
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Titel: Auswirkungen der neueren BFH-Rechtsprechung auf die erbschaft- und schenkungsteuerliche Behandlung von Sachvermächtnissen
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