Körper - Selbsterleben - Bewegung! Das Dreigestirn im Spannungsfeld von Krankheit und Therapie
Eine qualitative Studie an Brustkrebspatientinnen
					
	
		©2002
		Diplomarbeit
		
			
				403 Seiten
			
		
	
				
				
					
						
					
				
				
				
				
			Zusammenfassung
			
				Inhaltsangabe:Gang der Untersuchung:	
Thema der vorliegenden Arbeit ist die Erforschung des Wechselspiels von Körper-, Selbsterleben und sportlicher Aktivität im Kontext einer Brustkrebserkrankung auf qualitativer Ebene. Zum einen wird aus psychosozialer Perspektive die Gefährdung der Identität und des Körpererlebens von Frauen durch eine Brustkrebserkrankung untersucht, zum anderen aus sportwissenschaftlicher Perspektive die Frage diskutiert, ob (regelmäßige) sportliche Aktivität geeignet ist, um mit den starken physiologischen und psychologischen Belastungen einer Mammakarzinomerkrankung besser fertig zu werden.
Einen Einstieg in den Themenkomplex bilden Ausführungen zu medizinischem Basiswissen und psychologischen Folgen einer Brustkrebserkrankung. Nach einer terminologischen Präzisierung der Konstrukte Selbst- und Körpererleben werden die negativen Auswirkungen einer Brustkrebserkrankung und ihrer Behandlungsformen auf die subjektive Sichtweise der Konzepte Selbst und Körper dargestellt. Es folgen nach einer kurzen Abhandlung der soziokulturellen Aspekte einer Mammakarzinomerkrankung theoretische Überlegungen zu den Möglichkeiten sportlicher Aktivierung in der Rehabilitation brustkrebserkrankter Frauen, die in einem Erklärungsansatz zur Wechselwirkung von Körpererleben, Selbsterleben, Lebenszufriedenheit und körperlicher Aktivität münden. Der Darstellung der Untersuchungsmethodik wird die Diskussion zur Auswahl der Forschungsstrategie vorgeschaltet. Die Erhebung der Daten erfolgt auf Basis leitfadenorientierter Einzelinterviews, von denen drei aufgrund ihrer besonderen Prägnanz und thematischen Divergenz detaillierter ausgewertet werden.
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass sich die Auswirkungen einer Mammakarzinomerkrankung sowie sportlicher Aktivität auf das Körper- und Selbsterleben nur unter Berücksichtigung der individuellen Perspektive und einer Vielzahl mediatisierender Faktoren erklären lässt. Sportlicher Aktivität ist auf Basis der vorliegenden Untersuchungsergebnisse ein hoher Stellenwert für die körper- und selbstbezogene Krankheitsbewältigung beizumessen. Entsprechend den theoretischen Annahmen lässt sich eine positive Beeinflussung dieser Konstrukte auf mehreren Ebenen nachweisen.
	
Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
Abbildungs- und TabellenverzeichnisIII
1.Einleitung1
2.Das Krankheitsbild Brustkrebs  medizinische und psychologische Aspekte5
2.1Der medizinische Aspekt: Nosologie der Brustkrebserkrankung5
2.2Der […]
	Thema der vorliegenden Arbeit ist die Erforschung des Wechselspiels von Körper-, Selbsterleben und sportlicher Aktivität im Kontext einer Brustkrebserkrankung auf qualitativer Ebene. Zum einen wird aus psychosozialer Perspektive die Gefährdung der Identität und des Körpererlebens von Frauen durch eine Brustkrebserkrankung untersucht, zum anderen aus sportwissenschaftlicher Perspektive die Frage diskutiert, ob (regelmäßige) sportliche Aktivität geeignet ist, um mit den starken physiologischen und psychologischen Belastungen einer Mammakarzinomerkrankung besser fertig zu werden.
Einen Einstieg in den Themenkomplex bilden Ausführungen zu medizinischem Basiswissen und psychologischen Folgen einer Brustkrebserkrankung. Nach einer terminologischen Präzisierung der Konstrukte Selbst- und Körpererleben werden die negativen Auswirkungen einer Brustkrebserkrankung und ihrer Behandlungsformen auf die subjektive Sichtweise der Konzepte Selbst und Körper dargestellt. Es folgen nach einer kurzen Abhandlung der soziokulturellen Aspekte einer Mammakarzinomerkrankung theoretische Überlegungen zu den Möglichkeiten sportlicher Aktivierung in der Rehabilitation brustkrebserkrankter Frauen, die in einem Erklärungsansatz zur Wechselwirkung von Körpererleben, Selbsterleben, Lebenszufriedenheit und körperlicher Aktivität münden. Der Darstellung der Untersuchungsmethodik wird die Diskussion zur Auswahl der Forschungsstrategie vorgeschaltet. Die Erhebung der Daten erfolgt auf Basis leitfadenorientierter Einzelinterviews, von denen drei aufgrund ihrer besonderen Prägnanz und thematischen Divergenz detaillierter ausgewertet werden.
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass sich die Auswirkungen einer Mammakarzinomerkrankung sowie sportlicher Aktivität auf das Körper- und Selbsterleben nur unter Berücksichtigung der individuellen Perspektive und einer Vielzahl mediatisierender Faktoren erklären lässt. Sportlicher Aktivität ist auf Basis der vorliegenden Untersuchungsergebnisse ein hoher Stellenwert für die körper- und selbstbezogene Krankheitsbewältigung beizumessen. Entsprechend den theoretischen Annahmen lässt sich eine positive Beeinflussung dieser Konstrukte auf mehreren Ebenen nachweisen.
Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis:
Abbildungs- und TabellenverzeichnisIII
1.Einleitung1
2.Das Krankheitsbild Brustkrebs  medizinische und psychologische Aspekte5
2.1Der medizinische Aspekt: Nosologie der Brustkrebserkrankung5
2.2Der […]
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
ID 9421 
Klaus, Judith-Viola: Körper - Selbsterleben - Bewegung!  
Das Dreigestirn im Spannungsfeld von Krankheit und Therapie -  
Eine qualitative Studie an Brustkrebspatientinnen 
Druck Diplomica GmbH, Hamburg, 2006 
Zugl.: Universität Bielefeld, Diplomarbeit, 2002 
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http://www.diplom.de, Hamburg 2006 
Printed in Germany
Autorenprofil 
Die Autorin Judith-Viola Klaus, geb. Roestel, hat an der Universität Bielefeld Diplom-
Sportwissenschaft sowie Geschichts- und Sportwissenschaft auf Lehramt Sek. I und II stu-
diert. Während ihres Studiums arbeitete Frau Klaus zunächst als studentische Hilfskraft und 
später als Dozentin an der Universität Bielefeld unter der Obhut von Prof. Dr. Dr. Klaus Wil-
limczik. Ihr Diplom absolvierte sie mit sehr gut. Sie wurde für das beste Diplom der Sport-
wissenschaft 2002 ausgezeichnet und erhielt außerdem den Preis für die beste und interessan-
teste Diplomarbeit des Jahrgangs 2002. Seit Mai 2001 arbeitet Frau Klaus als Diplom-
Sportlehrerin in der ambulant-teilstationären Rehabilitation in Hannover. Derzeit befindet sie 
sich in Elternzeit.  
Danksagung 
In erster Linie danke ich den Frauen, denen ich hoffentlich mit meiner Arbeit 
eine Stimme geben konnte. Ich danke ihnen für das Vertrauen, das sie mir ge-
schenkt sowie die Freimütigkeit, mit der sie mir ihre Geschichte enthüllt haben 
und hoffe, daß meine Arbeit einen kleinen Baustein auf dem Weg zu einer stär-
keren Berücksichtigung des individuellen Krankheitserlebens bildet.   
Mein Dank gilt in besonderem Maße meinen Eltern, die mich durch jede Hürde 
meines Studiums begleitet haben und immer für mich da waren, wenn ich ihrer 
Hilfe bedurfte.  
Bei Christian, Stini, Rolf, Peter, Felix und insbesondere bei meinem Bruder A-
xel, der sich trotz anstehender Abschlußprüfungen die Zeit zum Korrektur lesen 
genommen hat, möchte ich mich für die konstruktive Kritik bedanken, die zeit-
weise zum Verzweifeln meinerseits, letztendlich aber zum Gelingen dieser 
Arbeit beigetragen hat.   
Kraft und Zuversicht schöpfte ich vor allem bei meinem zukünftigen Mann, dem 
ich für seine immer währende Geduld und aufbauenden Worte sowie für sein 
offenes Ohr und die guten Ratschläge bei allen auftretenden Problemen von Her-
zen danke.  
Hannover, im April 2002  
                                                                                                 Judith-Viola  Roestel
E
INLEITUNG
1 
Inhaltsverzeichnis 
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis... III 
1  Einleitung ...1 
2  Das Krankheitsbild Brustkrebs  medizinische und psychologische Aspekte...5 
2.1  Der medizinische Aspekt: Nosologie der Brustkrebserkrankung ...5 
2.2  Der psychologische Aspekt einer Brustkrebserkrankung ...17 
2.2.1 Der Stellenwert der weiblichen Brust in der westlichen Gesellschaft...18 
2.2.2  Psychische Folgen der Erkrankung ...19 
3  Das Selbst- und Körpererleben unter dem Einfluss einer Krebserkrankung...25 
3.1  Was bedeutet Körpererleben? ...26 
3.2  Was bedeutet Selbsterleben?...29 
3.3  Die Verbindung von Körper und Selbst...34 
3.4  Selbstbild und Körpererleben unter onkologischem Einfluß...38 
4  Soziokulturelle Aspekte einer Brustkrebserkrankung ...46 
5  Körperliche Aktivität und Krebs...50 
5.1  Sport- und Bewegungstherapie in der Krebsrehabilitation ...51 
5.2  Der Einfluß körperlicher Aktivität auf das Selbst- und Körperbild von 
Brustkrebspatientinnen...54 
6  Relevante Fragestellung der Untersuchung...60 
7  Methodik  Planung und Durchführung der Untersuchung ...63 
7.1  Entwicklung und Begründung der Forschungsstrategie ...63 
7.2 Untersuchungsdesign ...68 
8  Auswertung der qualitativen Studie...77 
8.1  Darstellung und Interpretation des Interviews mit Frau A ...77 
8.1.1 Kurzbiographie ...77 
8.1.2 Sequenzanalyse...78 
8.1.3 Detailanalyse ...86 
8.2  Darstellung und Interpretation des Interviews mit Frau S ...95 
E
INLEITUNG
2 
8.2.1 Kurzbiographie ...95 
8.2.2 Sequenzanalyse...96 
8.2.3 Detailanalyse ...103 
8.3  Darstellung und Interpretation des Interviews mit Frau M...114 
8.3.1 Kurzbiographie ...114 
8.3.2 Sequenzanalyse...114 
8.3.3 Detailanalyse ...121 
8.4  Vergleich der Ergebnisse und Einbettung in die Sekundärliteratur...131 
Schlußbetrachtung ...142 
Literaturverzeichnis...145 
E
INLEITUNG
1 
Abbildungsverzeichnis 
Abbildung 2-1: Sterbefälle durch Herz-Kreislauferkrankungen und bösartige 
Neubildungen im internationalen Vergleich ...6 
Abbildung 2-2: Die häufigsten Krebserkrankungen in Deutschland 1998 ...7 
Abbildung 2-3: Brustkrebs-Neuerkrankungen 1998, aufgesplittet nach Alter ...8 
Abbildung 2-4: Verschiedene Ursprungsorte des Mammakarzinoms ...10 
Abbildung 3-1: Strukturmodell des Selbstkonzepts als assoziatives Netzwerk ...32 
Abbildung 3-2: Die Entwicklung des Körpererlebens und die Verbindung zum Selbst ...37 
Abbildung 5-1: Fortschreitender Substanzverlust als Folge eines Circulus Vitiosus...52 
Abbildung 5-2: Das Wechselspiel von Sport, Körper- und Selbsterleben...59 
Abbildung 8-1: Die Potentiale sportlicher Aktivität in der körper- und 
selbstbezogenen Krankheitsbewältigung von Brustkrebspatientinnen ...141 
Tabellenverzeichnis 
Tabelle 1: Stadien der Tumorgröße ...9 
Tabelle 2: Bekannte Risikofaktoren beim Mammakarzinom ...13 
Tabelle 3: Übersicht zum Interview mit Frau A ...84 
Tabelle 4: Übersicht zum Interview mit Frau S...102 
Tabelle 5: Übersicht zum Interview mit Frau M...119 
E
INLEITUNG
1 
1 Einleitung 
,,Ich bildete mir ein, keine richtige Frau mehr zu sein" 
(Heinze 1994, 4) 
,,Ich wurde häufig gefragt, wie mein Mann damit zurechtkommt, daß ich nur 
noch eine Brust habe. Ich wurde selten gefragt, wie ich damit zurechtkomme."  
(Hasse 2000, 51) 
Die Äußerungen dieser beiden Frauen im Rahmen verschiedener Interviews greifen 
die zentrale Problematik einer Erkrankung an Brustkrebs auf. Durch die Verbindung 
der Brust mit weiblichen, mütterlichen, sexuellen und kosmetischen Bedeutungen 
trifft diese Erkrankung eine Frau zentral in ihrer Identität und ihrem Selbst (vgl. 
Z
ETTL 
&
H
ARTLAPP
 1997, 37ff.; S
ALTER
 1998, 137f.). Zudem führt der chirurgische 
Eingriff zu einer Verletzung der körperlichen Integrität und des emotionalen Körper-
erlebens. Hinzu kommt, daß Krebs nach wie vor bewußt oder unbewußt mit 
qualvollem Leiden und dem sicheren Tod assoziiert wird, so daß auch das emotiona-
le Erleben der Frau Beeinträchtigung erfährt (vgl. Z
IEGLER ET AL
. 1990, 3ff.). Die 
Krankheit greift in das Passungsgefüge von Person und Umwelt ein und verlangt die 
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INLEITUNG
2 
Anpassung gewohnter Lebensbezüge sowie den Aufbau einer neuen körper- und 
selbstbezogenen Identität.  
Seit Mitte des 20. Jahrhunderts beschäftigen sich zahlreiche Untersuchungen mit den 
psychischen Problemen von Brustkrebspatientinnen. Bei der Erforschung der Krank-
heit zeigt sich eine große Heterogenität von Untersuchungsansätzen, Fragestellungen 
und empirischen Vorgehensweisen. Dabei scheinen die meisten Arbeiten eher an 
Konzepten als an der Praxis orientiert zu sein. Hochkomplexe theoretische Konstruk-
te stehen einer völlig zersplitterten, auf Teilaspekte spezialisierten empirischen 
Forschung gegenüber. Das subjektive Erleben der Betroffenen, ihre viele Faktoren 
integrierende Sicht der Lage und Handlungsmöglichkeiten wird dabei vielfach ver-
nachlässigt. Der einzelne kranke Mensch bleibt in den Untersuchungen als 
Individuum oft blaß oder erscheint gar nicht erst. Erst in neuerer Zeit finden sich 
zunehmend Bemühungen um qualitative Forschung und ein größeres Interesse am 
einzelnen Menschen (vgl. S
CHÄFER
 1995, L
UCIUS
-H
OENE
 1998).  
Die vorliegende Arbeit stellt den betroffenen Menschen und seine integrative Be-
trachtungsweise in den Mittelpunkt, denn nur eine ganzheitliche Sicht vieler 
Teilaspekte scheint dem umfassenden menschlichen Erleben im Umgang mit Krisen 
gerecht zu werden. Die Studie soll einen kleinen Beitrag zur Beleuchtung der ,,In-
nenseite" betroffener Frauen leisten und die Subjektivität des Krankheits- und 
Behandlungserlebens  in den Vordergrund stellen. Erkenntnisleitendes Interesse ist 
es, mehr darüber zu erfahren, wie sich der Einbruch der Krankheit in die Lebenswelt 
der Frau aus der Perspektive einer Betroffenen darstellt und wie Therapiephase sowie 
das Leben mit der Krankheit von der Patientin selbst gesehen und beschrieben wer-
den. Die Vorgehensweise berücksichtigt die Tatsache, daß belastende Ereignisse und 
Erfahrungen in Abhängigkeit vom soziokulturellen Lebenshintergrund einer Person 
ganz unterschiedlich gewichtet sein können. Das zentrale Thema der Arbeit bildet 
die Gefährdung der Identität und des Körpererlebens  von Frauen durch eine 
Brustkrebserkrankung. Aus sportwissenschaftlicher Perspektive wird zudem die 
Frage diskutiert, ob (regelmäßige) sportliche Betätigung geeignet ist, um mit den 
starken physiologischen und psychosozialen Belastungen einer Mammakarzinom-
erkrankung
1
 besser fertig zu werden. Da Krebs heute allgemein als eine chronische 
Krankheit gesehen wird, die ein Weiterleben ermöglicht und Anpassungen erfordert, 
1
 Das Wort Mammakarzinom ist der medizinische Fachausdruck für Brustkrebs.  
E
INLEITUNG
3 
müssen die psychosozialen Probleme und die Lebensqualität der Patientinnen stärker 
in Überlegungen bezüglich Therapie und Nachsorge einbezogen werden. Sportliche 
Aktivität bietet eine Möglichkeit, die psychosoziale Lebenssituation von Brust-
krebspatientinnen in positive Richtung zu beeinflussen. Dabei wirkt sich die 
körperliche Betätigung nicht nur förderlich auf die physische Leistungsfähigkeit aus, 
sondern wird vielfach auch in Zusammenhang mit psychischen Effekten diskutiert 
(vgl. P
AHMEIER 
1994, 44ff.;
S
CHULZ ET AL
. 1998, 398). Da der Körper die Grundlage 
jeglicher Handlung darstellt, kann über die Bewegung ein Gefühl für die veränderte 
Körperlichkeit infolge eines Mammakarzinoms vermittelt werden. Daneben finden 
sich Potentiale des Sports in Bezug auf eine positive Beeinflussung von Wohlbefin-
den und Selbstwertgefühl (vgl. A
LFERMANN 
& S
TOLL
 2000, 47ff.).  
Aufbau der Arbeit  
Die interpretativ angelegte Arbeit orientiert sich an dem klassischen dreiteiligen 
Schema Theorie  Empirie  Interpretation. Im theoretischen Teil erfolgt ein erster 
Zugang zum untersuchten Themenkomplex. Nach einer kurzen medizinischen Vor-
stellung des Krankheitsbildes Brustkrebs, in deren Rahmen Ursachen und 
Therapiemöglichkeiten thematisiert werden (vgl. Kap. 2.1), erfolgt die Darstellung 
psychischer Auswirkungen der Erkrankung (vgl. Kap. 2.2). In diesem Kontext wird 
die spezifische Problemsituation einer Brustkrebserkrankung erläutert, bevor die Ar-
beit auf das Selbst- und Körpererleben fokussiert (vgl. Kap. 3). Dabei erfolgt in 
einem ersten Schritt ein allgemeiner Überblick über diese Konstrukte, der neben ei-
ner konzeptuellen Erläuterung die terminologische Präzisierung anstrebt (vgl. Kap. 
3.1 und 3.2). Im Anschluß an die Ausführungen zum Zusammenhang von Körper 
und Selbst (vgl. Kap. 3.3) geht die Arbeit ausführlich auf das Selbst- und Körperer-
leben von Brustkrebspatientinnen ein (vgl. Kap. 3.4). Nach einem kurzen Abriß der 
soziokulturellen Aspekte einer Mammakarzinomerkrankung (vgl. Kap. 4) wird zu-
nächst allgemein der Themenbereich Krebs und Sport behandelt und unter 
Berücksichtigung der Diskrepanz zwischen theoretischen Erwartungen bezüglich der 
Wirkungsweise von Sport und der empirischen Befundlage das Potential einer sport-
lichen Intervention diskutiert (vgl. Kap. 5.1). Auf der Basis eines theoretischen 
Modells zur Wirkungsweise der Bewegungstherapie auf den Komplex Selbst- und 
Körpererleben erfolgt der Transfer der vorherigen Ausführungen auf den spezifi-
E
INLEITUNG
4 
schen Untersuchungsgegenstand (vgl. Kap. 5.2). Der empirische Teil beginnt mit der 
Präzisierung der relevanten Fragestellung (vgl. Kap. 6). Hieran schließt sich die Dis-
kussion zur Methodenwahl an (vgl. Kap. 7.1), die in Ausführungen zu 
Untersuchungsdesign und Vorgehensweise mündet (vgl. Kap. 7.2). Es folgt die Dar-
stellung und Auswertung einzelner Interviews, deren Ergebnisse mit den 
Erkenntnissen bisheriger Forschungsarbeiten in Konstrast gestellt und diskutiert 
werden (Kap. 8). Mit einer Schlußbetrachtung, in der die Untersuchungsergebnisse 
zusammengefaßt und Potentiale zukünftiger Studien aufgezeigt werden (vgl. Kap. 9), 
endet diese Arbeit.  
Persönliche Stellungnahme 
Schon während des Studiums wurde bei mir das Interesse an der Erforschung malig-
ner Tumorerkrankungen geweckt. Dieses Interesse basierte zum einen auf der 
Erfahrung, daß Untersuchungen an Krebskranken in der sportwissenschaftlichen For-
schung eher selten waren, demnach ein hoher Forschungsbedarf existiert und sich 
mir ein weites Forschungsfeld eröffnet. Zum anderen erwuchs der Wunsch, diesen 
Themenbereich näher zu ergründen, einer direkten, persönlichen Betroffenheit, da 
Krebserkrankungen auch Personen aus meinem engeren und weiteren Umfeld betra-
fen. Im direkten Kontakt mit Erkrankten wurde jedoch deutlich, daß die Erkrankung 
an einer lebensbedrohlichen Krankheit nicht bedeutet, daß der Kranke bereits tot ist, 
sondern, im Gegenteil, bei ausreichender Aufklärung aktiv an seiner Lebensqualität 
mitwirken kann. Die beobachtete Unsicherheit im Kontakt mit Tumorpatienten und 
die Schwierigkeit, offen mit ihnen zu reden, führten mich zu einer intensiven Be-
schäftigung mit diesem Thema und bildeten die Motivation für eine Arbeit dieser 
Art. So entstand dieses Werk aus einem verzahnten Wechselprozeß zwischen wis-
senschaftlichem Forschungsinteresse und persönlicher Betroffenheit in dem Wunsch, 
Krankheit und Krankheitserleben aus der subjektiven Perspektive in ihrer Komplexi-
tät zu explorieren, um hieraus Hinweise für eine verbesserte Betreuung und erhöhte 
Lebensqualität krebskranker Menschen zu erhalten.  
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RANKHEITSBILD 
B
RUSTKREBS 
 MEDIZINISCHE UND PSYCHOLOGISCHE 
A
SPEKTE
5 
2  Das Krankheitsbild Brustkrebs  medizinische und 
psychologische Aspekte  
2.1  Der medizinische Aspekt: Nosologie der Brustkrebser-
krankung 
Brustkrebs  das ist nur eine Erkrankungsform von über hundert verschiedenen 
Krankheitsbildern, die dem Krebsleiden zuzuordnen ist. Vom medizinischen Stand-
punkt aus kann man nicht von der Krebserkrankung sprechen, vielmehr existiert eine 
Vielzahl maligner Tumore, die sich in Wachstum und Prognostizierbarkeit völlig 
unterschiedlich verhalten können (vgl. H
ELLMAN
 1997, 59). Die verschiedenen 
Krebsarten lassen sich anhand spezifischer histologischer, molekular biologischer 
und biochemischer Merkmale differenzieren (vgl. A
EBISCHER
 1987, 7). Dieses Kapi-
tel liefert medizinisches und psychologisches Basiswissen zum besseren Verständnis 
einer Krebserkrankung. Da sich die Studie auf die Untersuchung brustkrebserkrank-
ter Frauen beschränkt, fokussiert das Kapitel die medizinischen und psychologischen 
Aspekte einer Mammakarzinomerkrankung.  
Epidemiologie 
Krebserkrankungen gewinnen in unserer Gesellschaft zunehmend an Bedeutung. 
Während früher die Mehrzahl der Todesfälle auf Infektionskrankheiten zurückge-
führt werden konnte, stehen heute die chronischen Zivilisationskrankheiten, zu denen 
auch die bösartigen Neubildungen  umgangssprachlich als Krebs bezeichnet  zäh-
len, im Vordergrund (vgl. S
CHÜLE
 1997, 11). Dieser ,Panoramawandel` betrifft 
Morbiditäts- wie Mortalitätsraten gleichermaßen. Krebserkrankungen kommt eine 
stetig wachsende Bedeutung zu; in den letzten dreißig Jahren hat sich die Zahl der 
durch Krebsleiden bedingten Todesfälle verdoppelt. Zwei Bedingungen spielen dabei 
eine wesentliche Rolle: Erstens ist Krebs eine Krankheit des höheren Lebensalters 
und die Lebenserwartung ist im 20. Jahrhundert stetig angestiegen; zweitens werden 
heutzutage aufgrund weiterentwickelter diagnostischer Methoden mehr Krebserkran-
kungen diagnostiziert. Mittlerweile machen Tumorerkrankungen international bereits 
D
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 MEDIZINISCHE UND PSYCHOLOGISCHE 
A
SPEKTE
6 
ein Viertel aller Sterbefälle aus und liegen damit an zweiter Stelle hinter den Herz-
Kreislauferkrankungen (vgl. Abb. 2-1). 
A
BBILDUNG 
2-1: S
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1995, 1996 
Nach den neuesten Schätzungen des Robert-Koch-Instituts erkrankten 1998 insge-
samt etwa 179 000 Frauen und 168 000 Männer in Deutschland erstmalig an Krebs.
2
Während die Gesamtinzidenz der Tumorerkrankungen innerhalb der Geschlechter 
also ungefähr gleichermaßen verteilt ist, lassen sich deutliche Unterschiede in der 
Lokalisation des Tumorbefalls ausmachen. Bei den Männern stellt der Prostatakrebs 
vor Lungen- und Darmkrebs die häufigste Krebserkrankung dar. Frauen erkranken 
hingegen am häufigsten an Brustkrebs, gefolgt vom Krebs im Dick- und Mastdarm-
bereich (vgl. Abb. 2-2).  
2
  Daten zu Neuerkrankungen an Krebs werden in Deutschland noch nicht einheitlich dokumentiert. 
So kann die Zahl der Krebsneuerkrankungen in Deutschland nur geschätzt werden. Diese Schät-
zungen werden regelmäßig von der Dachdokumentation Krebs im Robert-Koch-Institut 
durchgeführt, wobei sich die neuesten Angaben auf das Jahr 1998 beziehen.  
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RUSTKREBS 
 MEDIZINISCHE UND PSYCHOLOGISCHE 
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SPEKTE
7 
A
BBILDUNG 
2-2: D
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EUTSCHLAND 
1998 
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NSTITUT
Jede achte bis zehnte Frau erkrankt in ihrem Leben an einem Mammakarzinom. In 
der Bundesrepublik Deutschland registrierten Epidemiologen 1998 rund 46 000 Neu-
erkrankungen an Brustkrebs, Tendenz steigend. Bei der Altersverteilung der 
Patientinnen zum Zeitpunkt der Diagnostik sind die 60-74jährigen am häufigsten 
betroffen, dicht gefolgt von den 45-59jährigen (vgl. Abb. 2-3).  Nach K
OUBENEC
(2002, 8) steigt das Erkrankungsrisiko ab dem vierten Lebensjahrzehnt mit steigen-
dem Alter allmählich an. In zunehmendem Maße betrifft die Erkrankung aber auch 
jüngere Frauen. 
Jährlich sterben etwa 18 400 Frauen an den Folgen eines Mammakarzinoms (vgl. 
D
EUTSCHE 
K
REBSHILFE 
2000, 5). Die Erkrankung an Brustkrebs ist die häufigste 
Krebstodesursache bei Frauen, zwischen dem 40. und 45. Lebensjahr stellt das 
Mammakarzinom sogar die häufigste Todesursache bei Frauen überhaupt dar.  
D
AS 
K
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B
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 MEDIZINISCHE UND PSYCHOLOGISCHE 
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8 
A
BBILDUNG 
2-3: B
RUSTKREBS
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1998, 
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NSTITUT
Trotz intensiver Grundlagenforschung, die zu einer Erweiterung der Kenntnisse über 
die Krebsentstehung führte, fehlen präventive oder therapeutische Maßnahmen, die 
einen sicheren Schutz vor Krebs gewährleisten (vgl. L
ÖTZERICH 
& U
HLENBRUCK
1995, 86ff.). Obwohl medizinische Behandlungsmaßnahmen immer erfolgreicher 
werden, ist es bislang nicht gelungen, die Sterberate am Mammakarzinom zu senken. 
Noch immer sterben nach L
ÖTZERICH 
& U
HLENBRUCK
 (1995, 86) mehr als die Hälfte 
der Patientinnen innerhalb der ersten fünf Jahre nach der Diagnose an einem Rezidiv 
oder an Metastasen
3
. Andere Autoren (vgl. K
EREKJATO ET AL
. 1996, 394; H
ELLMANN 
& E
VERETT 
1997, 70) beziffern die Fünf-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit bei 
Brustkrebs mit 70 Prozent. Aus dieser Diskrepanz wird deutlich, daß grundsätzlich 
alle Prognosen mit großer Vorsicht zu genießen sind. Selbst dieselbe Tumorart mit 
gleicher Größe, Lokalisation und in gleichem Stadium kann sich bei verschiedenen 
Patienten ganz unterschiedlich entwickeln (vgl. I
HDE
 1997a, 999). 
3
 Der Begriff Metastase bezeichnet die Bildung eines Tumors an einer anderen, primär nicht erkrank-
ten Stelle im Organismus durch die Absiedlung von Tumorzellen über den Blut- und Lymphweg 
(Tochtergeschwulst). Dabei unterscheidet man lokale (in der Umgebung des Primärtumors), regio-
näre (in der nächsten Lymphknotengruppe) und Fernmetastasen.  
D
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9 
Klassifikation 
Krebstumore werden nach dem internationalen TNM-Schema eingeteilt, wobei T 
(Tumor) für die Größe des Primärtumors, N (Nodulus) für das Fehlen oder Vorhan-
densein von Lymphknotenmetastasen und M (Metastase) für Fernmetastasen steht. 
Durch die Verbindung der Buchstaben mit Zahlen wird die anatomische Ausdehnung 
des malignen Prozesses angegeben. Diese Klassifikation kann auf der Basis einer 
mikroskopisch exakten Untersuchung des entnommenen Gewebes ergänzt oder ab-
geändert werden. Im Fall einer pathologischen Untersuchung wird die Klassifikation 
über den Buchstaben p kenntlich gemacht (pTpNpM). Die Tumorgröße (T) läßt sich 
in vier verschiedene Stadien einteilen (vgl. Tab. 2-1).  
T
ABELLE 
1: S
TADIEN DER 
T
UMORGRÖßE
Stadium 
Tumorgröße 
1a 
Der Primärtumor ist bis 0,5 cm groß 
1b 
Der Primärtumor ist zwischen 0,5 und 1 cm groß 
1c 
Der Primärtumor ist zwischen 1 und 2 cm groß 
2 
Der Primärtumor ist 2 bis 5 cm groß 
3 
Der Primärtumor ist größer als 5 cm 
4 
Tumor jeder Größe mit direkter Ausdehnung in die Nachbarschaft (Brustwand oder Haut) 
Q
UELLE
: D
EUTSCHE 
K
REBSHILFE 
2000 
Je kleiner ein Tumor ist, desto geringer ist das Risiko der Streuung. Bei einer Opera-
tion werden grundsätzlich Lymphknoten entfernt, um einen Lymphknotenbefall zu 
überprüfen, der als Indikator für die Ausbreitung des Tumors gilt. Die Lymphkno-
tenentfernung stellt also lediglich ein diagnostisches Verfahren dar und dient der 
Entscheidung über die weitere Therapieform.  
Ebenso wenig wie man von dem Krebs sprechen kann, trifft diese Eingrenzung auf 
das Mammakarzinom zu. Bösartige Tumore der Brust können von verschiedenen 
Bereichen der Brust ausgehen, dementsprechend existieren auch unterschiedliche 
Brustkrebsformen (vgl. K
OUBENEC
 2002, 7). Meistens entstammen Mammakarzino-
me den Milchgängen (intraduktal), seltener den Drüsenläppchen (intralobulär). Nach 
einem Vorschlag der Weltgesundheitsorganisation (WHO) 1981 werden die malig-
nen Tumore der Brust in nicht-invasive und invasive Karzinome zusammengefaßt 
D
AS 
K
RANKHEITSBILD 
B
RUSTKREBS 
 MEDIZINISCHE UND PSYCHOLOGISCHE 
A
SPEKTE
10 
(vgl. B
ISCHOF 
& S
ENN 
1999, 69). Während der Gruppe der nicht-invasiven Karzino-
me vor allem die intraduktalen Karzinome zuzuordnen sind, die bei steigender 
Tendenz ca. 10 bis 15 Prozent der Brustkrebserkrankungen ausmachen, handelt es 
sich bei 80 bis 85 Prozent der Brustkrebserkrankungen um ein invasives Karzinom. 
Unter diesen infiltrierenden Tumoren treten am häufigsten Milchgangkarzinome in 
ihrer unterschiedlichen Differenzierung auf (ca. 80 Prozent).  
A
BBILDUNG 
2-4: V
ERSCHIEDENE 
U
RSPRUNGSORTE DES 
M
AMMAKARZINOMS
Q
UELLE
: R
ÜDIGER 
A
NATOMIE
, A
NATOMISCHE 
T
AFELN 
(
AUS 
K
OUBENEC 
2002) 
Eine weitere Einteilung erfolgt bezüglich der Frage, ob es nur einen Krebsherd gibt 
oder ob mehrere Zentren über die gesamte Brust verteilt existieren. Bei mehreren 
Krebsherden spricht man von multizentrisch, liegen mehrere Herde nur in einem 
Brustviertel spricht man von multifokal.   
D
AS 
K
RANKHEITSBILD 
B
RUSTKREBS 
 MEDIZINISCHE UND PSYCHOLOGISCHE 
A
SPEKTE
11 
Ätiologie 
Nach dem heutigen Kenntnisstand der Medizin ist die Entstehungsfrage des Krebs 
kein Rätsel mehr. Warum er sich entwickelt, ist hingegen noch nicht endgültig ge-
klärt. Diskutiert werden genetische, chemische, entzündliche, infektiöse und 
physikalische Faktoren, die als Ursache in Frage kommen. Trotz der oben angespro-
chenen Verschiedenartigkeit von Krebserkrankungen entstehen alle Tumore offenbar 
durch ähnliche grundlegende Prozesse. Allgemein haben Tumorerkrankungen ihren 
Ursprung in Fehlregulationen des Zellwachstums und der Zelldifferenzierung, resul-
tierend aus einer Veränderung des Erbmaterials (vgl. W
EINBERG
 1997, 7ff.). Der 
grundlegende gemeinsame Nenner aller Krebserkrankungen ist eine mutierte Zelle. 
Durch Mutationen bestimmter Klassen von Genen kann die Zelle aus dem Gleichge-
wicht gebracht werden. Man geht davon aus, daß Schädigungen und Störungen im 
Erbmaterial zwei Klassen von Genen betreffen, die für die Krebsentstehung eine 
wesentliche Rolle spielen: Die Proto-Onkogene, die allgemein für die Förderung des 
Zellwachstums verantwortlich sind, und die Tumorsupressor-Gene, die das Zell-
wachstum bremsen. Mutationen von Proto-Onkogenen können dazu führen, daß eine 
Zelle beginnt, sich schnell und unkontrolliert zu teilen und in ihrem Wachstum nicht 
durch äußere Einflüsse regulieren läßt. Damit entzieht sich ein Teil des Körpers der 
übergeordneten Kontrolle. Die ungebremste Proliferation der Krebszellen führt zur 
fortwährenden Vergrößerung des Tumors. Im Laufe der Zeit dringt das Geschwulst 
in umliegendes Gewebe ein. Besonders gefährlich ist die Eigenschaft, daß sich entar-
tete Zellen aus dem Primärtumor lösen, durch den Transport im Lymph- und/oder 
Blutkreislauf in andere Körperregionen eindringen und dort Metastasen bilden kön-
nen. Der Vorgang der unkontrollierten Teilung kann aber nur dann stattfinden, wenn 
die körpereigenen Überwachungsmechanismen nicht ausreichen, um den Tumor er-
folgreich abzuwehren (vgl. W
EINBERG
 1997, 9f.). Demnach müssen 
Tumorsupressor-Gene durch zusätzliche Gen-Mutationen deaktiviert werden, wo-
durch die Zelle wichtige Kontrollinstanzen verliert, die ihre Teilungsaktivität 
normalerweise in Schranken halten.  
Eine Krebserkrankung wird ebenfalls mit dem Immunsystem in Zusammenhang ge-
bracht. Bis vor kurzem ging man noch davon aus, daß Krebs durch eine Störung des 
Immunsystems entsteht, in Folge dessen sich Krebszellen unkontrolliert vermehren 
und Tochtergeschwülste bilden können. Beim gesunden Menschen existiert ein im-
munologisches Überwachungssystem, das körperfremde und abnorme Zellen erkennt 
D
AS 
K
RANKHEITSBILD 
B
RUSTKREBS 
 MEDIZINISCHE UND PSYCHOLOGISCHE 
A
SPEKTE
12 
und eliminiert. Bei einem geschwächten oder zumindest teilweise defekten Immun-
system arbeitet dieses Überwachungssystem nicht mehr einwandfrei, so die These. 
Daher könne es malignen Zellen gelingen, den Abwehrmechanismen zu entkommen 
und einem eigenen, unkontrollierten Vermehrungsprogramm zu folgen (vgl. 
L
ÖTZERICH 
& U
HLENBRUCK
 1995, 86ff.). Doch auch bei funktionierender immuno-
logischer Überwachung kann sich eine Krebserkrankung entwickeln. Nach heutigem 
Kenntnisstand scheint die Rolle des Immunsystems bei Krebserkrankungen eine an-
dere zu sein als die, die körpereigene Abwehrmechanismen bei der Bekämpfung von 
Krankheitserregern spielen, welche ist allerdings noch weitgehend unerforscht (vgl. 
K
OUBENEC
 2002, 6).  
Für die Herausbildung einer Krebserkrankung gibt es nicht die Ursache, vielmehr 
herrscht ein multifaktorielles Ursachengefüge vor. Es müssen viele interne und ex-
terne Faktoren zusammenwirken, um aus einer gesunden Zelle eine Krebszelle 
werden zu lassen. Im Vorfeld jeder Krebserkrankung treffen verschiedene Karzino-
gene
4
 aufeinander. Es gibt eine Fülle von Risikofaktoren, die die Entartung normaler 
Zellen zu Krebszellen begünstigen können (vgl. K
OUBERNEC
 2002, 8-11).   
So sind bei der Suche nach möglichen Gründen der Brustkrebsentstehung die beiden 
,specific cancer susceptibility genes` BRCA-1 und BRCA-2
5
 entdeckt worden (vgl. 
W
EINBERG
 1997, 11; T
RICOPOULOS ET AL
. 1997, 33). Mutationen dieser Gene erhö-
hen das Brustkrebsrisiko erheblich. Schätzungsweise kommen diese Genmutationen 
in ca. 5 bis 10 Prozent aller Brustkrebserkrankungen vor. Als weitere Risikofaktoren 
für das Auftreten eines Mammakarzinoms werden höheres Alter, Kinderlosigkeit, 
eine frühe Menarche
6
, ein später Eintritt der Menopause, Viruserkrankungen, späte 
Schwangerschaften, nicht stillende Frauen, bestimmte Ernährungsgewohnheiten, 
Problem-Mastophathie
7
 sowie Adipositas angesehen (vgl. T
RICHOPOULOS ET AL
. 
1997, 25ff.). Im Vergleich zu den Umwelteinflüssen scheint der genetische Einfluß 
4
 Karzinogene sind Faktoren oder Substanzen, die das Risiko, an einem malignen Tumor zu erkran-
ken, erhöhen.  
5
  Beide Gene gehören zu der Gruppe der Tumorsuppressor-Gene. Sie codieren für Proteine, welche 
die Teilung einer Zelle unterdrücken, so daß eine Gen-Mutation zum Verlust dieser Kontrollinstanz 
führt.  
6
 Zeitpunkt des ersten Auftretens der Menstruation 
7
 Der Begriff Mastopathie steht für degenerative oder wuchernde Umbauprozesse der Brustdrüse, die 
sich in einfache, gering proliferierende und atypisch proliferierende Mastopathie differenzieren las-
sen. Die beiden letzten Formen gelten als Risikofaktoren für die Erkrankung an einem 
Mammakarzinom.  
D
AS 
K
RANKHEITSBILD 
B
RUSTKREBS 
 MEDIZINISCHE UND PSYCHOLOGISCHE 
A
SPEKTE
13 
allerdings gering zu sein (vgl. K
EREKJATO ET AL
. 1996, 395; S
CHULZ ET AL
. 1998, 
10). Nach B
ISCHOF 
& S
ENN 
(1999, 70) lassen sich zu einigen bekannten Risikofakto-
ren Angaben zur Risikovermehrung bzw. -verminderung machen (vgl. Tab. 2-1).  
T
ABELLE 
2: B
EKANNTE 
R
ISIKOFAKTOREN BEIM 
M
AMMAKARZINOM
Faktor 
Erhöhtes Risiko 
Relatives Risiko 
(Vermehrung) 
Niedriges Risiko 
Relatives Risiko 
(Verminderung) 
Familiäre Belas-
tung 
Erkrankte Mutter / 
Schwester  
(v.a. < 50 J.),
1 Person 
3-5 
8 
Nicht zutreffend 
 Mehrere 
Personen 
6-10 
Familienstand Ledig, 
kinderlos 2 
Verheiratet 
Nullipara
8
Ja 
1,5-4 
Alter bei 1. Geburt  > 35 Jahre 
3 
< 20 Jahre 
Stillperioden  
> 4 Wochen 
  Ja 
0,5 
Menarche 
< 12 Jahre  
2 
> 16 Jahre 
0,3 
Menopause  
> 55 Jahre  
2 
< 45 Jahre 
0,5 
Mastopathie II. 
Grade 
III. Grades 
1-2 
5 
Ionisierende 
Strahlen 
> 90 cGy 
5 
< 90 cGy 
Frühere Adeno-
karzinome 
Mammakarzinom 
Korpuskarzinom 
Ovarialkarzinom 
Kolerektalkarzinom
5 
1,5 
3 
3 
Q
UELLE
: B
ISCHOF 
& S
ENN 
1999 (Anm.: Relatives Risiko als multiplikativer Faktor) 
Während die Forschung bezüglich der medizinischen Ursachen schon recht weit 
fortgeschritten ist, wird die Frage, ob und inwieweit psychologische Faktoren 
Einfluß auf die Krebsentstehung haben, noch kontrovers diskutiert. Da sich die Ent-
stehung einer Krebserkrankung allein mit genetischen und umweltbedingten 
Faktoren nicht hinreichend erklären ließ, haben Wissenschaftler begonnen, nach psy-
chischen Ursachen zu forschen (vgl. Studien von B
AHNSON
 1986; E
YSENCK
 1988; 
S
CHWARZ
 1991). Hinsichtlich der Hypothese einer Krebspersönlichkeit sind die Er-
gebnisse jedoch mehr als unbefriedigend. Die vielen verschiedenen Untersuchungen 
brachten recht unterschiedliche ,typische` Charaktere und Eigenschaften zu Tage, die 
zum Teil sogar widersprüchlich sind. Bis heute gibt es keinen wissenschaftlichen 
8
 Nullipara ist die fachmedizinische Bezeichnung für eine Frau, die nicht entbunden hat.  
D
AS 
K
RANKHEITSBILD 
B
RUSTKREBS 
 MEDIZINISCHE UND PSYCHOLOGISCHE 
A
SPEKTE
14 
Nachweis darüber, daß eine bestimmte Persönlichkeitsstruktur die Entstehung von 
Krebs begünstigt (vgl. K
EREKJATO ET AL
. 1996, 399; B
ISCHOF 
& S
ENN
 1999, 203f.).  
Hingegen scheint die Erforschung des Einflusses von Streß bei der Tumorgenese 
erfolgreicher zu sein. Im Rahmen psychoimmunologischer Überlegungen wird ange-
nommen, daß streßreiche Belastungen, vor allem der mit Hilflosigkeitsstreß 
einhergehende Kontrollverlust, immunsuppressiv wirken (vgl. B
IRBAUMER
 1986, 
217; K
EREKJATO ET AL
. 1996, 400) und somit eine Tumorentwicklung begünstigen. 
Mit der Frage nach der krankheitsbegünstigenden Wirkung kritischer Lebensereig-
nisse hat sich besonders F
ILIPP
 (1985a) intensiv befaßt.
9
 Zusammenfassend bleibt 
festzuhalten, daß die Tumorgenese multifaktoriell bedingt ist, wobei der konkrete 
Einfluß der verschiedenen Faktoren noch zu erforschen ist.   
Symptome und diagnostische Verfahren 
Im Gegensatz zu vielen anderen Erkrankungen, die sich durch Warnsignale ankündi-
gen, fehlen beim Brustkrebs in der Regel Frühsymptome. Unspezifischen 
Symptomen wie z.B. Abgeschlagenheit werden häufig anderen Ursachen zuge-
schrieben. Erst mit dem Ertasten eines Knotens in der Brust zeigt sich für die 
Patientin ein deutliches Leitsymptom. B
ISCHOF 
& S
ENN
 (1999, 68) nennt folgende 
Symptome, die zur Diagnose von Mammakarzinomen führen: Knoten (63 Prozent), 
Schmerzen/Druck/Spannung in der Brust (19 Prozent), Entzündung (8 Prozent), 
Mamillenveränderung
10
 (6 Prozent) und Sekretion aus der Mamille (4 Prozent).  
Hat sich der Verdacht eines Mammakarzinoms beim Arzt durch Tastbefund erhärtet, 
stehen der Frau eine Vielzahl diagnostischer Maßnahmen wie bspw. Sonographie 
(Ultraschall), Mammographie und Biopsie bevor. Während bei der Mammographie 
die Brust geröntgt wird, um die verschiedenen Strukturen bildlich darzustellen und 
einer genaueren Beurteilung zugänglich zu machen, erfolgt bei der Biopsie die Ent-
nahme von Zellen und Gewebefragmenten zur histologischen Untersuchung von 
verdächtigem Gewebe (vgl. B
ISCHOF 
& S
ENN
 1999, 72ff.). Finden sich in dem ent-
nommenen Gewebe Krebszellen, so steht die Diagnose Brustkrebs fest. In diesem 
Fall beginnt die gezielte Behandlung, die auf der Basis der genaueren Analyse von 
9
 Eine vertiefende Darstellung der Thematik würde jedoch den Rahmen dieser Arbeit sprengen.  
10
 Der Begriff Mamille ist der medizinische Fachausdruck für Brustwarze.  
D
AS 
K
RANKHEITSBILD 
B
RUSTKREBS 
 MEDIZINISCHE UND PSYCHOLOGISCHE 
A
SPEKTE
15 
Differenzierungstyp (Grading), Metastasensuche (Staging) und Hormonrezeptoren  
ausgewählt wird.  
Therapie 
Allgemein unterscheidet man in der Tumortherapie drei Behandlungsansätze: Den 
kurativen, den adjuvanten und den palliativen Ansatz. Während der kurative Ansatz 
eine Heilung der Erkrankung anstrebt, versteht sich der adjuvante Ansatz als Rück-
fallprophylaxe. Es handelt sich um zusätzliche medizinische Maßnahmen, die der 
Genesung unterstützende Hilfestellung leisten und in diesem Sinne einem Rezidiv 
vorbeugen sollen. Ist eine Heilung nicht mehr möglich, so kann man nur noch pallia-
tiv behandeln  diese Therapie dient lediglich einer Linderung von 
Krankheitsbeschwerden (vgl. B
ISCHOF 
& S
ENN
 1999, 79f.).   
Die Behandlungsmethoden bei Mammakarzinomen richten sich gegen die drei Cha-
rakteristika eines Tumors  Vergrößerung, Invasion und Metastasierung
11
. Als  
anerkannte Maßnahmen kommen der chirurgische Eingriff, die Bestrahlung und die 
Chemotherapie zum Einsatz, die sich alle drei in ihren Begleitumständen als eingrei-
fend und aversiv charakterisieren lassen.  
Die Akuttherapie zielt mittels operativer Verfahren auf die Beseitigung des Primär-
tumors ab. Je nach Diagnose wird radikal oder brusterhaltend operiert. Bei 
Brustkrebs im Frühstadium geht der Trend in den letzten Jahren eindeutig in Rich-
tung Brusterhaltung, wobei eine brusterhaltende Operation ist nur dann möglich, 
wenn keine Lymphknoten befallen sind, das Verhältnis von Tumor- zu Brustgröße 
stimmt und es sich nicht um einen multizentrischen oder retromamillären Tumor 
handelt (vgl. M
ORRIS ET AL
. 1992, 1712). Entsprechend der gewählten 
Operationsmethode und der damit verbundenen Schnittführung ergeben sich 
sekundär infolge von Operationsnarbe, Schonhaltung und Lymphödemgefahr mehr 
oder weniger starke funktionelle Bewegungseinschränkungen im Arm- und 
Schulterbereich. Häufig kommt es auch zu einer Fehlhaltung, die langfristig zur 
einseitigen Belastung der Wirbelsäule und damit einhergehenden Rückenschmerzen 
führt. Bei mehr als 70 Prozent der Frauen lassen sich funktionelle motorische 
11
 Bezeichnung für die Absiedlung von Zellen oder Zellverbänden über den Blut- oder Lymphweg in 
primär nicht erkrankte Körperregionen.  
D
AS 
K
RANKHEITSBILD 
B
RUSTKREBS 
 MEDIZINISCHE UND PSYCHOLOGISCHE 
A
SPEKTE
16 
Prozent der Frauen lassen sich funktionelle motorische Einschränkungen nachweisen 
(vgl. S
CHÜLE
 1997, 11ff.). 
Ein Großteil der Brustkrebspatientinnen wird im Anschluß an die Operation mittels 
Radiotherapie behandelt. Die Bestrahlung zielt darauf ab, durch Röntgen- und Gam-
mastrahlen eventuell zurückgebliebene Krebszellen abzutöten, während sich gesunde 
Zellen relativ schnell von der Belastung erholen. Da das Mammakarzinom zur frühen 
Metastasierung, vor allem in Wirbelsäule, Schädel, Lunge und in die zunächst nicht 
betroffene Brust hinein neigt, ist für die Heilungserwartung auch der Lymphknoten-
befall als Indikator für die Ausbreitung entscheidend. Im Falle eines solchen muß mit 
einer Chemotherapie gegen eventuelle Streuherde vorgegangen werden. Bei dieser 
werden Medikamente in die Blutbahn gegeben, die schnell teilende Zellen daran hin-
dern, sich zu vermehren. Infolge dessen sterben sowohl die Krebszellen als auch 
andere sich schnell teilende Zellen ab. Strahlen- wie Chemotherapie führen zu teil-
weise erheblichen Beeinträchtigungen im körperlichen Bereich (vgl. Kapitel 3.4). 
Neben diesen drei Therapiemaßnahmen besteht beim Mammakarzinom noch die 
Möglichkeit der Hormontherapie. Bei einem Teil der betroffenen Patientinnen zeigt 
der Tumor eine gewisse Hormonabhängigkeit. Wenn die Mammaepithelzellen Re-
zeptoren für Östrogen oder Progesteron
12
 aufweisen, kann über Medikamente wie 
bspw. Tamoxifen
13
 eine Remission des Tumors erreicht werden. Häufig werden die 
genannten Behandlungsmethoden kombiniert, da dies zur Potenzierung des therapeu-
tischen Erfolgs bei gleichzeitiger Abschwächung der Nachteile einzelner 
Behandlungsmethoden führt. Bei Brustkrebserkrankungen erfolgt bspw. die operati-
ve Entfernung des Tumors in Verbindung mit Bestrahlung oder Chemotherapie, um 
gegen eventuelle Metastasen vorzugehen. Ergänzende Therapien und Alternativmaß-
nahmen wie z.B. Misteltherapie sind sehr umstritten und beinhalten teilweise viel 
Scharlatanismus.
14
 Es ist jedoch zu bedenken, daß viele Patientinnen die Möglichkei-
12
 Östrogen ist das weibliche Geschlechtshormon, Progesteron bezeichnet das physiologische Gelb-
körperhormon. Im Zusammenwirken mit bzw. nach vorheriger Einwirkung von Östrogenen auf die 
Fortpflanzungsorgane sind Progesterone an der Regulation nahezu aller weiblichen Reproduktions-
funktionen beteiligt.  
13
 Tamoxifen ist ein Anti-Östrogen, das wie Östrogen aussieht, aber ein anderes Innenleben und dem-
nach eine andere Wirkung hat. Tamoxifen blockiert die Östrogenrezeptoren und damit die 
Stoffwechselvorgänge der Zelle, was zur Folge hat, daß diese abstirbt.   
14
 Auf eine Diskussion dieses Aspektes muß an dieser Stelle verzichtet werden, da sie den Rahmen der 
Arbeit sprengen würde.  
D
AS 
K
RANKHEITSBILD 
B
RUSTKREBS 
 MEDIZINISCHE UND PSYCHOLOGISCHE 
A
SPEKTE
17 
ten der Alternativmedizin jedoch als hilfreich erleben, da sie so einen eigenen Bei-
trag zur Heilung leisten können. 
Der Einsatz häufig hoch aggressiver Methoden zur Krebsbekämpfung wird in neue-
rer Zeit vor dem Hintergrund der Lebensqualität diskutiert (vgl. K
EREKJATO ET AL
. 
1996, 400f.; H
OLLAND
 1997, 99ff.). So kann eine bloße Lebensverlängerung durch 
Betonung der medizinischen Primärtherapie nicht mehr als Indikator für eine erfolg-
reiche Therapie gelten. Vielmehr muß die Qualität der hinzugewonnenen 
Lebensspanne bei der Bewertung der Behandlungsmaßnahmen berücksichtigt wer-
den. Hinsichtlich der Therapie von Krebserkrankungen hat sich die Meinung 
durchgesetzt, daß medizinische Maßnahmen allein zur optimalen Bewältigung der 
Erkrankung und für eine hohe Lebensqualität nicht ausreichen. Eine Behandlung 
muß vielmehr verschiedene Ansätze kombinieren und die Patientin ganzheitlich be-
handeln (vgl. S
CHÜLE 
1993, 5). Das bedeutet, daß sich eine Therapie im Sinne des 
Ganzheitsanspruchs auf Körper, Psyche und Umwelt beziehen muß. In immer stärke-
rem Maße empfiehlt sich eine interdisziplinäre Zusammenarbeit des medizinischen, 
psychologischen und bewegungtherapeutischen Personals bei der Behandlung von 
Krebspatienten.
15
2.2  Der psychologische Aspekt einer Brustkrebserkrankung 
Ein Mammakarzinom stellt nicht nur eine enorme und lebensbedrohliche Belastung 
für den Körper dar, sondern das Wissen um die Krebserkrankung beeinträchtigt in 
starkem Maße die Psyche und wirkt sich in diesem Zusammenhang auch auf das so-
ziale Umfeld aus. Schon lange ist bekannt, daß niemals nur der Körper allein 
erkrankt. Die Seele leidet genauso  manchmal sogar noch stärker. Ebenso wie die 
körperlichen Prozesse einer Brustkrebserkrankung bestimmen demnach auch die 
diesbezüglichen Vorstellungen, Phantasien, Gefühle und sozialen Veränderungen die 
Symptomatik der Erkrankung mit. Der psychischen Situation Krebskranker ist in der 
Forschung zunehmend mehr Beachtung geschenkt worden (vgl. im Überblick 
W
IRSCHING
 1990, K
EREKJATO ET AL
. 1996). Neben der Suche nach psychischen Äti-
ologiefaktoren in der Krebsgenese beschäftigen sich die unterschiedlichen 
15
 Auf diese wird in Kapitel 5 im Zusammenhang mit dem Nutzen der Bewegungstherapie eingegan-
gen.  
D
AS 
K
RANKHEITSBILD 
B
RUSTKREBS 
 MEDIZINISCHE UND PSYCHOLOGISCHE 
A
SPEKTE
18 
Forschungsrichtungen mit den psychologischen Auswirkungen von Krebs auf die 
Kranken und ihr Umfeld (vgl. z.B. S
CHULZ ET AL
. 1998), dem Einfluß psychologi-
scher Faktoren auf den Verlauf der Erkrankung (vgl. z.B. F
ALLER ET AL
. 1997), 
Phasenmodellen der Bewältigung (vgl. z.B. K
ÜBLER
-R
OSS
 1977), verschiedenen 
Bewältigungsformen (vgl. z.B. H
EIM ET AL
. 1993; K
LAUER 
& F
ILIPP
 1997; 
S
CHRÖDER
 1997) sowie der Bewertung aktiver oder passiver Strategien (vgl. z.B. 
W
EBER
 1994). Das folgende Kapitel setzt sich mit der psychischen Wirkung der Di-
agnose Brustkrebs sowie den krankheits- und therapiebedingten seelischen 
Konsequenzen auseinander. Vielfach sind die psychischen Auswirkungen einer 
Mammakarzinomerkrankung als besonders schwerwiegend beschrieben worden (vgl. 
A
EBISCHER
 1987, 56ff.; R
ITTER
-G
EKELER
 1992, 97ff.). Denn über die allgemeinen 
psychischen Auswirkungen einer Krebserkrankung hinaus zeichnen sich bei der Er-
krankung am Mammakarzinom spezifische Problemlagen ab, die sich aus der 
Bedeutung ergeben, die der weiblichen Brust in unserer Gesellschaft zukommt. Des-
halb wird dieser Aspekt vorab eingehender beleuchtet.  
2.2.1  Der Stellenwert der weiblichen Brust in der westlichen Gesell-
schaft 
Um die Auswirkungen eines Organverlustes bzw. einer Organveränderung verstehen 
zu können, muß man sich nach S
ALTER
 (1998, 137) zunächst mit der Relevanz des 
betreffenden Organs auseinandersetzen. Die weibliche Brust ist für eine Frau nicht 
irgendein von einer bedrohlichen Erkrankung befallenes Organ und in diesem Sinne 
ist Brustkrebs nicht vergleichbar mit anderen Krebsformen. Sie ist sowohl durch ihre 
Funktion als auch durch ihre Gestalt von zentraler Bedeutung für das Selbstwertge-
fühl einer Frau. Biologisch gesehen sind die Brüste die Milchdrüsen des Säugetiers 
Mensch und befähigen eine Frau in dieser Funktion, ihre Nachkommen zu ernähren. 
Die Brustentwicklung setzt zwischen dem 8. und 10. Lebensjahr ein, also zu einer 
Zeit, in der bereits ein bewußtes Erleben möglich ist. Über die reale physiologische 
Funktion hinaus verbinden sich mit der weiblichen Brust viele symbolische Bedeu-
tungen für Weiblichkeit und Mütterliches (vgl. B
AHNSON
 1986, 30; M
ANDLER
 1993, 
46). So steht die Ausbildung der Brust als sichtbares Symbol für die Entwicklung 
vom Mädchen zur Frau. Besonders bedeutsam ist im Zusammenhang mit einem 
Mammakarzinom die unbestrittene Tatsache, daß der weiblichen Brust in unserem 
D
AS 
K
RANKHEITSBILD 
B
RUSTKREBS 
 MEDIZINISCHE UND PSYCHOLOGISCHE 
A
SPEKTE
19 
Kulturkreis eine herausragende sexuelle Komponente zukommt (vgl. Z
ETTL
 & 
H
ARTLAPP
 1996, 69ff.). Die Brust verkörpert in unserer Gesellschaft nicht nur Müt-
terlichkeit, sondern in erster Linie die sexuelle Potenz der Frau. Einerseits besitzt sie 
als Quelle körperlicher Lustempfindungen Bedeutung für die Frau selbst, anderer-
seits kommt ihr eine herausragende erotische Wirkung im Zusammenhang mit dem 
männlichen Geschlecht zu. Die weibliche Brust ist mit Abstand das wichtigste se-
kundäre Geschlechtsorgan und der optische Blickfang schlechthin  ein Großteil der 
Männer blickt unbewußt als allererstes auf den Busen einer ihnen entgegentretenden 
Frau (vgl. G
OESMANN
 2000, 8).  
Aus der gesellschaftlichen Wertung, aber auch aus der jeweils individuellen Bezie-
hung ist die Erkrankung an Brustkrebs zu betrachten. Die Brust wird ganz offenbar 
zu jenem Organ, über das sich die Frau definieren lassen muß und vielfach auch 
selbst definiert (vgl. B
ISCHOF 
& S
ENN 
1999, 257ff., G
OESMANN 
2000, 9). Als Inbe-
griff der perfekten Frau kommt dem Busen in der westlichen Gesellschaft eine 
enorme und vielschichtige symbolische Kraft zu. Brustkrebs betrifft demnach ein 
Organ, das mit selbstwertbeeinflussenden Attributen der Sexualität und Weiblichkeit 
assoziiert ist. Eine brustkrebserkrankte Frau wird nicht nur mit kosmetischen Verän-
derungen und dem Leben mit einer chronischen Krankheit konfrontiert, sondern 
zusätzlich sind ,,die Selbstdefinition und das Selbstwertgefühl der Frau betroffen" 
(N
IEHUES 
1997, 288). Ein Großteil der Angst vor Makeln der Brust steht in unmittel-
barer Verbindung mit idealisierten anatomischen Vorstellungen. Wenn schon die 
idealisierte und normierte Form und Größe des perfekten Busens vielen gesunden 
Frauen in unserer Gesellschaft Probleme bereitet, so ist es nachvollziehbar, daß es 
für viele Frauen ein traumatisches Erlebnis ist, wenn sich Form und Größe ihrer 
Brust infolge einer Operation verändern. Diese Aspekte des Körper- und Selbsterle-
bens werden im dritten und vierten Kapitel ausführlich behandelt. Festzuhalten 
bleibt, daß der weiblichen Brust eine besondere Bedeutung für die Frau zukommt, 
die zumindest teilweise aus der gesellschaftlichen Wertung resultiert.  
2.2.2  Psychische Folgen der Erkrankung 
Eine Brustkrebserkrankung kann sich praktisch auf alle Lebensbereiche einschrän-
kend auswirken (vgl. N
EISES ET AL
. 1996). Im Krankheitsverlauf wird die Patientin 
mit zahlreichen lebensqualitätsmindernden Belastungsfaktoren konfrontiert, die ih-
D
AS 
K
RANKHEITSBILD 
B
RUSTKREBS 
 MEDIZINISCHE UND PSYCHOLOGISCHE 
A
SPEKTE
20 
rerseits auch die Psyche beeinträchtigen können. Führt schon die Diagnose an sich 
zur psychischen Destabilisierung, so stellen die anschließenden Behandlungsformen 
zusätzliche Belastungsmomente dar, die nicht nur physiologische Auswirkungen 
haben, sondern ebenso den psychosozialen Bereich tangieren und eigenständige 
Streßfaktoren darstellen. S
ALTER 
(1998, 124ff.) weist darauf hin, daß körperliche 
Einschränkungen zu Beeinträchtigungen im Alltagsleben und des Allgemeinbefin-
dens beitragen und dadurch die negativen psychischen Folgen einer Krebserkrankung 
noch verstärken können. Der enorme psychische Streß, dem eine Frau durch ihre 
Krankheit ausgesetzt ist, wirkt sich seinerseits negativ auf den Erkrankungsverlauf 
und die Prognose der Erkrankung im Sinne eines circulus vitiosus aus (vgl. 
B
IRBAUMER
 1986, 228). Zahlreiche Studien haben sich mit den psychosozialen Fol-
gen einer Brustkrebserkrankung auseinandergesetzt und liefern eindeutige Belege für 
Beeinträchtigungen in psychischen, psychosomatischen, partnerschaftlichen und an-
deren sozialen Bereichen (vgl. A
EBISCHER
 1987, P
ERREZ ET AL
. 1991, N
EISES ET AL
. 
1996, K
EPPLINGER
 1996, zusammenfassend auch S
CHULZ ET AL
. 1998 und S
ALTER
1998). Allerdings scheinen die psychischen Auswirkungen nicht tumorspezifisch zu 
sein. Z
IEGLER
 (1990, 8) konstatiert, daß nicht die Diagnose des Mammakarzinoms an 
sich, sondern die Tatsache der Malignität ursächlich für die psychischen Reaktionen 
ist.  
Die Vielzahl an psychosozialen Belastungen läßt sich nach S
TELTER
 (1997, 15) in 
vier Bereiche einteilen. Sie finden sich hauptsächlich im Bereich der körperlichen 
Integration, im Bereich des emotionalen Gleichgewichts und Wohlbefindens, in be-
zug auf die Selbstregulation und in den sozialen Beziehungen und Rollen. Die 
nachfolgenden Ausführungen zeigen allgemein die psychischen Belastungsmomente 
für das Wohlbefinden und emotionale Gleichgewicht im Verlauf einer Brustkrebser-
krankung auf, ohne jedoch Gültigkeit für den Einzelfall zu beanspruchen.  
Zuvor ist herauszustellen, daß eine Krebserkrankung nicht zwangsläufig mit einer 
Einbuße an Lebensqualität einhergehen muß. In einigen Untersuchungen berichten 
Patientinnen retrospektiv sogar von einer neuen Sinnfindung in ihrem Lebensalltag 
und in den Beziehungen zu ihrem Umfeld (vgl. z.B. H
ERSCHBACH
 1985). Bis es al-
lerdings zu so einer positiven Wende in der Beurteilung dieser Erkrankung kommen 
kann, hat die Patientin oftmals einen schwierigen und mühsamen Weg zurückzule-
gen.  
D
AS 
K
RANKHEITSBILD 
B
RUSTKREBS 
 MEDIZINISCHE UND PSYCHOLOGISCHE 
A
SPEKTE
21 
Schon die Diagnose an sich birgt eine Vielzahl psychosozialer Belastungsfaktoren. 
Eine Krebserkrankung bedeutet ein Leben mit mehr oder weniger stark ausgeprägten 
Krankheits- und Therapiefolgen bei einer potentiellen Todesbedrohung. Dement-
sprechend ruft die Diagnose Mammakarzinom eine Fülle von Gedanken, 
Vorstellungen und Gefühlen hervor und stürzt die Betroffene in eine zumindest vo-
rübergehende Lebenskrise (vgl. R
ITTER
-G
EKELER
 1992, 93-107; N
EUSER
 1994, 153-
171). K
ÜCHLER 
(1992, 67) berichtet von der Dominanz des Diagnoseschocks und der 
damit verbundenen existentiellen Bedrohung. Oftmals haben die Frauen bis zur Di-
agnose keine körperlichen Symptome verspürt. Insbesondere dann treten die 
Diagnose und die anschließende Therapie mit ihren Nebenwirkungen mit besonderer 
Wucht in das Leben und verstärken die negativen psychischen Folgen der Erkran-
kung (vgl. B
ISCHOF 
& S
ENN
 1999, 145). Die wahrgenommene Unkontrollierbarkeit 
der Erkrankung und die eventuelle Diskrepanz zwischen gutem körperlichen Befin-
den und medizinischem Befund lassen die Krankheit unheimlich erscheinen und 
machen einen Großteil der Angst und Belastung aus. R
ITTER
-G
EKELER 
(1992, 110) 
sieht in dieser Phase Hilf- und Hoffnungslosigkeit als vorherrschende Emotionen, 
betroffene Frauen würden häufig vom Verlust ihrer Selbstsicherheit und der Kontrol-
le über die Situation berichten. Nach dem Modell der kritischen Lebensereignisse 
von F
ILIPP
 (1990) existieren für die Konfrontation mit der Diagnose Brustkrebs keine 
antizipierbaren Bewältigungsmuster, mit deren Hilfe man die Situation meistern 
könnte. Der Tatsache, daß in der eigenen Brust ein Tumor unkontrolliert wächst, 
stehen die Betroffenen zunächst relativ hilflos gegenüber, denn weder Kontext-
merkmale (z.B. ein sehr gutes soziales Netzwerk) noch Personenmerkmale (z.B. eine 
ausgeprägte Selbstwirksamkeit) können an der Tatsache dieser existenzbedrohenden 
Zellvermehrung etwas ändern. Dementsprechend kommt Abwehrmechanismen in 
dieser Situation eine essentielle Bedeutung zu. Häufig leugnen Patientinnen die Di-
agnose oder erheben Zweifel an ihrer Richtigkeit (vgl. I
HDE
 1997b, 1169ff.). Weitere 
mögliche Abwehrmechanismen sind z.B. Bagatellisierung, Regression
16
 und Projek-
tion
17
 (vgl. S
CHULZ ET AL
. 1998, 407). Diese anfängliche Verdrängung der Diagnose 
16
 Regression bezeichnet die Rückkehr zu Verhaltensweisen, die für frühere, kindlichere Entwick-
lungsstufen typisch sind z.B. die Behauptung, Übungen trotz eigener Fähigkeit nicht alleine 
durchführen zu können, um sich die fürsorgliche Zuwendung des Therapeuten zu sichern.  
17
 Von Projektion spricht man, wenn eine Person die eigenen Gefühle, Eigenschaften oder Vorstellun-
gen bei anderen sieht, die diese jedoch nicht haben.  
D
AS 
K
RANKHEITSBILD 
B
RUSTKREBS 
 MEDIZINISCHE UND PSYCHOLOGISCHE 
A
SPEKTE
22 
kann im Sinne einer möglichen positiven Schutzfunktion interpretiert werden.
18
 Bis 
zu einem gewissen Grad erscheint die Verdrängung sehr hilfreich, da sie der Patien-
tin Gelegenheit zur psychischen Erholung und prozeßhaften Annäherung an die 
Wirklichkeit gibt (vgl. S
CHULZ ET AL
. 1998, 407; K
EREKJATO ET AL
. 1996, 412ff.). 
Sie sollte jedoch immer wieder von Phasen der aktiven Auseinandersetzung durch-
brochen werden.  
Eine Brustkrebserkrankung impliziert nicht nur eine direkte potentielle Lebensbe-
drohung, durch die Krankheit werden auch manche Lebensziele zunichte gemacht. 
Erlebte und antizipierte Verluste infolge der Erkrankung münden meist in einen fata-
len Kreislauf von Stimmungswechsel, Niedergeschlagenheit und Trauer um 
unerfüllte Hoffnungen (vgl. S
TELTER
 1997, 15f.). P
ERREZ
 (1991, 9) konnte zeigen, 
daß brustkrebserkrankte Frauen in den ersten drei Monaten nach der Akuttherapie 
vor allem kognitiv durch plagende Gedanken belastet werden. E
BERT
-H
AMPEL
(1990, 41ff.) nennt als häufigste emotionale Reaktionen auf eine Krebserkrankung 
reaktive Depressionen sowie Ängste vor sozialer Isolation, Autonomieverlust, vor 
Verschlechterung des Zustandes und Todesängste. Schätzungsweise eine von vier 
Frauen entwickelt nach F
ALLOWFIELD ET AL
. (1990, 579) innerhalb eines Jahres 
postoperativ eine klinische Depression oder Angstzustände, D
EROGATIS
 nennt sogar 
eine Quote von durchschnittlich 32 Prozent (1983 in S
CHREER
 1992). Eine Übersicht 
über verschiedene Studien (vgl. K
OCH 
& B
EUTEL 
1988) zeigt, daß die Prävalenzraten 
der als behandlungsbedürftig eingeschätzten Depressionen bei Krebspatienten zwi-
schen 20 und 50 Prozent schwanken. Befunde von P
ERREZ 
(1991, 9) und F
ALLER 
(1998, 26) deuten darauf hin, daß die emotionalen Verläufe interindividuell höchst 
unterschiedlich und vermutlich abhängig von einer Vielzahl personeller und kontex-
tueller Variablen sind.  
Neben gedrückter Stimmung, Interesselosigkeit, sozialem Rückzug und anderen cha-
rakteristischen Depressionssymptomen ist eine Krebserkrankung untrennbar mit 
verschiedenen Ängsten verbunden, die im Prozeß des Krankheitsverlaufs in unter-
18
 Auf der Stufe der Diagnosestellung und in der ersten Zeit des Krankheitsverlaufes können diese 
Verleugnungsprozesse der Patientin helfen, sich die reale Bedrohung durch eine eingeschränkte 
Wahrnehmung nur zum Teil bewußt zu machen. Es geht in dieser ersten Phase vor allem darum, 
die Kontrolle zurückzugewinnen. Die Anpassung an die radikal veränderte Lebenssituation voll-
zieht sich langsam und schrittweise. 
D
AS 
K
RANKHEITSBILD 
B
RUSTKREBS 
 MEDIZINISCHE UND PSYCHOLOGISCHE 
A
SPEKTE
23 
schiedlichem Maße relevant sind (vgl. E
BERT
-H
AMPEL
 1990, 4ff.; S
ALTER
 1998, 
123ff.; I
HDE
 1997a, 1000). Direkt nach der Diagnose beherrscht zunächst die Angst 
vor dem Tod das Denken und Fühlen (vgl. K
EREKJATO ET AL
. 1996, 406f.). Die Be-
drohung des eigenen Lebens und der Mangel an effektiven 
Bewältigungsmöglichkeiten führen der Patientin ihre Machtlosigkeit vor Augen, wo-
durch als emotionale Reaktion Angstgefühle entstehen. Nach S
CHREER
 (1995, 162) 
ist die Angst präoperativ am größten und nimmt infolge der erlebten Behandlung ab, 
um dann wieder anzusteigen. N
EISES ET AL
. (1996, 140) findet noch fünf Jahre nach 
der Operation bei einem Drittel der Patientinnen mit Mammakarzinom eine ständige 
Angstbelastung, was durch die Aussage von H
ASSE
 (2000, 13) untermauert wird. 
Diese zeigt, daß selbst nach Operation, Therapie und Nachsorgeuntersuchungen die 
Angst vor einer Wiedererkrankung über Jahre und Jahrzehnte hinweg latent vorhan-
den bleibt. Durch die Tatsache, daß die Patientin in ständiger Ungewißheit vor der 
Wiedererkrankung in Form eines Rezidivs oder einer Metastasierung lebt, erfahren 
wiederum Wohlbefinden und Lebensqualität erhebliche Einschränkungen.  
Neben der Angst vor dem Tod nimmt die Angst vor Abhängigkeit und Autonomie-
verlust einen hohen Stellenwert ein (vgl. R
ITTER
-G
EKELER
 1992, 194). Eine an Krebs 
erkrankte Frau muß sich zunächst in die Abhängigkeit eines Arztes, später auch in 
die Abhängigkeit von anderem medizinischen Personal und  je nach Fortschreiten 
der Krankheit  von ihren Angehörigen begeben. Die Patientin erfährt während der 
diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, daß das eigene Überleben ent-
scheidend von der Fachkompetenz einer anderen Person und nicht mehr von ihr 
selbst abhängt. Allein durch die Assoziation einer Krebserkrankung mit Abhängig-
keit kann sich nach
I
HDE 
eine Patientin ihrer Selbstbestimmung beraubt fühlen 
(1997a, 1000). Der auf diese Weise erfahrene Autonomieverlust nimmt zudem da-
durch zu, daß die Zukunft vollständig durch den Verlauf der Krankheit bestimmt 
wird und vieles vorher noch sicher geglaubtes nur noch die Qualität von Eventuellem 
hat.  
Als weitere Angstform, die im Zusammenhang mit einer Krebserkrankung auftreten 
kann, nennen A
LT 
& W
EISS
 (1991, 44) die Angst vor Isolation. Viele onkologische 
Patienten berichten von dem Gefühl, selbst sehr nahestehenden Personen ihre Emp-
findungen nie ganz vermitteln zu können, so daß trotz sehr guter sozialer Kontakte 
ein Isolationsgefühl auftreten kann (vgl. H
ASSE
 2000, 33). Situationen, in denen an-
dere Menschen mit Unverständnis oder Ablehnung reagieren, können das Gefühl der 
D
AS 
K
RANKHEITSBILD 
B
RUSTKREBS 
 MEDIZINISCHE UND PSYCHOLOGISCHE 
A
SPEKTE
24 
Isolation noch verstärken; insbesondere R
ITTER
-G
EKELER
 weist auf diese Gefahr hin 
(1992, 117f.). Im Zusammenhang mit dem gesellschaftlichen Umfeld erklärt sich 
teilweise auch die Angst vor äußerlich sichtbaren Veränderungen infolge der Brust-
krebserkrankung und therapeutischen Folgebehandlungen, die im dritten und vierten 
Kapitel ausführlich Berücksichtigung findet.  
Die dargestellten emotionalen Reaktionen erwachsen aus der direkten Lebensbedro-
hung, entscheidender als die objektiv reduzierte Lebenserwartung ist jedoch das 
subjektive Erleben dieser Bedrohung. Auf diesen Aspekt weisen insbesondere neuere 
Arbeiten hin (vgl. L
UCIUS
-H
OENE
 1998, S
CHÄFER 
1995, S
ALTER 
1998, F
ALLER 
1998).  
Zusammenfassend ist festzuhalten, daß sich eine Brustkrebserkrankung in vielfältiger 
Weise auf den psychischen Zustand der Patientin auswirken kann. Zum einen führt 
sie zu realen körperlichen Beschwerden, die in engem Zusammenhang mit psychi-
schen Belastungen stehen, zum anderen  beeinträchtigt sie direkt das emotionale 
Wohlbefinden und zieht eine körperliche Identitätseinbuße nach sich, die häufig mit 
depressiven Ausdrucksformen einhergeht. Auf die Aspekte eines veränderten Kör-
per- und Selbsterlebens infolge von Krankheit, Operation und Therapie  den 
Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit  wird im folgenden Kapitel ausführlich ein-
gegangen.  
D
AS 
S
ELBST
-
 UND 
K
ÖRPERERLEBEN UNTER DEM 
E
INFLUSS EINER 
K
REBSERKRANKUNG
25 
3  Das Selbst- und Körpererleben unter dem Einfluss 
einer Krebserkrankung 
Dem Aussehen kommt in der westlichen Gesellschaft eine ausschlaggebende Bedeu-
tung zu (vgl. auch Kap. 2). Der Druck, dem gesellschaftlich vermittelten Idealbild zu 
entsprechen, ist äußerst groß. Nach S
ALTER
 (1998, 3) entscheidet das Aussehen dar-
über, wie ein Mensch von anderen wahrgenommen und beurteilt wird und wie er sich 
selbst einschätzt. ,,Wie ein Mensch sich selbst wahrnimmt, hängt maßgeblich davon 
ab, wie er seinen Körper wahrnimmt" (ebd., 3). Unser Körper ist eng verflochten mit 
unserer erlebten Identität. Als Dreh- und Angelpunkt jeglicher Handlung stellt er 
zunehmend die Grundlage für die Identitätsfindung dar. Auf diesen Aspekt des Kör-
pers als identitätsstiftendes Medium, das Authentizitäts- und Kontinuitätserfahrungen 
ermöglicht, verweist H
EINEMANN
: ,,Identität wird zunehmend über den Körper erfah-
ren und vermittelt" (1990, 197). Auch G
ILLIES
 (1984, 187) betrachtet das 
Körpererleben als essentiellen Bestandteil des Selbst, da sich der größte Teil des 
Wissens über sich selbst aus der körperlichen Existenz und deren Beziehung zur so-
zialen und materiellen Umgebung herleitet. B
ETTE
 (1993, 53) nimmt an, daß die 
Arbeit am Körper und die am Körper demonstrierte Mentalität für Identifikations- 
und Unterscheidungsprozesse bedeutend sind. Die Wahrnehmung des eigenen Kör-
pers, insbesondere die körperliche Attraktivität, spielt also in unserer modernen 
Gesellschaft für die Eigenwahrnehmung und Selbstbeurteilung eine große Rolle. So 
verweist S
ALTER
 (1998, 6) darauf, daß Menschen, die mit ihrer körperlichen Er-
scheinung zufrieden sind, wahrscheinlich auch ein stärker ausgeprägtes 
Selbstwertgefühl besitzen. Insbesondere bei Jugendlichen und hier besonders bei 
Mädchen scheint die körperliche Attraktivität eng mit dem Selbstwertgefühl ver-
knüpft zu sein (vgl. S
EIFFGE
-K
RENKE
 1994 in A
LFERMANN
 1998, 216). Geht man mit 
A
LLPORT
 (1970, 12) davon aus, daß unser körperliches Selbst ein Leben lang Anker-
grund unseres Selbstbewußtseins ist, da keine Emotion und Handlung ohne unseren 
Körper vorstellbar ist, so wird nur allzu deutlich, daß eine Verletzung der körperli-
chen Integrität unmittelbare Auswirkungen auf das Selbstkonzept haben dürfte. Viele 
Studien liefern Belege für diese These (vgl. E
BERT
-H
AMPEL 
1990, N
IEHUES
 1997, 
W
EBER 
& A
NDERLE
 1997, A
LFERMANN 
1998, S
ALTER
 1998).  
Als theoretischer Bezugsrahmen dieser Arbeit wurden Ansätze der Selbst- und Kör-
perkonzeptforschung gewählt. Aufgrund ihrer uneinheitlichen terminologischen 
Verwendung in der Forschungsliteratur richtet sich der Fokus zunächst auf die für 
diese Arbeit relevanten Aspekte des Selbst- und Körpererlebens. Anschließend wer-
D
AS 
S
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 UND 
K
ÖRPERERLEBEN UNTER DEM 
E
INFLUSS EINER 
K
REBSERKRANKUNG
26 
den mögliche Auswirkungen einer Brustkrebserkrankung auf diese Konzepte disku-
tiert.  
3.1  Was bedeutet Körpererleben? 
In der naturwissenschaftlich orientierten Medizin, gekennzeichnet durch die Suche 
nach objektiven Befunden, spielt das subjektive Erleben des eigenen Körpers eine 
untergeordnete Rolle (vgl. B
RÄHLER
 1986, 3ff.). Lange Zeit wurden Körpererfahrun-
gen nur unter pathologischem Aspekt beachtet. Erst allmählich setzt sich die 
Erkenntnis durch, daß das Körpererleben ein wichtiger und vollwertiger Teil des 
Selbsterlebens ist und eine grundlegende Bezugsgröße für die Entwicklung und Fes-
tigung des Kontakts zur Realität darstellt. Sämtliche Befunde sprechen dafür, daß das 
Körperbild
19
 eine der vielen Komponenten ist, auf der das Selbsterleben basiert und 
daß das Erleben des eigenen Körpers einen wesentlichen Teil des Selbstbewußtseins 
ausmacht (vgl. P
AULUS
 1986, 88; M
RAZEK
 1986, 224; E
BERT
-H
AMPEL
 1990, 19; 
T
HIEL
 1994, 31). Doch was genau versteht man unter Körpererleben? Aus welchen 
Komponenten setzt es sich zusammen? Zunächst soll ein Blick in die Vergangenheit 
einen ersten Zugang zu dieser Thematik ermöglichen. In einem groben Überblick 
werden die Entwicklungslinie nachgezeichnet, bevor eine definitorische Präzisierung 
erfolgt.  
Seit Beginn des 20. Jahrhunderts erforschen die unterschiedlichsten Wissenschafts-
bereiche das individuelle Körpererleben unter verschiedenen Gesichtspunkten und 
mittels variierender Methodik (vgl. T
HIEL
 1994, 6ff.). In jüngster Zeit haben auch die 
Bewegungswissenschaften, Sportwissenschaft und Motologie, diese Thematik ent-
deckt. Ihren Anfang nahm die Erforschung des Körpers Ende des 19. Jahrhunderts in 
der Neurologie, die sich mit dem kortikal repräsentierten Körperschema
20
 und seiner 
Funktion für die Reizverarbeitung befaßt. Dieser Forschungszweig hebt Prozesse der 
Informationsaufnahme und -verarbeitung körperlicher Erfahrungen hervor, d.h. der 
kognitive Aspekt tritt in den Vordergrund (vgl. T
HIEL 
1994, 7). In der Folge schlos-
sen sich psychiatrische und psychologische Forschungsansätze an, die sich mehr mit 
den emotionalen Bedeutungen des Körpererlebens sowie den Einstellungen zum 
19
 Im Rahmen dieser Arbeit werden Körperbild und Körpererleben als synonyme Begriffe verwendet, 
da der Terminus Körperbild auf die Erlebnisqualität des Körpers bezogen wird.  
20
 Der Begriff Körperschema wurde 1908 vom Prager Psychiater P
ICK
 eingeführt, der darunter ein 
optisches Vorstellungsbild des Körpers verstand, das zur Orientierung am eigenen Körper dient. 
T
EEGEN 
(1992, 99) spricht von ,,Raumbilder(n) des Körpers, die sich aufgrund sensorischer Infor-
mationen entwickeln". Der englische Neurologe H
EAD
 griff den Begriff Körperschema auf und 
begann 1911/12 mit der Erforschung der kortikalen Repräsentation (vgl. T
EEGEN
 1992, 99f.).  
D
AS 
S
ELBST
-
 UND 
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ÖRPERERLEBEN UNTER DEM 
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INFLUSS EINER 
K
REBSERKRANKUNG
27 
Körper auseinandersetzten und den Begriff Körperbild
21
 prägten (vgl.
 Z
.B. S
CHILDER
1950). Den Schwerpunkt auf die gefühlsmäßig bewertenden Prozesse setzend eruie-
ren diesbezügliche Untersuchungen zahlreiche subjektive Aspekte des Menschen 
über seinen Körper wie zum Beispiel Körperbild (S
ECORD 
& J
OURARD 
1953; 
B
IELEFELD
 1986), Körperselbst (J
ORASCHKY
 1986), Körperselbstbild (B
ONGERS
1984), Körperkonzept (M
RAZEK
 1984), Körpererfahrung (S
HONTZ
 1975; F
ISHER
1970; P
AULUS
 1982) und Körperstörungen (S
ALTER
 1998). Die Vielzahl der Begriffe 
deutet die Fülle persönlichkeitstheoretisch orientierter Publikationen an. Durch inten-
sive Forschungstätigkeit hat die Körperbildforschung neben einer großen 
Literaturfülle bedauerlicherweise auch eine verwirrende Begriffsinflation hervorge-
bracht, wodurch es schwierig scheint, diese subjektive Dimension einheitlich und 
zufriedenstellend zu erforschen (vgl. B
IELEFELD
 1986, 7ff.). Die Methoden sprechen 
in unterschiedlicher Weise auf einzelne Aspekte dessen an, was der jeweilige Autor 
als Körperbild versteht. Nach S
ALTER 
(1998, 22) existiert bislang noch keine Metho-
de, die das Körperbild als Ganzes zufriedenstellend erfaßt. Die Fülle 
wissenschaftlicher Fragestellungen, methodischer Zugriffe, historischer, kultureller 
und anders gearteter Einflüsse haben den Forschungskomplex Körpererfahrung so 
ausufern lassen, daß die bisherigen Erkenntnisse weitgehend zusammenhangslos 
nebeneinander stehen. T
EEGEN
 (1992, 97) weist darauf hin, daß eine genaue Ordnung 
bisher noch nicht geleistet worden ist. Allerdings bemühen sich einige Autoren um 
eine systematische Strukturierung der Vielzahl von Begriffen. Im Rahmen dieser 
Arbeit sind hierbei vor allem die Strukturmodelle nach B
IELEFELD 
(1986) und 
P
AULUS
 (1986) von Interesse.  
Nach einer kritischen Analyse bisheriger Systematisierungsversuche stellt 
B
IELEFELD
 (1986, 13ff.) ein neues Strukturmodell vor, das sich um eine Integration 
bisheriger Begriffe bemüht und die Gliederung unter einen Oberbegriff versucht. Als 
einen allen anderen Bezeichnungen übergeordneten Begriff schlägt er den Terminus 
,body experience' (Körpererfahrung) vor, der ,,die Gesamtheit aller im Verlauf der 
individuellen wie gesellschaftlichen Entwicklung erworbenen Erfahrungen mit dem 
eigenen Körper, die sowohl kognitiv wie affektiv, bewußt wie unbewußt sein können 
[
umfaßt]" (B
IELEFELD
 1986, 17). Es handelt sich um ein allgemeines Konstrukt, das 
auf die Wahrnehmung verweist, wobei Wahrnehmung in diesem Sinne nicht nur neu-
rophysiologische Prozesse, sondern auch die Erlebnisqualität, also Empfindungen 
21
 Der Begriff Körperbild wurde 1923 von S
CHILDER
 eingeführt. Das Körperbild bezieht sich mehr auf 
die affektiv akzentuierte Dimension des Körpererlebens. S
CHILDER
s Konzept vom Körperbild be-
inhaltet psychische Aspekte, die soziologische Relevanz der äußeren Erscheinung sowie die 
Einstellungen und Gefühle eines Menschen gegenüber seinem Körper. Das Körperbild enthält die 
gesamten subjektiven Erfahrungen mit dem eigenen Körper (vgl. T
EEGEN
 1992, 100f.).    
D
AS 
S
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ÖRPERERLEBEN UNTER DEM 
E
INFLUSS EINER 
K
REBSERKRANKUNG
28 
und Gefühle beinhaltet. B
IELEFELD
 sieht in dem Terminus einen idealen Oberbegriff, 
unter den Aspekte der Körperwahrnehmung und des Körpererlebens in hervorragen-
der Weise subsumiert werden können. Dabei faßt er die beiden Themenkomplexe im 
Sinne zweier Facetten eines Sachverhalts auf. Auf der zweiten Strukturierungsebene 
finden sich die Termini Körperbild und Körperschema. B
IELEFELD
 ordnet dem Kör-
perschema den neurophysiologischen Teilbereich der Körpererfahrung zu, der ,,alle 
perceptiv-kognitiven Leistungen des Individuums bezüglich des eigenen Körpers" 
umfaßt (1986, 17). Hierzu zählen die Orientierung im und am eigenen Körper, die 
Einschätzung von Größendimensionen sowie alle Bereiche der Körperkenntnis. Dem 
gegenüber stellt er den psychologisch-phänomenalen Teilbereich der Körpererfah-
rung (Körperbild), zu dem alle körperbezogenen Empfindungen, Gefühle und 
Vorstellungen, über die das Individuum etwas aussagen kann, gehören.  
Auch P
AULUS
 (1982) zielt auf die Erarbeitung eines übergeordneten Konstrukts der 
Körpererfahrung ab. Er geht von den gleichen Begriffen wie B
IELEFELD
 aus, setzt 
ebenfalls die Körpererfahrung gleich dem Wissensbestand über den eigenen Körper 
als übergeordneten Begriff und strukturiert sie in einen kognitiv-perceptiven Aspekt 
(Körperschema) und einen emotional-affektiven Aspekt (Körperbild). Allerdings 
nimmt er eine andere Differenzierung dieser Teilbereiche vor. Körperschema im 
Sinne von P
AULUS
 meint die unmittelbare Orientierung am eigenen Körper, die als 
Funktion autonom im Zuge der Entwicklung des Zentralen Nervensystems reift. Ge-
meint ist also die biologisch-materiale Körpermerkmalszuschreibung, die aus 
kinästhetischen, propriozeptiven, optischen und taktilen Erfahrungen resultiert. Zum 
Körperbild gehören nach P
AULUS
 die affektiv-emotionalen Eigenschaftszuschrei-
bungen des Körpers und die Bedeutung, die diesen Eigenschaften beigemessen wird, 
sowie das emotionale Verhältnis zum Körper. Es geht demnach um die subjektive 
Körpersichtweise, d.h. die Erlebnisqualität des Körpers über die biologisch-materiale 
Merkmalszuschreibung hinaus und die Bedeutung, die Personen ihren jeweiligen 
Körpereigenschaften beimessen. Das emotionale Verhältnis zum Körper umfaßt 
schwerpunktmäßig die (Un-)Zufriedenheit mit dem Körper bzw. verschiedenen Kör-
peraspekten (vgl. T
HIEL 
1994, 13f.).  
Zusammenfassend ist festzuhalten, daß der Begriff Körpererfahrung ein in sich selbst 
sehr komplexes Konstrukt darstellt, dessen internen Bezüge noch weitgehend unge-
klärt sind. Ähnliches trifft auf den erlebnisorientierten Bereich, umschrieben mit den 
Begriffen Körperbild oder Körpererleben, zu. Man nimmt an, daß das Körperbild in 
Struktur und Ausdifferenzierung dem Selbstbild auf körperlicher Ebene entspricht 
(vgl. M
RAZEK
 1986, 224; S
EIFFGE
-K
RENKE
 1996, 253). Sowohl die Arbeit von 
A
LFERMANN
 (1998) als auch von S
ONSTROEM ET AL
. (1991) zeigen, daß die Annah-
me eines multidimensionalen Körperkonzeptes von Erwachsenen berechtigt ist. Eine 
exakte Bestimmung des Körperbildes gestaltet sich jedoch als äußerst schwierig, da 
D
AS 
S
ELBST
-
 UND 
K
ÖRPERERLEBEN UNTER DEM 
E
INFLUSS EINER 
K
REBSERKRANKUNG
29 
es sich um ein komplexes theoretisches Konzept handelt, zu dem verschiedene Beg-
riffsdefinitionen existieren. Die meisten Forscher teilen die Ansicht, daß das 
Körperbild mehr ist als die bloße Bewertung des Körpers mit Hilfe der Wahrneh-
mung und daß kognitive Aspekte eine ausschlaggebende Rolle bei der Entstehung 
des Körperbildkonzeptes spielen. Es ist zu vermuten, daß insbesondere durch das 
komplexe Zusammenspiel von Wahrnehmungen, Einstellungen und emotionalen 
Faktoren bei der Entwicklung des Körpererlebens die genaue Bedeutung des Kon-
zeptes oft nicht klar ist.  
In Übereinstimmung mit S
ALTER 
(1998) versteht diese Arbeit das Körpererleben als 
ein dynamisches, mehrdimensionales Konzept, das sich auf den subjektiv wahrge-
nommenen und emotional abgespeicherten Bereich des Körpers bezieht. Dieser 
umfaßt die Zuschreibung von Körpereigenschaften (z.B. attraktiv, gesund, feminin) 
und die (kognitive wie emotionale) Beziehung zum eigenen Körper (vgl. P
AULUS
1986, 109) bzw. in den Worten von B
IELEFELD 
,,alle emotional-affektiven Leistungen 
des Individuums bezüglich des eigenen Körpers" (1986, 17). 
3.2  Was bedeutet Selbsterleben? 
Wissenschaftlich ist das Selbsterleben in sehr unterschiedlichem Ausmaß bearbeitet 
worden, so daß im Ergebnis die Selbstforschung gegenwärtig durch einen Pluralis-
mus an Konzepten und Theorien gekennzeichnet ist. Der Beginn einer 
systematischen Erforschung des Selbst läßt sich mit der Arbeit von J
AMES
 (1890 in 
B
IELEFELD
 1986, 5f.) datieren. Im Laufe eines Jahrhunderts sind mit dem Begriff 
,Selbst' jedoch höchst unterschiedliche Konzepte belegt worden, so daß im Rahmen 
dieser Arbeit eine begriffliche Präzisierung erforderlich ist. Dabei stützen sich die 
weiteren Ausführungen auf die konzeptionellen Ansätze sozialpsychologisch orien-
tierter Forschung.  
Das Selbst läßt sich grob als das Bild verstehen, das eine Person von sich selbst ent-
wirft, es handelt sich also um eine individuell konstituierte laienhafte Theorie. In der 
sozialwissenschaftlichen Literatur wird der Begriff ,Selbst' in die Elemente Selbst-
konzept, Selbsteinschätzungen und Selbstwertgefühl differenziert. Selbstkonzept 
wird in diesem Sinne verstanden als die Summe der Urteile einer Person über sich 
selbst. Während es sich hierbei um die reine Zuschreibung von Eigenschaften han-
delt, bedeutet Selbsteinschätzung die zu den einzelnen Kognitionen gehörigen 
affektiven Komponenten, es handelt sich also um bewertende Urteile. Aus der Sum-
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30 
me aller gewichtigen Selbsteinschätzungen bildet sich schließlich das Selbstwertge-
fühl (vgl. F
REY 
& B
ENNING
 1983, 149; S
ALTER 
1998, 4). Obwohl klare Definitionen 
der Begriffe vorliegen, finden sie in der Literatur keine einheitliche Verwendung. 
Diese Arbeit schließt sich zunächst der Aufteilung des Selbst in affektive und kogni-
tive Komponente an, wobei die affektive die selbstbezogenen Bewertungen 
(Selbstwertgefühl) und die kognitive die selbstbezogenen Wahrnehmungen und das 
Wissen bezüglich der eigenen Person (Selbstbeschreibungen) umfaßt (vgl. S
EIFFGE
-
K
RENKE
 1996, 250f.; H
ANNOVER 
1997, 66ff.). Beide Teilbereiche stehen in Interak-
tion und lassen sich in Anlehnung an P
AULUS
 (1986, 87) unter dem Oberbegriff 
Selbsterfahrung subsumieren, der die Grundlage der Selbsttheorie bildet. Der Ter-
minus Selbsterfahrung umfaßt die Gesamtheit aller Einstellungen eines Individuums 
zur eigenen Person. Hierunter werden ,,sowohl Überlegungen, Auffassungen, Vor-
stellungen, Bewertungen, Gefühle als auch Handlungen subsumiert, die das 
Individuum gegenüber der eigenen Person entwickelt" (W
EBER
  & A
NDERLE
 1997, 
35) und auf deren Basis subjektive Konzepte konstruiert werden.  
Die Theorie über die eigene Person entwickelt sich in einem fortlaufenden Differen-
zierungsprozeß, d. h. Selbsterfahrungen werden in konzeptuellen Systemen 
gespeichert, emotional determiniert und mit anderen Bereichen verknüpft, die wie-
derum untereinander verbunden sind. So entsteht als ein differenziertes und 
integriertes Konstruktsystem das Selbst(erleben), das immer einzigartig ist, sprich 
jeweils nur die betreffende Person charakterisiert (vgl. H
ANNOVER 
1997, 36). In die-
sem Sinne versteht die Arbeit den Begriff Selbsterleben auf die subjektive 
Erlebnisqualität und die Bedeutung einzelner Komponenten für die Handlungskom-
petenz und Wertschätzung der eigene Person ausgerichtet. 
Das Selbsterleben ist in erheblichem Maße sozial bedingt. In Anlehnung an W
ITTE
(1991, 11) kann die Selbsttheorie als die sozial vermittelte Stellungnahme zur eige-
nen Person definiert werden. Aufbau und Veränderung der Theorie basieren auf der 
Grundlage von Informationen über die eigene Person, die zum einen aus der Eigen-
wahrnehmung, zum anderen aus der Interaktion mit der materialen und sozialen 
Umwelt resultieren. P
AULUS
 (1986, 105) unterscheidet auf der Basis von F
ILIPP
(1979) fünf Informationsquellen, über die ein Mensch Rückmeldungen aus der sozia-
len Umwelt über das Verhalten oder Eigenschaften seiner Person erhält: Direkte, 
indirekte, komparative, reflexive und ideationale Merkmalszuweisungen. Andere 
Menschen liefern kontinuierlich informationelles Rohmaterial über die eigene Per-
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son, das subjektiv verarbeitet, interpretiert und bewertet wird. Daneben existieren 
allgemeine soziokulturelle Sollsetzungen, die als kognitives Bezugssystem wirken 
und an denen sich das Individuum in Wahrnehmung und Bewertung seines Selbst 
orientiert. Die Komponenten des Selbst entstehen also aus der subjektiven Reflexion 
des eigenen Verhaltens auf andere und der daraus folgenden positiven oder negativen 
Bewertung. Sie entwickeln und verändern sich somit in einem wechselseitigen Per-
sonen-Umwelt-Bezug. Grundsätzlich muß dabei berücksichtigt werden, daß 
Menschen aktive Konstrukteure ihres Wissens sind und Informationsquellen selektiv 
aufsuchen oder vermeiden (vgl. F
ILIPP
 1985c, 351).  
Die konzeptionellen Divergenzen der unterschiedlichen Ansätze zur Selbsttheorie 
finden sich hauptsächlich in den Bereichen Struktur, Funktion und Stabilität. Wäh-
rend früher die eigene Person in ihrem Selbsterleben als ganzheitlich gedachte Entität 
angesehen wurde, scheint sich in jüngster Zeit die Annahme eines multiplen Selbst in 
Form vieler bereichs- und situationsspezifischer Partialmodelle der eigenen Person 
durchzusetzen. H
ANNOVER
 (1997, 3ff.) spricht von zu unterscheidenden Selbstkon-
zepten einer Person, die durch den Kontext gebildet werden, mehr oder weniger 
interagieren und damit ein dynamisches System darstellen. In neuen Theorien wird 
also übereinstimmend von einem System von Teilkonzepten des Selbst ausgegangen, 
d.h. das Selbst wird durch verschiedene Aspekte oder Komponenten der Person be-
stimmt. So differenziert bspw. F
UCHS 
(1989, 8) ein soziales, körperliches und 
leistungsbezogenes Selbstkonzept. Einen wichtigen Aspekt bildet diesbezüglich die 
unterschiedliche Bedeutsamkeit der Selbstpostulate. Bei erwachsenen Frauen weisen 
Aspekte des Körpers wie z. B. Figur, Weiblichkeit, Körpergröße, Jugendlichkeit etc. 
verschiedene Relevanzen auf. Werden die zentralen Annahmen durch neue Erfah-
rungen in Frage gestellt, kann dies zu weitreichenden Krisen und zu Versuchen der 
Rekonstruktion der Selbsttheorie Anlaß geben. Bezogen auf eine Brustkrebserkran-
kung könnte dies beispielsweise bedeuten, daß die Betroffene durch gezieltes 
Körpertraining versucht, ihre veränderte Körperlichkeit zu erspüren oder aber kogni-
tiv eine veränderte Relevanzzuschreibung vornimmt.  
Noch keine einheitliche Meinung gibt es bezüglich der Frage, in welcher Form das 
oben erläuterte dynamische System organisiert ist. Je nach theoretischer Perspektive 
finden sich hier unterschiedliche Ansätze. Ältere informationstheoretische Ansätze 
begreifen das Selbst als ein System von Selbstschemata, das als Gedächtnisstruktur 
repräsentiert ist und so die Verarbeitung neuer Informationen steuert (vgl. M
ARKUS
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32 
in H
ANNOVER
 1997, 19ff.). Andere Forscher gehen hingegen von einer hierarchi-
schen Organisation von Selbstkognitionen verschiedenen Spezifitätsgrades aus, dem 
gemäß Selbstkognitionen auf niedrigstem hierarchischen Niveau zu selbstbezogenen 
Postulaten jeweils höherer Ordnungsstufen zusammengefaßt werden (vgl. 
A
LFERMANN
 1998, 213; E
PSTEIN
 1977, 22). Neuere Ansätze schlagen ein assoziati-
ves Netzwerkmodell des Selbst vor (vgl. H
ANNOVER
 1997, 20; Abb. 3-1). Das 
Netzwerkmodell postuliert, daß selbstbezogene Erfahrungen um verschiedene Kon-
texte herum organisiert sind und gleichberechtigt nebeneinander stehen. 
Informationen werden in Sätzen gespeichert, die spezifische Informationen mit dem 
Selbst verbinden (z.B. weiblich, sportlich, hilfsbereit).   
A
BBILDUNG 
3-1: S
TRUKTURMODELL DES 
S
ELBSTKONZEPTS ALS ASSOZIATIVES 
N
ETZWERK
Q
UELLE
: I
N 
A
NLEHNUNG AN 
H
ANNOVER 
(1997) 
Nach wie vor heftig umstritten ist in der Wissenschaft die Frage, ob das Selbst als 
stabiler Kern der Persönlichkeit aufzufassen ist oder ob es eine hohe situative Fluk-
tuation und zeitliche Variabilität aufweist (vgl. H
ANNOVER
 1997, 45ff.). Insgesamt 
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33 
läßt sich aus den vorliegenden Forschungsergebnissen die Schlußfolgerung ziehen, 
daß das Selbst zumindest kurzfristigen situativen Schwankungen unterliegt. Je nach 
Kontext tritt ein bestimmtes Selbst in den Vordergrund, während andere Bereiche in 
den Hintergrund treten. Selbstbewertungen höheren Abstraktionsniveaus, großer 
Zentralität sowie solche mit hoher subjektiver Bedeutsamkeit weisen zeitlich stärkere 
Konstanz auf (vgl. S
TELTER
 1997, 115). Auf dieser Ebene werden möglicherweise 
nur einschneidende Lebensereignisse zu zeitlich dauernden Selbstveränderungen 
führen. M
ANDLER
 (1993, 28) weist darauf hin, daß die stabilen Bereiche der Selbst-
bewertung auf langjährig gefestigten intrapsychischen Strukturen basieren, 
wohingegen Selbstbereiche mit psychosozialer Komponente eine stärkere Variabili-
tät zeigen. Demnach nimmt das Maß der Veränderbarkeit der Selbsteinschätzungen 
mit steigendem Einfluß von Umweltfaktoren zu.  
J
AMES
 führte mit Beginn der Selbstforschung 1890 die grundlegende Unterscheidung 
zwischen dem Selbst als erkennendes Subjekt und als Objekt der Erkenntnis ein (vgl. 
B
RÄHLER
 1986, 4f.). Diese Differenzierung ist in der aktuellen Forschung in ande-
rem begrifflichen Gewand wieder aufgegriffen worden. Jeder Mensch erhält durch 
Erfahrungen, die er in seinem persönlichen Alltag macht, kontinuierlich Informatio-
nen für den Aufbau seiner Selbsttheorie, umgekehrt beeinflußt aber auch das 
Selbstwertgefühl die Informationsaufnahme. So gilt selbstbezogenes Wissen zum 
einen als das Ergebnis der Verarbeitung selbstbezogener Informationen, zum anderen 
bildet es einen Aktionsplan, demgemäß nachfolgende selbstbezogene Informationen 
verarbeitet werden und steuert so den Prozeß der Konzeptbildung über die eigene 
Person
22
. In diesem Sinne wird die duale Perspektive von J
AMES 
in Form einer pro-
zeß- und produktorientierten Betrachtung von Selbstkonzepten weitergeführt (vgl. 
F
ILIPP
 1985c, 347ff.).     
Abschließend soll die Frage diskutiert werden, welche Funktion der Selbsttheorie 
zukommt. P
AULUS
 (1986, 95) betont ihre herausragende Bedeutung für die seelische 
Gesundheit und weist ihr konkret drei Ziele zu: Sie soll eine optimale Lust-Unlust-
Balance ermöglichen, eine positive Selbstwertschätzung sichern und die Anpassung 
22
 Ob die Verarbeitung im Sinne der Selbsterhöhungstheorie oder der Selbstkonsistenztheorie erfolgt, 
kann im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter diskutiert werden. Während die Vertreter der Selbster-
höhungstheorie postulieren, daß Menschen generell positive Informationen suchen und negative 
vermeiden, werden aus konsistenztheoretischer Richtung Zweifel am Motiv des Selbstwertschutzes 
laut. Vertreter dieser Perspektive behaupten, daß Personen Informationen den Vorrang geben, die 
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aller selbstbezogenen Erfahrungsdaten gewährleisten. Auch A
LFERMANN
 (1998, 
218f.) sieht im Selbsterleben eine wichtige Gesundheitsressource und verweist auf 
den engen Zusammenhang der psychischen Gesundheit mit dem Selbstwertgefühl als 
globale Bewertung der eigenen Person. Die praktische Relevanz der verschiedenen 
Selbstkomponenten zeigt sich, wenn die Auswirkungen des Selbst betrachtet werden: 
So wirkt sich das Ausmaß des generellen und bereichsspezifischen Selbstwertgefühls 
auf die Wahl von Handlungen aus. Beispielsweise wird jemand, der sich sportliche 
Fähigkeiten zutraut, eher sportlich aktiv werden, wobei aus dieser Verhaltensweise 
dann auch wieder selbstwertförderliche Informationen zurückfließen (vgl. Kapitel 5). 
Hohes Vertrauen in die eigene Person erleichtert zudem den Umgang mit Aufgaben 
und Problemen. Aufgrund der selbsteingeschätzten Handlungskompetenz, für die als 
vermittelnde Variable die Selbstwirksamkeit steht, finden sich eher zufriedenstellen-
de Lösungsmöglichkeiten. Eine hohe Selbstwirksamkeit führt auch zu verstärktem 
Kontrollempfinden und wirkt sich in dieser Verbindung förderlich auf die Lebenszu-
friedenheit auswirkt. Auf kognitiver Ebene zeigt sich ein Einfluß der Selbsttheorie 
auf die Informationsaufnahme und -verarbeitung, wobei die genaue Art und Weise 
dieser Beeinflussung noch nicht hinlänglich bewiesen ist (vgl. H
ANNOVER
 1997, 
30ff.). Nicht zuletzt zeigt sich bei Personen mit hohem Selbstwertgefühl ein positiver 
Einfluß auf ihr soziales Verhalten (vgl. A
LFERMANN
 1998, 217).  
3.3  Die Verbindung von Körper und Selbst 
Menschen stellen sich über ihren Körper dar, über Körperhaltung, Gestik, Mimik 
oder die Ausgestaltung von Bewegungen. Wie schon mehrfach angesprochen ma-
chen Körpererfahrungen einen integralen Bestandteil der Selbsterfahrungen aus. Das 
Körperbild als komplexes inneres Erfahrungsmuster bildet die Grundlage des Selbst-
bildes und des Kontaktes zur Realität. Besinnt man sich darauf, daß die frühesten 
Selbstwahrnehmungen Wahrnehmungen des eigenen Körpers sind (,sich be-
greifen'), so wird die Bedeutung der subjektiven Körpererfahrungen für das Selbster-
leben offensichtlich (vgl. T
EEGEN
 1992, 100ff.; Z
IMMER
 1993, 25ff.). Auch P
AULUS
betrachtet die Körpererfahrung als Teilaspekt einer umfassenden Theorie über das 
Selbst und beurteilt ,,die Verwurzelung im eigenen Körper als wesentlich für die per-
sonale Identität" (1982, 88; vgl. M
RAZEK 
1986). Über Körpererfahrungen nimmt das 
mit ihren Selbstwerteinschätzungen kongruent sind, d.h. Personen mit negativem Selbst bevorzu-
gen Informationen, die negative Aussagen über sie beinhalten.  
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Individuum sich selbst und seine Umwelt wahr und konstruiert daraus subjektive 
Konzepte (vgl. T
HIEL
 1994, 3). Subjektiv körperbezogene Wertungen konstituieren 
und repräsentieren vielfältige subjektive Beziehungen des Individuums zu seinem 
Körper und leisten damit einen zentralen Beitrag zum Selbsterleben. Für die zugrun-
de liegende Selbsttheorie ist von entscheidender Bedeutung, welche Eigenschaften 
Individuen ihrem eigenen Körper zuschreiben, welche Aspekte mitberücksichtigt 
werden, in welchem Beziehungsgefüge die Konzepte stehen und in welchem Aus-
maß sie eine innere Stabilität aufweisen. Die verschiedenen Konzepte erlangen für 
die Selbsttheorie funktionale Bedeutung. So bedeutet beispielsweise körperliche Att-
raktivität nicht nur, einen schönen Körper zu haben, sondern aus Sicht der 
Selbsttheorie, welche Funktionen sich für das Individuum damit verbinden. Hierzu 
gehört zum Beispiel von anderen bewundert zu werden, einen gutaussehenden Part-
ner zu finden, einen schönheitsabhängigen Beruf (z.B. Model) zu erlangen usw.. 
Menschen, die sich subjektiv als attraktiv einschätzen, haben auch ein positiveres 
Selbstbild (vgl. S
ALTER 
1998, 4). So konnte in mehreren Studien nachgewiesen wer-
den, daß sich selbsteingeschätzte Schönheit offenbar förderlich auf die Frequenz und 
Qualität von sozialen und sexuellen Kontakten und Erfahrungen auswirkt, die wie-
derum ein positiveres Selbsterleben fördern (vgl. A
LFERMANN 
1998, 217). Als 
materiale Basis des Selbsterlebens kommt der Körpererfahrung eine entscheidende 
Bedeutung für den Aufbau einer positiven Ich-Beziehung, für emotionale Ausgegli-
chenheit und nicht zuletzt für das Selbstbewußtsein des Menschen zu, die von vielen 
Autoren anerkannt wird (vgl. M
RAZEK
 1986; P
AULUS
 1986; T
EEGEN
 1992; Z
IMMER
1993; A
LFERMANN
 1998; S
ALTER
 1998; A
LFERMANN 
& S
TOLL
 2000; 
S
PÄTH
/S
CHLICHT
 2000). Vor allem der Zusammenhang zwischen Wertschätzung und 
Akzeptanz des eigenen Körpers und einer positiv ausgeprägten Selbsteinschätzung 
scheint empirisch hinreichend belegt (vgl. B
IELEFELD 
1986, 28f.). Andere For-
schungsergebnisse deuten darauf hin, daß die Zufriedenheit mit dem eigenen Körper 
mit Aspekten emotionaler Stabilität einhergeht (vgl. P
AULUS
 1982, 111). ,,Wie der 
Mensch Erscheinungsbild und Gegebenheiten seines Körpers akzeptiert, wie er seine 
körperlichen Möglichkeiten einsetzt, wie er seinen Körper beachtet und mit ihm um-
geht, (...) diese Selbstannahme seiner Körperlichkeit (...) trägt nicht zuletzt zum 
körperlichen Wohlbefinden, zur ,psycho-physischen Gesundheit' und damit ent-
scheidend zum Selbstgefühl und zur Ich-Findung bei" (B
IELEFELD
 1986, XIII). 
Ausmaß und Bedeutsamkeit der Konzepte über den eigenen Körper stehen in Ab-
hängigkeit der Gesellschaft und der in den einzelnen Lebensabschnitten der 
individuellen Biographie wirksam werdenden Sozialisationsbedingungen. Körper-
lichkeit ist nicht einfach gegeben, der Wissensbestand beruht vielmehr auf der 
Selbstwahrnehmung und auf Informationen, die durch Interaktion und Kommunika-
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Originalausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2002
- ISBN (eBook)
- 9783832494216
- ISBN (Paperback)
- 9783838694214
- DOI
- 10.3239/9783832494216
- Dateigröße
- 2.5 MB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Universität Bielefeld – Psychologie und Sportwissenschaft
- Erscheinungsdatum
- 2006 (März)
- Note
- 1,0
- Schlagworte
- einzelinterviews aktivität krankheitsbewältigung sequenzanalyse onkologie
- Produktsicherheit
- Diplom.de
 
					